Twenty-four dayz til xmas #2x20 von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 18: Callous ------------------- Callous by Masato Watanabe Als ich das rote Blut an meinen Händen sah, habe ich geweint. Damals war ich vielleicht fünf Jahre alt und schlimm mit meinem Fahrrad gestürzt. Die Verletzungen sind mittlerweile geheilt und zurückblieb nur eine blasse Narbe, die sich über mein Knie zieht. Weiß man nicht, dass sie da ist, so sieht man sie auch gar nicht. Viele Erinnerungen habe ich nicht an meine Kindheit, aber ich kann mich noch an jenen Tag entsinnen, als ich den Jungen, mit dem ich zusammen die Vorschule besuchte, ein letztes Mal sah. Das war sogar außerhalb der Schule, ein zufälliges Treffen unserer Eltern auf der Straße. Sie unterhielten sich und ich weiß nur noch, dass sie über ‚wegziehen‘ redeten. So verlor ich meinen besten Freund. Ich glaube, ich habe geweint. Aber ich weiß es nicht mehr. Trotzdem bin ich der Meinung, dass ich traurig war. Mit zehn verlor ich meinen Hamster Willi. Er war immer da und hörte mir zu, wenn ich die Nachmittage alleine zu Hause verbrachte und die Gepflogenheiten der Erwachsenen auswendig lernte, Verhaltensweisen adaptierte. Und dann kam der Tag, an dem er leblos in seinem Käfig lag, auf der Seite im Sand. Und dann war er weg. Ich weinte, da ich wieder jemanden verloren hatte, der mir nahestand. Meine Mutter schimpfte mit mir, denn Jungen weinen nicht. Ich weinte nicht, als sich meine Eltern stritten. Es ging mal wieder um Geld. Ich weinte auch nicht, als mein Vater meine Mutter schlug und sie mit verheulten Augen vor mir saß, versuchte, ihre blauen Flecken vor mir zu verstecken. Doch die Wunden waren für mich nicht zu übersehen. Trotzdem hatte man mir beigebracht, meine Emotionen zu verstecken, zu unterdrücken, sie niemanden zu zeigen. Ich lachte kaum noch, denn ich hatte nichts zu lachen und weinen durfte ich nicht, selbst wenn ich traurig war, denn das gehörte sich nicht. Klar verspürte ich dieses bedrückende Gefühl in meiner Brust über die Gewissheit, dass ich nun keine funktionierende Familie mehr hatte. Ich empfand Trauer, aber keine Träne floss. Sie ließen sich scheiden, ich blieb bei meiner Mutter. Die Tage verflogen, die Jahre zogen ins Land. Meine Mutter kümmerte sich immer weniger um mich, während ich mich nur noch um meine Freunde kümmerte, die Tage mit sinnlosen Tätigkeiten füllte, die nur dazu dienten, die triste Langeweile zu verbannen. Mein Lachen war künstlich, nie echt. Es machte mir nichts aus, wenn Freunde kamen und Freunde gingen. Ich pflegte ausschließlich oberflächliche Beziehungen, zeigte niemanden das, was sich hinter meiner Maske verbarg. Ich verstand mich mit jedem, mit keinem. So war der Lauf der Zeit. Personen verschwanden, als wären sie nie in meinem Leben gewesen und doch ging es irgendwie weiter. Ein Mädchen trat in mein Leben. Sie war nett anzusehen, aber eigentlich Durchschnitt. Sie war der Meinung, mich zu lieben. Ich wies sie nicht ab, auch wenn ich nicht sagen konnte, dass ich sie liebte. Ich versuchte halt mal diese Sache, die Erwachsene ‚Beziehung‘ nannten. Daraus lernte ich allerdings nur, dass Beziehungen Zeit kosteten und man ständig verfügbar sein musste. Es nervte mich und augenscheinlich fand das Mädchen nicht das, was sie suchte. Wir trennten uns und ich nahm es so hin. Dann war es eben so. Dieses Spielchen wiederholte ich noch mehrfach bis zum Ende der Oberschule. Niemand vermochte, mich zu berühren. Ich ging an die Uni und beobachtete, wie sich Beziehungen entwickelten. Nicht, dass ich in einer steckte, aber die Jungs, mit denen ich abhing, pflegten welche aufzubauen, zu genießen und letztendlich zu zerstören. Es war unterhaltsam mit anzusehen, wie zwei Menschen zusammenkamen, dann aber doch scheiterten. Sei es, weil die Liebe nicht groß genug war, oder die Triebe verrückt spielten und eine dritte Person involviert war. Es gab viele verschiedene Geflechte, die ich in meiner Umgebung ausmachte, wie ein Außenstehender beobachtete. Besser als Filme! Ich selbst fühlte nichts, fühlte mit der Zeit immer weniger. Manchmal kam ich mir vor wie ein Roboter. Nicht einmal zu Mitleid war ich imstande. Einen Fehler konnte ich aber nicht finden. Wie hieß das so schön? Ich war jung und brauchte das Geld? Ja, ich war jung und brauchte definitiv Geld! Mein Vorteil war, dass ich von der Statur sehr nach meinem Vater kam. Ich bin groß und meine Gliedmaßen sind durchtrainiert ohne, dass ich viel dafür tun muss. Meine Sehnsüchte waren ausschließlich materieller Natur, daher fiel es mir nicht schwer, emotionale Aspekte auszublenden. Ich lernte Aki kennen im letzten Jahr auf der Uni. Ein kleiner Typ mit großen Visionen und vielen Ideen. Irgendwie mochte ich ihn. Er vermarktete mich und meinen Körper auf eine Art, die meine Triebe befriedigte, aber meine Gefühle unberührt ließ. Es war ideal für mich, meinen Körper zu verkaufen, arrangierte mich damit, andere für einen Moment zu besitzen und sie dann wieder gehen zu lassen. Ohne, dass sie verletzt werden oder ohne, dass ich verletzt werde. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ich gar nicht mehr in der Lage bin, zu fühlen. Alles scheint auf der Strecke geblieben zu sein. Während andere sich streiten, wieder vertragen, sich versöhnen, Beziehungen eingehen, heiraten, Kinder kriegen oder sonst was, bin ich der einsame Wolf, der weiter durch ein Eislabyrinth irrt. Ich bin mir unsicher, ob es einen Ausgang gibt, ob ich diesen überhaupt finden will oder was mit mir seit meiner Geburt her falsch gelaufen ist. Ich weiß, dass ich einmal in der Lage gewesen war, zu fühlen, das auch zu zeigen, doch auf den Weg hierher scheine ich diese Fähigkeit verloren zu haben. Und so beginne ich jeden neuen Tag in einer eisigen Welt, in der vielleicht jemand auftaucht, der es vermag, ein Feuer zu entfachen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)