PS: Ich töte dich von _pika_ ================================================================================ Prolog: -------- Wie lange dauert es, sich zu verlieben? Die Antwort darauf kann ich dir gar nicht geben. Ich kann dir nur sagen, dass Gefühle sich selten an Regeln halten. Und Zeit? Was ist schon Zeit... Für mich hat die Zeit, die ich nun mit ihm in meinem Leben verbringe, doch eine ganz andere Bedeutung, als für ihn. Die letzten Monate sind doch sicherlich ein Witz für ihn. Nur ein winzig kleiner Bruchteil dessen, was er in seinem untoten Dasein schon erlebt hat. Wie viele Menschen hat er kommen und gehen sehen? Er ist... wie alt? 70? Und damit wären wir wieder beim Thema Regeln, die allesamt gesprengt wurden. Wenn mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass mein Leben derart auf den Kopf gestellt werden würde... Ich weiß gar nicht, was mich mehr aus der Bahn wirft. Die Tatsache, dass mein Leben nun aus einer Fantasywelt zu bestehen scheint? Dass mein Leben genau genommen vorbei ist, da ich gestorben bin und als Blutsauger wiedererweckt wurde? Dass er ein Vampir ist? Oder dass ich mich in ihn verliebt habe...? In einen Mann. Irgendwas um die 70. An welche Regeln also halten wir uns eigentlich noch? Kapitel 1: ----------- Seine Hände fühlten sich kühl an auf Simons Haut. Und doch brannten sie wie Feuer, zogen Linien von seinen Schultern, an seiner Wirbelsäule hinab bis zum Hintern. Krallten sich in seine Hüfte, zogen ihn an sich. Erstickt keuchte Simon auf, als er die Lippen des anderen an seinem Hals spürte und er hätte sonst was dafür gegeben, sie in diesem Augenblick auf seinen eigenen Lippen fühlen zu dürften. Aber küssen tat er ihn nicht. Zumindest nicht auf den Mund. Andererseits war das vielleicht ganz gut, denn Simon konnte nicht sagen, was das mit ihm gemacht hätte, angesichts der Tatsache, dass die Küsse und kleinen Bisse an seinem Hals ihn schon beinahe umbrachten. Was witzig war, wenn man bedachte, dass er längst tot war. Doch leider war er sich einer Sache ziemlich sicher: Raphael würde ihn umbringen. Auf eine ganz andere Art, als er anfangs befürchtet hatte. Der Latino war gefährlich. Das hatte er von der ersten Sekunde an gewusst und das sollte sich immer wieder bewahrheiten. Und als sich der nackte Körper des Schattelweltlers an ihn presste und eine Hitze in seinem untoten und kalten Körper auslöste, die er bis dahin nicht gekannt hatte, trafen ihn seine Gefühle wie ein Schlag ins Gesicht und er wusste, er würde süchtig werden nach ihnen. Nach den Lippen an seinem Hals. Nach den kalten Händen auf seiner Haut. Nach den Fängen, die sich in diesem Augenblick tief in seinem Nacken vergruben. »Können wir uns treffen? Dringend« Tippte er und schickte die Nachricht ab. In der einen Hand hielt Simon sein Handy, in der anderen seine Jeans, aus dessen Tasche er das kleine Mobilgerät soeben geangelt hatte. Er saß auf dem Bett und im fensterlosen Zimmer war es halbdunkel, aber das bemerkte er dank seiner neuen Fähigkeiten fast gar nicht mehr. Lediglich ein kleiner Lichtschein fiel aus dem Flur ins Schlafzimmer, aus dessen Richtung er gedämpfte Geräusche aus dem Badezimmer vernahm. Die Dusche lief. „Du bist ja noch hier.“, waren die einzigen Worte gewesen, die der ältere Vampir am Abend zu ihm gesagt hatte, als er in dessen Laken aufgewacht war. Und er hatte keine Ahnung, wie er sie deuten sollte. Einen Augenblick saß er bewegungslos auf der Matratze, die dünne Bettdecke auf seinen Schoß gezogen, hielt sein Handy in den Händen und dachte nach. Dann schickte er schnell noch eine zweite Textnachricht hinterher: »Ich brauche mal meine beste Freundin zum Reden« Nicht, dass sie dachte, er hätte sich wieder in Schwierigkeiten gebracht und steckte in Lebensgefahr. Wobei, in Schwierigkeiten gebrachte hatte er sich auf jeden Fall. Und wer weiß? Vielleicht würde Raphael ihm aufgrund dessen, was passiert war, ja die Kehle aufschneiden und ihn im Wald verscharren, damit er niemandem verraten konnte, dass das New Yorker Oberhaupt eines Clans blutdurstiger Vampire es sich gerne mal von einem Typen besorgen ließ?! Und noch dazu eine unerwartet gefühlvolle Seite offenbarte?! Kapitel 2: ----------- Was zuvor geschah... Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss, Simon ging durch die Lobby und betrat schließlich den großzügigen Wohnraum mit seinen auffälligen Möbelstücken und goldenen Sesseln. Auf einer Couch saß Raphael, wie ihm nun auffiel, als er gerade vorbeigehen und sich auf sein Zimmer verziehen wollte. Er hielt inne und blieb stehen. Der ältere Vampir schenkte ihm keine Beachtung. Kein Spruch kam, kein Kommentar. Er saß nur da und starrte einige Papiere an, die vor ihm ausgebreitet auf einem Beistelltisch lagen. Was arbeitete er da eigentlich alles? Hotelrechnungen bezahlen? Vampirpolitik? Eigentlich wollte er es gar nicht wirklich wissen, aber Raphaels Blick ließ ihn stocken. Er kannte diesen Blick, der durch Papiere und Tisch hindurchzugehen schien. Der Latino war mit seinen Gedanken ganz wo anders. Einem spontanen Impuls nachgebend ging er zur Bar, goss zwei Blody Marys ein und stellte einen davon vor Raphaels Nase auf den Tisch. Dieser hob endlich den Kopf und sah ihn fragend an. Simons Blick fiel in dem Moment auf das Glas Bourbon. „Dachte du könntest nen Drink vertragen.“, sagte er und hätte sich im nächsten Augenblick dafür auf die Zunge beißen können. Was für eine dämliche Aussage, wo sich sein Gegenüber doch offensichtlich bereits selbst bedient hatte. Zu seinem Erstaunen aber glaubte er so etwas wie positive Überraschung im Gesicht des Anderen zu erkennen. „Danke.“ Der Latino trank einen Schluck des Blut und Wodka Cocktails und sparte sich die Mühe, einen bissigen Kommentar von sich zu geben. Er wirkte müde. Simon setzte sich halb auf die Armlehne der Couch. „Alles okay bei dir?“ Noch so ein Satz, bei dem er sich wünschte, erst zu denken und dann zu reden. Als ob er ernsthaft eine Antwort darauf bekommen und Raphael sein untotes Herz bei ihm ausschütten würde. Aber zu seiner Überraschung schüttelte der Ältere langsam mit dem Kopf. Er starrte erneut mit leerem Blick auf seinen Papierkram und Simon wusste nicht wieso, aber am liebsten hätte er ihn in den Arm genommen. Ihm fiel plötzlich wieder auf, wie jung der Vampir aussah, dessen wahres Alter er überhaupt nicht kannte. Er trank selbst ebenfalls einen Schluck aus seinem Glas und musterte den Unterweltler nachdenklich. „Was machst du hier...?“, fragte er schließlich und deutete mit einem Kopfnicken auf die Unterlagen, um das Schweigen zu durchbrechen. "Nachdenken." Simon legte die Stirn in Falten und fragte sich was einen Vampir wie Raphael wohl zum Nachdenken bringen konnte. Das Hemd des Schwarzhaarigen war relativ weit aufgeknöpft und gab einen guten Blick auf seinen makellosen Oberkörper frei. Um den Hals trug er eine feine, goldene Kette, dessen Anhänger unter dem dunkelblauen und wie üblich teuer aussehenden Hemdstoff verschwand. Er biss sich leicht auf die Unterlippe und ertappte sich dabei, dass ihm dieses unauffällige Mustern des anderen in letzter Zeit viel zu häufig passierte. Er zwang sich, den Blick abzuwenden und nahm einen weiteren Schluck aus seinem Glas. Frustriert schob Raphael die Papiere zusammen und beendete seinen Versuch, einen beschäftigten Eindruck zu machen. Hatte sowieso nicht besonders gut funktioniert. Er hob den Blick und sah zu Simon. „Und was machst du hier?“ „Ohh ähm ich war bei Clary.“, wurde Simon aus seinen Gedanken gerissen und sprang prompt auf den Themenwechsel an. „Das heißt, wir waren nicht bei ihr, sondern wir waren in der Stadt. Genau genommen hat sie ja gar kein richtiges Zuhause mehr. Ihre Wohnung ist ja komplett zerstört und sie wohnt jetzt erst mal im Institut. Aber dort sind Unterweltler scheinbar nicht sonderlich willkommen. Jedenfalls fühle ich mich immer total unwohl dort.“, begann er zu erzählen und einen Augenblick hing Raphael an seinen Lippen, an denen das Blut haftete, das Simon in seinem Glas auf seinen Knieen balancierte. „...und dann hab ich mich gefragt, ob ich denn überhaupt mitkommen könnte und wie mein Leben in Zukunft überhaupt ablaufen würde, aber Kinofilme laufen ja zum Glück eh abends, also wäre das überhaupt kein Problem! Und...“ Dios Mio, er hätte nicht fragen sollen! „...hörst du mir überhaupt zu?“ Braune Augen fixierten ihn und der junge Vampir sah ihn mit gerunzelter Stirn kritisch an. Raphael kippte den Rest seinen Cocktails in einem Zug hinunter und sagte betont desinteressiert: „Du versuchst dich in deinem neuen Leben zurecht zu finden, machst das Beste daraus und kapierst immer noch nicht, dass du hier ein Zuhause hast, in dem du willkommen bist.“ Überrascht sah Simon ihn an und schwieg einen Augenblick. Er hätte schwören können, dass der Ältere ihm spätestens nach dem zweiten Satz überhaupt nicht mehr zugehört hatte. Stattdessen war diesem nicht entgangen, dass es ihm immer noch zu schaffen machte, wie sein Leben komplett auf den Kopf gestellt worden war. Und ein Zuhause, hier? Es fiel ihm schwer, sich daran zu gewöhnen. Er zuckte zusammen, als die schwere Eichenholztür sich öffnete und zwei Vampire den Raum betraten. Genau das war das Problem! Augenblicklich fühlte er sich unwohl. Wusste nicht, was er sagen oder wie er sich verhalten sollte. Allerdings schien auch Raphael gerade nicht in Stimmung auf weitere Gesellschaft zu sein, der sich nun von seinem Platz erhob und Richtung Fahrstuhl ging. Und zu seiner Verwunderung bedeutete er ihm mitzukommen. Ungeschickt stellte Simon sein Glas auf den Tisch und folgte ihm. Die Zimmertür Raphaels Appartement fiel mit einem leisen Klicken ins Schloss und mit gemischten Gefühlen sah der junge New Yorker sich um. Die Wohnung entsprach nicht wirklich den Vorstellungen, die er gehabt hatte. Wobei er eigentlich gar nicht wusste, was er sich vorgestellt hatte und bei genauerem Betrachten, passten die Zimmer samt Einrichtung sehr sehr gut zu Raphael. Sehr geschmackvoll, teures Design, wenig Persönliches und trotzdem auf irgendeine unerklärliche Weise einladend, die Simon sich überraschenderweise schnell wohlfühlen ließ. Damit hatte seine Wohnung also exakt die gleichen Eigenschaften wie Raphael selbst. Dieser hatte sich soeben auf die Kante seines Bettes gesetzt und ließ sich jetzt rücklings nach hinten auf die Matratze fallen. Simon registrierte in diesem Moment, dass sie sich im Schlafzimmer befanden. Okay? Einen Moment herrschte Schweigen zwischen ihnen. Simon stand etwas unbeholfen im Zimmer herum und gerade, als die Situation anfing merkwürdig zu werden, sagte Raphael ohne ihn anzusehen: „Ich war bei meiner Mom.“ Ein paar Sekunden vergingen in denen Simons Kopf wie leergefegt war. Dann fasste er sich wieder und blickte den Latino irritiert an. „Du warst... Was?“ Verwirrt löste er sich aus seiner Starre und setzte sich langsam zu Raphael auf das Bett. „Du hast eine Mom?“, sagte er leise und wusste nicht, ob das eine Frage oder eine Feststellung war. Raphael drehte den Kopf zu ihm und sah ihn an, als sei er bescheuert. „Nein, mich hat der Storch gebracht.“, gab er trocken zurück. In einer anderen Situation hätte Simon vermutlich darüber gelacht. Aber das müde Glänzen in den dunklen Augen des spanischen Vampirs bereitete ihm Sorgen. Wie viel von dem Whiskey hatte er schon getrunken, bevor Simon nach Hause gekommen war? Nachdenklich legte er sich neben ihn, drehte sich auf die Seite und betrachtete den Vampir. „Möchtest du darüber reden?“ Er wusste nicht, wie seine Chancen standen, dass der Unterweltler sich ihm öffnen würde. So oft konnte er ihn einfach nicht einschätzen und er wünschte sich, der Ältere würde ein bisschen mehr von sich preisgeben. Und in einem Punkt sollte der Latino Simons Erwartungen erfüllen: Er sagte wirklich nur ein, zwei Sätze zu dem Thema. Jedoch erzählten diese paar Worte ihm mehr über Raphael, als er in den ganzen letzten Monaten zusammen über ihn erfahren hatte. „Sie ist 97. Ich glaube nicht, dass sie ihren nächsten Geburtstag noch erlebt.“ Kapitel 3: ----------- Er hätte schwören können, dass Raphael innerlich zusammengezuckt war, als Simon zögerlich eine Hand ausstreckte und sie auf den Arm des Anderen legte. Doch äußerlich ließ dieser sich nichts anmerken. Kühl. Das war sein erster Gedanke, als er die gebräunte Haut des Spaniers berührte. Beneidenswert, hatte er schon so oft gedacht. Er war der einzige Vampir, den er kannte, der nicht blass wie eine Leiche war. Kühl aber trotzdem angenehm. Vorsichtig und nachdenklich fuhr er mit den Fingern seinen Arm entlang, als Raphael keine Anstalten machte, sich dagegen zu wehren. Von seinem Oberarm, dort wo der hochgeschobene Ärmel seines Hemdes endete, bis runter zum Handgelenk und wieder zurück. Strich langsam über die bläulich schimmernden Adern, die unter seiner Haut zu erkennen waren und er hätte seinen Herzschlag hören können, wenn er denn einen gehabt hätte, so still war es im Raum. „Was mach ich hier?“, fragte er leise nach einer gefühlten Ewigkeit, in der keiner der Beiden ein Wort gesagt hatte. Raphael löste seinen Blick von der Zimmerdecke und drehte sich ein Stückchen zu ihm. „Ich weiß nicht.“ Er sah den Jüngeren aus dunklen Augen an und schaffte es immer wieder, Simon zu überraschen. „Ich glaube ich wollte nicht allein sein.“ Simon schluckte. Sein Arm ruhte auf Raphaels Brust. Er würde nie in der Lage sein, ihn richtig einzuschätzen, oder? Denn er hätte nie damit gerechnet, dass dieser ihm so direkt sagen würde, was Fakt war. „Glaub es, oder lass es sein.“, kam es von dem Schattenweltler und er holte Simon damit aus seinem Staunen heraus. Der Vermpirneuling schüttelte kurz mit dem Kopf und erhob sich leicht, stützte sich auf dem Unterarm ab, Raphael zugewandt. „Ich wollte gar nicht sagen...AU!!“ Erschrocken zuckte Simon zurück und rieb sich schmerzhaft die Handfläche. Was zum... Irritiert sah er auf die Verbrennung und sein Gegenüber, der sich ebenfalls erschrocken hatte, griff nach der Kette, die er trug. Ein goldenes Kreuz. „Entschuldige.“, sagte er schnell und öffnete den Verschluss in seinem Nacken, streckte sich zur Seite und ließ den Anhänger auf seinen Nachttisch fallen. Mit großen Augen sah Simon den Latino an. Wie konnte er das Ding anfassen? Geschweige denn, die ganze Zeit tragen?! Ohne groß nachzudenken, griff er nach Raphaels Hemd, knöpfte es noch einen Knopf weiter auf und zog den Stoff etwas zur Seite, um einen Blick auf seine Brust zu bekommen. Eine feine, schwache Narbe zeichnete sich hell auf seiner braunen Haut ab. Sonst weiter nichts. Er wollte gerade etwas sagen, als der Ältere ihn am Handgelenk festhielt. Und dichter zu sich zog. ... Kapitel 4: ----------- „Was weißt du über Raphael?“ Clary hob die Augenbrauen und sah ihren besten Freund verwirrt an. „Wie?“ Simon schluckte. Nervös hielt er sich an einem Zuckerstreuer fest, der vor seiner Nase stand und mit dem er bereits seit geschlagenen 5 Minuten herumgespielt hatte, während er angestrengt über seine Worte nachdachte, die er zu ihr sagen wollte. Vergebliche Mühe. In seinem Hirn kam nur Müll zustande. Nun sah er sie an, wartete auf irgendeine brauchbare Reaktion und fühlte sich so nervös wie ein Highschool Teeny vor seinem ersten Date. Clary runzelte die Stirn, kaute auf einem Bissen von ihrem Sandwich und schien nachzudenken. Ihr war nicht klar, worauf Simon hinaus wollte oder was er von ihr wissen wollte. So zuckte sie mit den Schultern und sagte: „Ich denke du kennst ihn mittlerweile viel besser als ich.“ Oh, wenn du wüsstest, dachte Simon... Sie trank einen Schluck von ihrem Eistee und überlegte. „Als wir im Hotel angegriffen wurden, hat er uns geholfen. Aber ich weiß nicht, ob das nicht einfach nur ein schlauer, eigennütziger Zug von ihm war. Er ist klug. Er weiß, dass es besser ist, die Nephilim auf seiner Seite zu haben, anstatt sie sich zum Feind zu machen. Ich denke er macht sein eigenes Ding und macht seinen Job als Clanleader ziemlich gut.“ Simon schwieg. Clary hatte seine volle Aufmerksamkeit und er wartete, dass sie weiter sprach. Diese betrachtete ihren besten Freund noch immer mit gerunzelter Stirn, wunderte sich bei Simon jedoch eigentlich über nichts mehr. „Ich glaube, dass es für dich auch klug wäre, dich mit ihm gut zu stellen.“, sagte sie. „Solange du ihm nicht in den Rücken fällst, kannst du denke ich schon darauf vertrauen, dass dir im Hotel nichts passiert und er auch sonst auf dich aufpasst.“ Sie zuckte erneut mit den Schultern. „Er scheint dich jetzt als Vampir zu akzeptieren und auch irgendwie zu beschützen. Er hat sich ziemlich für dich eingesetzt, nach deiner Verwandlung.“ Das war der Grund, warum sie sich eigentlich keine Sorgen mehr machte, obwohl ihr bester Freund in einem Hotel voller blutsaugender Untoter lebte. Auch wenn sie sich noch nicht wirklich wohl fühlte bei dem Gedanken.. Fakt war: Wenn die Vampire Simon hätten töten wollen, hätten sie es längst getan. Simon sah aus wie ein getretener Hund. Sie legte den Kopf schief und musterte ihn. „Sag mal, was ist denn los mit dir?“ „Ich meinte eher so menschlich...“, druckste er. „Oder ‚vampirisch‘... keine Ahnung... charakterlich...“ In Clarys Gesicht standen gefühlt eine Millionen Fragezeichen geschrieben. Geht es dir gut?, wollte sie ihn fragen, aber sie merkte, dass er nicht locker ließ und so dachte sie innerlich seufzend noch einmal nach. „Naya er ist ein Vampir...“, sagte sie resigniert. „Ganz sicher kein Unschuldsengel...“ Nicht, dass sie dachte, alle Vampire hätten automatisch einen schlechten Charakter! Simon war immer noch Simon, dachte sie mit einem Anflug eines schlechten Gewissens. So sollte das also gewiss nicht gemeint sein. Dennoch... Ihre erste Begegnung mit dem Blutsauger war nicht gerade die beste gewesen. Als er Simon kopfüber in schwindelerregender Höhe hatte herumbaumeln lassen, hatte er eindeutig bewiesen, wozu er fähig war, ohne mit der Wimper zu Zucken. Doch als sie nun noch einmal bewusst nachdachte, tauchte vor ihrem inneren Auge das Gesicht des spanischen Vampirs auf, als er vor dem Institut gestanden hatte, Simon in seinen Armen liegend... „Als er dich zu uns brachte,“ begann sie. „um...“ Sie stockte, musste schlucken. Simon tot in den Armen das Unterweltlers zu sehen, hatte sie beinahe umgebracht und auch jetzt zog sich ihr Herz zusammen, als sie daran dachte. Sie schüttelte den Gedanken ab und fuhr fort. „Als er dich zu uns gebracht hat, tat er das glaube ich nicht nur, um einen Krieg mit den Nephilim zu verhindern.“, sagte sie langsam. „Er sagte, er hätte nicht gewollt, dass dir das passiert und ich glaube ihm. Ich kann dir nicht genau sagen warum, aber es wirkte aufrichtig.“ Sie zuckte abermals mit den Schultern bei dem Versuch, ihren Eindruck vom New Yorker Clanoberhaupt zu erklären. „Wenn du mich jetzt so fragst, ich glaube er ist verdammt stark.“, wurde ihr in dem Moment bewusst. „Damit meine ich jetzt nicht, dass er ein Vampir und deshalb übermenschlich stark ist. Ich meinte eher charakterstark. Ich kenn ihn jetzt nicht gut und möchte mir da eigentlich kein Urteil erlauben. Aber als ich ihm vorgeworfen habe, dass er sehr wohl mindestens teilweise Schuld daran war, was Camille dir angetan hat, hat er eingesehen, dass ich Recht hatte. Er hat zugegeben, einen Fehler gemacht zu haben und er hat ihn bereut. Das finde ich stark. Die meisten hätten soetwas mit Sicherheit abgestritten. Versucht die Schuld auf andere zu schieben.“ Simon konnte sich ein kleines Lächeln nicht verkneifen, dass sich bei ihren Worten auf sein Gesicht schlich. Ja, den Eindruck, den Clary von seinem Clanoberhaupt hatte, konnte er bestätigen. Raphael hatte keine Angst und er war stark. Er konnte zwar verdammt herablassend sein, hatte eine Zunge, die schärfer war, als seine Zähne, und liebte es ganz offensichtlich anderen vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen hatten - im Übrigen auch Vampiren, bei denen er hätte schwören können, dass sie um einiges älter waren, als Raphael und er selbst zusammen - aber er hatte auch die Eier einzulenken und nachzugeben, wenn nötig. Und Simon musste sich eingestehen, dass ihn das faszinierte. „Ich hatte Sex mit ihm.“, platze er hastig damit heraus, ehe er einen Rückzieher machen konnte. Einen Augenblick herrschte Stille. Clarys Augen wurden gefühlt immer größer. Sie stellte das Glas, das sie gerade in den Händen gehalten hatte, wieder ab, ohne daraus getrunken zu haben. „Was?!“ „Naya nicht wirklich eigentlich.“, begann der Vampirfrischling sich fahrig zu erklären. „Also so richtigen Sex hatten wir jetzt nicht direkt. Nur ääh rumgemacht irgendwie. Also wir haben uns jetzt auch nicht geküsst oder so, ich meine ich bin nicht schwul, aber irgendwie kam eins zum anderen und dann haben wir... also...“ Er deutete eine unmissverständliche Handbewegung an. „Ach du Scheiße!“, rutschte es Clary heraus, als sie ihre Stimme wiedergefunden hatte. Sie starrte ihn noch immer ziemlich geschockt an. Dann schüttelte sie mit dem Kopf und beeilte sich zu sagen: „Oh Gott, also bitte versteh das jetzt nicht falsch! Ich bin die Letzte, die das schlimm findet! Wirklich nicht! Ich hab nur überhaupt nicht damit gerechnet... Ich meine... Raphael...“ Sie wusste, dass Alec auf Typen stand und hatte von Anfang an kein Problem damit gehabt. Der Einzige, der damit ein Problem hatte, war vermutlich Alec selbst. Und tatsächlich hatte sie in der achten Klasse mal den Verdacht gehabt, ob ihr bester Freund vielleicht anders gepolt sein könnte. Er war nie der große Weiberheld gewesen und irgendwie schon immer etwas... anders? Softer? Ihr bester Freund eben, ein wenig Nerd und irgendwie immer in der Kumpelschiene. Den Gedanken hatte sie allerdings wieder verworfen. Er hatte irgendwann mal etwas mit Maureen angefangen. „Wie geht es dir damit?“, fragte sie schließlich, als sie diese Information ein wenig verarbeitet hatte und war sich insgeheim nicht sicher, ob sie die Antwort darauf wirklich wissen wollt. Simon dagegen war ihr unendlich dankbar dafür, dass sie einfach Clary war und so reagierte, wie er vermutet und gehofft hatte. Es war äußerst angenehm, zur Abwechslung mal wieder eine Person um sich zu haben, die er gut einschätzen konnte und die sich verdammt noch mal seinen Erwartungen entsprechend verhielt und nicht mit nächtlichen, völlig unerwarteten Offenbarungen und Taten sein gesamtes Gefühlsleben auf den Kopf stelle. „Irgendwie hat er mich voll aus der Bahn geworfen.“, gestand er ihr. Clary sah ihn verständnisvoll an. Nicht auf die unangenehme Art mitleidig, sondern auf eine, die er gut annehmen konnte. „Dann war es nicht nur Sex?“ Er hatte den Eindruck, dass das keine Frage war. Viel mehr sprach sie aus, was er bisher nicht hatte wahrhaben wollen. Geknirscht sah er auf die Tischplatte vor sich. „Ich weiß nicht...“, sprach er aus, was in ihm vor sich ging. Er wusste im Augenblick gar nichts. „Dann solltest du das herausfinden?“ Die Schattenjägerin strich sich eine orangefarbene Haarsträhne aus dem Gesicht und lächelte ihn aufmunternd an und er liebte sie für ihre Art. Er liebte sie, als seine Clary, das wurde ihm immer deutlicher bewusst. Doch wenn er die Augen schloss, sah er einen anderen vor sich. Wenn er daran dachte, dass er in den Morgenstunden nicht allein einschlafen wollte... Dann war es der spanische Vampir, in dessen Armen er sich wiederfand, wenn er seine Fantasien zuließ, die sich ihm immer nachdrücklicher aufdrängten und kaum mehr zuließen, dass er sie ignorierte. (Soo ich hoffe nicht zu viel Blabla ^^ Aber es ist meine Einschätzung, wie Simon auf so eine Situation reagieren würde. ;-) Im Gegensatz zu Raphael, der sicherlich anders damit umgehen wird. :P Und ich wollte einfach ein bisschen auf den Charakter meines Lieblingssvampirs eingehen. Ich finde es beeindruckend toll und spannend, wie Raphael z.B. nach Simons Verwandlung reagiert hatte. Raphael: ich wollte das nicht (und das meinte er ernst) Clary: du Arsch bist Schuld! Und Raphaels Blick allein sprach tausend Bände: fuck stimmt... du hast Recht, ich hab Scheiße gebaut. Das finde ich so stark von ihm! Im Gegensatz zu Alec z.B. ...sorry, nix gegen Alec ;) Aber ist einfach so. Mimimi bloß nix zugeben xD) Kapitel 5: ----------- Als Simon wieder im Dumort ankam, war sein Clanoberhaupt nicht mehr dort, was ihm einmal mehr verdeutlichte, wie wenig er eigentlich über den Anderen wusste. Er wusste nicht, wo er war oder was er nachts tat, wenn er berufliche Angelegenheiten mit den Nephilim oder Werwölfen zu klären hatte. Vielleicht auch mit anderen Vampirclans? Gab es weitere Clans in New York oder der Umgebung? Er fühlte sich so oft ausgeschlossen. Neu in einer Welt, in der er neu war und in der er nur schwer Anschluss fand. Er stand Clary nahe und Luke, doch in Chinatown oder dem Institut fühlte er sich ebenso fehl am Platz, wie im Hotel. Er gehörte weder in der Schattenwelt dazu, noch in die Welt der Mundis. Er telefonierte mit seiner Mom, was er jedoch anschließend bereute. Er wusste nicht, was er sich erhofft hatte, aber was es auch war, er bekam es nicht. Stattdessen wandte er sich in Ausreden, konnte nichts von dem ehrlich aussprechen, was er ihr so gerne anvertraut hätte. Einfach nur um mit jemandem zu reden, um sein Herz auszuschütten, um zu wissen, dass seine Mutter immer für ihn da sein würde. Aber er fühlte nur die Last auf sich drücken, dass es ihr nicht gut ging, seit ihre beiden Kinder ausgezogen waren, und wie er sie belügen musste, wie er sich immer mehr entfernte von ihr und seinem alten Leben. Er schlug die Zeit tot und verbrachte den größten Teil der Nacht allein auf seinem Zimmer. Am Ende beschloss er zu warten, bis Raphael zurück kam. Ein Buch lag auf seinem Bauch, er selbst rücklings auf seinem Bett, aber er vergas zu lesen. Hing seinen Gedanken nach und konnte nicht verhindern, dass diese immer wieder zu dem Latino abdrifteten. Er hob die Finger an seinen Hals, an die Stelle, an der Raphael ihn gebissen hatte. Doch er wusste, wenn er in den Spiegel sah, war nichts mehr davon zu sehen. Nichts erinnerte mehr daran, dass irgendetwas zwischen ihnen geschehen war. Seine neue Heilungsfähigkeit hatte dafür gesorgt. Simon fuhr zusammen, als die Dusche im Nebenzimmer an ging. In Raphaels Zimmer. Selbst als Mensch hätte er dieses Geräusch wahrgenommen, denn im Hotel war es ansonsten absolut ruhig. Mit seinem neuen Vampirgehör ließ es ihn vor Schreck beinahe aufspringen, da er nicht damit gerechnet hatte. Wie hatte Raphael es auf sein Zimmer geschafft, ohne dass er bemerkt hatte, dass der Andere wieder da war?! Er klappte sein Buch zu, immer noch auf ein und der selben Seite hängengeblieben, legte es auf die Kommode neben seinem Bett, stand auf und trat auf den Flur. Als er der Zimmertür des Clananführers näher kam, verlangsamte er jedoch seine Schritte. Was zum Teufel war jetzt eigentlich sein Plan? Reinplatzen und sagen hey Raphael, wie war dein Abend so, hast du viel an mich gedacht? Und ach hey, wollen wir vielleicht zusammen duschen? Er schüttelte den Kopf über sich selber, wollte schon wieder auf dem Absatz umdrehen und zurück in seine eigenen kleinen vier Wände gehen ... Doch irgendetwas hielt ihn zurück. Er zögerte, hob die Hand, um an zu klopfen. Ließ sie wieder sinken. Feigling, dachte er über sich selbst. Abgesehen von ihnen beiden schien nach wie vor kein Bewohner des Hotels in der Nähe zu sein. Im Gebäude war es still, der lange Hotelflur lag gespenstisch vor ihm. Fenster gab es hier keine, welch Überraschung, und manchmal fiel es ihm schwer die Uhrzeit oder Tageszeit einigermaßen richtig einzuschätzen. „Willst du da Wurzeln schlagen, oder endlich rein kommen?“ Simon zuckte ertappt zusammen, als er Raphaels Stimme aus dessen Zimmer hörte. Er vergaß immer noch gelegentlich, wie gut das Gehör eines Vampirs war und manchmal konnte das echt unheimlich sein. Er schluckte und gab sich einen Ruck, griff nach der Türklinke. Was sollte er jetzt auch sonst tun? Oh Mein Gott Er konnte diese Worte nicht mehr aussprechen, aber er konnte sie sehr wohl noch denken. Was eigentliche ein Wunder war, schoss es ihm durch den Kopf, dass er überhaupt noch denken konnte, bei dem Anblick, der sich ihm bot, als er die Tür beherzt aufstieß, ins Zimmer trat und sie hinter sich wieder ins Schloss fallen ließ. Raphael stand nur mit einem Handtuch um die Hüften geschlungen da und er würde fast so weit gehen zu behaupten, dass der Vampir sich dieses extra tief umgebunden hatte. Zuzutrauen wäre es ihm ... Man konnte viel zu viel sehen. Waschbrettbauch. Deutlich zu erkennendes V in der Leistengegend. Durchtrainierte Brust, die er sich noch nicht wirklich abgetrocknet hatte. Nasse Strähnen seiner schwarzen Haare hingen dem Vampir ins Gesicht und dunkelbraune Augen funkelten ihm entgegen, dessen Ausdruck Simon ein absolutes Rätsel blieben. Der junge Vampir bemühte sich, sein Gegenüber nach Möglichkeit nicht mit offenem Mund anzustarren. Die Blöße wollte er sich nicht geben. Raphael hatte sowieso schon ein Selbstbewusstsein für zwei, keine Notwendigkeit also, dieses noch weiter zu puschen. Raphaels kurzes, spöttisches Grinsen sagte ihm allerdings sehr deutlich, dass es ihm kein Stück gelang, vor dem Anderen zu verstecken, wie sehr ihm gefiel, was er da sah. Das alles schien den Unterweltler jedoch absolut kalt zu lassen. Er griff nach einem Umschlag, der auf einem Regalbrett gelegen hatte und drückte ihn Simon in die Hände. „Der ist für Luke und sein Rudel.“ Während er sprach, wandte er sich ab und schenkte seine Aufmerksamkeit mehr seinem Kleiderschrank, als Simon. Ein paar Hemden wurden beiseite geschoben, ehe er kurz überlegte und dann eines davon herauszog und vom Bügel nahm. Simon stand währenddessen wie angewurzelt da. „Heute schaffst du das nicht mehr, es dämmert gleich, aber morgen Abend hat das oberste Priorität. Weiter östlich wurden ein paar Mundis tot aufgefunden. Anscheinend alle blutleer und mit Verletzungen am Hals. Unser Clan hat damit nichts zu tun, aber das interessiert die Shadowhunter nicht. Wenn wir uns um soetwas nicht kümmern, wird einer von uns dafür zur Rechenschaft herangezogen.“ Simon wollte gerade etwas sagen, als Raphael sein Handtuch achtlos zu Boden fallen ließ. Er zog sich das dunkelrote Versage Hemd über, griff nach Unterwäsche und einer schwarzen Jeans. „Das ist wichtig, okay?!“ Wie schaffte er es, so vor ihm zu stehen und dennoch mit ihm zu sprechen, als befänden sie sich in einem Businessmeeting?! Als Simon nichts sagte, zog Raphael eine Augenbraue hoch und deutete auf den Umschlag. „Der Brief?!“ „Oh! Ähm ja klar...“, antwortete Simon hastig und nickte. Brief zu Luke. Alles klar. „Gut.“ Geschickt zog der Ältere einen Gürtel durch die Schlaufen seiner Jeans, schloss die silberne Schnalle und hob anschließend den Blick, um Simon wieder anzusehen. „Zieh dir was Ordentliches an. In 15 Minuten treffen wir uns unten mit Lily zum Essen.“ Er drehte sich um und verschwand Richtung Badezimmer, eher er ihm noch zurief: „Und guck nicht so, als hättest du das alles noch nie gesehen.“ Kapitel 6: ----------- Zieh dir was Ordentliches an ... Das vierte T-Shirt flog auf sein Bett und Simon fuhr sich verzweifelt durch die wirren, braunen Haare. Na toll! Er hatte nichts „Ordentliches“! Jedenfalls nichts, was sich mit Raphaels Garderobe vergleichen ließ. Ein Blick auf sein Handy sagte ihm, dass er noch 4 Minuten hatte. Er zwang sich, einmal tief durchzuatmen und sammelte sich. Okay, kein Grund zur Panik. Er hatte immerhin eine sehr gute Markenjeans. Kurzentschlossen zog er sie an und entschied sich für ein schlichtes, schwarzes T-Shirt, dass ebenfalls etwas hochwertiger war, als der Rest seiner Sachen, und neuerdings ziemlich gut an ihm aussah, wie er fand. Seit er die Vorteile des Vampirdaseins genießen konnte, hatte er einen um einiges definierteren Körper bekommen. Er sah sich noch einmal im Spiegel an, konnte sich mit dem Ergebnis abfinden und flitzt in Vampirgeschwindigkeit ins Badezimmer, um seine Haare in den Griff zu kriegen. Als er etwa 5 Minuten zu spät hinunter in die Lobby kam, wusste er nicht, was ihn erwartete und er war sichtlich nervös. Raphael unterhielt sich mit einer jungen Vampirin, die einen lockeren und gut gelaunten Eindruck machte. Das heißt, ob sie wirklich jung war, wusste Simon natürlich nicht. Er bezweifelte es. Vom Aussehen her würde sie aber auch nicht auf viel älter als vielleicht maximal 20 geschätzt werden. Sie hatte sehr attraktive asiatische Züge, schwarzes Haar und einige Strähnen leuchtend blau gefärbt. Passend dazu trug sie ein blaues Kleid. Als sie Simon entdeckte, breitete sich auf ihrem Gesicht ein Lächeln aus und zum ersten Mal hatte der Frischling das Gefühl, dass sich jemand wirklich freute ihn zu sehen - einmal abgesehen von Clary natürlich. „Lily!“, stellte sie sich vor und grinste ihn an. Wer Simon war, wusste sie natürlich. Jeder wusste das. Nur andersherum konnte Simon sich noch lange nicht die Namen der Hotelbewohner merken, zumal er bisher kaum ein Wort mit ihnen gewechselt hatte. Dann fiel Simons Blick auf Raphael, der umwerfend aussah und zwei Rotweingläser in den Händen hielt, dessen Inhalt farblich perfekt zu seinem Hemd passte. Wein enthielten die Gläser allerdings nicht. Er kam auf Simon zu und reichte ihm ein Glas, trat noch einen Schritt dichter an ihn heran und hauchte ihm ein „Du siehst gut aus.“, ins Ohr. Er roch nach einem verdammt guten Parfüm und für einen Augenblick waren sie sich so nahe, dass Simon die Hüften des Älteren an seinen eigenen fühlen konnte. Simon fiel auf, dass dem Latino ein Lächeln auf den Lippen verdammt gut stand und dass er es gerne häufiger sehen würde. Spitze, weiße Eckzähne blitzten hervor und kurz dachte er, der andere Vampir wollte ihn küssen, doch das tat er nicht. „Und zu spät.“, stellte er stattdessen fest, wandte sich ab und folgte Lily zur Sitzecke, die es sich bereits bequem gemacht hatte. Simon hoffte, dass sein untoter Zustand es verhinderte, dass er rot anlief. Dieser Vampir war unglaublich. Unglaublich dreist, aber auch unglaublich heiß. „Hast du Graymark die Einladung gegeben?“ Lily sah zu Raphael auf, der sich ihr schräg gegenüber auf die goldene Couch setzte. „Simon erledigt das morgen.“ Der Latino drehte sich zu dem jungen Vampir um und lud ihn mit einem Kopfnicken ein, sich neben ihn zu setzen. „Er hat ein gutes Verhältnis zu Luke, das wird sehr hilfreich sein.“ „Einladung ... wofür?“, fragte Simon nach, doch als Raphael einen Arm auf die Rückenlehne der Couch legte - und somit um Simon - vergaß dieser beinahe das Gesprächsthema. Ihm wurde abwechselnd heiß sind kalt. Kühle Finger streiften seinen Nacken. Flüchtig, aber nicht zufällig. Legten sich auf seine Schulter. Ein kurzer Blick zur Seite zeigte ihm, dass der Schattenweltler trotzdem genauso kritisch dreinblickte, wie sonst auch. Doch die Berührung hatte etwas Warmes an sich und er machte offensichtlich keine Anstalten, dies vor Lily zu verstecken. „Du hast ja schon mitbekommen, das Vampire und Hunde nicht die besten Freunde sind.“, bemerkte Raphael spitz. „Ich traue ihnen zur Zeit allerdings mehr, als den Nephilim. Die Zusammenarbeit zur Rettung des Elben hat gut funktioniert, wodurch wir jetzt auch bei Meliorn etwas gut haben. Den Elben kann man zwar auch nicht über den Weg trauen - dem Rat aber wie gesagt noch viel weniger. Ich möchte, dass ein Bündnis auch weiterhin gut funktioniert. Nur für den Fall ...“ Er wechselte einen vielsagenden Blick mit Lily. „Für den Fall, dass die Shadowhunter uns in den Rücken fallen.“, beendete sie seinen Satz. „Aber ...“ Simon fühlte sich hin und her gerissen. Seine beste Freundin gehörte den Schattenjägern an. „Clary würde uns nie so etwas antun!“, verteidigte er sie. „Und Izzy ist auch auf unserer Seite. Jace ...“ Raphaels Hand griff zärtlich in seine Schulter und massierte sie leicht. Der Latino wandte sich ihm zu und sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von Simons entfernt. „Ich weiß ... Ich vertraue Clary ja, aber ich vertraue dem Rat nicht! Kein Stück. Und wenn es hart auf hart kommt, hat deine Freundin leider nicht viel zu melden.“, erklärte er entschuldigend. Simon war überrascht. Überrascht, dass Raphael Clary vertraute. Überrascht darüber, dass er zugegebenermaßen Recht hatte, mit allem, was er sagte. Mehr als überrascht, dass er vor Lily so offen damit umging, dass irgendetwas zwischen ihnen gelaufen war oder lief? Sein Blick flog zurück zur Vampirin und diese konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen, was Raphael nur dazu brachte, genervt mit den Augen zu rollen, ihn jedoch nicht veranlasste, von Simon abzulassen. „Er hat Recht.“, erklärte sie schließlich dem jungen Unterweltler, für den das alles noch Neuland war. „Das hat er meistens, leider.“, fügte sie neckend hinzu und Simon wurde klar, dass die Beiden sich auch privat nahe standen. Wie er bereits vermutet hatte, leistete Raphael im Dumort eine sehr gute Arbeit. Er entschied klug, handelte vernünftig und weitsichtig. Anders als Camille, die egozentrisch vorgegangen war, was sich irgendwann gerecht hatte, sodass sie jetzt im Sarg gefangen in ewigem Tiefschlaf lag. Trotz der teilweise geschäftlichen Themen war die Stimmung sehr viel lockerer, als Simon befürchtet hatte und so begann er sich allmählich immer wohler zu fühlen. Außerdem war das Essen ausgezeichnet! Erstaunt trank er einen Schluck aus dem Glas, das Raphael ihm gereicht hatte, und bemerkte dann, wie dessen Augen aufmerksam auf ihm ruhten. Fragend hob er eine Augenbraue. Raphael schmunzelte. „Das ist aus Camilles Geheimvorrat.“, klärte er ihn auf. Simon hätte sich fast verschluckt. „Das ist Menschenblut?!“, fragte er entsetzt und wusste nicht, ob er es unglaublich widerlich oder zugegebenermaßen wirklich verdammt lecker fand. Bisher hatte er sich von Kuhblut ernährt. Raphael lachte leise auf. Noch etwas, dass der Ältere Simons Meinung nach zu selten tat und es war ... schön. „Keine Angst, du kannst das ruhig trinken. Es stammt aus einem Krankenhaus. Blutspenden.“ Wieder diese angenehmen kühlen Finger in seinem Nacken, die verspielt und ganz nebenbei über seine Haut streichelten. „Erlaubt ist es allerdings nicht. Sollte der Rat davon Wind kriegen, bekommen wir Probleme. Deshalb muss es weg.“ „Raphael kann ein richtiger Spielverderber sein! Also genieß es.“, zwinkerte Lily ihm zu und hob ihr Glas in seine Richtung, ehe sie einen Schluck daraus trank. Raphael schnaubte verächtlich. „Dafür habt ihr alle jetzt vermutlich noch sehr viel länger etwas von eurem untoten Dasein.“ Tatsächlich saßen sie noch relativ lange beisammen und Simon, der eigentlich nicht auf den Mund gefallen war, kam ins Plaudern mit der sympathischen Vampirin. Raphael lehnte sich zurück und genoss seinen Drink und seine Nähe schenkte Simon ein Gefühl von Geborgenheit, das er so nicht erwartet hatte. Irgendwann stand der spanische Vampir auf und durchquerte den Raum. An der gegenüberliegenden Wand befand sich ein Ziffernfeld und als der Latino einen Code eintippte, gab das antike Ölgemälde Camilles geheimen Vorrat an Blutbeuteln frei, so wie schon vor Kurzem, als Clary die Hilfe der Vampire für Jace gebraucht hatte. Er nahm einen davon heraus und füllte dessen Inhalt in eine Karaffe um. Er hatte schon immer Stil gehabt. Lily nutzte die Gelegenheit und wandte sich Simon unverwandt zu. „Er mag dich.“, sagte sie ganze direkt und zwinkerte dem jungen New Yorker zu. „Wurde auch Zeit.“ Sie sprach leise, doch Simon wusste, dass Raphael sie ebenfalls hören konnte. Abermals hoffte er, dass er zu blass sein würde, als das jemand die Röte bemerkte, die ihm vermutlich soeben in die Wangen schoss. Das Thema Raphael Santiago hatte die merkwürdige Eigenschaft, dass Simon andauernd die Worte fehlten und das war wirklich ungewöhnlich für ihn. Etwa eine Stunde später verabschiedete sich Lily und verschwand. Sie war müde und Simon ging es nicht anders. Er befürchtete jedoch, nicht so bald einschlafen zu können, so viel ging ihm durch den Kopf. „Ich hab gedacht, ihr könntet euch gut verstehen.“ Raphael blieb im Flur vor Simons Zimmertür stehen und sah ihn aus dunklen Augen an. Tief braun wie Bitterschokolade. „Du musst aufhören, dich auf deinem Zimmer zu verkriechen. Lily ist schwer in Ordnung.“ Ein Lächeln umspielte Simons Lippen. Es waren wenige Momente, in denen er seit seiner Verwandlung einfach glücklich gewesen war. Dies war einer davon. „Schlaf gut.“ Einen Augenblick lang stand Simon wie angewurzelt da und sah dem Unterweltler nach, der auf sein Zimmer verschwand. Unzählige Fragen schossen ihm durch den Kopf. Unter anderem, warum es bei diesem flüchtigen gute Nacht blieb. Kapitel 7: ----------- Huhu ^^ Schon das nächste Kapitel! Und ein weiteres ist angefangen ... So viel dazu „Ich schreib noch mal 1-3 Kapitel über die Beiden ...“ Jetzt sind es schon 8! :0 Aber es schreibt sich einfach so runter, die zwei sind halt toll zusammen! Deshalb: kleine Mitmachaktion! Ich würde noch mal eine OS nebenbei schreiben und ihr dürft euch etwas wünschen. (: Jetzt viel Spaß beim Lesen und lasst mir mal ein Feedback da. ***************************************** In den folgenden Nächten bekam Simon Raphael kaum zu Gesicht. Er hatte jedoch nicht den Eindruck, dass der Andere ihm aus dem Weg ging. Viel mehr schien dieser einfach unheimlich viel um die Ohren zu haben. Wenn sie sich sahen, schenkte der Spanier ihm einen Blick, eine flüchtige Berührung, irgendetwas, das ihm sagte, dass zwischen ihnen alles okay war. So versuchte er sich abzulenken und dem Vampir nicht hinterher zu laufen, kümmerte sich um eigene Angelegenheiten. Er ging mit Clary shoppen. Online. Sie besuchte ihn im Hotel. Anfangs ein komisches Gefühl, doch mittlerweile lebte er sich immer mehr ein und begann das Dumort als sein neues Zuhause zu akzeptieren. Er verstand sich tatsächlich hervorragend mit Lily und entwickelte auch den restlichen Hotelbewohnern gegenüber mehr und mehr Selbstbewusstsein. Ob er wollte oder nicht, er war jetzt einer von ihnen. Als Raphael eines Morgens in Simons Zimmer kam, schlief dieser schon fast. Leise schloss der ältere Vampir die Tür hinter sich und setzte sich im Dunklen zu ihm auf‘s Bett. Simon hatte sofort den vertrauten Geruch in der Nase und räkelte sich verschlafen. „Tut mir leid, ich wusste nicht, dass du schon schläfst.“, sagte der Spanier leise doch Simon würde den Teufel tun, sich über seine Anwesenheit zu beschweren. Müde aber glücklich rutschte er ein Stück näher und schmiegte sich an ihn. Zärtliche Finger verirrten sich in seine braunen Haaren und streichelten ihn. „Du arbeitest zu viel ...“, murmelte Simon verschlafen. „Ich weiß ... Ich war noch bei Magnus.“ Er war ihm keine Rechenschaft schuldig, doch Simon gefiel es, immer häufiger zu erfahren, was der Andere nachts trieb. Eine Weile schwiegen sie und genossen jeweils die bloße Anwesenheit des Anderen. Bis Simon die Stille durchbrach und fragte: „Magst du hier schlafen?“ Als Raphael nicht gleich reagierte und schließlich aufstand, sich von Simon löste und ihn sanft ein wenig von sich schob, dachte dieser zuerst, der Vampir wollte gehen. Doch dann hörte er die Geräusche eines Reisverschlusses und einer Hose, die leise zu Boden fiel. Sah, trotz Dunkelheit, dass der Latino den Verschluss seiner Kette im Nacken löste und sie beiseite legte. Keine Sekunde später raschelten Bettdecken und das Kind der Nacht legte sich neben ihn. Ich bin nicht tot, schoss es Simon durch den Kopf. Tote können nicht solches Herzrasen bekommen! Definitiv nicht ... Oder doch? Er blinzelte in die Dunkelheit. Raphael lag nur Zentimeter von ihm entfernt. Schwarze Wimpern ruhten auf seinen blassen Wangen. Er konnte doch jetzt unmöglich so schnell eingeschlafen sein?! Simon lag still neben ihm, traute sich kaum zu atmen und da er es nicht musste, ließ er es einfach sein. Seit Tagen hatte er sich das gewünscht und jetzt? War er einfach nur unglaublich nervös! Er schloss die Augen und versuchte ebenfalls einzuschlafen, doch obwohl er gerade noch so müde gewesen war, schien es jetzt schlichtweg unmöglich. Eine Weile starrte er in die Dunkelheit, dann drehte er sich ein wenig anders hin, konnte nicht mehr still liegen und merkte, wie angespannt er war. Von Raphael kam nach wie vor keine Regung. Zögerlich legte er eine Hand an seine Seite, glitt mit seinen Fingern über den dunklen Hemdstoff. Er schlief ernsthaft im Hemd? Er streichelte über seinen Rücken und rutschte ein Stückchen dichter. Hielt kurz inne und fragte schließlich leise: „Bist du noch wach?“ Anstelle einer Antwort blickten ihn zwei dunkle Augen an. Warme, dunkle Bitterschokolade. „Kannst du nicht schlafen?“ Der Vampir sah ihn fragend an, obwohl die Antwort ja offensichtlich auf der Hand lag. Simon schüttelte leicht mit dem Kopf. „Irgendwie nicht ...“ Schüchtern ließ er seine Finger weiter über den glatten Stoff wandern. Fühlte den Körper des Anderen darunter, so nah, trotzdem noch durch so viel Hemmung von ihm getrennt. Der Blutsauger trieb ihn in den Wahnsinn. Musste er wirklich den ersten Schritt machen? Er wollte ihn küssen. Er wollte ihn an sich ziehen! Ein leichtes Ziehen in seiner Leistengegend sagte ihm, dass er noch viel viel mehr wollte. Er schluckte. Seine Fingerspitzen fanden nackte Haut an Raphaels Brust, seinem Hals, seinem Schlüsselbein. Und er ahnte nicht, wie er dem Anderen einen Schauer durch den Körper jagte damit. Wortlos öffnete er zwei weitere Knöpfe an dessen Brust, ließ seine Hände über die weiche Haut gleiten. Fühlte die Muskeln eines seit Jahrzehnten toten Wesens, das jetzt doch so lebendig neben ihm lag. So menschlich. Du bist kein Monster, dachte er in diesem Augenblick. „Was machst du da?“ Raphaels Stimme klang leise, brüchig, und Simon konnte nicht sagen, ob es Unsicherheit war? Zweifel? Lust? „Gar nichts ...“, gab er neckend zurück, doch seine Befangenheit schwang darin mit. Das hier war neu. Zerbrechlich. „Gar nichts?“ Amüsiert schlich sich ein Lächeln auf Raphaels Lippen und kleine, spitze Eckzähne blitzten hervor. Als ob, teilte sein Blick dem Jüngeren mit. Simon wusste nicht, ob er schon einmal solche Angst gehabt hatte in Raphaels Gegenwart. Angst, Ablehnung zu erfahren. Die Angst davor zu sterben, die er verspürt hatte, als sie sich zum ersten Mal begegnet waren, war nichts dagegen gewesen. Zumal er eines Besseren belehrt worden war: Der Tod war nicht grausam. Scheu legte er seine Lippen auf die des Latinos. Der Tod war ein Geschenk. Er war warm, obwohl seine Haut kalt war. Er war in der Lage, sein Herz zum Rasen zu bringen, obwohl es doch gar nicht mehr schlug. Er war eine Bereicherung, obwohl ihm so viel genommen worden war. Für einen Herzschlag lang oder zwei, bewegte sich der spanische Vampir keinen Millimeter. Dann begann er langsam den Kuss zu erwidern. Erst vorsichtig, dann allmählich immer intensiver. Wortlos schob Simon dem Latino das Oberteil von den Schultern. Fühlte dessen Muskeln unter seinen Händen. Raphael war eher schmal gebaut, ein Stück kleiner noch als er selbst, aber sein Körper war ziemlich gut definitiv. Er war perfekt, schoss es Simon durch den Kopf. Weiche Lippen fanden erneut seine eigenen - immer wieder. Und er vergas alles andere um sich herum, während Raphaels Hände an seinem Körper herunter wanderten. „Ich dachte schon du willst nicht ...“, flüsterte er zwischen zwei Küssen und liebkoste anschließend den Hals des Älteren mit seinen Lippen. „Wollte ich auch eigentlich nicht ...“ Raphael schloss die Augen und ließ den Kopf in den Nacken fallen. Verwirrung spiegelte sich in den Augen des Braunhaarigen wieder und Teile seiner Unsicherheit kehrten zurück. „Oh ... Aber jetzt ...“ „Mi Idiota.“, fiel Raphael ihm ins Wort, doch die spanischen Worte klangen sanft und waren dieses Mal nicht wirklich beleidigend gemeint. „Jetzt bin ich geil.“ Er fuhr mit den Händen unter Simons T-Shirt, zog es ihm geschickt aus. „Aber letztes Mal ...“ „- war ich betrunken, Simon.“ Der Jüngere hielt inne und Raphael begegnete seinem Blick, konnte die Sorge in dessen Augen erkennen, die Bedenken, für die es keinen Grund gab, aber die so typisch Simon waren. „Ich hab damit nicht gemeint, dass ich nicht will.“, erklärte er, wollte Simon die Zweifel wieder nehmen. „Nur vielleicht nicht so schnell.“ „Schnell?“ Hellbraune Augen blickten ihn irritiert an und Raphael konnte nicht anders, als zu schmunzeln. „El bisoño ... Du hast ein anderes Zeitgefühl als ich.“, sagte er und zog den Anderen wieder an sich. Zog ihn in einen langen Kuss, der Simons Zerrissenheit wegwischte und ihn alles ausblenden ließ, bis auf die Finger und Lippen auf seiner Haut. Küsse, die über seinen ganz Körper wanderten, an den Innenseiten seiner Oberschenkel brannten und Simon sich fragen ließen, wie sie dort hin gelangt waren oder wann Raphael ihm eigentlich das letzte Kleidungsstück vom Körper gezogen hatte. Überrascht stöhnte er auf, als der Vampir langsam mit der Zunge über seine Länge fuhr, seine Lippen um ihn schloss. Bitte hör nie damit auf, war alles, was er in diesem Augenblick dachte. Viel zu bald merkte er, wie er sich allmählich nicht mehr zurückhalten konnte. Wie sein Schwanz hart pochte, Raphael die Lusttropfen von seiner Spitze leckte und ihn damit um den Verstand brachte. Raphaels Hand schloss sich fest um ihn, Fangzähne stachen mit tödlicher Präzision in seine Leiste, doch der Schmerz wich augenblicklich ganz anderen Empfindungen und Simon fühlte, wie er kam, sich heiß in Raphaels Hand ergoss und die Flüssigkeit sich auf seinem Bauch und seiner Brust verteilte. Ich glaub ich hab mich in dich verliebt, war Simons erster Gedanke, als der Vampir zu ihm hoch und in seinen Arme glitt und er in seinen dunklen Augen ertrank. Als er seinen Händen erlaubte, den Körper des Schattenweltlers kennen zu lernen und jegliche Anspannung aus dem Gesicht des Anderen wich und dieser vollkommen genoss, was in den nächsten Minuten geschah und dem egal zu sein schien, ob ihn irgendwer auf dem Flur hören würde oder welche Konsequenzen es haben könnte, sich jemandem derart hinzugeben. Später sollte Simon sich wünschen, er hätte diese Worte laut ausgesprochen. Jetzt, als es noch nicht zu spät dafür war. Kapitel 8: ----------- Und dann war da Camille. Simon lag regungslos auf dem Bett. Tränen liefen ihm über die Wangen, doch das war ihm egal, denn niemand konnte es sehen. Es war auch nicht sein Bett, auf dem er lag, sondern das von Clary. Es war nicht fair. Die Wahl, vor die er gestellt worden war, war nicht fair gewesen und er hatte keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken oder eine bessere Alternative zu finden. Clary hatte Camilles Freiheit gebraucht. Raphael ihre Gefangenschaft im Sarg. Der junge New Yorker wusste nicht, was für eine Folge sein Handeln nun für den Unterweltler haben würde. Doch er ahnte, welche Konsequenzen auf ihn persönlich zu kamen. Dass er gar nicht daran denken brauchte, den heutigen Tag in seinem Bett im Dumort zu verbringen, hatte Raphael noch nicht einmal aussprechen müssen. Sein Blick hatte alles gesagt. Hintergangen hatte er ihn. Sein Vertrauen komplett missbraucht. Clary und Simon hatten gehofft, dass es ihnen gelingen würde, die Vampirin ungesehen aus dem Hotel zu schmuggeln, doch sie waren Raphael direkt in die Arme gelaufen. In dem Moment stand die Zeit einen Augenblick lang still und ohne ein Wort war allen klar gewesen: Simon hatte eine Entscheidung getroffen. Eine Seite gewählt. Und das würde alles verändern. Äußerlich war der spanische Vampir ruhig geblieben, doch Simon hatte regelrecht hören können, wie sein Herz in tausend Stücke zerbrach. Konnte ein Herz, das bereits seit vielen Jahren nicht mehr schlug, überhaupt brechen? Es konnte. Für Simon war es unmöglich zu beschreiben, was er selbst gefühlt hatte. Die ganze Angelegenheit war so surreal und festgefahren. Ließ ihn einen Weg gehen, den er nicht beschreiten wollte und doch eingeschlagen hatte. Es war ein Fehler, schrie alles in ihm. Ein furchtbarer Fehler, den er nie wieder rückgängig machen konnte, und doch wusste er zeitgleich, dass er das einzig Richtige getan hatte, indem er seine lebenslange Freundin geschützt hatte. Sein Blick wanderte durch den Raum. Ziellos. Die Vorhänge waren sorgfältig zugezogen worden und bewahrten ihn vor dem tödlichen Sonnenlicht. Lange würde er hier nicht bleiben können, das war ihm klar, und das Gefühl, nirgendwo dazu zu gehören, brannte stärker in ihm, als je zuvor. Das Institut war keine soziale Auffangstation für Unterwelter. Es dauerte nur wenige Tage, bis er den Rauswurf erhielt, mit dem er die ganze Zeit gerechnet hatte und er konnte nicht verhindern, dass ihm sofort Raphaels Worte in den Sinn kamen. Im Zweifelsfall würde Clary nichts zu melden haben und Simon in keiner Weise auf die Hilfe der Nephilim zählen können. Doch in sein ehemaliges menschliches Zuhause konnte er auch nicht zurückkehren und wohin ging ein Schattenwesen, das Seinesgleichen in den Rücken gefallen war? Er ging zu Luke. Lucian war der Einzige, neben Clary, der ihm stets das Gefühl gab, willkommen zu sein. Sie waren immer noch Luke und Simon, nicht Werwolf und Vampir. Und für eine kurze Zeit fühlte er so etwas wie Hoffnung. Bis das Rudel ihn unsanft auf den Boden der Tatsachen zurück holte. Am Ende schlief er die Tage in einem Kanu. Hinter dem Jade Wolf, dem chinesischen Restaurant, das den Wölfen als Rückzugsort diente, arrangierte er sich mit seiner provisorischen Unterkunft in einer alten Lagerhalle. Er wusste nicht, ob er darüber lachen oder weinen sollte. War dies nun seine Version von einem Sarg in seiner ganz persönlichen Hölle? Er sehnte sich nach seinem alten Boxspringbett. Nach seinem altes Leben! Seinem Zimmer, seiner Mutter, seiner Schwester ... Doch etwas anderes vermisste er wohl am schmerzlichsten. Jemanden. Zärtliche Finger vermisste er, die durch sein Haar strichen. Diesen Geruch, der noch im Zimmer hing, noch an seinen Laken haftete, nachdem Raphael längst aufgestanden und verschwunden war, und ihn daran denken ließ, wie dieser eine, ganz besondere Vampir nackt auf ihm gelegen hatte. Ihn geküsst hatte. Die Nähe, die ihm in letzter Zeit ein Gefühl zurück gegeben hatte, von dem er geglaubt hatte, es wohl nie wieder spüren zu können: Das schnelle Klopfen seines Herzens in seiner Brust. Schmerzlich presste er die Hand an ebendiese Stelle, an der er keinen Herzschlag mehr spüren konnte. Das Empfinden, das nun anstelle dessen zurück geblieben war, war grausam. Es brachte ihn um. Raphael, so wurde ihm klar, war in der Lage das zu tun, was Camille nicht zu Ende gebracht hatte. Er tötete ihn. Indem er ihn gottverdammt noch mal liebte. Im obersten Stockwerk eines New Yorker Hochhauses schwebten Magnus Hände, umhüllt von schimmerndem Zauberglanz, wenige Zentimeter über den offenen Wunden, die sich quer über Raphaels Gesicht zogen. Es würde heilen ... Bald schon wäre nichts mehr zu sehen, von den Verletzungen, die man ihm zugefügt hatte. Doch der innere Schmerz, der blieb. Das wusste der Hexenmeister, denn er hatte es all zu oft selbst am eigenen Leib erfahren in seinem Jahrhunderte alten Leben. „Hättest du die selben Gefühle für ihn, wenn er eine andere Person wäre? Eine, die in dieser Situation keine Loyalität bewiesen hätte?“ Raphael antwortete nicht. „Raphael?“, harkte der Hexenmeister sanft aber vehement nach. „Der Rat geht zu weit“, presste der Angesprochene zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor und wusste, dass er damit der eigentlichen Frage auswich. „Ich habe von Simon gesprochen“, erwiderte Magnus ruhig. Er kannte den Vampir viel zu gut, um sich von dessen Art abblocken zu lassen. „Du kannst nicht von ihm verlangen, Clary im Stich zu lassen. Und soweit ich weiß kam er zuerst zu dir und hat dich um Hilfe gebeten. Nach einer guten Lösung für alle gesucht.“ Raphaels Fänge bohrten sich in seine Lippen und ein leises Knurren kam tief aus seiner Brust, doch der Halbdämon lächelte nur amüsiert, erhob sich und beendete seinen Zauber. Den Rest würden Raphaels Heilungsfähigkeiten übernehmen. Als Vampir wäre schon bald nicht einmal mehr eine Narbe übrig. In einem musste er dem Kind der Nacht allerdings Recht geben. Die Nephilim hatten eine Grenze überschritten. Die Folter von Unterweltlern war entgegen ihrer eigenen Gesetze und entsprach nicht mehr ihrer üblichen Vorgehensweise. Ein Grund zur Besorgnis ... „Du willst also nicht über ihn sprechen“, stelle er fest, war nicht im Geringsten überrascht darüber und lächelte in sich hinein. In all den Jahren hatte er noch nie erlebt, dass es jemandem gelungen war, etwas in Raphael derart zu berühren. Dieser bedachte ihn mit einem unheilvollen Blick. „Exakt.“ Ein Hämmern an der Eingangstür durchbrach die nun entstandene Stille und verwundert ging Magnus durch die Wohnung, um dem unerwarteten Besucher zu öffnen. Als er in zwei braune Augen blickte, ahnte er, dass die Situation aus dem Ruder laufen könnte. Ergeben seufzte er und ließ den jungen Vampir und seine Freundin hinein. „Kommt rein ...“ Er hoffte inständig, dass die zwei Unterweltler sich nicht an die Kehle gehen und seine halbe Wohnung dabei zerlegen würden, doch als Simon zu reden begann und Raphael dessen Stimme erkannte, schoß der Latino vom Sofa hoch und auf den Jüngeren zu. „Hast du eigentlich eine Ahnung, was du mit deiner Aktion angerichtet hast?!“, fuhr er den Frischling an, der so schnell gar nicht schalten konnte, und packte ihn unsanft an der Kehle. Gebleckte Fänge blitzten hervor und seine Worte waren mehr ein Knurren und Fauchen. Seinen unmenschlichen Anteil konnte man in diesem Augenblick beim besten Willen nicht leugnen. Simon hatte den Anderen noch nie so wütend erlebt. Dann fiel sein Blick auf die Überreste aus Narben und Brandwunden in seinem Gesicht und auf seinen Händen. Oh mein... Gott!, dachte er und sah sein Gegenüber geschockt an. Tiefe Schnitte zogen sich über die braune, sonst so makellose Haut. „Was ist passiert ...“, kam es stockend über seine Lippen und Raphael sah aus, als würde er ihm jeden Moment mitten ins Gesicht schlagen. „Woho, Stopp!“ Entschlossen schob Magnus sich zwischen sie und versuchte die beiden auseinander zu bringen. Clary, die ihrem besten Freund in das Appartement gefolgt war, wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht, bis ihr Taint in etwa dem von Simon entsprach. „Aldertree war nicht sonderlich erfreut darüber, dass sich Camille wieder auf freiem Fuß befindet!“, fuhr Raphael den Jüngeren an und packte ihn am Kragen, schleuderte ihn unsanft rücklings gegen die Wand und presste ihn dagegen. Simon konnte alles spüren. Er konnte die Kraft des Anderen fühlen, der ihn mühelos festhielt. Er konnte die Wut fühlen, die Enttäuschung, den Schmerz und die Kälte, die von Raphael ausging. Dessen Körper an seinem eigenen. Und obwohl sie sich nicht zum ersten Mal so nahe waren, erkannte er nichts wieder, an dem Mann, den er nun vor sich hatte. Es war, als wäre es der Körper eines Fremden, den er da auf sich fühlte. Jede Vertrautheit schien komplett weggewischt und bei dieser Erkenntnis kämpfte Simon gegen die Tränen an, die in ihm aufstiegen. Er hatte Angst. Jedoch nicht vor Raphael. Nicht davor, dass dieser ihm mit seinen Fängen die Kehle zerfetzen oder auf ihn ein schlagen würde. Nein... Er hatte Angst, ihn komplett zu verlieren. Kapitel 9: ----------- Magnus Hand presste sich gegen Raphaels Brust und drückte entschlossen dagegen. Zu Simons Überraschung gab der Vampir nach und ließ von ihm ab, wenn auch widerwillig. „Schluss jetzt!“, durchschnitt die Stimme des Hexenmeisters den Raum und brachte die beiden vorerst auseinander. Es half niemandem, wenn sie sich gegenseitig an die Kehle gingen. Camille war es, die ihre Wut eigentlich zu spüren bekommen sollte und wie sich herausstellte, waren Simons Bemühungen, sie aufzuspüren, nicht ganz erfolglos gewesen. Die Graberde, an die er gelangt war, würde es Magnus ermöglichen, die Vampirin aufzuspüren. Leider nützte sie bisher keinem etwas, da die Schatulle, in der sie gut verwahrt wurde, sich nicht öffnen ließ. Simon hatte bereits alles versucht. Das verdammte Ding schien einfach unzerstörbar zu sein. Raphaels herablassender Tonfall, als er ihm das Kästchen entriss und behauptete, sie im Nullkommanichts entriegeln zu können, wurde untermalt von einem genervten Blick. Unsanft griff er nach Simons Hand und zog ihn ruckartig zu sich. Wie ein Stromschlag durchfuhr den Jüngeren die Berührung und er konnte den Latino einfach nur anstarren, ohne zu begreifen, was er da tat. Ohne zu zögern, ritzte der Spanier Simons Handgelenk auf und ließ sein Blut auf die Schatulle tropfen. Camilles Blut, das in seinen Adern floss, ihn verwandelt hatte in das, was er heute war, funktionierte offensichtlich als eine Art Schlüssel. Wie durch dichten Nebel drangen seine Worte nur langsam zu Simon durch und sein Blick hing an Raphaels Hand, die seine eigene noch immer fest umschlossen hielt. Es tut mir leid... Waren seine einzigen Gedanken, doch sie kamen nicht über seine Lippen. Er wollte die Zeit zurück drehen. Dunkle Augen, umrahmt von langen, schwarzen Wimpern, sie würdigten ihn keines Blickes. Die ganze Nacht hindurch sprach der Spanier kaum ein Wort mit ihm, es sei denn, er musste. Er folgte ihm zu Catharina, einer langjährigen Freundin von Magnus. Ebenfalls ein Hexenwesen und angeblich fähig, Camille aufzuspüren. Was, wie sich später herausstelle, eine kleine Lüge gewesen war. Magnus selbst war problemlos in der Lage, die ehemalige Anführerin des New Yorker Clans ausfindig zu machen und erneut einzusperren, um sie dem Rat auszuliefern. Doch offenbar wollte der Halbdämon dies allein tun. Er und Camille hatten eine gemeinsame Vergangenheit. Simon fragte sich, ob es noch einen weiteren Grund dafür gab, dass Magnus ausgerechnet ihn und Raphael zu Catharina geschickt hatte. Doch dies sollte er zum einen nie erfahren und zum anderen hatte es auch nicht besonders gut funktioniert. Der Vampir zeigte ihm die kalte Schulter und machte unmissverständlich klar, dass es zwischen ihnen vorbei war. Als sie sich am Ende der Nacht wieder im Loft des Hexenmeisters befanden, konnte er seine Augen nicht von Raphael lösen. Er hatte das ungute Gefühl, den Unterweltler vielleicht zum letzten Mal zu sehen und diese Ahnung ließ sich seinen Magen krampfhaft zusammenziehen. Er wusste, dass der Gedanke übertrieben und dumm war. Sie würden sich zwangsläufig über den Weg laufen. Die New Yorker Schattenwelt war klein. Doch seine Befürchtung, dass es nie wieder wie früher werden sollte, war sehr berechtigt. Von seinen Verletzungen war nichts mehr zu sehen, dachte er, als er den Latino unauffällig betrachtete. Aber er wirkte blass, fiel ihm auf. Sehr blass. Sogar für seine Verhältnisse. Er musterte ihn nachdenklich, runzelte die Stirn ... und war in einer Sekunde bei ihm, um ihn aufzufangen, als das Wohnzimmer sich um Raphael zu drehen begann und ihm schwindelig wurde. Reflexartig hielt er ihn fest und dankte Camille ganz kurz für seine Reaktionsfähigkeiten. „Hey, mach keinen Scheiß ...“, meinte er hilflos und stützte den Blutsauger, als Magnus und Clary zu ihnen eilten. Raphael versuchte sich von ihm los zu machen, gab den halbherzigen Versuch jedoch schnell auf und ließ sich von ihm zur Couch dirigieren. „Ich brauch nur ... Ich hab nichts getrunken“, sagte er leise und wich Simons Blick aus. Magnus nickte und verließ den Raum, hatte hoffentlich ein paar Liter Null negativ auf Eis liegen, dachte Simon. Er betrachtete den Blutsauger besorgt und blieb neben ihm auf dem Sofa sitzen. Fragte sich, was genau passiert war. Was Aldertree mit ihm angestellt hatte? Und die Schuldgefühle kamen abermals in ihm hoch. Magnus riss ihn aus seinen Gedanken und reichte Raphael ein Glas, dessen dunkelroten Inhalt der Vampir gierig trank. „Warum hast du nichts gesagt?“, fluchte er leise, schien jedoch keine Antwort zu erwarten und wanderte zum gegenüberliegenden Fenster, das einen atemberaubenden Blick auf die Stadt frei gab. Er zog die schweren Vorhänge zu und drehte sich wieder zu seinen Besuchern um. „Das schafft ihr so vor Sonnenaufgang nicht mehr zurück zum Dumort“, sagte er und deutete mit einem Nicken in Raphaels Richtung. Dieser sah tatsächlich noch immer ziemlich bleich aus und protestierte nicht, als Magnus ihm sein Gästezimmer zuwies. Am Abend würde er sich wieder erholt haben. Vorausgesetzt, er ruhte sich aus und wartete mit dem Trinken in Zukunft nicht mehr so lange. „Pass bitte auf dich auf.“ Magnus strich ihm in einer vertrauten Geste über den Rücken, als Raphael an ihm vorbei ins Nebenzimmer ging und dabei kurz nickte. Dann wandte sich der Hexenmeister an Clary. „Du solltest auch versuchen, noch ein paar Stunden zu schlafen“, sagte er und deutete auf die Couch. „Ich hol dir eine Decke. Mach nur die Vorhänge auf keinen Fall auf, damit hier keiner gegrillt wird“, fügte er mit einem Lächeln hinzu und Clary nickte schmunzelnd und dankbar. Sie war unendlich müde und auch Simon war erschöpft von dieser Nacht. Die Sonne ging gerade auf, was bedeutete, dass auch er vorerst hier fest saß und nun blickte er etwas verloren zu Magnus, der nicht gleich zu verstehen schien. Der Hexenmeister deutete auf das Gästezimmer und Simon sah ihn an, als sei er verrückt geworden. „Er wird mich umbringen“, erwiderte der junge New Yorker und fand es überhaupt nicht komisch, als Magnus lediglich leise auflachte und ihn bestimmt zur Zimmertür schob. „Lass dich bloß nicht von ihm unterkriegen, Simon. Er meint es nicht so.“ Simon wollte gerade etwas erwidern und bezweifelte stark, dass Raphael ihn auch nur ansatzweise in seiner Nähe dulden würde, da sah das Hexenwesen ihn eindringlich an. „Ich kenne ihn jetzt schon eine ganze Weile. Glaub mir, er braucht dich gerade.“ Kapitel 10: ------------ Die dicken Vorhänge aus schwerem Stoff ließen kein Licht hinein. Lautlos trat Simon durch das Zimmer und zögerte einen Augenblick, ehe er Schuhe und Jeans auszog und auf den Boden fallen ließ. Neben Raphaels Sachen. Der Vampir lag im Bett, schlief aber anscheinend noch nicht. Er sagte jedoch kein Wort, als Simon neben ihm unter die Bettdecke schlüpfte. Es war keine zwei Wochen her, dachte Simon, da hätte er sich noch vertraut an ihn geschmiegt. Diese Kälte, die nun zwischen ihnen herrschte, hielt er kaum noch aus. Er starrte ins Dunkle und fühlte ein Gewicht auf seiner Brust liegen, wie das eines schweren Steins, der ihn zu erdrücken schien. Abermals hatte er einen dicken Kloß im Hals, doch er wusste eh nichts, was er im Augenblick hätte sagen können. Außer: Es tut mir leid. Zu seiner Überraschung war es der Latino, der ihn schließlich leise ansprach. „Simon?“ Ein Rascheln war zu hören, als der ältere Vampir sich zu ihm umdrehte. „Ja?“ „Kann ich dich was fragen ...?“ Simon blinzelte in die Dunkelheit. Seine Augen funktionierten perfekt und er betrachtete die attraktiven Gesichtszüge des ewig jung gebliebenen Spaniers. „Ja, natürlich.“ Eine Weile schwieg Raphael. Dann wichen seine Augen ihm aus und es war offensichtlich, wie unangenehm ihm seine Frage war. „Darf ich vielleicht ...“ Er schluckte. Seine Fänge hatten sich verlängert und ragten nun unübersehbar zwischen seinen Lippen hervor. „Ich fühl mich nicht besonders ... und ähm ...“ Das kleine Glas Blut von Magnus war ehrlich gesagt für den hohlen Zahn gewesen, dachte Raphael, aber er wollte nicht, dass sein Adoptivvater sich Sorgen um ihn machte. Allmählich dämmerte es Simon, was der Andere von ihm wollte und seine geschärften Sinne nahmen augenblicklich das brennende Verlangen wahr, mit dem Raphael zu kämpfen hatte. Den Hunger. „Ich will Clary nicht fragen“, fuhr Raphael hastig fort, wie um sich zu rechtfertigen. „Wenn raus kommt, dass ich jetzt auch noch eine Schattenjägerin gebissen habe, kann ich gleich mein Testament schreiben und ...“ Weiter kam er nicht. Simon hatte ihm zwei Finger auf die Lippen gelegt und brachte ihn zum Schweigen. Unsicherheit blitzte in den dunklen Augen auf, die ihn vorhin noch voller Hass angesehen hatten und Simon konnte die gemischten Gefühle und den inneren Konflikt förmlich in der Luft schmecken, den Raphael gerade mit sich selbst ausfocht. Weich lagen seine Lippen auf Simons Haut. Streiften über seine Fingerkuppen. Ehe er nadelspitze Eckzähne fühlte, die nur einen Hauch davon entfernt waren, sich in sein Fleisch zu bohren. Fänge, die mit tödlicher Schärfe an seinen Fingern entlang fuhren. Simon schluckte. Gefesselt von der Nähe des Anderen. Dann schob er sich ein Stück dichter an ihn heran, legte einen Arm um ihn und streckte ihm den anderen entgegen. Zwei schlanke Hände schlossen sich um seinen Arm. Zögerlich und doch kraftvoll und es kostete den Unterweltler all seine Selbstbeherrschung, dem Jüngeren nicht auf der Stelle die Venen zu zerfetzen. Magnus hatte Recht. Er hätte nicht so lange warten sollen! Als sie noch einen letzten Blick austauschten, erkannte Simon den Ausdruck wieder, den er so schmerzlich vermisst hatte. Den Blick, in dem er ertrank. Immer und immer wieder. Dann stachen Raphaels Fänge mit einer Wucht in ihn, die ihn erschrocken aufkeuchen ließ. Hemmungslos vergrub er sich in Simons Unterarm und ein stechender Schmerz durchfuhr diesen. Für einen kurzen Augenblick bekam er ernsthafte Panik, dass der Vampir ihm womöglich seine Knochen brechen würde, so fest umklammerte dieser ihn, während er gierig aus seinen Adern trank. Dann breitete sich das Nervengift in ihm aus und die Schmerzen in seinem Arm wurden abgelöst von dem intimsten Gefühl, das er je verspürt hatte. Seine freie Hand krallte sich in Raphaels Rücken und zog den Vampir an sich. Ja, der Latino hatte ihn schon zwei, drei mal gebissen ... Jedoch nie so! Die kleinen Bisse, die er von ihm kannte, waren beim Sex entstanden. Ein mehr als angenehmer Bonus und zweifelsohne unglaublich heiß. Zärtlich hatten seine Fänge das Vampirgift sich in ihm ausbreiten lassen und ihn jedes Mal damit zum Höhepunkt gebracht. Doch das hier war etwas Anderes. Der Vampir brauchte ihn. In diesem Augenblick floss in Simons Adern, was Raphael zum Überleben benötigte. Er ließ es zu, dass Raphaels Beine zwischen seine eigenen rutschten. Und er legte das Gesicht an seinen Nacken. Wünschte sich, er hätte ihn an seinem Hals trinken lassen. Für eine gefühlte Ewigkeit benebelte das Gift all seine Sinne und er nahm nichts wahr, außer der vertrauten Nähe, dem Duft des Anderen, dem Gefühl seiner weichen, schwarzen Haare und seines Körpers, so dicht an seinem, wie es ihnen möglich war. Als Raphael von ihm abließ und mit seiner Zunge träge über die Wunde fuhr, um sie zu schließen, brauchte Simon eine Weile, um wieder zu sich zu kommen. „Tut mir Leid ...“, drangen Raphaels Worte langsam zu ihm durch und es dauerte einen Moment, bis er sie verstand. Dann sah er auf seinen Arm, den ein Bluterguss zierte, der sich sehen lassen konnte. Neben zwei kleinen Einstichwunden. „Nicht schlimm“, sagte er schnell und sah den Vampir an, der sich von ihm abgewandt hatte. „Heilt doch schnell wieder ...“ Raphael sagte nichts. In der Luft lag ein Durft, der Simon fremd war. Der Geruch ähnelte dem von Salzwasser und Meeresluft und gesellte sich zu jenem, den er unter tausenden immer wieder unverwechselbar als Raphaels herausfiltern würde. Vermischt mit einem Hauch seines Parfums. „Was ist los?“, fragte er beunruhigt und versuchte die Welle an Gefühlen einzuordnen, die ihm entgegenkam. Als der Ältere ihm nicht antwortete, ließ er sich nicht abwimmeln. „Raphael, ich riech das.“ Ihm war nicht aufgefallen, wann er eigentlich begonnen hatte, seine geschärften Sinneseindrücke derart wahrzunehmen. Doch als er das Schattenwesen an der Schulter zu sich drehte und dazu zwang, ihn anzusehen, verlor dies jede Relevanz. Tränen liefen über das Gesicht des Latinos, als dieser aufgab und ihn ansah. Simon wollte etwas sagen, doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Zögerlich fuhr er über seine Wange. Fing mit dem Daumen seine Tränen auf. Strich zärtlich über seine Haut und durch sein Haar. Als sie sich küssten, blickte Raphael ihm direkt in die Augen. Dann wandte er den Blick ab. „Ich kann das grad nicht.“ Seine Worte durchschnitten die Stille und stachen Simon mitten ins tote Herz. Raphael rückte ein Stück von ihm ab und Simon merkte, wie sich seine Kehle zuschnürte. Lass mich bitte allein, sprachen seine dunklen Augen Raphaels stumme Bitte aus. Kapitel 11: ------------ Irgendetwas von einem Zeichenworkshop in ihrer Schule hatte Clary geträumt, als das Geräusch einer Zimmertür sie aufweckte. Sie hatte ohnehin unruhig geschlafen und als sie realisierte, wo sie war, erkannte sie Simon, der leise ins Wohnzimmer kam und aussah, als würde er gleich in Tränen ausbrechen. Augenblicklich war sie wach und setzte sich auf. „Entschuldige, ich wollte dich nicht wecken“, sagte er und seine Stimme klang leer. „Ist alles okay?“ Sie bedeutete ihm, zu ihr zu kommen und der Vampir ließ sich ergeben an ihrem Fußende auf der Couch nieder. „Nein.“ Als sie nachfragen wollte, stoppte er sie und legte einen Finger auf seine Lippen. Dann nickte er zur Tür des Gästezimmers herüber und zeigte auf sein Ohr. Er wusste um das gute Gehör eines Vampirs. Raphael würde jedes Wort mitbekommen, das sie wechselten. Sein Blick fiel auf den Beistelltisch neben der Couch und auf Clarys Zeichenblock, der darauf lag. Er schlug eine leere Seite auf, kritzelte etwas an den Rand und riss das Stück ab. Dann reichte er es seiner Freundin. Sie sah ihn an. Und blickte dann auf das Stückchen Papier in ihren Händen. Er hat geweint Es zerriss ihr das Herz, Simon so zu sehen. Wortlos rutschte sie ein Stück zur Seite und machte ihm Platz. So viel, wie es das schmale Sofa zuließ. Er kroch zu ihr unter die Decke, vergrub sich in ihren Armen. Es gab keinen Ort, an dem er gerade lieber gewesen wäre. Und als sie ihn an sich zog und über seinen Rücken streichelte, fiel all die Last und Anspannung von ihm ab und er ließ seinen eigenen Tränen freien Lauf. Lange orangefarbene Strähnen ihrer Haare lagen ausgebreitet über seinem Arm. Irgendwo darunter zeichnete sich noch immer ein blauer Fleck ab und markierte die Stelle, an der Raphael den jungen Vampir gebissen hatte. Simon schlief noch und seine Hand hatte sich in ihren Nacken geschmiegt, verschwand in ihrem leuchtenden Haar. Beide trugen lediglich ihre Unterwäsche. Die Bettdecke war zur Seite gerutscht und ihre Beine lagen ineinander verschlungen. Für einen Augenblick blieb Raphael stehen und betrachtete sie. Dann drehte er sich auf dem Absatz um. Die schwere Haustür schlug hinter ihm ins Schloss und er sah nicht noch einmal zurück. Die folgenden Wochen schleppten sich zäh dahin. Simon dachte darüber nach, dass die Frage, wie lange es dauerte, sich in jemanden zu verlieben, eigentlich gar nicht von Belang war. Was wirklich zählte, war die Frage, wie lange es dauern würde, die Gefühle für jemanden zu vergessen. Er lag im alten Bootshaus in seinem Kanu, das er schon vor längerer Zeit mit einem Haufen Decken und Kissen zu seiner Schlafgelegenheit umfunktioniert hatte. Moderne Vampire schliefen nicht in Särgen, witzelte er. Wenn er einmal von Hochwasser überrascht werden sollte, wäre er jedenfalls bestens vorbereitet! Clary tippte ihm an die Stirn und lachte. Er war bescheuert! Aber genau dafür liebte sie ihn so sehr. Sie ließ ihre Hände in seinen Nacken gleiten und lehnte ihre Stirn gegen seine. Die selben Augen, in die er schon sein ganzes Leben lang geblickt hatte. Sie lachten ihn an, die grünen Augen. Offen. Warm. Unkompliziert. Er zog sie an sich und küsste sie. Das Wasser kochte und der Vampir hob den Deckel, ließ die kleinen Teigtaschen geschickt hineingleiten. „Für einen Vampir bist du ein ziemlich guter Koch.“ Isabelles Augen hingen fasziniert am Clanleader des Dumorts. Raphael lächelte. „Das sollte ich auch sein“, sagte er und fuhr mit geübten Handgriffen in seinem Tun fort. „Ich koche jeden Sonntag.“ Sie hob erstaunt ihre Augenbrauen. „Nicht für mich selber“, erklärte er und legte den Deckel wieder auf den Topf. Von ihm zum Abendessen eingeladen zu werden, hatte sie wohl nicht erwartet. Aber er war nicht wie Meliorn oder andere Männer, die sie zuvor gedatet hatte. Männer, die nur auf ihr aufreizendes Äußeres sahen. Raphael interessierte sich nicht für diese Reize. Seine Mom hatte ihm das Kochen beigebracht, als er noch klein war. Stunden hatte er bei ihr auf der Arbeitsplatte gesessen, damals in ihrem Haus in Spanien. Sie hatten nie viel Geld gehabt. Die Küche war spärlich eingerichtet gewesen und sie bereitete das zu, was sie bekommen konnte. Doch sie verfügte über die handwerklichen Fähigkeiten und Rezepte, die sie noch von ihrer eigenen Mutter und Großmutter gelernt hatte. Raphael dachte gerne daran zurück. Sie war immer eine starke Frau gewesen. Hatte sich damals von Raphaels Vater getrennt. Den Mann verlassen, der seine Familie schlug und das zu einer Zeit, in der Scheidungen und Emanzipation sich für eine Frau nicht gehörten. Sie hatte ihre Kinder geschützt. War mit Raphael und seinen Brüdern nach Amerika gezogen. Ein großer Schritt! Heute gab er ihr all das zurück. Schon lange bevor sie ins Heim gekommen war, hatte er jedes Wochenende für sie gekocht. Und diese Gewohnheit hatte er beibehalten. Er hatte all die Jahre auf sie aufgepasst. Ins Hotel hatte er sie nicht holen können, zu ihrer eigenen Sicherheit. Jedoch konnte er ihr den Ort finanzieren, an dem sie sich von Herzen gewünscht hatte zu leben und an dem sie glücklich war und man sich gut um sie kümmerte. In einem katholischen Altenheim in Harlem. Dem Stadtteil, der einst ihr gemeinsames Zuhause gewesen war. „Wie erklärst du ihr, dass du nicht alterst?“, fragte Izzy, die beeindruckt war, von Alledem, was noch hinter Raphaels Fassade steckte. Das Mehr hinter dem Vampir, den man auf den ersten Blick wahr nahm. „Weiß sie, was du bist?“ „Nein.“ Er schüttelte den Kopf. „Magnus hat meiner Familie vor vielen Jahren sehr geholfen. Er hat ihr damals erzählt, ich hätte einen Teil seiner Magie übernommen und dadurch nun ebenfalls ein ewiges Leben geschenkt bekommen.“ Er ließ seine Hand an ihrem Arm hinunter wandern, bis sich seine Finger in ihre legten. Dann nahm er sie und legte sie auf seine Brust. Legte den Anhänger in ihre Hand, den er stets um den Hals trug. Das kleine, goldene Kreuz, das er einst als Fünfzehnjähriger geschenkt bekommen hatte. „Damit sie glauben konnte, dass ich zu keinem der Kinder der Nacht geworden war, habe ich gelernt es zu tragen.“ Zu ertragen, wäre wohl passender, dachte er und sein Mund verzog sich zu einem schiefen Lächeln. Ununterbrochen hatte er sich damals selbst damit gequält, bis er das Kruzifix in den Händen halten konnte, das ihm seine Mutter geschenkt hatte, um ihn vor den dunklen Gestalten der Nacht zu beschützen. Es war das Einzige gewesen, das ihm Halt gegeben hatte. Der einzige Grund für ihn, weiter zu existieren. Seine Sturheit hatte ihn gerettet. Und seine Liebe zu seiner Mom. Kapitel 12: ------------ „Du ziehst wieder bei ihr ein?“ Clary saß auf einem Stapel alter Holzkisten in der Lagerhalle und beobachtete ihren Freund, wie er seine letzten Sachen zusammen suchte und in einen Rucksack stopfte. Er nickte und wusste, was sie davon hielt. Es war riskant. Doch sein Geheimnis, das Simons Mutter nicht erfahren durfte, war nicht ihre einzige Sorge. Vorsichtig trat sie hinter ihn und legte ihre Arme um seine Hüfte. „Du weißt, dass es nicht deine Schuld ist, oder?“ Er ließ die Schultern hängen und sie schmiegte ihre Wange dagegen. „Sie hat nicht deinetwegen mit dem Trinken wieder angefangen. Und sie wird auch nicht für dich damit aufhören.“ Er wusste, dass sie Recht hatte. Und doch konnte er nicht tatenlos zusehen, wie sie sich selbst zerstörte. Er drehte sich um, und legte seine Arme um sie. Das Mädchen, das er liebte, und die an seiner Seite war, wenn er sie brauchte. „Ich weiß ...“, sagte er leise, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache, als sein Mund. Kerzen tauchten den Raum in gedämpftes Licht und Musik lief. Auf einer gemütlichen, großen, roten Couch hatte sich Isabelle lang ausgestreckt, sich auf die Seite gedreht und ihren Kopf auf Raphaels Brust gelegt. Gedankenverloren streichelte er ihr über den Rücken, dann über ihren Arm, der übersäht war mit schwarzen Runen. Er nahm kaum etwas anderes wahr und hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Seine Sicht verschwamm leicht vor seinen Augen, doch es kümmerte ihn nicht. Er genoss die Stunden, in denen ihr Blut ihn alles vergessen ließ. Er hätte damit gar nicht erst anfangen dürfen, das war ihm sehr wohl klar. Das Blut eines Shadowhunters war viel stärker, als das eines Menschen. Und auch sie würde nicht so leicht wieder los kommen von den regelmäßigen Dosen Vampirgift, um die sie ihn ein ums andere Mal anflehte. Er hätte ihr von Anfang an nicht nachgeben dürfen. Und er wusste, dass er sich selbst etwas vor machte, wenn er sich einredete, sie hätte ihm keine andere Wahl gelassen. Als sie hinter dem Dumort vor ihm stand, sich selbst in die Adern schnitt. Ihn provozierte. Um einen Biss bettelte. Wenn er in irgendetwas gut war, dann in Selbstbeherrschung und Impulskontrolle. Das Dumme war nur, er wollte gerade nicht gut darin sein. Sein Handy klingelte und er bemerkte es beinahe gar nicht. „Das ist Magnus“, sagte Izzy, die sich halb aufgesetzt und nach dem iPhone gegriffen hatte. Sie wollte es dem Latino reichen, doch dieser schüttelte mit dem Kopf, sodass sie ihre Hand wieder sinken ließ und das Telefon zurück auf den Tisch legte. „Hey, ich glaube du hättest vor einer halben Stunde beim Ratstreffen sein sollte ...“, sagte sie, wollte sich aber nicht all zu sehr einmischen in seine Angelegenheiten. Anstatt auf ihre Worte einzugehen, zog er sie an sich. Weiche Lippen legten sich auf ihre Haut. Raphael spürte, wie sich ihr Puls beschleunigte. Hörte ihr Herz schlagen und ihr Blut in ihrer Hauptschlagader fließen. Zärtlich küsste er ihren Hals und sie ließ ihn bereitwillig gewähren. Ließ den Kopf in den Nacken fallen, bot sich ihm an. Ganz langsam durchbohrten seine Fänge ihre Haut. Das Gefühl, das ihn durchdrang, als ihr Blut in seinen Mund floss, war atemberaubend. Er wollte nie wieder damit aufhören. „Ich möchte nicht gehen ...“ Ihre Stimme holte ihn Stunden später in die Gegenwart zurück. War er eingeschlafen? Er sah zu ihr auf. Sie lag über ihm und ihr schwarzes Haar floss in weichen Wellen über ihre Schultern. Er legte eine Hand an ihre Wange. Streichelte zärtlich darüber. „Dann bleib“, flüsterte er. Sie beugte sich vor, doch er wandte sich leicht ab, woraufhin sie ihm einen fragenden Blick zuwarf. Als sie versuchte, sein Gesicht in ihre Hände zu nehmen und ihn wieder zu sich zu drehen, mied er ihren Blick. „Küss mich...“, bat sie und wollte ihn mehr denn je. Doch er schüttelte langsam mit dem Kopf und begann sich deutlich unwohl zu fühlen. Er hasste es, sie so vor den Kopf stoßen zu müssen. Und er wusste, er hätte sich nie darauf einlassen dürfen. Früher oder später würde er ihr das Herz brechen. Nur hatte er nie gedacht, dass sie sich ernsthaft in ihn verlieben könnte. Vielleicht war jedoch genau das der Grund dafür, warum sie ihn wollte? Dachte sie, dass er anders war? Dass er es ernst meinte, weil er nicht sofort mit ihr ins Bett stieg? Begehrte man nicht immer das, was man nicht bekommen konnte? Müde ließ Simon seine Finger über ihren nackten Körper wandern. Fuhr die schwarzen Runen auf ihrer Haut nach. Sie hatte ihre Augen geschlossen und lange Wimpern ruhten auf ihren Wangen. Ihr Kopf lag auf seiner Brust. Er griff nach der Decke und zog sie über sie beide. Sie schlief. Er war glücklich, redete er sich ein. Hatte das, was er sich immer gewünscht hatte. Er versuchte zu schlafen, fand jedoch keine Ruhe. Versuchte seine eigenen Gefühle zu deuten. Warum fühlte er sich zum ersten Mal wirklich wie das, was er war? Leblos und ohne Herzschlag. Kapitel 13: ------------ Alecs Faust traf ihn mitten ins Gesicht. Mit einer Wucht, die ihn zu Boden riss. Taumelnd kam Raphael wieder auf die Beine und bemühte sich, zu verstehen, was gerade geschehen war. Wie war der Nephilim in das Hotel gelangt? Benommen sah er, wie Isabelle sich vom Sofa aufrappelte und ihren Bruder anschrie. Sie beide anflehte, damit aufzuhören. Wie durch dichten Nebel drangen ihre Worte zu ihm durch. Selbst wenn er gewollte hätte, könnte er dem Schattenjäger gerade vermutlich nicht viel entgegen setzen. Seine Sicht war verschwommen, seine Reflexe kümmerlich. Schwächer als ein Mundie, dachte er. Durch ihr Blut stand er völlig neben sich. Und doch hatte sie Angst um ihren Bruder. Kurz sah er ihr in die Augen, dann ließ er Alec los. Er würde ihn nicht verletzen, wenn ihr das wichtig war. Der zweite Schlag traf ihn ins Gesicht. Alec riss ihn erneut zu Boden und Raphaels wehrte sich nicht. Das Nächste, was er wahrnahm, war die vertraute Stimme von Magnus. Er hatte noch immer Schwierigkeiten den Geschehnissen zu folgen. Die katzenartigen Augen des Hexenmeisters sahen ihn verurteilend an. „Was hast du dir dabei gedacht?“ Er sagte nichts. Wusste, in was für ein Schlamassel er sich rein geritten hatte. Alec schrie ihn an. Raphael versuchte sich zu verteidigen. Worte wie ‚Es ist nicht, was du denkst‘ ,Ich hab ihr geholfen‘ ‚Sie kam zu mir‘ kamen über seine Lippen. „Ich hab Gefühle für sie.“ Magnus bedachte ihn mit einem niederschmetternden Blick. Raphael sah den Nephilim nach. Sah, wie Alec Izzy grob mit sich zog. Weg von ihm, der nicht gut für sie war. Nie zuvor hatte der Hexenmeister so wenig Verständnis für ihn aufgebracht. „Es ist wahr“, sagte der Vampir nachdrücklich und blickte ihm fest in die Augen. „Ich dachte wenn einer das verstehen könnte, dann du.“ Doch Magnus schüttelte nur enttäuscht mit dem Kopf. Musterte ihn von oben bis unten. „Sieh dich doch an. Du bist völlig zugedröhnt“, sagte er, packte Raphael am Hemdkragen, schüttelte ihn. „Wach auf!“ „Denk nicht daran, das hier mit mir und Alec zu vergleichen! Warte mal ab, ob du immer noch das Selbe fühlst, wenn du nicht mehr high bist.“ Mit diesen Worten ließ er ihn stehen. „Ich hätte Verständnis für dich, wenn du dich dem stellen würdest, was du wirklich fühlst.“ Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss und Raphaels Selbstschutz, bestehend aus Verleugnung und Verdrängung, brach zusammen, wie ein wackeliges Kartenhaus. Kapitel 14: ------------ Scheiße ... Verzweifelt stützte Simon sich auf seinem Schreibtisch ab. Starrte auf die Holzmaserung in der Tischplatte und verfluchte sich selbst und sein Leben für die letzten 20 Minuten. „Verdammt!!“ Mit einer plötzlichen Wut schlug er auf den Schreibtisch. Einige Stifte fielen zu Boden. Eine leere Kaffeetasse kippte um, rollte noch ein Stück über ein altes Schulheft, ehe sie verstummte und bewegungslos liegen blieb. Das hätte so alles nicht passieren dürfen. Sie wusste es ... Seine Mom wusste es. Und sie hatte nicht gut reagiert. Einige Minuten verstrichen. Im Haus war es still und er ahnte, was sie tat, um zu verdrängen, was er ihr soeben anvertraut hatte. Sie würde damit nicht klar kommen. Er hatte es so sehr gehofft. Sich gewünscht. Mehr als alles andere. Gebetet hatte er, dass sie damit aufhören würde. Dem Alkohol den Rücken zukehren würde, jetzt, wo er wieder bei ihr lebte. Aber vielleicht hatte er dadurch nun alles nur viel schlimmer gemacht. Zitternd griff er nach seinem Handy. Die Nummer, die er eintippte, kannte er auswendig. Doch er hatte sie lange nicht gewählt. Kreidebleich wartete er, ob jemand abhob. Lauschte dem leisen Tuten, das in seinen Ohren dröhnte und die Sekunden zogen sich in die Länge. „Simon ...“ Für einen Moment war er wie gelähmt. Unfähig, ein Wort über die Lippen zu bringen, ehe ihm bewusst wurde, dass er etwas sagen musste. „Raphael ...“ Seine Stimme klang brüchig. „Ich brauch deine Hilfe.“ Kapitel 15: ------------ Ein paar kurze Kapitel von mir momentan. :) Aber sie passen und gefallen mir so, wie sie sind. Ein bisschen Zeit die vergeht ... Ein paar Szenen hier und da ... Denn so etwas entwickelt sich ja über einen Zeitraum. Finde ich zumindest realistisch. :) ***************************************** Ein Encanto war die Gabe eines Vampirs, die Gedanken und Gefühle seines Gegenübers zu manipulieren. Überaus praktisch und nur einer der kleinen Tricks und Kniffe, der die Kinder der Nacht zu solch gefährlichen und listigen Kreaturen machte. Ganz so einfach gestaltete sich dieses Unterfangen allerdings nicht. Denn es brauchte Jahre an Übung, bis einem Vampir diese Manipulation sauber gelang. Zudem schien Simon absolut untalentiert auf diesem Gebiet zu sein. Seine Augen hingen an Raphael, der in ruhigem Tonfall eindringlich mit seiner Mutter sprach. Ihr eintrichterte, was sie in Zukunft voller Überzeugung glauben würde. Er nahm ihr sämtliche Erinnerung an den Vorfall. An ihren Sohn, wie er mit blutverschmiertem Mund an diesem Nagetier gesaugt hatte. Die langen Fänge in das kleine Wesen gebohrt. Verzweifelt nach einer Nahrungsquelle suchend, nachdem seine Schwester angewidert sein Blut entsorgt hatte, dass sie bei ihm in einer Thermoskanne gefunden hatte. Was bedeutete, dass der Latino in den Köpfen von gleich zwei Mundis herumpfuschen musste. „Eine Ratte? Ernsthaft?“, durchbrach Raphael die Stille, als sie allein waren. Simon konnte nicht sagen, ob sein Blick verärgert war, oder ob er sich über ihn lustig machte. Was das betraf, konnte man sich bei Raphael allerdings oft nicht sicher sein. „Kommst du zurecht?“, fragte der Spanier, bevor er ging, und seine Mimik wurde weicher. „Hast du einen Platz, wo du pennen kannst?“ Simon nickte. „Ja ich ... Ich komme klar.“ Es war nicht einfach, aber es würde gehen. Er hatte inzwischen einiges an Übung darin, irgendwo unter zu schlüpfen. Um ein Zimmer im Dumort würde er Raphael erst bitten, wenn er 5 Minuten vor Sonnenaufgang alle übrigen Optionen ausgeschöpft hatte. „Bevor du gegrillt wirst, sag Bescheid“, erwiderte dieser, als hätte er seine Gedanken gelesen. Simon nickte. Er wusste, dass Rapahel seine Worte ernst meinte und ihm seine Hilfe nicht nur anbot, weil er sich dazu verpflichtet fühlte. Nur wurde er das Gefühl nicht los, sich diese Rechte in Raphaels Clan verspielt zu haben. Der Spanier sah sich schweigend in Simons Zimmer um. Er war noch nie hier gewesen. Es passte zu ihm. Alles hier passte zu ihm. Simon zu lesen, war für ihn so leicht, wie in einem offenen Buch zu blättern. Und er erkannte die Dinge wieder, für die er sich begeisterte. Marvel, DVDs, Literatur und Musik. Zwei Gitarren hingen an der Wand. Fotos. Einiges an Schulbüchern stapelte sich auf seinem Schreibtisch. Er war noch so jung ... Für Raphael selbst schien das alles so unendlich lange her. Schule. Normalität. Sein Leben als Mensch. Über der Lehne eines Stuhls hing ein türkisfarbenes Top. Clarys. Ihr Geruch haftete an jeder Ecke seines Zimmers. Vor vielen Jahren hatte er geglaubt, keine Seele mehr zu besitzen. Kein Herz. Dass man ihm all dies genommen hatte, mit seiner Wandlung. Er war sehr gläubig erzogen worden und diese Überzeugungen und das daraus entstandene Selbstbild, hatte er erst einmal ungefiltert übernommen. So funktionierte seine Welt. Die Dämonen der Nacht, die nicht länger menschlich waren und es nicht verdienten bei Tageslicht wandeln zu dürfen. Nun bekam sein Weltbild allmählich Risse. Wie war es ihm ohne Herz möglich auf diese Art und Weise zu fühlen? Warum konnte er genau das Gleiche spüren, was auch einen menschlichen Jungen mit reinem Herzen gequält hätte? Wenn er ein Monster war ... Sollte er dann nicht in der Lage sein, sich viel mehr von alledem zu distanzieren? Kapitel 16: ------------ „Du bist in letzter Zeit wirklich unausstehlich.“ „Geh mir nicht auf die Nerven.“ Raphael öffnete die Kühlschranktür, nahm einen der Blutbeutel heraus und schlug sie mit Schwung wieder zu. Er drehte der Asiatin den Rücken zu und durchsuchte das Geschirr im oberen Regal. „Es ist wegen dieses Frischlings, oder? Simon.“ Raphael verzog keine Miene. Langsam goss er den dickflüssigen, dunkelroten Inhalt des Beutels in ein Glas. „Er bedeutet dir etwas.“ Lillys Blicke durchbohrten seinen Hinterkopf und es kostete ihn einiges an Selbstbeherrschung, ihr nicht einen Pflock ins Herz zu rammen, um sie zum Schweigen zu bringen. „Und jetzt macht er mit dieser rothaarigen Schlampe rum.“ Ein lautes Klirren ertönte. Blut ergoss sich über die Arbeitsfläche und breitete sich aus. Lief am Schrank hinunter und tropfte auf den Küchenboden. Raphael fluchte leise. Zog sich eine große Scherbe aus der Handfläche und schmiss sie zusammen mit den Überresten des Glases in die Spüle. Die Vampirin war kurz zusammengezuckt und verspürte den Anflug eines schlechten Gewissens. Andererseits wusste sie, dass ihr Clanoberhaupt auf Ewig alles in sich hinein fressen würde, wenn sie ihn nicht provozierte. Und sie wusste, dass er sie nicht pfählen oder dem Sonnenlicht aussetzen würde. Kaum ein anderer traute es sich, derart mit dem Latino zu sprechen. Doch ihr ließ er es durchgehen. Sie kannte ihn bereits seit über 50 Jahren. Damals hatte Camille noch ihren Clan angeführt und Raphael war erst seit wenigen Monaten ein Kind der Nacht gewesen. Es musste hart für ihn sein, dachte sie. Dass er schwul war, hatte sie erst sehr spät begriffen. Anfangs hatte sie ihm schöne Augen gemacht. Raphael war überaus attraktiv und nicht nur das. Sie mochte ihn. Vielleicht war sie sogar ein klein wenig verliebt in ihn. Obwohl sie wusste, dass sie keine Chancen hatte und das war mittlerweile auch absolut in Ordnung für sie. Jedoch hatte sie lange geglaubt, er würde sich offenbar einfach zu niemandem hingezogen fühlen. Magnus Bane hatte steif und fest behauptet, der Junge sei schlicht und ergreifend eine unheilbare Spaßbremse. Er ging weder den menschlichen Sünden nach, wie Sex, Alkohol oder Partys, noch erlag er den Versuchungen seines Vampirdaseins, denn er mordete niemals aus Spaß. In all den Jahren hatte sie ihn nicht ein einziges Mal mit einer Frau zusammen gesehen. Weder mit einer Vampirin, noch mit einem Mundie. Und auch mit keinem Mann. Bis zu einer Nacht vor etwa zehn Jahren. Es war Zufall gewesen, dass sie ihn an diesem späten Abend in einer kleinen, spanischen Bar in einer Seitenstraße beobachtet hatte. Und da hatte sie zwei Dinge begriffen. Erstens: Sie würde niemals bei ihm landen und das in Zukunft nicht länger persönlich nehmen. Es lag tatsächlich nicht an ihr. Und zweitens: Er war einer der klügsten und fähigsten Vampire, die ihr je begegnet waren. Fast 40 Jahre war es ihm gelungen seine Vorlieben vor ihr und dem Clan geheim zu halten. Was vermutlich sehr geschickt von ihm war, in seiner Position. Das Wasser lief, Raphael wusch sich das Blut von den Händen und schmiss einen Lappen ins Spühlbecken. Dann drehte er sich um und ging. Der Hunger war ihm ohnehin vergangen. Lilly sah ihm nach und wusste, dass es keinen Zweck hätte, ihm zu folgen. Sie betrachtete die Scherben im Waschbecken. Sie würden die einzige Antwort bleiben, die er ihr auf die unausgesprochene Frage gab. Und diese Antwort genügte ihr. Kapitel 17: ------------ Tag.“ Die Beklemmung angesichts dieser Tatsache war der jungen Pflegerin deutlich anzumerken. Für Raphael war es keine große Kunst, die Gefühle anderer zu lesen. Die meisten Empfindungen gingen mit unverwechselbaren Gerüchen einher, ausgelöst durch Hormone, Botenstoffe oder Schweiß. Feine Signale, die den Mundies verborgen blieben, für einen Vampir mit ein bisschen Übung allerdings kaum zu übersehen waren. Er trat hinaus auf die Straße, ließ das Gebäude mit seinen hell erleuchteten Fenstern hinter sich und vergrub die Hände tiefer in seinen Manteltaschen. Er konnte nicht mehr frieren, seit er tot war. Der Nieselregen, der ihm ins Gesicht wehte, war dennoch unangenehm und seine Stimmung ließ ihn innerlich erschaudern. Der Sommer war vorbei. Zertrete Überreste orangebrauner Blätter klebten am Boden, trieben in Pfützen und hatten nichts mehr zu tun mit einem goldenen Herbst. Dauergrau stand an der Tagesordnung. Schon die ganze Woche über hatte es im Prinzip durchgehend geregnet und Raphael hasste diese Jahreszeit. Er musste automatisch an seine Kindheit denken, in der er die Wintermonate noch in einem Land verbracht hatte, in dem das milde Klima es stets gut mit einem meinte. Auch im November war er vor nasskaltem Graupelwetter verschont geblieben und in Augenblicken wie diesem, vermisste er das Sonnenlicht mehr als je zuvor. Sie hatte nichts angerührt von der Pealle, die er ihr gekochte hatte, und obwohl er damit gerechnet hatte, wollte er es wenigstens versucht haben. Er musste sich langsam mit dem Gedanken auseinander setzen, dass er dieses Jahr zu Weihnachten vielleicht zum ersten Mal allein sein würde. Die Vorstellung schnürte ihm die Kehle zu. Er war zwar kein kleiner Junge mehr, der Wert legte auf Geschenke oder einen Weihnachtsbaum, doch viele Jahrzehnte an Gewohnheit würden ihm wegbrechen. Als er beim Jade Wolf ankam, hätte er Clary beinahe übersehen, so tief steckte er in seinen eigenen Gedanken. Sie saß an der Bar, unterhielt sich angeregt mit jemandem und lachte. Fuhr sich mit der Hand durch das lange, orangerote Haar, das ihr über den Rücken fiel. Raphael betrachtete sie und rutschte auf eine Bank an einem Tisch in der Ecke. Sein Blick überflog den Raum und wie vermutet, waren die Männer, mit denen er verabredet war, noch nicht hier, denn er war gut zehn Minuten zu früh. Aber es hätte sich nicht gelohnt, jetzt noch anderswo die Zeit tot zu schlagen. So fiel seine Aufmerksamkeit wieder auf Clarissa und nun registrierte er auch, in wessen Gesellschaft sie war. Er runzelte die Stirn. Jace. Von Simon war keine Spur, was er mit einer seltsamen Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung zur Kenntnis genommen hatte. Was ihn stutzig machte, waren die Gefühle der Beiden, die er zwangsläufig aufschnappte. Dinge, die nicht zu Bruder und Schwester passten und hier nichts zu suchen hatten. Diese Art, wie sich sein Puls beschleunigte. Ihre Atmung sich veränderte. Der Geruch von Nervosität hing in der Luft, doch nicht aus Angst oder Ähnlichem, sondern gepaart mit Freude und ... Erregung? Jace stand ganz offensichtlich noch immer auf sie. Und Clary? Erwiderte seine Gefühle! Wenn er es nicht besser gewusst hätte, dann hätte er darauf gewettet, dass die zwei ein Daten hatten! Er fühlte Magnus Anwesenheit, ehe er ihn sah. Der Hexenmeister nahm neben ihm Platz und folgte seinem Blick zum Tresen. „Schon verrückt das Ganze, oder?“ Raphael wandte sich ihm zu und runzelte die Stirn. „Da erfährt sie nach so vielen Jahren von einem Bruder. Glaubt, ihn endlich gefunden zu haben, nur um dann herausfinden zu müssen, dass er es doch nicht ist. Stattdessen hatte die Herondale Familie ...“ Raphael hörte ihm nicht länger zu. Irgendwo in seinem Hirn musste soeben etwas ausgesetzt haben und er starrte den Halbdämon unverwandt an. „Warte ...“, unterbrach er ihn und sammelte sich kurz. „Nur noch mal zum Mitschreiben: Die Beiden sind nicht verwandt?“ Magnus lächelte verschmitzt. „Ich glaube, mein Lieber, du bist nicht auf dem neusten Stand.“ Die katzenartigen Augen funkelten amüsiert und Magnus genoss es, derjenige zu sein, der ihm diese Neuigkeiten unterbreiten durfte. „Dein kleiner Vampir ist seit etwa einem Monat wieder Single. Hat sich das nicht bis zum Dumort herumgesprochen?“ Raphael schüttelte nur langsam den Kopf. Während er noch diese Information verarbeitete, schnipste Magnus mit den Fingern und hielt im nächsten Augenblick ein Cocktailglas in den Händen. „Wenn ich du wäre, würde ich nicht ewig warten“, sagte er, sah nun in Richtung Eingangstür, durch die soeben Meliorn gekommen war. Der Elbe wechselte ein paar Worte mit Luke, ehe die beiden Männer sich in Bewegung setzten und ihren Tisch ansteuerten. An diesem Abend zogen sich belanglose Themen endlos in die Länge und Raphael wurde innerlich immer unruhiger. Die dunkle Jahreszeit hatte den Vorteil, dass er bereits sehr früh das Hotel verlassen konnte und so war es erst kurz nach Mitternacht, als er das chinesische Restaurant endlich verließ. Und das, obwohl er zuvor schon bei seiner Mom gewesen war. Wenn er ehrlich war, wollte er nach Hause. Er hatte genug erlebt für eine Nacht und keine Lust auf Gesellschaft. Zu Vieles ging ihm durch den Kopf und der noch immer anhaltende Regen kroch ihm allmählich durch die Kleidung, bis sich nahezu alles klamm anfühlte. Seine Dusche und die Couch waren zu verlockend. Doch seine Füße trugen ihn in eine andere Richtung. Einmal um das Gebäude herum, am Hintereingang des Jade Wolfs vorbei, entlang an der Wahrenannahme bis hin zu einigen Lagerhallen. Simon fuhr erschrocken zusammen und sah ihn entgeistert an, als Raphael, der über die leisen Sohlen eines Vampirs verfügte, urplötzlich hinter ihm stand. „Hast du schon mal versucht, dich nicht so anzuschleichen? Nur ein einziges Mal?“ Der Angesprochene verkniff sich ein breites Grinsen. Er konnte es einfach nicht lassen. Dabei war Simon selbst Schuld. Er könnte üben und seine Sinneswahrnehmung endlich mal verbessern. „Du hast mich fast zu Tode erschreckt“, behauptete der Jüngere und Raphael betrachtete ihn mit schief gelegten Kopf und hochgezogenen Augenbrauen. „Du bist schon tot“, gab er trocken zurück und verzog keine Miene, während er sich innerlich köstlich amüsierte. Nervös fummelte Simon an der Verkabelung einiger Lautsprecher herum. Er hatte sich mittlerweile immer mehr eingerichtet, stellte Raphael fest und sah sich um. „Was machst du hier?“, unterbrach Simon schließlich seine Gedanken und ein Paar tief brauner Augen fuhren zu ihm herum und musterte ihn eindringlich. Sie blieben für ihn ein Buch mit sieben Siegeln und er hätte viel dafür gegeben, auch nur ansatzweise in ihnen lesen zu können, was im Kopf des Latinos vor sich ging. Er sieht müde aus, dachte er, sah den Regen an seiner Jacke haften, an seinem Haar und seiner Haut und er hätte ihm gerne etwas Besseres geboten, als eine alte, kalte Lagerhalle. „Das Gleiche könnte ich dich fragen“, erwiderte Raphael. „Kein guter Ort für einen Vampir.“ Er ging ein paar Schritte durch die Halle und Simon folgte ihm. „Auf Grund und Boden der Werwölfe?“ „Das beste Versteck ist dort, wo dich niemand erwartet“, konterte Simon und Raphael rollte abermals mit den Augen. Dann wurde ihm klar, dass er sich irgendetwas einfallen lassen musste. Er konnte ja selbst nicht einmal genau sagen, warum er her gekommen war. Er wollte ihn sehen. Aber das würde er ihm nicht sagen. Er nahm einen Bleistift von einer alten Werkbank und kritzelte etwas auf einen Notitzblock. Dann riss er den Zettel ab und reichte ihn Simon. „Ich hab einen Job für dich. In Brooklyn gibt es einen neuen Verschlag und ich kann die Vampire dort noch nicht einschätzen. Dich wird keiner kennen, deshalb möchte ich, dass du dich dort einmal umsiehst. Herausfindest, ob sie sich an das Abkommen halten, oder wir eingreifen müssen.“ Simon nahm die aufgeschriebene Adresse aus seinen Händen und ihre Finger berührten sich kurz. „Undercover quasi?“ Raphael nickte. „Warum sollte ich das tun?“ Der Vampir drehte sich um und ging zur Tür. „Es ist immer klug, dem Dumort einen Gefallen zu tun.“ Kapitel 18: ------------ Ich hab das Lied neulich beim Schreiben gehört und fand sofort, dass es soooo gut passt! :) Deshalb habe ich dieses Kapitel mal als Songfic geschrieben. Daher bitte mal reinhören: Aus Raphaels Sicht ... Lea - „Treppenhaus“ https://youtu.be/IzonmaPKTCQ *********************************** Alle sagen: „Lass ihn gehen“ Ich kann es keinem mehr erzählen Dass wir noch schreiben Doch sie wissen nicht wie's ist Du rufst mich an nach hundert Drinks Und quatschst mich voll, wie schön ich bin Ob ich dir aufmach', weil du gerade unten sitzt Hast mich aus deinem Leben geschossen Und wo's am meisten wehtut getroffen Und ich Idiot will doch immer wieder hoffen Dann küss' ich dich im Treppenhaus Endlich wieder Gänsehaut Ich halt' es nicht bis oben aus Halt' es nicht bis oben aus Wir tun so, als ob's wie früher wär' Deine Jacke riecht nach Rauch Nur dir zu sagen, dass ich dich noch lieb' Hab' ich mich nicht getraut Verpasster Anruf grad' von ihr Genau gesehen und ignoriert Mann, warum machst du so 'n Scheiß mit mir und ihr? Auch wenn du jetzt was anderes sagst Wir sind doch eh schon längst am Arsch Zwischen uns ist viel zu viel passiert Dann küss' ich dich im Treppenhaus Endlich wieder Gänsehaut Ich halt' es nicht bis oben aus Halt' es nicht bis oben aus Wir tun so, als ob's wie früher wär' Deine Jacke riecht nach Rauch Nur dir zu sagen, dass ich dich noch lieb' Hab' ich mich nicht getraut Raphael seufzte schwer und ließ den Kopf nach hinten in den Nacken sinken. Lehnte sich zurück gegen die Couch im Gemeinschaftsraum, auf der er saß. „Also wie ich es befürchtet habe.“ Man sah es ihm vielleicht manchmal nicht an, aber auch ihn schlauchte so etwas. Drei tote Mundies. Wahrscheinlich würde er Lukes Hilfe bei der Polizei brauchen, um die Sache zu vertuschen. Was bedeutete, dass die Wölfe Wind von der Angelegenheit bekamen, die Raphael nach Möglichkeit gerne unter den Tisch kehren würde. Simon, der soeben mit seinem Bericht über die Geschehnisse in Brooklyn geendet hatte, sah ein wenig betreten drein und stand auf. „Brauchst du mich in der Sache noch?“, fragte er und der Spanier schüttelte den Kopf. „Nein ... Aber danke.“ Sein Handy klingelte und er zog es aus der Hosentasche, zögerte einen Augenblick, als er auf das Display blickte. Zu gern würde er noch ein paar Worte mit Simon wechseln. Zeit mit ihm verbringen. „Ich muss da ran gehen“, sagte er stattdessen zerknirscht und der Braunhaarige nickte, verabschiedete sich kurzangebunden. Er sah dem älteren Vampir nach, der eine Treppe hinauf verschwand, als Lilly zur Tür herein kam. Sie wollte gerade Richtung Küche abbiegen, als sie Simon bemerkte. Im ersten Moment schien sie überrascht, lächelte ihn aber sogleich an und ein Teil der Anspannung fiel von ihm ab. „Hi“, grüßte er knapp, aber aufrichtig erfreut sie zu sehen. „Hey Simon.“ Sie sah zur Treppe und in die Richtung, in die ihr Clanleader soeben verschwunden war. Dann wandte sie sich wieder an Simon. „Bleibst du zum Essen?“ Unschlüssig nestelte er am Saum seines T-Shirts herum. „Ich glaube das wäre keine so gute Idee“, sagte er zögerlich, doch sie schien davon wenig beeindruckt. „Ich glaube das wäre eine sehr gute Idee“, widersprach sie, griff nach seinem Arm und zog ihn mit sich. Raphael hockte vor dem Kamin in seinem Appartement in den oberen Stockwerken und schob zwei neue Scheite Feuerholz auf die Glut. Er starrte eine ganze Weile in die kleinen Flammen, die sich allmählich daran empor schlängelten und das Holz schließlich komplett verschlangen. Dann stand er auf, ging zur roten Couch hinüber und ließ sich rücklings darauf fallen. Der Raum wurde lediglich vom Kaminfeuer und einigen Kerzen erhellt. Er sah mit leerem Blick an die Zimmerdecke und hing seinen Gedanken nach. Denen, die sich ihm immer wieder aufdrängten, ob er nun wollte oder nicht. Es waren Gedanken an braune Augen und schüchterne Küsse. An das Gefühl, ihn im Arm zu halten und nicht loslassen zu müssen, weil er neben ihm einschlafen durfte. Erinnerungen an Simons Hände, die über seinen Körper wanderten. Er fluchte leise, als er spürte, wie sich zwischen seinen Beinen etwas regte. Er zog sein Handy aus der Tasche und scrollte durch die gespeicherten Nachrichten. Wischte mit seinem Daumen über das Display. Las ihren Verlauf. Viel war da nicht gewesen in letzter Zeit. Ein paar belanglose Sätze. Simons blickte auf sein Handy, das er, wie die meisten Menschen Vampire, gleichzeitig als Uhr benutzte. Viertel nach fünf. Die Sonne ging zu dieser Jahreszeit erst spät auf. Darum brauchte er sich also keine Sorgen zu machen. Allerdings ließ ihn die Tatsache, wie lange er bereits hier saß, allmählich trotzdem immer bedrückter werden. Er würde nicht mehr herunter kommen, begriff er, und starrte den eingespeicherten Namen in seiner Kontaktliste an. Raphael Santiago. „Ich glaub ich sollte langsam gehen“, meinte er schließlich und auch Lilly erhob sich, streckte sich und gähnte herzhaft, wobei ihre langen Fänge zum Vorschein kamen. Als er aufstand, merkte er, wie er ein wenig mit seinem Gleichgewicht zu kämpfen hatte und fühlte sich in seinem Entschluss bestätigt, dass dies definitiv der letzte Bloody Marry gewesen war. Es war schön gewesen, sie wieder zu sehen. In Gedanken war er jedoch die meiste Zeit bei einem anderen Vampir gewesen und er hatte das Gefühl, sie wusste das. Die Hilflosigkeit, hier unten zu sitzen, während er nur wenige Zimmer weiter im selben Haus war, frustrierte ihn dermaßen, dass er nicht nein gesagt hatte zu Blut und Wodka. Gleichzeitig war er wütend auf sich selbst. Er war ein Feigling. Vielleicht hätte er einfach nach oben gehen sollen? Kalter Regen begrüßte ihn, als er das Gebäude verließ und die Eingangstür hinter ihm zu schlug. Er hielt inne und verlangsamte seine Schritte auf den Stufen, die vom Dumor hinunter führten. Fühlte das kühle Nass auf seiner Haut. Fühlte etwas, irgendetwas. Etwas anderes, als das brennende Verlangen in seiner Brust, dort, wo einst sein Herz geschlagen hatte. Tränen stiegen ihm in die Augen und er blieb unschlüssig in der kalten, dunklen Novembernacht stehen. Tastete nach seinem Smartphone in der Hosentasche. Brauchte zwei Anläufe, es zu entsperren. Fluchte leise und wischte mehrmals darüber, in dem Versuch, den Regen vom Display abzuwischen und seine Kontakte zu öffnen. Raphaels totes Herz machte einen Satz. Das Handy vibrierte in seiner Hand. Seine Augen laßen den Namen, aber sein Gehirn hatte offensichtlich für eine kurze Zeit vergessen, was es mit dieser Information anfangen sollte. Dann tippte er auf den grünen Hörer und hielt sich das iPhone ans Ohr. Noch immer lag er auf dem Rücken auf seiner Couch, ließ den Kopf jetzt zurück fallen und den Blick irgendwohin abdriften. „¿Hola?“ „Raphael?“ Er schluckte. Beim Klang der vertrauten Stimme zog sich alles in ihm zusammen. Gleichzeitig machte etwas in seinem Inneren einen Satz. Freude, Nervosität, ein bisschen Angst und Unsicherheit, Hoffnung und Begierde. Er bekam das ganze Paket an Emotionen auf einmal aufgedrückt. Das war wohl die Quittung dafür, wenn man lange genug versuchte, ebendiese zu verdrängen. Ein Schauer lief ihm über den Körper, als der Jüngere sagte: „Ich wollte nur deine Stimme hören.“ Er fuhr sich durchs Haar. Ließ den Handrücken auf seinem Gesicht ruhen. „Bist du zu Hause?“, fragte er und einen Augenblick war es ruhig am anderen Ende der Leitung. Dann sprach Simon drei kleine Worte ins Telefon, die so Vieles ins Rollen bringen sollten. „Ich vermisse dich.“ Raphael atmete einmal tief ein. Er rieb sich mit der Hand über das Gesicht und blinzelte. „Ich dich auch“, sagte er schlicht und ehrlich. „Können wir uns sehen?“ Ja, war Raphaels erster Gedanke. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprach Simon weiter: „Magst du mir unten auf machen?“ Er hatte keine Lust zu klingeln und von irgendjemand anderem ins Hotel gelassen zu werden. Es musste wirklich keiner mitbekommen, wie es ihm gerade ging. Der Regen lief ihm über das Gesicht und hatte seine Kleidung längst durchweicht. Da es nun auch nicht mehr darauf an kam und weil ein paar Cocktails gewissen Hemmschwellen senkten, ließ er sich langsam mit dem Rücken am Treppengeländer herunter rutschen, bis er auf einer der Stufen sitzen blieb. Seine Hand umklammerte das Handy. Als Raphael mit einem einzigen Wort auflegte. „Ja.“ Als die Eingangstür sich öffnete und eine schmale Gestalt sich nach draußen schob, trafen zwei Paar brauner Augen aufeinander. Eines dunkler, bei Nacht fast schwarz, wie Zartbitterschokolade. Das andere heller und weicher, eher an Nussnugatcreme erinnernd. Und sie zogen einander an wie Magneten, die unweigerlich aufeinander prallen und nicht wieder voneinander los kommen würden. Wortlos zog Raphael den Jüngeren vom Boden hoch. Simon fühlte starke Hände an seiner Taille. Raphael klitschnassen Stoff unter seinen Fingern. Er sah den Anderen an und hob eine Hand an seine Wange. Fuhr zärtlich darüber und strich ihm das nasse Haar aus der Stirn. Seine blassen Wangen wirkten leicht gerötet, dachte er, und war froh darüber, dass er als Vampir nicht krank werden oder frieren konnte. Er hob auch die zweite Hand an sein Gesicht, hielt ihn fest. Vorsichtig. Sah ihn an. Dann küsste er ihn. Legte all seine Gefühle hinein und als Simon beinahe die Beine weg sacken wollten, packte er ihn fest an den Hüften und drängte ihn zurück. Drückte ihn gegen das Geländer. Schob das Becken vor und presste sich an ihn. Ließ ihn alles fühlen. Wie sehr er ihn vermisst hatte, wie sehr er ihn wollte. Wie ihm verdammt noch mal alles andere gerade scheiß egal war. Er machte sich keine Mühe mehr etwas davon zu verstecken. Simon keuchte überrascht auf. Grub die Finger in Raphaels Hemd und hing an seinen Lippen. Süchtig. Voller Sehnsucht und Verlangen. Er stolperte rückwärts, fühlte irgendwann die harte Holzverkleidung des Eingangsbereichs hinter sich. Umarmt von dieser und dem Vampir, der sich an ihn schmiegte und sich über ihm abstützte. Raphaels Hände tasteten über seinen Oberkörper. Simons T-Shirt klebte komplett durchnässt an ihm. War halb durchsichtig geworden und der Vampir strich über seine Nippel, die sich darunter abzeichneten. Fuhr über seine Bauchmuskeln und schließlich am Saum unter das Shirt. Schob es hoch, riss es ihm ungeduldig vom Körper und glitt mit seinen Fingern über die nasse Haut. Und Simon erlaubte sich zum ersten Mal seit langem wieder in diesen Augen zu versinken. Ehe er die seinen schloss und ihm ein leises Stöhnen herausrutschte, als er Fänge und eine geschickte Zunge an seinem Hals fühlte. Raphael schob sich zwischen seine Beine und er hielt sich an ihm fest. Völlig überwältigt und durcheinander, doch er genoss jede Sekunde und dachte nicht daran, sich von ihm zu lösen. Es war ihm im Augenblick komplett egal, ob sie womöglich irgendjemand sehen könnte. Er dachte einfach nicht mehr nach. Er wollte nicht mehr nachdenken. Nicht an Clary, nicht an den Clan, nicht an ihren Streit. Jegliche Verantwortung wollte er am liebsten abgeben für ein einziges Mal und Raphael tat ihm diesen Gefallen. Nahm ihm alle Entscheidungen ab. Führte ihn. Dirigierte ihn zur Eingangstür. Fummelte ungeduldig an seinem Gürtel herum, ehe er eine Hand in seine Hose schieben konnte und sich endlich nahm, wonach er sich seit Monaten sehnte. Simon versuchte nicht mal mehr, sein Aufkeuchen zu unterdrücken. Ungeduldig nestelte er an den Knöpfen seines Versage Hemdes herum, schob es ihm von den Schultern. Nahm nur halb wahr, wie der teure Stoff achtlos auf nasse Betonstufen fiel. „Auf dein ... Zimmer ...“, keuchte er erstickt zwischen zwei Küssen und Raphael zog mit zitternden Fingern einen Schlüssel aus der Tasche, während er den Jüngeren mit der anderen Hand weiterhin an sich presste. Die Tür seines Appartements schlug hinter ihnen zu, Raphael dränge ihn erneut rücklings gegen die Wand. Küsste ihn, wieder und wieder. Hob ihn mühelos hoch, trug ihn zum Bett. Simons Jeans fiel dumpf zu Boden und Raphaels folgte. Simons Finger krallten sich ins Laken, als er die Lippen des Anderen auf seiner Haut fühlte, die allmählich tiefer wanderten. Jeden Zentimeter seines Körpers liebkosten. Die Zunge, die über seine Muskeln glitt und dabei heiße Spuren hinterließ, die bis zum Bund seiner Unterwäsche hinunter führten, ehe er die Innenseiten seiner Schenkel mit Küssen bedeckte und ihm den störenden Stoff herunter zog. Simon griff in sein dunkles Haar, drängte sich ihm entgegen, konnte kaum einen klaren Gedanken mehr fassen. Erschrocken schrie er leise auf, als der Latino ihn zwischen seine Lippen nahm. Seine komplette Länge quälend langsam in sich hinein gleiten ließ und seinen Schaft mit der Zunge umspielte. „Fuck ... Stopp!“, rief er und riss an seinen Schultern, versuchte ihn zurück zu halten. Raphael hielt sofort inne und sah zu ihm auf. Simon starrte ihn an. Gänzlich überwältigt. „Ich ... Scheiße ich komm sonst“, keuchte er und ein Grinsen umspielte die Lippen des anderen Vampirs. Er schob sich zu ihm hoch und küsste ihn. Langsam. Zärtlich. Hielt nur Millimeter von seinem Gesicht entfernt inne und sah ihn aus diesen dunklen Augen voller Verlangen an. „Du darfst das hier nicht bereuen“, flüsterte er. „Es ist alles in Ordnung. Okay?“ Simon nickte langsam und Raphael stützte sich über ihm ab. Sanft rieb er seine Hüften an ihm und ließ ihn fühlen, wie sehr er ihn wollte. Drückte seine Männlichkeit gegen ihn und sah ihm dabei noch immer in die Augen. „Ich würde gerne etwas ausprobieren“, hauchte er ihm ins Ohr und Simon nickte schwach. Allerdings verkrampfte er sich augenblicklich, als er Raphaels Hand an seinem Hintern fühlte. „Warte ... Ich ...“ Er schluckte. Sowas hatte er noch nie gemacht und war sich nicht sicher, ob er das wollte. Dunkle Augen musterten ihn ruhig. „Vertrau mir“, sagte er leise und Simon rang mit sich selbst. „Hat es weh getan, als ich dich gebissen habe?“, fragte Raphael ihn und Simon schüttelte langsam mit dem Kopf.“ „Dann vertrau mir“, bat der Vampir ihn erneut und ließ seine Hand wieder zur Vorderseite seine Körpers herum wandern. Mit trägen Bewegungen massierte er ihn und wartete, bis er sich allmählich wieder entspannte. Dann setzte er sich auf, streckte sich zur Seite und griff nach etwas. Kühl! Im ersten Moment zuckte Simon zusammen, als Raphael ihn berührte und das Gleitgel an ihm verteilte. Rechnete damit, dass dieser in ihn eindrang, aber das tat er nicht und so entspannte er sich irgendwann wieder. Stattdessen drückte der Andere sich nur leicht gegen ihn. Massierte seinen angespannten Muskel, bis er sich daran gewöhnt hatte und allmählich locker ließ. Fuhr mit seinem Daumen über die Stelle zwischen seinem Geschlecht und seinem Eingang. Simon zog scharf die Luft ein. Seine eigene Erregung zuckte. Pochte heftig. Und als Raphael danach griff, stöhnte er erleichtert auf. Genoss es, was er mit ihm anstellte. Es war anders, als er erwartet hatte. Der Ältere war vorsichtig mit ihm. Nahm sich viel Zeit. Als seine Finger in ihn hinein glitten, war es mehr ein fließender Übergang, als ein Eindringen in ihn, und es tat weder weh, noch war es ihm unangenehm. Simons Hände fanden ihren Weg zu Raphaels Hintern. Zogen ihn an sich. Er fühlte seine Erektion zwischen seinen Beinen. Wie sie an seinen Innenschenkeln rieb, sich ihm entgegen drängte und er wollte mehr. Fänge liebkosten seinen Hals und als er ein heiseres „Beiß mich“ hauchte, wartete Raphael nicht länger und drang mit seinen spitzen Eckzähnen in ihn ein. Eine Welle der Erregung erfasste ihn und erst einige Sekunden später bemerkte er, wie auch Raphaels Länge sich Stück für Stück in ihm versank. Als der Latino sich langsam in ihm bewegte und irgendwann einen Punkt traf, der ihm ein Gefühl bescherte, dass er nie zuvor erlebt hatte, bog er den Rücken durch und drängte sich ihm entgegen. Ein feiner Schweißfilm überzog ihre Körper und Raphael konnte sich kaum länger beherrschen, aber das brauchte er auch nicht mehr. Er nahm ihn, kennzeichnete ihn, liebte ihn und Simon genoss jede einzelne Sekunde davon. Als er kam, verkrampfte sich auch Raphael in ihm und erreichte gleichzeitig mit ihm seinen Höhepunkt. Erschöpft sackte er auf ihm zusammen und seine Lippen zogen sich zu einem müden Lächeln, als sich Arme um seinen Körper legten, die ihn nie wieder loslassen wollten. „Te quiero“, flüsterte er auf Spanisch und Simon schmiegte sein Gesicht an seine Halsbeuge. „Was bedeutet das?“, fragte er und Raphael lächelte in sich hinein. „Nichts“, sagte er leise und schlief in seinen Armen ein. Kapitel 19: ------------ „Ich dich auch“, waren die Worte, die ihm jemand leise ins Ohr flüsterte, als Raphael am Abend aufwachte. Verschlafen blinzelte er, drehte sich zu Simon um und sah ihn verwirrt an. „Was ...?“, murmelte er und Simon konnte nicht anders, er musste einfach breit grinsen. Diese private Version von Raphael Santiago war absolut umwerfend. Er streckte eine Hand aus und fuhr ihm zärtlich durch die ungestylten Haare. „Ich dich auch.“, wiederholte er und sah in das vertraute Gesicht, das ihm gerade um locker 50 Jahre jünger erschien, als er eigentlich war. Er liebte diesen facettenreichen Vampir und er liebte es, zu den Wenigen zu gehören, die ihn so kannten und sahen. Einen 15-jährigen Jungen, der abends aufwachte und nichts gemeinsam hatte mit dem souveränen Clanleader, der er sonst war. „Ich hab‘s gegoogelt“, erklärte er und deutete auf sein Handy. Raphael setzte sich auf und die Bettdecke rutschte ein Stück hinab. Gab den Blick auf seinen Oberkörper frei. Langsam begriff er und nun verwandelten sich auch seine Lippen in ein Lächeln, das immer stärker wurde. Er legte eine Hand in Simons Nacken und zog ihn an sich. „Ist das so?“, fragte er und lehnte seine Stirn gegen die seine. Hauchte ihm einen Kuss auf, als Simon nickte. „Te mereces ser amado“, flüsterte er und der Jüngere sah ihn gespielt schmollend an. „Muss ich jetzt einen Spanischkurs belegen?“, beschwerte er sich, obwohl es ihm eigentlich gefiel, dem Latino in seiner Sprache zuzuhören. Es klang schön. Als Raphael aus dem Bett verschwand und die wenigen Stufen hinunter in den offenen Wohn- und Küchenbereich ging, ließ er sich frustriert zurück auf die Matratze fallen. Er wollte noch nicht aufstehen! Doch der Spanier kam im nächsten Moment bereits zurück, rutschte an seine Seite und hielt ihm ein Glas entgegen. „Frühstück ans Bett?“, stelle er überrascht fest und trank einen Schluck. „Daran könnte ich mich gewöhnen.“ „Hey. Denk nicht, dass ich dich von morgens bis abends bediene oder hinter dir her räume“, ermahnte Raphael ihn neckend. „Das hier ist kein Hotel.“ Simon lachte auf. „Doch, genau das ist es!“ Raphael rollte mit den Augen, musste aber noch immer schmunzeln. Er hatte lange nicht mehr so gut geschlafen. Doch dann wurde er wieder ein wenig ernster und dachte einen Augenblick lang nach. „Manchmal überrascht du mich“, sagte er und sah ihn lange an. „Du hast mich auch überrascht, als du mich hintergangen hast.“ Simon schluckte. Augenblicklich wechselte seine Stimmung in Beklommenheit und eine leise Angst kroch in ihm hoch. Was, wenn er ihm nicht verzeihen würde? Wenn das hier genauso schnell wieder enden sollte, wie es begonnen hatte? Raphael hätte sich innerlich ohrfeigen können für seine Worte, als er Simons Ausdruck sah und den Duft seiner Gefühle wahrnahm. Aber er musste mit ihm darüber sprechen. „Warum hast du das getan?“, fragte er deshalb, um es hinter sich zu bringen. Simon sah tatsächlich aus, als würde er fast zu weinen anfangen und Raphael streckte unter der Bettdecke einen Arm nach ihm aus. Vorsichtig legten sich seine Finger auf seine Hüfte. Signalisierten ihm, dass er immer noch da war. „Clarys Mutter ...“, begann der jüngere Vampir zu reden. „Ihr Leben stand auf dem Spiel.“ Als Raphael darauf nicht direkt etwas erwiderte, flehte er ihn mit einem Blick an, irgendetwas dazu zu sagen. Und wenn es ein Schlussstrich sein würde, er ertrug diese Ungewissheit nicht. „Ist dir klar, dass mein Leben auch auf dem Spiel stand?“, begann der Latino schließlich zögerlich. Er senkte den Blick und Simon starrte ihn mit offenem Mund an. „Nicht, dass ich Angst vor dem Tod hätte, aber ... Dich schien das überhaupt nicht zu interessieren und das ... Überrascht mich einfach“, gestand er und sah auf. „Ich kann nicht glauben, dass ich mich so in dir getäuscht habe. Das passt nicht zu dir.“ Simon lief es eiskalt den Rücken herunter. Allmählich beschlich ihn eine ganz miese Ahnung. „Raphael, was ist passiert?“ Seine Stimme klang leiser und brüchiger als gewollt. „Die Nephilim sind passiert.“ Raphaels Miene verfinsterte sich. Simon hob seine Finger an sein Gesicht. Zögerlich fuhr er die Stellen nach, an denen er noch die Überreste der Wunden gesehen hatte, die der Rat ihm offensichtlich zugefügt hatte und er fragte sich plötzlich, wie schlimm sie gewesen waren und was Magnus schon geheilt hatte, bevor er bei dessen Loft angekommen war. Er hatte ausbaden müssen, was Simon verschuldet hatte. „Was hat Aldertree mit dir gemacht?“, fragte er noch einmal nachdrücklich und seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass er jetzt eine konkrete Antwort haben wollte. Er wollte alles wissen. Und dann erzählte er ihm davon. Erzählte alles. Und Simons totes Herz zog sich so krampfhaft zusammen, wie nie zuvor. „Das hab ich nicht gewusst“, flüsterte er entsetzt. Reue stand ihm ins Gesicht geschrieben und Raphael rutschte auf einmal dicht an ihn heran. Er legte seinen Kopf auf Simons Brust, schmiegte sich an seine Halsbeuge und Simon schlang überrascht seine Arme um ihn. Vergrub sein Gesicht in seinem Haar und nahm seinen Geruch auf. [style type="italic"]Liebe[/style], dachte er, und wusste, diesen Duft, den sein Freund gerade ausströmte, würde er nie wieder vergessen. „Die Sache mit Izzy...“ flüsterte er irgendwann und wollte nun auch von seiner Seite aus reinen Tisch machen. „Bedeutet sie dir etwas?“ „Ja und nein.“ Raphaels Worte klangen absolut ehrlich. Er rutschte ein Stück von ihm ab. Nur so weit, dass er ihn wieder ansehen konnte. „Ja, tut sie“, gab er zu. „Aber ich wollte keinen Sex mit ihr oder so.“ Simon verdaute diese Information und sie tat weh. Die Vorstellung von ihm mit einer Anderen. Dass er Gefühle für sie hatte? „Dann hast du nicht ...?“, fragte er und Raphael schüttelte den Kopf. „Nein. Sie wollte, aber ...“ Abermals schüttelte er mit dem Kopf. Er hatte es nicht gekonnt. Simon fühlte sich plötzlich schlecht. „Ich hab mit Clary geschlafen“, gestand er ihm und Raphael seufzte leise. „Ich weiß.“ Was er als Nächstes sagte, kam so unerwartet, dass es Simon einen Moment die Sprache verschlug. „Ich bin irgendwie froh, dass das passiert ist. Dass ihr Sex hattet.“ Und als er sah, wie verdattert Simon ihn ansah, erklärte er: „Sei doch mal ganz ehrlich. Du warst schon dein ganzes Leben lang verknallt in sie. Wenn das nicht endlich passiert wäre ... Hättest du dich nicht immer gefragt, was wäre wenn?“ Schuldbewusst senkte er den Blick und war beeindruckt, von seiner reifen Art, mit der Sache umzugehen. „Kannst du mir das alles verzeihen?“, fragte er und warme, dunkle Augen funkelten ihm entgegen. „Si, Idiota.“ Und dann war es Simon, der seinen Kopf auf dem Oberkörper des anderen Mannes bettete und seine Wange genau auf dessen Herz ruhen ließ. Und er hätte schwören können, dass er es schlagen hörte. *********************************** Ein kleiner Epilog kommt noch Das Spanische habe ich absichtlich nicht übersetzt, damit es euch wie Simon geht, der nix versteht und googeln muss, wenn er es wissen will :D Epilog: -------- Mi amado hijo, wenn du diese Zeilen liest, bin ich den Schritt in eine andere Welt hinüber gegangen. Wir können nicht wissen, was zwischen Himmel und Erde auf uns wartet. Aber ich möchte dir sagen, dass du mein ganzes Glück gewesen bist. Die Liebe und Fürsorge, die du mir bis zum letztens Augenblick entgegengebracht hast, erfüllt mich mit Stolz und die Tatsache, dass du Teile deiner Selbst bis zuletzt vor mir versteckt hieltst, mit Traurigkeit. Mein Kind, ich bin nicht blind. Meine Augen haben mehr gesehen, als du glaubst, in all den Jahren. Und ich verzeihe dir. Ich glaube, dass Gott dir etwas geschenkt hat. Und ich glaube, dass er dich anders geschaffen hätte, wenn er dich anders hätte haben wollen. Die Welt ist nicht schwarz oder weiß, mi corazón. Es gibt nicht nur ángel und demonios, denke ich. Mir ist bewusst, dass ich dich vor sehr langer Zeit anderes aufgezogen habe. Aber auch Mütter können sich irren und du hast mich eines Besseren belehrt. Denn eine Sünde kann keine sein, wenn sie so voller Liebe ist, wie du es bist, mein Sohn. Deshalb möchte ich, dass du weißt, dass du von endlos großem Wert bist. Vergiss das nie. Con cariño, tu madre Raphael ließ seine Hand langsam sinken und mit ihr den gefalteten Brief, der handschriftlich auf einem schlichten Blatt Papier verfasst worden war. Eine dünne Schicht Schnee war am Tag zuvor gefallen und überzog nun, bei Nacht, die Landschaft wie ein weißer, glitzernder Teppich. Umhüllte den gravierten Stein und bettete sich über all die Blumen, die am Vormittag an diesem Ort niedergelegt worden waren. Er betrachtete Simon, der an ihrem Grab kniete und eine einzelne blutrote Rose auf die gefrorene Erde gelegt hatte. Sie hob sich unverkennbar von den übrigen ab, da sie als einzige nicht von funkelnden Eiskristallen bedeckt war. Er trat auf ihn zu und blicke in die warmen Augen des Mannen, den das Schicksal ihm geschenkt hatte. Oder Gott. Dann ließ er sich fallen, in die Arme seiner Liebe. Die ihm von Zeit, Alter oder Krankheit niemals genommen werden würde. Und seine weißen Eckzähne leuchteten im Mondlicht auf, so hell wie der Schnee. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)