Meine Alphas, Meine Seelengefährten (Alphas x Omega Reader) von p-u-m-p-k-i-n ================================================================================ Kapitel 1: Omegainstinke ------------------------ Eine Holzpixie, so groß wie dein Daumen, flattert hoch über dir zu einem kleinen Loch in der Wand, in das sie verschwindet. Du schaust für einen weiteren Moment dort hin, dann wendest du dich ab und blickst nach vorne über die Köpfe der Kundschaft hinweg. Du wartest bestimmt seit zwanzig Minuten schon. Du stehst in einer Schlange, die sich nur langsam vorwärts bewegt. Du denkst, dass du an einem anderen Tag hierher kommen hättest sollen, und du siehst dich in der Apotheke um. Dein Blick wandert zur hohen Decke, von der Glitzer lautlos herabrieselt. Doch bevor er auf dich und die anderen Kunden in der Apotheke fällt, löst er sich auf. Du beobachtest, wie das Glitzer seine Farbe alle paar Minuten ändert: Gold, Silber, Blau, Violett, Grün, nur um dann wieder von vorne zu beginnen Gold, Silber, Blau, Grün … du seufzt lang und ergiebig: Du bist überzeugt davon gewesen, schnell deinen Einkauf in der Apotheke erledigen zu können. Doch du bist damit ziemlich falsch gelegen, denkst du erschlagend. Du siehst unzählige Luftballons, auf denen die Zahl Hundertfünfzig abgedruckt ist. Sie schweben über dir umher, und sie kommen dir ab und an recht nahe, nur um sich dann wieder an der Decke zu tummeln. Du hast nicht gewusst, dass die Apotheke diese Woche ihr hunderfünfzigjähriges Jubiläum feiert, und du hast nicht geahnt, dass es hier so überfüllt sein wird.   Dir fallen in den Regalen Schilder auf, die mit einer Preisreduzierung für Zaubertränke werben. Dann bemerkst du, dass neben dir ein Korb ist, in dem handgesiedete Zauberseife ist, und du liest dir das kleine Papierschild daneben durch, auf dem in Schnörkelschrift steht.   Kaufe DREI, zahle ZWEI!   Neugierig nimmst du eine Zauberseife in die Hand, und du riechst an ihr. Dir steigt augenblicklich ein lieblicher, wohltuender und fruchtiger Geruch in die Nase. Du empfindest ihn als angenehm. Obwohl die Seife den Namen Zauberseife trägt, weißt du, dass so gut wie keine Magie in der Seife ist, aber du weißt auch, dass der winzige Hauch an Magie ausreicht, damit die Hände nach dem Waschen mit Zauberseife noch stundenlang gut riechen. Du nimmst zwei weitere Zauberseifen aus dem Korb, und du riechst auch an ihnen. Du riechst sofort den Geruch von süß duftenden Blumen, und vor deinem inneren Auge erscheint eine Sommerwiese in leuchtenden Farben. Dann beschnupperst du die dritte Seife, und sie duftet für dich sehr ungewöhnlich, ja neuartig; sie duftet für dich nach etwas, das du zuvor noch nicht gerochen hast, aber dennoch gut riecht. Süße Wohltaten steht auf der Zauberseife. Du entscheidest dich, sie alle drei zu kaufen, und du bist der Meinung, dass der Preis für dich in Ordnung ist.   Die Schlange bewegt sich, und du machst einen kleinen Schritt nach vorne. Du hörst ein Knirschen unter deinen Schuhsohlen, und du trittst beiseite, um nachzuschauen, auf was du getreten bist, obwohl du schon eine Ahnung hast, was es sein wird. Und du hast recht behalten: Du bist auf trockenen Lehm getreten. Du blickst über die Kopfe der Kundschaft hinweg, und du erkennst schnell den Golem, der weiter vorne in der Schlange steht, und der dir beim Betreten der Apotheke durch seine Größe sofort ins Auge gestochen ist. Das Geschöpf, das gerne von Zauberern und Hexen auf Botengänge geschickt wird, verliert häufig Lehm. Du siehst oft Schilder vor dem Eingang von Läden und Restaurants, die einem Golem das Betreten verbieten. Du weißt, wie ärgerlich ein Golem im eigenen Laden sein kann. Erscheinen am Tag viele Golem in deinem Zaubertrankladen, musst du während der Ladenöffnungszeiten den Boden fegen und nass rauswischen. Manchmal passiert es auch, dass aus dem Körper eines Golem ein größeres Stück Lehm herausbricht. Du erinnerst dich noch sehr gut daran, wie einem Golem der Arm bis zur Schulter abgefallen ist, nachdem du ihm die Tüte mit den Gartenzaubertränken um das Handgelenk gehängt hast. Die Glasflaschen sind auf deinem Parkettboden zersprungen, und die Flüssigkeit ist unter die Theke gelaufen, und hinzu kam noch der große Klumpen Lehm, der zwischen den Scherben lag und einmal ein Arm gewesen ist. Du bist sehr froh, wenn die Zauberer und Hexen persönlich deinen Laden besuchen, oder du Hausbesuche bei ihnen machen kannst.   Während du mit der Zauberseife in der Hand wartest, bis du an der Reihe bist, hörst du es hinter dir immer wieder läuten, und die Ladentür wird geöffnet und geschlossen. Du bemerkst und du fühlst es, dass es in der Apotheke immer enger wird. Du erkennst in der Schlange vor dir Menschen, Zauberer, Hexen, Schatten, Sonnenvampire, Werwölfe und den großen Golem. Du seufzt, als dir bewusst wird, wie viele Wesen noch vor dir sind. Du hättest an einem anderen Tag kommen sollen, denkst du. Doch als du heute Morgen die letzte Zutat in deinen Düngerzaubertrank geben wolltest, den du vor einer Woche angesetzt hast, hast du festgestellt, dass du nur noch eine Messerspitze Feuertanzpulver daheim hast - zu wenig. Du bist dir sicher, dass dein Düngerzaubertrank, um seine volle Wirkung entfalten zu können, unbedingt drei Messerspitzen Feuertanzpulver braucht. Du weißt, dass in dem feuerroten Pulver Mineralien enthalten sind, die aus Gemüsesamen prächtiges Gemüse in kürzester Zeit wachsen lässt. Deswegen bist du hierher gekommen.   Du lehnst dich ein wenig zur Seite, um an der Schlange vorbeischauen zu können und einen Blick auf die Kasse zu werfen. Du siehst, dass gerade ein Schatten von einer jungen Hexe bedient wird. Die Hexe ist groß, aber kleiner als die Hexe, die neben ihr an der Kasse die Kundschaft bedient. Du weißt, dass Betas oft kleiner als Alphas und größer als Omegas sind. Du bist der Meinung, dass die Hexe für einen Omega zu groß ist, und du nimmst an, dass sie ein Beta ist. Jede Person in der Apotheke besitzt einen natürlichen Geruch, die sie als ein Alpha, Beta oder Omega offenbart. Du kannst jedoch manchmal keinen Geruch an Personen riechen, dann weißt du, dass sie ihn mit Parfüm oder Zaubertränken unterdrückt, etwas, dass verbreitet unter Alphas und Omegas ist. Du weißt, dass Alpha- und Omegapheromone an öffentlichen Orten schon oft für Aufruhr und Durcheinander gesorgt haben, und du weißt, dass es daher zur Anständigkeit gehört, seine Pheromone in der Öffentlichkeit nicht zu verströmen.   Die Einzigen, die absolut keinen Geruch besitzen, sind die Schatten und der Golem. Für dich sind die Schatten äußerst sonderbare, mysteriöse Wesen, und du erinnerst dich an genügend merkwürdige Situation mit ihnen. Du findest, dass das Aussehen der Schatten dich an schwarzen Wackelpudding denken lässt, auf dem zwei weiße Augen mit schwarzen Pupillen aufgeklebt sind. Die Schatten besitzen keine Nase und keinen Mund, obwohl es in der Stadt Schattenrestaurants gibt, die immer gut besucht von ihnen werden.   Du beobachtest, wie die Beta-Hexe eine Flasche mit Zaubertrank dem Schatten überreicht. Das Wesen nimmt den Zaubertrank mit wackeligem Arm entgegen, und dann siehst du, wie es den Zaubertrank in seinen eigenen Körper verschwinden lässt. Du weißt, dass du in ihren Körpern immer allerlei Gegenstände erkennen kannst, wenn sehr helles Licht die Schatten anstrahlt. Sie benutzen ihre Körper als mobiles Lager, und es scheint ihren Körpern nichts auszumachen.   Der Schatten greift in seinen Körper hinein und holt aus ihm ein paar silberne und kupferne Münzen und zahlt, dann wackelt er zur Ladentür. Du weißt, dass Schatten keine Füße haben, sondern ihr Körper endet direkt auf dem Boden. Du hörst die Ladentürglocke läuten, als der Schatten hinaustritt.   Du blickst dich erneut in der Apotheke um, obwohl du dich in ihr sehr gut auskennst. Du kaufst hier seit Jahren für deine Zaubertränke Zutaten ein. Die Apotheke liegt in einem gehoberen Stadtteil. Von deinem Zaubertrankladen hierher brauchst du lange, aber du nimmst diesen Zeitaufwand immer wieder in Kauf, denn die Apotheke verkauft einige Zutaten, die du in der Apotheke in deinem Stadtteil nicht bekommen kannst.   Überall, wohin du schaust, siehst du dunkles Holz: Die Apotheke hat sich in den Hundertfünfzigjahren kein bisschen verändert, sie besitzt immer noch den gleichen Flair, sieht noch genau so aus, wie auf den alten Schwarzweisfotos, die hinter Glas eingerahmt an einer Wand dir gegenüber hängen.   Du siehst eine Wendeltreppe, die in den zweiten Stock der Apotheke führt, wo Regale sind, die von unten bis oben voll sind mit Zaubertränken, Zaubersalben und Magiekosmetikprodukten.   Der zweite Stockwerk bietet nur wenig Platz: Die Wendeltreppe führt zu einem zweimeter breiten Balkon, der sich an den Wänden des zweiten Stockwerks entlangzieht. Du kannst durch die Mitte hindurch direkt zur hohen Decke mit ihren dunklen Deckenbalken blicken. Dann entdeckst du sie wieder: Auf einem der Deckenbalken sitzen drei Holzpixies, dicht beieinander, Arm an Arm, ihre Flügel sind auf ihrem Rücken angelegt. Sie unterhalten sich: Du siehst, dass ihre Münder sich bewegen. Du hörst sie jedoch nicht, aber du weißt, dass wenn Pixies reden, es sich immer anhört, als ob sie ganz leise zwitschern und schnattern. Du weißt, dass Holzpixies Plagegeister sind, die man besser nicht im Haus haben möchte. Ihre Münder sind gespickt mit rasiermesserscharfen Zähnen, mit denen sie Holz fressen. Sie sind noch schlimmer als Holzwürmer.   Und weil du in einem alten Fachwerkhaus wohnst, hast du genau deswegen eine Sprühflasche daheim stehen, die du mit einem Antiholzpixie-Zaubertrank gefühlt hast. Wenn du siehst, dass sich Holzpixies und ihre Familien mal wieder in deinem Haus einquartieren wollen, versprühst zu den Zaubertrank in der Luft in allen Zimmer. Der Zaubertrank besitzt das künstliche Aroma von Wiesenpixies, die natürlichen Feinde der Holzpixie.   Die Holzpixies auf dem Balken haben momentan keinen Hunger, denkst du. Sie scheinen lieber zu beobachten, was unter ihnen in der Apotheke geschieht. Als sie bemerken, dass du sie anschaust, springen sie schnell vom Balken und flattern durch das kleine Loch in der Wand.   Nach einer Weile lugt ein kleiner, struppeliger Kopf aus dem Loch in der Wand zu dir hinunter. Die Holzpixie mustert dich für einen Moment, bevor sie wieder in ihrem Nest in der Wand verschwindet. Du senkst den Blick, und du schaust wieder nach vorne, und du stellst fest, dass nur noch zwei Personen, ein Mensch und ein Zauberer vor dir sind. Du kannst es kaum abwarten nach Hause zu kommen, um die letzte Zutat deinem Düngerzaubertrank unterzurühren. Du willst den Düngerzaubertrank schon morgen testen. Du bist der Meinung, bis dahin sollte er vollends durchgezogen sein und seine ganze Kraft entfalten können.   Wieder hörst du es bimmeln, wieder öffnet sich die Ladentür, aber du achtest nicht darauf, vor deinem inneren Auge siehst du schon großes, prachtvolles Gemüse. Und dann, recht unerwartet, fühlst du plötzlich eine Veränderung in der Luft, und du wirst aus deinen Gedanken gerissen. Du blickst dich um, und du bemerkst, dass die Kundschaft der Apotheke (außer den Schatten und dem Golem), sich genau wie du zur Tür umdrehen.   »Oh, schau dir das an!«, hörst du die glockenhelle Stimme eines Mädchens. »Schau!«   Ein Mädchen mit langen blonden Zöpfen stürmt an dir vorbei und bleibt vor einem Regal stehen und beäugt die großen Gläser darin. Sie trägt einen eleganten Hut mit einer großen roten Schleife. Ihre Finger fahren über die Gläser, in denen verschiedene Zutaten sind. Du hörst sie kichern.   »Schwesterherz«, ruft sie. »Das musst du sehen, hier ist Schafspucke drinn, Wombaschafspucke, igitt! Für was braucht man das?«   Wombaschafspucke ist sehr gut gegen Blatt- und Schildläuse, schießt es dir sofort in den Kopf. Du hast selbst ein Glas Wombaschafspucke daheim. Wenn eine Pfalnze von Läusen befallen ist, dann tauchst du einen Stofflappen in die Schafspucke und reibst mit dem Lappen sanft die Blätter der Pflanzen ab. Die Spucke wirkt jedes Mal einwandfrei gegen Läuse. Ein Hausmittel, auf das du nicht verzichten möchtest.   »Vollmondpixiekot?«, sagt das Mädchen nun, und sie wendet sich an ihre Schwester, die zu ihr getreten ist. »Glaubst du, in dem Glas ist wirklich der Kot von Vollmondpixies?«, fragt das Mädchen sie.   Dir fällt sofort auf, dass sie beide sehr dünn sind, ihre Haut ist blass und makellos, sie wirken fast wie zwei Porzellanpuppen, und du weißt sogleich, was sie sind.   »Vollmondpixiekot?«, wiederholt das zweite Mädchen, und sie senkt ihre Stimme. Sie ist größer und wirkt älter als das Mädchen mit den Zöpfen. Ihr Haar ist einen Ton dunkler als das helle Blond ihrer Schwester, und es wird von einer silbrig glänzenden Haarspange zusammengehalten. »Ich glaube schon, dass das wirklich Pixiekot ist.«   Ihre Stimme ist so sanft, dass sie schon besänftigend ist, stellst du fest, als du das Mädchen sprechen hörst, und Vollmondpixekot ist sehr wirkungsvoll und gut für die Haut, fügst du in Gedanken hinzu. Aus dem Kot werden Salben hergestellt, die die Wundheilung fördern, weißt du. Vollmondpixies ernähren sich in der Nacht des Vollmondes von den Pollen der Vollmondblume. Um die Pollen zu verdauen, so weißt du, wirkt die Vollmondpixie in ihrem Verdauungstrakt ihre Magie.   Du schaust dir die zwei Mädchen ganz genau an, da ihre Gesichter dir bekannt vorkommen. Du hast sie schon einmal gesehen, und du fragst dich, ob du ihnen auf der Straße begegnet bist, aber dein Gefühl sagt dir, du kennst sie von woanders her.   Ein großer Mann bleibt bei den Mädchen stehen. Er ist schlank und seine Haut schimmert in demselben blassen Hautton. Auch er sieht aus, als hätte er noch nie einen einzigen Sonnenstrahlen abbekommen. Die Gesichtszüge des Mannes sind eben, glatt und faltenlos, sein rabenschwarzes Haar hat er nach hinten gekämmt. Das schwarze Hemd und die Krawatte, die er trägt, stehen ihm ziemlich gut, denkst du. Seine Hände stecken in schwarzen Lederhandschuhen, und dir sticht sofort ins Auge, dass seine Kleidung von hochwertiger Qualität ist. Seine Kleidung wirkt so teuer wie die luftigen Sommerkleider der beiden Mädchen. Der Mann, der so groß wie ein Alpha ist, sieht aus, als ist er zu einem Geschäftskunden unterwegs. Und dann, in genau diesem Moment, durchzuckt es dich, und du erinnerst dich wieder … jetzt weißt du, woher du die beiden Mädchen kennst, jetzt weißt du, wer sie sind und sogar, wie sie heißen … du hast ein Foto von ihnen letzte Woche in der Zeitung abgedruckt gesehen.   Das jüngere Mädchen hatte sich letzte Woche als Omega präsentiert, genau wie ihre ältere Schwester vor zwei Jahren ihre Präsentation als Omega gehabt hatte. In der Zeitung standen ihre Namen: Der Name des jüngeren Mädchens ist Elise, und ihre ältere Schwester heißt Aurelia - die Töchter des Vampirkönigs, erinnerst du dich. Und jetzt verstehst du auch, wer der große schwarzhaarige Vampir bei ihnen ist. Du denkst, er muss ihr Bodyguard sein. Du schielst immer wieder zu ihnen hinüber, und du siehst, wie ein zweiter männlicher Vampir sich zu ihnen gesellt. So wie er aussieht, ist er auch ein Bodyguard, denkst du. Er ist kleiner als der schwarzhaarige Vampir, hat kurze braune Haare und ein markant geschnittenes Gesicht. Du bist der Meinung, dass er ein Beta ist, da du ihn riechen kannst. Er riecht für dich nach Zedernholz, gemischt mit einem metallischen Geruch, der eindeutig Blut ist. Du weißt, dass allen Vampiren immer ein Hauch von Blut anhaftet, und du weißt, dass Betas ihren Geruch nicht verstecken müssen. Ihr Geruch ist für die Nase von Alphas und Omegas nicht aufdringlich; er kann in Omegas keine Hitze auslösen und in Alphas bewirkt er nicht den unersättlichen Drang, sich zu paaren.   Du wendest dich von ihnen ab, und du wirfst einen Blick über die Schulter, um zu sehen, ob noch weitere Bodyguards die Apotheke betreten haben, und du entdeckst einen weiblichen Vampir; vermutlich auch ein Beta, denkst du. Die Vampirin hat sich am Ende der Schlange eingereiht und ist ähnlich wie die zwei andern Vampire gekleidet: Elegant, aber dennoch geschäftlich.   Du bemerkst, wie die Sonnenvampire in der Apotheke ihr Haupt senken, jedes Mal, wenn eine der Vampirprinzessinnen zu ihnen und dir hinüberschaut.   »Schau«, fordert Elise den schwarzhaarigen Vampir auf, den Inhalt der Gläser in ihren Händen zu betrachten. Du siehst, dass in dem Glas in ihrer linken Hand Konfettipixiestaub ist, und in dem Glas in ihrer Rechten rostfarbene Baumwurzeln: Vermutlich Blutwurzel, denkst du.   »Was kann ich damit machen?«, fragt sie den schwarzhaarigen Vampir.   Er nimmt ihr eins der Gläser aus der Hand, weil sie zu groß für ihre Hände sind. »Ich weiß es nicht«, sagt er knapp.   Babum!   BABUM! Dir stockt augenblicklich der Atem! Babum fühlst du dein Herz in deinem Brustkorb schneller schlagen, als er spricht, und du seine wunderbare männliche Stimme hörst. Du drückst erschreckt über diese plötzliche und neuartigen Reaktion deines Körper deine Hände mitsamt der Zauberseife gegen deine Brust, als willst du dir selbst Halt geben, und du atmest vorsichtig ein und aus, um deinen Herzschlag wieder zu beruhigen. Er ist ein Alpha!, denkst du, und deine Augen weiten sich.   Du bemerkst nur am Rande, dass Elise enttäuscht neben ihm wirkt.   »Ich werde für Euch nachfragen«, hörst du erneut seine unglaublich wohlklingende Stimme.   Du schließt sofort die Augen, den ein warmes Kribbeln fließt deinen Nacken hinunter, das dich genießerisch erschaudern lässt. Es fühlt sich so gut an, dass dir ein Seufzen über die Lippen tritt. Du bist erschrocken, als du diesen Laut von dir gibst, und verlegen über dein Verhalten, und du reißt die Augen auf, um verdattert deine Fußspitzen anzustarren. In deinem Kopf raßen deine Gedanken wild durcheinander, das es dir nur schwer möglich ist, klare Gedanken zu fassen. Wie kann das sein?, denkst du verwirrt, wie kann dieser Alpha diese Wirkung auf deinen Omegakörper haben?   Wieder fließt ein wohltuender Schauer durch deinen Körper, und du fühlst zu deiner Überraschung, wie dein Körper sich entspannst, als lässt du dich in einer heißen Quelle treiben. Deine Nackenhärchen stellen sich auf, und du schließt die Augen erneut, nicht recht wissend, was mit dir gerade passiert. Immer wieder schwappt dieses fremdartige, angenehme Gefühl über dich herein. Du bleibst wie angewurzelt auf der Stelle stehen, selbst als die Schlange sich ein Stück weiter bewegt.   Wie kann das sein?, fragst du dich abermals, und diesmal fühlst du dich trotz deiner entspannten Muskeln zunehmend verunsichert. Wie kann die Stimme dieses Alphas dich in deinem tiefsten Innern berühren, deine Omegainstinkte aus ihrem Schlummer erwecken?, denkst du. Deine Omega-Geruchsblocker und deine Omega-Hitzehemmer sollen das verhindern, sie sollen deine Omegainstinkte unterdrücken, schießt dir der Gedanke in den Kopf.   »Miss … Miss?« Die Stimme wird lauter. »Miss, Sie sind als nächstes dran, was kann ich für Sie tun?«   Du hast gar nicht bemerkt, wie die letzte Personen vor dir von der Beta-Hexe bedient wurde und schon lange die Apotheke verlassen hat. Die Hexe hinter der Theke schaut dich verwirrt an, ihr Betageruch steigt dir in die Nase, als du schnell und etwas wackelig an die Theke herantrittst.   Deine Stimme ist zittrig, fast heißer, und du spürst ein raues Kratzen im Hals, als du zu ihr sprichst. Du lässt sie das Feuertanzpulver holen. Du legst die Zauberseife auf der Theke ab, während sie fort ist. Du brauchst mehrere Versuche, bis du deinen Geldbeutel in deiner Handtasche gefunden hast.   Konnte es sein … aber nein, das durfte es nicht … aber vielleicht doch, überschlagen sich deine Gedanken. Immer noch fühlst du, wie verwirrt du bist. Und als die Hexe mit dem Feuertanzpulver zurückkommt, entscheidest du dich kurzerhand in dieser Apotheke, obwohl sie hier um einiges teurer sind, die nächste Dreimonatspackung an Omega-Geruchsblocker und Omega-Hitzehemmer zu kaufen. Du zeigst der Beta-Hexe deinen Omegaausweis, und als sie noch einmal davontrottet und deine Omega-Medikamente holt, starrst du geistesabwesend auf die Tüte, in die die Beta-Hexe das Feuertanzpulver und deine drei Zauberseifen gepackt hat.   Das darf nicht passieren, denkst du, während du schmerzlich seine Nähe spüren kannst. Du fühlst, wie dein Körper immer wärmer wird, als ist der schwarzhaarige Vampir eine heiß glühende Sonne, die dich zunehmend erhitzt.   Das kann nicht sein!, denkst du, du nimmst deine Omega-Medikamente jeden Tag ein, du vergisst sie nicht! Wie kann dieser Alpha einzig mit seiner Stimme deine Omegainstinkte berühren? Du kannst seine Alpha-Pheromone nicht riechen, er verströmt sie nicht, aber wenn du dich nicht gleich von ihm entfernst, wird jeder in der Apotheke deine Omega-Pheromone riechen können. Du fühlst dich ganz schwummrig, als die Beta-Hexe zurückkommt. Sie packt die Medikamente in die Tüte, und du reißt sie ihr schon fast aus der Hand. Du zahlst schnell, dann gehst du zielstrebend auf die Ladentür zu, ohne den Blick von dem Buntglasfenster abzuwenden, das in der Tür eingelassen ist. Du weißt nicht, was noch passiert wird, wenn du noch einmal seine Stimme hörst oder sein Gesicht erblickst. Du vertraust deinem Körper gerade nicht.   Du bemerkst, dass es sonderbar still in der Apotheke geworden ist, doch dich hält niemand auf, als du die Ladentür öffnest, und du trittst hastig nach draußen, wo du sofort die warmen Sonnenstrahlen auf deiner Haut fühlst. Du läufst die Stufen hinunter und unten schließt für einen Moment die Augen, und du atmest tief ein und aus. Du fühlst, wie das wohlige Kribbeln in deinem Körper beginnt abzuklingen, du fühlst, wie dein Verstand ruhiger wird, und dein Körper langsam abkühlt. Die Hitze in dir verfliegt zunehmend, stellst du erleichtert fest, denn du weißt, dass alles andere bedeutete, dass der Alpha-Vampir in dir eine Hitze ausgelöst hätte. Du bist froh, dass dein Körper sich beruhigt. Bei einer Hitze hättest du deinen Laden für eine Woche schließen müssen, und du hättest sie allein ohne die Hilfe eines Alphas erfahren. Du bist froh, dass dir diese Schmerzen erspart bleiben.   Du schaust neben den Eingang der Apotheke, wo ein kleines, kniehohes Holzregal steht, in dem Teppiche aufgerollt liegen. Du machst einen Schlenker mit der Hand, und ein Teppich wackelt im Regal. Er löst sich von den anderen Teppichen und fliegt zu dir, dann rollt er sich vor dir aus und schwebt auf der Höhe deiner Knöchel. Du willst dich schon auf deinen fliegenden Teppich setzen und dich dem Verkehr einfädeln, da siehst du dich noch einmal im alten Stadtteil von Aelion um, und du entdeckst dabei einen kleinen Stand an der Straßenecke. Du siehst von weitem, dass er Früchte verkauft. Du deutest deinem fliegenden Teppich an, dir zu folgen, und du näherst dich dem Früchtestand. Vielleicht musst du etwas essen, denkst du, etwas Normales, ja Banales tun, um dich abzulenken, deine Nerven zu beruhigen, damit du wieder ganz zu dir kommst.   Der Stand hat eine große Auswahl an Früchten, du siehst auch einige exotische unter ihnen. Du kaufst von den Früchten, die du am liebsten isst, und dann gönnst du dir noch einen Früchtespieß, den du gleich beginnst zu essen. Die Früchte sind reif, genau wie du sie am liebsten magst. Du schmeckst ihre Süße und ihr saftiges Fruchtfleisch. Es ist für dich ein Genuss, und du fühlst, dass du dich gleich besser fühlst.   Du unterhältst dich mit dem Verkäufer, ein älterer Mann und eindeutig ein Mensch, während du an deinem Früchtespieß nagst, und du erfährst von ihm, dass viele der Früchte regional sind und von den Plantagen und Feldern vor der Stadt kommen.   Zwei Rudelmitglieder des ansässigen Wolfsrudels, offensichtlich ein Pärchen und nach ihrem Geruch Betas, schlendern zum Früchtestand, und während der Verkäufer mit seiner neuen Kundschaft beschäftigt ist, beobachtest du die Passanten, die an dir vorbeilaufen. Die Hauptstadt von Aelion ist das Zentrum, in dem sich alle möglichen Wesen mischen und dicht beieinander leben. Die Straßen sind gefüllt mit Zauberern, Hexen, Menschen, Sonnenvampiren, Schatten, Werwölfen und mehr. Dir fällt ein Schwarm Pixies auf, die über Schornsteine fliegen und auf einem Balkon in Blumenkübeln landen.   Du schluckst den letzten Bissen hinunter, und du schaust hinüber zur Apotheke. Die Ladentür öffnet sich von innen. Einer der Vampirbodyguards kommt heraus, es ist der braunhaarige Beta-Vampir, dann siehst du die zwei Töchter des Vampirkönigs, gefolgt von dem weiblichen Vampirbodyguard. Die Vampirin trägt eine große Papiertüte mit dem Logo der Apotheke bei sich. Und den Schluss bildet er …   Du bemerkst, wie dein Atem flach wird, als du ihn siehst. Sie laufen zu einem schwarzen Auto, das nicht weit von der Apotheke parkt. Der braunhaarige Beta-Vampir öffnet für die Vampirprinzessinen die Autotür, und die Mädchen setzen sich auf die Rückbank, dann setzt sich ebenfalls zu ihnen auf die Rückbank, während die Vampirin auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.   Als der Alpha-Vampir die Fahrertür öffnet, steigt er nicht ein. Er wendet den Kopf und schaut die Straße entlang, und dann sind seine Augen auf dir. Dein Magen macht einen Hüpfer, und du fühlst ein flattern dort, wo dein Herz ist, als schlagen Tausend Schmetterlinge gleichzeitig mit ihren Flügeln. Sein Blick ist auf dir. Du öffnest die Lippen leicht und du seufzt lang … er unterbricht den Blickkontakt zu dir, senkt den Kopf, und setzt sich hinter das Steuer, schließt die Fahrertür und startet das Auto.   Der Wagen fädelt sich in den Verkehr ein und fährt in deine Richtung. Und als das schwarze Auto mit dir auf gleicher Höhe ist, treffen seine Augen dich durch die Glasscheibe noch einmal. Der Moment ist kurz, nicht einmal ein Lidschlag lang, und doch fühlst du, wie deine Omegainstinkte Glückshormone ausschütten, weil dich der Alpha bemerkt hat.   Du weißt nicht, wie lange du zittrig mit deinem kleinen Holzspieß in der Hand vor dem Früchtestand gestanden bist. Als dein fliegender Teppich dich anstupst, kommst du wieder zu dir. Du wirfst hastig und etwas verlegen den Holzspieß in einen Mülleimer, dann setzt du dich auf deinen fliegenden Teppich.   »Nach Hause«, sagst du. Dein fliegender Teppich kennt den Weg zu deinem Zaubertrankladen, über dem deine Wohnung ist. Die Frühlingssonne ist heute besonders warm, spürst du. Manche Bewohner von Aelion, siehst du, sind nur leicht bekleidet.   Dein fliegender Teppich bringt dich Heim, und du bemerkst es nicht einmal wirklich. Du bist vertieft in Gedanken, und du denkst immerzu an ihn … ________________________________________________________________________________________________   Alpha-Vampir/Bodyguard   [[USERFILE=847848]]   Kapitel 2: Zaubertränke ----------------------- Du umfasst den Holzlöffel, und du rührst ganz langsam und gleichmäßig im Uhrzeigersinn den Trank im Zaubertrankkessel um. Du bist der Meinung, dass der Trank etwas streng riecht, und du fühlst, wie sein Geruch dich in der Nase kitzelt. Du beugst dich zur Seite, weil du bemerkst, dass du kurz davor bist laut niesen zu müssen. Du presst die Lippen fest zusammen, um ein Niesen zu unterdrücken, denn du willst nicht, dass dein Körper dabei kräftig durchgeschüttelt wird. Um einen hochwertigen Düngerzaubertrank herzustellen, müssen die Rührbewegungen so gleichmäßig wie möglich sein. Jeder noch so kleine ruckartige Unterbrecher mindert die Wirkung des Trankes.   Deine Backen blasen sich auf, aber du hältst deinen Mund fest verschlossen. Du versuchst es, gibst dir große Mühe, und doch hörst du dich im nächsten Moment niesen. Kurz schüttelt es dich. Du findest es schade, dass die Wirkung des Zaubertrankes nun ein wenig gemindert sein wird, aber du gibst auch zu, dass sein Geruch wirklich sehr penetrant ist. Du fragst dich, welche der Zutaten dafür verantwortlich ist. Du überlegst dir, ob es das Mungowanzenhaar ist. Die feinen Härchen, die auf dem Panzer der Mungowanze wachsen, sind der Grund, warum die Mungowanzen stinken. Und genau deshalb bewahrst du das Mungowanzenhaar gut verschlossen in einem Glas auf, das hinter dir im Wandregal steht und einen Schraubdeckel besitzt.     Jetzt legst du den Holzlöffel neben den Zauberkessel nieder, und du schaltest die Temperaturanzeige von zwei auf eins. Der dunkelgrüne Zaubertrank blubbert sanft im Kessel. Du hast das Feuertanzpulver in ein größeres Glasfläschchen abgefüllt, nachdem du von der Apotheke zurückgekommen bist. Du nimmst ein Buttermesser und tauchst mit der Messerspitze in das Pulver ein: Drei Messerspitzen brauchst du, nicht mehr, nicht weniger, genau diese Menge. Du bist der Meinung, dass es die wichtigste Zutat im Düngerzaubertrank ist, denn erst durch das Feuertanzpulver wird das Gemüse in kürzester Zeit prachtvoll und groß heranwachsen. Du gibst die drei Messerspitzen Feuertanzpulver zum Zaubertrank, und dann nimmst du wieder den Holzlöffel in die Hand. Du rührst das Pulver unter, und du gehst dabei wie bisher vor: Langsam und beständig rührst du fünfmal den Zaubertrank im Uhrzeigersinn herum. Du rührst gerade zum fünften Mal um, da zerplatzt an der Oberfläche eine Luftblase und ein wenig des Zaubertrankes spritzt aus dem Kessel hinaus auf deine Hand.   Du fühlst die Wärme, und du bist in dem Moment froh, dass der Düngerzaubertrank bei der Herstellung nicht stark erhitzt werden muss, denn sonst hättest du dich verbrannt. Doch das ist nun das dritte Mal in zwei Wochen, dass es dir beim Zaubertrankbrauen passiert, und du fragst dich mittlerweile, ob etwas mit deinem Zaubertrankkessel nicht stimmt. Es ist fast so, meinst du, als würde eine zu große Hitze in der Mitte des Kessels entstehen. Du nimmst das kleine Handtuch, das neben dem Kessel liegt, und du reibst den Zaubertrank von deiner Hand und vom Holzlöffel ab. Dann schaltest du den Kessel aus, und du ziehst das Kabel aus der Steckdose. Diese neuen Kesselmodelle sind einfach toll, denkst du. Seit du dir das Modell X 2000 der Marke Zumbraun vor ein paar Jahren geleistet hast, verstaubt der Bunsenbrenner und der alte Zaubertrankkessel im Regal hinter dir.   Du läufst um die große Arbeitstischplatte herum, auf der noch ein zweiter Kessel der Marke Zumbraun steht und daneben ist eine Holzbox, in der Löffel aus Holz, Metall und Plastik liegen. Du besitzt auch ein paar Bambuslöffel, denn du weißt, dass es Zaubertränke gibt, bei denen ein Bambuslöffel die Wirkung des Zaubertrankes besser entfaltet, als wenn du einen Löffel aus einem anderen Material verwendest. So benutzt du Plastiklöffel eher selten, eigentlich nur zum Brauen an medizinischen Zaubertränken für den Eigenbedarf: Zaubertränke, die Krankheiten und Verletzungen heilen, mögen weder mit Holz noch Bambus in Berührung kommen. Für sie sind die Plastik- und Metalllöffel sehr gut geeignet, doch du besitzt von ihnen nicht viele Löffel, da du in deinem Laden Zaubertränke für Zimmer- und Gartenpflanzen verkaufst.   Du gehst zu einem kleinen Waschbecken, es ist neben dem Wandregal, in dem du Zaubertrankzutaten in Holzschubladen aufbewahrst. Eine der drei Zauberseifen, die du in der Apotheke gestern gekauft hast, befindet sich in der Seifenschale. Du nimmst die Zauberseife Süße Wohltaten in die Hände, und du wascht dir damit die Hände ausgiebig. Du weißt, dass es ist nicht gut ist, wenn der Zaubertrank auf deiner Haut bleibt. Der Zaubertrank ist nicht giftig, ist dir bewusst, aber es ist besser, wenn du dir dennoch gründlich die Hände wäschst. Schließlich trocknest du dir deine Hände an dem flauschigen Handtuch neben dem Waschbecken ab, dann gehst du zum Arbeitstisch zurück, und du wirfst einen Blick auf den fertigen Trank, der nur noch auskühlen muss. Durch das Feuertanzpulver hat der Zaubertrank mittlerweile seine dunkelgrüne Farbe verloren und leuchtet nun in einem Feuerrot.   Sobald der Zaubertrank nicht mehr warm ist, wirst du ihn in Flaschen abfüllen und eine davon mit in den Garten nehmen, überlegst du dir, um seine Wirkung an einem Setzling auszuprobieren. Deine Gemüsesetzlinge, die du vor einer Woche gepflanzt hast, wachsen in deinem Gewächshaus. Wenn du mit der Wirkung deines Düngerzaubertrankes zufrieden bist, so hast du entschieden, willst du sie hinauspflanzen in deinen Gemüsegarten. Du durchquerst dein Zaubertränkelabor, und du öffnest die Tür, die hinausführt in den Flur, der von Licht durchflutet ist, da es in diesem Teil des Fachwerkhauses große Fenster gibt, die von der Decke bis zum Boden reichen. Als du das alte Fachwerkhaus gekauft hast, war dir der Flur zu dunkel gewesen. Er hatte nur zwei kleine Fenster gehabt, die zum Garten hinausgehen. Jetzt wird die Glasfront lediglich von zwei dicken Balken unterbrochen – Stützpfeiler, die nicht entfernt werden durften. Doch es gefällt dir, dass sie noch da sind, da sie den Charme des Fachwerkhauses erhalten.   Mit dem Öffnen einer weiteren Tür, verlässt du den Flur und trittst ein in deinen Zaubertrankladen. Hier verkaufst du Zaubertränke für Zimmer- und Gartenpflanzen. Dein Laden liegt im vorderen Teil des Fachwerkhauses und die Ladentür ist auch gleichzeitig deine Hauseingangstür.   Als man dein Laden renovierte und herrichtete, hast du in deinem Laden hohe Holzregale aufstellen lassen. Verschiedene Düngerzaubertränke sind in den einzelnen Regalfächern. Magische Blumenerde lagert ganz unten neben großen Terakottablumentöpfen, die ebenfalls magische Eigenschaften besitzen wie ›Saftiges Grün‹ oder ›Langlebige Blütenfreude‹. Zaubertrankzutaten, die in das Gießwasser gegeben werden kann, um Topfpflanzen vor dem Befall von Ungeziefer zu schützen, oder Topfpflanzen kräftiger wachsen zu lassen, stehen zwei Regalfächer weiter oben. In den ersten Monaten, nachdem du deinen Laden eröffnet hast, lag ein wunderschöner großer Teppich mit langen Fransen in der Mitte deines Ladens, doch schnell hast du bemerkt, wie unpraktisch er ist, wenn Golem Einkäufe in deinem Laden erledigen und sie den Lehm, den sie verlieren, in deinen Teppich eintreten. Jetzt ist er zusammengerollt im Keller, und es tut dir fast schon leid, ihn dort verstauben zu sehen, da er dir gut gefallen hat.   Du wirfst einen Blick zur Standuhr, und du siehst, dass es kurz vor sechs Uhr abends ist. Du hast deinen Laden um fünf Uhr geschlossen, und du hast den Boden schon gefegt und nass rausgewischt.   Du gehst hinter die Theke, wo die Kasse steht, greifst unter sie, und du umfasst eine braune Tüte, die du auf der Theke abstellst. In genau diesem Moment hörst du, wie die große Standuhr, die in der Ecke neben einem Herzbaum steht, sechsmal laut läutet. Ein Türchen öffnet sich direkt unter den Zeigern, und ein Hauch von Magie fliegt in der Form eines glitzernden Papageis heraus. Der Papagei schlägt sechsmal kräftig mit den Flügeln.   »Sechs Uhr … ahrr … sechs Uhr!«, schreit er schrill und dann explodiert er in einem Feuerwerk aus bunten Farben.   Marilla wird bald hier sein, denkst du, um die Bestellung für ihre Mutter abzuholen, die du vor dir auf die Theke gestellt hast.   Marillas Mutter ist eine langjährige Kundin von dir, die dir am Telefon gesagt hat, dass ihre Zimmerpflanzen von Schildläusen befallen sind. In die Tüte hast du zwei Gläser mit Wombaschafspucke hineingepackt. Du hast einen Lieferanten gefunden, der dir Schafspucke von Wombaschafen aus den Bergen liefert. Die Kräuter, die auf den Bergwiesen wachsen und von den Wombaschafen gegessen werden, so weiß man, lassen ihre Spucke noch besser gegen den Befall von Läusen auf Pflanzen wirken. Wombaschafe, die im Tal auf Wiesen grasen, sollen eine Spucke besitzen, die Läuse etwas milder bekämpft; es heißt, mit dieser Spucke müssen die Blätter der Pflanzen häufiger abgerieben werden, bevor alle Läuse erfolgreich verschwunden sind.   Und dann hörst du das Bimmeln der Ladentürglocke und Marilla tritt in deinen Laden. Als sie dich sieht, lächelt sie und begrüßt dich fröhlich. Du erwiderst ihre Begrüßung. Marilla, die gerade erst zehn geworden ist, rennt auf dich zu mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht. Um ihren Hals trägt sie eine kleine Handtasche, die aus eingefärbtem Leder ist und einen putzigen Drachen darstellt.   »Mami braucht die Wombaschafspucke ganz dringend«, sagt sie sogleich. »Alle unsere Pflanzen haben Läuse. Mami hat schon versucht, sie mit Wasser und Seife von den Blättern abzuwischen, aber sie sind wiedergekommen.«   Marilla öffnet den Reißverschluss ihrer Drachenhandtasche und holt einen kleinen Geldbeutel heraus. Dann legt sie einen Geldschein auf die Theke. »Mami hat gesagt, dass soll reichen.«   Du lächelst Marilla an, nimmst den Geldschein an dich und bestätigst ihr, dass das Geld absolut ausreichend ist, um die zwei Gläser Wombaschafspucke zu bezahlen, die zusammen 19,54 Krones kosten. Du öffnest die Kasse, und du holst das Wechselgeld heraus und gibst es Marilla in ihre ausgestreckte Hand. Sie lässt die Münzen in ihren Geldbeutel fallen, und packt ihn zurück in ihre Drachenhandtasche.   Du bewunderst Marillas Frisur, und du findest die Blüte in ihrem Haar schön. »Dein Haar ist heute sehr schön, Marilla«, sprichst du deine Gedanken laut aus. »Hat deine Mama dein Haar so toll hergerichtet?«, fragst du das Mädchen. Sie nickt eifrig, während sie sich kurz in die Haare langt.   »Papi hat auch schon gesagt, dass ich heute wie eine Blütenpixie aussehe«, erzählt sie dir. Du weißt, dass Marillas Vater ein Drache aus dem hohen Norden ist, wo es meist nass und kalt ist und die Winter sehr lange und dunkel sind. Marilla hat von ihm ihre tiefblaue Hautfarbe geerbt, ansonsten findest du, dass Marilla ihrer Mutter ähnelt; wie ihre Mutter hat Marilla braune Augen und schwarzes Haar. Marillas Mutter gehört zur Nicht-Magischen Bevölkerung und kommt aus einem Land, das weit im Süden liegt, von einer Insel, wo es wunderschöne weiße mit Palmen gesäumte Sandstrände gibt.   Du erzählst Marilla, wie oft ihre Mutter die Wombaschafspucke verwenden soll, sagst zu ihr, dass ihre Mutter mit der Schafspucke auch die Fenstersimse und falls die Pflanzen auf dem Boden oder auf Kommoden und Tischen stehen, auch dort alles abwischen soll.   Marilla hört dir aufmerksam zu. »Ich werde es Mami ausrichten«, bekräftigt sie. Bevor Marilla deinen Zaubertrankladen verlässt, willst du ihr noch etwas mitgeben, und du läufst hinter der Theke hervor und deutest ihr an, dir zu einem kleinen Tisch zu folgen, auf dem du verschiedene Zauberprodukte für Zimmerpflanzen, aber auch für Blumensträuße stehen hast. Die magischen Produkte sind kleine Spielereien und sind unter den Kindern sehr beliebt. Aus einer Pappschachtel, in der es viele kleine Papiertütchen gibt, nimmst du eine heraus. Auf dem Tütchen steht ihn Regenbogenfarben groß geschrieben ›Magisches Farbenspiel‹. Wird der pulvrige Inhalt in Wasser aufgelöst, wechselt die Zimmerpflanze, die mit dem Wasser gegossen wird, für die nächsten sieben Tage jeden Tag einmal ihre Farbe.   Du hast es schon selbst ausprobiert. Ein Tütchen kostet nicht viel, und du schenkst Marilla ein ›Magisches Farbenspiel‹. Du erklärst ihr, was du ihr gegeben hast und wie sie es anwenden muss. Und sofort siehst du, wie Marillas Augen zu leuchten beginnen und sie dich voller Begeisterung anschaut.   »Danke!«, ruft Marilla freudenstrahlend. »Ich werde alle Pflanzen in meinem Zimmer damit gießen!«   Du erklärst ihr, dass ein Tütchen nur für eine Zimmerpflanze ausreicht, ansonsten wird die Wirkung nicht stark genug sein. Du sagst ihr, dass sie das Tütchen ihrer Mutter zeigen soll, da die Anwendungsbeschreibung auf der Rückseite steht und falls etwas unklar sein sollte, wird ihre Mutter Marilla noch einmal erklären können, wie sie das magische Pulver benutzen muss.   Marilla bedankt sich noch einmal bei dir, und du kannst sehen, dass sie nun dringend nach Hause möchte, vermutlich weil sie es nicht abwarten kann, das Magische Zauberspiel auszuprobieren. Sie verabschiedet sich von dir und flitzt zur Ladentür, ihre Haare fliegen hinter ihr her. Sie winkt dir noch einmal lächelnd zu, dann ist sie auch schon fort. Da du keinen weiteren Besucher für heute erwartest, gehst du zur Tür und schließt sie ab. Als nächstes schließt du die Fensterläden. Nachdem du auch damit fertig bist, läufst du durch den Flur an deinem Zaubertranklabor vorbei, biegst um die Ecke, aber anstatt in den Garten hinauszugehen, steigst du die Holztreppe hinauf in den nächsten Stock, wo sich deine Wohnung befindet.     Du weißt, dein Zaubertrank muss noch etwas auskühlen. In dieser Zeit willst du zu Abend essen. Du läufst in deine kleine Küche, und du füllst den Kaffeekocher mit Kaffee und Wasser, bevor du ihn auf die Herdplatte stellst, die du anmachst. In deinem Kühlschrank hast du vom Vortag noch einen Topf mit gekochtem Gemüse, das du aus deinem Gewächshaus geerntet hast. Während du das Gemüse auf dem Herd warm machst, kocht der Kaffee auf. Du nimmst eine Tasse aus dem Schrank, füllst den frischen Kaffee hinein, gibst noch ein wenig Milch und Zucker hinzu, ehe du mit der dampfenden Kaffeetasse zurück in das Wohnzimmer gehst. Dort, hinter dem Sofa auf einer Kommode, steht eine Kaffeepflanze. Sie hat viele lange hellrote Trichter, die zur Zimmerdecke zeigen. Du stellst die Tasse Kaffee unter einen ihrer roten Trichter und wartest ab. Als der Dampf des heißen Kaffees nach oben steigt, siehst du, wie der Trichter, der genau über der Tasse ist, sich beginnt zu senken. Ein langer Blütenstängel rollt sich aus dem Trichter und taucht schließlich in den heißen Kaffee ein.   Deine Kaffeepflanze ist mit ihren Eigenschaften die einzige ihrer Art. Du hast sie bei Wollys Garten gekauft, eines der größten Gartenzentren in Aelion. Wollys liegt außerhalb der Stadt und führt eine große Auswahl an Pflanzen für den Wohn- und Gartenbereich.   Nachdem du die Kaffeepflanze über einem Monat mit deinem selbst kreirten Zaubertrank gegossen hast, bildete die Kaffeepflanze lange rote Trichter. Die Kaffeepflanze ist seither nicht sehr viel gewachsen, und nie höher als die Länge deines Unterarmes geworden. Dass die Kaffeepflanze selbst Kaffee trinkt, ist dir nicht bewusst gewesen: Du hast es zufällig herausgefunden. Während du Besuch von einer Freundin hattest, ist sie mit ihrer Kaffeetasse in der Hand  genau vor der Kaffeepflanze gestanden, um sie zu bewundern. Beide habt ihr ungläubig geschaut, als die Kaffeepflanze ihre Trichter zur  Kaffeetasse wendete und ihre Blütenstängel ausrollte, als wolle sie die Tasse berühren. Doch erst ein paar Tage später hast du eine Tasse frisch gekochten Kaffee unter einen roten Trichter gestellt. Du hast nicht gewusst, was dich erwarten wird; die Wirkung deines selbst zusammengestellten Zaubertrankes war dir nicht vollends bewusst gewesen.   Fasziniert hast du beobachtet, wie die Kaffeepflanze beginnt, den Kaffee mit ihren Blütenstengeln zu trinken; das heiße Wasser scheint ihren Blütenstängeln dabei nichts anhaben zu können. Und als du bemerkt hast, dass ihre Trichter dadurch noch intensiver rot leuchteten, kochst du seither jeden Tag eine Tasse Kaffee für deine magische, einzigartige Zimmerpflanze.   Dir ist auch aufgefallen, dass ihre Blätter viel kräftiger geworden sind: Der Kaffee scheint Nährstoffe zu enthalten, die deine Kaffeepflanze benötigt, denkst du.   Jetzt hörst du das Gemüse im Kochtopf blubbern, und du gehst wieder zurück in deine Küche, schaltest die Herdplatte aus, nimmst einen Schöpflöffel und füllst deinen Teller. Du bist der Meinung, dass selbst angebautes Gemüse viel besser schmeckt, als wenn du es im Supermarkt kaufst. Mit dem Teller und Besteck in der Hand läufst du zum kleinen Küchentisch, der an der Wand steht unter einem großen Fenster, das auf die Straße hinausgeht. Jetzt, da es Sommer wird, ist es draußen um diese Uhrzeit noch hell, und du schaust auf die Straße hinunter, beobachtest die Passanten, während du isst. Dein Fenster hält den meisten Lärm fern, dennoch hörst du die Autos auf der Straße, und du siehst zwischen ihnen fliegende Teppiche und Besen. Du beobachtest, wie die alte Hexe der Schneiderei gegenüber von dir ihren Laden schließt. Sie watschelt mit einem Besen unterm Arm zur Straße, setzt sich auf ihn, fädelt sich in den Verkehr ein und braust davon.   Du schiebst den letzten Löffel Gemüse in deinen Mund und kaust darauf herum. Du denkst, wie vorzüglich dein Gekochtes doch schmeckt, und du fühlst, wie das Essen deinen Körper von innen heraus erwärmt. Köstlich, denkst du erneut, und dann räumst du Teller und Besteck ab, und du machst dich an den Abwasch. Deine Küche besitzt keine Spülmaschine, und du wäschst alles mit der Hand, hinzu kommt noch das Geschirr von heute Morgen. Du hörst es klirren in der Küche, während du an der Spüle hantierst. Nachdem du alles abgewaschen und in die Schränke zurückgeräumt hast, bist du der Meinung, dass es nun Zeit ist, deinen neuen Düngerzaubertrank auszuprobieren.   Du verlässt deine Wohnung, gehst die knarrende alte Holztreppe hinunter und betrittst dein Zaubertranklabor. Du wirfst einen Blick in den Kessel hinein, und du meinst, dass der Trank gut aussieht, und als du die Hand über den Kessel hältst, fühlst du nur ganz schwach eine Restwärme. Du gehst zu einem Regal, wo du leere Glasflaschen und Flakons aufbewahrst. Du nimmst vier mittelgroße Glasflaschen aus dem Regal, und du füllst den Zaubertrank mit einem Trichter vorsichtig in sie hinein. Die Deckel liegen neben den Glasflaschen, denn du willst noch etwas warten, bevor du sie verschließt, lange genug, dass die restliche Wärme ganz verfliegen kann.   Du säuberst deinen Kessel, scheuerst ihn mit einem Putzmittel, das speziell für Zaubertrankkessel ist, säuberst den Holzlöffel und alles andere, was du zum Zaubertrankbrauen verwendet hast, und danach räumst du alles an seinen Platz zurück. Schließlich reibst du noch mit einem feuchten Lappen, auf dem ebenfalls magisches Putzmittel ist, die Arbeitsfläche ab.   Du nimmst eine mit Düngerzaubertrank gefüllte Glasflasche in die Hand und verlässt das Labor. Du folgst dem Flur entgegengesetzt zu deinem Laden und öffnest die Balkontür, und du betrittst deine Gartenterrasse. Zu deiner Rechten spannt eine Hängematte zwischen zwei Pfeilern, davor ist ein kleiner Tisch, neben dem ein Stuhl und eine Bank steht. Wenn es abends noch warm ist, dann lässt du deinen Tag gerne auf deiner Terrasse ausklingen. Du hast sie sehr schön hergerichtet, sie ist sehr grün, überall sind Hängepflanzen. Über dir spannt eine Lichterkette, die du gerne abends anmachst, wenn du hier draußen bist.   Du gehst von der Terrasse die zwei Steinstufen in den Garten hinunter und folgst dem Pfad aus großen flachen in den Boden eingelassenen Steinen. Dein Garten ist nicht sehr breit, aber dafür lang. Eine Mauer grenzt ihn von den Nachbargärten ab. Wenn du am Ende deines Gartens über die Mauer blickst, plätschert dahinter ein Bach. Dieser mündet weiter vorne in den Fluss Nivin, der durch Aelion fließt. Du läufst zu deinem Gewächshaus und dabei wirfst du einen Blick zum Ende des Gartens, zur hintersten Stelle, wo du einige Holzpixies flattern siehst. Du schaust ihnen zu, wie sie um ihr Holzpixiehaus schwirren, rein- und rausgehen.   Du hast das Haus bei Wollys Garten gekauft. Es ist vielleicht ein bisschen kitschig, findest du, da es aussieht wie ein prachtvolles Märchenschloss. Doch damals hat es bei Wollys keine anderen Holzpixiehäuser gegeben, zwar verschiedene Farben, aber immer dasselbe Design. Auf dem Dach des Schlosses ist ein kleines Solarpanel angebracht, und nachts brennt Licht hinter den kleinen Fenstern des Märchenschlosses. Es scheint die Holzpixies nicht zu stören, sie haben das Märchenschloss sehr schnell akzeptiert. Damals hast du es gekauft, in der Hoffnung, dass es wie in der Beschreibung Holzpixies davon abhält, sich in dein Haus einzuquartieren, und es ist viel besser geworden, denkst du, denn du hast schon seit ein paar Monaten keine Holzpixie mehr in deinem Haus entdeckt.   Du betrittst dein Gewächshaus, und du bleibst vor dem Tisch stehen, auf dem die Setzlinge in Töpfen heranwachsen. Es ist Zeit, deinen Zaubertrank auszuprobieren, denkst du, und deine Augen leuchten vor Begeisterung, und du fühlst, wie du es kaum noch erwarten kannst.      Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)