Twenty-four dayz til xmas #2x20 von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 16: Nightmare after Christmas ------------------------------------- Nightmare after Christmas by Natsuo Kurokawa Yuuki verließ die Bahn, direkt, nachdem sich die Türen der Chuo-Line geöffnet hatten. Er zog seine Schultern hoch, damit der kühle Wind nicht an seinen Hals kam. Er hasste Winter und er hasste Kälte. Dabei lag nicht einmal Schnee, aber es regnete und das ließ ihn frösteln noch ehe er den Bahnhof verlassen hatte. Missmutig zerrte er seinen Koffer hinter sich über den Bahnsteig weiter zu den Rolltreppen. Dieser Koffer war unhandlich und wohl bemerkt sehr schwer. Und das mitten in der Nacht. Doch das war normal für ihn. An guten Tagen konnte er die letzte Bahn zu sich nach Hause nehmen, an weniger guten Tagen pennte er in einer Karaoke-Box am Bahnhof, bis der erste Zug fuhr. Das waren die Schattenseiten seines Jobs als Host in Kabuki-cho. Gerade war er sich auch unsicher, ob der Inhalt dieses Koffers, den er geräuschvoll über die Blindenstreifen zerrte, nicht auch zu den Schattenseiten gehörte. Nein, er war nicht verreist. Er kam wirklich von der Arbeit. Der Arbeit, zu der er normalerweise nur mit seinem Handy, Schlüssel und seiner Geldbörse ging. Aber es war Weihnachten und Weihnachten war alles anders. Besonders in seinem Job. Nicht nur, dass Ende November die Anzahl der verzweifelten und einsamen Frauen zunahm, nein, diese wurden aufdringlich, wollten ihn zu Weihnachten für sich und jeder meinte, dass er ihn beanspruchen konnte. Yuuki kannte seinen Marktwert und so weigerte er sich jedes Jahr auf ein Neues, ein Einzeldate anzunehmen. Lieber verbrachte er die Zeit bei Gesprächen im Club. Das wiederum führte aber unweigerlich zu diesen schweren Dingen in seinem Koffer: Geschenke. Er kam sich schon fast selbst vor wie Santa, als er das schwarze Ungetüm der Metalltreppe zu seinem Apartment nach oben hievte. Da war er fast schon froh, dass sein Apartment im ersten Stock war. Zwar eine beschissene Lage so nah am Bahnhof, sodass er immer mit Ohrstöpseln pennen musste, aber in seinem Alter durfte man nicht wählerisch sein. Da nahm man das, was man bezahlen konnte. Erleichtert schloss er die Tür hinter sich und schaltete das Licht an. Nach einem kurzen Flackern wurde seine Einzimmerwohnung von Licht durchflutet und er zog sich sein Beanie vom Kopf. Sofort wuschelte er sich durch die pink gefärbten Haare und schälte sich aus seiner Jacke. Geschickt schlüpfte er aus seinen Schuhen und schob sich an dem Koffer vorbei, zog sich sein weißes Shirt über den Kopf, welches er sofort in die Ecke warf, in der sich bereits andere dreckige Kleidungsstücke befanden. Sein sogenannter Wäschehaufen. Der Blick in den Kühlschrank fiel ernüchternd aus, aber er hatte auch keinen Bock sich wieder Ramen zu machen. Daher entschied er sich, dass eine Zigarette vor dem Schlafengehen genug für seinen Magen war. Trotzdem lockte ihn der Inhalt des Koffers wieder zu sich und daher kippte er ihn auf die Seite und versuchte den Reißverschluss zu öffnen, ohne die nasse Plastikhülle der Hartschale zu berühren. Anschließend klappte Yuuki den oberen Teil auf und schon fielen ein paar nett verpackte Dinge aus dem Koffer. Raschelnd. Der junge Host griff nach seiner Zigarette, die er sich zwischen die Lippen geklemmt hatte, und blies den Rauch wieder aus. Er setzte sich bequem im Schneidersitz auf das kühle Linoleum und streckte sich zur Seite, um sich seinen Aschenbecher zu angeln. Dort legte er seine Kippe ab. Gerade benötigte er wohl beide Hände, denn es galt, Geschenke zu öffnen. Recht schnell aber kehrte Ernüchterung bei ihm ein. Es war nicht so, dass er wählerisch war, wenn es um Geschenke ging. Yuuki war auch nur ein Mensch und er freute sich über Aufmerksamkeiten, egal von wem sie kamen. Allerdings waren diese Geschenke seiner Verehrerinnen echt schon hart zu verdauen. Neben massenweise Pralinen und anderer Schokolade, waren auch Sachen dabei von Menschen, die meinten, dass sie ihn ach so gut kannten. Einmal unbedacht geäußert, dass er einen Film mochte, schon bekam er die DVD. Von den üblichen Pflegeprodukten mal ganz zu schweigen. Die sammelten sich in Form von Cremes, Serum, Shampoo, Conditioner und dergleichen stapelweise an. In einem Gespräch mal nebenbei erwähnt, dass er Gucci gut fand, schon bekam er ein Parfüm. Oder auch mehrere. Der Host schnüffelte an dem Zerstäuber und verzog sein Gesicht. Das konnte mit auf den Haufen der Sachen, die er nicht haben wollte. War er undankbar, wenn er die Sachen in Kategorien sortierte? So etwas wie ‚essbar‘, ‚kann ich nicht leiden‘, ‚guck ich mir noch genauer an‘ oder ‚wird gewinnbringend verkauft‘? Yuuki zog nochmals an seiner Zigarette und drückte sie anschließend aus. Er fühlte sich gerade wirklich schlecht. Zwar waren all diese Geschenke extra für ihn gekauft worden, aber sie waren für eine Kunstfigur bestimmt. Eine Kunstfigur, die er selbst erfunden hatte und in deren Haut er schlüpfte, wann immer er seinen Arbeitsplatz betrat. Gespräche, die ein Host führte, über Themen, die ihn eigentlich nicht interessieren. Informationen, die er lieblos weitergab, Interesse, welches er nur heuchelte, weil es sein Job war, den er anscheinend perfekt beherrschte. Kein Geschenk war wirklich für ihn, stillte wirklich SEINE Wünsche. Keines erfüllte seine Ansprüche oder zeigte, dass man ihn wirklich kannte, mochte, liebte. Diese Gewissheit trübte seinen Gemütszustand ungemein. Ob es Karma mit seinem Geschenk genau so erging? Yuuki legte seinen Kopf in den Nacken und starrte seine Zimmerdecke an. Sein Bauch jedoch kribbelte. Sie waren doch nur Arbeitskollegen und er kannte nicht einmal seinen richtigen Namen, nur dieses Pseudonym! Trotzdem hatte er ihm einen Bildband von einem Künstler gekauft, von dem er wusste, dass Karma ihn mochte. Allerdings hatte er es nicht über sich gebracht ihm das Geschenk direkt zu geben. Stattdessen hatte er es einfach unter Karmas Geschenke geschmuggelt in der Hoffnung, dass es so seinen Zweck schon erfüllen würde. Trotzdem machte sich bei ihm nun Ernüchterung breit, wo er sah, was man in seinen Besitz übergeben hatte und wie unsensibel seine Gedanken dazu waren. Gerade fühlte er sich einfach nur ungeliebt und einsam, nicht in der Lage auszudrücken, was seine Sehnsüchte waren. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)