PS: Ich töte dich von _pika_ ================================================================================ Kapitel 6: ----------- Zieh dir was Ordentliches an ... Das vierte T-Shirt flog auf sein Bett und Simon fuhr sich verzweifelt durch die wirren, braunen Haare. Na toll! Er hatte nichts „Ordentliches“! Jedenfalls nichts, was sich mit Raphaels Garderobe vergleichen ließ. Ein Blick auf sein Handy sagte ihm, dass er noch 4 Minuten hatte. Er zwang sich, einmal tief durchzuatmen und sammelte sich. Okay, kein Grund zur Panik. Er hatte immerhin eine sehr gute Markenjeans. Kurzentschlossen zog er sie an und entschied sich für ein schlichtes, schwarzes T-Shirt, dass ebenfalls etwas hochwertiger war, als der Rest seiner Sachen, und neuerdings ziemlich gut an ihm aussah, wie er fand. Seit er die Vorteile des Vampirdaseins genießen konnte, hatte er einen um einiges definierteren Körper bekommen. Er sah sich noch einmal im Spiegel an, konnte sich mit dem Ergebnis abfinden und flitzt in Vampirgeschwindigkeit ins Badezimmer, um seine Haare in den Griff zu kriegen. Als er etwa 5 Minuten zu spät hinunter in die Lobby kam, wusste er nicht, was ihn erwartete und er war sichtlich nervös. Raphael unterhielt sich mit einer jungen Vampirin, die einen lockeren und gut gelaunten Eindruck machte. Das heißt, ob sie wirklich jung war, wusste Simon natürlich nicht. Er bezweifelte es. Vom Aussehen her würde sie aber auch nicht auf viel älter als vielleicht maximal 20 geschätzt werden. Sie hatte sehr attraktive asiatische Züge, schwarzes Haar und einige Strähnen leuchtend blau gefärbt. Passend dazu trug sie ein blaues Kleid. Als sie Simon entdeckte, breitete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus und zum ersten Mal hatte der Frischling das Gefühl, dass sich jemand wirklich freute ihn zu sehen - einmal abgesehen von Clary natürlich. „Lily!“, stellte sie sich vor und grinste ihn an. Wer Simon war, wusste sie natürlich. Jeder wusste das. Nur andersherum konnte Simon sich noch lange nicht die Namen der Hotelbewohner merken, zumal er bisher kaum ein Wort mit ihnen gewechselt hatte. Dann fiel Simons Blick auf Raphael, der umwerfend aussah und zwei Rotweingläser in den Händen hielt, dessen Inhalt farblich perfekt zu seinem Hemd passte. Wein enthielten die Gläser allerdings nicht. Er kam auf Simon zu und reichte ihm ein Glas, trat noch einen Schritt dichter an ihn heran und hauchte ihm ein „Du siehst gut aus.“, ins Ohr. Er roch nach einem verdammt guten Parfüm und für einen Augenblick waren sie sich so nahe, dass Simon die Hüften des Älteren an seinen eigenen fühlen konnte. Simon fiel auf, dass dem Latino ein Lächeln auf den Lippen verdammt gut stand und dass er es gerne häufiger sehen würde. Spitze, weiße Eckzähne blitzten hervor und kurz dachte er, der andere Vampir wollte ihn küssen, doch das tat er nicht. „Und zu spät.“, stellte er stattdessen fest, wandte sich ab und folgte Lily zur Sitzecke, die es sich bereits bequem gemacht hatte. Simon hoffte, dass sein untoter Zustand es verhinderte, dass er rot anlief. Dieser Vampir war unglaublich. Unglaublich dreist, aber auch unglaublich heiß. „Hast du Graymark die Einladung gegeben?“ Lily sah zu Raphael auf, der sich ihr schräg gegenüber auf die goldene Couch setzte. „Simon erledigt das morgen.“ Der Latino drehte sich zu dem jungen Vampir um und lud ihn mit einem Kopfnicken ein, sich neben ihn zu setzen. „Er hat ein gutes Verhältnis zu Luke, das wird sehr hilfreich sein.“ „Einladung ... wofür?“, fragte Simon nach, doch als Raphael einen Arm auf die Rückenlehne der Couch legte - und somit um Simon - vergaß dieser beinahe das Gesprächsthema. Ihm wurde abwechselnd heiß sind kalt. Kühle Finger streiften seinen Nacken. Flüchtig, aber nicht zufällig. Legten sich auf seine Schulter. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihm, dass der Schattenweltler trotzdem genauso kritisch dreinblickte, wie sonst auch. Doch die Berührung hatte etwas Warmes an sich und er machte offensichtlich keine Anstalten, dies vor Lily zu verstecken. „Du hast ja schon mitbekommen, das Vampire und Hunde nicht die besten Freunde sind.“, bemerkte Raphael spitz. „Ich traue ihnen zur Zeit allerdings mehr, als den Nephilim. Die Zusammenarbeit zur Rettung des Elben hat gut funktioniert, wodurch wir jetzt auch bei Meliorn etwas gut haben. Den Elben kann man zwar auch nicht über den Weg trauen - dem Rat aber wie gesagt noch viel weniger. Ich möchte, dass ein Bündnis auch weiterhin gut funktioniert. Nur für den Fall ...“ Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Lily. „Für den Fall, dass die Shadowhunter uns in den Rücken fallen.“, beendete sie seinen Satz. „Aber ...“ Simon fühlte sich hin und her gerissen. Seine beste Freundin gehörte den Schattenjägern an. „Clary würde uns nie so etwas antun!“, verteidigte er sie. „Und Izzy ist auch auf unserer Seite. Jace ...“ Raphaels Hand griff zärtlich in seine Schulter und massierte sie leicht. Der Latino wandte sich ihm zu und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Simons entfernt. „Ich weiß ... Ich vertraue Clary ja, aber ich vertraue dem Rat nicht! Kein Stück. Und wenn es hart auf hart kommt, hat deine Freundin leider nicht viel zu melden.“, erklärte er entschuldigend. Simon war überrascht. Überrascht, dass Raphael Clary vertraute. Überrascht darüber, dass er zugegebenermaßen Recht hatte, mit allem, was er sagte. Mehr als überrascht, dass er vor Lily so offen damit umging, dass irgendetwas zwischen ihnen gelaufen war oder lief? Sein Blick flog zurück zur Vampirin und diese konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, was Raphael nur dazu brachte, genervt mit den Augen zu rollen, ihn jedoch nicht veranlasste, von Simon abzulassen. „Er hat Recht.“, erklärte sie schließlich dem jungen Unterweltler, für den das alles noch Neuland war. „Das hat er meistens, leider.“, fügte sie neckend hinzu und Simon wurde klar, dass die Beiden sich auch privat nahe standen. Wie er bereits vermutet hatte, leistete Raphael im Dumort eine sehr gute Arbeit. Er entschied klug, handelte vernünftig und weitsichtig. Anders als Camille, die egozentrisch vorgegangen war, was sich irgendwann gerecht hatte, sodass sie jetzt im Sarg gefangen in ewigem Tiefschlaf lag. Trotz der teilweise geschäftlichen Themen war die Stimmung sehr viel lockerer, als Simon befürchtet hatte und so begann er sich allmählich immer wohler zu fühlen. Außerdem war das Essen ausgezeichnet! Erstaunt trank er einen Schluck aus dem Glas, das Raphael ihm gereicht hatte, und bemerkte dann, wie dessen Augen aufmerksam auf ihm ruhten. Fragend hob er eine Augenbraue. Raphael schmunzelte. „Das ist aus Camilles Geheimvorrat.“, klärte er ihn auf. Simon hätte sich fast verschluckt. „Das ist Menschenblut?!“, fragte er entsetzt und wusste nicht, ob er es unglaublich widerlich oder zugegebenermaßen wirklich verdammt lecker fand. Bisher hatte er sich von Kuhblut ernährt. Raphael lachte leise auf. Noch etwas, dass der Ältere Simons Meinung nach zu selten tat und es war ... schön. „Keine Angst, du kannst das ruhig trinken. Es stammt aus einem Krankenhaus. Blutspenden.“ Wieder diese angenehmen kühlen Finger in seinem Nacken, die verspielt und ganz nebenbei über seine Haut streichelten. „Erlaubt ist es allerdings nicht. Sollte der Rat davon Wind kriegen, bekommen wir Probleme. Deshalb muss es weg.“ „Raphael kann ein richtiger Spielverderber sein! Also genieß es.“, zwinkerte Lily ihm zu und hob ihr Glas in seine Richtung, ehe sie einen Schluck daraus trank. Raphael schnaubte verächtlich. „Dafür habt ihr alle jetzt vermutlich noch sehr viel länger etwas von eurem untoten Dasein.“ Tatsächlich saßen sie noch relativ lange beisammen und Simon, der eigentlich nicht auf den Mund gefallen war, kam ins Plaudern mit der sympathischen Vampirin. Raphael lehnte sich zurück und genoss seinen Drink und seine Nähe schenkte Simon ein Gefühl von Geborgenheit, das er so nicht erwartet hatte. Irgendwann stand der spanische Vampir auf und durchquerte den Raum. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Ziffernfeld und als der Latino einen Code eintippte, gab das antike Ölgemälde Camilles geheimen Vorrat an Blutbeuteln frei, so wie schon vor Kurzem, als Clary die Hilfe der Vampire für Jace gebraucht hatte. Er nahm einen davon heraus und füllte dessen Inhalt in eine Karaffe um. Er hatte schon immer Stil gehabt. Lily nutzte die Gelegenheit und wandte sich Simon unverwandt zu. „Er mag dich.“, sagte sie ganze direkt und zwinkerte dem jungen New Yorker zu. „Wurde auch Zeit.“ Sie sprach leise, doch Simon wusste, dass Raphael sie ebenfalls hören konnte. Abermals hoffte er, dass er zu blass sein würde, als das jemand die Röte bemerkte, die ihm vermutlich soeben in die Wangen schoss. Das Thema Raphael Santiago hatte die merkwürdige Eigenschaft, dass Simon andauernd die Worte fehlten und das war wirklich ungewöhnlich für ihn. Etwa eine Stunde später verabschiedete sich Lily und verschwand. Sie war müde und Simon ging es nicht anders. Er befürchtete jedoch, nicht so bald einschlafen zu können, so viel ging ihm durch den Kopf. „Ich hab gedacht, ihr könntet euch gut verstehen.“ Raphael blieb im Flur vor Simons Zimmertür stehen und sah ihn aus dunklen Augen an. Tief braun wie Bitterschokolade. „Du musst aufhören, dich auf deinem Zimmer zu verkriechen. Lily ist schwer in Ordnung.“ Ein Lächeln umspielte Simons Lippen. Es waren wenige Momente, in denen er seit seiner Verwandlung einfach glücklich gewesen war. Dies war einer davon. „Schlaf gut.“ Einen Augenblick lang stand Simon wie angewurzelt da und sah dem Unterweltler nach, der auf sein Zimmer verschwand. Unzählige Fragen schossen ihm durch den Kopf. Unter anderem, warum es bei diesem flüchtigen gute Nacht blieb. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)