Twenty-four dayz til xmas #2x20 von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 8: Eislabyrinth ----------------------- Eislabyrinth by Natsuo Kurokawa Er lief nach Hause, eine weiße Plastiktüte aus dem Conbini in der Hand. Sie raschelte und bei jedem Schritt schlug der Inhalt gegen sein Bein. Sicherlich befand sich in ihr sein Abendessen: Heiße Bohnensuppe und ein Sandwich. Wahrscheinlich wieder mit Schinken und Ei. Eben das, was er immer kaufte nach einem langen Arbeitstag. Nur noch der Weg durch den kleinen Park und dann noch zwei Seitenstraßen. Yui lief über die Wiese, sah nach oben zu dem klaren Sternenhimmel. Ein Grund, warum es heute so eisig war und er trotz seines Schals fror. Die Kälte war unangenehm, aber irgendwas anderes bereitete dem Jungen Unbehagen. Nur konnte er nicht sagen, woran es lag. Allerdings war dieses Gefühl allgegenwärtig. Unweigerlich beschleunigte er seinen Schritt, verließ den Rasen und hatte wieder den gepflasterten Weg vor sich. Eine Ampel und einen weiteren unsicheren Blick, den er hinter sich warf, später, bog er in die dunkle Seitenstraße ein. Vertraut war die weiße Aufschrift auf dem Teer, die Autofahrer dazu aufforderte anzuhalten. Und da war es wieder: Das Gefühl, verfolgt zu werden. Schritte? Oder waren es nur seine eigenen, die zwischen den Mauern der Hochhäuser widerhallten? War es dunkler geworden? Oder gar kälter? Ein Schatten? Dort, hinter den Müllsäcken, die von dem kleinen Ramenrestaurant stammten! Der schwarzhaarige Junge sah sich um und ihn beschlich, dass er diese Gegend so gar nicht mehr kannte. Alles war ihm fremd. Der Geruch, die Gebäude. Was blieb war die Beklemmung in seiner Brust. Sollte er weitergehen? Oder zurück? Wo lang überhaupt? Seine Ausweichmöglichkeiten wurden weniger und er trat zurück an die Wand hinter sich. Kalt! Eiskalt! Sogleich wirbelte er herum, doch das, was Yui da erblickte, ließ ihn staunen. Eis! Die gesamte Oberfläche des Hauses war mit Eis überzogen. Mit diesem neuen Bewusstsein merkte er, dass seine gesamte Umgebung aus Eis bestand, verschwunden die vertraute Umgebung der Stadt. Sofort nahm Yui seine Beine in die Hand, rutschte aber auf dem eisigen Boden aus. Benommen rappelte er sich auf. Er musste dringend hier weg! Eis! Überall nur spiegelndes, glattes Eis! Ausweglos! Wieder kam er ins Straucheln, fiel auf die Knie. Atemlos krabbelte er auf allen vieren zur nächsten Wand, ließ sich mit dem Rücken dagegen fallen. Die Wände wurden immer höher und er fror immer mehr. Würde er nicht bald einen Ausweg finden, würde er hier sicherlich noch erfrieren. Yui wand sich um, wollte sich an der eisigen Wand hochziehen, doch da fiel ihm sein Spiegelbild auf. Rot geschminkte Lippen. Grüne Augen starrten ihn an. Er war aufwändig geschminkt. Eben so, wie immer auf Arbeit. Sauberer Lidstrich, künstliche Wimpern, helle Akzente, die seine Augen strahlen ließen. Seine Haut weiß wie Marmor. Der Puppenspieler?! Erschrocken wich Yui zurück, sah an sich nach unten. Er hatte die Kleidung an von damals: langer, schwerer Stoff umhüllte seinen Körper. Hier und da verzierte Spitze aufwändig sein Gewandt. Sofort stieß sich der Junge vom Boden ab, krabbelte weiter zurück und konnte sich nun komplett in der spiegelnden Eiswand sehen. Er, wie er am Boden saß, Stricke, die um seine Hände, Beine und seinem Hals lagen. Er – die Marionette! „Nein!“, schrie Yui auf und schüttelte seine Gliedmaßen in der Hoffnung, seine Fesseln loszuwerden. Das konnte alles nicht sein! Er war nicht mehr der von damals! Er war weg von dort. Niemand mehr, der ihn manipulierte. Niemand mehr, der ihn in der Hand hatte. Vergangen! Gelächter ertönte. Dieses ging Yui durch Mark und Bein. Aus Reflex hielt er sich die Ohren zu und kniff die Augen zusammen. Sein Albtraum von damals war doch vorbei. Er war nicht mehr an diesem Ort! Warum jetzt? Als er die Augen öffnete, wurde es noch schlimmer. Er sah sich. Mehrfach. Sich und die Männer, an die er verkauft worden war. Er, immer lächelnd, zuvorkommend, gut gelaunt und höflich. Yui, das Püppchen. Zu haben für jeden. Doch innerlich war er gefangen in einem Labyrinth, aus dem er so dringend einen Ausweg gesucht hatte. Dort war er zusammen mit einem Mann in dessen Limousine. Er hatte Alkohol zu trinken bekommen. Dann wurde der Typ immer aufdringlicher, hatte ihn angefasst, ihn schließlich um eine Gefälligkeit gebeten. Kaum war es zu Ende, war er außerhalb der Stadt vor die Tür gesetzt worden. Da, die Frau, die ihn gebucht hatte als hübsches Accessoire zur Eröffnung einer Ausstellung. Sie hatte ihn keines Blickes gewürdigt. Er hatte gute Miene zum bösen Spiel gemacht, doch am Ende hatte er sich eine gefangen, weil er mit einer anderen Frau geredet hatte. Sie hatte sich bei seinem Vorgesetzten beschwert, der ihm seine Unzufriedenheit spüren ließ. Und da war auch er. Draußen, im Regen. Durchnässt bis auf die Knochen, aber er durfte nicht zurück, da er die Vorgaben des Abends noch nicht erfüllt hatte. Doch es war fast so, als sah ihn niemand. Keiner, der ihm helfen konnte, dem Puppenspieler zu entkommen. Die Gefälligkeiten wurden immer mehr. War es am Anfang ein einfaches Treffen, setzte sich dies bald fort mit Berührungen und ehe er wusste, was mit ihm geschah, schlief er mit Fremden. Wenig später fand er sich in einem Hotelbett wieder, hartes Plastik zwischen seinen Zähnen und kaum die Chance zu atmen, während sich das Metall der Handschellen in seine Haut schnitt. Erniedrigt bis aufs letzte. „Ich will da nicht wieder hin! Lass mich in Ruhe!“ Die Panik in dem Jungen stieg und er wischte sich hektisch über die Lippen, um den roten Lippenstift loszuwerden. „Ich will das nicht mehr!“, sagte er entschlossen und rappelte sich wieder auf. Dort war ein Licht, ganz sicher. Und wo das Licht war, da ging es nach draußen aus diesem Irrgarten! Er musste es nur erreichen. Also rannte er los, dem heilbringenden Licht entgegen. Mittlerweile hatte Yui die Orientierung komplett verloren. Rechts. Links. Sackgasse. Zurück. Rechts. Rechts. Einfach geradeaus. Doch wieder zurück und links. Kein Ausweg. Er lehnte seine Stirn gegen das kalte Eis. „Wie komm ich hier nur raus?“, wisperte er der Verzweiflung nahe und blickte in blauen Augen, die ihn von der Eisfläche aus anstarrten. Er blinzelte. Er trug nie blaue Kontaktlinsen. Yui wich zurück, sah in das Gesicht eines anderen Mannes. Das war nicht sein Spiegelbild, auch wenn er ihm sehr ähnlich sah. Schon allein wegen des gleichen Make-ups. „Yui, was ist denn los? Wieso schläfst du denn so unruhig?“ Yui blinzelte, versuchte seine Umgebung wahrzunehmen. Schlafzimmer. Gelbliches Licht. Vertrauter Geruch. Nähe. Und nun wurde auch eine warme Decke um ihn gelegt. „Du hast dich sogar frei gestrampelt. Du bist ja richtig kalt. Na los, komm her!“, sprach Kuloe ihn liebevoll an. Dieser Einladung kam der Jüngere der zwei Männer nur zu gern nach und schmiegte sich an die Wärmequelle. „Nur schlecht geträumt“, nuschelte er leise, verdrängte blitzschnell die Bilder, die ihn eben noch verfolgt hatten. „Aber morgen legen wir definitiv anderes Make-up auf. Und ich denke, ich sollte es mal mit blauen Kontaktlinsen versuchen. Kein Lippenstift. Und nach der Arbeit gehen wir zusammen Burger essen.“ Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)