Strong enough von Centranthusalba (Victor in der U21) ================================================================================ Kapitel 16: Stark genug für die Liebe ------------------------------------- 1 Jahr später „Echt?“ Mike sieht seinen Therapeuten erstaunt an. Brian nimmt seine Hände von den Waden des Fußballers und lässt ihn von der Liege aufstehen. „Wenn ich es dir doch sage.“ „Weiß der Captain schon davon?“ „Nein, ich weiß es ja selbst erst seit gestern.“ Auf Mikes Gesicht schleicht sich ein schelmisches Grinsen. „Tu mir den Gefallen und verrate ihm nichts. Die Überraschung möchte ich sehen.“ „Captain!“ ruft Tony quer über den Trainingsplatz. Victor dreht sich um. Nathan, der gerade angelaufen war, bremst ab und hält im letzten Moment inne. „Was ist?“ „Wir sollen nach dem Training alle in den großen Konferenzraum kommen. Bill hat wohl noch ein paar organisatorische Sachen für uns.“ Victor nickt nur, dann stellt er sich wieder in Position und gibt Nathan das Zeichen zum Schuss. „Puh, endlich ist das Training vorbei.“ „Burnley wird ein Kinderspiel, Leute.“ „Könnten wir mal weniger Kopfbälle üben? Ich hab schon nen richtigen Brummschädel.“ Mit viel Lärm begibt sich die U21-Mannschaft des FC Chelsea über den Flur in den großen Konferenzraum des Trainingszentrums. „Hee Victor,“ Connor stößt ihm beim Laufen in die Seite, „lässt du dich heute Abend vielleicht mal wieder im Hoof blicken? Du warst schon ewig nicht mehr mit. Und gerade du als Captain solltest hin und wieder dabei sein.“ Er zwinkert ihm verschwörerisch zu. „Du weißt schon, über niemanden wird so viel geredet, wie über die, die nicht anwesend sind.“ „Hmm na gut.“ nickt Victor zustimmend, „Aber nur für eine Flasche.“ „Oh Mann, das waren noch Zeiten, als du jeden Abend bis zum Schluss mit von der Partie warst.“ seufzt Conner und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. „Ja, das waren noch Zeiten,“ pflichtet sein Captain ihm bei. „und ich bin froh, dass sie vorbei sind.“ Ja, er war wirklich froh, dass die harte Zeit, als er neu in London war, vorbei war. Damals war nichts so gelaufen, wie er es sich vorgestellt hatte. Bill, der Trainer, stellte ihn zu keinem Spiel auf, Andy lies ihn zu jeder Zeit spüren, dass er nicht in die Mannschaft passte, und Chris, der Captain, wollte nichts von seinen taktischen Vorschlägen wissen und sah ihn am Liebsten auf der Bank. Es hatte fast ein Jahr gedauert, viele Kämpfe und viele Tränen gekostet, bis er sich seinen festen Platz in der Mannschaft erarbeitet hatte. Seit diesem denkwürdigen Spiel gegen Manchester war er der unumstrittene erste Torwart dieses Teams. Chris hatte ihm sogar die 1 angeboten, doch er hatte abgelehnt, weil er zu diesem Zeitpunkt begriffen hatte, dass es auf die Zahl auf dem Trikot nicht ankam. Anders als sein Captain. Als es soweit war, dass Chris in die reguläre Mannschaft des Vereins wechseln sollte, hatte er Eddie als seinen Nachfolger vorgeschlagen. Eine Idee, die bei den meisten in der Mannschaft nicht gut ankam. Victor erinnert sich an die Situation, als wenn es gestern gewesen wäre. Sie waren wieder einmal alle in diesem Konferenzraum versammelt gewesen. Das letzte Training zusammen mit Chris war gerade abgeschlossen und die Mannschaft verabschiedete sich ein bisschen feierlich von ihrem Captain. Natürlich hatte es bereits im Vorfeld Diskussionen um den nun offenen Posten gegeben, aber so richtig traute sich niemand das Thema anzuschneiden. Bis Chris es selbst tat: „Natürlich werdet ihr euch euren Captain selbst wählen, doch ich schlage vor, Eddie zum Captain zu ernennen. Er war lange genug an meiner Seite, um zu wissen, worauf es in dieser Position ankommt. Mit ihm werdet ihr einen ähnlichen Captain wie mit mir bekommen. Außerdem ist er als Mittelstürmer der geborene Anführer und wird das Team sehr gut in die nächste Saison führen. Einen kurzen Moment war es ganz still im Raum, so als würde jeder auf die Reaktion eines anderen warten. Dann hob Luke schüchtern die Hand. „Ich würde gerne einen Gegenvorschlag machen.“ seine Stimme zitterte leicht, weil er es nicht gewohnt war plötzlich im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen. „Ich finde, wir brauchen einen Captain, der sich auch um jene kümmert, die nicht sowieso bei jedem Spiel unter den besten sind. Jemand, der denen von der Bank auch eine Chance gibt und sie unterstützt, besser zu werden. Und jemand, zu dem wir kommen können, wenns mal nicht so läuft.“ Sein Kopf ist ganz rot angelaufen, aber er erntet allgemeines Gemurmel auf seinen Einwand. Chris verschränkt nur die Arme vor der Brust. „Und wen schlägst du dafür vor, der das alles kann?“ Luke knetet nervös seine Finger, doch mit fester Stimme antwortet er: „Victor.“ Victor selbst hatte ihn in diesem Moment nur ungläubig angesehen. „Na gut,“ meinte Chris, „dann stimmen wir ab. Wer ist für Victor?“ Victor erinnert sich noch genau, an den Schauer, der ihm den Rücken hinunterlief, als sich eine Hand nach der anderen über die Köpfe hob. Seit jenem Spiel gegen Manchester hatte er alles gewonnen, das er sich bei seiner Ankunft in London vorgenommen hatte. Und doch hatte er auch ausgerechnet das verloren, mit dem er am wenigsten gerechnet hatte. Das Mädchen, das ihm alles bedeutet hatte, das ihm gelehrt hatte zu kämpfen, für das er in diesem Spiel alles gegeben hatte… sie war seitdem spurlos verschwunden. Wie er erst Tage später erfuhr, hatte Jenny ein lukratives Angebot beim FC Liverpool angenommen und war gleich im Anschluss an das Spiel aufgebrochen. Er ahnte inzwischen, warum sie sich nicht mehr richtig von ihm verabschiedet hatte. Victor hält auch noch den letzten Nachzüglern die Tür auf und schlüpft dann als letzter in den vollen Raum. Er zwängt sich zwischen einigen großgewachsenen Mittelfeldspielern hindurch um etwas sehen zu können und erstarrt plötzlich. Vor der Mannschaft stehen Bill, der Trainer, Brian, der Therapeut, und noch eine weitere Person. Eine junge Frau mit Sommersprossen, grau-grünen Augen und rotem, wogendem Haar. Victor hört Bill etwas sagen von ‚Trainingsplan‘ und ‚Abstimmung mit den Älteren‘, ‚schlechten Wetterbedingungen’ und ‚laufender Saison‘ doch er hört gar nicht zu. Alle seine Sinne sind vollständig fokussiert auf das Mädchen, das vor ihnen steht. Sein Mädchen. „Außerdem freuen wir uns, dass Jenny den Weg zu uns zurück gefunden hat. Sie hat inzwischen ihre Ausbildung - übrigens mit Auszeichnung- abgeschlossen und wird uns nun wieder verstärken. Jenny, schön, dass du wieder bei uns bist.“ Die Jungs begrüßen sie mit Klatschen, einige pfeifen sogar, nur Victor rührt sich nicht. Und auch als sich der Raum langsam wieder leert, bleibt er wie angewurzelt auf seinem Platz stehen und sieht sie weiterhin mit offenem Mund an. Jenny scheint es genauso zu gehen, denn auch sie bleibt vorne im Raum stehen, lässt Bill und Brian wortlos an sich vorbeigehen. Ihr Blick ist unverändert auf Victor gerichtet. Wie zwei Felsen in einem Teich, aus dem man langsam das Wasser ablässt, bleiben die beiden in dem nun leeren Konferenzraum zurück und sehen einander wortlos an. Einen Moment lang sagt niemand ein Wort. „Hi.“ beginnt sie schließlich. „Hi.“ „Du bist jetzt Captain.“ stellt sie mit einem zaghaften Lächeln fest. „Glückwunsch. Du hast alles erreicht.“ Victor schüttelt nur langsam den Kopf. Auf seiner Zunge liegen Tausend Fragen und noch mehr Vorwürfe. Wie als müsste er sie daran hindern Jenny entgegen zu fliegen, presst er angestrengt die Lippen aufeinander. Es brachte nichts sich hier anzuschreien. „Wie geht es dir?“ fragt er vorsichtig. Jennys Lächeln wird sicherer. „Gut. Es ist schön wieder hier zu sein.“ Victor holt tief Luft. Irgendetwas musste raus. Womit würde er sie am wenigsten verschrecken? „Warum hast du damals nichts gesagt?“ Jenny schlägt die Augen nieder. „Ich wollte es dir sagen, aber….“ „Ich war sehr wütend auf dich.“ Sie meidet seinen Blick „Und…. bist du das immer noch?“ „Nein.“ Er zuckt mit den Schultern. „Du warst ja nicht da. Also habe ich den Spiegel in meinem Badezimmer angeschrien und die Dusche und das Kopfkissen und jede Menge Fußbälle.“ „Es tut mir Leid.“ murmelt sie. „Ich hatte damals Angst vor dir. Ich war einfach nicht stark genug.“ Victor blinzelt irritiert. „Wovor hattest du Angst? Was hätte ich dir getan?“ Jenny verzieht den Mund zu einem schiefen Grinsen. „Nein, nicht vor dir. Ich hatte Angst vor mir selbst. Ich hatte Angst davor zu vertrauen. Angst davor meine schützende Mauer aus angeblicher Stärke zu öffnen. Angst davor mich selbst zu spüren. Das ist mir jetzt erst klar geworden. Damals war ich einfach nur durcheinander.“ Um ihn nicht ansehen zu müssen, blickt sie zu Boden. Victor wartet noch einen Moment, doch sie sagt nichts weiter. „Du warst sehr stark Jenny. Du warst die stärkste Frau, die ich je getroffen habe.“ Überrascht blickt sie auf und mustert ihn, als würde sie seinen Worten allein nicht glauben. Dann wendet sie sich rasch wieder ab. „Nein, das war … eine falsche Stärke. Wenn ich wirklich stark gewesen wäre, hätte es mir nichts ausgemacht, dass du daher kommst und meine Mauer einreißt, als wäre sie nichts. Dann hätte ich mich einlassen können, hätte mir eingestehen können, dass ich falsch lag… Dafür braucht man eine ganz andere Stärke als die, die ich hatte.“ „Ich lag falsch, Jenny.“ Entgeistert sieht sie ihn an. „Ich hätte dich nicht bedrängen sollen. Kein Spiel der Welt kann über eine Beziehung entscheiden. Ich wollte dich damals so sehr. Ich befürchtete, du würdest vor mir weglaufen, und letztendlich habe ich genau das damit erreicht.“ „Aber, ich verstehe nicht, ICH habe den Fehler gemacht. ICH war schwach und bin lieber weggelaufen als mir einzugestehen, dass ich dich liebe und dass ich mich auf diese Liebe einlassen sollte!“ Ihre Fingerknöchel sind ganz weiß, so sehr ballt sie die Fäuste während sie die Worte herausschreit. In ihren Augen bilden sich Tränen. „Und jetzt bist du wieder hier.“ Jenny starrt auf ihre Hände. Er sieht ihr an, dass sie nicht geplant hatte, all diese Dinge zu sagen, sondern sie wie durch ein Ventil mit einem Male aus ihr heraussprudelten. Vielleicht war ihr einiges, von dem, was sie gerade sagte, bisher selbst nicht bewusst gewesen. „Du irrst dich Jenny.“ sagt er so sanft wie möglich, „Du hast diese Stärke.“ Er streckt die Hand nach ihr aus. „Lass sie mich dir zeigen.“ Jenny muss schlucken: „Willst du wirklich immer noch?“ Er nickt und fängt sie auf, als sie ihm in die Arme fällt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)