In den Fängen des Mäusekönigs von KiraNear ================================================================================ Kapitel 1: Weihnachtliche Stimmung ---------------------------------- „Nur noch sieben Tage, dann ist Weihnachten“, sagte White mehr zu sich selbst, als er den Kalender betrachtete. Heute war der 18. Dezember 2020 und obwohl er bereits seine Dreißiger erreicht hatte, freute er sich wie ein Kind auf die Weihnachtsfeiertage. Insbesondere, da er diese mit seiner Familie verbringen würde. Trotz der Mission, die man ihnen noch in der letzten Minute aufs Auge gedrückt hat. Aber ein paar zusätzliche 1000 Credos konnten nicht schaden, auch, wenn er bereits alle Weihnachtseinkäufe erledigt hatte. Wie gut, dass er sich derartige Dinge bereits im letzten Monat vorgenommen hatte, als hätte ich es bereits im November geahnt, dass vor den Feiertagen eine letzte Mission auf mich und meine Crew kommen würde. „Na, alles klar bei dir, White? Oder bist du vor dem Kalender eingeschlafen?“, hörte ich eine vertraute Stimme und als ich mich zu ihr umdrehte, konnte ich direkt aufs Visier von Green sehen. Er war ein netter Kerl, wie ich trug er seinen Raumanzug, wir alle trugen während unserer Missionen unsere Raumanzüge. Sie boten einem stetig frische Luft, waren bequem und außerdem hielten sie einen warm – die vielen Bereiche unser Raumschiffes dagegen waren ständig auf einer Temperatur von 5° Celsius heruntergekühlt, was früher oder später jedem zu kalt werden würde. Als Antwort lachte ich ein wenig. „Ach nein, ich habe nur an meine Familie gedacht und wie sehr ich mich darauf freue, den Feiertag mit ihnen zu verbringen. Meine Frau war nicht so begeistert davon, aber was soll ich sagen, ein Job ist nun mal ein Job, da müssen wir durch.“ Sofort spürte ich Greens Hand auf meiner Schulter, wie immer schienen wir auf einer Wellenlänge zu sein. Wir waren des Öfteren auf einer gemeinsamen Mission, haben auch den einen oder anderen Imposter erfolgreich ermitteln können und sind in der Lage, eine gute Missions-Erfüllungsquote an den Tag zu legen. Alles in allem bin ich froh, wenn wir zusammen für einen Flug oder eine andere Mission eingeteilt werden, vermutlich wissen die das vom Hauptquartier auch. „Das kenne ich, mein Mann hat auch getobt und gezetert, aber er hats dann auch eingesehen. Vor allem, da ich seit seinem Unfall der Einzige von uns beiden bin, der das Geld nach Hause bringen kann. Jedenfalls, ich weiß, er kann mir nicht lange sauer sein und er hat mir mit Sicherheit bereits vergeben.“ Er sah mich an und obwohl man durch die Visiere die Gesichter nicht erkennen konnte, blickte ich ihn mitleidig an. Natürlich wusste ich von der Geschichte hinter dem Unfall, und doch taten mir Green, wie auch sein Ehemann leid. Trotz der Tatsache, dass Green auch mein Gesicht nicht erkennen konnte, wusste er, wie ich mich fühlte und schüttelte den Kopf. „Nun gut, genug des Mitleids, wir sollten uns um unsere Mission kümmern. Immerhin ist sie recht einfach und das Schiff ist auch ausnahmsweise mal gut in Schuss. Hey, hast du Lust, dass wir mal schauen, was es nachher zum Abendessen geben wird? Angeblich soll es Schnitzel geben, aber ich traue Yellow nicht, der lügt doch gerne mal, wenn es ums Essen geht“, witzelte Green und ich musste unter meinem Helm ein wenig lächeln. Dann nickte ich ihm zu.   Allein schon, wie sie unser Raumschiff, die Skeld 018/12 für uns hergerichtet hatten, allein dafür hätte ich Mira HQ eine Dankeskarte in Form eines dicken, glücklichen Weihnachtsmanns schicken können. Hatten sie bereits um die Halloweenzeit das Raumschiff entsprechend dekoriert und verschönert, so hatten sie sich nun weitausmehr Mühe gegeben, um auch dem letzten Crewmitglied eine kleine Weihnachtsstimmung zu verpassen. Geschmückte Tannenbäume aus Plastik, Rentierbilder an den Fenstern; Schalen mit, wenn auch leider falschen Lebkuchenmännern auf den Tischen und Lametta. Lametta überall, soweit das Auge schauen konnte. Lametta in Admins, Lametta in Cafeteria, sogar Lametta in Shields, obwohl sich dort kaum jemand länger als ein paar wenige Minuten dort aufhielt. Zumindest für gewöhnlich. Jeder war in Weihnachtsstimmung gekommen und hier und da hatte ich auch schon mitbekommen, wer sich worauf freut. Red freut sich darauf, seinen Hund wiederzusehen. Cyan freute sich auf ihre Geschwister und Yellow einfach nur auf das gute Essen, dass ihm seine Oma wieder servieren würde. „Ich werde reingehen als Stecken, und rauskommen als Fass!“, hatte er uns bereits mehrere Male erzählt, und ich freute mich für ihn, dass er seine Großmutter noch besuchen konnte. Cafeteria war leer, bis auf mich und Green schien sich hier keiner zu befinden, was mich doch ein wenig wunderte. Wir hatten alle keine Aufgaben, bis auf die eine und sonst gab es überraschend wenig zu tun auf unserem Raumschiff. Mal abgesehen von den kleinen technischen Störungen, hatten wir doch schon weitaus unruhigere Missionen in unserer Karriere gesehen. „Wie es wohl so ist, auf Uranus?“, fragte mich Green und ich zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ich war da noch nie; du offenbar auch noch nicht“, schlussfolgerte ich und dieses Mal nickte Green mir zu. „Schon irgendwie merkwürdig, was kann so wichtig sein, dass es ausgerechnet jetzt nach Uranus gebracht werden muss? Was ist überhaupt in der Kiste, die wir da in Storage drin haben? Irgendeine Krone oder ein Heilmittel oder was?“ Wieder zuckte ich mit den Schultern. „Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, was da drin ist, aber es geht uns auch nichts an. Wir bekommen gutes Geld dafür und bisher sieht es auch ganz gut. Sogar die Imposter geben Ruhe, vermutlich wollen die vor den Feiertagen auch keinen Ärger haben. Oder wir haben das seltene Glück, dass wir ein Imposter-freies Schiff sind. Das könnte doch möglich sein“, sagte ich noch, da hatte Green bereits zu lachen angefangen. „Imposter-frei? Wovon träumst du nachts? Ne, da haben wir bestimmt einen Parasiten an Bord. Aber hey, solange er oder die keinen Ärger machen, ist mir alles recht“, sagte er und orderte sich eine Limo. Ich tat es ihm gleich. Kleine Luken öffneten sich an unseren Helmen, dank derer wir problemlos durch den Strohhalm unsere Limos genießen konnte. Ein Hoch auf die künstliche Schwerkraft, wie wir in diesem Raumschiff hatten. Green hielt seine Flasche in meine Richtung. „Ein Hoch auf Mira HQ, die uns ein paar Tage vor Weihnachten ins All schicken, damit wir in Richtung Uranus fliegen und Paketbote spielen; uns dafür aber ein Schweinegeld zahlen.“ Nun verstand ich, hob meine Flasche und stieß sie sachte gegen die von Green. „Ja, ein Hoch auf unseren zusätzlichen Lohn und eine friedliche Weihnachtszeit“, sagte ich, was ich jedoch sofort bereute. Erst wurde es rot, dann dunkel. Ich konnte mehrere dumpfe Stimmen hören, wie sie in der Nähe von uns auf den Boden fielen. „Was ist denn los?“, fragte ich, doch ich konnte meine eigene Stimme kaum hören. Dafür war der Alarm zu laut, der durch die Lautsprecher tönte. Verwirrt blieb ich sitzen und spürte Greens Hand auf meinem Arm. Ich war mir sicher, hätten wir unsere Raumanzüge nicht getragen, hätte er sicherlich den Angstschweiß auf meinem Arm gespürt. Es war doch alles gut gelaufen, warum jetzt doch auf einmal? Was haben die Imposter vor? „Ok, sieht so aus, als wären es weder die Reaktoren, noch die Luftzufuhr, sonst hätten wir längst eine Meldung vom System erhalten“, versuchte mich Green aufzumuntern. Wieder einmal wusste er um meine Stimmung Bescheid. „Wir warten jetzt erst einmal ab, was los ist. Aber merkwürdig ist das schon.“ „Ja, das ist sehr merkwürdig“, meinte ich zurück und versuchte mich zu orientieren, etwas in dem dunkelroten Licht zu erkennen, doch stattdessen sah ich nur andere Crewmitglieder, die verwirrt aufstanden und ebenfalls versuchten, die Situation zu verstehen. Was war hier nur los? Kapitel 2: Ängstliche Stimmung ------------------------------ „Green, was ist hier los? Das rote Licht brennt, der Alarm klingelt mir in den Ohren, aber ich bekomme weder vom Reaktor, noch von der Luftzufuhr eine Rückmeldung, dass dort etwas nicht stimmt. Wie sieht es bei dir aus?“, fragte ich ihn, hektischer als mir lieb war. Eine derartige Situation hatten wir noch nie. Dass Imposter gerne mal an den Geräten herumspielen und versuchen, die gesamte Crew durch Sabotagen an ihrer Arbeit oder ihrem Weiterleben zu behindern, gehörte längst zum Berufsrisiko. Es war Standard und man wusste sofort, was zu tun war. War es der Reaktor, so musste man ihn einfach wieder aktivieren. War es die Luftzufuhr, so musste man sie einfach wieder aktivieren. Doch das, das war ein Alarm ohne Rückmeldung, wie ein Report ohne Leiche. Technisch gesehen nicht möglich. Und doch drang das laute, wiederholende Geräusch des Alarms durch meinen Helm hindurch direkt in mein Ohr. Es wurde schnell unerträglich. „Möglicherweise ist es eine Fehlfunktion, vielleicht ist es aber auch ein neuer Imposter-Streich, von dem wir bisher noch nie gehört haben. Wer weiß, sie sind immerhin intelligente Lebensformen, ist doch möglich, dass die sich technisch weiterentwickelt haben.“ Greens Worte machten mir wenig Hoffnung, wieder legte er seine Hand auf meine Schulter. Ich sah zu ihm auf und mir war so, als wollte er mich mit einem freundlichen Gesichtsausdruck trösten. Zumindest vermutete ich es, sehen konnte ich es nicht. „Wir bleiben am Besten hier, White, und versuchen einen Überblick zu bekommen, bevor …“ Doch er konnte seinen Satz nicht beenden. Mit einem Mal ging das Licht aus, nur wenige Sekunden später ertönte ein weiteres vertrautes Geräusch und ich war mir sicher, hätten wir beide uns nicht bereits in der Cafeteria befunden, hätte uns der Alarmknopf automatisch zu ihn teleportiert. Es war eine der technologischen Fortschritte von Mira HQ, die die Meisten von uns nicht nachvollziehen konnten. Schnell tastete ich nach meiner Schulter, noch immer lag Greens Hand darauf. Ob wir uns als Freunde bezeichnen konnten, darüber war ich mir nie sicher, aber er kannte und verstand nicht. Er wusste, wie schnell ich dazu neigte, nervös zu werden. Ich konnte spüren, wie meine Hände zu schwitzen begannen; über meine Arme machte sich die übliche Gänsehaut breit. Mit der Zunge fuhr ich mir über die trockenen Lippen, auch wenn der Mund selbst auch nicht sehr viel an Feuchtigkeit enthielt. Wenigstens hatte der Alarmknopf den Alarm deaktiviert, auch wenn es mich immer neugierig machte, was den Alarm ausgelöst hatte. Ob es wirklich nur eine Fehlfunktion war? Das kann ich mir vorstellen … andererseits, die Raumschiffe der Firma waren schon immer recht störungsanfällig. Das müssen wir auf jeden Fall berichten, sobald sich die Lage gelegt hat … Während ich noch überlegte, wie ich den Fehler am besten gegenüber unserem Vorgesetzten formulieren konnte, ohne wie ein inkompetenter Mitarbeiter zu klingen, konnte ich in meinem linken Ohr ein kleines Geräusch hören. War das nicht gerade das Gitter? Ist da nicht gerade jemand in den Lüftungsschacht gesprungen? Gerade, als ich Green darauf aufmerksam machen wollte, kehrte das Licht zurück, heller als zuvor. Geblendet hielt ich meine Hand vors Visier, ein kurzer Blick durch die Runde verriet mir, dass es den anderen nicht anders erging, auch sie schützten ihre Augen vor dem plötzlichen, hellen Licht. „White, alles in Ordnung bei dir?“, fragte mich Green, seine Hand grub sich geradezu in meinen Raumanzug. Um ihn zu beruhigen, nickte ich ein wenig. „Ja, doch bei mir ist alles in Ordnung und bei dir?“, fragte ich zurück, doch er gab mir keine Antwort. Er gab mir nie eine Antwort auf diese Frage und ich hatte mich zwar daran gewöhnt, tat es jedoch weiterhin aus Höflichkeit. Stattdessen sah auch er sich um, langsam hatten sich die Augen aller anwesenden an das Licht gewöhnt, nachdem es erst so stockfinster in Cafeteria war. Ich folgte seinem Blick und versuchte zu erkennen, wer sich noch mit uns zusammen im Raum befand. Spontan konnte ich Yellow, Purple, Orange und Red sehen, letztere hingen wie üblich zusammen rum. Yellow dagegen blickte nur auf ihr Tablet, während Purple uns dagegen beobachtete. Ein Blick durch den Rest des Raums zeigte mir jedoch keine weiteren Crewmitglieder; und verstecken konnte man sich nicht, nicht hinter irgendwelchen Vorhängen oder sonstigen Dingen. Dennoch hatte ich das Gefühl, dass wir einer zu wenig waren … „Ich habe ein merkwürdiges Gefühl“, sagte Green neben mir, er nahm nun seine Hand von meiner Schulter herunter. „Irgendwas stimmt hier nicht, ganz und gar nicht. Aber ich kann nicht sagen, was es ist. Hast du eine Idee, White?“ Doch ich hatte keine. „Nein, ich habe genauso wenig eine Vorstellung davon, was hier gerade passiert, so wie du. Was dein Gefühl angeht, ja, das teile ich, mein Gefühl sagt mir nämlich genau das Gleiche.“ Ein Knarzen erklang aus den Lautsprechern, ganz so, als würde ihn jemand benutzen, was jedoch bisher noch nie vorkam, zumindest nicht in den Missionen, in welchen ich mit dabei war. Ein merkwürdiges Kratzen war zu hören, bevor sich eine dunkel klingende Stimme meldete. „Halli Hallo, meine lieben Crewmitglieder? Na, habt ihr es euch auch schön gemütlich gemacht in Cafeteria? Gut, gut, das wollen wir doch hoffen, immerhin könnte es das letzte sein, was ihr noch genießen werden könnt“, sagte er, bevor er sich selbst mit einem bösartigen Lachen unterbrach. Ich versuchte die Stimme zu erkennen, doch sie sagte mir nichts. Keiner meiner Crewmitgliedern, mit denen ich seit Beginn der Mission mal mehr, mal weniger ausgetauscht hatte, hatte eine solch derartig dunkle und kratzige Stimme. „Was soll das hier? Wer hat uns hier hergerufen? Ich war gerade dabei, einen Download zu starten!“, beschwerte sich Red, was mich verwunderte. Und ich war damit nicht alleine. „Einen Download? Jetzt? Warum bitte schön wolltest du etwas herunterladen, immerhin haben wir keine Aufgaben auf dieser Mission, nur die eine und das ist der Transport der Kiste. Also, was bitte?“, sagte Purple leicht aufdringlich. Er hatte die Arme verschränkt und klopfte nun mit dem Finger auf seinem Ärmel herum. Leise seufzte ich vor mich hin. „Ist doch ganz einfach: Den Speiseplan der nächsten Woche. Oder denkst du, die von Mira HQ waren so schlau, als sie die Pläne bis zum heutigen Tag freigeschalten hatten? Irgendjemand … schlaues hatte vergessen die Speisepläne für die restlichen Tage runterzuladen. Das ist mir aufgefallen und das wollte ich nachholen. Zufrieden, Herr Detektiv?“, fragte er und man konnte ihm deutlich anhören, dass ihm diese Verdächtigung, die Purple mit seinen Fragen in den Raum gestellt hatte, alles andere als billigte. „Verstehe“, meinte Purple nur und drehte sich von Red weg. Dies schien ihn noch mehr zu provozieren. Wütend ging er zu einer der Türen, die, die zu Admin und Storage führte und verließ den Raum. Nun, er hatte dies vor, doch stattdessen lief er gegen die geschlossene Türe, die sich keinen Zentimeter geöffnet hatte. „Na großartig, jetzt hat der Imposter die Tür hier wieder verschlossen“, erwiderte er knurrend und stellte sich vor der Tür auf, mit dem Fuß wippend wartete er darauf, dass sie sich wieder öffnete. Denn eine Tür, geschlossen von einem Imposter, konnte ein Crewmitglied nicht ewig aufhalten. Doch sie öffnete sich nicht. Ein kurzer Blick zu meinen Kollegen verriet mir, wie sie alle gebannt zu Red starrten, ihn dabei beobachteten, wie dieser wiederum die Tür ansah. Dass sie mal verschlossen ist? Passiert. Doch dass sie sich dann nicht mehr öffnet? Das war merkwürdig. Red sah es eher als Provokation, er begann mit den Fäusten gegen die Tür zu trommeln. Eins muss man Red lassen, sein regelmäßiges Trommeln ließ einen musikalischen Hintergrund bei ihm vermuten.   „Hach, ihr kleinen Crewmitglieder seid so unterhaltsam. Aber du kannst gerne so lange an die Tür klopfen, bis du dunkelrot wirst vor Wut, so schnell kannst du den Raum nicht verlassen“, konnten wir die unbekannte Stimme wieder hören und für einen kurzen Augenblick hatte ich vergessen, dass es sie mal gegeben hatte. „Was soll das, was hat das zu bedeuten?“, sagte Red laut und fuchtelte mit der Faust in der Luft herum. Wieder erklang ein Lachen aus den Lautsprechern. „Was das hier zu bedeuten hat? Nun gut, ihr seid einfache Crewmitglieder, ihr werdet das nicht so schnell verstehen. Daher werde ich euch nun aufklären; und nein, ich bin kein Imposter, falls ihr das bereits vermutet habt. Nein, ich bin ein viel höheres Wesen, eins, welches viel edlere Motive hat als das simple Töten von anderen Personen. Auch bin ich dazu viel zu besonders, ich bin eine wirklich wichtige Persönlichkeit. Mein Name ist der Mäusekönig und ich habe das komplette Schiff, wie auch den kompletten Inhalt und Crewmitglieder unter meiner Kontrolle“, sagte er, wieder folgte seinen Worten ein schreckliches Lachen. Es klang von Mal zu Mal immer unangenehmer in den Ohren. „Natürlich bin ich nicht alleine, ich habe auch Komplizen. Sie sind meine Mäuse, sie dienen dem König. Sie sind fleißig, loyal und haben eine genaue Arbeitsweise, auf die kann ich mich verlassen. Und bevor ihr euch nun fragt, was ich von euch möchte, komme ich gleich zum Punkt.“ Wir sahen uns gegenseitig an und zum ersten Mal in meinem Leben wünschte ich, ich könnte die Gesichter der anderen sehen statt nur ihre Visiere. Dass jemand unser Raumschiff kaperte und für sich beanspruchte, kam mir ein wenig merkwürdig vor, doch selbst wenn ich darüber nachdachte, eine wirkliche Antwort konnte ich dafür nicht finden. „Wie ihr alle wisst, ist es eure, nun, zugegeben einfache Mission, eine bestimmte Kiste auf den Uranus zu transportieren. Einer von euch hat den Zugangscode, mit welchem man die Kiste öffnen und den Inhalt an sich nehmen kann. Und wie ihr euch denken könnt … will ich diese eine Person haben. Und wir könnten es uns ganz einfach machen. Diese Person meldet sich, gibt den Code ein und dann nehmen wir uns, was uns rechtmäßig zusteht. Möglicherweise verschonen wir euch, zumindest könnte ich es versuchen“, konnten wir ihn reden hören. Green schüttelte mit dem Kopf. „Achja, um euch einen besonderen Anreiz zu schaffen, mir zu helfen, werde ich jede Stunde ein Crewmitglied verschwinden lassen. Was ich mit ihnen mache? Oh, das überlasse ich einfach euer Fantasie, meine Lieben. Also dann, lasst mich nicht warten, sonst ist am Ende keiner mehr von euch übrig“, sagte er und man konnte ihm das falsche Schmunzeln durch das Mikrofon und die Lautsprecher hindurch ansehen, allein durch die Hohn und den Spott in seiner Stimme. Es folgte ein Knarzen, welches uns verriet, dass der Erpresser mit uns fertig war, zumindest für den Moment.   „Hey, wo ist Cyan?“, fragte Yellow und blickte nacheinander uns und die anderen Crewmitglieder im Raum an. Köpfe wurden geschüttelt, Schultern gezuckt. Offenbar hatte keiner mitbekommen, wann und wo Cyan verschwunden war. Ob er bereits tot ist? Schnell packte ich mein Tablet aus, solange sein Anzug Vitalfunktionen an die anderen sendete, war er zumindest noch am Leben. Doch gerade, als ich den Bildschirmschoner wegschieben wollte, konnte ich Purple räuspern hören. „Glaub mir, da siehst du nichts. Cyans Vitalfunktionen werden immer noch durchgefunkt, er muss also noch am Leben sein“, sagte sie und ihr leiser Tonfall klang sehr eingeschüchtert. Zumindest machte sie immer genau diesen Eindruck auf mich, wenn wir zusammen auf einer gemeinsamen Mission waren. Enttäuscht packte ich mein Tablet weg, als mir das Geräusch wieder einfiel. Jenes, kurz bevor das Licht wieder zurückgekehrt war. Das vom Gitter, welches in die Lüftungsschächte unter unseren Füßen führte. Was, wenn es Cyan war, der durch den Lüftungsschacht verschwunden ist? Was, wenn er ein Imposter ist? Auf der anderen Seite, er hätte locker jemanden in der Dunkelheit töten können, bevor er durch die Lüftungsschächte verschwunden ist. Anderseits … er ist der Einzige, der durch den Schacht verschwunden ist, dass man ihn dann verdächtigt, ist ja mehr als naheliegend. Nur, warum ist er dann abgehauen? Hat er das Licht wieder aktivieren können? Was geht hier vor? Doch dann fielen mir die Worte des Erpressers wieder ein und ich zweifelte an meiner Theorie. „Dann hat es Cyan wohl als erstes erwischt. Armer Kerl, war immer sehr nett. Ich hoffe nur, er ist wirklich noch am Leben“, sagte Green und er klang nicht so selbstsicher, wie er es sonst immer tat. „Ja, das ist so klar wie die Sonne, dass es Cyan erwischt hat. Nicht klar ist allerdings, wie er aus dem Raum verschwunden ist. Natürlich würde ich erstmal vermuten, er ist ein Imposter und er ist einfach durch den Lüftungsschacht geflohen, nachdem wir hierher gerufen worden waren“, sagte Purple und ich fühlte mich ertappt. „Dennoch kann ich ziemlich sicher sagen, Cyan ist kein Imposter. Wir haben vorhin zum Spaß in Medbay den Scanner benutzt und wie ihr wisst, können Imposter das nicht. Sie können keine Aufgaben vortäuschen.“ Das klang logisch, gleichzeitig aber auch wie eine Ausrede. „Wer sagt, dass du nicht sein Komplize bist, immerhin kannst du das auch einfach nur behaupten. Hast du Zeugen dafür? Ich vermute mal nicht.“ Purple blickte in Reds Richtung und ich konnte mir nur zu gut vorstellen, wie dieser unter seinem violetten Raumanzug kochte. „Nein, ich habe keine Zeugen dafür, aber ich bleibe trotzdem dabei. Glaube es oder eben nicht. Jedenfalls, irgendwer hat ihn verschwinden lassen und dass, nachdem wir hierher gerufen wurden. Als noch die Lichter ausgeschaltet waren. Es muss also jemand sein, der hier in diesen Raum war. Oder ein Imposter, der zu uns in den Raum kam … aber wie hat er Cyan rausgebracht? Das verstehe ich noch nicht so ganz …“, fügte Purple hinzu. Ich dagegen hatte ihm nur gelauscht und stimmte ihm in allem zu. Es konnte nur jemand den Button betätigen, der sich direkt daneben befand. War das die Person, die ich vorhin in den Lüftungsschacht hatte entkommen hören? „Abgesehen von Cyan, ich denke mal, es ist ganz klar, wer hier auf jeden Fall sehr verdächtig ist. Hier drin gibt es mit Sicherheit einen Komplizen, der zusammen mit diesem … Mäusekönig zusammenarbeitet. Wie sonst hätte er uns alle hierher rufen können? Und ich bin mir sicher, ganz sicher, dass sagt mir mein Gefühl, dass du es warst“, sagte Purple und deutete in Reds Richtung. Neben ihm befand sich sonst niemand und er verschränkte die Arme. „Wirklich? Ist das dein Ernst? Und was hat dich zu der Annahme geführt, ich würde mit jemanden zusammenarbeiten, der sich als König eines Nagetiers bezeichnet?“ „Das ist ganz einfach“, sagte Purple. „Du bist rot. Die roten sind es meistens, die verhalten sich die meiste Zeit ziemlich verdächtig und außerdem wolltest du ja unbedingt sofort wieder hier rausgehen. Obwohl es dafür keinen Grund gab. Oder etwa doch, wolltest du zu deinen Komplizen zurück?“ Red schüttelte mit dem Kopf. „Was für ein Schwachsinn. Du verdächtigst mich einfach nur wegen der Farbe meines Raumanzugs? Lächerlich. Soll ich dir sagen, warum ich mich für den roten Anzug entschieden habe? Ganz einfach, es ist die Lieblingsfarbe meines Hundes. So, zufrieden?“, sagte er und hob aggressiv die Arme. „Nein, nicht wirklich“, erwiderte Purple. „Denn das kann nun wirklich nicht stimmen, Hunde sind Farbenblind und können daher auch keine Lieblingsfarbe haben. Ziemlich schwache Verteidigung, wenn du mich fragst.“ Dass Purple dieses spontane Verhör genoss, konnte man ihm an der Stimme raushören. Red dagegen ließ die Arme sinken. „Gut, dann ist mein Hund eben farbenblind, aber sein rotes Kissen und meine roten Schuhe trägt er trotzdem gerne quer durch die komplette Wohnung“, sagte er und schwieg anschließend, als wäre das sein abschließendes Verteidigungsplädojer. „Jetzt hör doch mal wieder auf, das führt doch zu nichts“, versuchte es nun Green mit seiner ruhigen Stimme und macht mit seiner Hand eine beruhigende Geste. „Am besten, wir setzen uns einfach mal zusammen und hören mit diesen sinnlosen Anschuldigungen auf, besonders, wenn wir sie nicht richtig beweisen können.“ Dabei blickte er direkt in Purples Richtung. „Wer auch immer der Mäusekönig und seine Anhänger sind, mein Gefühl sagt mir, dass das hier nicht einfach nur eine Erpressung ist. Nein, der Mäusekönig ist uns aufs Schiff gefolgt, er war von Anfang an mit uns auf dem Schiff, er und seine Komplizen. Außerdem hat er die Kiste erwähnt, zu welche er einen Zugang braucht. Ich hab vorhin gesehen, sie ist durch ein Eingabefeld verschlossen, man muss also einen Art Code eingeben, damit man die Kiste öffnen kann. Und genau einer oder eine von uns kennt diesen Zugangscode. Den will der Mäusekönig wohl aus uns herauspressen, dabei hofft er wohl auf die Solidarität unter uns Crewmitgliedern. Er muss uns in den letzten Tagen beobachtet haben. Ich glaube nicht, dass auch nur einer von uns ein Imposter ist, dazu war es die bisherige Mission über zu still, zu friedlich und gestorben ist auch keiner. Nur Cyan ist verschwunden und hoffen wir einfach das Beste für ihn, auf dass wir ihn noch lebend finden können.“ Er sah in die Runde, alle sahen ihn gebannt an. Zumindest machte ihre Körpersprache diesen Eindruck. Green dagegen hatte sehr kompetent und ruhig gesprochen, fast so, als wäre er unser Anführer. „Gut, da wir jetzt alle etwas ruhiger geworden sind“, sagte er und blickte durch die Runde, „… sollten wir am besten uns an den Tisch setzen und reden. Besprechen, wie wir weiter vorgehen, was unsere Chancen sind und wie wir die am besten nutzen können. Aber vor allem müssen wir wissen: Meint er wirklich die Fracht, welche Teil unserer Mission ist, nein, Hauptbestandteil unserer Mission; oder geht es hier um etwas völlig anderes? Lasst es uns herausfinden, gemeinsam.“ Dann setzte er sich an den Tisch und blickte in meine Richtung, in der Hoffnung, ich würde es ihm gleichtun. Das tat ich auch und setzte mich direkt neben ihn an den kreisrunden Tisch. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich diese kleinen Sitze noch nie benutzt hatte, auf keiner einzigen Mission. Offenbar gab es wirklich für alles ein allererstes Mal. Kapitel 3: Aufgeregte Stimmung ------------------------------ Es hatte ein paar Minuten und mehrere fragende Blicke in die Runde gedauert, bis wir alle noch Anwesenden zu uns an den Tisch gesetzt hatten. So saßen wir nun, wie die Ritter der Tafelrunde, an dem Tisch in der Mitte; doch keiner wusste so recht, wer zu sprechen anfangen sollte. Ich blickte zu Green und ich war nicht alleine damit. Er hatte das Ruder an sich genommen und der Rest von uns wartete auf seine nächsten Schritte. Dies war eine Ausnahmesituation. Im Normalfall würden wir alle unseren kleinen und großen Aufgaben nachgehen, hier und da wird bedauerlicherweise eine Leiche gefunden und wir beraten uns darüber, wer der Imposter ist, wer der Mörder der armen Person ist, die gerade aufgefunden worden war. Doch dieses Mal war es anders, dieses Mal ging es um die Sicherheit der Crew und auch der der Mission. „Was auch immer der Mäusekönig haben möchte, es muss etwas sehr Wertvolles sein, sonst hätte er sich nicht die Mühe gemacht, mit seiner Bande ein komplettes Raumschiff zu erobern. Außerdem muss es jemand sein, der sich mit den Techniken des Schiffes auskennt. Nicht einmal ich wusste, dass es einen Alarm geben kann, ohne dass der Reaktor oder die Luftzufuhr daran beteiligt sind“, meinte Green und verschränkte die Arme. Ich kannte diese Geste bereits an ihm, er tat es immer, wenn er angestrengt über etwas nachdachte, meistens wenn er vor den Leitungen stand, die wieder einmal auseinandergerissen worden waren. „Ich bin immer noch dafür, dass Red der Verräter hier ist, er hat den Knopf gedrückt und damit basta!“, polterte Purple und haute mit der Faust auf den Tisch. Red ließ dagegen den Kopf hängen. Er tat mir leid. Ich hatte oft genug mitbekommen, dass die roten Teammitglieder verdächtigt wurden, einfach nur aufgrund der Farbe ihres Raumanzugs. Ich selbst hatte immer versucht, eine Erklärung dafür zu finden. Ein Buch über die Theorie der Farben hatte mich aufgeklärt, dass Rot in der Natur als Signalfarbe galt, meistens ein Signal für Gefahr für Leib und Leben. Eine Signalfarbe, die unsere Urinstinkte reizen und zur Vorsicht mahnen sollte. Doch eigentlich sollten wir darüberstehen, darüber hinwegsehen und rote Kollegen als das sehen, was sie waren: Teammitglieder. Natürlich kam es auch unter ihnen vor, dass der eine oder andere ein Imposter war, doch das ist nicht die Regel. Jeder konnte ein Imposter sein, da kam es nicht auf die Farbe drauf an. Ich sah ein wenig in die Runde, doch der Rest guckt entweder beschämt auf den Tisch oder in seinen digitalen Unterlagen. Ein kleiner Seufzer entwich meinen Lippen. „Purple, bitte, sei nicht so voreilig mit deinen Verdächtigungen. Zumindest solange du keinen Beweis hast, der uns zeigt, dass Red wirklich ein Imposter ist. Nur aufgrund der Farbe das zu vermuten, ist mir persönlich zu wage. Abgesehen davon, wäre Red wirklich einer, hätte er spätestens jetzt das Licht ausgeschaltet und dich gleich mit dazu, allein dafür, dass du ihn beschuldigt hast;“ sagte ich und haute ebenfalls auf den Tisch. Purple verschränkte die Arme. „Und wer sagt uns, dass du nicht der Imposter bist? Warum verteidigst du Red so sehr? Hast du Mitleid mit ihm, dass ich ihn verdächtige, weil du ganz genau weißt, dass du der Verräter unter uns bist? Ist es das, was du mir damit sagen möchtest?“, sagte er hämisch, ich rollte mit den Augen, auch wenn er es nicht sehen konnte. Kopfschüttelnd wollte ich etwas erwidern, da sah ich aus den Augenwinkeln Green, wie er sich erhob. „Bevor jetzt noch weitere Verdächtigungen in den Raum fliegen, lassen wir das. Wie White sagte, wir brauchen Beweise dafür, dass jemand von uns ein Imposter ist. Und nun Schluss damit, die Situation ist seltsam genug. Wir sind immerhin allesamt Geiseln dieses Mäusekönigs, und wenn wir uns selbst beschuldigen; gar sogar gegenseitig per Abstimmung aus dem Raumschiff werfen, wer weiß, ob wir ihm nicht dabei in die Hände spielen. Am besten ist, wir setzen uns in Ruhe zusammen und überlegen uns, wie wir am besten vorgehen sollten.“ Einstimmiges Nicken in der Runde, Green wirkte zufrieden, zumindest vermutete ich es, da er sich ruhig und langsam wieder auf seinen Platz setzte. Purple warf noch einen letzten Blick auf Red, bevor er sich wieder von ihm wegdrehte. Wir alle warteten drauf, dass jemand das Wort erhob, mit einer Idee, einem Vorschlag kam, was nun die nächsten Schritte sein könnten. Doch alles, was kam, war Schweigen. Und ein weiteres Mal die Dunkelheit. Ein weiteres Mal hatte jemand dafür gesorgt, dass es komplett dunkel wurde. Wieder konnte ich hören, wie jemand aus den Lüftungsschächten kam oder in ihnen verschwand.   Kaum war das Licht zurück, blickten wir uns um, versuchen herauszufinden, wer von unserer Tafelrunde verschwunden war. Der Sitz von Red war leer, Purple konnte sich ein „Ich hab es euch doch gesagt!“, nicht verkneifen. Erneut schüttelte ich den Kopf. „Orange fehlt übrigens auch“, konnten wir die leise Stimme von Yellow hören. Nur zu gerne würde ich ihr sagen, dass sie keine Angst haben soll, doch das hatte bereits in den letzten Missionen nicht funktioniert. Vermutlich hatte sie auch einfach ein leises Stimmchen und konnte von Natur aus nicht lauter reden. Verwirrt blickten wir uns um und zu meiner Schande musste ich gestehen, dass mir bis eben nicht großartig aufgefallen war, dass Orange auf dieser Mission mit an Bord gewesen war. „Wie, Orange war bei uns? Na großartig, jetzt hat Red sich mit Orange aus dem Staub gemacht. Armer Kerl, was er wohl mit ihm macht? Ich mag es mir gar nicht ausmalen“, sagte Purple angewidert und schüttelte sich. Yellow dagegen schüttelte nur ihren Kopf. „Sie. Orange ist eine Sie“, sagte sie, was mich ein weiteres Mal erstaunte. Gleichzeitig wunderte es mich nicht, dass Yellow so viel über Orange wusste, zumindest mehr als wir alle anderen hier im Raum. Ich hatte sie oft zusammen mit Red in den Gängen gesehen, doch dass es sich bei dem unauffälligen Orange um ein weibliches Crewmitglied handelte, das war mir auch neu. Ich sah hinüber zu Green, er zuckte nur mit den Schultern. „Außerdem, Red würde Orange nie etwas antun, also … also behaupte das bitte nicht einfach so …“, sagte sie, mit stockender Stimme. Mitleid stieg in mir auf, offenbar kämpfte sie nicht nur gegen ihre eigene Unsicherheit, sondern nun auch mit aufsteigenden Tränen. „Und was macht dich so sicher?“, fragte Purple leicht aggressiv, woraufhin wir ihn alle scharf ansahen. Zwar konnte er das aufgrund der Visiere nicht erkennen, dennoch musste er unsere Blicke spüren. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht angreifen“, ruderte er zurück. „Also, warum hat Red deiner Meinung nach Orange nicht verschleppt? Was weißt du, was wir nicht wissen.“ Unsicher spielte Yellow mit ihren Fingern, das Verhalten konnte ich oft genug sehen, wenn es zu einem Meeting kam. „Orange ist Reds Freundin, die beiden sind seit zwei Jahren zusammen“, sagte sie und machte den Eindruck, als wollte sie unter den Tisch verschwinden. Normalerweise zog sie nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich, wenn überhaupt; und nun die Blicke des gesamten Tisches abzubekommen, war wohl zu viel für sie. „Red liebt Orange, er würde für sie seinen letzten O2 Behälter geben. Ich weiß das, wir sind gute Freunde und erzählen uns alles. Also hör bitte auf, solche Dinge zu sagen. Er ist kein Imposter und war auch nie einer“, da konnte ich auch schon ihr Weinen hören. Green ging zu ihr hinüber und nahm sie sachte in seine Umarmung, sie ließ es schluchzend mit ihr geschehen.   Ein kurzes Knacken ließ uns alle zusammenzucken, zwar hörten wir das Geräusch relativ selten, doch wir wussten, was es zu bedeuten hatten. Die Lautsprecher kamen wieder zum Einsatz. „Lästige kleine Astronauten, so klein, so überflüssig und doch brauche ich euch …. Hört nun gut zu, ihr Maden“, konnten wir den Fremden schon fast brüllen hören, offenbar war seine Geduldsschnur auch nicht gerade für ihre Länge bekannt. Ein Räuspern folgte. „Nun, wie ihr kleinen Maden bestimmt sehen könnt, sind zwei weitere eurer Mitglieder verschwunden. Während ihr noch damit beschäftigt wart, euch gegenseitig als Imposter zu verdächtigen, haben meine Freunde und ich die Gelegenheit genutzt. Jedenfalls wollte ich euch wissen lassen, dass sich die Regeln geändert haben.“ Er lachte auf, unsicher sah ich mich in der Gruppe um. Wir waren nur noch zu viert und da ich Green vertraute, waren Purple und Yellow entweder Freunde oder …. Ich schüttelte mit dem Kopf. Was auch immer der Fremde, der Mäusekönig da vorhatte, ich würde ihn nicht in meinen Kopf hineinlassen. „Ich sagte zwar, dass jede Stunde nur ein Crewmitglied verschwinden würde, aber naja, das würde mir dann doch etwas zu langsam gehen. Daher musste ich … eine Planänderung vornehmen. Um euch einen gewissen Druck zu geben. Wer auch immer von euch den Zugangscode hat, für das Leben eurer Mitglieder, melde dich und ich gebe eure Freunde wieder frei. Um es demjenigen, oder derjenigen, wir wollen ja niemanden ausschließen, einfacher zu machen: Keiner der restlichen Anwesenden, noch einer der Gefangenen ist ein Imposter. Na, das ist doch eine gute Nachricht, nicht wahr? Ihr könnt eure Kameraden alle wohlbehalten zurückbekommen, ihnen ist nichts passiert. Noch nicht. Ich brauche einfach nur den Code, um die Box zu öffnen und alles ist wieder gut. Wir verschwinden und ihr bleibt am Leben. Nun denn, viel Spaß beim Nachdenken. Und die Person mit dem Code, schreib es einfach in den Chat, ich werde dich sofort abholen lassen.“ Ein weiteres Knacken, gefolgt von einem Knarzen, dann verstummten die Lautsprecher ein weiteres Mal. Still blieb trotzdem nicht, Purple schlug immer wieder kräftig auf den Tisch vor ihm ein. „Jetzt reicht es mir langsam! Was soll das hier nur werden? Und warum sollten wir den Code wissen? Wir sind ganz normale Crewmitglieder, verdammt nochmal!“ Immer wieder hämmerte er mit der Faust auf den Tisch ein, ließ diesen seinen aufgestauten Zorn spüren. Green ging zu ihm hinüber, doch Purple wich zurück. „Nein, bleib wo du bist! Wer sagt mir, dass du nicht der Imposter bist. Oder derjenige, der den Code kennt … nein, lass das!“, doch Green tat nichts. Er hob lediglich seine leeren Hände, in Purples Richtung und blieb stehen. „Hör zu, ich kann mir vorstellen, dass dich die ganze Situation nervös macht, mir gefällt es auch nicht. Niemanden von uns gefällt es und ich möchte mir auch gar nicht ausmalen, was passiert, wenn der Mäusekönig uns alle in seine schmierigen Finger bekommt“, versuchte Green die Lage zu entschärfen. Schließlich ließ Purple das Hämmern sein und sackte kraftlos auf seinem Stuhl zusammen. Green schloss die Distanz und klopfte ihm sachte auf die Schulter. „Wir mögen nicht immer der gleichen Ansicht sein und uns auch nicht immer so gut verstehen, aber hier müssen wir zusammenhalten. Der Mäusekönig ist offensichtlich eine sehr ungeduldige Person und wer weiß, was ihm sonst noch alles einfällt. Wir müssen zusammenhalten, alleine sind wir viel zu schwach und gefährdet“, sagte er und reichte Purple seine Hand. Dieser erwiderte die Geste, wenn auch erst recht widerwillig. „Tut mir leid, der Vorfall gerade eben“, sagte er, doch Green schüttelte mit dem Kopf. „Kein Problem, bei uns allen dürften die Nerven blank liegen, auf die eine oder andere Art.“ Er ließ Purples Hand los und sah sich ein wenig im Raum um, beobachtete alle Wände, Ecken und Kanten. Ich folgte seinem Blick, doch was immer er sah, ich konnte es nicht erkennen. Schließlich nickte Green in die Runde. Er nahm einen Stift wie auch einen Zettel, notierte darauf etwas und gab es schließlich erst Purple, dann Yellow und anschließend mir zu lesen: „Der Raum ist verwanzt, der Mäusekönig belauscht uns. Wir sind nur noch zu viert und wir müssen schauen, dass wir erst einmal uns in Sicherheit bringen, bevor wir die anderen retten können. Wir müssen einen Weg aus der Cafeteria finden. Es ist nur eine Theorie, aber ich habe einen Plan. Bitte vertraut mir, wir haben vermutlich nur diese eine Chance und dafür brauche ich die Hilfe von euch dreien.“ Stumm sahen wir uns gegenseitig an, was auch immer Greens Idee sein würde, wir wären dabei. Purple vermutlich, um sich für seine Demütigung uns gegenüber beim Mäusekönig zu rächen. Yellow, weil sie um die Sicherheit ihrer Freunde besorgt ist. Green, weil er wie ein Anführer nur das Beste für uns und die Mission möchte. Und ich? Ich, weil ich das Gleiche wie Green möchte. Wir nickten, Green notierte auf einem zweiten Zettel etwas, was er uns auch wieder nacheinander zu lesen gab. Es waren einfache Anweisungen, jetzt mussten wir nur noch warten, bis die bedrohliche Finsternis erneut über uns einbrechen würde. Und sie ließ auch nicht allzu lange auf sich warten. Kapitel 4: Schleichende Stimmung -------------------------------- Angespannt hielt ich den Atem an, obwohl ich wusste, dass man mich außerhalb meines Raumanzugs nicht atmen hören konnte. Dann spürte ich einen unsicheren, ängstlichen Druck auf meiner linken Hand, während der an meiner rechten Hand fest und selbstbewusst war. Yellow schien das alles mitzunehmen, während Green versuchte die Lage unter Kontrolle zu haben; oder es wenigstens zu versuchen. Leise Schritte waren zu hören, wie sie durch die Cafeteria schlichen, offenbar gab sich der Imposter Mühe, so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Doch da der Boden die meisten Geräusche verschluckte, musste er sich auch nicht sonderlich dafür anstrengen. Angestrengt ließ ich meinen Blick über den Boden wandern, aufgrund der Dunkelheit sah er nichts als unendliches Schwarz in sämtlichen Richtungen, doch mich umzusehen, die anderen mit dem einen oder anderen Sinn wahrzunehmen, mir selbst zu bestätigen, dass die anderen noch im Raum waren – das genügte mir schon. Ich fragte sich gerade, wie lange es wohl dauern würde, bis der Imposter verschwinden und uns wieder alleine lassen würde, da spürte ich einen Druck auf seinem rechten Handrücken. Etwas, was sich wie ein Finger anfühlte, höchstwahrscheinlich der Daumen, bohrte sich in meine Hand hinein. Soweit es unsere Handschuhe zuließen. Ich verstand und wiederholte die Geste an Yellows Hand. Es dauerte nicht lange, bis ich das gleiche Drücken wieder an meiner rechten Hand spürte, ein doppelter Druck, als Bestätigung, dass die Nachricht einmal durch die gesamte kleine Gruppe gegangen war. Dass jeder verstanden hatte, was zu tun war. Sofort ließ ich die Hände meiner beiden Mitstreiter los, alles, was wir nun hatten, waren die Geräusche, die uns führen mussten. Und die kleinen Knicklichter, mit welchen Green uns den Weg wies. Führte uns unter dem einen Tisch heraus unter den nächsten hinein, ein Crewmitglied nach dem anderen. Schließlich konnte ich es erkennen, in dem tiefen Dunkel zeichnete sich ein leicht helleres Dunkel ab, irgendwo in der Ferne schien es Licht zu geben, ein Licht, welches ihm seltsam vertraut vorkam. Erst als wir uns der anomalen Dunkelheit näherten, konnte ich feststellen, dass es sich um die halb geöffnete Tür handelte. Der Mäusekönig hatte offenbar die Tür teilweise geöffnet und Ich benötigte ein paar Sekunden, bis es mir klar wurde, warum. Währenddessen führte Green uns durch den Flur hindurch, mit flotten, aber auch vorsichtigen Schritten schlichen wir den kurzen Weg zu Medbay hinein. Im Gegensatz zum Cafeteria-Boden waren die Böden der Flure nicht gerade schleichfreundlich, jeder normale Schritt hallte durch den gesamten Gang hindurch. Vermutlich hat man in die Herstellung der Gänge weniger Mühe und Material gesteckt, hatte Green mir gegenüber einmal vermutet. Auch jetzt gab es ein kleines Echo, dennoch so minimal, dass ich hoffte, gar betete, dass der Imposter das nicht gehört hatte. Kaum hatten wir alle Medbay erreicht, schlichen wir schnellen Schrittes um die Ecke, dort an den Bildschirm, an welchem wir des Öfteren diverse Proben aussortiert oder bearbeitet hatten. Mit einem gemeinsamen Blick zum Eingang des Raumes versicherten wir uns, dass uns niemand gefolgt war. Dann zogen wir uns zurück, sollte der Imposter den Weg zurück zu seinem Boss über den ihren Weg gehen, dann sollte er uns nicht so schnell zu Gesicht bekommen. „Wow, ich kann nicht glauben, dass das funktioniert hat“, flüsterte Yellow, dabei versuchte sie das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken. Purple verschränkte die Arme und nickte nur. „Ja, es war riskant, aber es war gut, dass wir uns dafür entschieden haben. Ich danke euch, dass ihr mir und meiner Idee vertraut habt.“ Dieses Mal schüttelte Purple mit dem Kopf. „Nun, es ist auf jeden Fall besser als wenn wir weiterhin in der Cafeteria warten und einer nach dem anderen sonst wohin gebracht werden. Und sieh doch, es hat funktioniert.“ „Aber wie hat es funktioniert, woher hast du das mit der Tür gewusst? Hast du das gesehen?“, fiel ihm Yellow ins Wort, woraufhin sich Purples Kopf für ein paar Sekunden in Yellows Richtung bewegte, bevor er wieder Green ins Visier nahm. „Gewusst habe ich es ehrlich gesagt nicht“, flüsterte Green zurück. „Aber ich habe es vermutet. Wenn man über die Vorgehensweise nachdenkt, dann muss es Sinn ergeben. Was ich auf jeden Fall wusste, war, dass es zwei Imposter geben muss. Dass es keiner aus unserer Gruppe war, kann ich auf jeden Fall sagen, denn trotz, dass wir uns unter dem Tisch versteckt hatten, konnte ich das leise Geräusch des Luftschachtgitters hören, wie es verschoben wurde. Und ich habe mir auch vorher schon meine Gedanken gemacht, normalerweise töten Imposter ihre Opfer und lassen sie dann an Ort und Stelle liegen. Doch diese hier entführen ihre Opfer nur, doch durch die Lüftungsschächte können sie sie ja schlecht mitnehmen, dafür sind diese viel zu eng. Nein, nein, sie kommen durch die Lüftungsschächte hinein und während der eine von ihnen den Raum auch auf den gleichen Weg wieder verlässt …“ „Verlässt der andere den Raum durch eine der Türen, um sein Entführungsopfer hinauszutragen. Klingt einleuchtend“, beendete Purple Greens ausgesprochenen Gedankengänge und nickte ausführlich dabei. Seine Stimme klang ernst und ruhig, ohne den gewohnten stechenden Unterton. Green hob den Daumen hoch. „Genau das war auch meine Schlussfolgerung. Also habe ich abwechselnd die Türen beobachtet und geschaut, durch welche er verschwinden würde. Ich weiß zwar nicht, ob es jedes Mal diese Tür hier, die in Richtung Medbay, aber ich sehe es trotzdem als Glücksfall“, erwiderte Green zufrieden. Yellow sah immer wieder zu mir und Green hinüber. „Ein Glücksfall? Das musst du mir nun erklären.“ „Das ist ganz einfach“, fing Green zu erzählen an. „Dadurch, dass wir nun im westlichen Gang sind, können wir uns auch einfach weiter auf den Weg zum Überwachungsraum machen und dort die Kameras ansehen, möglicherweise bekommen wir einen Hinweis darauf, wie viele Komplizen der Mäusekönig wirklich hat und wo unserer Crewmitglieder sind. Vielleicht finden wir auch einen Weg, wie wir die Erpresser finden und ausschalten können. Das wäre auch eine Möglichkeit.“ Purple verschränkte die Arme. „Es ist zumindest besser, als in der Cafeteria zu sitzen und darauf zu warten, wie wir einer nach dem anderen abgeholt werden, wie so ein paar Möbelstücke in der Fundecke des Möbelladens.“ Yellow blickte auf den Boden, mitleidig legte Ich eine Hand auf ihre Schulter, doch diese reagierte nicht. „Verstehe. Ich hoffe, es geht den anderen gut,“ sagte sie mit zitternder Stimme, während ich meine Hand von ihrer Schulter auf ihren Rücken verlagerte, sie an mich drückte und ich ihr langsam über den Rücken strich. „Keine Angst, unseren Freunden geht es mit Sicherheit gut. Und sobald wir sie befreit haben, wird alles wieder gut.“ Ich sah daraufhin zu Purple hinüber, ich hatte das Gefühl, als würde dieser meinen Trostversuch zu sabotieren, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. „Gut, dann sollten wir auf jeden Fall zu Security gehen und dort die Kameras kontrollieren. Ich hab gesehen, dass der Teil des Flurs, der von der oberen Engine in Richtung Süden führt, beleuchtet ist. Vermutlich haben sie nur diesen Flur hier dunkel gelassen, damit wir nicht auf die Idee kommen, in diese Richtung zu schauen und die offene Tür zu entdecken. Was dafürsprechen könnte, dass sie diese Tür die letzten zwei Male benutzt haben“, meinte Green. „Das ist doch nun eher irrelevant“, sagte Purple, die Arme noch immer verschlossen und schloss die Distanz, die er zwischen sich und den anderen aufgebaut hatte. „Viel wichtiger ist doch, dass wir es heil nach Security schaffen. Denn wenn es dort hell ist, bedeutet das, dass uns die Gegner auch mehr als gut sehen können. Außerdem werden sie früher oder später, wenn es nicht bereits soweit ist, bemerkt haben, dass wir nicht mehr in der Cafeteria sind und nach uns suchen. Wir müssen also vorsichtig sein, uns einen genauen Plan überlegen und uns auch genau daranhalten“, sagte er und blickte dabei in die Runde. „Geht es wieder?“, wollte ich von Yellow wissen, bevor er wieder von ihr abließ. Sie nickte, bevor sie ein leises „Danke schön“ in seine Richtung flüsterte. „Gut, dann sollten wir am besten beeilen. Wie Purple schon sagte, wer weiß, wie weit ihr aktueller Stand der Informationen sind und je länger wir hier stehen bleiben, desto mehr Zeit haben die Gegner, uns zu finden. Wenn sie schon Informationen über uns haben, dann sollten wir auch die uns zur Verfügung stehenden Mittel benutzen, um uns Informationen über sie einzuholen. Los, lasst uns keine weitere Zeit verlieren. Und denkt daran, der Gang hallt schrecklich, also sollten wir leise gehen.“ Purple nickte, tippte dabei mit dem Finger auf seinen Oberarm. „Klingt gut, nun lasst uns gehen. In der kleinen Menge sind wir doch stärker als sie, selbst wenn es wirklich nur zwei von denen sind, können die anderen sich immer noch gegen sie verteidigen. Aber nun gut, lasst uns gehen.“   Der Weg zwischen Medbay und Security über die obere Engine hatte sich für uns noch nie so lange angefühlt wie jetzt. Vorsichtig waren wir durch die Gänge geschlichen, hatten skeptisch um Ecken gelinst und kontrolliert, ob uns jemand entgegenkam oder folgte. Doch weder in der einen, noch in der anderen Richtung war jemand zu erkennen, noch zu hören. Wir selbst versuchten, unseren Weg so leise, so vorsichtig und auch so schnell wie möglich hinter sich zu lassen. Es fühlte sich für alle wie eine Ewigkeit an, doch schließlich erreichten wir den Überwachungsraum. Da man diesen von außen nur zu einem geringen Maß einsehen konnte, atmeten wir erleichtert auf. „Manchmal gibt es Momente, in denen Imposter darum beneide, dass sie durch die Lüftungsschächte eine Abkürzung nehmen können. Das hier ist einer dieser Momente“, sagte ich und blickte noch ein letztes Mal zum Eingang, als wollte ich mich noch ein letztes Mal vergewissern, dass von dort keine Gefahr kommen würde, zumindest für den Moment nicht. Während Yellow sich im entgegengesetzten Teil des Raums versteckte, standen Purple und Green vor den vier Monitoren, ein stets vertrauter Anblick. „Normalerweise versuchen wir hier ja immer den Imposter, wenn wir einen haben, auf frischer Tat zu ertappen. Aber jetzt versuchen wir normale Crewmitglieder damit zu finden. Ist das nicht seltsam?“, versuchte Green die Stimmung ein wenig zu lockern, erhielt jedoch keine Reaktion. Er räusperte sich und blickte wieder auf die Bildschirme, woraufhin er wenige Sekunden später deutete. „Seht doch mal, ist das nicht ungewöhnlich? Es ist absolut nichts zu sehen, die Gänge sind leer. Dass sich vor Security und Medbay niemand befindet, das wussten wir ja und ist ein gutes Zeichen. Aber hier, weder in der Nähe von Admin, noch von Navigation befindet sich jemand. Wo sie die anderen wohl gefangen halten? Storage? Admin? Weapons oder möglicherweise doch in Navigation?“ Allgemeines Schulterzucken, niemand von ihnen hatte eine Idee, da üblicherweise, wenn sich jemand in das Raumschiff geschlichen hatte, keine Gefangenen genommen wurden. Mit einem aufgebrachten Schnaufen schlug Purple mit der offenen Hand auf das Kontrollpanel vor ihm. „So ein Mist. Es war ja schon sehr optimistisch, darauf zu hoffen, dass wir irgendwas auf den Kameras zu sehen bekommen könnten, aber wenigstens ein bisschen Hoffnung wäre doch angebracht gewesen. Nun, was machen wir jetzt?“ Wieder Ahnungslosigkeit, wieder indirekte Blickkontakte, die durch die Helme hindurch ausgetauscht wurden. Da erklang ein Wimmern und wir drehten sich zu Yellow am anderen Ende des Raumes um. „Wenn wir doch wenigstens unseren Liebsten zuhause noch einmal Lebewohl sagen könnten. Dann könnten wir uns von ihnen verabschieden … wer weiß, was die Entführer machen, wenn sie alle von uns erwischt haben und ihnen keiner den Code genannt hat. Was, wenn keiner von uns den Code kennt? Sie werden uns alle töten, das werden sie bestimmt!“ Dieses Mal war es Green, der den Raum durchquerte und Yellow in die Arme nahm. Sachte tätschelte er ihren Kopf. „Nein, niemand von uns wird sterben und das werden wir vier, wir zusammen verhindern. Wir werden uns und unsere Freunde retten können, jeden einzelnen von ihnen“, sagte er, während sie sich immer weiter auf seine Worte einließ. Ihre steife Körperhaltung ließ nach und sie sackte ein wenig zusammen. Green hielt sie fest, dann drehte er sich zu den anderen um. „Yellow, ich muss mich bei dir bedanken“, sagte er mehr als erfreut. Mein Gefühl sagte mir, dass Green unter seinem Helm lächelte. „Warum?“, wollte Yellow wissen. „Nun, weil du mich auf eine Idee gebracht hast mit deinen Worten. Dass du mit deinen Lieben Kontakt aufnehmen möchtest. Nun, ich kann es verstehen, aber wir sollten lieber eine Nachricht nach Mira HQ senden. Ihnen eine Nachricht übermitteln, unsere Lage erklären und um Verstärkung bitten. Wenn wir es dann noch schaffen, uns irgendwo hier auf dem Raumschiff sicher zu verstecken und ihnen unsere aktuellen Koordinaten zu nennen, dann werden sie uns mit Sicherheit aushelfen können. Dann wären wir in der Überzahl und der Mäusekönig könnte gar nicht anders, als aufzugeben. Er zusammen mit seinen Schergen. Das ist zumindest die einzige Lösung, die mir gerade einfällt“, gab er zu. Purple, der bis eben weiterhin die Kamerabildschirme im Auge behalten hatte, drehte sich zu Green um. „Nun, das ist eine gute Idee und ich kann verstehen, warum du sie für gut genug betrachtest, um sie uns mitzuteilen. Dennoch, der Weg, den wir bis zu Communications zurücklegen müssten, da ist der kurze Weg von Medbay hierher ein Spaziergang am Morgen mit dem Hund. Weißt du, wo wir überall vorbeimüssen? Das ist sehr gefährlich!“ „Dessen bin ich mir bewusst“, erwiderte Green. „Dennoch ist es unsere einzige Chance, wenn wir versuchen wollen, das Schiff doch noch unter unsere Kontrolle zu bekommen. Oder wüsstest du eine andere Lösung?“ „Nein, nein, die wüsste ich nicht. Ach, ich weiß doch auch nicht. Es ist nur so, für derartige Dinge wurde ich nicht ausgebildet, weder ich noch jemand von euch.“ Er seufzte laut auf, dann schaltete er die Bildschirme zu den Kameraübertragungen wieder aus. Green schaltete sie wieder an. „Dann lasst uns lieber jetzt gehen, bevor ich mir noch Imposter-Fähigkeiten aneigne und meine eigene Haut rette, indem ich einfach davon vente“, sagte er und lachte ein wenig unbeholfen. Die restlichen Drei sahen sich an, dann machten sie sich gemeinsam auf den Weg.   Tatsächlich war der Weg, den wir Vier nun beschritten, alles andere als erträglich oder einfach. War uns der kurze Weg von Medbay zu Security bereits wie ein langer und zäher Spaziergang vorgekommen, so kam uns nun der weitere Weg quälend lang vor. Erneut mussten wir leise durch die Gänge schleichen, mit dem ständigen Gefühl, einen Blick im Nacken zu spüren. Dass wir beim Umdrehen nichts und niemanden erkennen konnten, half uns nur gering dagegen. Als wir den Raum mit der unteren Engine erreichten, blickten wir in alle Ecken des Raumes, in der Hoffnung, nicht fündig zu werden. Der Raum war durch die Engine recht unübersichtlich, besonders hier passieren viele Tötungen, wie ihre bisherigen Erfahrungen erzählten. Wir kamen gerade an der geöffneten Tür von Electrical vorbei, als Purple begann, Yellow in eben jenen Raum hineinzuziehen. Fragend sahen ich und Green ihn an, doch dieser winkte uns hektisch heran. Verwirrt folgten wir ihm in den Raum hinein, blieben rechts und links neben der Tür stehen. „Was ist denn los?“, fragte Green flüsternd, doch Purple deutete ihm mit einer Geste, lieber zu schweigen. Anschließend deutete er aus dem Raum hinaus. Erst waren Schritte zu hören, Schritte, die sich dem ihren Raum immer weiter näherten. Dann sahen wir ihn: Jemand mit einem grünen Raumanzug lief vor dem Eingang von Electrical, sah kurz hinein und lief weiter, in die Richtung, aus welcher sie gekommen waren. Verwirrt blickten wir alle Green an. „Wer ist das und warum sieht er aus wie du?“, fragte Yellow verwundert, wie auch leicht verängstigt. Dabei versuchte sie, sich hinter Purples Körper zu verstecken, was ihr jedoch nur mäßig gelang. Green schüttelte mit dem Kopf. „Nein, das bin ich nicht, und ich kenne diesen Typen auch nicht“, sagte er leicht verzweifelt. Purple nickte, wie schon bereits des Öfteren an diesem Tag. „Green hat Recht, der Fremde sieht zwar aus wie er, aber das ist jemand anderes. Die Farbe habe ich schon einmal gesehen und ihr eigentlich auch. Allerdings wird diese Uniformfarbe so gut wie nie gewählt, daher ist es kein Wunder, dass die meisten Leute überhaupt vergessen haben, dass es sie als Option gibt.“ Yellow trat hinter Purple hervor, jedoch nicht allzu weit. „Was meinst du damit, wann hast du die Farbe gesehen? Und wann sollten wir sie gesehen haben?“ „Das ist ganz einfach“, erklärte Purple und hob die Hände, mit den Handflächen Richtung Decke. „Bei unserem Einstellungsgespräch, zumindest bei mir war es so. Sie haben mir ein Prospekt in die Hand gedrückt und mich gefragt, welche der Farben für die Raumanzüge mir wohl besser gefallen würden. Die meisten sollen die wohl gar nicht erst ansehen, sondern direkt gleich nach ihrer Lieblingsfarbe nachfragen. Ich zumindest habe es mir angesehen und kann mich daher auch direkt daran erinnern, welche Farbe hier gerade an der Tür vorbeigelaufen ist.“ Blicke wurden ausgetauscht, Purple ließ einen leisen, gequälten Seufzer von sich. „Offenbar bin ich der Einzige hier, der das getan hat … nun gut, um euch nicht länger im Dunkeln sitzen zu lassen: Das ist Fortegreen. Aber wie gesagt, es ist eine Farbe, die so gut wie nie ausgewählt wird. Grüne Raumanzüge werden überhaupt nicht so oft gewählt, zumindest nicht so oft wie Rot, Schwarz oder Weiß; aber wenn sich jemand für einen Anzug in dieser Farbrichtung entscheidet, ist es fast immer nur Grün oder Limette.“ „Nun, dieser hier hat sich wohl für Fortegreen entschieden“, sagte ich und blickte in die Richtung, in welche der Fremde gelaufen war. Fast so, als wäre das die einzige Lösung für all unsere Probleme. Kapitel 5: Verletzte Stimmung ----------------------------- Ein paar wenige Minuten lang hatten wir noch gewartet und gehorcht, ob sich der mysteriöse Fremde im grünen Anzug wieder ihrem Versteck nähern würde. Doch wir konnten ihn weder sehen, noch hören, was wir als ein gutes Zeichen deuteten. Vorsichtig blickte Purple in den Flur hinein, erst in die eine Richtung, dann in die andere. Erst, als er nichts sehen konnte, gab er mit seinem hochgestreckten Daumen grünes Zeichen, dann winkte er uns zu sich heran. So schlichen wir, wie bereits zuvor, langsam und leise den Gang in Richtung Storage entlang. Wieder hallte der Boden, wieder waren vorsichtige und sachte Schritte angebracht. Als wir schließlich den Lagerraum erreicht hatten, atmete White auf. Skeptisch sahen sich die Vier im Raum um, schauten hinter Kisten und Kartons, behielten dabei immer wieder die drei Eingänge im Auge. Erst, als wir uns vergewissert hatten, dass sich niemand im Raum aufhielt, außer uns selbst, versammelten wir uns vor ihrer neuesten Fracht: Die versiegelte Box. Ich bemerkte erst jetzt, dass ich mir die Box seit dem Verladen nie einmal richtig angesehen hatte, zu sehr war ich mit den Gesprächen mit Green und seinen kleinen täglichen Aufgaben beschäftigt. Die Box war von der gleichen Höhe wie sie selbst, wenn nicht ein wenig höher; und ihr mausgrauer Farbton ließ sie nicht sonderlich verdächtig aussehen. Nur mit dem starken Spanngurt und dem Eingabefeld, welches gleichzeitig als Schloss fungierte, stach die Box aus den anderen um sie herum heraus. „Sie sieht aus wie die Kisten, die wir üblicherweise transportieren“, stellte Yellow fest und sah sich das Eingabefeld genauer an. „Was da wohl drin ist? Diamanten? Irgendwelche Geheimpläne? Oder vielleicht einfach etwas sehr Leckeres zu Essen, wie zum Beispiel Nudeln?“ Purple schüttelte den Kopf. „Nun, ich denke nicht, dass sich jemand die Mühe macht, ein Schiff zu kapern und so ein kompliziertes Entführungssystem aufzubauen, nur um ein paar Nudeln zu stehlen. Zumindest hoffe ich es nicht“, sagte er und räusperte sich sofort. „Kleiner Spaß beiseite, was auch immer hier drin ist, es ist muss etwas sehr Wertvolles sein, für das sich die ganze Mühe lohnt. Für das sich das Risiko lohnt, gefangen und ins Gefängnis gesteckt zu werden. Allerdings habe ich keine Ahnung, was dort drin sein könnte. Als ich die Mission auf mein Tablet bekommen habe, hieß es nur, wir sollen eine Kiste auf den Uranus bringen. Worum es sich handelt, wollte man mir nicht sagen, das sei Top-Secret, aber angeblich nicht, weil es etwas Besonderes ist, sondern weil es einfach dem Auftraggeber peinlich sei. Ja, ich habe nachgefragt, ihr etwa nicht?“, fragte Purple in die Runde. Dreifaches Kopfschütteln war die Antwort. „Wie dem auch sei, ich hab dann auch keine weiteren Fragen gestellt, solange ich mein Geld bekomme, ist es ja auch egal, was in der Kiste drin ist. Zumindest dachte ich das. Unsere Leute sind in keinen schmutzigen Geschäften drin, soviel ist sicher. Aber die Tatsache, dass wir nun von jemanden erpresst werden, weil er genau diese Kiste, genauer gesagt den Inhalt genau dieser Kiste möchte, spricht dafür, dass es doch nichts Harmloses sein kann.“ „Möglicherweise ist auch Medizin dort drin“, spekulierte Green vor sich hin. „Oder ein Impfstoff. Es könnte sich aber auch um ein Spenderorgan handeln, das jemand auf dem Uranus dringend benötigt; und der Mäusekönig will es entweder für sich oder jemand anderen klauen, der es genauso nötig hat. Das wäre zumindest das, was mir dabei einfallen würde.“ Purple verschränkte wieder seine Arme. „Egal, wie nobel die Gedanken dahinter auch wären, so etwas tut man nicht. Wenn man jemanden sein Spenderorgan braucht, der es dringend braucht, hat meiner Meinung nach keinen Anstand und keine Ehre im Leib. Aber genug davon, es ist egal, wie sehr wir uns den Kopf zerbrechen, wir können niemals herausfinden, was der Inhalt nun genau ist. Und nachsehen können wir ja nicht, oder kennt jemand von euch den Code? Ich kenne nur den Auftrag“, sagte Purple und zuckte mit den Schultern. „Nein, ich kenne ich nicht, ihr beiden?“, gab ich den Stab weiter. „Nein, ich auch nicht“, sagten Yellow und Green fast zeitgleich. „Gut, dann beende ich das Thema hiermit, immerhin haben wir etwas Wichtigeres zu tun. Wer weiß, wie viel Zeit uns bleibt, bis uns jemand entdeckt. Es ist überhaupt schon ein Wunder, dass uns bisher noch niemand gefunden hat. Wir sollten lieber hier nicht trödeln, wer weiß, wann Fortegreen von seiner Tour zurückkommt. Oder wann uns sein Komplize findet, wenn nicht sogar der Mäusekönig selbst. Lasst uns weitergehen, Communications ist nicht mehr sehr weit weg von hier.“   So verließen wir Storage wieder, mittlerweile hatten wir eine kleine Routine darin, wie wir auf dem Gang so leise Schritte wie möglich machen konnten. Schließlich kam Yellow ein Gedanke. „Sagt mal“, flüsterte sie leise, so leise, dass man sie gerade noch hören konnte. „Habt ihr eine Idee, wer dieser Mäusekönig sein soll? Und ob der wirklich so heißt oder ob das nur ein Spitzname ist? „Ich gehe davon aus, dass es ein Spitzname ist. Zumindest habe ich noch nie jemanden getroffen, dessen Name so lautet“, flüsterte Purple zurück, ließ jedoch nicht den Flur vor sich aus den Augen. „Und ihr, kennt ihr ihn?“, fragte Yellow leise und blickte hinter sich, doch wir beiden anderen schüttelten nur den Kopf. Yellow nickte nur, dann wand sie ihren Blick wieder nach vorne und folgte zusammen mit Green und mir Purple in den Kommunikationsraum. Doch sie wurden dort bereits erwartet.   „Sieh an, sieh an, ich hätte mir ja denken können, dass ihr hierherkommt“, konnten wir eine verschmitzte Stimme hören. Wir blickten zur Seite, dort, wo sich der Computer befand, welcher eher seltener benutzt wurde und sahen dort jemanden stehen, in einem Raumanzug mit unbekannter, hellbrauner Farbe. „Aber gut, ihr konntet ja nicht wissen, dass ich ausgerechnet hier mein Lager errichtet hatte. War doch ein strategisch guter Punkt, ich hatte zuerst zu Admin oder Security tendiert, habe es mir jedoch anders überlegt, da es hier ja eher ruhiger ist, in die Ecke des Schiffes kommt kaum jemand her, wenn er es nicht unbedingt muss. War nun doch eine richtige Entscheidung von mir. Lass mich raten, ihr wolltet Mira HQ einen Hilferuf senden, damit sie euch helfen, nicht wahr?“ Purple ballte die Fäuste, worauf hin der Fremde nur zu lachen begann. „Wer bist du und was willst du hier? Was ist dein Plan, was ist in dieser Kiste drin?“, fragte Purple und ignorierte die Frage des Fremden dagegen vollkommen. Er näherte sich ihm dabei „Langsam, Cowboy, langsam. Ich werde euch schon noch alles wissen lassen, warum auch nicht, immerhin habe ich jetzt das Crewmitglied, das ich haben wollte. Los, schnappt euch Yellow und White, ich weiß, dass ihr mittlerweile wieder zurückseid“, sagte der Fremde in die Richtung der Tür, als zwei weitere Personen den Raum betraten: Fortegreen und Black. Diese schnappten sich wie befohlen Yellow und mich, hielten mit einem festen Griff unsere Hände hinter unseren Rücken. „Wie ihr euch denken könnt, ich bin der Mäusekönig und das hier sind meine beiden getreuen Untertanen, Fortegreen und Black. Verzeiht mir den kleinen Spaß“, sagte er amüsiert, faltete seine Hände und lief im Raum auf und ab. „Wie ihr euch auch denken könnt, die beiden sind Imposter, also eine falsche Bewegung oder eine falsche Bemerkung und die beiden, die sie gerade so herrlich gefangen halten, sind Geschichte. Ihr wollt doch keine unnötigen Toten, ich will keine unnötigen Toten, also lasst uns reden. Wie erwachsene Personen, nichts weiter. Danach lasse ich euch gehen, und ihr werdet nie wieder mit mir zu tun haben.“ Dabei wanderte er immer noch hin und her, machte aber einen entspannten, keinen ruhelosen Eindruck. Seine Schritte waren langsam und fest. „Diesen Anzug, den hast du doch gestohlen, nicht wahr?“, wollte Purple von ihm wissen. Der Mäusekönig sah an sich hinunter, dann nickte er, so, als wäre er ein Schüler, der wollte, dass ein Lehrer stolz auf seine Antwort wäre. „Ja, diesen Anzug habe ich mir … dauerhaft ausgeborgt, wenn du es so formulieren möchtest. Diese Farbe nennt man Tan, wusstest du das? Ist eigentlich recht schade, dass sie keiner verwendet und sie passt so gut zu meinem Namen, da musste ich sie mir einfach nehmen. Und da war auch direkt gleich die von Fortegreen, da habe ich eben doppelt zugegriffen. Die Farben werden doch sowieso so gut wie nie benutzt, also warum ihnen hinterherweinen, wenn sie nun sinnvoll benutzt werden?“, sagte er und zuckte mit den Schultern. Doch das schien Purple nicht zu beeindrucken. „Zu deinem Namen? Möchtest du mir ernsthaft sagen, Mäusekönig ist dein richtiger Name? Oder wie darf man das verstehen?“ Der Mäusekönig verstummte, für einen kurzen Zeitraum sah er Purple einfach nur schweigend an, als würde er gerade über etwas nachdenken. Dann begann er erst leise, dann laut zu lachen und hielt sich anschließend den Bauch fest. Verwirrt blickten wir vier uns an, die Imposter dagegen schienen sich nichts anmerken zu lassen. Vermutlich waren sie es von ihm gewohnt oder es war ihnen schlicht zu egal, um sich darüber irgendwelche Gedanken zu machen. „Das hätte ich mir ja denken können, dass du nicht darauf kommst. Bist doch nicht so schlau, wie wir dich alle gehalten haben, inklusive mir selbst. Da ist es ja noch eine viel größere Schande, gegen dich verloren zu haben. Nun denn, was will man auch von einem Verräter anderes erwarten, machen was sie wollen und vergessen alles andere. Oder tu weißt es längst und tust nur so, um mich dumm dastehen zu lassen“, sagte er und klang nun nicht mehr so locker. „Sei ehrlich, du weißt es doch, nicht wahr? Du weißt, wer ich bin, also hör auf mit dem Theater.“ Purple sah erst zu Yellow, dann zu mir und Green hinüber, bevor er mit den Schultern zuckte. Aufgebracht ballte der Mäusekönig die Faust, bevor er sie wieder sinken ließ. Mit hängenden Schultern ließ er ein kurzes, schauriges Lachen von sich, sowohl traurig, als auch eine Spur manisch. Purple zuckte erschrocken zusammen. „Was ist los, Purple, was hast du, kennst du den etwa?“, fragte Green, doch Purple trat nur erschrocken zurück. „Nein, das kann doch nicht sein, du bist … es doch nicht, oder? Nach all der Zeit …“ Das Lachen starb ab, nur ein empörtes Stöhnen war zu hören. „Wow, wer hätte gedacht, dass du so langsam geworden bist. Aber es wird Zeit, dass ich dir alles zurückzahle, was du mir angetan hast. Es ist der Tag der Abrechnung gekommen, Purple. Oder nein, sollten wir lieber sagen, Nutcracker? Wenn wir schon bei alten Zeiten sind.“ Purple sah kurz auf den Boden, dann entschlossen zu dem Mäusekönig. „Mice. Du bist du es wirklich. Kein Wunder, dass du dich als den König der Mäuse bezeichnest, der Name und die Farbe des Raumanzugs passen wirklich zu dir.“ Er schüttelte mit dem Kopf. „Aber das alles ist so lange her, du hast doch wirklich nicht erwartet, dass ich mich wieder an dich erinnere, beziehungsweise sofort erkenne, dass du es bist. Dabei bist du doch schon lange kein Teil meines Lebens mehr. Und jetzt sag, Mice, warum bist du hier? Wenn es wirklich mit uns beiden zu tun hat, warum das alles hier? Warum die Entführung? Warum bedrohst du die anderen, was haben die Crewmitglieder damit zu tun?“ Mice drehte sich um, betrachtete die halb verstaubte Tastatur, die vor ihm auf dem Tisch lag. Strich sachte darüber, als wäre es eine Katze, die ein paar Streicheleinheiten nötig hätte. „Ich bin es also nicht wert, dass man sich sofort daran erinnert, so ist das also. Dann war meine Entscheidung, dich zusammen mit dem Schiff untergehen zu lassen, ja vollkommen richtig. Nach dem, was du mir damals angetan hast, es hat mich zerstört. Zerstört, hörst du?!“, rief er mit stockender Stimme und schlug mit der Faust auf den Tisch. „Du hast sie mir genommen und nun werde ich dir etwas nehmen!“ Purple sah kurz zu uns hinüber, doch lauschten gespannt dem Verlauf des Gesprächs. Auch die Imposter machten den Eindruck, als wären Mices Worte interessanter als ihr eigener Auftrag, sich um mich oder Yellow zu kümmern. „Was … nein, wen hat sie dir genommen?“, fragte Yellow zögernd. Black, welcher sie festgehalten hatte, ließ sie los, woraufhin sie einen Schritt auf ihn zu ging. Sofort drehte sich dieser in ihre Richtung. „Meine Freundin!“, sagte er und man konnte ihn deutlich schniefen hören. „Meine Freundin hat mir dieser Dreckskerl ausgespannt. Gut, wir hatten die einen oder anderen Probleme, aber welches Pärchen hat die nicht? Dann hat sie sich mit ihm angefreundet und ein halbes Jahr später gingen die beiden. Sie hat sich von mir getrennt, mir Lügen an den Kopf geworfen und mich alleine gelassen. Ich bin daran fast zugrunde gegangen und du hast sie mir weggenommen…“ Schluchzend schlug er immer wieder mit der Faust auf den Tisch, doch Purple reagierte nicht. Yellow sah zwischen den beiden hin und her, unsicher, was sie nun glauben sollte. „Wenn du hier schon die Vergangenheit wieder aufblühen lässt, mein Lieber, dann solltest du auch bei der Wahrheit bleiben. Probleme nennst du das, was ihr hattet? Wow, das nenne ich mal Euphemismus. Geschlagen hast du sie, behandelt wie das letzte Stück Dreck und kontrolliert, das war schlimmer als schlimm. Die ständigen Anrufe, die SMS, die Anschuldigungen. Wie oft hat sie mir erzählt, wie knapp berechnet das Haushaltsgeld war, dass du ihr gegeben hast. Wie oft sie blaue Flecken mit Abdeckpuder behandeln musste, damit keiner dazu Fragen stellt. Wie oft ihr die Lügen ausgegangen sind. Wie oft sie sich bei mir oder ihrer besten Freundin heimlich die Augen ausgeweint und diese dann behandelt hat, damit du nicht siehst, dass sie geweint hat.“ Er schüttelte mit dem Kopf, auch ihn schien es viel zu nahe zu gehen. „Viel zu oft, wenn du mich fragst. Es war ihre Entscheidung, ja, ich habe sie dazu ermutigt, aber sie hat sich von alleine entschieden, dich zu verlassen. Akzeptiere das, es ist jetzt sieben Jahre her. Und selbst wenn du dein Verhalten geändert hättest, sie will dich nicht zurück, auch, wenn du das nie verstehen wirst.“ „Nein, nein, das waren alles nur … Ausrutscher! Ich habe ihr beschworen, dass ich mich ändern werde, nur für sie, aber da hat sie schon mit mir Schluss gemacht. Und das alles nur wegen dir!“ Wieder schüttelte Nutcracker mit dem Kopf, doch dieses Mal langsam, sehr langsam. „Du willst es nicht verstehen, nicht wahr? Mary hatte genug von dir, ich hatte genug von dir und du solltest langsam deine Lektion gelernt haben, findest du nicht?“ Ein weiteres Mal wandte sich Mice dem Tisch zu, blickte auf die Tastatur, als könnte er dort Trost und Zuneigung finden. „Sag mir, beantworte mir noch diese letzte Frage, Nutcracker. Ist sie glücklich? Machst du sie glücklich?“ Nutcracker blickte zu Boden, dann zu Mice hinüber. „Ja, sehr. Ich freue mich darauf, nach der Mission auf unseren Planeten zurück zu kehren und die Feiertage mit ihr und der Kleinen zu verbringen.“ Mice lachte kurz auf, ein verzweifelter Versuch eines Lachens. Sämtliche Kraft verließ seinen Körper, und wie es aussah, auch jeglicher Mut zu Leben. Es dauerte eine kurze Weile, dann kehrte es zurück. Zusammen mit seinem manischen Lachen. „Schön, schön, das ist gut zu hören. Dann gibt es nichts weiter, was ich von dir wissen möchte, nur noch eine Sache, die ich von dir hören möchte. Da du doch so eine gute Person bist, die sich um andere Leute kümmert, willst du doch sicher, dass deine Leute sicher nach Hause kommen, nicht wahr? Dann nenn mir einfach den Zugangscode zu der einen Box in Storage und ihr seid frei. Sobald wir uns mit dem Rettungsschiff aus dem Staub gemacht haben.“ Nutcracker hob die Schultern. „Tut mir leid, doch so sehr mir das Leben meiner Crewmitglieder am Herzen liegt, ich kann dir den Code nicht sagen. Ich kann dir auch nicht sagen, was dort drin ist oder warum es unbedingt auf den Uranus muss. Ich weiß nur, es muss dorthin transportiert werden. Und jetzt hör endlich auf, du kannst es immer noch beenden. Jetzt, hier, sofort. Mary wirst du damit nicht zurückbekommen, aber wenn du uns einfach unsere Arbeit machen lässt, dann werden wir dem Hauptquartier auch nichts melden. Sag uns doch einfach, warum du überhaupt diese Ladung haben möchtest, was ist in der Box?“ Wieder begann Mice lauthals manisch zu lachen, sein Lachen hallte von den Wänden wider. Yellow fing zu zittern an. „Wow, in dieser Situation versuchst du zu bluffen? Du hast Mut, das muss man dir lassen. Oder ist es einfach nur Ahnungslosigkeit? Ja, das wird es wohl eher sein. Du hast absolut keine Ahnung, was dort drin ist, das lässt dich unvorsichtig werden. In dieser Box, mein Lieber, ist nicht einfach irgendeine bedeutungslose Fracht, wie dieser übliche Kram, den du und ich durch die Gegend fliegen. Nein, dort drin ist eine Bombe, so mächtig, so gefährlich, dass Mira HQ es an einem sicheren Ort wissen möchte. Nun, ganz richtig betrachtet ist es eine radioaktive Antriebskraft für eine größere Weltraummaschine, aber ein paar Kabel, die hier und da umgelegt werden, voila, schon hat man eine wunderbare Atombombe, mit der man einen halben Planeten wegsprengen kann. Ist das nicht herrlich?“ „Nein!“, schrie Yellow und sank zusammen, die Hände an ihren Kopf gepresst. Da ich nun mittlerweile auch nicht mehr festgehalten wurde, ging ich zu Yellow hinüber und nahm sie in meine Arme. „Du Schwein!“, rief Nutcracker in Mices Richtung. „Was hast du vor? Sag es schon, was hast du vor?!“ „Ist es nicht offensichtlich?“, sagte Mice und blickte zum nächstbesten Fenster hinaus in die unendlichen Weiten des Weltalls. „Ich möchte mit dieser Bombe Mira HQ in die Luft jagen. Es ist zwar um den halben Planeten ein wenig schade, aber ein paar Abstriche muss man ja machen, wenn man dafür etwas richtig erledigt haben möchte, nicht wahr? Habt ihr nicht gemerkt, dass das Schiff den Kurs geändert hat? Natürlich habt ihr es nicht bemerkt, dafür habe ich euch auch nie in die Nähe von Navigation kommen lassen. Nun, wenn ich es richtig sehe, sind wir bald da und dann werden wir den arroganten Mistkerlen von Mira HQ mal so ordentlich Feuer unterm Hintern machen. Sorry, Nutcracker, das wird wohl doch nichts mehr mit dem Weihnachtsgeld“, sagte er, bevor er über seinen eigenen Witz laut lachte. „Und wo sind die anderen? Wo sind unsere Crewmitglieder, was habt ihr mit ihnen gemacht?“ Es dauerte ein paar Minuten, bis sich Mice wieder soweit beruhigt hatte, dass er Nutcrackers Frage beantworten konnte. „Keine Angst, denen geht es gut. Sie sind alle wohlbehalten und sicher in Weapons, meine beiden Freunde hier haben sie gut verschnürt und dort gelagert. Wärt ihr nicht aus Cafeteria abgehauen, würden zwei von euch sich auch dort befinden, in guter Gesellschaft, würde ich sagen. Und nein, ich habe ihnen kein Haar krümmen lassen, sie sind wie Sammelobjekte. Willst mit ihnen einen hohen Preis aushandeln, so behandle sie wie ein rohes Ei und pass auf, dass ihnen nichts passiert.“ Nutcracker drehte sich um, sah erst zu Yellow, dann zu Green, am Ende zu White, der die ganze Zeit über kein Wort rausgebracht hatte und immer noch Yellow tröstete. Dann drehte er sich wieder um zu Mice. „Es tut mir leid, Leute. Ihr wart eine wunderbare Crew und es tut mir leid, was ich vorhin gesagt hatte. Es tut mir auch leid, was ich gegenüber Red gesagt hatte, das hat er nicht verdient, er ist ein gutes Crewmitglied, ich hätte ich nicht wegen der Farbe alleine verdächtigen sollen.“ „Was … was meinst du damit?“, fragte Green verwirrt nach. „Nun, das bedeutet, ich habe absolut keine Ahnung, wie der Code zu der Box lauten könnte. Und ich habe keine Ahnung, was der Irre dort jetzt mit uns machen wird. Es tut mir leid.“ Niemand sagte etwas, Stille legte sich über den Raum. Schwere und dunkle Stille. Mice schritt zum Fenster, man konnte den Heimatplaneten sehen, den Planeten, auf welchem sie alle lebten, auf welchem Mira HQ ihr scheinbar unendlich hohes Gebäude erbaut hatten. „Ich verstehe. Selbst jetzt, angesichts der großen Gefahr und Not, kannst oder willst du mir das Passwort nicht sagen. Das ist ehrenhaft, ich kann das gut verstehen. Nun gut, damit hatte ich gerechnet. Deine Freunde werden mir vermutlich auch nichts sagen können, das kann ich mir schon denken. Von den Gefangenen wusste es auch keiner. Typisch Mira …“, sagte er und legte eine Hand auf das Fenster, aus welchem er hinaussah. „Dann wird es wohl doch Zeit für Plan B.“ „Plan B?“, konnte Nutcracker jemanden sagen hören, und als er sich umdrehte, sah er, wie Black zu seinem Komplizen sah, dieser hob ahnungslos die Schultern. Dann deutete Fortegreen auf Black, doch dieser hob nur die Hände. Nutcracker begriff, was auch immer Mice für einen Plan verfolgen würde, er hatte seine Handlanger nicht darin eingeweiht. „Was hat du vor? Was ist dein Plan B? Und warum wissen offensichtlich die zwei hier nichts davon?“, sagte er und deutete auf die Imposter. Mice strich über die Fensterscheibe. „Es war bisher nicht von Nöten, dass sie meinen Plan kennen. Und jetzt ist es unwichtig. Doch wenn du es wissen möchtest, gerne.“ Er nahm etwas aus seiner Tasche heraus, eine kleines Tablet mit einem roten Knopf drauf, welchen er drückte. Sofort aktivierte sich der Alarm, ein lautes Klingeln ertöten den Raum bevor es wieder verschwand. Doch auch dieses Mal bekamen die Crewmitglieder keine Benachrichtigung darüber, was nun genau betroffen war. Lediglich das Tempo des Raumschiffs schien schneller geworden zu sein. „Mice, du Wahnsinniger! Was … was hast du getan?“, sagte Nutcracker, während ihm die Beine versagten und er auf den Boden versank. Auch spürte er, dass sich die Geschwindigkeit des Raumschiffs beschleunigt hatte. „Nun, das hier wird ein Kamikaze-Angriff. Wir zusammen gegen Mira HQ. Das hier ist mein Plan B. Wenn ich schon nicht die Ladung selbst bekomme, um meine Rache zu bekommen, dann werde ich einfach das Raumschiff in das Gebäude rasen lassen. Komplett werde ich es nicht zerstören können, aber der Schaden wird groß genug sein, um ihnen einen Denkzettel zu verpassen, der sich gewaschen hat. Zeitgleich werden sich dann sowohl der Reaktor als auch die kleine atomare Waffe in die Luft sprengen … der Schaden wird immens werden!“ „Rache? Was haben sie dir getan, dass du dich unbedingt rächen muss?“, wollte Nutcracker wissen. Mice drehte sich zu ihm um. „Für all die Demütigung und die Schmach, die sie mir angetan haben. Die grundlose Kündigung, die sie mir verpasst haben. Dafür sollen sie bluten. Und nun schweig, sieh aus dem Fenster und genieße den schönen Ausblick. Es wird das letzte sein, was du zu sehen bekommst“, sagte er und lachte, lachte so laut, dass es den kompletten Raum erfüllte. Kapitel 6: Finale Stimmung -------------------------- Blicke fielen durch den Raum, Panik füllte die Stimmung, die fast alle von uns fühlten. Wir fühlten sich hilflos und wehrlos, nicht in der Lage, uns unserem kurzem, abrupten Lebensende zu fügen. Auch ohne die Gesichter der anderen zu sehen, waren ich mir sicher, nicht nur auf meinem eigenen die hässlichen Fratze der Angst sehen zu können. Yellow drängte sich an die Wand, kauerte auf den Boden und wiegte sich wie ein kleines Kind, welches verloren ging und darauf wartete, von seiner Mutter abgeholt zu werden. Green sah schließlich nur noch zu mir hinüber, ich dagegen schloss die Distanz zwischen uns und hielt Green meine zitternde Hand hin, welche er mit wenige Kraft in seine eigene schloss. Auch die Imposter machten einen alles andere als selbstsicheren Eindruck. Fragend sahen sie sich immer wieder selbst an, dann ihren Auftraggeber. „Was, was soll das?“, fragte Fortegreen, seine Stimme klang laut und schrill. „Davon hast du uns nie etwas erzählt! Es hieß nur, wir sollen dir helfen, eine sehr wertvolle Fracht zu stehlen, die sich hier in diesem Raumschiff befindet. Du meintest, dass es nicht einfach werden würde, da sie die Fracht nicht einfach hergeben würden. Aber von einer möglichen Atomwaffe hast du uns nie etwas erzählt! Und auch nichts von dieser Selbstmordaktion. Hättest du von Anfang an mit offenen Karten gespielt, dann hätte ich hier niemals mitgemacht!“ Mice lachte auf. „Trottel, was denkst du, warum ich es dir nicht erzählt habe, ich wusste doch, dass ich euch beide hätte niemals engagieren können, wenn ich euch gesagt hätte: Achja, es könnte sein, dass wir mit dem Schiff auch einfach ins Hauptquartier rasen können. Aber dennoch, bis hierher habt ihr euren Job gut gemacht und dafür bin ich euch sehr dankbar. Ihr werdet als Märtyrer der Gerechtigkeit sterben, so viel steht sicher. Ihr könnt stolz auf euch sein, ihr beide. Dank eurer Unterstützung werden wir Mira HQ einen herben Schlag verpassen können!“, rief er entzückt und rieb sich die Hände. Black dagegen hielt sich den Helm zwischen den Händen, immer wieder stotterte er „Das kann doch nicht wahr sein!“, bis ihn Fortegreen mit ein paar Klopfern auf die Schulter zu beruhigen versuchte. Dann sah er zu uns herüber, der normalen Mannschaft des Schiffes. Beobachtete uns alle, bis sich sein Blick mit denen von Green und Nutcracker kreuzte. Sie sahen sich stumm an, es war ein seltener Moment, das wussten sie alle. Es bedarf keiner Worte, um zu das zu beschreiben, was die drei Astronauten in diesem Moment verband. Ohne sich verbal oder über Körpersprache auszutauschen, schienen sie zu wissen, was jetzt getan werden musste. Dass ihnen keine andere Wahl mehr blieb. Nutcracker nickte, Green wartete kurz, sah zu mir herüber und nickte dann ebenfalls. Fortegreen nickte zur Bestätigung und holte sein Tablet heraus. „Ist das nicht großartig? Schon bald werden wir Zeuge eines großartigen Moments sein“, begann er seinen Monolog und starrte aus dem Fenster. Mittlerweile konnte man einen guten Blick auf unseren gemeinsamen Heimatplaneten erhaschen. „Gut, zugegeben, der Moment wird nicht sehr lang sein, aber wie sagt man doch so schön: In der Kürze liegt die Würze. Und diese Würze wird feuriger sein als alles, was diese arroganten Luftköpfe dort unten in der Basis je kannten. Viel Zeit, etwas noch Schärferes kennenzulernen, bleibt ihnen ja auch nicht. Da könnte man fast Mitleid mit ihnen bekommen … aber auch nur fast.“ Er schmunzelte über seinen Witz, womit er der einzige im Raum war. Gerade, als er einer seiner liebsten Anekdoten zum Besten geben wollte, fuhr ein Ruck durch den Raum, durch das gesamte Raumschiff. Die Geschwindigkeit hatte sich wieder auf das normale Tempo reduziert, zeitgleich aktivierte sich der laute wie auch aufdringliche Alarm. Die roten Lampen flimmerten, tauchten wie alle anderen Räume auch diesen in ein rotes, unheimliches Licht. Meldungen erschienen auf der Innenseite meines Helms, der Reaktor war aktiviert worden, der Meltdown stand bevor. Green hob seinen rechten Daumen in die Höhe, Fortegreen tat es ihm nach. „WAS SOLL DAS? WARUM leitet ihr den Reaktor-Meltdown ein? Wir sind noch nicht so weit, was habt ihr vor? Wollt ihr Idioten euch etwa selbst opfern?“, schrie Mice aufgebracht, kaum hatte er sich umgedreht. Fortegreen nickte zur Bestätigung. „Ja, wir opfern uns, denn wir machen bei deinem irren Plan nicht mit. Wie gesagt, hätten wir gewusst, was du vorhast, hätten wir uns nie dafür gemeldet, sondern dich gemeldet oder zumindest aufgehalten“, sagte er, ging hinüber und half der verängstigen Yellow auf die Beine. „Ganz ehrlich, lieber opfern wir uns und sterben im Weltall, als das wir dich bei diesem irren Unternehmen unterstützen. Das ist doch Wahnsinn!“ Yellow sah erst Fortegreen selbst, dann seine Hand an, welcher er kurz in seiner hielt und blickte entschlossen zu Mice hinüber. So entschlossen, wie man es anhand ihrer Körperhaltung ansehen konnte. „Ja, lieber sterben nur wir, als die alle dort unten in Mira HQ. Da sind auch viele Unschuldige dabei, wie kannst du nur? Wie kommt man nur auf so eine Idee?!“, sagte sie, kaum hatte sie ihren Mut wiedergefunden. „WIE Ich nur kann? Ganz einfach, meine Liebe. Die da unten“, sagte Mice und deutete aus dem Fenster hinaus. „Die da unten bekommen einfach nur, was sie verdient haben. Rausgeworfen, das haben sie mich. Unehrenhaft entlassen und nun sollen sie spüren, wie tief der Schmerz über die Schmach und Schande war, in welche ich gestürzt waren. Nun sollen sie stürzen und Schmerzen spüren!" Mit schnellen Schritten näherte er sich Black, nahm ihn etwas unsanft am Arm und zog ihn zur Tür mit. „Und noch ist Zeit dafür, das alles hier aufzuhalten, damit alles seinen rechten Weg geht. Los, Black, wir gehen jetzt sofort, wenn wir rennen, dann schaffen wir es noch.“ Black versuchte sich zu weigern, hatte jedoch weniger Kraft als Mice, welcher nach wir vor am Arm des Imposters zog. Mit dem anderen Arm versuchte sie Fortegreen zu erreichen, doch dieser lief an Black vorbei. „Nicht, wenn ich es verhindern kann“, sagte er, holte seine Pistole hervor und zielte direkt auf Mice. „Das würdest du nicht tun“, sagte er, an seinen eigenen Worten zweifelnd. Da drückte Fortegreen ab, ein lauter Knall ertönte und Mices Körper klappte zusammen. Sein Kopf verschwand, nur noch sein Torso blieb und man konnte den einzelnen, blanken Knochen sehen, der herausragte. „Ich werde nie verstehen, warum die Körper der Toten das machen, egal, wie man sie tötet“, sagte Fortegreen und steckte seine Waffe wieder ein. „Danke euch für eure Hilfe“, sagte Nutcracker und ging auf die Imposter zu. „Aber erlaubt mir die Frage: Warum? Warum habt ihr uns geholfen? Normal wollen Imposter doch die gesamte Crew im Idealfall tot sehen, warum also habt ihr ihn aufgehalten.“ Doch Fortegreen hob nur die Hand. „Dafür werden wir gleich die Gelegenheit haben. Doch zuerst müssen wir uns um den Reaktor kümmern. Nur hinlaufen können wir nicht mehr, dazu reicht uns die Zeit nicht mehr aus“, dabei blickte er auf die sterblichen Überreste von Mice. „Wird Zeit, dass der Kerl einmal in seinem Leben etwas gutes tut“, sagte Fortegreen, packte sein Megafon und meldete den Fund eines toten Körpers.   Kaum hatte Fortegreen seine Meldung über das Megafon abgeschickt, hatte uns das Raumschiff an den gemeinsamen Tisch in der Cafeteria gebeamt, sowohl wir Crewmitglieder, als auch die zwei Imposter standen nun um den Tisch herum. Lediglich Mice fehlte, doch wir vermissten ihn nicht. Der Alarm war wie üblich über die Meldung deaktiviert worden, ebenso wie auch der Reaktor Meltdown. Wir waren nun wieder sicher. „Vielen Dank für eure Hilfe und auch für euer Vertrauen“, fing Fortegreen an und sah einmal in die Runde. „Um deine Frage zu beantworten, ja, ich und Black sind Imposter, wir waren es schon unser ganzes Leben lang. Aber es gibt Imposter, die böse sind und es gibt welche, die tatsächlich Spaß an ihrer Arbeit haben“, sagte er, nahm Blacks Hand. Dieser nickte. „Wir arbeiten gerne auf diesen Raumschiffen, zwar können wir im Gegensatz zu euch keine Aufgaben erledigen, aber dafür können wir die Crew beschützen. Sollte sich mal ein dritter Imposter aufs Schiff schleichen, behalten wir ihn ständig im Auge, damit er den anderen nicht schadet. Oft genug haben wir ihn auch von den anderen Crewmitgliedern rauswählen lassen, damit wir den Auftrag in Ruhe zu Ende bringen können.“ Nun nickte Black, ließ Fortegreens Hand los und sah die anderen nacheinander an. „Ja, wir mögen es hier. Wir mögen es, zusammen mit den anderen unterwegs zu sein, auch wenn wir nicht so sind wie sie. Und wir mögen Mira HQ. Sie haben so viel Gutes für uns getan, da wurde es Zeit, dass wir es ihnen wiedergutmachen konnten.“ „Außerdem“, fügte Fortegreen hinzu, „ist jetzt die Weihnachtszeit und wie ihr wollen auch nach Vollenden des Auftrags zu unseren Liebsten zurück, mit unserer Familie zusammen Weihnachten feiern. Als der Mäusekönig meinen Bruder und mich angefragt hatte, hatte ich nur das Geld im Sinne, ich dachte, wir würden irgendwelche technischen Geräte klauen oder Geld, irgendwas, was nicht so weh tun würde. Aber das … nein, solche Dinge unterstützen wir nicht. Das, nein, das liegt außerhalb meines Verständnisses.“ Fortegreen schüttelte mit dem Kopf. Yellow dagegen hielt ihren Helm zwischen ihren Händen und begann freudig zu quietschen. „Ihr seid Geschwister! Ich wusste gar nicht, dass Imposter Geschwister sein können. Das ist ja soooo aufregend!“, sagte sie mehr als begeistert. „Ja, doch, alle in unserer Familie sind Imposter, doch keiner von uns schadet der Gemeinschaft wirklich. Gut, wir machen hin und wieder einen Job, aber keine Angst, die meisten sind harmlos.“ „Wirklich“, sagte Black freundlich. „Aber die meiste Zeit passen wir auf die anderen auf. Manchmal stört es sie auch nicht, wenn wir venten, um den Reaktor-Meltdown zu verhindern oder den Sauerstoff wieder einzuschalten, nur weil ein dritter Imposter diese gerade sabotiert hat. „Dann spreche ich wohl für die gesamte Mannschaft, wenn ich mich bei euch herzlich bei euch bedanke. Klar, der Teil mit der Entführung war jetzt nicht so gut, aber ihr habt ja auch nur euren Job gemacht und uns gerettet, das rechne ich euch hoch an“, sagte Purple anerkennend. „Und ich möchte mich auch privat bei euch bedanken. Ich hatte ihn tatsächlich nicht sofort im Sinn, aber ich habe mich oft gefragt, was aus ihm geworden ist. Wir waren mal gute Freunde, nun ja, bevor ich das mit seiner Freundin herausgefunden habe. Egal, was habt ihr nun vor?“ „Nicht viel, ich denke, wir helfen euch, eure Mission zu Ende zu bekommen und dann fliegen wir alle nach Hause, die Feiertage genießen?“, schlug Fortegreen vor, zustimmendes Nicken erntete er dafür als Antwort. „Ja, lasst uns diese Mission fertig machen und nach Hause fliegen. Wir alle zusammen“, sagte Purple und ging ein paar Schritte auf den südlichen Ausgang zu. „Aber vorher werde ich noch einen Bericht absetzen, unsere Vorgesetzten werden wissen wollen, warum es bei unserer Lieferung eine kleine Verzögerung gibt. Aber keine Angst, ich werde euch beide nicht erwähnen“, sagte er zu Fortegreen und Black hinüber. „Wie meinst du das?“, fragte Fortegreen unsicher. „Nun, ich hatte mir das so vorgestellt: Ich sage ihnen einfach, dass Mice, nein, Tan, euch dazu gezwungen hatte, so wie er uns zwingen wollte, den Code für die Transportbox an ihn abzugeben. Den tatsächlich niemand von uns hat, reine Vorsichtsmaßnahme, und wie es aussieht, war sie auch vollkommen berechtigt.“ Ein kleines Schluchzen war aus Blacks Helm heraus zu hören, Fortegreen strich ihm tröstend über den Rücken. „Was mein kleiner Bruder damit sagen möchte, ist, dass wir dir dafür sehr dankbar sind. Ich hoffe, wir werden irgendwann eines Tages wieder auf eine gemeinsame Mission geschickt. Dafür befreien wir auch eure Freunde, sie sind viel zu lange und viel zu unnötig in Weapons gefangen gehalten worden. Green, White, Yellow, möchtet ihr mit uns kommen? Ich denke, wir werden dort sehr viel zu erklären haben und es ist wohl besser, wenn ihr uns dabei begleitet.“ „Ja, das wäre wirklich schön, wir sollten nachher noch Nummern austauschen“, sagte Purple, bevor er sich räusperte und von ihnen wegdrehte. „Gut, dann möchte ich keine Zeit verlieren. Auf dass uns unterwegs keine Schwierigkeiten mehr begegnen. Team Uranus, wir haben eine Arbeit zu tun. Auf uns und auf das Leben!“ „Auf uns!“, riefen wir wie aus einem Munde, bevor wir uns auf dem Weg zu unseren jeweiligen Aufgaben machten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)