Twenty-four dayz til xmas #2x20 von Daisuke_Andou ================================================================================ Kapitel 21: Wenn der Schnee sich verfärbt ----------------------------------------- Wenn der Schnee sich verfärbt by Natsuo Kurokawa Natürlich. Dezember. Und mal wieder eines dieser Jahre, in denen Schnee in Tokio fällt. Schnee ist hier generell selten. Wahrscheinlich weil der Smog dick in den Straßen der Stadt hängt, sodass Eiskristalle nicht den Weg bis nach unten finden. Eigentlich mochte ich Schnee immer. Schnee ist Wasser, nur gefroren. Und ich trage nicht umsonst den Spitznamen ‚Sui‘. Unruhig rutsche ich auf der glatten Sitzfläche meines Hockers in dem kleinen Café in Shibuya hin und her, während ich den fallenden Schnee durch die Fensterfront beobachte. Der angenehme Geruch meines heißen Milchkaffees steigt mir in die Nase. Eine Frau betritt mein Sichtfeld. Sie bleibt stehen, da sich die Leine zu ihrem Liebling gespannt hatte. Nun wandern auch meine Augen zu ihrem Hund. Doch der markiert lediglich das Straßenschild als sein eigen und tippelt mit seinen kurzen Beinchen weiter den hochhackigen Schuhen seines Frauchens hinterher. Mein Blick allerdings wandert zurück zu der Stelle, an der klein Pfiffi eben Halt gemacht hatte. Unaufhaltsam breitet sich dieses Gefühl der Melancholie in meiner Magengegend aus, krabbelt weiter nach oben und schon finde ich mich gedanklich in jenem Ambiente vor 4 Jahren wieder. Der Bass hämmerte, so sehr, dass ich ihn in meinem gesamten Körper spüren konnte, auch wenn sich die Wellen wohl nur auf mein Zwerchfell auswirkten. Der Alkohol hingegen, der an diesem Abend geflossen war, wirkte sich vorwiegend auf meinen Gemütszustand aus. Ich war ausgelassen, und das, obwohl diese Studentenpartys noch nie mein Fall waren. Aber an jenem Abend hatte ich mich dazu überreden lassen mitzukommen. Wir waren in einem Gasthaus, in denen die Austauschstudenten untergebracht waren. Sie interessierten mich nicht, da ich nur deinetwegen dort war. Du. Ryo-chan. So, wie ich dich liebevoll nannte, denn wir verstanden uns seit dem ersten Tag an der Uni ziemlich gut. Zumindest dachte ich das. Oder hoffte ich. Also, viel mehr wünschte ich mir, dass du genau das sahst, was ich meinte, in dir zu sehen, denn ich weiß, dass ich mehr wollte, je länger wir uns kannten. Da sah ich auch über deine merkwürdig geformte Nase hinweg. Oder deine Eckzähne, die aussahen wie Fangzähne eines Vampirs. Auch deine unangebrachten und oft perversen Witze überging ich galant, denn ich meinte, dass irgendwo hinter dieser chaotischen Fassade ein weicher Kern stecken musste. Selbstverständlich war ich der Meinung, dass ich der Auserwählte war, dem der Zugang zu diesem gewährt werden würde. An diesem Abend, in dieser Nacht, kam alles zusammen. Das Haus brannte vor feierwütigen Teenagern, der Alkohol floss, es wurde ausgelassen getanzt und wer eine Abkühlung von der aufgeheizten Stimmung nötig hatte, ging raus in den kleinen Vorgarten oder stellte sich zum Rauchen auf die unbefahrene Straße vor dem Gebäude. So auch wir. Es hatte geschneit, unaufhörlich seit dem Nachmittag, sodass eine dünne Schneedecke auf der Straße und auf den Kiefern lag. Hier und da zogen sich dünne Spuren von Fahrradreifen durch den frisch gefallenen Schnee. Der Boden glitzerte von den Reflexionen der Straßenlaternen. Mir war so unglaublich warm und meine Bewegungen waren unkoordiniert. Wie ich zu der Kippe gekommen bin, ich die geraucht hatte, wusste ich selbst nicht mehr. So einiges was in den Stunden davor passiert war, war an mir vorbeigegangen. Mein Zeitgefühl hatte ich total verloren. Aber dann lehnte ich mich an deinen Oberarm und es war, als erwachte mein Gehirn aus seinem Dornröschenschlaf. „Du, Ryo-chan, ich glaube, ich mag dich mehr! Nein! Ich weiß, dass ich dich mehr mag!“ Ja, genau so gestand man dem Objekt seiner Begierde seine Gefühle nicht. Und noch weniger schmiss man seine Kippe auf den Boden, um seinem potenziellen Freund einen Kuss auf die Lippen zu geben. Und gleich noch einen. Aber komischerweise war es genau dieses Szenario, in dem man einen Kuss zurückbekam. „Ich… dich dann wohl auch!“ Das waren die unsicheren Worte, die an mein benebeltes Hirn weitergeleitet worden waren. Klar merkte ich auch im Rausch die Unsicherheit dahinter, machte mir aber keine weiteren Gedanken darüber, denn viel zu verführerisch war es, diesen sündigen Lippen noch einen Kuss zu stehlen. Bedingt durch den erhöhten Alkoholkonsum und durch dieses Geständnis sprudelten meine Glücksgefühle nur so über. Ich lachte mit dir, genoss die unbeschwerte Zeit, wich nicht mehr von deiner Seite und meinte, mein Ziel erreicht zu haben, als du meinen Namen in den Schnee gepinkelt hast. Der Schnee verfärbte sich gelb, darunter kam Sekunden später der dunkle Asphalt wieder zum Vorschein. Und dann kam der Morgen danach. Von der Euphorie der Nacht war nicht mehr viel übrig geblieben. Mies gelaunte Alkoholleichen überall. Stechende Kopfschmerzen. Ein Hamster auf der Zunge. Überall lagen leere Dosen oder Flaschen. Von genießbaren Essen keine Spur, wobei das flaue Gefühl in meinem Magen davon eh nichts gehalten hätte. Von der Magie der Nacht war nicht viel übrig geblieben und auch der Schnee vom Vortag war geschmolzen. Mein Name ebenso verschwunden. „So etwas habe ich nie gesagt!“ Mit diesen Worten war zwischen Ryoga und mir auch alles gesagt. Selbst heute breitete sich der bittere Beigeschmack der Enttäuschung in meinem Mund aus, wenn ich daran zurückdenke. Schnell versuche ich diesen und die Erinnerung an eine unerwiderte Liebe mit einem großen Schluck von meinem Milchkaffee wegzuspülen. Und trotzdem sucht mich diese Erinnerung immer wieder heim, sobald ich gelben Schnee am Straßenrand sehe… Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)