PS: Ich töte dich von _pika_ ================================================================================ Kapitel 17: ------------ Tag.“ Die Beklemmung angesichts dieser Tatsache war der jungen Pflegerin deutlich anzumerken. Für Raphael war es keine große Kunst, die Gefühle anderer zu lesen. Die meisten Empfindungen gingen mit unverwechselbaren Gerüchen einher, ausgelöst durch Hormone, Botenstoffe oder Schweiß. Feine Signale, die den Mundies verborgen blieben, für einen Vampir mit ein bisschen Übung allerdings kaum zu übersehen waren. Er trat hinaus auf die Straße, ließ das Gebäude mit seinen hell erleuchteten Fenstern hinter sich und vergrub die Hände tiefer in seinen Manteltaschen. Er konnte nicht mehr frieren, seit er tot war. Der Nieselregen, der ihm ins Gesicht wehte, war dennoch unangenehm und seine Stimmung ließ ihn innerlich erschaudern. Der Sommer war vorbei. Zertrete Überreste orangebrauner Blätter klebten am Boden, trieben in Pfützen und hatten nichts mehr zu tun mit einem goldenen Herbst. Dauergrau stand an der Tagesordnung. Schon die ganze Woche über hatte es im Prinzip durchgehend geregnet und Raphael hasste diese Jahreszeit. Er musste automatisch an seine Kindheit denken, in der er die Wintermonate noch in einem Land verbracht hatte, in dem das milde Klima es stets gut mit einem meinte. Auch im November war er vor nasskaltem Graupelwetter verschont geblieben und in Augenblicken wie diesem, vermisste er das Sonnenlicht mehr als je zuvor. Sie hatte nichts angerührt von der Pealle, die er ihr gekochte hatte, und obwohl er damit gerechnet hatte, wollte er es wenigstens versucht haben. Er musste sich langsam mit dem Gedanken auseinander setzen, dass er dieses Jahr zu Weihnachten vielleicht zum ersten Mal allein sein würde. Die Vorstellung schnürte ihm die Kehle zu. Er war zwar kein kleiner Junge mehr, der Wert legte auf Geschenke oder einen Weihnachtsbaum, doch viele Jahrzehnte an Gewohnheit würden ihm wegbrechen. Als er beim Jade Wolf ankam, hätte er Clary beinahe übersehen, so tief steckte er in seinen eigenen Gedanken. Sie saß an der Bar, unterhielt sich angeregt mit jemandem und lachte. Fuhr sich mit der Hand durch das lange, orangerote Haar, das ihr über den Rücken fiel. Raphael betrachtete sie und rutschte auf eine Bank an einem Tisch in der Ecke. Sein Blick überflog den Raum und wie vermutet, waren die Männer, mit denen er verabredet war, noch nicht hier, denn er war gut zehn Minuten zu früh. Aber es hätte sich nicht gelohnt, jetzt noch anderswo die Zeit tot zu schlagen. So fiel seine Aufmerksamkeit wieder auf Clarissa und nun registrierte er auch, in wessen Gesellschaft sie war. Er runzelte die Stirn. Jace. Von Simon war keine Spur, was er mit einer seltsamen Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung zur Kenntnis genommen hatte. Was ihn stutzig machte, waren die Gefühle der Beiden, die er zwangsläufig aufschnappte. Dinge, die nicht zu Bruder und Schwester passten und hier nichts zu suchen hatten. Diese Art, wie sich sein Puls beschleunigte. Ihre Atmung sich veränderte. Der Geruch von Nervosität hing in der Luft, doch nicht aus Angst oder Ähnlichem, sondern gepaart mit Freude und ... Erregung? Jace stand ganz offensichtlich noch immer auf sie. Und Clary? Erwiderte seine Gefühle! Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er darauf gewettet, dass die zwei ein Daten hatten! Er fühlte Magnus Anwesenheit, ehe er ihn sah. Der Hexenmeister nahm neben ihm Platz und folgte seinem Blick zum Tresen. „Schon verrückt das Ganze, oder?“ Raphael wandte sich ihm zu und runzelte die Stirn. „Da erfährt sie nach so vielen Jahren von einem Bruder. Glaubt, ihn endlich gefunden zu haben, nur um dann herausfinden zu müssen, dass er es doch nicht ist. Stattdessen hatte die Herondale Familie ...“ Raphael hörte ihm nicht länger zu. Irgendwo in seinem Hirn musste soeben etwas ausgesetzt haben und er starrte den Halbdämon unverwandt an. „Warte ...“, unterbrach er ihn und sammelte sich kurz. „Nur noch mal zum Mitschreiben: Die Beiden sind nicht verwandt?“ Magnus lächelte verschmitzt. „Ich glaube, mein Lieber, du bist nicht auf dem neusten Stand.“ Die katzenartigen Augen funkelten amüsiert und Magnus genoss es, derjenige zu sein, der ihm diese Neuigkeiten unterbreiten durfte. „Dein kleiner Vampir ist seit etwa einem Monat wieder Single. Hat sich das nicht bis zum Dumort herumgesprochen?“ Raphael schüttelte nur langsam den Kopf. Während er noch diese Information verarbeitete, schnipste Magnus mit den Fingern und hielt im nächsten Augenblick ein Cocktailglas in den Händen. „Wenn ich du wäre, würde ich nicht ewig warten“, sagte er, sah nun in Richtung Eingangstür, durch die soeben Meliorn gekommen war. Der Elbe wechselte ein paar Worte mit Luke, ehe die beiden Männer sich in Bewegung setzten und ihren Tisch ansteuerten. An diesem Abend zogen sich belanglose Themen endlos in die Länge und Raphael wurde innerlich immer unruhiger. Die dunkle Jahreszeit hatte den Vorteil, dass er bereits sehr früh das Hotel verlassen konnte und so war es erst kurz nach Mitternacht, als er das chinesische Restaurant endlich verließ. Und das, obwohl er zuvor schon bei seiner Mom gewesen war. Wenn er ehrlich war, wollte er nach Hause. Er hatte genug erlebt für eine Nacht und keine Lust auf Gesellschaft. Zu Vieles ging ihm durch den Kopf und der noch immer anhaltende Regen kroch ihm allmählich durch die Kleidung, bis sich nahezu alles klamm anfühlte. Seine Dusche und die Couch waren zu verlockend. Doch seine Füße trugen ihn in eine andere Richtung. Einmal um das Gebäude herum, am Hintereingang des Jade Wolfs vorbei, entlang an der Wahrenannahme bis hin zu einigen Lagerhallen. Simon fuhr erschrocken zusammen und sah ihn entgeistert an, als Raphael, der über die leisen Sohlen eines Vampirs verfügte, urplötzlich hinter ihm stand. „Hast du schon mal versucht, dich nicht so anzuschleichen? Nur ein einziges Mal?“ Der Angesprochene verkniff sich ein breites Grinsen. Er konnte es einfach nicht lassen. Dabei war Simon selbst Schuld. Er könnte üben und seine Sinneswahrnehmung endlich mal verbessern. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt“, behauptete der Jüngere und Raphael betrachtete ihn mit schief gelegten Kopf und hochgezogenen Augenbrauen. „Du bist schon tot“, gab er trocken zurück und verzog keine Miene, während er sich innerlich köstlich amüsierte. Nervös fummelte Simon an der Verkabelung einiger Lautsprecher herum. Er hatte sich mittlerweile immer mehr eingerichtet, stellte Raphael fest und sah sich um. „Was machst du hier?“, unterbrach Simon schließlich seine Gedanken und ein Paar tief brauner Augen fuhren zu ihm herum und musterte ihn eindringlich. Sie blieben für ihn ein Buch mit sieben Siegeln und er hätte viel dafür gegeben, auch nur ansatzweise in ihnen lesen zu können, was im Kopf des Latinos vor sich ging. Er sieht müde aus, dachte er, sah den Regen an seiner Jacke haften, an seinem Haar und seiner Haut und er hätte ihm gerne etwas Besseres geboten, als eine alte, kalte Lagerhalle. „Das Gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte Raphael. „Kein guter Ort für einen Vampir.“ Er ging ein paar Schritte durch die Halle und Simon folgte ihm. „Auf Grund und Boden der Werwölfe?“ „Das beste Versteck ist dort, wo dich niemand erwartet“, konterte Simon und Raphael rollte abermals mit den Augen. Dann wurde ihm klar, dass er sich irgendetwas einfallen lassen musste. Er konnte ja selbst nicht einmal genau sagen, warum er her gekommen war. Er wollte ihn sehen. Aber das würde er ihm nicht sagen. Er nahm einen Bleistift von einer alten Werkbank und kritzelte etwas auf einen Notitzblock. Dann riss er den Zettel ab und reichte ihn Simon. „Ich hab einen Job für dich. In Brooklyn gibt es einen neuen Verschlag und ich kann die Vampire dort noch nicht einschätzen. Dich wird keiner kennen, deshalb möchte ich, dass du dich dort einmal umsiehst. Herausfindest, ob sie sich an das Abkommen halten, oder wir eingreifen müssen.“ Simon nahm die aufgeschriebene Adresse aus seinen Händen und ihre Finger berührten sich kurz. „Undercover quasi?“ Raphael nickte. „Warum sollte ich das tun?“ Der Vampir drehte sich um und ging zur Tür. „Es ist immer klug, dem Dumort einen Gefallen zu tun.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)