Eins mit dem Tier von ValnarsKatze ================================================================================ Prolog: Prolog -------------- »Ich weiß, du trauerst noch um deinen Vater, aber es wird Zeit, einen Gefährten zu finden. Du musst heiraten! Eine Hohepriesterin kann doch nicht alleine herrschen.«   Alaine stöhnte genervt. Ständig hing Onkel Vincent ihr im Ohr mit Heirat. Vater war schon fünf Jahre tot und sie kam gut alleine zurecht.   Tief im Inneren wusste sie, dass sie eines Tages jemanden auswählen musste, doch ohne Liebe konnte es für sie niemals eine Beziehung geben.   Aber dafür hatte sie im Moment auch überhaupt keine Zeit.   Alaine lief zu ihrem Spiegel und betrachtete sich. Der Gedanke an ihren Vater schmerzte sie. Der Krieg gegen Uruya hatte ihnen so viel gekostet, aber dass er an der gefährlichen Vampirverwandlung gestorben war, hatte ihre Augen geöffnet. Sie mussten etwas dagegen tun. Es musste einen Weg geben, diese Verwandlung zu kontrollieren!   Schnell fing sie sich wieder, bevor die blutigen Tränen kamen.   Die Sonne ging gerade auf. Alaine begutachtete, wie schön das Asran Imperium aussah, so ganz im rot der Morgensonne. Die Vampire hier im Palast und die Menschen, die von allem hier nichts ahnten, weit unten in ihrer großen Stadt. Sie war sehr stolz darüber, dieses Reich zu regieren.   »Ich hörte, Iranis oder Isthar haben ein paar intelligente Söhne«, fügte Vincent hinzu, als Alaine nicht antwortete.   Sie seufzte und nahm eine Tasse, in denen sie Blutrosen mit einem Löffel zerdrückte. Ihr Onkel drehte sich ungeduldig weg, während Alaine heißes Wasser in die Tasse schüttete. Schließlich lehnte sie sich in ihr Bett aufs Kissen zurück und tat noch eine Weile so, als würde sie darüber nachdenken.   »Du wirst mir nicht antworten, oder?«, schnaubte ihr Onkel betrübt und verschränkte die Arme.   Alaine lächelte nur. Manchmal war es schon ganz spaßig, ihn zu verärgern.   »Mach dir keine Sorgen. Vater hat mir alles beigebracht, was er weiß. Das weißt du doch. Außerdem kommen die neuen Rekruten gleich und ich muss mich um sie kümmern. Du willst doch nicht, dass wir keine fähigen Krieger mehr bekommen, oder?«   Vincent seufzte und beobachtete die Wachen vom Fenster aus. Alaine nahm einen Schluck von ihrem Tee und stand auf, dann lief sie zum Schreibtisch herüber und stellte die Tasse ab, ganz langsam und gelassen, aber das schien ihren Onkel keinen Meter zu bewegen.   Sie legte ihren Kopf in ihren Nacken und schaute ihn an. »Schick meine Dienerinnen zu mir. Ich muss ja für unsere neuen Krieger vernünftig aussehen, meinst du nicht?«, grinste sie und deutete auf ihr langes blaues Nachthemd.   Vincent nickte. »Gut, aber das Thema ist noch nicht beendet. Du kannst nicht immer nur das tun, was du willst.« Damit lief er zur Tür und verließ das Zimmer.   Als er fort war, knurrte Alaine verärgert und setzte sich auf einen Hocker.   Natürlich würde er sie damit niemals in Ruhe lassen ... Kapitel 1: Verwandlung ---------------------- »Nun seht euch das an.«   Valnar schaute Garrin an, der auf etwas in der Ferne zeigte. Wie jeder andere Rekrut liefen sie durch den Waldweg, der so dicht war, dass man kaum etwas sehen konnte.   Als er näher kam, sah er es auch. Dieser gigantische Palast; der Ort, an dem die Vampire lebten und die Hohepriesterin regierte.   »Atemberaubend.« Es war größer und edler als jede Vorstellung. Das Gold des Gebäudes leuchtete stark im Glanz der Sonne.   »Wir haben hart trainiert, um das hier zu erreichen«, fügte Kizuna hinzu und wurde dann selbst aufgeregt. »Unglaublich, dass wir wirklich ausgewählt wurden!«   Garrin blieb stehen und grinste selbstsicher. »Stellt euch vor, wie mächtig wir sein werden! Ewiges Leben! Stärke und Schnelligkeit! Ich kann es kaum erwarten, ein Vampir zu werden.«   Kizuna stellte sich vor ihm und stemmte die Hände in die Hüften. »Vergiss nicht, dass wir auch regelmäßig Blut zu uns nehmen müssen! Das Tier wird nicht einfach zu besiegen sein. Es wird uns bei Blutmangel immer wieder zwingen, in Raserei zu fallen und alles zu töten, nur um an Blut heranzukommen.«   »Ach.« Garrin verdrehte die Augen und schob sie aus dem Weg, aber Valnar hielt ihn an der Schulter fest.   »Sie hat recht, Garrin. Das hier ist kein Spiel. Wir werden zu Tötungsmaschinen, die Gefühle wie Mitleid und Gnade zurücklassen. Du kennst die Legenden.«   Sie hatten keine Ahnung, ob es wahr war, aber Garrin und Kizuna starrten ihn unsicher an. Sie alle dachten an die Geschichten, indem Vampire ganze Dörfer ausrotteten. Es waren geheimnisvolle Wesen und selbst als einfache Bürger, haben sie nie welche zu Gesicht bekommen, sondern lediglich Blut für sie gespendet.   Im Gegenzug beschützten sie die Bevölkerung. Doch wer ein Vampir wurde, durfte nie wieder unter den Menschen weilen. Es war zu gefährlich.   Trotzdem lachte Garrin ihm wieder ins Gesicht. »Ach was, wir packen das schon.«   Valnar musste schmunzeln, als Kizuna die Augen verdrehte, und so setzten sie ihren Weg fort.   Er dachte an seine Mutter; sie wäre stolz auf ihn, wenn sie ihn jetzt sehen könnte. Immer wieder erzählte sie ihm, dass er zu etwas Größerem bestimmt war. Sie war die eine Person gewesen, die immer an ihn geglaubt hatte. Selbst wenn er verprügelt wurde und am Boden lag, erklärte sie ihm, dass er weiter kämpfen sollte. Ein trauriges Lächeln huschte über sein Gesicht. Vor dem schlimmen Fieber hatte er sie nicht retten können und das war ihr Ende gewesen.   Sie führten den Weg schweigend fort. Eine Menge Kirschbäume standen an der Seite und dessen rosa Blätter schmückten den steinernen Pfad. Die Gegend hier war wirklich wunderschön. Viel schöner als alles in der Menschenstadt. Laut Gerüchten lebten Vampire in düsterer und betrübter Atmosphäre, aber das hier? Das war das komplette Gegenteil!   Die Tore waren nicht mehr weit und sie konnten die ersten Wachen in schwarzer Rüstung sehen. Echte Vampire! Valnars Herz schlug schneller, als er direkt in die roten Augen einer Wache schaute. Ohne irgendwelche Worte öffneten sie das Tor und ließen die drei passieren.   Valnar gab seinen Begleitern einen nervösen Blick, welches sie erwiderten. Das Verhalten der Wachen war mehr als kalt. So etwas würde ihnen auch blühen ... Ein Leben mit wenig Gefühlen.   Dennoch schreckte es Valnar nicht ab. Was waren schon ein paar Emotionen, wenn man dadurch ein höheres Wesen wurde?   Im Innenhof waren schon viele Krieger versammelt. Menschen wie sie, die auserwählt wurden.   Einige von ihnen waren am Trainieren, um die Wartezeit zu verkürzen, aber Valnar, Garrin und Kizuna liefen zur Mitte und warteten auf die Ankunft der Hohepriesterin.   »Keinen Bock mehr zu warten«, meckerte Garrin schon nach zwei Minuten.   »Ssh«, zischte Valnar ihn an, bis die Meute anfing zu flüstern und sich in Position stellten. Dann schaute auch er hoch und konnte sie von Weitem sehen: die Hohepriesterin.   Mit Sonnenschirm und Blutschild - so nannten sie die Leibgarde - stieg sie den Weg hinab zu ihnen. Sie hielt sich einen Fächer vor ihr Gesicht, aber Valnar konnte ihre blutroten Augen sehen, die nur vor Autorität strahlten. Die langen roten Haare gingen ihr bis zum Hintern und ihr schwarzes Kleid war bestückt mit Goldschmuck, als es ganz elegant hinter ihr her schwebte. Vorne konnte man dennoch ihre nackten Beine sehen und ihre schwarzen flachen Schuhe. Die Ärmel waren weit, aber als sie einen Arm zur Seite legte, konnte er ihren tiefen Ausschnitt sehen. Er hob rasch den Blick auf ihr schwarzes Halsband, welches einen Rubin in der Mitte beherbergte. Selbst ihr goldenes Diadem auf dem Kopf funkelte mit diesen Steinen.   Genauso hatte er sich eine Hohepriesterin der Vampire vorgestellt. Anmutig, schön, mysteriös ...   Als sie den Fächer zuklappte, konnte Valnar ihr ganzes Gesicht bewundern. Vor allem starrte er auf ihre vollen, dunklen Lippen, als sich ihr Mund öffnete und die spitzen Eckzähne herausragten.   Sie war das atemberaubendste Wesen, welches er je gesehen hatte.   Valnar schaute an sich herab. Im Gegensatz zu ihr war er mehr als unbedeutend ... fast schon schäbig. Sie war für ihn immer nur eine Legende gewesen und jetzt kam sie auf ihm zu. Nie wieder würde er so nah in ihrer Gegenwart sein können.   Das brachte ihn fast um den Verstand und er hielt seinen Schwertknauf fest.   Die Hohepriesterin stoppte am Ende des Pfades und jeder hielt den Atem an.   »Willkommen«, rief sie fröhlich zu ihnen und ihre attraktive Stimme ließ Valnar die Nackenhaare aufstellen. Der Stille zu urteilen, war er nicht der Einzige, dem es so erging.   »Ich bin Hohepriesterin Alaine. Ihr habt hart trainiert, um hier bei mir zu stehen. Doch eure größte Prüfung steht noch vor euch. Ein Vampir zu werden bedeutet, sich nicht dem Tier hinzugeben.« Alaine schien kurz auszuatmen und fing an, über den Innenhof zu laufen. »Das Tier ... Es wartet in jedem von uns und tut alles, damit wir uns der Blutlust ergeben. Die Schmerzen der Verwandlung werden unermesslich sein. Ihr werden in eine Art Trance fallen und müsst das Tier in euch zähmen. Es wird alles tun, um euch zu verschlingen, deshalb werden nur die Stärksten überleben.«   Die Krieger schauten sich nervös an und fingen an zu tuscheln, aber Alaine hob eine Hand, um sie wieder zum Schweigen zu bringen.   »Doch als Vampir werdet ihr niemals alt oder krank werden! Ich schenke euch die Unsterblichkeit und im Gegenzug beschützt ihr mich und mein Reich bis in alle Ewigkeit.«   Valnar war bereit wie noch nie zuvor. Er konnte immer wieder nur an sein Training denken. Oft waren es mehr Meditationen als Kampfübungen. Wenn man so darüber nachdachte, was man vom Tier hörte, ergab es Sinn.   »Dürfen wir auch andere Menschen beißen und verwandeln?«, fragte Garrin komplett selbstgefällig.   Valnar konnte sehen, wie die Hohepriesterin eine Augenbraue hochzog, und wünschte sich, Garrin wäre einfach still geblieben.   »Natürlich nicht.« Alaine klang entsetzt, aber sie fing sich sofort wieder und wandte ihren Blick ab. »Das ist verboten und es würde euch nichts nützen, denn der Biss eines verwandelten Vampirs ist schwächer als der eines Geborenen.«   Sie ging nicht weiter darauf ein und Valnar wollte sich schämen für die Worte seines Kumpanen, doch dieser grinste ihn an und zuckte nur mit den Schultern. Wie konnte er sie so etwas Dreistes fragen? Aber es wunderte ihn auch nicht. So war Garrin nun mal.   Als wäre nichts gewesen, lächelte die Hohepriesterin wieder. »Euer gesamter Körper wird vom Schmutz der Haare gereinigt, während ihr in eurer Trance dem Tier gegenübersteht. Dafür werden meine Diener sorgen.«   »Auch die auf dem Kopf?«, fragte eine Kriegerin panisch.   Alaine schmunzelte. »Nein, keine Sorge.«   Na ja, Valnar hatte schon schlimmeres erlebt. Da war es ihm egal, dass man ihn nackt sehen und rasieren würde.   Die Hohepriesterin wurde nun ernst. »Wenn ihr jetzt Bedenken habt, ist es zu spät. Es gibt kein Zurück mehr für euch; ihr seid für diesen Pfad bestimmt.« Sie drehte sich ruckartig zu ihrer Leibwache um. »Nyria, haltet meinen Sonnenschirm.«   Nyria tat wie befohlen. Sie verbeugte sich und nahm den Schirm wortlos von ihr.   Alaine wandte sich wieder zur Gruppe und öffnete den Mund. »Ab heute werdet ihr mir dienen.« Ihr spitzen Fangzähne waren länger geworden und sie ging auf einen Krieger zu.   Doch als sie bei ihm ankam, schreckte er zurück. »Nein! Ich kann das nicht!«, schrie er. »Ich bin nicht bereit dafür!« Der Mann drehte sich um und rannte zum Tor, aber die beiden Torwachen stellten sich ihm in den Weg und knurrten ihn an. »Narr«, fauchte Alaine. Sie brauchte nur einen Sprung, um ihn zu erreichen, dann packte sie ihn an die Gurgel und hob ihn hoch. »Ihr habt zu viel gesehen. Wenn Ihr jetzt flieht, werdet Ihr ohnehin sterben.«   Vor Angst zitternd nickte der Krieger, sodass Alaine ihn wieder losließ. Valnar hatte Mitleid mit ihm, aber er hätte es besser wissen sollen. Der Mann keuchte und sackte auf die Knie.   »Von nun an seid ihr Brüder und Schwestern. Mächtige Vampire und Teil meiner Armee.« Es dauerte keine weitere Sekunde, bis die Hohepriesterin ihm in den Hals biss.   Der Krieger stieß einen Schrei aus, bis er anfing, sich vor Schmerzen zu krümmen und immer lauter schrie. Dann war es vorbei und er fiel in Ohnmacht.   Valnar schluckte. Er wusste, dass die Schmerzen schlimm werden würden, aber das ... war schon fast abartig. Aber er blieb standhaft, denn auch diese Qual würde vergehen und ihn stärker machen.   Er ging alles tausendmal in seinem Kopf durch, erinnerte sich an all die positiven Dinge des Vampirdaseins, während die Krieger eines nach dem anderen anfingen zu schreien und zusammenzusacken.   Bis die Hohepriesterin plötzlich vor ihm stand.   Valnar blickte direkt in ihre roten Augen und er konnte sich nicht bewegen, konnte nicht atmen. Sie musterte ihn und griff nach seinen Schultern, als sie sich bereit, machte ihn zu beißen. Das war es. Die größte Schlacht seines Lebens. Entweder starb er heute oder wurde zum Vampir.   Aber anstatt das Alaine ihn biss, lächelte sie ihn an.   »Ihr habt ganz schnuckelige Gesichtszüge.«   Valnar war völlig überrumpelt, lief rot an, während sie nach seinem Kinn fasste. Hatte er sie richtig gehört oder war das nur eine Einbildung? Er öffnete den Mund, aber ihm fiel keine Antwort ein. Dann ging alles furchtbar schnell: Ihre Eckzähne bohrten sich schmerzvoll in seinem Hals und nur einen Augenblick spürte er das Gift, das sich in seine Adern breitmachte, bis die Schwärze ihn ergriff.   Leise und ruhig schlug Valnars Herz in seinen Ohren, sonst nahm er nichts wahr. Dann plötzlich diese Qual. Er fühlte sich, als würden riesige Zähne sich an ihm festbeißen; er krümmte sich vor Schmerzen und schrie, spürte die eigenen Eckzähne wachsen und fauchte vor Wut.   Alles wurde still. Er öffnete die Augen und keuchte vor Verwunderung. Komplette Schwärze mit Millionen von leuchtenden kleinen Sternen war alles, was er sah. Auf einmal fiel er ins Nichts, spürte seine Knochen knacken und brechen, als etwas in seinen Inneren versuchte, zu entkommen. Was war dieses Gefühl? Es war heiß wie Glut und brachte ihn fast um den Verstand. Sein Herz raste und ... dieses Brennen! Als würde heißes Metall durch seine Adern durch gepumpt werden.   Das Monster in seinem Inneren wurde immer stärker und versuchte ihn immer weiter dazu zu treiben, zu töten. Valnar atmet schwer, schwitzte, fletschte die Reißzähne. Irgendwann musste dieses fürchterliche Leid doch ein Ende haben! Er ließ ein Fauchen hören, gefolgt von einem Knurren. Diese Kreatur vernebelte seine Gedanken und er wollte alles zerfetzen!   Er stolperte und stand vor einem Haus. Seinem Haus aus der Kindheit! Der Geruch des Blutes war stark. Das Tier sprach mit ihm, drängte ihm, er sollte sich am Blut der Sterblichen laben. Er grinste und lachte leise, Zähne fletschend. Das war eine hervorragende Idee und er verstand nicht, wieso er sein halbes Leben trainiert hatte, dagegen anzukämpfen. Schnell bewegte er sich und riss die Tür auf, dann starrte er auf einen weiblichen Körper, der in der Mitte des Raums auf den Boden lag.   Die grünen Haare ... Er erkannte sie sofort: seine Mutter. Valnar dachte, sie wäre tot, aber sie öffnete die Augen und lächelte ihn an.   »Dein Hunger ist groß, Valnar. Trink mein Blut. Nur das kann dich retten.«   Er kniete sich vor ihr hin und der Duft ihres süßen Blutes übernahm alle seine Sinne. Ihr Herzschlag wurde immer lauter, hämmerte in seinem Kopf, umarmte lieblich jede Faser seines Körpers. Etwas drückte zu und zwang ihn, sich zu nähren. Die langen Fangzähne glitten über ihren Nacken und er öffnete seinen Mund weit. Die Stimme seiner Mutter war im Einklang des Tieres in seinem Inneren.   »Töte mich«, befahlen sie. »Nur das kann dich retten! Nur das wird dich befreien!« Plötzlich merkte er, wie falsch das alles war und mit einem Ruck sprang er von ihr weg. Was machte er denn hier nur? Das war eine Illusion. Nichts hiervon war echt! Es war ein Test! Valnar griff sich am Kopf. Er musste die Stimme in seinem Inneren bezwingen, aber als die Bestie bemerkte, dass sie ihm aus den Fängen glitt, wurde er überflutet mit Gefühlen von Wut, Gier und Hass. Der heiße Schmerz in seiner Brust kam zurück, viel schlimmer als vorher. Glühende Stangen rammten sich in seinem Leib, spießten ihn auf und ließen ihn in seinem eigenen Blut ertrinken.   Nein! Es wurde zu viel! Seine Seele würde zerreißen!   Mit einem Fauchen riss er sich los und rannte aus dem Haus zurück ins Nichts. Seine Wunden wurden geheilt und sein Blut verschwand, bis er auf die Knie fiel. Er war so kurz davor aufzugeben ... Es war so viel einfacher, sich sofort zu ergeben.   Nein ... Nein! Das durfte nicht passieren! Valnar fauchte und umarmte sich selbst. Dieses Tier in ihm würde nicht die Kontrolle übernehmen! Egal, wie sehr es versuchte, ihn zu quälen! Die Sterne verblassten, als er dagegen ankämpfte. Sein Hals wurde zugedrückt und er bekam Atemnot, bis sein Herz aufhörte zu schlagen und er in einem Ozean landete.   Stille.   Valnar ließ sich treiben, war erschöpft von den furchtbaren Schmerzen. Aber sie waren wie weggeblasen und nach, was sich anfühlte wie eine Ewigkeit, schaute er sich um. Dieser Ozean war aus reinem Blut, aber er durfte es nicht trinken, spürte, wie das Tier wie ein Hai darauf wartete. Es nagte an seiner Seele, versuchte ihn wieder zu drängen, doch ignorierte er es und schwamm weiter, bis er unter sich ein weißes Licht entdeckte.   Das war die Befreiung, wonach er sich sehnte! Es war das Ende.   Er schwamm schneller und schneller, bis er es endlich erreichte und das Licht so sehr strahlte, dass er sich das Gesicht in den Armen vergraben musste.   Dann wurde alles schwarz ... Kapitel 2: Der dunkle Krieger ----------------------------- Valnar öffnete die Augen und starrte auf einem wackelnden Muster an einer Decke. Was genau war das hier? Er blinzelte noch ein paar Mal, bis er realisierte, dass es Wasser war, welches an der Decke spiegelte. Seine Sicht war viel schärfer als vorher und auch seine Ohren konnten das leise Plätschern des Wassers wahrnehmen. Doch sein Herzschlag war fort.   Als er dann neugierig mit seiner Zunge über seine kleinen Fangzähne fuhr, war es ihm endgültig klar: Er hatte es geschafft.   Er setzte sich auf und bemerkte die schwarze Lederrüstung der Vampire an seinem Leib. Testweise bewegte er seine Hand und lauschte dem knirschenden Ledergeräusch. Was für eine Ehre. Noch nie war er dermaßen stolz auf sich gewesen. Zwar hatte er das Tier gezähmt, aber er spürte es immer noch in sich schlummern. Ganz leise drängte es ihn und Valnar hatte ein leichtes Gefühl von Kampfeslust, fühlte, wie sein Blut kochte. Aber es war noch nicht so stark, dass er es nicht kontrollieren konnte, und das sanfte Echo der Wasserquelle beruhigte ihn.   Vielleicht waren die Vampire deshalb so kalt, weil das Tier ständig eine Belastung war, doch Valnar fühlte sich nicht so. Zumindest noch nicht.   Zum ersten Mal schaute er sich um. Sie waren in einer Art Tempel und er sah viele der Krieger auf Steinbänken liegen, so wie er es tat. Einige waren hellwach, andere wiederum veranstalteten ein Kräftemessen mit ihren Fäusten. Darunter war auch der Krieger, der vor der Hohepriesterin fliehen wollte.   Und der Rest ...   Nicht jeder hätte es schaffen können, das war ihnen von Anfang an klar, aber Valnar erfuhr am eigenen Leib, warum es so war. Fast hätte auch er sich verloren.   Er lief den Gang entlang und hielt Ausschau nach Garrin und Kizuna, konnte sie aber noch nirgendwo sehen. Plötzlich hörte er einen lauten Schrei, gefolgt von einem wütenden Knurren. Auf einem der Steinbänke stand eine Kriegerin mit langen grauen Haaren, die Augen rot vor Blutgier.   »Ich werde euch alle töten!«, fauchte sie, kam aber nicht weit, als zwei Wachen sie packten und auf den Boden drückten. Sie schlug wild um sich und knurrte.   »Wenn du dich nicht beruhigst, werden wir dich eliminieren«, drohte eine der Wachen und Valnar sah, wie gewaltsam sie gegen ihre Wut ankämpfte. Das erkannten auch die Wachen und hoben sie hoch, dann führten sie sie weiter in den Tempel hinein.   Das Tier brannte stark in ihr und hatte die Kontrolle übernommen. Valnar hatte Mitleid; sie war so kurz davor gewesen, doch hoffentlich schaffte sie noch die Kurve.   »Hey, du lebst ja immer noch!«   Valnar musste sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, wer mit ihm sprach.   Garrin klopfte ihm auf die Schulter und grinste ihn an. Auch wenn er manchmal ein ziemlicher Idiot war, war Valnar froh, dass er überlebt hatte.   »Du anscheinend auch«, lachte er.   »Hast du Kizuna gesehen?«   Valnar schaute sich noch einmal um, aber sah ihre gemeinsame Begleiterin nicht. »Nein, ich-«   Die neuen Vampire wurden still und machten Platz, als die Hohepriesterin den Tempel betrat, begleitet von ihrer Leibgarde und jemand Neuem mit dunkelblauen Haaren. Er sah aus wie eine Art Magier und sein Blick strahlte eine Arroganz aus.   Alaine lief an den Steinbänken vorbei und schaute betrübt auf die Leichen hinab. Bei einer rothaarigen Dame blieb sie stehen.   »Deine Schwester hat es nicht geschafft, Nyria«, flüsterte sie zu ihrer Leibgarde. Der Schmerz war deutlich erkennbar in Nyrias Gesicht, doch sie nickte und zwang sich wieder zu ihrem neutralen Gesichtsausdruck.   »Ich erlaube es«, flüsterte Nyria zurück, worauf Alaine ihrem männlichen Begleiter zunickte.   Valnar hatte keine Ahnung, worum es ging, aber es ging ihn auch nichts an und er versuchte dieses Gespräch auszublenden.   Alaine wandte sich an die Überlebenden. »Ich bin stolz auf euch, meine Krieger. Ihr seid die, die es mit starkem Willen geschafft haben. Doch werden wir die Toten nicht verachten, sondern ihnen eine würdige Beerdigung widmen.« Sie faltete die Hände zusammen und winkte die anderen Wachen zu sich. »Aber zuerst will ich sehen, wie ihr gegeneinander kämpft! Das heiße Blut in euren Adern muss abgekühlt werden, aber treibt es nicht zu weit. Wir wollen keine weiteren Toten.«   Valnar war froh, dass zu hören. Auch alle anderen Krieger wurden beim Gedanken zu Kämpfen aufgeregt, wollten sich die Zähne abstoßen. Er musste sich eingestehen, dass er töten wollte, wollte irgendetwas zerreißen, aber er schüttelte hastig den Kopf.   Nein, das war nur das Tier.   »Na endlich! Ich warte hier schon seit Stunden darauf mal etwas zu tun«, flüsterte Garrin, aber Valnar schaute sich weiter um.   »Ich hoffe, Kizuna ist hier noch irgendwo.«   Immerhin waren sie so etwas wie eine Art Freunde gewesen. Garrin schüttelte nur den Kopf, aber er sprach seinen Gedanken nicht aus.   *   Unglaublich! Das Kolosseum war fast so groß wie eine ganze Abteilung der Menschenstadt. Der Sand auf dem Boden war voller getrocknetem Blut. Die Euphorie breitete sich noch stärker in Valnar aus und sein Tier wollte bei dem Geruch mitmachen, aber Valnar fauchte und drängte es geistlich zurück.   Wachen und Krieger Veteranen füllten die Sitze und schauten gespannt auf sie herab, jubelten ihnen zu. Die Hohepriesterin war nirgends zu sehen. Vielleicht war sie weiter oben?   Bevor er weiter darüber nachdenken konnte, öffneten sich die Tore und die neuen Krieger wurden aufeinander losgelassen.   Sofort griffen sie sich gegenseitig an wie wilde Tiere. Valnar parierten einen Schlag eines Kriegers mit seinem Schwert und drängte ihn zurück. Er fühlte die außerordentliche Stärke, die er nun besaß, und lachte, als er einen weiteren Krieger das Schwert aus der Hand schlug und ihn zu Boden stieß.   Nichts und niemand konnte ihn aufhalten!   Fauchend sprang der Krieger auf, seine Augen vor Wut zerfressen. Was machte er denn da? Er sollte sein Tier zurückdrängen!   Ohne Waffe griff er Valnar an, versuchte ihn zu schlagen und zu zerreißen. Valnar wich ihm geschickt aus, wurde aber dann doch an der Schulter erwischt. Sein eigenes Tier meldete sich, wollte, dass er sich für diesen Frevel rächte. Er fauchte und bleckte die Zähne. Fast hätte er sich der Stimme hingegeben und ihn erstochen, aber stattdessen boxte er seinem Gegenüber so feste ins Gesicht, dass Blut aus seiner Nase spritzte und ihn auf die Knie zwang.   »Tut mir leid!«, rief er ihm noch zu und rannte weiter ins Gemetzel hinein.   Garrin versperrte ihm den Weg und hob seinen Säbel. »Ich wollte dir schon immer mal ein paar aufs Maul geben«, lachte er und Valnar musste grinsen.   Noch bevor sich die beiden duellieren konnten, tauchte jemand neben ihnen auf und stieß sie zu Boden.   Valnar hustete den Sand aus, der sich in seine Lunge gesammelt hatte und schaute hoch. Ein Krieger, komplett in Schwarz mit einem Helm.   »Das nennt ihr kämpfen?«, lachte er und lenkte so die Aufmerksamkeit auf sich. Einige wütende Vampirkrieger stürzten sich auf ihn, aber mit Leichtigkeit wich er ihnen aus und lachte weiter. Er war unglaublich schnell! Und seine Hiebe mit dem Schwert trafen seine Gegner so gezielt, dass sie sofort zu Boden gingen.   Einer nach dem anderen landete neben ihn, bis fast niemand mehr stand. »Kommt schon! Ihr wollt doch eure Wut herauslassen!«, spottete er. »Was seid ihr denn für Krieger, wenn ihr nicht einmal einen Gegner aufhalten könnt?«   Gereizt hob Garrin den Säbel und knurrte. »Na warte, den mach ich platt!!« Er sprang auf den Angreifer zu und prompt hatte er den Schwertknauf des Kriegers im Magen. Verstört rissen seine Augen auf, während er auf die Knie sackte.   »Ver ...dammter Mistkerl«, keuchte er.   Valnar nahm die Chance, den Krieger sofort zu attackieren. Dieser war so verwundert, dass Valnar es schaffte, ihm am Arm zu streifen.   Aber nur gering.   Der dunkle Krieger sprang zur Seite, schlug den Schwertknauf in Valnars Rücken, sodass er mit dem Gesicht wieder in den Sand landete.   Seine Knochen schmerzten und Valnar hörte nur noch das Jubeln. Als er den Kopf hob, stand kein einziger der neuen Krieger mehr, nur dieser eine.   Zu seiner Überraschung hielt der Gewinner ihm die Hand hin. Valnar war erst verwirrt, griff sie dann aber und zog sich hoch.   »Nicht schlecht«, lobte er. »Aber geh die Sache nicht so impulsiv an und achte mehr auf deine Verteidigung.«   Beschämt nickte Valnar ihm zu. Verdammt, er hatte sich so unbesiegbar gefühlt. Zwar war er nun ein Vampir, aber er war wohl noch ziemlich fern davon, wirklich gut zu sein.   *   »Dieser verdammte Krieger!«, schimpfte Garrin, als sie den Weg entlang liefen. »Was glaubt der eigentlich, wer er ist? Wenn ich noch ein bisschen mehr trainiere, kriegt der so eine aufs Maul!«   Valnar antwortete ihm nicht, dann stellte Garrin sich vor ihm und versperrte ihm den Weg. »Und du! Du hattest nur Glück, klar? Bilde dir bloß nichts darauf ein. Ich bin weit besser als du.« Garrin drückte seine Hand auf seine Brust, um ihn zu wegzustoßen, aber Valnar schlug sie weg und machte einen Schritt auf ihn zu.   Sofort entfachte sich das Feuer in ihm. »Ach ja? Ich hab ihn ganz sicher nicht durch Glück getroffen! Das war alles Können! Dein Versuch war mehr als lachhaft«, knurrte er. Wütend griff Garrin ihm an die Schultern und Valnar tat es ihm gleich. Seine innere Stimme feuerte ihn an, wollte, dass es eskalierte, wollte Blut sehen. Sie waren gerade dabei, sich zu prügeln, bis er eine andere Stimme wahrnahm.   »Herrgott noch mal! Da ist man für ein paar Stunden weg und ihr seid euch wieder nur am Streiten!«   »Kizuna!«, riefen Valnar und Garrin gleichzeitig. Sofort ärgerte Valnar sich, dass er sich auf den Streit eingelassen und sein Tier mit Zorn gefüttert hatte. Das durfte nie wieder passieren.   »Wo warst du?«, grinste Garrin und klopfte ihr auf die Schulter. Auch sie trug dieselbe schwarze Lederrüstung und ihre Augen funkelten rot.   »Ich hatte wohl etwas länger gebraucht. Fast hätte ich es nicht geschafft ... Es war furchtbar.«   Valnar nickte ihr zu. Sie musste keine Details preisgeben. Das Tier suchte nach allen Erinnerungen, die ihnen am meisten wehtaten und versuchte, diese für sich zu nutzen.   »Ach, war doch voll leicht. Das Tier ist auch nur eine Lusche«, fügte Garrin hinzu und Kizuna gab ihn einen bösen Blick.   Aber Valnar und Kizuna wussten beide, dass er das nur sagte, um stark zu wirken.   »Jetzt bist du aber auch komplett rasiert, oder?«   »Garrin!!!«, keifte Kizuna und schlug ihm auf den Hinterkopf.   Schon war wieder alles so wie immer.   *   Sie kamen an einem großen Platz an, wo die Krieger, die es nicht geschafft hatten, in einer Reihe lagen. Sie waren nackt und komplett mit Blutrosenblüten bedeckt. Nur ihr Gesicht konnte man sehen.   Hohepriesterin Alaine sprach einige Worte, eine Erinnerung, wie gefährlich das Tier war. Valnar musste seufzen. Er wurde selbst ständig daran erinnert.   »Der Kampf im Kolosseum hat euch hoffentlich gezeigt, dass ihr euch eurer Raserei nicht hingeben sollt. Ihr habt noch sehr viel zu lernen.« Alaine gab Valnar dabei einen kurzen Blick. Sie hatte wohl alles gesehen. »Ihr müsst stets die Kontrolle bewahren, auch nachdem ihr das Tier gezähmt hat. Es ist euer ständiger Begleiter, bis in alle Ewigkeit.«   Sie griff nach einer großen Fackel und zündete die Blüten an.   »Mögen sie Frieden finden«, flüsterte sie fast, als die Leichen anfingen zu brennen.   Der Duft von Rauch und Rosen vernebelte die Luft und rote Reste der Blüten stiegen in den Himmel hinauf, bis der Geruch von verbranntem Fleisch in seine Nase eindrang.   Valnar würde niemals aufgeben. Niemals würde er den Kampf gegen seiner Bestie verlieren, sondern sie mit eisernen Willen auf die Knie zwingen. Komme, was wolle! Er war der alleinige Herr seiner Seele. Kapitel 3: Blutdurst -------------------- Am nächsten Morgen.   Zum ersten Mal seit seiner Verwandlung konnte Valnar sich alleine entspannen. Jeder Krieger bekam sein eigenes Zimmer, sogar mit Bad. Vampire schienen hohen Wert auf Bäder zu haben, aber er verstand auch wieso. Das Wasser hatte immer eine beruhigende Wirkung auf die Seele und dem Tier.   Er stieg aus der Badewanne und wollte nach Handtüchern suchen, aber blieb vor dem Spiegel stehen und betrachtete sich.   Eher gesagt, die Tätowierung auf seinem Arm. Die Hohepriesterin hatte ihnen gestern ein bisschen davon erzählt. Sie kam mit der Verwandlung und seins war ein Rabenmotiv mit einigen Elementen, wie Sonne und Mond. Alles, was einen Vampir der Licht und Schatten Affinitäten ausmachte. Es war nicht einfach zu erkennen, aber der Rabe besaß den Körper eines Löwen. Das war für ihn schon außergewöhnlich.   Laut Alaine hatten Vampire drei verschieden Affinitätengruppen, welche zufällig in jedem Vampir erwachten. Licht und Schatten, Feuer und Status und Eis und Blut.   Warum man diese Affinitäten nicht beeinflussen konnte, war nicht bekannt.   Valnar drehte seinen Arm etwas herum. Es ging von Schulter bis Handgelenk und war pechschwarz. Er hatte Garrin und Kizuna gar nicht gefragt, welches sie bekommen hatten, aber dafür war später noch genug Zeit.   Was man damit wohl anstellen konnte? Solche Geheimnisse lernten sie als Neulinge noch nicht.   Nachdem er sich noch einen Moment weiter betrachtet hatte, fand er ein Handtuch in einem der Schränke und breite es auf dem Bett aus, dann legte er sich darauf und starrte auf das Blutrosenmotiv an der Decke.   Er überlegte, ob er sich den morgendlichen Druck erleichtern sollte, aber dafür hatte er keinen Kopf. Das Gefühl war stärker geworden, so wie alles andere. Gestern war es noch nicht so extrem gewesen. Alle seine Sinne waren schärfer denn je und selbst seine Muskeln fühlten sich härter an, als er über sie strich. Er schnupperte in der Luft und nahm den Geruch der frischen Morgenluft wahr. Als Mensch war es ihm nie so sehr aufgefallen. Die Leidenschaft für die kleinsten Emotionen machten sich in ihm breit und dabei dachte er immer, dass er diese als Vampir verlieren würde. Welch Macht er nun besaß! Es war unglaublich. Mehr, als er sich hätte erträumen lassen können.   Schließlich drehte er sich auf die Seite und drückte sein Gesicht in die weiche Matratze.   Später.   Valnar spazierte über den Burghof und ein drohendes Gefühl von Durst machte sich in ihm breit. Seine Kehle brannte und sein Tier schrie nach Nahrung, zerrte an seiner Seele. Du musst töten. Du musst dich nähren. Immer wieder versuchte es, ihn zu drängen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er sich zwang, die Kontrolle zu bewahren.   Aber langsam wurde es unerträglich.   Aus Verzweiflung hockte er sich vor einer Pfütze und schlürfte das Wasser hastig aus seinen Händen.   Natürlich half es nicht. Es verringerte das Verlangen kein bisschen.   Er brauchte Blut.   Die Bestie sehnte sich danach und er stimmte ihr zu. Valnar stand auf und taumelte den Weg entlang, bis ein lieblicher Geruch in seine Nase eindrang. Am Ende kniete eine Dienerin, die sich um einige Blumen kümmerte. Er konnte ihr Vampirblut riechen, so süß und mächtig.   Seine Eckzähne wurden länger und ragten aus seinem Kiefer, bereit sich in seine Beute zu verfangen.   Knurrend hielt er sich den Schädel. Bloß nicht! Er durfte seine Verbündeten nicht angreifen!   Valnar stöhnte auf, lehnte seine Stirn gegen die Mauer und prügelte gedanklich auf die Stimme ein, aber sie rief nach mehr. Kurz überkamen ihn Aggression und Hass, aber dann ließ er sofort ab, als das Tier verstummte.   »Du schaffst das schon«, flüsterte er sich selbst zu. »Denke einfach an nichts.«   Plötzlich packte ihm jemand am Arm, worauf er sich umdrehte und die Zähne blecken wollte, aber er hielt inne, als er direkt in die roten Augen der Dienerin starrte.   Ihr ganzer Korb war voller Blutrosen und Valnar gierte nach dem Duft von ihnen und ihrem Blut.   »Ihr solltet nicht hier sein. Kommt mit! Ich bringe Euch zum Speisesaal«, bot sie ihm an und er atmete erleichtert auf, fand wieder die Kraft, sich zurückzuhalten.   »Danke. Ich ... hatte mich einen Moment nicht unter Kontrolle.«   Aber die Dienerin nickte und lächelte nur. Wahrscheinlich hatte sie selbst Probleme mit dem Durst und verstand es nur allzu gut. *   Zwei Wachen öffneten das Tor zum Speisesaal für Valnar, als wurde er schon erwartet. Wieso ließen sie die Tür nicht einfach offen? Er bekam seine Antwort sofort. Kaum war sie einen Spalt geöffnet, klatschte ihm förmlich der Geruch von Blut ins Gesicht.   Jeder Sinn in seinem Körper erwachte, genau wie das Tier. Valnar ließ ein Stöhnen hören, lief wie von selbst in den Saal. »Wo hast du dich denn schon wieder herumgetrieben?«   Er riss sich aus seiner Trance und starrte Garrin an, wessen Mund blutverschmiert war. Überall labten sich die Vampire an anderen Vampiren und er war verwirrt. Sollten sie nicht Menschen aussaugen?   »Das sind unsere Feinde«, erklärte Garrin, als er Valnars Blick bemerkte. Valnar hob eine Augenbraue und Garrin grinste ihn an.   »Hast leider verpasst, wie die Hohepriesterin diese Vampire detailliert beschrieben hat. Es sind Ausgestoßene. Vampire, die zu machthungrig waren und deshalb verbannt wurden.«   Garrin machte eine Geste, als wäre das alles lustig.   »Also tu dir keinen Zwang an, sie komplett auszusaugen.«   Valnar beobachtete das Ganze noch eine Weile. »Ich verstehe«, antwortete er schließlich, um zu entkommen. Er lief zu einem der großen Tische und betrachtete eine Frau. Sie war noch am Leben und ihre Arme und Beine waren fest gekettet. Zudem hatte sie schon einige Bisswunden und ihr Gesicht war schmerzerfüllt.   Mit einem leisen Knurren stützte sich Valnar mit den Armen auf den Tisch ab und seine Nägel bohrten sich ins Holz. Sein Mitleid war nur begrenzt, denn sie war eine Kriegerin und wusste, worauf sie sich einließ, gegen das Asran Imperium zu kämpfen.   Doch war das hier richtig?   Tu es. Du willst es auch!   Fauchend öffnete Valnar den Mund und keifte sein Tier im Inneren an.   Halt den Mund!   Aber diesmal hatte es recht. Valnar wollte es, musste es tun. Der Durst wurde immer stärker. Er lehnte sich über den Hals der Frau, leckte über die Bisswunden und genoss den Geschmack der Tropfen ihres süßen Blutes. Mehr! Er musste mehr haben!   Seine Reißzähne bohrten sich in ihr Fleisch und machten ihr zwei neue Wunden. Dann trank er gierig, saugte all ihr Blut. Es lief durch seinen Körper und breitete sich überall aus, nährte ihn, ließ seine Sinne auf Hochtouren laufen. Sein Tier überschüttete ihn mit Liebe, schmiegte sich an ihn und erregte ihn. Schließlich wurden sie eins. Valnar konnte nicht anders, als zu stöhnen. Seine Arme zitterten vor Euphorie, vor diesem bizarren Liebesakt mit der inneren Stimme.   Aber dann spürte er, wie die Stimme mehr wollte, sich in Valnar festbiss. Mit einem Fauchen ließ er von seinem Opfer ab und leckte sich die Lippen.   Das wars. Er hatte genug getrunken und das machte er der Bestie auch klar, die widerwillig seine Entscheidung akzeptierte.   Selbst sich zu nähren war für einen Vampir ein Höhepunkt an Gefühlen! Er fühlte sich direkt erholt, alle Last von ihm genommen.   Kaum drehte er sich um, stand der dunkle Krieger vor ihm.   »Das erste Mal vergisst man nie«, seufzte er, als würde er in Erinnerungen schwelgen. »Ist zwar nicht so gut wie Menschenblut, aber es stillt den Durst.«   Valnar nickte ihm zu, während er rot anlief. Er schien ihn beobachtet zu haben, und auch wenn er nichts gesehen hatte, war es doch irgendwie zu intim.   »Ich habe Euch draußen beobachtet, Valnar«, fügte er hinzu.   Verdammt. Das hatte er auch gesehen? Er kannte seinen Namen? Valnar wollte sich schon rechtfertigen, aber der Krieger legte die Hand auf seine Schulter. »Ich sehe Potenzial in Euch. Nicht jeder kann dem Tier in solch einer Situation widerstehen und schon gar nicht den dunklen Krieger verletzen.«   Valnar öffnete den Mund, aber war zuerst völlig sprachlos. Doch fühlte er sich mehr als geehrt und wollte sich gerade bedanken, als die Wachen hereingestürmt kamen.   »Wir werden angegriffen! Macht euch bereit!«   *   Überall kämpften die Krieger gegen die gegnerischen Vampire und füllten die Luft mit dem Duft des Blutes.   Kizuna knurrte und durchbohrte das Herz eines der Angreifer. »Verdammt, das sind viele!«   »Aber wir sind mehr- Pass auf!«, rief Garrin ihr zu und köpfte einen weiteren, der auf sie zustürmte.   Valnar parierte den Schlag einer Kriegerin. Ihre Angriffe waren aggressiv, ohne jeglichen Verstand versuchte sie auf ihn einzuprügeln.   Im hohen Bogen landete ihr Schwert auf den Boden und sie griff Valnar mit ihren Nägeln an. Ihre Angriffe waren so unkontrolliert und schnell, dass sie ihn an der Wange erwischte und er zurücktaumelte.   Wütend fauchte er sie an und sie tat es ihm gleich. Ihre Augen waren komplett schwarz, mit rot leuchtender Iriden. Sie war verloren; das Tier hatte die volle Kontrolle über sie.   Sie knurrte, während sie sabberte und schmiss sich mit einem irren Schrei wieder auf ihn.   Schon wurde ihr Hals durchtrennt und das Blut spritzte in alle Richtungen, als ihr Kopf weggeschleudert wurde.   Valnar schaute überrascht auf und sah den dunklen Krieger vor sich stehen.   Kaum hatte er ihm geholfen, kamen Weitere angestürmt und die beiden kämpften Rücken an Rücken.   Die Feinde schienen vor allem den Krieger anzuvisieren, aber dieser erledigte jeden Einzelnen mit Leichtigkeit, während Valnar versuchte, sie zurückzudrängen.   Aber es wurden immer mehr. »Tod der Hohepriesterin! Diese Mörderin!«, rief einer von ihnen und der Krieger war so perplex, dass einer es schaffte, auf ihn zu springen und mit seinen Zähnen seine Schulter aufzureißen. Er brüllte vor Schmerz; sein Blut hatte einen so starken Geruch, dass Valnars Tier sich wieder nach vorne drängte.   Saug das Blut aus!   Valnar fauchte. Wenn er sich an ihm laben würde, würde er so mächtig werden! Er könnte alle seine Feinde zur Hölle schicken!   Aber statt auf die innere Stimme zu hören, verbiss er sich in den Hals des Feindes. Dieser kreischte laut und versuchte Valnar zu schlagen, worauf er sich noch einmal festbiss. Wieder ein Gebrüll des Schmerzens, doch er sackte zusammen, als Valnar ihn aussaugte. Das Tier stöhnte nach mehr, gab Valnar wieder dieses Gefühl der Euphorie und Macht. Er war mächtiger denn je. Unaufhaltsam.   Aber es war schnell wieder vorbei und der Feind landete im Dreck.   »... Danke«, keuchte der Krieger, während Valnar sich schützend vor ihm stellte.   Langsam wurden es weniger. Valnar versuchte sein Tier zu benutzen, um seine Hiebe zu lenken. Ein Kopf nach dem anderen flog von den Hälsen der Angreifer. Die Wunde des dunklen Kriegers war längst wieder geheilt und auch er schlug diese Vampire zurück, bis der Rest floh. Valnar knurrte laut und verbannte die Stimme zurück in seinem Inneren, bis er auf die Knie ging und keuchte.   Diese Vampire waren in der Unterzahl gewesen, doch sie waren mehr als gefährlich. Wie konnten sie sich einfach ihrem Tier hingeben?   Überall lagen ihre Leichen und nur wenige von Asran. Schnell schaute Valnar sich nach seinen Freunden um, aber Kizuna und Garrin schien es gut zu gehen. Sie verband gerade die Wunde an Garrins Kopf und er sagte etwas zu ihr, was Valnar nicht hören konnte, aber Kizuna schlug ihm leicht gegen die Schulter und schaute genervt drein. Trotzdem grinste sie. Valnar lächelte leicht.   »Ihr seid wirklich mutig«, lobte der Krieger und half ihm hoch. Valnar nickte stumm, aber die vorherigen Ereignisse ließen ihn nicht los. Warum hatte ihn die Anschuldigung des Feindes so sehr abgelenkt?   »Sie nannten die Hohepriesterin eine Mörderin. Warum?«, fragte er schließlich.   Aber der Krieger schüttelte den Kopf. »Das ist Unfug. Hört nicht auf sie; sie wollen uns nur verwirren.«   Wahrscheinlich hatte er recht. Valnar akzeptierte seine Antwort, auch wenn er ein ungutes Gefühl hatte.   Sicher war das nicht das letzte Mal, dass sie angegriffen wurden. Kapitel 4: Schlacht ------------------- Einige Monate später. Valnar konnte es kaum glauben, aber Garrin und Kizuna wurden ein Paar. Oft trainierten sie alleine und unternahmen Dinge ohne ihn.   Das hätte er niemals gedacht, so wie sie sich immer gestritten hatten. Immerhin hatten die beiden dieselbe Affinitätengruppe: den Wolf von Eis und Blut.   Irgendwie war das schon romantisch ... im vampirischen Sinne.   Auch wenn es ihn nervte, dass sie ihn komplett ausschlossen, war es nur halb so tragisch. Einige Wochen nach der Schlacht bat der dunkle Krieger Valnar an ihm beim Trainieren zu helfen.   Natürlich brachte ihnen Nyria viel bei, aber diese extra Stunden von einem der stärksten Krieger wollte Valnar auf keinen Fall ablehnen. Er fühlte sich schon ein wenig besonders und war stolz, diese Chance bekommen zu haben.   Nur mit einem Handtuch um die Hüfte saß er im flachen Wasser des Tempels und meditierte. Derselbe Tempel, in denen er Monate zuvor als Vampir wieder erwacht war.   Hier drin musste er alle Gedanken loslassen, sich auf das Wasser und die Stille konzentrieren. Tief atmete er aus. Das Tier war am Schlummern und störte ihn hier nicht. Langsam hatte er das Gefühl, er hatte es im Griff. Trotzdem sollte er vorsichtig sein.   Die Angriffe der feindlichen Vampire waren in letzter Zeit häufiger geworden. Sie konnten sie zwar immer zurückschlagen, doch verloren sie trotzdem einige wertvolle Krieger.   Hoffentlich würde das bald ein Ende finden. Einen weiteren Krieg konnte das Asran Imperium nicht gebrauchen. Valnar fluchte und schlug sich selbst mental. Wie war das noch mal mit Gedanken loslassen?   Das Tor öffnete sich leise und er hörte Schritte. Valnar musste sich nicht umdrehen, um zu wissen, wer dort stand. Er drehte seinen Kopf zur Seite. »Gebt mir noch ein paar Minuten, Meister.«   »Lasst Euch von mir nicht stören«, antwortete der dunkle Krieger und setzte sich auf einen der Bänke.   Ob er jemals seinen Helm ausziehen würde? Selbst den Tempel betrat er in voller Rüstung und irgendwie war Valnar schon neugierig, wie er denn aussah.   Aber dieses Geheimnis würde er wohl niemals lüften. Genauso wie seinen Namen.   Valnar schaute nach vorne, atmete tief ein und versuchte sich weiter zu entspannen, aber er wusste, dass er hinter ihm saß und ihn sicherlich beobachtete. Schließlich schnaubte er genervt und ließ die Arme fallen.   »... Gut, ich bin fertig.«   »Sehr schön. Zieht Euch an und lasst uns mit den Übungen beginnen.«   *   Am Abend saß Valnar im Speisesaal mit einer Tasse Blutrosentee vor ihm auf dem Tisch. Es stillte seinen Durst nur leicht und hatte eher eine beruhigende Wirkung als eine sättigende.   Nach dem harten Training schmerzte jeder seiner Knochen. Ein Glück war er ein Vampir; morgen wäre wieder alles in Ordnung. Diese schnelle Fähigkeit zum Regenerieren war eine seiner liebsten von seinem neuen Dasein.   Außerdem zahlten sich all die Übungen aus. Im Gegensatz zu einigen Monaten zuvor fühlte er sich nun fast wie ein Schwertmeister.   Er döste noch einige Minuten vor sich hin und leerte seine Tasse. Die Halle war fast komplett leer. Nur ein paar Fackeln erleuchteten den Raum und seine Augen schalteten automatisch in den Nachtmodus, während es draußen immer dunkler wurde.   Fast war er im Sitzen eingeschlafen, als er plötzlich aufgebrachte Stimmen hörte. Eine Wache schlug das Tor auf und betrat hastig den Speisesaal.   »Alle Krieger sofort in den Thronsaal!«   *   So wie Valnar das beurteilen konnte, waren tatsächlich alle Krieger im Thronsaal versammelt. So viele unterschiedliche Vampirauren umkreisten seine Sinne. Alle diskutierten wild herum, aber keiner wusste, warum sie hier waren.   Dann wurde es still, als Alaine den Saal betrat, gefolgt von Nyria, dem Magier und ihrem Onkel.   Es war schon so spät, aber trotzdem präsentierte sich die Hohepriesterin in einem eleganten smaragdgrünen Kleid, ihre langen Haare zu einem Zopf gebunden. Sie setzte sich in ihren Thron und überschlug die Beine, die Arme mit den weiten Ärmeln auf ihre Knie gelehnt.   »Meine Krieger. Vor einigen Stunden haben wir herausgefunden, wo sich unser Feind einnistet. Sie befinden sich in Tradan, eine Stadt weit nördlich von Asran.«   Alaines Magier flüsterte ihr ins Ohr und sie nickte.   »Es ... sind machthungrige Vampire. Ausgestoßene. Sie wollen sich an Asran rächen und haben die gesamte menschliche Bevölkerung zu Vampiren gemacht. Einige von ihnen können kaum noch als unseres Gleichen bezeichnet werden und werden von der Sonne verbrannt, deshalb werdet ihr so früh wie möglich losziehen.« Sie legte sich den Kopf in die Hand und seufzte, bevor sie den Blick wieder auf ihre Krieger richtete. »Wir wollten den neuen Krieger noch nicht zu früh davon erzählen, aber wir haben keine Wahl.«   Sie stand auf und hob den Ärmel hoch, präsentierte ihre rote Tätowierung. Ein Phönix mit Feuerelementen und einigen anderen Symbolen waren darauf abgebildet, ihre Affinität.   »Ihr habt das hier nicht ohne Grund. Dies ist die Quelle der Macht eures Tieres. Wenn ihr euch ihr komplett hingibt, wird sie euren Körper übernehmen und euch in ihr Abbild verwandeln.«   Die neuen Krieger waren aufgeregt, schauten ihr eigenes Mal an.   »Doch leider ist es nicht möglich, es zu kontrollieren. Das Tier wird euch benutzen und alles in seinem Weg zerstören, bis es eure Energie komplett aufbraucht. Ihr werdet durch diese Verwandlung sterben. - Deshalb sollt ihr sie nur benutzen, wenn es keinen anderen Ausweg gibt.«   Valnar betrachtete den Raben auf seinem Arm. Das war also die Quelle der inneren Stimme und wenn er sich ihr ganz hingab, würde er eine gewaltige Kreatur werden. Er schluckte. Er hatte gesehen, wie der Feind sich dem Tier hingab, doch das schien wohl noch weit entfernt vom Abgrund zu sein.   Wie weit müsste man erst getrieben werden, um das zu erreichen? Hoffentlich fand er das niemals heraus.   * Bevor die Sonne aufging, marschierten sie aus dem Palast heraus. Es war viele Jahre her, seit Valnar die Wälder um Asran betreten hatte. Außerhalb der Städte gab es nur einige Monster, welche sich aber vor den Vampiren fürchteten. Er schnaubte einmal und kreiste seine Schultern.   »Muskelkater?« Der dunkle Krieger trat neben ihm auf.   Valnar hatte oft das Gefühl, dass er ihn zu oft beobachtete, aber er wollte nicht unhöflich sein.   »Es geht schon. Sollte in ein paar Stunden weg sein.«   Der Krieger nickte und sie führten ihren Weg schweigend fort.   Valnar beobachtete Garrin und Kizuna, seine ehemaligen 'Freunde'. Ein Wunder, dass sie nicht Hand in Hand liefen. Es machte ihn irgendwie sauer. Kaum waren sie zusammen, hatten sie keine Zeit mehr für ihn.   Schön. Er konnte sich auch etwas Besseres vorstellen als ihre Gesellschaft.   Angefeuert von seinen Gefühlen, zischte das Tier ihm ins Ohr, aber Valnar verbannte es wieder tief in seinem Inneren und wandte sich seinem Meister zu.   »Sagt, warum führt ihr die Truppen nicht an?«   Er drehte sich langsam zu Valnar um, aber sein Gesichtsausdruck blieb weiterhin durch seinen Helm verborgen.   »Das ist nichts für mich. Ich bin nur ein Krieger.«   Das konnte Valnar verstehen und er nickte ihm zu, auch wenn er fand, dass er ein fähiger General wäre.   Aber es erklärte allerdings, warum er nur ihn herauspickte und privat trainierte. Wahrscheinlich tat er dies bei jeder neuen Kriegergruppe.   Stunden vergingen, während sie durch die Wälder liefen. Valnar beäugte einige Hütten von Kobolden. Damals wäre er vorsichtig gewesen, aber heute wusste er, dass er das gefährlichere Raubtier war. Erneute wollte sein Tier ihn drängen, ihn dazu bringen, die Siedlung anzugreifen, die Fänge in ihre schwächlichen Hälse zu versenken.   Aber er knurrte nur und lief stur den Weg entlang, bis die Hütten hinter den Bäumen verschwanden.   Sie machten keine Pause und die Sonne ging langsam auf. Nicht mehr lange und sie würden Tradan erreichen.   Seine erste wahre Schlacht. Sein Tier labte sich schon an den Gedanken und erfüllte ihn mit Glücksgefühlen, welche er aber wegschob. Das hier war keine freudige Angelegenheit. Sie mussten Artgenossen töten, die zu weit gingen, die gesamte Bevölkerung gegen ihren Willen mit dem Vampirismus infizierten. In seinen Augen war das eher traurig.   Das waren einfache Menschen gewesen, keine ausgebildeten Krieger. Wie könnten sie die Verwandlung überleben? Valnar wäre überrascht, wenn die meisten von ihnen nicht schon tot waren.   Eine weitere Stunde verging und sie lauerten in den Büschen und starrten auf das Dorf. Auf den Mauern waren einige Wachen positioniert, aber sie würden keine Chance haben. Das hier würde keine Schlacht werden, sondern ein Massaker. Valnars Tier wurde ungeduldig und auch er wollte endlich angreifen. Zumal der Durst sich langsam breitmachte.   Ihr Blut wird so köstlich sein.   Valnar bleckte die Zähne, erinnerte sich an das Blut der Kriegerin. Diesmal würde er seine eigene Beute erlegen, die Reißzähne in sein Opfer versenken und sie komplett aussaugen. Süßes, kostbares Blut.   Lass sie uns in Stücke reißen.   Seine Hände umklammerten fest den Schwertknauf und er zitterte.   »Valnar, beherrscht Euch«, flüsterte sein Mentor und Valnar fühlte sich ins Gesicht geschlagen.   Noch einmal atmete er tief ein und gab seiner inneren Stimme einen mentalen Klaps. »Ja ...«   Endlich wurde ihnen das Kommando gegeben, anzugreifen. Mit Fauchen und Knurren stürmte ihre Armee auf Tradan zu. Die Stadt schlug Alarm und die Wachen auf den Mauern versuchten sie aufzuhalten, aber es war vergebens.   Die Krieger zerrissen sie binnen weniger Sekunden und der Geruch des Blutes füllte die Umgebung. Gierig schnüffelte Valnar in der Luft, ließ das Tier ihn leiten. Zusammen mit den anderen vernichteten sie das Holztor und rannten in die Stadt. Es war so lächerlich einfach und es feuerte ihn weiter an. Sie konnten hier alles und jeden töten! Zerfetzen! Ein Krieger Tradans stellte sich laut fauchend in seinen Weg.   Diese Beute wird dich nähren.   Ohne sein Schwert zu benutzen, verbiss sich Valnar in den Hals des Feindes; sein Schmerzensschrei war wie Musik in seinen Ohren und so biss er noch einmal fest zu, bevor er anfing, ihn auszusaugen. Er zitterte vor Erregung, als das Tier wieder mit ihm verschmolz. Doch er konnte es nicht vollends genießen. Seine Augen formten sich zu Schlitzen, als ein Schwert auf ihn zusauste. Schnell packte Valnar die Waffe mit seiner Hand, während er seine eigene fallen ließ. Es zerschnitt ihm seinen Lederhandschuh und verletzte sein Fleisch.   Seine Beute landete auf den Boden und Valnar riss das Schwert aus dem Griff des Angreifers, dann durchbohrte er ihn mit seiner eigenen Waffe und enthauptete ihn.   Erst dann machten sich die Schmerzen in seiner Hand bemerkbar, aber die Wunde fing sofort an zu heilen.   Du bist mächtig.   Und so fühlte Valnar sich auch. Die Komplimente seiner inneren Stimme machten ihn stolz, führten seine Waffe, als er sich durch die Feinde kämpfte. Sie waren schwach, aber schienen endlos zu sein.   Sollten sie nur kommen! Valnar knurrte, köpfte einen nach dem anderen, als das Blut nur so spritzte. Sein Tier umarmte ihn, wollte mehr und mehr, leitete ihn immer weiter durch die Massen und er ließ es zu.   Seine Adern kochten, sein Verstand wurde vernebelt, als er sich dem Tier hingab. Die Knochen bebten nur so vor Stärke und seine Fangzähne wuchsen noch länger. Alles fühlte sich richtig an. Das gab ihm das Tier zu verstehen. Er wollte so viel mehr.   »Valnar! Hört auf!«   Valnars Augen rissen weit auf, als der dunkle Krieger ihn am Arm packte und ihn umdrehte. Laut fauchend wollte Valnar sich auf ihn stürzen, die Zähne gebleckt, aber der Krieger griff seine Schultern und schüttelte ihn.   »Reißt Euch zusammen!«   Dieser Vampir! Wie konnte er es wagen ...!   Nein, nein! Was tat Valnar hier bloß? Seine Eckzähne verschwanden wieder zurück in den Kiefer und er atmete tief ein, während er versuchte, sich zu beruhigen.   »Alles gut. Ich habe mich unter Kontrolle.«   Sein Mentor ließ ihn wieder los, dann drehte er sich schockiert um. Valnar folgte seinem Blick und sie sahen eine ihrer Kriegerinnen.   »Nein!«, rief sein Meister.   Mit Erschrecken stellten sie fest, dass sie sich verwandelte. Laut brüllend wurden ihre Arme zu riesigen Pranken, ihr Gesicht zu einer blutrünstigen Schnauze. Sie heulte auf, als ihre Verwandlung zu einer Werwolfbestie vollendet war. Eis und Blutrunen verzierten ihr Fell und ihre Augen glühten rot.   Was eine mächtige Kreatur. Sie war so groß wie ein Haus. Valnar konnte ihre Aura spüren, die ihn fast erdrückte. Komplett in Raserei schlachtete sie einen Vampir nach den anderen; es war ihr gleich, ob sie ihre Verbündeten traf oder ihre Feinde. Sie wollte nur töten.   »Was sollen wir tun?!«, fragte Valnar, das Schwert bereit.   Der dunkle Krieger packte seinen Arm und zog ihn mit. »Wir können nicht mehr helfen!«   Der Werwolf hob die Klaue und die eisigen Krallen verlängerten sich. Mit einem einzigen Prankenhieb zerriss er ein Gebäude. Alles, was die Krallen berührten, wurde zu Eis und zersprang.   Valnar drehte sich um, als er eine Explosion hörte. Flammen stiegen in der Ferne empor. Die Feinde fingen an, ihre eigene Stadt zu zerstören.   Dann erhob sich auf dem höchsten Gebäude eine Frau. Ihre roten Augen funkelten und ihr blondes Haar ging ihr bis zum Rücken. Sie war barfuß und trug ein schlichtes rotes Kleid mit vielen Löchern.   »Molana«, keuchte der dunkle Krieger und Valnar gab ihn einen kurzen, verwirrten Blick.   »Ihr seid blinde Schafe, die ihrer falschen Hohepriesterin folgen!«, schrie Molana. »Seht ihr die Wahrheit nicht vor euch?! Alaine ist eine Tyrannin! Eine Schlächterin! Ihr werdet mit ihr untergehen!«   Dann sprang sie vom Dach und verschwand im Feuer.   »Lasst sie nicht entkommen!«, rief Valnars Meister und stürmte hinterher.   Valnar wollte ihm folgen, aber einer der Feinde sprang auf seinen Rücken und versuchte seinen Hals mit seinen Armen zu zerquetschen. Keuchende versuchte Valnar ihn von sich zu stoßen, aber er verlor das Gleichgewicht und fiel hin. Wieder wurde ihm die Kehle zugedrückt und er konnte nichts tun, außer in das grinsende Gesicht seines Angreifers zu starren. Das Tier schrie ihn an, dass er dem Vampir das Lachen aus dem Gesicht reißen sollte. Valnar wollte schreien, wollte ihn umbringen, aber so sehr er sich auch wand, er konnte sich nicht aus seinem Griff befreien.   Plötzlich wurde der Vampir von ihm geschleudert. Verwirrt schaute er sich um und war überrascht, als er schließlich Garrin erblickte.   »Komm schon! Wir müssen hier raus!«, rief Garrin und half ihm hoch. Er hielt seinen Arm fest und wollte ihn wegschleifen, doch Valnar riss sich los.   »Nein! Ich muss meinem Mentor helfen! Ich-«   Ein lauter Knall ertönte und eines der hohen Türme brach zusammen. Er beerdigte viele Vampire. Feinde sowie Verbündete. Das Feuer in der Stadt breitete sich immer weiter aus und würde bald die gesamte Stadt verschlingen.   Wieder heulte der Werwolf auf und Valnar sah, wie er sich zurückverwandelte. Die Kriegerin war voller Blut und umringt von Leichen. Sie keuchte noch kurz und rang nach Luft, dann brach sie leblos zusammen. Ihr Tier hatte sie bis zur Erschöpfung getrieben. Was für ein Schicksal ...   Valnar starrte noch einen Moment wie versteinert auf ihren Leichnam, aber als die Flammen sie verschlangen, drehte er sich weg.   »Wo willst du hin, du Idiot?!«, brüllte Garrin ihm noch nach, als Valnar weiter in die Stadt rannte.   Die Gebäude fielen zusammen und alles brannte lichterloh, aber er rannte immer weiter.   »Meister, wo seid Ihr?!«, schrie er. Das Feuer knisterte in seinen Ohren und das Tier flehte ihn an zu fliehen, seine Haut zu retten, aber Valnar ignorierte es. Er kletterte über einige Trümmer, als über ihn ein Dach einstürzte. In letzter Sekunde sprang er aus dem Weg und rollte über den Boden.   Zähne knirschend stand er auf, atmete schwer. Er steckte all seine Konzentration in die Schärfe seiner Sicht und suchte die Gegend ab, bis er eine schwarze Rüstung sah. Mit voller Geschwindigkeit hetzte er auf sie zu.   Sein Meister lag begraben unter einer Steinsäule und Valnar schmiss sich an sie, versuchte sie aus dem Weg zu schieben.   »Valnar?«, stöhnte der Krieger, aber blieb liegen.   »Keine Sorge, Meister. Ich hole Euch hier raus!« Dann roch Valnar sein Blut, aber schüttelte den Kopf. Mit aller Kraft packte er die Säule und versuchte, sie hochzuheben. Fluchend biss er sich auf die Zähne, aber sie war viel zu schwer; seine Muskeln versagten und er ließ die Säule wieder los.   Verdammt! Die riesigen Türme würden sie komplett begraben, wenn sie hier nicht sofort rauskamen!   Verzweifelt schaute Valnar sich um. Alles war voller Flammen; sein Mentor reagierte kaum auf ihn.   Wie sollten sie hier nur lebend rauskommen?   Valnar packte sich am Kopf, versuchte sich zu beruhigen. Er brauchte seine Bestie; das Tier musste ihm helfen! Tief im Inneren suchte er es, konzentrierte sich auf seine Präsenz.   Schließlich fand er sie zusammenkauernd in der Ecke.   Hab keine Angst.   Ein Moment verging, bis er spürte, wie das Tier auf ihn reagierte. Es trat vor und biss ihn, was Valnar mit einem wütenden Schlag konterte.   Warum wehrte es sich gegen ihn? Sie mussten zusammenhalten, bevor sie beide starben!   Statt aggressiv zu reagieren, probierte Valnar es mit Verstand.   Bitte, ich brauche deine Hilfe oder wir werden hier beide sterben.   Einige Sekunden vergingen und Valnar verlor fast die Geduld. Plötzlich umhüllte das Tier ihn mit seiner Aura und er bemerkte, wie seine Macht ihn durchfloss.   Fauchend riss er die Augen auf und packte die Säule erneut. Das Tier pumpte das heiße Blut durch seine Adern, füllte ihn mit seiner ganzen Stärke. Die Muskeln waren so angestrengt, dass Valnar wütend vor Schmerz brüllte. Noch ein kleines bisschen! Er war so kurz davor!   Mit einem letzten Ruck strömte das Tier durch seinen Körper und ließ ihn die Säule im hohen Bogen davon schleudern.   Ohne noch weiter zu zögern, packte Valnar seinen Meister und rannte davon. Gerade rechtzeitig. Ein Turm brach zusammen und zerstörte alles unter ihnen.   *   Valnar kniete sich hin, als er den dunklen Krieger neben der Armee auf den Boden legte. Tradan brannte lichterloh; die ganze Stadt war nur noch ein riesiger Feuerball.   Einige ihrer Leute waren gefallen, aber sie hatten gesiegt.   »Molana ist entkommen ... Und wer weiß, wer noch alles«, zischte sein Mentor und Valnar half ihm, sich aufzusetzen.   »Die werden wir schon noch kriegen. Wir haben diese Schlacht gewonnen.«   Der Krieger nickte ihm zu, dann legte er seine Hand auf seine Schulter.   »Valnar, Ihr habt mir das Leben gerettet. Ich ... war übereifrig und doch seid Ihr mir zur Hilfe geeilt. Das werde ich Euch niemals vergessen.«   Valnar lächelte und schüttelte den Kopf. »Niemals würde ich Euch sterben lassen, Meister. Selbst wenn Ihr dem Tod hinterherjagt.«   Der Krieger lachte, bis der General auftauchte. »Wir sind hier fertig. Lasst uns der Hohepriesterin von unserem Sieg berichten.«   Erst dann jubelte die Armee, erfreute sich an ihrem Erfolg und machten sich auf den Weg zurück nach Asran. Kapitel 5: Offenbarung ---------------------- Die Bar war überfüllt von feiernden Kriegern; die leicht bekleideten Dienerinnen lachten und brachten ihnen Krüge voll mit Blutrosenalkohol. Valnar hatte seit seiner Verwandlung nichts Alkoholisches mehr getrunken. Er fühlte sich nach einigen Bechern schon angetrunken und es erinnerte ihn an seine Zeit als Mensch. Doch wie alles andere war es viel intensiver. Das Tier verstärkte die Wärme in seinem Körper und umarmte seinen Geist; er war so dankbar, dass es für ihn da war.   Am liebsten würde er aufstehen und jeden einzelnen Krieger umarmen. Sie waren seine neue Familie und er liebte sie über alles. Vor allem seinen Mentor.   Wo steckte er eigentlich? Wollte er nicht mitfeiern?   Selbst Kizuna trank, obwohl sie vorher nie ein Freund davon gewesen war. Ein weiterer Beweis, wie toll alles war.   »Auf uns! Und auf dich Valnar. Ich hab noch nie jemanden gesehen, der in eine brennende Stadt rennt«, lachte Garrin, sowie der Rest. »Entweder bist du total lebensmüde oder ganz schön mutig.«   Valnar lachte und legte den Arm um ihn. »Ohne dich wäre ich drauf gegangen. Du hast mir mein Leben gerettet, Kumpel.«   Garrin grinste ihn an und erwiderte die Geste, drückte ihn fest an sich. »Werd mir jetzt bloß nicht sentimental, sonst haben wir gleich blutige Tränen überall.«   Erneut lachte Valnar und hob seinen Krug. »Prost!«, rief er und nahm noch einen Schluck, während er die Hälfte verschüttete.   *   Mitten in der Nacht taumelte Valnar über den Burgplatz. Eigentlich wollte er den Weg zu seinem Zimmer finden, aber irgendwie lenkte ihn die Schönheit des Palastes ab. All dieses Gold funkelte sogar in der Nacht! Wunderschön. Er konnte immer noch nicht glauben, dass das hier sein zu Hause war.   Als er sich endlich von diesem Blick abwenden konnte, erspähte er den dunklen Krieger, der aus einem kleinen Gebäude kam.   »Meister! Da seid Ihr ja!«, lallte Valnar und rannte zu ihm hin; er drückte ihm den Finger in die Schulter. Das Tier in ihm pochte heiß und verlangte nach Bewegung, wollte seine Muskeln fordern. Valnar bleckte die Zähne vor Kampfeslust, empfand es als ausgezeichnete Idee.   »Ich fordere Euch heraus!« Valnar griff nach seinem Schwert, verfehlte es und fiel fast zur Seite, aber sein Meister hielt ihn fest.   »Geht Euch erst einmal ausnüchtern«, spottete sein Mentor gelassen, aber Valnar ließ nicht locker.   »Moment! Ich kann mich zusammenreißen! Lasst uns in den Garten gehen und gebt mir ein paar Minuten.«   Der dunkle Krieger fing an zu lachen. »Ihr werdet wohl nicht locker lassen, was? Nun gut. Ich befördere Euch gerne in den Dreck, wenn ihr darauf besteht.«   So wie Valnar sich gerade wahrnahm, glaubte er nicht daran, dass er jemals gegen ihn verlieren könnte.   *   »Bereit?«   Valnar hielt sein Schwert fest in den Händen. Seine innere Stimme lechzte nach Blut, ließ ihn sich wie einen Kriegsherren fühlen.   Aber eigentlich fühlte er sich ganz schön wackelig auf den Beinen.   »Äh, ja«, grinste Valnar, dann, wie er es gelernt hatte, griff er ihn an, wurde aber sofort von seinem Meister abgewehrt.   Er lachte ihn aus und Valnar versuchte es wieder, aber er hatte keine Chance, landete keinen einzigen Treffer auf seinem Gegenüber.   Seine Bestie schrie nach Vergeltung und Valnar knurrte. Mit einem schwankenden Sprung drehte er sich und wollte einen Hieb ausführen, aber er rutschte ungeschickt ab und durchtrennte den Halter der Brustrüstung seines Meisters.   Wie erstarrt blieb Valnar stehen, das Schwert über sich haltend. Seine Augen rissen auf, als er auf die Oberweite des dunklen Kriegers starrte. Entweder war er völlig besoffen oder das waren tatsächlich weibliche Brüste in dessen Unterhemd.   Wütend erhob sein Meister das Schwert und schlitzte ihm den Bauch auf, woraufhin er zurücktaumelte.   »A-ah. Ihr ... Ihr seid eine Frau!« Valnar keuchte, als er sich die brennende Wunde hielt. Prompt gab sein Mentor ihm eine Ohrfeige und hielt den Arm vor seinen- ihren Brüsten.   »Wie könnt Ihr es wagen?!«, schimpfte sie erbost.   Valnar blinzelte und verstand gar nichts mehr. Die Stimme war eindeutig männlich. Was ging hier vor sich?   Er lief rot an. Die ganze Zeit über war sein Meister eine Frau gewesen. Hätte er das mal vorher gewusst, dann wären ihm so einige halb nackte Szenen im Tempel erspart geblieben.   »Ich- Es tut mir leid. Ich dachte immer, Ihr wäret ein Mann.«   Der dunkle Krieger seufzte. »Das darf niemand erfahren. Bitte behaltet es für Euch.«   »Selbstverständlich. Ich werde Euer Geheimnis bewahren«, antwortete er rasch ohne Bedenken.   Bevor er irgendwas hinzufügen konnte, nahm sein Mentor den Helm ab. Lange rote Haare fielen ihr über die Schultern, bis Valnar in die roten Augen der Hohepriesterin starrte.   »H-hohepriesterin Alaine«, stotterte er und ging sofort auf die Knie.   Sie stemmte die Hände in ihre Hüften. »Nun steht schon auf!«   Valnar tat, wie ihm befohlen wurde. Noch immer war ihre Stimme so dunkel und er war völlig perplex.   »Wie ... wie macht Ihr das? Die Stimme.«   Alaine öffnete den Mund und nahm eine kleine weiße Perle aus ihren Zähnen, dann grinste sie. »Kleines magisches Spielzeug. Ist wirklich keine große Kunst für meinen Schattenpriester.«   »Dieser Magier? Mit dem schwarzen Umhang?«, fragte Valnar nach und dachte an den Mann mit dunkelblauen Haaren.   »Genau.«   Valnar nahm tief Luft und am liebsten hätte er gelacht. War das hier gerade die Wirklichkeit? Träumte er? Sicherlich hatte er zu viel getrunken.   Aber da stand sie: Hohepriesterin Alaine. Selbst in einer Kriegerrüstung war sie wunderschön und er spürte wieder, wie er rot anlief. Kein Wunder, dass der Geruch ihres Blutes immer so stark gewesen war.   »Tut mir leid, dass ich Euch so verletzt hatte. Der Hieb war unfair, aber ich verlor für einen Moment meine Beherrschung.« Sie nahm seine Hand und zog ihn mit sich. »Kommt mit, ich kümmere mich drum.«   Valnar nickte nur und folgte ihr in den Palast ohne jegliche Widerworte, immer noch baff von dem, was hier gerade ablief.   *   In kompletter Stille saß Valnar auf einer Bank und hielt sein Oberteil hoch, während Alaine seine Wunde reinigte. Die beiden sprachen kein einziges Wort. Valnar wollte ständig mit irgendeiner kleinen Unterhaltung anfangen, um die peinliche Stille zu brechen, aber entschied sich dann doch dagegen. Schließlich schmierte sie eine Salbe auf seine Verletzung, die etwas unangenehm brannte, und er versuchte sich ein Stöhnen zu verkneifen.   Alaine zog sein Hemd rasch herunter, als könnte sie den Anblick nicht mehr ertragen. »So, jetzt sollte sich Eure Wunde etwas schneller heilen.«   »Vielen Dank«, äußerte er verlegen, aber Alaine schüttelte nur den Kopf, als sie sich neben ihn setzte und die Beine überschlug.   »Es war immerhin meine Schuld.«   Dann schwieg sie. Valnar beobachtete sie aus seinem Augenwinkel. Sie starrte auf den Boden und schien in Gedanken versunken, aber er wollte nicht, dass sie sich wieder anschwiegen.   »Wieso haltet Ihr Eure Kampfkunst geheim? Ihr seid wirklich begabt.«   Sie drehte sich überrascht zu ihm um und gab ihm ein leichtes Lächeln. »Ich bin die Hohepriesterin. Das wird überhaupt nicht gerne gesehen. Vor allem nicht von meinem Onkel Vincent.«   Valnar schmunzelte, aber sah sie nicht an, als er daran dachte, dass sie nicht einmal in der Bar war. »Sicher fühlt Ihr Euch auch zu überlegen, um offiziell zwischen den Reihen Eurer Krieger zu marschieren.«   Erst starrte sie ihn sprachlos an, aber dann lachte sie sanft. »Was? Natürlich nicht! Ich war stolz, mit euch den Sieg zu erringen.«   Vielleicht war es noch der Alkohol oder das Tier, das ihn zu diesen Worten trieb, aber Valnar grinste sie verstohlen an. »Dann kommt und feiert mit uns unseren Sieg. Schließlich wart Ihr dabei!«   Alaine legte die Arme um sich und schaute verlegen weg. »Ich ... ich weiß nicht. Das ist nicht gerade mein Stil ... zu feiern.«   Daraufhin fing er herzhaft an zu lachen. »Wusste ichs doch.«   »Also, so war das jetzt nicht gemeint!«, versuchte Alaine sich zu verteidigen, aber auch sie musste grinsen.   Schließlich stand Valnar auf und hielt ihr die Hand hin; verwirrt starrte sie darauf. »Kommt schon. Ein paar Gläser auf unseren Sieg? Ich verspreche Euch, es wird Euch Spaß machen.«   Wieder schmunzelte sie nur und schloss ihre Augen. Fast dachte Valnar, sie würde wieder ablehnen, doch dann blickte sie in sein Gesicht und griff nach seiner Hand, sodass er sie hochzog.   »Abgemacht.«   *   Alaines Identität schien kein großes Problem zu werden, denn alle Krieger waren viel zu betrunken, um irgendetwas zu bemerken.   Sie feierten und es blieb nicht nur bei einem Krug. Alaine wurde so betrunken, dass sie nur noch lachte und selbst Valnar konnte kaum noch stehen.   Die beiden redeten über ihre gemeinsamen Trainingsstunden und dass sie ihn so oft im Tempel angetroffen hatte.   »Hätte ich vorher gewusst, dass Ihr eine Frau seid, hätte ich mir vorher was drübergezogen!«, rief Valnar mit gespielter Empörung.   »Das hätte mir aber nicht so gut gefallen«, lachte Alaine und zwinkerte ihm zu, als sie ihm den Zeigefinger in die Brust drückte.   Überrascht hob Valnar die Augenbraue und nahm einen weiteren Schluck von seinem Getränk, während Alaine sich umdrehte, um bei einem Kräftemessen zwischen zwei Kriegern zuzuschauen.   Das Tier lauerte wieder gefährlicher in seinem Inneren, wollte Valnar dazu bringen, über die Hohepriesterin herzufallen. Ihr Blut würde so rein sein und ihr Körper würde sich an ihm schmiegen, nackt und sich windend, bis er seinen Höhepunkt erreichte.   Er verschluckte sich fast an seinem Alkohol, schüttelte den Kopf und verbannte diese lüsternen Gedanken wieder, zusammen mit dem Tier.   *   Valnar und Alaine liefen zusammen laut lachend zum Palast. Die Hälfte der Vampire waren schon bewusstlos auf den Tischen gelegen und sie selbst wurden langsam müde.   »Ihr hattet recht. Es hat wirklich Spaß gemacht«, grinste Alaine. »Das sollten wir irgendwann wiederholen.«   Anstatt weiter zum Palast zu laufen, setzte sie sich erschöpft ins Gras und Valnar tat es ihr gleich. »Gerne. Dass Ihr so sein könnt ... Ich hätte nicht gedacht, dass die Hohepriesterin sich auf den Tisch stellt, um Ihren Alkohol zu exen«, grinste er.   Alaine lachte wieder laut auf und fiel auf den Rücken. Valnar packte ihre Hand aus Reflex und sie schaute wie versteinert in seine Augen.   Sie verweilten einen Moment in dieser Position. Valnar wusste nicht, was er denken oder tun sollte, bis Alaine sich räusperte und sich an seiner Hand hochzog.   »Danke«, flüsterte sie. »Es ist schön, einmal alle Sorgen zu vergessen.«   Valnar senkte den Kopf und dachte erneut an die Schlacht in Tradan. Diese blonde Frau, die Alaine beschuldigt hatte. »Wer ist denn überhaupt Molana? Wieso nannte sie Euch eine Schlächterin?«   Das hätte er nicht fragen sollen. Alaine drehte sich weg und ihre Miene verfinsterte sich, doch zeigte sie auch eine Art Trauer. Gerade wollte er sich entschuldigen, als sie das Wort ergriff.   »Es ... ist nicht meine Schuld ... Das kommt davon, wenn verwandelte Vampire Menschen beißen. Sie erschaffen Geschöpfe, die kaum noch als Vampire leben können. Deshalb ist es verboten.« Sie schüttelte den Kopf und sah Valnar nun wieder an. »Doch gibt es Vampire wie Molana, die nach mehr Macht streben und nicht an die Konsequenzen denken.«   Valnar nickte ihr zu. »Ich verstehe.« Er wollte sie nicht noch weiter ausfragen. Vor allem nicht in diesem Moment.   Kurz darauf streckte sie ihre Hand aus und er half ihr auf die Beine.   »Ich sollte ins Bett und Ihr solltet Euch auch ausruhen. Jetzt, wo Ihr wisst, wer ich bin, werdet Ihr Euch doch nicht vor dem Training drücken, oder?«   Er grinste sie an. »Niemals. Wer Ihr seid, ändert nichts an Eurer Begabung.«   Alaine lächelte leicht und nickte, während sie sich den Arm hielt.   »Gute Nacht, Valnar«, flüsterte sie.   »Gute Nacht, Hohepriesterin.«   Sie zögerte einen Moment, dann drehte sie sich um und lief in Richtung Palast.   Er schaute ihr noch lange nach und ihr anziehender Duft umarmte seine Sinne. Sein Tier verlangte nach ihr ... Ihre Nähe, ihr Blut ... oder war er das? Etwas in ihm strebte danach, ihr zu folgen, aber er bewegte sich nicht.   Sein Inneres brannte nach Verlangen, bis sie schließlich in der Dunkelheit verschwand. Kapitel 6: Gefühle ------------------ Alaine seufzte erschöpft, nachdem sie die vielen Stufen des Palasts erklommen hatte. Sie hielt die Hand vor dem Mund, um ihr breites Grinsen zu verstecken. Der Abend hatte ihr so gut gefallen und sie dachte immer wieder an Valnar; er war so freundlich und ausgelassen. Nicht nur das, aber er gefiel ihr auch äußerlich.   Mit ihm konnte sie normal sein. Selbst ihr kleines Geheimnis schreckte ihn nicht ab. Alle Prinzen und Könige, die sie jemals kennengelernt hatte, wären längst vor ihr geflüchtet.   Ihr Tier stupste sie an, aber sie schüttelte den Kopf. Sie kamen gut miteinander klar, mehr war da nicht.   Ab morgen würden sie sich wieder auf ihr Training konzentrieren.   Zu ihrem Entsetzen kam ihr Onkel Vincent entgegen. Sie wollte gerade weglaufen, aber er hatte sie schon erkannt.   »Alaine, was soll das?«, fragte er gereizt.   Alaine stöhnte und drehte sich zu ihm um. »Was denn? Darf ich nicht einmal in meinem eigenen Palast spazieren?«   »Verkauf mich nicht für dumm. Eine Hohepriesterin hat nicht so mit ihren Kriegern herumzualbern.« Vincent verschränkte die Arme und knurrte. »Wirklich, Alaine. Ich habe mich geschämt, als ich das gesehen habe. Diese Kneipen sind keine Orte für dich.«   Mit den Fäusten geballt knurrte Alaine. Warum mischte er sich ständig ein? Manchmal fühlte sie sich wie eine Puppe, die nur das tun sollte, was eine Anführerin tat. Nicht einmal etwas Freiheit war ihr gegönnt. Ihr Tier wollte ihn zum Schweigen bringen, ihn zerfetzen, dafür, dass er sie in einem Käfig sperren wollte! Aber Alaine versuchte sich zu beruhigen.   »Wie sollen wir denn so einen geeigneten Mann für dich finden?«, fügte er hinzu und das brachte das Fass zum Überlaufen.   »Ich habe keine Zeit für irgendeinen Kerl! Tradan wurde zwar vernichtet, aber Molana ist immer noch da draußen. Dieser Krieg ist im Moment wichtiger.«   »Der Krieg, für den du verantwortlich bist.«   Alaine fletschte die Zähne. Seine Worte überrumpelten sie und sie brachte keinen Ton heraus. Schließlich ließ sie verzweifelt den Kopf hängen und seufzte, bis Ihr Onkel ihr an die Schulter fasste.   »Du weißt, dass ich nur das Beste für dich will, Alaine. Dein Vater hätte das auch gewollt.«   »Vater ist tot«, flüsterte Alaine, wusste nicht, was sie sonst sagen sollte.   Es herrschte einige Sekunden stille, bis Vincent wieder das Wort ergriff.   »Du solltest dich ausruhen. Morgen wird ein langer Tag.«   Alaine antwortete nicht, aber bei dieser Aussage stimmte sie ihm einmal zu.   Und so lief sie ohne ein weiteres Wort auf ihr Zimmer.   * In ihrem fast durchsichtigen rosa Gewand saß Alaine auf ihrem Hocker und beobachtete den Mond. Sie kämmte ihre langen Haare und dachte wieder an Valnar. Was er wohl gerade machte? Sie lächelte, wenn sie daran dachte, wie betrunken er gewesen war. Wahrscheinlich schlief er längst fest. Das Tier wollte mehr von dem Krieger, war neugierig, wie er schmecken würde.   Sie legte die Bürste zurück auf den Tisch. »Was tust du nur?«, flüsterte sie sich selbst zu, aber nicht einmal ihr Tier antwortete ihr.   Am nächsten Morgen.   Noch in ihrer Robe saß Alaine im Besprechungsraum am großen runden Tisch. Sie rührte mit dem Löffel in ihrem Blutrosentee herum und wippte nervös mit dem Bein. Schließlich nahm sie einen kräftigen Zug von ihrer Zigarette und atmete den Rauch aus.   »Es hat also nicht funktioniert«, sprach sie betrübt und vergrub das Gesicht in ihrer Hand.   »Nein, Hohepriesterin.« Abraxas kam näher und legte einige Dokumente auf den Tisch. »Wir haben es zwar geschafft, sie als Vampir wiederzubeleben, aber sie hat dieselben negativen Eigenschaften wie die anderen.«   Alaine nahm einen Schluck aus ihrer Tasse, um ihren Zorn zu zügeln. »Wieso kann nicht einmal etwas klappen?«, fragte sie eher sich selbst. »Ich weiß, wir gehen zu weit, aber wir müssen diese Experimente fortführen! Wir müssen endlich eine Möglichkeit finden, wie wir die Verwandlung kontrollieren können.«   »Wir tun unser Bestes, Hohepriesterin«, antwortete Abraxas kühl. »Das ist das erste Mal, dass wir unser Wissen an einem toten Menschen angewendet haben, der die Verwandlung nicht überlebt hatte. Wir haben einige Erkenntnisse machen können, aber sie scheint vom Tier übernommen worden zu sein.«   »Was für ein Desaster ...« Wieder zog Alaine an ihrer Zigarette, dann nickte sie. »Sie kann hier nicht bleiben, aber Nyria muss davon erfahren. Ich will das nicht hinter ihrem Rücken entscheiden.«   Abraxas nickte ihr zu und verließ eilig den Raum. Alaine dachte an Molana, den ersten Vampir, an denen sie experimentiert hatten. Die Tätowierung, die ihr Tier die Kraft gab, wurde vollständig entfernt. Ohne sie konnte sie sich zwar nicht verwandeln, aber sie hatte kaum noch die volle Stärke eines Vampirs.   Sie war ein Vampir, aber auch nicht ...   Das war nicht Alaines Ziel gewesen. Hätte sie gewusst, was diese Frau für ein Problem werden würde, hätte sie sie getötet. Sie hätte ahnen müssen, dass Molana eines Tages mit den anderen Experimenten aus Klennars Gefängnis ausbrechen und einen Krieg anzetteln würde. Alaine bebte wieder vor Wut; wie konnte sie nur so dumm gewesen sein? Ihr Vater würde sich für sie schämen ...   Damals hatte sie Mitleid gehabt, doch heute wusste sie es besser.   Aber Alaine wollte dieses Vorhaben nicht stoppen und lieber experimentierten sie an solchen Vampiren wie Molana, statt an ihren treuen Untertanen. Sie war machthungrig und unkontrollierbar gewesen; sie hätten sie sowieso eines Tages verbannt oder geköpft.   Nur Nyrias Schwester Jayna traf keine Schuld. Alaine hoffte, dass ihr Blutschild sich für die Verbannung entscheiden würde. So könnte sie noch woanders glücklich werden und vielleicht irgendwann wieder ihr Bewusstsein erlangen. Die Schuldgefühle nagten an ihr. Ihr Tier labte sich an sie, wollte sie wütend machen. Sie tat das Richtige und wollte ihren Artgenossen helfen! Die anderen waren nur zu schwach, diese Aufgabe zu übernehmen.   Nein, das war nicht wahr. Alaine ist für all das verantwortlich. Sie allein.   Sie lief zum Fenster und beobachtete die Vampire auf dem Burghof. Wenn sie keine Lösung fand, würde die Hälfte von ihnen irgendwann an der Macht des Tieres sterben, genauso wie ihr Vater.   »Vater, vergib mir.«   Einen Moment später kam Abraxas mit Nyria zurück und Alaine nahm tief Luft.   »Jayna lebt, aber wird von ihrem Tier kontrolliert ... Es tut mir wirklich leid«, sprach Alaine schmerzerfüllt und Nyria reagierte erst nicht, aber dann nickte sie ihr zu. In ihren Augen schimmerte die Trauer, aber sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen.   »Ich will die Hoffnung nicht aufgeben, dass sie irgendwann wieder aus ihrem Inneren erwacht, und ich will sie auch nicht töten; das hat sie nicht verdient. Ich werde sie nach Shannar verbannen, wo man sich gut um sie kümmern wird.« Alaine formulierte es als Befehl, aber es war viel mehr eine Frage gewesen. »Kein Gefängnis. Versprochen.«   Nyria brauchte einen Augenblick, um ihr zu antworten. Alaine machte ihr keine Vorwürfe, denn es war immerhin ihre Schwester. Die Entscheidung war besonders schlimm, wenn es um Personen ging, die einem so nah waren.   »Ja, Hohepriesterin«, flüsterte Nyria letztendlich. »Das wäre das Beste.«   *   Wochen vergingen.   Valnar und Alaine trainierten täglich zusammen und sie war stolz zu sehen, wie er sich entwickelte.   Deshalb flüchtete sie am Nachmittag aus dem Palast, um mit ihm zu üben. Sie brauchte die Auszeit, bevor sie sich wieder ihren Verpflichtungen stellen musste.   Diesmal gingen sie in den Wald hinein, ohne das Alaine den Helm trug, und sie zeigte ihm einige Techniken an einem Baum.   »Ihr werdet niemals besser werden, solange Ihr Euer Tier nicht kontrollieren könnt«, wiederholte sie wie so oft. »Ihr müsst den Unterschied zwischen Kontrolle und Hingabe lernen.«   Alaine beschwor ihr Tier aus ihrem Inneren heraus. Ohne zu zögern, breitete es sich in ihren Muskeln aus, füllte ihren ganzen Körper mit Wärme und Stärke. Wie so oft wurden sie eins, bewegten sich im Einklang. Es war das höchste Gefühl einer tiefen Bindung und vollständigem Vertrauen. Mit einer gewaltigen Kraft holte Alaine aus und schlug den dicken Stamm des Baumes fast in zwei Hälften.   Als es nicht länger gebraucht wurde, zog sich das Tier zurück.   Alaine atmete schwer und lächelte, während sie ihr Werk betrachtete. Valnar beobachtete erst sie und dann den Baum.   »Beeindruckend, was diese Bindung zum Tier zustande bringt. Das hatte ich bisher nur in Tradan geschafft, aber für Euch scheint es so einfach.«   »Das kommt alles mit der Zeit.« Alaine nahm ihre Hände und löste ihren Zopf, dann schüttelte sie den Kopf und ihre Haare fielen ihr über die Schultern. »Im Moment bin ich mit Euren Schwerttechniken zufrieden. Ihr solltet die nächsten Tage öfter im Tempel meditieren.«   »In Ordnung. Dann mach ich mich mal auf den Weg.« Valnar wollte sich gerade abwenden, aber Alaine wollte ihn nicht gehen lassen, nicht so früh schon, und sie griff nach seinem Arm.   Valnar schaute sie verwirrt an und sie wusste für einen Moment nicht, was sie hier überhaupt tat, aber dann verließen die Worte schon ihren Mund.   »Sagt, wollt Ihr ... ähm, nun, habt Ihr heute Abend Zeit? Ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr mit mir diniert.«   Seine Mundwinkel gingen nach oben und er schaute sich um, bevor er ihr in die Augen blickte. »Alleine?«, fragte er.   »Ja.« Alaine wurde verlegen, als er sie so anlächelte. »Ich wollte mich noch richtig bei Euch bedanken, dafür, dass Ihr mein Leben in Tradan gerettet habt und auch für den Abend danach ...«   Valnar drehte sich wieder zu ihr hin und sie ließ seinen Arm los.   »Ich werde da sein.«   Alaine musste sich anstrengen, ihre Freude nicht anmerken zu lassen.   *   Am Abend machte Alaine alles in ihrem Zimmer bereit. Sie hoffte, niemand würde hiervon etwas mitbekommen. Vor allem nicht Onkel Vincent.   Ihre Haare waren mit einem Haarstäbchen hochgesteckt. Dabei trug sie ein schwarz-lila Kleid mit Silber Rosenmuster an der linken Seite. Ihre Arme waren mit Armwärmern umhüllt und sie trug ihre schönsten Silberringe.   Noch ein letztes Mal schaute sie in den Spiegel, malte noch einmal mit dem roten Lippenstift über ihre Lippen.   »Irgendwas fehlt noch.« Alaines Augen glitten über den Tisch, bis sie ihren Steckkamm im Rosenmotiv entdeckte. Diesen platzierte sie sich oben ins Haar hinein.   Ob sie übertrieb? Sie wollte nur einen guten Eindruck machen.   Alaine zündete noch die Kerze auf den Tisch an und einige Sekunden später klopfte es. Sie sprang regelrecht zur Tür, um sie zu öffnen.   Valnar trug wie immer seine schwarze Lederrüstung. Er starrte sie kurz begeistert an, bevor er einen Blumenstrauß hob. »Für Euch. Ich dachte mir, wenn Ihr mich schon einladet, kann ich Euch auch ein Geschenk mitbringen.«   Schöne Feuerlilien! Wie aufmerksam! Er sah so niedlich aus, dass ihr Tier bei dem Anblick einen Hüpfer machte und sie selbst wollte ihn am liebsten beißen, sich vollends an seinem Blut laben, während sie in seinen Armen verweilte. Alaine räusperte sich. Ihr Körper zitterte schon und sie zwang sich, sich zu beherrschen.   »Wie geht es Euch, Hohepriesterin?«, fragte er höflich und überreichte ihr den Strauß, als er ins Zimmer trat, aber Alaine konnte auch seine Aufregung spüren.   »Alaine«, korrigierte sie und roch neugierig an den Lilien. Fast lief sie wieder rot an. »Bitte Valnar, lass uns uns duzen.«   Darauf lachte er. »In Ordnung.« Dann fing er an, sie zu mustern. »Wenn ich gewusst hätte, dass Ihr- Verzeihung, dass du dich so vornehm anziehen würdest, hätte ich was Passenderes ausgesucht. Du siehst wirklich atemberaubend aus.«   »Ach«, kicherte sie verlegen, aber es war genau die Reaktion, die sie sich erhofft hatte. »Das macht doch nichts! Vielen Dank.« Sie rannte zum Nachttisch, schmiss die Nelken von Onkel Vincent aus der Vase und steckte die Lilien hinein. Schließlich wandte sie sich wieder ihm zu und grinste.   »Ich hoffe, du hast Appetit auf frisches Menschenblut.«   »Menschenblut?«, fragte er vorsichtig, während Alaine eine Weinflasche aus dem Regal nahm und auf den Tisch abstellte.   »Normalerweise gebe ich das nicht an neuen Kriegern. Es ist zwar nicht so intensiv, als würden wir uns an einem lebenden Menschen laben, aber es hat es trotzdem ganz schön in sich.« Alaine öffnete die Flasche und sie beobachtete, wie Valnars Pupillen zu Schlitzen wurden, fühlte seine Aufregung noch stärker. »Aber ich weiß, wie stark du bist.«   »Danke. Ich werde jeden Tropfen schätzen.«   Alaine war froh über seine Zustimmung; sie wollte alles sehen.   »Selbst ich traue mich nicht, mich direkt von einem Menschen zu ernähren. Es würde fatal enden.« Die Geschichten von ihrem Vater, wie Vampire die Menschen vor Blutgier zerfetzten, jagten ihr immer noch einen Schauer über den Rücken.   »Es fällt mir schon schwer, Menschen zu beißen.« Es war jedes Mal eine Herausforderung, wenn sie eine neue Gruppe von Menschenkriegern verwandeln musste. Für einen Moment wünschte sie sich, sie hätte damals Valnars Menschenblut gekostet. Das Tier pochte neugierig, bevor sie den Gedanken wieder verbannte.   Valnar nickte und setzte sich, und Alaine füllte beide Gläser mit der roten Flüssigkeit. Schließlich setzte sie sich gegenüber von ihm und hob ihr Glas an, während sie ihn neugierig betrachtete.   »Ah«, keuchte er. »Es riecht wundervoll.« Vorsichtig nahm er das Glas in die Hand und schnupperte leicht daran. Er zitterte und schien noch Hemmungen zu haben, aber das konnte sie verstehen. Immerhin war das hier freiwilliges Blut der Menschen aus ihrer Stadt. Kostbarer als alles andere.   Normalerweise würde sie das hier nicht so zur Schau stellen, aber es war nur fair, wenn sie ihn auch dabei beobachten wollte. Alaine hob lässig ihr Getränk, dann nahm sie einige Schlücke. Ihr Tier trat sofort hervor und wandte sich vor Gier. Wie eine Schlange begleitete es das Blut, als es ihre Kehle hinunterfloss. Ein wohltuendes Gefühl machte sich in ihrem Magen breit und langte in jede Ecke ihres Körpers; sie bebte vor Erregung, als ihr Tier sich in ihre empfindlichen Stellen hineindrückte und massierte. Was ein schönes Gefühl. Jedes Mal fühlte es sich wie eine Erlösung an.   Sie stellte das Glas wieder ab und stöhnte zufrieden.   Valnar lächelte sie verlegen an; er schien ganz gebannt auf Alaines Treiben gewesen zu sein und die Schamesröte stieg ihr ein klein wenig ins Gesicht. Sie legte die Arme auf den Tisch und starrte ihn erwartungsvoll an, bis auch er das Glas an seine Lippen legte und anfing zu trinken.   Erst trank er vorsichtig und sein Gesicht verkrampfte sich. Sein Tier schien sich ungeduldig auszubreiten und seine Schlücke wurden immer gieriger, aber er verschwendete keinen Tropfen. Es verging keine Minute, bis das gesamte Blut ausgetrunken war. Valnar ließ fast das Glas fallen, als er es abstellte; er keuchte laut, die Augen rot leuchtend aufgerissen. Ein einziger blutiger Faden lief seinem Kinn hinunter und auch sein Körper zitterte vor Erregung. Noch mehr, wie ihrer es getan hatte. Das erste Mal Menschenblut war immer noch eines der schönsten Höhepunkte der Gefühle und Alaine war fasziniert, ihn dabei observieren zu können. Sie lehnte sich vor und wischte das Blut von seinem Kinn mit ihrem Zeigefinger ab, dann leckte sie es auf.   Valnar räusperte sich und zwang sich zu einem Lächeln, aber Alaine konnte sehen, wie anstrengend es für ihn war.   »Unglaublich«, keuchte er schließlich mit Erleichterung in seiner Stimme.   Sie schmunzelte. »Nicht wahr?« Gespannt lehnte sie die Arme über den Tisch. »Wie hat es sich angefühlt?«   Er lehnte sich zurück und atmete tief aus. »Das war intensiver als Sex, stärker als eine Droge«, beschrieb er es und Alaines Mundwinkel gingen schüchtern nach oben. Er konnte das so gelassen aussprechen und das schätzte sie sehr.   »Es ist diese starke Bindung mit dem Tier, noch viel extremer als damals, als ich mein erstes Vampirblut gekostet hatte«, fügte er noch hinzu. »Diesmal wollte es viel mehr. Ich wollte mehr.«   Sie nickte. »Selbst ich fühle mich noch oft so, aber man sollte stets vorsichtig sein. Vor allem als junger Vampir könnte es das Tier zu stark antreiben, deshalb geben wir euch am Anfang Vampirblut.«   »Wie schön, dass man mit Euch noch beim Essen etwas lernt«, neckte er.   Alaine musste lachen, auch wenn es wahr war. »Hab ich dir nicht gesagt, du sollst mich duzen?«   Valnar schlug sich die flache Hand sanft vor die Stirn. »Verzeihung. Das kommt nie wieder vor, Alaine.«   Wieder musste sie lachen und kriegte sich fast nicht mehr ein, worauf er mitlachte, bis sie ihre innere Stimme hörte.   Warum wehrst du dich? Sein Blut würde so viel besser schmecken als alles, was du jemals gekostet hattest.   Doch Alaine ignorierte sie.   *   Sie hatten sich mittlerweile aufs Sofa gesetzt, den Rücken gegen die Wand gelehnt und redeten über Kindheitsgeschichten.   »Da stand ich, voller Dreck und Schlamm. Noch nie hatte ich Onkel Vincent so wütend erlebt, aber immerhin hatte ich meinen Teddy wieder!«   Alaine und Valnar lachten laut und er zerdrückte den Zigarettenstummel im Aschenbecher, bevor er sich wieder an die Wand lehnte.   »Du warst ja ein wirklich abenteuerlustiges Mädchen. Erinnert mich etwas an mich. Meine Mutter musste mich ständig von irgendwelchen Bäumen retten, weil ich nicht mehr herunterkam.«   »Ooh, also auch ein kleiner Abenteurer.« Sie kicherte, bis auch sie ihren letzten Zug nahm und den Stummel zerdrückte. »Das ist aber irgendwie niedlich.«   Valnar grinste sie an. »Kinder sind schon was Feines.«   »Ja ...« Sie wurde etwas betrübt an den Gedanken. »Ich möchte eines Tages auch Mutter werden.«   »Ist es schwierig als Vampir?«, fragte er vorsichtig.   »Nein, da ich geboren worden bin, kann ich auch Kinder gebären, aber ... mein Onkel. Er will, dass ich einen Herrscher heirate«, sie seufzte. »Ich weiß, dass es meine Pflicht ist, aber das kann ich nicht. Und ein Kind mit jemanden zeugen, den ich nicht liebe, kommt für mich nicht infrage.«   »Das verstehe ich«, antwortete Valnar, aber dann schwieg er eine Weile und Alaine brachte auch keinen Ton heraus.   »Aber«, fing er an. »Das ist die richtige Einstellung. Du verdienst es, jemanden zu haben, den du liebst und der dich genauso sehr liebt. Ich möchte dich nicht unglücklich an der Seite eines Königs sehen, nur weil es deine Pflicht ist.«   »Ich-« Alaine stockte. Sie war so gerührt von seinen Worten. Endlich gab es jemanden, der sie verstand, der sie wie eine Person sah, nicht nur eine Anführerin. Sie merkte nicht einmal, wie nah ihre Gesichter kamen.   Seine Lippen streiften ihre und sie wollte ihn küssen. Ihre innere Stimme schrie nach Verlangen, nach Vereinigung mit dem Vampir vor ihr. Sie sollten miteinander verschmelzen, sich gegenseitig hingeben, aber in letzter Sekunde legte Alaine ihre Hand auf Valnars Brust, schubste ihn leicht von sich und drehte beschämt ihr Gesicht weg. Das Tier strafte sie mit einer brennenden Welle durch ihren Körper, aber auch das ignorierte sie.   »Es ... tut mir leid«, entschuldigte Valnar sich. »Ich-«   »Schon gut«, unterbrach Alaine ihn und zwang sich zu einem höflichen Lächeln. »Danke, dass du heute da warst. Der Abend war sehr schön.«   Zuerst reagierte Valnar nicht, aber dann nickte er. »Das war er. Wenn, dann muss ich mich bedanken.«   »Gern.« Alaine stand auf und bemerkte, wie dunkel es draußen geworden war. »Du solltest dich beeilen, bevor dich jemand sieht.«   Valnar öffnete den Mund, als würde er noch irgendetwas sagen wollen, aber dann stand auch er auf, wieder mit diesem freundlichen Gesichtsausdruck, lief zur Tür und öffnete sie. »Gute Nacht, Alaine.«   »Gute Nacht, Valnar.«   Noch einmal schaute er sie an und für einen kurzen Augenblick sah sie seinen Kummer, aber dann ging er hinaus und schloss die Tür wieder leise. Alaine rührte sich nicht, bis sie seine Schritte nicht mehr hörte.   Was hast du getan?   Alaine knurrte und riss das Haarstäbchen aus ihren Haaren, und ihre Locken fielen herunter. Warum war alles so verdammt schwierig? Sie liebte ihn doch gar nicht; sie waren nur gute Freunde, die sich prima verstanden. Und wenn er ihr Geheimnis wüsste, würde er sowieso nie wieder etwas mit ihr zu tun haben wollen.   Sie erspähte die Lilien und ging zu ihnen herüber. Vorsichtig nahm sie eine von ihnen und roch daran. Es war ein außergewöhnlicher Abend gewesen, aber trotzdem spürte sie einen Schmerz, weil es nicht sein durfte. Blutige Tränen liefen lautlos ihre Wangen hinunter, als sie anfing zu weinen.   Wohin sollte das nur führen? Kapitel 7: Scherben ------------------- Betrübt erreichte Valnar sein Zimmer und setzte sich aufs Bett. Sein Herz schmerzte. Hatte er das alles falsch gedeutet? Wollte Alaine ihn wirklich nicht? All die Wochen, die sie zusammen verbracht hatten ... Wahrscheinlich war er ihr nicht gut genug. Warum auch? Er war nur ein Krieger, ein gebissener Vampir.   Seufzend legte er sich auf den Rücken, drehte sich dann aber auf dem Bauch, damit er sein Gesicht vergraben konnte. Er konnte es nicht länger verleugnen; er hatte sich verliebt und das Verlangen nach ihr brannte stärker denn je.   Wenn du sie nicht bekommst, musst du sie dir nehmen.   Valnar wurde wütend und da kam das Tier ihm gerade recht. Ohne groß nachzudenken, prügelte er mental darauf ein und bleckte die Zähne, fühlte, wie es unter ihm zerbrach. Doch gleichzeitig wurde es stärker; der Hass brannte lichterloh und drohte, ihn zu verschlingen. Wie vom Blitz getroffen ließ er ab, sprang auf und verschwand ins Badezimmer.   *   Das warme Wasser beruhigte seinen Körper und Valnar atmete erleichtert auf. Er schloss die Augen und versuchte an nichts zu denken, doch immer wieder sah er Alaines Gesicht. Ihr wunderschönes Lächeln war wie Balsam für seine Seele.   Vielleicht war sie einfach noch nicht bereit für ihn. Solange würde er ausharren, würde auf sie warten.   Die innere Stimme überschwemmte ihn mit Sehnsucht. Wie würde Alaines Blut schmecken? Wie würde sie nackt aussehen, in Schweiß und Lust gebadet, während er sie nahm? Vom Tier geleitet führte Valnar seine Hand zu seinem erigierten Glied. Mit dem Daumen strich er über seine Länge, bis er an der Spitze ankam und die Vorhaut herunterdrückte. Das Tier pochte in ihm, erregte ihn weiter, als es ihm zuflüsterte, wie warm und feucht die Hohepriesterin sich anfühlen würde. Mit gespreizten Beinen und auf Knien würde sie ihn anflehen, sie zu beglücken.   Valnar kniff die Augen zusammen, wollte mehr von diesen lüsternen Gedanken, während seine Hand über sein Gemächt glitt. Es gehorchte, gab ihm Bilder von Alaine, wie sie ihre Brust nur für ihn entblößte und ihre erregten Nippel präsentierte. Valnar bekam nicht genug davon, bis die Kreatur alle seine Sinne überflutete. Die Reißzähne verfingen sich in Alaines Hals und labten sich an ihrem Blut. Plötzlich lief ihr Lebenssaft reichlich ihren Hals hinunter, zwischen ihren Brüsten, bis sie sich nicht mehr rührte.   Erschrocken ließ er von sich ab und setzte sich auf. Nein, das würde niemals passieren; das wollte er nicht und das würde sein Tier auch niemals bekommen! Fauchend sprang er aus der Badewanne.   Ein kleiner Spaziergang würde ihm guttun ...   * Draußen lauschte Valnar den Grillen und setzte sich auf eine Bank. Hoch oben im Turm erlosch gerade das letzte Licht und er musste erneut seufzen.   Als sich seine Trauer breitmachte, trat das Tier wieder hervor. Es brannte gierig in ihm, wollte Alaines Blut.   Aber Valnar wollte sie. Sie war zwar eine wunderschöne Herrscherin, doch jeder sah sie so. Er hatte gesehen, wie sie wirklich war: eine intelligente Frau, die sich in ihrer Rolle eingesperrt fühlte. Valnar wollte sie befreien, ihr zeigen, wie viel mehr sie sein konnte.   Wenn sie ihn nicht wollte, dann würde er zumindest das tun; er würde immer für sie da sein.   Am nächsten Morgen.   Valnar trainierte weiter mit Alaine im Wald, aber heute war einiges anders. Sie war sehr zurückhaltend und behandelte ihn fast so, als würde sie ihn gar nicht kennen.   Er machte sich nichts draus. Sicherlich brauchte sie etwas Zeit wegen gestern Abend. Sollte er das Thema ansprechen und sich entschuldigen? Wahrscheinlich wäre es besser, wenn er sie damit erst mal nicht bedrängte ...   Valnar leitete sein Tier durch seine Muskeln. Es sträubte sich, wollte nicht gehorchen, sodass er knurrte und dagegen ankämpfte.   Gehorche mir endlich! Du hast es schon einmal getan!   Immer wieder ergriff Valnar das Tier und zwang es mit aller Gewalt sich zu fügen, doch es wurde immer aggressiver. Irgendwann entglitt es ihm komplett und er öffnete die Augen, keuchte angestrengt.   Nein, das lief so nicht. So kam er nicht weiter.   Alaine beobachtete ihn still mit den Armen verschränkt und Valnar erinnerte sich an Tradan, als er sie zusammen mit seinem Tier gerettet hatte.   Diesmal probierte Valnar es mit Feingefühl. Er atmete ruhig und streichelte sanft über die Präsenz der inneren Stimme, doch diese biss seine Seele und sendete eine Welle des Schmerzens durch ihn hindurch.   Nun kam Hass und Wut in ihm hoch und er fauchte, wollte sich rächen und das Tier angreifen, aber das würde nichts bringen.   Schließlich atmete er tief aus und zwang sich, sich zu beruhigen.   Das Tier wollte nur seinen Geist testen.   Bitte, ich brauche deine Hilfe.   Noch immer wand sich die Präsenz der Bestie in ihm, versuchte ihn weiter zu triezen, ihn mit Hass zu übersäen, aber Valnar ließ all das an sich abprallen. Fast schrie er auf durch die gewaltige Druckwelle, aber er hielt stand.   Überraschenderweise reagierte sein Tier plötzlich sanft und durchströmte seine Adern, füllte ihn mit Wärme. Valnar stöhnte erleichtert, spürte die Kraft, die sich in ihm ausbreitete. Er lenkte diese gesamte Macht in seinen nächsten Schwerthieb und zerfetzte die Trainingspuppe vor ihm.   »Sehr gut gemacht«, rief ihm Alaine zu.   Valnar keuchte erleichtert. Endlich hatte er es geschafft, die Bestie zu kontrollieren!   Doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff Alaine erneut das Wort.   »Ich glaube, ab jetzt wäre es besser, wenn wir auf Abstand gehen. Du wirst meine Hilfe nicht länger brauchen. Wiederhole einfach das, was ich dir gezeigt habe.«   Ihre Worte waren wie ein Stich in seinem Herzen.   Das wars? Nach all den gemeinsamen Stunden wollte sie nichts mehr mit ihm zu tun haben? Nein, er wollte sie nicht gehen lassen.   »Ist das wirklich, was du willst? Es tut mir leid wegen gestern Abend«, versuchte Valnar zu sagen, aber Alaine schüttelte den Kopf.   »Ja, das ist, was ich will. Es ist nicht deine Schuld.« Ihre Stimme klang überzeugend, aber ihre glasigen Augen sprachen eine andere Sprache.   Valnar ließ die Arme fallen; er konnte sie nicht zwingen, auch wenn es ihn innerlich zerriss. Das Tier nagte an seiner Seele und nährte sich an seiner Verzweiflung, befahl ihm, er solle handeln und sie dafür bestrafen, dass sie seinen Stolz verletzte.   Die Stimme wurde immer aufdringlicher, wollte Blut, aber Valnar drängte sie wie immer zurück.   Schließlich nickte er Alaine zu; er musste ihre Entscheidung akzeptieren.   Alaines Blick wurde ernst, so autoritär wie damals, als er sie das erste Mal zu Gesicht bekam.   »Viel Erfolg«, fügte sie noch hinzu, bevor sie sich umdrehte und ging.   Valnar wollte, dass sie wieder kam, dass sie ihm sagte, es war alles nicht so gemeint, dass alles nur ein Test war. Aber es passierte nichts dergleichen und so verschwand sie zwischen den Bäumen.   Er fühlte sich so leer ...   *   Auf einer Lichtung hinter einem großen Felsen wischte sich Alaine die blutigen Tränen aus dem Gesicht. Die Worte, die sie Valnar an den Kopf warf, waren so schwer gewesen; sie wollte das alles doch nicht.   Aber der Gedanke an ihre Experimente belasteten sie so sehr. Valnar würde niemals so jemanden wie sie lieben, wenn er die Wahrheit wüsste. Nein, dafür war er viel zu gutherzig. Wahrscheinlich würde er sie hassen und davor hatte sie Angst.   Sie versuchte sich einzureden, dass es für alle das Beste wäre. Valnar und sie hatten sowieso keine Chance für eine gemeinsame Zukunft gehabt.   Sie war die Hohepriesterin und er ihr Krieger.   Ihr Tier wollte Valnars Blut, wusste, dass Alaine sich auch danach sehnte. Sie würden ihre nackten Körper vereinen und sich gegenseitig nähren. Sie knurrte, wollte nicht daran denken. Es war alles zwecklos! Das mit Valnar war Geschichte!   *   Alaine lief den Gang entlang auf dem Weg zum Thronsaal. Onkel Vincent meinte, es wäre wichtig und sie sollte sich schick anziehen, und so musste sie sich fügen.   Sie trug ein kurzes weißes Kleid mit Goldverzierung, dazu einen langen Mantel mit kniehohen Stiefeln und Armwärmern derselben Farbe. Ein genervtes Stöhnen war zu hören, als sie fast umknickte. Diese hohen Hacken waren einfach nicht ihr Stil!   Als ein paar Wachen das Tor zum Thronsaal für sie öffneten, fiel ihr sofort auf, dass die Rosen an der Decke mit Nelken ausgewechselt wurden.   »Ah, meine Liebe«, rief Vincent ihr zu und erst dann bemerkte Alaine ihn in Begleitung eines Mannes.   Er hatte mittellanges schwarzes Haar und trug eine dunkelblaue Rüstung, die auch goldverziert war. Der lange schwarze Umhang schliff ihm hinterher, als er näher kam.   »Das hier ist König Morlon vom Königreich Iranis.«   Alaines Augen rissen weit auf und sie wusste sofort, was Onkel Vincent getan hatte.   Vincent lächelte zufrieden, während er Alaine musterte. »Ich hoffe, ich habe Euch nicht zu viel versprochen. Sie ist eine wunderschöne Frau, nicht wahr?« Alaine konnte kaum reagieren, als ihr Onkel sich zu ihr wandte.   »Du wirst seine Frau und im Gegenzug wird Asran sich mit Iranis verbünden und unsere Reiche stärken.«   Der fremde Vampir kam auf sie zu, mit diesem Blick in seinen roten Augen, dem Alaine die Nackenhaare aufstellen ließ. Sein Ausdruck verriet ihr, dass er sie wie ein Stück Fleisch betrachtete. »Ihr seid wahrlich bezaubernd.« Eilige kniete er sich hin und nahm ihre Hand, küsste sie.   »Danke.« Alaine versuchte höflich zu bleiben, aber sie war kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Die Wut kam in ihr hoch. Wie konnte Onkel Vincent sie nur so hintergehen? Wie flüssiges Feuer lief Alaines Tier durch ihre Adern, wollte sie zum Angriff bewegen.   »Jetzt, da ich sie gesehen habe, werde ich Euer Angebot annehmen«, verkündete Morlon, als er sich wieder zu Vincent umdrehte.   »Das ist das Beste für alle«, fügte Alaines Onkel hinzu.   Das Tier drückte zu; alles brannte in ihr.   Er hat dich verraten! Er verdient den Tod!   Alles in ihr schmerzte vor Anstrengung, sich zusammenzureißen. Dort standen zwei Männer, die über ihr Leben entschieden und sie hatte überhaupt kein Mitspracherecht.   Warum war das Schicksal so ungerecht?   »Alaine, führ König Morlon doch ein bisschen herum. Ich bin mir sicher, ihr werdet euch prima verstehen!«   Kaum sprach er es aus, stand Morlon schon neben ihr und nahm ihre Hand. Widerwillig nickte Alaine, während das Tier nach Vergeltung schrie.   Das konnte alles nur ein fürchterlicher Albtraum sein.   *   Alaine führte Morlon durch den Garten und erzählte ihm lieblos etwas über die Architektur Asrans, woraufhin er sehr begeistert wirkte. Trotzdem kam ihr seine Reaktion scheinheilig vor, aber das interessierte sie auch nicht wirklich.   Sie wollte nicht hier sein. Am liebsten würde sie ihn hier stehenlassen und wegrennen.   Als wäre das nicht alles schon schlimm genug, packte Morlon sie von hinten und legte die Hände auf ihre Hüften.   »Ihr seid nicht nur schön, sondern duftet auch hinreißend«, flüsterte er. »Ich werde Euch ein wundervolles Kind schenken, welches eines Tages über Asran und Iranis herrschen wird.«   Seine Hand fuhr an ihrer Seite hoch und blieb vor ihrer Brust stehen. Alaine war angewidert von diesem schmierigen Typen. Ihre innere Stimme verlangte, seine Gedärme auf den Boden zu sehen und sie wollte es auch. Niemand hatte das Recht, sie so anzufassen.   Trotzdem drückte sie sich lediglich aus seinen Fängen und lächelte höflich. »Sicher können wir darüber in Ruhe reden.«   Der König grinste sie an, als würde all das schon feststehen und richtete seinen Umhang. »Natürlich, Hohepriesterin.«   Deine Welt wird in Scherben vor deinen Füßen landen, wenn du ihn nicht sofort tötest.   Ihr Körper bebte vor Zorn, vor Verzweiflung. Wie gerne würde sie sich der inneren Stimme hingeben, nur um sich zu befreien. Kapitel 8: Verloren ------------------- Valnar war fast eingeschlafen, als ihn ein Hämmern aus dem Halbschlaf riss. Verwirrt schaute er sich um, bis er das Klopfen an seiner Tür wahrnahm. Schnell schmiss er sich aus dem Bett und zog seinen Bademantel an, dann öffnete er die Tür. Zuerst erkannte er die Person mit schwarzer Kapuze nicht, aber dann sah er die blutverschmierten Augen von dem Gesicht, nachdem er sich am meisten gesehnt hatte.   »Alaine?«, fragte er und ließ sie passieren. Sie drückte sich in seine Arme und weinte. Verdutzt hielt Valnar sie fest und strich ihr durchs Haar.   »Alles ist gut«, flüsterte er, keine Ahnung, was passiert war. Prompt löste sich Alaine aus der Umarmung und starrte ihn an.   »Nichts ist gut! Mein Onkel, er-« Ihre Worte wurden von einem Schluchzer unterbrochen. »Er hat den König aus Iranis hierhergeholt und wird mich zur Heirat zwingen«, weinte sie. »Ich weiß, ich muss, aber ich- ich kann das nicht.«   »Ssh«, flüsterte Valnar und nahm sie wieder in den Arm. Eine enorme Wut kam in ihm hoch. Wer auch immer dieser König war, sollte seine dreckigen Finger von Alaine lassen. »Das lasse ich nicht zu«, versicherte er ihr, auch wenn er keine Idee hatte, wie er das anstellen sollte. Allein der Gedanke, dass dieser fremde Vampir sie für sich beanspruchte, ließ das Tier in ihm kochen.   Alaine schmiegte sich an ihm und die innere Stimme wollte sie für sich, wollte Valnar in diese selbstsüchtigen Gedanken ziehen, auf dass er sich den Kopf des Königs holte.   Aber er wehrte sich. Alaine war kein Gegenstand; er wollte nur das Beste für sie.   »Und seine Blicke ... Er fasste mich an, als wäre ich schon jetzt sein Eigentum.«   Valnar knurrte im Einklang mit dem Tier. Die Gier, ihn tot zu sehen, machte sich breit, füllte alle seine Sinne. Wie konnte es dieser Bastard wagen?   Sie legte die Arme um ihn. »Bitte, darf ich hierbleiben? Nur für eine Weile?«   »Natürlich. Bleib so lange du willst«, antwortete er sofort und leitete sie zum Bett. Immer noch brodelte es in ihm und er wollte alles tun, um sie zu beschützen. Vorsichtig nahm er ihr den Umhang von den Schultern, als sie sich hinsetzte.   »Möchtest du etwas? Vielleicht eine Tasse Tee?«, bot er an, während er so überflüssig in der Mitte des Raums stand, doch Alaine schüttelte den Kopf.   »Bleib einfach bei mir«, flehte sie ihn schon fast an und er setzte sich rasch neben sie, nahm sie wieder in den Arm. Minuten vergingen und sie verweilten weiter in dieser Position. Nie hatte er sie so erlebt; das war nicht die Alaine, die er kannte. Sie wurde in einem Käfig gesperrt, aus dem sie nicht herauskam. Er fühlte sich so schrecklich nutzlos, wünschte, er könnte sie befreien, bevor ihr Feuer ganz erlosch.   »Ich bin immer für dich da«, flüsterte er schließlich. »Ganz egal was passiert, du kannst immer zu mir kommen.«   Wenn es sein musste, dann würde er ihr in ihrem Gefängnis Gesellschaft leisten, damit sie niemals alleine war.   Alaine nickte unter Tränen und Valnar wischte ihr die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er hätte sie am liebsten geküsst, ihr die Trauer genommen, und diese Sehnsucht machte ihm auch sein Tier klar.   In den nächsten Tagen traf Alaine ihn öfter heimlich, aber sie sprach nicht oft über das Geschehene, deutete nur an, dass der König aufdringlich war.   Dieser Kerl ... In Valnar kochte es erneut, aber er konnte nichts tun. Nicht, solange Alaine es nicht wollte. Alles, was er tun konnte, war, für sie da zu sein, und so lagen sie wieder zusammen in Stille auf seinem Bett.   Es verging eine gefühlte Ewigkeit, bis Alaines Stimme ertönte.   »Heute will er mit mir dinieren.« Sie sprach so leblos und verzweifelt. Allein der Gedanke löste in Valnar Übelkeit aus. Seine innere Stimme fauchte, beschwor den Zorn und die Eifersucht erneut in ihm herauf. Alaine so intim zu sehen, hatte dieser Bastard nicht verdient.   »Geh nicht«, flehte er sie an und packte ihre Hand. Sie gab ihm diesen schmerzerfüllten Blick und er ahnte ihre Antwort bereits.   »Ich muss.«   Das Tier wickelte sich um sein Herz, warnte ihn, dass er sie nicht gehen lassen sollte. Fast wollte Valnar diese Gedanken in die Tat umsetzen und hielt ihre Hand fester.   Aber Alaines verängstigtes Gesicht brachte ihn dazu, loszulassen.   Seufzend schaute er auf die gegenüberliegende Wand. Sein Tier gab ihn zu verstehen, dass er nicht hilflos war; er musste nur etwas dagegen tun, und das war, den König umzubringen.   Zusammen könnten sie ihn zerfetzen, seine Körperteile im Thronsaal verteilen. Valnar atmete schwer und gierte nach diesem Bild.   Die Fantasien verflogen, als Alaine mit beiden Händen sein Gesicht anfasste und es zu sich drehte. Er rührte sich nicht, starrte sie nur an. Sie kniete sich neben ihn hin und ihr Blick war neugierig, beobachtete ihn genau.   Wieder wollte er sie küssen, sich mit ihr vereinen und alles andere vergessen.   Ihre Hände glitten vorsichtig seine Wangen hinunter und schon war es vorbei.   »Ich muss gehen«, flüsterte sie und stand auf. Valnar wollte ihr nach, aber sie griff hastig ihren Umhang und verschwand aus der Tür.   Ein weiterer Stich traf ihn in seiner Brust, als die Quelle seiner Begierde den Raum verließ, und er packte sich vor Verzweiflung den Kopf, wusste einfach nicht, wie er ihr helfen konnte.   Das machte ihn so machtlos.   * Es war spät abends, als Alaine aufgetakelt zum privaten Speisesaal lief. Sie hatte keine Lust auf dieses Abendessen mit Morlon. Lieber würde sie mit Valnar ausgehen, wieder in die Bar, in derer sie einst so viel Vergnügen hatten.   Ihr hellblaues Kleid schliff ihr hinterher, als sie den Raum betrat. Es hatte weite Ärmel und keinen Ausschnitt, um sich besser vor den widerlichen Blicken des verhassten Vampirs zu schützen. Dafür trug sie viel Silberverzierungen und Schmuck, die von ihr ablenken sollten. Nur ihre Haare waren zu einem einfachen Zopf gebunden.   König Morlon hatte sie bereits erwartet und gab ihr ein Grinsen, welches Alaine mit einem gezwungen höflichen Lächeln erwiderte.   Am liebsten würde sie ihm ins Gesicht treten.   »Gut seht Ihr aus, Hohepriesterin. Nicht ganz, wie ich erhofft hatte, aber dennoch gut«, kommentierte er und nahm wieder ihre Hand, um sie zu küssen.   Es gab Alaine eine Genugtuung, dass er nicht das bekam, was er wollte, und so gab sie ihm diesmal ein aufrichtiges Lächeln.   »Setzt Euch. « Morlon zog den Stuhl für sie heraus und sie setzte sich, dann nahm er neben ihr Platz.   Einige Weinflaschen standen auf dem Tisch und sie wusste sofort, dass es Menschenblut war. Das machte sie nervös; er würde sie während des Trinkens genau beobachten.   Das wollte sie nicht.   »In Iranis saugen wir die Menschen noch persönlich aus«, lachte Morlon. »Nicht so wie hier. Deshalb habe ich einige Flaschen mitgebracht, anstatt meine Sklaven.«   Er lachte weiter, als wäre es amüsant. Alaine aber war fassungslos. Für sie war es respektlos, sein Tier so zu füttern und die Menschen zu verletzen. Wenn sie nur daran dachte, wurde ihr schlecht.   Sie ließ sich nichts anmerken und hielt ihr Glas hin, worauf Morlon beide füllte. Alles bewegte sich so langsam wie noch nie und sie versuchte den Duft des roten Lebenssafts zu ignorieren.   »Interessant. Die Menschen in Asran spenden freiwillig, dafür beschützen wir sie im Verborgenen, aber lassen sie in Ruhe. Wir wollen schließlich die Kontrolle über unser Tier bewahren.« Etwas Spott machte sich in ihrem Ton breit und Morlon schien es zu bemerken; er grinste wieder und seine Reißzähne traten gefährlich hervor.   »Ihr habt Biss, Alaine. Das gefällt mir.«   Bevor sie darauf reagieren konnte, packte er ihren Arm, zog sie an sich und presste seine Lippen auf ihre. Alaines Pupillen formten sich zu Schlitzen. Mit einem Ruck riss sie sich aus seinen Fängen und gab ihm eine Ohrfeige. Die innere Stimme war sofort zur Stelle, schürte die Wut.   Töte ihn für diesen Frevel! Nur sein Tod wird deinen Stolz wiederherstellen!   »Wie könnt Ihr es wagen?!«, schrie Alaine, packte ihr Glas und schmiss die Flüssigkeit in Morlons Gesicht. Schock machte sich in seinen Augen breit, dann fingen sie an, rot zu leuchten und er sprang auf, die Zähne tödlich gebleckt.   »Eine Frau hat sich nicht so gegenüber ihrem Mann zu verhalten!«, knurrte er, wollte sie wieder packen, aber Alaine ging einen Schritt zurück.   »Noch seid Ihr nicht mein Mann! Und ich bin nicht Euer Spielzeug!«, keifte sie und ohne auch nur eine weitere Sekunde zu zögern, rannte sie aus dem Saal hinaus.   Das Tier wollte Rache, wollte sie zurück in den Saal drängen und ihre Zähne in den Leib des Eindringlings stoßen, aber Alaine rannte stur weiter, das Kleid angehoben. Kaum kam sie auf ihr Zimmer an, riss sie sich mit aller Gewalt das Gewand vom Leib und stand nur noch in Unterwäsche da.   Zitternd und mit den Fäusten geballt, versuchte sie ein Schluchzen zu unterdrücken. Schließlich rutschte sie gegen die Tür auf den Boden hinunter und umarmte ihre Beine.   Dieses Schwein! Ihr Tier hatte recht! Er verdiente den Tod mehr als jeder andere! Die Bestie umarmte ihre Sinne erneut, forderte die Wut, während es durch ihre Adern schlängelte, und Alaine ließ es zu. Sie bebte vor Hass und war kurz davor umzukehren und den König in Stücke zu reißen.   Doch ihre Augen rissen weit auf, als sie die Vase auf dem Nachtisch entdeckte. Schnell sprang sie auf und rannte dort hin. Valnars Lilien waren verschwunden und stattdessen machten sich Eisblumen aus Iranis darin breit.   Du weißt, es macht dich wütend! Lass deinen Hass freien Lauf!   Alaine fing an zu schluchzen, gefolgt von einer Welle schmerzhafter Wut. Das Tier glühte heiß in ihr, zwang sie, endlich zu handeln, bevor man sie ganz zerstörte. Sie schrie auf und schmetterte die Vase zum anderen Ende des Raums, wo sie zersprang und das Wasser und die Blumen auf den Boden zerstreuten. Ihre Tätowierung brannte, als das Tier sich dort ausbreitete und sie hielt ihren Arm. Ein Fauchen verließ ihre Kehle und sie spürte, wie die innere Stimme die Kontrolle übernehmen wollte. Wie ein Herzschlag pochte ihr Arm und ihre Gedanken wurden überflutet mit Hass; sie war kurz davor, in Raserei zu verfallen.   Nein, das durfte nicht passieren!   Mit einem Keuchen schlug sie das Tier zurück, kämpfte mit ihrem Geist dagegen an. Fast verschlang es sie. Alaine schrie vor Schmerz, während es sich in sie festbiss. Immer wieder, bis sie sich seinem Willen fügen sollte. Wieder schrie sie auf und mit aller Gewalt riss sie die Kreatur zurück in die Tiefen ihrer Seele.   Dann fiel sie auf die Knie, atmete schwer und wischte sich den Speichel vom Mund.   Fast hätte sie sich ganz verloren! Die Schmerzen waren so unermesslich gewesen, wie sie es noch nie vorher gespürt hatte. Als würde ihr Geist in zwei geteilt werden.   Sie umarmte zitternd ihren Leib, weinte und fühlte sich komplett hilflos; für sie gab es keinen Ausweg!   Aber dann kam ihr der Mann in dem Sinn, der ihr all den Schmerz nehmen konnte, und eine beruhigende Wärme füllte ihre Seele, ein kleiner Schimmer der Hoffnung.   »Valnar«, flüsterte sie ins Nichts. Kapitel 9: Konflikt ------------------- Sie war völlig angetrunken, konnte kaum noch stehen, aber trotzdem bat Alaine eine ihrer Dienerinnen, dass sie Valnar einladen sollte. Vorher schob sie noch den Vorhang über den Nachtisch, wo einst die Vase stand, dann schmiss sie sich auf ihr Sofa und streckte sich. Sie trug ein schulterfreies oranges Kleid mit großem Ausschnitt. Ihre Haare waren ungekämmt, aber sie hatte keine Lust, sich schon wieder aufzutakeln. Ihre Wut auf diesen König war unermesslich und sie wollte diese Wut mit Alkohol betäuben.   Aber es gelang ihr nicht; sie brauchte denjenigen, der ihre Ruhe bewahren konnte, ihr all den Schmerz nahm.   Kurz darauf klopfte es an der Tür.   »Komm rein«, rief Alaine und stützte sich mit einem Arm auf, den anderen über den Kopf gelehnt.   Valnar trat herein und diesmal trug er einen langen schwarzen Mantel, der mit Symbolen von Asran verziert war.   »Guten Abend«, lächelte er leicht, als er sie betrachtete. Alaine musste kichern, aber vielleicht lag das eher am Alkohol.   Er nahm den Mantel ab und legte ihn über einen Stuhl. Darunter trug er ein einfaches graues Hemd und eine schwarze Hose.   »Ich sollte mal ein bisschen mehr Farbe in dein Leben bringen«, lachte Alaine, während er auf sie zukam und sie angrinste.   »Hätte ich nichts gegen.«   »Aber dir steht das.« Sie machte eine Geste, dass er sich auf den Sessel vor ihr setzen sollte und er tat, wie befohlen.   Valnar platzierte seine Arme auf die Lehnen und beobachtete Alaine, während sie ihn anstarrte. Sein Gesicht und sein Körper lösten ein Verlangen in ihr aus, welches sie nur selten spürte. Für sie war er perfekt und sie wollte mehr von ihm. Wieder schwiegen sie eine Weile, aber ihre Blicke trennten sich nicht. Seine roten Augen schauten so neugierig und gleichzeitig verwirrt, dass es ihr erregt die Nackenhaare aufstellte.   Schließlich ließ Alaine ein Bein herunterbaumeln, sodass er ihren Slip sehen konnte. Die Wärme stieg ihr ins Gesicht und ihr Tier verstärkte ihre Sehnsucht. Ob sie zu weit ging? Das hier schien so richtig und sie schob ihre letzten Bedenken beiseite. Valnars Blick senkte sich nur langsam, unsicher, und Alaines Tier reagierte mit Lust, wollte sich auf ihn stürzen und sein gesamtes Blut aussaugen.   Zügig richtete sie sich auf, ließ ihr Kleid noch weiter herunterrutschen, liebte es, wie Valnar versuchte, ihr nicht in den Ausschnitt zu starren, und wie verwirrt er war, doch seine Mundwinkel immer noch oben waren. Sie sehnte sich so sehr nach ihm, wollte seinen Körper, sein Blut. Aber sie wusste, dass sie ihn niemals haben könnte.   Ihre Fangzähne wuchsen vor Gier. Sie war eine Anführerin! Die Hohepriesterin! Zumindest kleine Happen verlangte sie und die sollte sie auch bekommen!   »Zieh dein Hemd aus«, flüsterte sie.   Sein Mund öffnete sich und er zögerte. Alaine nickte ihm zu, machte ihm klar, dass alles in Ordnung sei.   Aufgeregt beobachtete sie, wie er das Oberteil vorsichtig über seinen Kopf zog, dann stand sie auf, um auf ihn zuzulaufen, und fiel fast hin, kniete sich aber flink auf seine Beine. Alaine biss sich auf die Unterlippe, während ihre Hand über seine stramme nackte Brust glitt. Die Neugier überflutete ihren Verstand und sie tastete über die Muskeln, konnte sehen, wie Valnar nervös schluckte, aber er hielt sie nicht auf. Das Tier wollte mehr, spornte sie weiter an. Das hier gehörte alles ihr, sie musste es sich nur nehmen. Ein leises Stöhnen entwich ihren Lippen, als ihre Hand noch weiter herunterwanderte, aber bei seinen Bauchmuskeln hielt sie inne.   Sie musste sich zurückhalten.   Alaine schloss die Augen und lehnte ihre Stirn erschöpft an seine Schulter.   »Ich bin so froh, dass du da bist«, seufzte sie. »Bitte bleib.«   Plötzlich hob Valnar einen Arm und streichelte Alaines Kopf, glitt durch die langen Haare.   »Ich bleibe so lange, wie du mich brauchst. Das weißt du doch«, sprach er so lieblich, dass Alaine erleichtert ausatmete.   Er streichelte sie weiter und es beruhigte sie. Seine Aura war wie eine Salbe für ihre Existenz und sie wurde müde, fühlte sich sicher in seinen Armen. All ihre Sorgen waren weit entfernt und selbst das Tier störte sie nicht.   Ihre Lider wurden immer schwerer und sie versuchte wach zu bleiben, um jede seiner Berührungen zu spüren.   Aber kurz darauf schlief sie doch ein.   *   Als Alaine erwachte, lag sie wieder auf ihrem Sofa. Sie drehte ihren Kopf nach hinten und erblickte Valnar an ihren Rücken geschmiegt, einen Arm um ihre Taille.   Er war fest am Schlafen und sie beobachtete ihn. Im Schlaf sah er so friedlich aus, fast schon verletzlich. Ihre Gefühle für ihn überschwemmten sie wie aus dem Nichts und schließlich bekam sie feuchte Augen.   Es hatte eine Ewigkeit gedauert, aber sie kam endlich zu der Einsicht, dass sie ihn liebte und auch ihr Tier trieb sie an, wollte ihn für sich beanspruchen. Wieso konnte sie ihn nicht haben? Es war so unfair. Dieser Mann war für sie bestimmt und sollte ihr gehören.   Ihr Verlangen wurde größer als ihre Vernunft und sie drehte sich zu ihm herum. Die Reißzähne ragten aus ihrem Kiefer, während sie ihr Gesicht an seinen Hals lehnte. So musste es sein. Sie war dafür bestimmt. Gierig leckte sie über seine Haut und das Tier kreischte nach Erlösung, drückte gegen ihren Hals, sodass sie die Fangzähne hineinstoßen würde und sie beide mit seinem Blut nährte.   Nur ein kleiner Biss und sie würde das bekommen, wonach sie sich am meisten sehnte.   Doch Alaines Mund schloss sicher wieder, als sich ihre Vernunft meldete. Sie stöhnte angestrengt und ließ wieder von ihm ab. Wütend zog das Tier an ihren Muskeln, brannte förmlich, aber sie zuckte nur und schluckte den Schmerz herunter.   Welch eine Qual.   Sie legte sich auf den Rücken, aber schlafen konnte sie nun nicht mehr. Stattdessen stellte sie sich eine glückliche Zukunft mit Valnar vor, die niemals sein konnte, aber auch diese Gedanken fingen an zu schmerzen.   Eine halbe Stunde verging, bevor er sich regte. Erst streckte er sich, dann öffnete er die Augen und blickte sie müde an.   »Hast du gut geschlafen?«, fragte Alaine, aber er stöhnte nur und setzte sich auf, und sie tat es ihm gleich.   »Es geht ...«, seufzte er. »Ich mache mir Sorgen um dich. Wie geht es dir?«   »Ich bin okay. Du musst dir keine Sorgen machen«, versicherte sie ihm, aber sie fühlte sich schuldig, dass sie ihm mit ihrem Verhalten ständig Hoffnungen machte. »Es tut mir leid. Ich hätte nicht so viel trinken sollen.«   Valnar schaute zur Decke und atmete aus. Er wirkte beleidigt und das Tier stach ihr aufgebracht ins Herz, denn er war der Letzte, den sie leiden sehen wollte.   Kurz darauf fasste Alaine ihm an die Wange und küsste ihn dort. Es war nur ein schneller Kuss, ohne die Leidenschaft, die sie wirklich empfand.   Verwundert starrte er sie an und öffnete den Mund, aber sie legte ihren Zeigefinger auf seine Lippen, bevor er etwas sagen konnte.   »Du weißt, dass es nicht sein darf.«   Er musste das verstehen. Sie sah die Qual in Valnars Augen und dann schmerzten ihre Worte selbst sie und wieder dachte sie an ihre Taten.   Wie gerne würde sie ihm davon erzählen, all die Gräueltaten, die sie zugelassen hatte. Sie war so kurz davor, alles zu beichten.   Aber das tat sie nicht, konnte es einfach nicht.   Sie stand auf und richtete ihr Kleid. »Es ist schon spät«, flüsterte sie, während sie beschämt auf den Boden starrte. »Du solltest schnell zurück, bevor dich jemand sieht.«   Alaine wusste selbst nicht mehr, was sie hier eigentlich tat.   *   Wutentbrannt lief Valnar den Gang entlang. Wieder spielte Alaine mit ihm, nur um ihm im letzten Moment abzuwimmeln!   War er nur dazu da, um ihre Langeweile zu befriedigen? War er nichts weiter als ein verdammtes Spielzeug?   Nein, niemals! Warum sollte sie ihm so etwas antun? So eine war sie nicht; das war doch alles echt.   Er packte sich am Kopf, als das Tier ihm laut zuflüsterte.   Sie gehört nur dir allein! Der andere Vampir muss sterben!   Und wie recht es hatte. Dieser Morlon war an allem schuld! Wenn Valnar ihn endlich zerfetzte, würde Alaine ihn nehmen, ihn nicht länger abblocken.   Er liebte sie mehr als jede andere Person, die er jemals geliebt hatte, und sie fühlte genauso. Er wusste es. Aber sie war gefangen.   Schnell und leise huschte er durch die Gänge, getrieben von seiner inneren Stimme. Er schlug das Tor zum Thronsaal auf, doch es war leer. Irgendwo musste dieser Mistkerl doch sein! Er konnte sich nicht ewig verstecken! Valnar knurrte verärgert. Das Tier pochte heiß in seine Adern, gab seinen Muskeln die Macht, jede Tür in seinem Weg zu vernichten.   Als er die nächste Tür mit einem ohrenbetäubenden Lärm aufschlug, hielt er inne.   Was tat er hier bloß? Mit dieser Leichtsinnigkeit würde er Alaine nur in Gefahr bringen. Was würde er denn tun, wenn er vor diesem König stand? Ihn umbringen? Die innere Stimme wollte es, aber er wusste es besser. Selbst wenn er es schaffte, würde Iranis Asran für den Tod ihres Königs verantwortlich machen.   Valnar fauchte, bis ein Mann um die Ecke kam und ihn verwirrt anstarrte.   Er hatte schwarze Haare und seine rot goldene Robe sah aus wie die eines Adligen. Schließlich erkannte er das Wappen Iranis' an der Brusttasche.   Das musste er sein. Er sah genauso schmierig aus, wie Alaine ihn immer beschrieben hatte.   »Was habt Ihr hier zu suchen?«, fragte der Vampir mit erhobener Augenbraue.   Das Tier riss förmlich an Valnar und überflutete ihn mit Aggression, forderte, dass er sein Revier verteidige.   Vor ihm war der Vampir, der zwischen Alaine und ihm stand.   Valnar ballte die Fäuste und war bereit zum Angriff. Am liebsten würde er diesem Wicht das Maul stopfen!   Seine Kehle wird zwischen deinem Kiefer zerfetzt werden!   »Ich ... mache einen Spaziergang durch den Palast«, antwortete er, so ruhig er konnte.   »Tss«, schnaubte sein Widersacher. Er verlor direkt das Interesse an Valnar und lief an ihm vorbei. »Wenn ich erst einmal die Hohepriesterin geheiratet habe, wird es hier so etwas nicht mehr geben! Dass solche niederen Köter hier herumlaufen dürfen, ist unerhört.«   Dann verschwand er um die Ecke und Valnar wurde rasend. Die innere Stimme drängte ihn umzukehren und ihn zu töten. Sie schrie so laut nach Vergeltung wie noch nie zuvor. Die Pein stieg ins Unermessliche vom Feuer des Tiers.   Valnar rannte so schnell er konnte, hinaus in den Burghof über den Weg bis zum Tempel. Er fühlte sich, als würde er ersticken, aber er riss die Tore auf und zog sich schon hastig aus, bevor er das Wasser erreichte. Keuchend schmiss er sich ins flache Nass auf die Knie, versuchte das Tier zu ignorieren, während die plätschernden Geräusche in seine Ohren eindrangen.   Allmählich beruhigte er sich wieder. Das Tier zog sich zurück, ließ ihn aufatmen. Die Gedanken waren fort und er dachte nur noch an Alaine, an ihre Sicherheit.   Erleichterung machte sich breit. Hätte er sich in diesem Moment verloren, wäre das ihrer beider Ende gewesen. Kapitel 10: Sehnsucht --------------------- »Gut, das solls für heute gewesen sein«, rief Nyria den Kriegern zu und Valnar senkte sein Schwert. »Morgen machen wir weiter, aber ich empfehle euch noch eine Stunde im Tempel zu meditieren.«   Normalerweise wäre das auch Valnars nächster Halt gewesen, aber Alaine hatte ihn wieder eingeladen. Er sollte sie im Badehaus treffen und es würde dort leer sein.   Egal was geschehen war, er wollte sie wiedersehen, und an diesem Ort war es sicherlich entspannter als oben in ihrem Zimmer.   Er wartete noch, bis alle Krieger fort waren, dann machte er sich auf den Weg und dachte an gestern, wie Alaine ihn so neugierig angefasst hatte. Knurrend nährte sich das Tier an diese Erinnerungen. Ihr Glück wurde wegen Morlon unterbrochen und dann traf er diesen Mistkerl auch noch.   Wieder brannte die innere Präsenz und fügte seiner Seele Schmerzen zu, weil er ihn nicht angegriffen hatte, aber Valnar atmete tief ein. Nein, er wollte nicht mit so viel Wut bei Alaine auftauchen; er musste ruhig bleiben.   Vor dem Badehaus schaute er sich noch einmal um, aber es war weit und breit niemand zu sehen, und so öffnete er die Tür. Heißer Dampf kam ihm entgegen und er trat hinein.   Überall hingen Blutrosen, als er den langen Gang entlang lief. Der rote Teppich machte seine Schritte lautlos und er hörte schon das fließende Wasser aus dem nächsten Raum. Als er hineintrat und die Tür leise schloss, sah er die roten Haare seiner Hohepriesterin. Sie war mit dem Rücken zu ihm gewandt und nahm ihn nicht wahr, also lief er auf sie zu.   Erst dann bemerkte er, dass sie nackt in einer der Badewannen lag. Geistesabwesend schaute sie aus dem vernebelten Fenster; ihr Mund und Kinn waren blutüberströmt. Das Tier regte sich in ihm bei diesem Anblick und er konnte nicht anders als hinzuschauen. Ihre Brüste waren nur zur Hälfte im schaumigen Bad, und erst nachdem er sie kurz betrachtet hatte, zwang er sich, woanders hinzusehen. Die Blutspur floss ihren Mund hinunter ins Wasser. Das Tier schrie nach ihrem Lebenssaft, erregte Valnar mit dem Feuer seiner Gier. Auch wenn er so schon erregt genug war, sie nackt zu sehen.   Er schluckte und zwang sich, sich zu konzentrieren. Schließlich kam er nicht hier her, um Alaine zu begaffen. Endlich räusperte er sich laut genug, damit sie ihn bemerkte.   »O-oh, Valnar.« Ein verlegendes Lächeln breitete sich über ihre Lippen aus.   »Was ist passiert?«, fragte er und tippte mit dem Zeigefinger an sein eigenes Kinn.   Zuerst verstand Alaine nicht, dann nahm sie ihre Hand und versuchte, sich das Blut aus dem Gesicht zu wischen. »Eine Flasche Menschenblut«, erklärte sie beschämt, aber Valnar war direkt erleichtert, dass es nicht ihr Blut war. »Ich habe sie komplett ausgetrunken. Dieses ganze Gerede über Hochzeitsplanungen mit diesem Kerl ... Es hat mich so wütend gemacht.«   Schau sie dir genauer an. Labe dich an ihrem Blut.   Valnar rührte sich nicht und ihm wurde warm. Dass Alaine nackt war, tat mehr mit ihm, als er es zulassen wollte. Das Tier flüsterte ihm immer wieder zu, dass die begehrte Person griffbereit vor ihm lag.   Er musste nur handeln.   Alaine würde seine prekäre Lage bemerken; es war nur eine Frage der Zeit.   Als er sich wieder wagte, ihr in die Augen zu schauen, sah er, wie rot sie im Gesicht war. Weder sprach sie, noch bewegte sie sich.   Bevor er sich ganz in ihrem Blick verlor, biss sein Tier ihm in die Seele und Valnar gab ihm aus Reflex einen mentalen Schlag.   »Komm her«, flüsterte Alaine, so sanft und lieblich; er gehorchte, konnte ihr nicht widerstehen.   Sanft glitt ihre Hand über seinen Schritt und sie lächelte ihn an. Valnar war wie eingefroren. Selbst diese kleine Geste brachte ihn fast um den Verstand. Das Tier ließ ab vom Zorn und umarmte sein Herz, pochte mit seiner Aufregung. Er wollte sich nicht bewegen, durfte nichts sagen, oder er würde diesen Moment zerstören.   Alaine öffnete seine Hose und nahm sein Glied in die Hand, dann atmete sie aus und ihre Finger stupsten neugierig die Vorhaut hin und her. Valnar wusste gar nicht, wie ihm geschieht, wusste nicht, wie er reagieren sollte. Seine innere Stimme akzeptierte es freudig, füllte seinen gesamten Körper mit Wärme und Verlangen.   Ihr Gesicht war gefährlich nah und ihre Augen baten ihn flehend um Erlaubnis. Er nickte ihr hastig zu und schließlich legte sie die vollen Lippen an die Spitze und küsste ihn. Schon allein bei der Berührung musste er sich zwingen, nicht zu zittern. Angestrengt schluckte er seine Lust hinunter, bis sie die Sehnsuchtstropfen mit ihrer Zunge aufleckte.   Es ging so schnell und er konnte ein Stöhnen nicht unterdrücken; das Tier brachte sein Blut weiter zum Kochen, ließ ihn sich nur auf ihre Zunge konzentrieren. Das Gefühl ähnelte dem Blutsaugen. Viel intensiver als alles andere.   Irgendwann ließ Alaine los und das Tier explodierte vor Wut. Valnar schützte sich vor dieser Welle, indem er beobachtete, wie seine Angebetete aus der Wanne stieg. Sie hielt sich die Hand vor ihrem Schritt, aber zeigte ihm alles andere. Ihr Lächeln hatte sich mittlerweile von schüchtern in autoritär umgewandelt und eine neue Welle der Erregung durchströmte seinen Körper. Es machte ihn an, wenn sie so war. Selbstsicher. Herrisch.   Valnar wollte sie umarmen, ihre Brüste liebkosen und verehren, aber da ging sie schon zu Boden.   »Nimm mich«, stöhnte sie und präsentierte sich auf allen vieren. Ungeduldig schob sie die feuerroten Haare über ihren Kopf und ließ sie an ihr herunterhängen. Das Sonnenlicht, welches durch die dichten Fenster hindurchstrahlte, tauchte sie in ein oranges Licht; ihr Blick war verlangend, erregte alle Sinne. Sie war perfekt, so überwältigend schön.   Seine Augen wanderten interessiert über ihren Hintern, bis er ihr wieder ins Gesicht blickte. Das Tier fauchte vor Gier, hämmerte in jeder Ecke seiner Seele, dass er sich seine Beute nehmen sollte.   »Alaine.« Er wusste nicht, warum er noch zögerte. Kurz darauf schmiss er sich auf sie und sie stöhnten beide auf, als er sein Gemächt an ihr nasses Hinterteil drückte und über ihren Nacken leckte. Wie warmes Blut floss sein Tier durch seinen Körper, ließ ihn vor Lust zittern.   »Valnar«, keuchte Alaine ungeduldig, aber dann zuckte sie zusammen.   Ein Klopfen an der Tür riss sie aus ihrer Zweisamkeit.   Valnar ließ sofort von ihr ab und sein Tier schlug ihn mit so einer gewaltigen Kälte, dass es ihn fast umgehauen hätte.   »Versteck dich!«, flüsterte Alaine panisch und griff nach seinem Arm, während er seine Hose richtete. Sie schob ihn schnell in den nächsten Raum, katapultierte ihn schon fast. »Sei so leise wie möglich!«, fügte sie noch hinzu, bevor sie sich eine Robe vom Kleiderständer nahm.   »Wartet! Ich bin noch nicht angezogen!«, rief sie, als es erneut klopfte. Valnar schloss seine Tür, horchte aber noch, um alles mitzubekommen.   Er hörte, wie jemand hereintrat und dann knurrte er im Einklang mit seinem Tier, als er die Stimme erkannte.   »Ah, Vincent hatte recht damit gehabt, dass Ihr hier seid«, lachte Morlon. »Ich möchte, dass Ihr später mit uns zum Besprechungssaal kommt. Es gibt noch einige Sachen, über die wir diskutieren sollten, nicht wahr?«   Seine Stimme wurde ein Flüstern und Valnar hörte seine Schritte; er kam Alaine gefährlich nahe.   Geh da raus und bring ihn um!   Valnars Nägel bohrten sich in den Türrahmen. Seine Reißzähne wurden länger vor Blutgier, wollte dem Tier gehorchen und Alaine beschützen.   Aber ihre sanfte Stimme brachte ihn wieder aus diesem Rausch.   »Natürlich. Das hättet Ihr mir auch später sagen können. Ich war gerade dabei, mich zu entspannen.«   Morlon antwortete nicht, stattdessen hörte Valnar, wie seine Schritte in seine Richtung kamen. Er rührte sich keinen Millimeter. Seine innere Stimme wollte, dass der verhasste Vampir ihn entdeckte. Zusammen würden sie ihn zerfetzen und Alaine von ihm befreien.   »Oh!«, schrie Alaine plötzlich auf. »Es ist ja wirklich schon so spät! Bitte geht! Ich muss mich fertig machen!« Sie schien ihn zu packen und zur Tür zu leiten.   »Sicher? Ich könnte Euch dabei behilflich sein«, flüsterte er in diesen ekelhaften Ton und Valnar knurrte erneut. Was für ein widerliches Scheusal. Das Tier brodelte erneut, fletschte seine Zähne; wenn dieser König Alaine auch nur anfasste, würde Valnar ihn auseinandernehmen.   »Nein, das schaffe ich schon alleine«, erwiderte sie empört und schließlich hörte er nur noch weitere Schritte und wie die Tür sich schloss. Ein lautes Poltern war zu hören und Valnar betrat wieder den Raum.   Alaine lief zu ihm hin und fasste ihn ins Gesicht, bemerkte seinen wütenden Blick.   »Ich hasse ihn«, knurrte Valnar und legte seine Hand auf ihre, um sich von seinem Zorn abzulenken.   »Da bist du nicht alleine ...« Seufzend ließ sie ihn los und gab ihm noch ein kleines sehnsüchtiges Lächeln. »Wir sehen uns später.«   Aber stattdessen nahm er sie in den Arm und nach kurzem Zögern klammerte sie sich an ihm.   »Wenn er dir zu nahe kommt ... du weißt, wo ich bin«, flüsterte er und löste die Umarmung.   Alaine nickte ihm schweigend zu und er sah einen kleinen Schimmer Hoffnung zwischen ihrer ganzen Trauer. Noch ein letztes Mal zog sein Tier an ihm, versuchte ihn dazu zu bringen, sie wieder an sich zu nehmen, doch Valnar ging zum Ausgang und verließ den Ort.   *   Nachdem sie mit Morlon und Vincent über weitere Planungen diskutiert hatte, traf sie sich mit Abraxas. Ihre Hände waren zu Fäusten geballt. Von wegen. Sie hatte nicht einmal ein einziges Wort gesprochen; der König und ihr Onkel entschieden wie immer über sie.   Niemals würde Alaine diesen Bastard heiraten.   »Alles in Ordnung?«, fragte Abraxas, als Alaine nicht reagierte. Er hielt einige Schriftrollen in der Hand und sie zwang sich zu lächeln, dann zündete sie eine Zigarette an und nahm einen Zug.   »Alles gut. Berichte.«   Aber der Schattenpriester schüttelte nur den Kopf und sie ahnte schon das Schlimmste.   »Wir haben bei den zwei neuen Vampiren keine weiteren Erkenntnisse machen können. Selbst mit anderen Methoden bekommen wir immer wieder dieselben Ergebnisse.«   Wie eine Flut überschwemmte die Wut plötzlich Alaines Körper und sie warf die Arme in die Höhe. »Schön, also machen wir das alles hier umsonst! Wir wollten den Vampiren helfen, aber stattdessen verkrüppeln wir sie und kommen einfach nicht weiter!« Aufgebracht knurrte sie und ging zum Ausgang, die rosa Robe hinter ihr herschleifend. »Mach weiter! Es muss einfach eine Möglichkeit geben!«, schimpfte sie noch und verschwand aus dem Saal.   Sie rannte nach draußen und sah den Kriegern beim Training zu. Noch einmal zog sie an ihrer Zigarette und blies den Rauch aus, dann drückte sie den Stummel an der Mauer aus.   Wie sollte das nur weitergehen?   Richtung Garten kam ihr Valnar in den Sinn. Fast hatte sie sich ihm hingegeben und das wollte sie immer noch. Das Tier verstärkte dieses Verlangen, aber im Hintergrund waren immer noch die Experimente, die an sie nagten. Sie rieb sich mit den Fingern über die Stirn und wusste nicht mehr, was das Richtige war. Ihre Sehnsucht nach Valnar war groß und sie wollte nicht mehr daran glauben, dass er sie für ihre Taten hassen würde.   Ihre Augen rissen auf, als sie ein Geräusch hörte. Aus Reflex sprang sie zurück, aber ein fremder Vampir schnitt ihr noch mit seinem Schwert den Ärmel auf und traf ihren Arm, sodass ihr Blut aus der Wunde spritzte und sie vor Schmerz fauchte.   Der Vampir starrte sie an; ihm fehlte ein Auge. Wie ist er hier nur hineingekommen?   »Du wirst leiden für das, was du uns angetan hast«, knurrte er.   Alaine war für einen Moment überrascht, aber dann fletschte sie die Zähne und fauchte bedrohlich, auch wenn sie wusste, dass sie keine Waffe hatte, um sich zu verteidigen.   Ihre innere Stimme machte sich bereit, schürte die Kraft ihres Überlebenswillen, als der Vampir ausholte.   Doch er wurde aufgespießt und Valnar tauchte neben ihr auf. Der Angreifer kreischte laut auf, bis sein Kopf ohne Gnade davon geschleudert wurde.   »Geht es dir gut?!« Valnar half ihr hoch und Alaine seufzte erleichtert. »Du bist verletzt.«   »Ja, es geht schon ... Danke.«   Sie sah den Ausdruck in seinem Gesicht; die Gier nach ihrem Blut.   Doch wieder hatte er ihr Leben gerettet. Alaine wusste kaum noch, was sie sagen sollte, so sehr sehnte sie sich nach diesem Mann.   Ihre Wunde fing an, sich zu schließen, und sie keuchte, konnte nicht aufhören, ihm in die Augen zu starren, dieses helle Rot des Verlangens. Vorsichtig legte sie die Hand an seinem Hinterkopf und strich ihm durch die langen weißen Haare.   »Valnar, wir müssen reden.« Kapitel 11: Leidenschaft ------------------------ Als sie in Alaines Zimmer ankamen, ging alles so schnell. Valnar legte die Arme um ihre Taille, während sie ihn wie wild auf den Mund küsste, ihm am Hinterkopf festhielt. Sie konnten nicht länger von sich lassen. Die sehnsüchtigen Zärtlichkeiten erweckten sein Tier, erregten ihn aufs Neuste. Alaine zog Valnar mit sich aufs Sofa und er fing an, gierig ihre Kehle zu küssen. Noch ignorierte er die innere Stimme, die nach ihrem Blut schrie; er griff nach der Schleife, welche ihre Robe zusammenhielt und öffnete sie hastig, fühlte über ihre linke Brust und nahm sie in die Hand. Sein Daumen strich über ihren erregten Nippel und sie belohnte ihn mit einem Stöhnen.   »Alaine«, keuchte er und packte sie, um sie in seinen Schoß zu setzen. Knurrend nahm er ihren Nippel in den Mund und saugte leicht daran. Das Tier brannte lichterloh in ihm, breitete sich in seine Lenden aus, aber es war weniger aggressiv; es war wieder im Einklang mit ihm, folgte seinen Trieben.   Schließlich waren sie beide nackt. Alaine lag auf den Rücken, den rechten Arm über den Kopf gelegt, und starrte ihn erwartungsvoll an, die Augen halb geöffnet vor Lust. Valnar beugte sich über sie und küsste die rote Tätowierung auf ihrem Arm. Er hatte es vorher noch nie so klar gesehen: Der Phönix des Feuers breitete sich zwischen den vielen Symbolen aus, mächtig und elegant.   »Mach weiter«, flüsterte Alaine ungeduldig, aber sie lächelte. Er drückte sein erigiertes Glied gegen ihren Oberschenkel und atmete erleichtert auf, schmiegte seinen gesamten Leib an sie. Grinsend liebkoste er weiter ihre Brust, dann ihren Bauch, bis er an den dunkelroten Haaren ihres Venushügels ankam.   Er lachte kurz auf. Sie selbst befolgte wohl nicht ihre eigene Regel, dass der Körper vom 'Schmutz der Haare' befreit wurde.   Alaine grinste ihn schüchtern an, wusste sofort, was er dachte. Valnar war es egal. Ob mit oder ohne Haare, sie war das wunderschönste Wesen, das er jemals gesehen hatte.   Er platzierte sich an ihre Vagina und küsste sie noch einmal auf den Mund, spürte, wie sich ihre beiden sensibelsten Stellen erfassten, bevor er in sie hineinstieß. Fast biss Alaine ihm in die Lippe, aber sie hielt sich noch zurück. Das Tier umarmte seine Sinne und verstärkte sie, sodass er keuchen musste. Sie war so warm und feucht; er wollte mehr von ihr, wollte jede Ecke ihres Körpers erkunden. Sanft leckte er ihren Mundwinkel, während er sie nahm, und immer wieder stöhnte sie auf.   Wie ein Feuerwerk breitete sich das Tier weiter aus, nahm ihm all die Last und fokussierte ihn nur auf seinen Instinkt, seine fleischlichen Gelüste zu befriedigen.   Schweißgebadet und voller Lust waren ihre Körper ineinander verstrickt. Alaine griff seine Haare feste, während sie in seinem Schoß verweilte und er immer wieder in sie eindrang. Nackt und schamlos liebten sie sich ohne jede Reue, ohne irgendeinen Gedanken, was danach kam. Das konnte ihnen niemand mehr nehmen.   Sie leckte ihm übers Kinn, keuchte ihm lustvoll ins Ohr, und er spürte, wie sein Höhepunkt immer näher rückte, bis er kam, so viel kraftvoller durch sein Tier. Es umarmte alle Ecken seines Seins, drückte gegen ihn und ließ alles noch intensiver erscheinen. Fast wurde ihm schwindelig und er leckte über Alaines Kehle, um sich irgendwie an die Realität festzuhalten, bevor er ausatmen musste.   Prompt legte er seine Geliebte zurück auf den Rücken und vergrub sein Gesicht zwischen ihre Beine. Seine Instinkte leiteten ihn und sie packte erneut seine Haare, während er seine Zunge über ihre Schamlippen führte. Er kreiste über die feuchten Lippen und sie räkelte sich, ließ ein Wimmern hören, bis er sie mit seinen Fingern weiter öffnete. Ein paar Mal lutschte er an ihrer Öffnung, dann drückte er seine Zunge dagegen und fuhr sie hoch bis unter ihrer Klitoris, wo er sie eifrig verwöhnte.   Alaine bewegte laut stöhnend ihre Hüften mit seinen Bewegungen, bis auch sie ihren Höhepunkt erreichte und langsamer wurde. Mit seinem Gesicht an sie gepresst, leckte er ihr den Orgasmus aus dem Leib, bis sie anfing zu zittern und zu flehen, und er schließlich abließ.   *   Erschöpft lagen sie zusammen auf dem Sofa. Alaine lag in Valnars Armen und küsste ihn leicht auf die Schulter, dann die Brust.   Vergessen waren all ihre Sorgen; sie war noch nie glücklicher gewesen. Alles war so, wie es sein sollte. Selbst ihr Tier zog sich zufrieden zurück und nagte nur leicht an ihr, dass es sein Blut wollte.   Von nun an waren sie beide gepaart fürs Leben. Vereint bis in alle Ewigkeit.   Doch je länger sie hier lagen, desto schneller kam die Realität zurück. Die Experimente ... Morlon ... Alles stand zwischen ihnen.   Dann drückte Valnar seine Lippen wieder auf ihre und streichelte über ihren Rücken.   »Lass mich dich noch ein bisschen verwöhnen, Liebste«, flüsterte er grinsend und sie kicherte, während er anfing, ihren Hals zu liebkosen.   Schon waren all ihre Sorgen wieder vergessen.   *   Alaine zog den Gürtel ihrer schwarzen, fast durchsichtigen Robe fest und setzte sich in ihren Sessel, dann nahm sie ihre Tasse Blutrosentee und schaute grimmig aus dem Fenster.   Morlon hatte mit ihr essen gehen wollen, aber sie hatte keine Lust auch nur eine Minute mit ihm zu verbringen, also ignorierte sie seine Einladung.   Leider war das nicht genug, denn schon klopfte es an ihrer Tür, bis eine Sekunde später der König hineintrat.   »Wo wart Ihr?«, fragte er verärgert, aber Alaine schaute weiter stur aus dem Fenster.   »Ich hatte keine Zeit.«   Rasch kam Morlon auf sie zu und zog sie am Arm aus dem Stuhl. »Ihr seid meine zukünftige Frau und Ihr habt zu gehorchen!«   »Fasst mich nicht an!«, fauchte Alaine, verschüttete den heißen Tee auf den frisch gewischten Boden, aber er hielt sie weiter fest.   Sie wollte sich gerade losreißen, da flog ihr Kopf auch schon zur Seite und ein brennend stechender Schmerz machte sich auf ihrer Wange breit, trieb ihr die blutigen Tränen in die Augen.   Hasserfüllte starrte sie ihn an, als sie sich die Wange hielt, konnte kaum reagieren. Das Tier fletschte die Reißzähne, schoss hervor, um den Hass in ihrer Seele zu schüren.   Alaine brachte keinen Ton heraus, während Morlons rote Augen sie musterten.   »Das nächste Mal gehorcht Ihr meinen Wünschen gefälligst. Morgen werden wir unsere Verlobung Asran verkünden und diesmal werdet ihr Euch nicht drücken«, knurrte er, aber Alaine schmiss die Tasse in die Ecke und rannte aus dem Zimmer, bevor die innere Stimme sie komplett verschlang und in den Wahnsinn trieb.   Sie rannte die Treppe hinunter, beeilte sich zu den Räumen der Krieger, als die Wut des Tieres sich in ihr ausbreitete. Es gab nur einen Ort, zu dem sie flüchten konnte.   Eilig klopfte sie an Valnars Tür und wartete einen Moment, aber sie bekam keine Antwort. Sie schaute sich um und hoffte, dass niemand sie hier in diesem Zustand sah. Schließlich drückte sie die Klinke herunter und betrat den Raum. Aber es war keiner da.   »Valnar?«, flüsterte sie noch verzweifelt, dann fing sie wirklich an zu weinen.   Der Schmerz und die Demütigung waren zu viel für sie gewesen und sie legte sich auf sein Bett. Sie brauchte ihn so dringend. Früher oder später würde er hier wieder auftauchen und so lange würde sie warten.   *   »Wie kann sie einfach Schluss machen?«, knurrte Garrin, als Valnar sein Zimmer betrat.   Er wusste die Details nicht, nur das Kizuna gemeint hatte, es würde zwischen ihnen nicht mehr funktionieren. Natürlich war Garrin am Boden zerstört, aber er überdeckte es mit seiner Wut.   »Nach all den Monaten. Pah, versteh einer die Frauen!«   Valnar setzte sich neben ihn auf den Stuhl und öffnete schweigend die Flasche Blutrosenalkohol, dann füllte er zwei Gläser. Garrin nahm sich eins davon und kippte sich die Flüssigkeit in die Kehle. »Prost«, rief er noch hinterher. Valnar tat es ihm gleich; er wollte schon für ihn da sein und ihn trösten, aber er wäre viel lieber bei Alaine.   Wenn er an gestern dachte, lechzte das Tier sich an diese Erinnerungen und verstärkte sie. Schnell schüttelte er den Kopf, um die Gedanken fortzutreiben, dann blickte er fröhlich zu Garrin.   »Also dann, was wollen wir spielen? Ist dir nach Poker oder doch eher Schach?«   Plötzlich grinste Garrin, stand auf und griff nach seinem Schwert.   »Ich hab da eine bessere Idee.«   *   Eine Stunde später sah Garrins Zimmer aus wie ein Saustall. Valnar ging keuchend auf die Knie, als er Garrins Hieb parierte.   »Komm, du bist auf den Knien. Ich werte das mal als Sieg für mich!« Garrin schmiss das Schwert in die Ecke, griff nach der Flasche und trank den Rest aus.   »Na gut«, lachte Valnar und steckte sein Schwert zurück in die Scheide.   »Tja, damit ist es offiziell: Ich bin der bessere von uns beiden«, grinste er noch und schmiss sich aufs Sofa.   Valnar verdrehte die Augen. »Ja, ja.« Aber immerhin konnte er an was anderes denken als Kizuna. Dafür hielt er gerne hin.   Er betrachtete das Massaker. Die meisten Möbelstücke waren umgekippt und ein Stuhl war in zwei Hälften geteilt, aber sonst war alles noch heil.   »Garrin?«, flüsterte Valnar, als sein Freund regungslos auf dem Sofa saß, mit dem Kopf nach hinten gelehnt. »Pennst du etwa?« Er reagierte nicht auf ihn und Valnar nahm das als Bestätigung, dass er gehen durfte.   »Hoffentlich gehts dir morgen wieder besser«, flüsterte er noch und huschte aus dem Zimmer.   Sein Eigenes war nicht weit entfernt und er betrat es leise. Hoffentlich konnte er schnell ein Bad nehmen und sich dann auf die Suche nach Alaine machen. Wie gerne würde er wieder mit ihr das Bett teilen, sich ihrer Leidenschaft hingeben. Er räusperte sich und zwang sich, an etwas anderes zu denken. Vorerst.   Plötzlich sah er jemanden auf dem Bett und er zog sein Schwert aus Reflex. Das Tier erwachte, sofort bereit zum Kampf.   Aber dann erkannte er, wer dort lag.   »Alaine?! Bist du in Ordnung?« Valnar ließ die Waffe fallen und rannte auf sie zu.   Er schüttelte sie an der Schulter und sie stöhnte müde, dann setzte sie sich auf.   »Valnar, endlich bist du da«, rief sie schlaftrunken und rieb sich die Augen, dann legte sie die Arme sehnsüchtig um seinen Hals.   Er fühlte sich direkt schuldig. Hatte sie hier die ganze Zeit auf ihn gewartet?   »Es tut mir leid, ich war bei einem Freund.«   Alaine küsste ihn auf die Wange, dann auf den Mund. »Schon gut. Jetzt bist du ja da.«   »Ist etwas passiert?«, fragte er, und sie nickte mit glasigen Augen.   »Dieser Bastard hat mich geschlagen.«   Sofort knurrte Valnar und hielt sie fest. Das Tier schrie ihn an, die Gefahr zu beseitigen, und er wollte die Wut zulassen, den Vampir endlich leiden lassen, aber Alaine küsste ihn erneut, ließ die innere Stimme verstummen.   Valnar fauchte noch. »Dafür wird er büßen.« Alaine lehnte ihren Kopf an seine Brust, aber antwortete nicht. Wie konnte er ihr das nur antun? Er wusste, dass der König ein Schwein war, aber dass er so weit gehen würde.   Er strich ihr noch eine Weile über den Kopf, dachte an tausende Methoden, um Morlon zu töten.   Wann lernst du es endlich? Nur sein Tod wird dich befreien. Lass deiner Wut endlich freien Lauf!   Valnar schnaubte, ignorierte die Stimme, auch wenn es noch so verlockend war.   Immerhin war Alaine hier und nicht bei diesem Mistkerl. Ihre Nähe beruhigte ihn, ließ ihn sein Tier nicht zu unüberlegten Taten führen.   »Ich habe dich so vermisst.« Schließlich stand sie auf und nahm seine Hand. »Komm mit. Ich will dir etwas zeigen.«   *   Ihr Weg führte sie in den Tempel der Meditation. Sie konnten wieder kaum voneinander lassen, aber schafften es noch, die Tore zu öffnen und hinter sich zu schließen.   Es dauerte nicht lange, da waren sie erneut nackt und fassten sich gegenseitig sehnsüchtig an, bis Alaine von ihm abließ und weiter in den Tempel rannte.   »Komm«, rief sie ihm zu, so reizvoll, dass Valnars Blut vor Aufregung kochte und das Tier wieder an seiner Erregung appellierte.   Das Wasser war leicht beleuchtet und spiegelte an der Decke. Eigentlich war er noch nie weiter in den Tempel hinein gegangen, als nötig gewesen war.   Er folgte Alaine und sah sie schließlich am Wasser sitzen. Es gab hier einige Pflanzen, aber sonst ähnelte es dem großen Saal.   »Komm her«, flüsterte sie wieder und lehnte sich mit gespreizten Beinen an die mit Pflanzen verdeckte Wand.   Während er näher kam, kam ihm plötzlich ein starker Geruch in die Nase. Was auch immer dieses Gewächs war, schien ihn noch weiter zu erregen und ihm die Sinne zu rauben.   Valnar beugte sich über Alaine und sie umarmte ihn, schmiegte ihren Leib an seinem. Er küsste ihren Hals, dann ihr Kinn, bis sie das Wort ergriff.   »Ich möchte dir etwas zeigen.«   Kaum ausgesprochen, schob Alaine ihre Haare beiseite und legte ihren Mund an seinem Hals. Zuerst verstand er nicht, aber als ihre Zunge über seine Haut glitt, packte ihn der vampirische Instinkt.   Das Tier wusste es sofort. Die Zeit war gekommen, sich das zu nehmen, wonach er immer verlangt hatte.   Er tat es Alaine gleich, leckte ihren Hals, während die Eckzähne vor Gier länger wurden, nach ihrem Blut dürsteten.   »Val ...«, flüsterte sie erregt. Dieser Spitzname brachte ihn kurz aus der Fassung und er musste schmunzeln.   Ohne weiter zu zögern, biss Alaine ihm ins Fleisch. Valnar keuchte; dieses berauschende Gefühl ihrer Fangzähne ließ die innere Stimme in ihm aufblühen und er tat es ihr gleich.   Wie eine Flut kam das Tier über seine Seele, vereinigte sich mit ihm, während Alaines Blut aus der Wunde schoss und seine Kehle füllte.   Erst war es wie normales Blutsaugen. Die Bestie in ihm labte sich an das frische Blut, umarmte Valnars Geist und erregte seinen Körper, als sie sich daran schmiegte. Er stöhnte vor Lust und keuchte fast, als er es spürte: Alaines Präsenz. Sie und ihr Tier betraten seine Seele. Wie wilde Bestien verbissen sich sein Tier und Alaines ineinander, liebkosten sich mit einer unglaublichen Leidenschaft, die Valnar direkt empfinden konnte. Die echte Alaine da draußen griff nach seinem harten Glied, aber die Alaine in seinem Geist glühte so heiß und hell, dass Valnar sie fast nicht berühren konnte.   Doch sie kam immer näher und Valnar stieß einen Atem aus, fühlte eine gewaltige Welle ihrer Aura. Es war, als würde Alaine ein Teil von ihm sein; er konnte alles sehen, alles wahrnehmen, was sie wahrnahm. Diese Verschmelzung war unbeschreiblich.   Schließlich erreichten sie beide einen geistlichen Orgasmus, ließen voneinander ab, als das Gefühl zu intensiv wurde. Ihre Tiere trennten sich wieder und ihre Bindung löste sich; fast sah er schwarz. Nun verstand Valnar vollständig, was für sensible Geschöpfe Vampire wirklich waren. Wie viel Emotionen sie erlangen und fühlen konnten.   Was für ein mächtiges Dasein.   *   Einige Stunden vergingen. Alaine kniete auf allen vieren, während Valnar sie von hinten nahm, fest verbissen in ihrem Hals, als er ihr Blut saugte.   Erneute erlebte sie ihren Höhepunkt und weinte fast von der Intensität.   Noch nie zuvor hatte sie mit jemanden diese Bindung geteilt, ihm ihr gesamtes Inneres gezeigt. Sogar ihr Tier war überwältigt gewesen und Valnars Präsenz war so rein und kraftvoll. Eine wohltuende Wärme breitete sich in ihr aus, als Valnar sie losließ, dann ließ sie sich auf den Boden herab und schnaubte erschöpft.   Er umarmte sie sanft und küsste ihre Schulterblätter.   »Ich liebe dich, Alaine«, flüsterte er schweratmend.   Alaine drehte ihren Kopf zu ihm hin, schaute ihm direkt in die Augen. Diese Worte vom ihm zu hören, ließ ihren gesamten Leib beben. Es fühlte sich so echt an; es war das, wonach sie sich gesehnt hatte.   »Ich liebe dich.«   Niemals war sie sich sicherer gewesen, diese Worte auszusprechen. Kapitel 12: Verrat ------------------ Am nächsten Nachmittag. »Ich warne dich, Alaine. Versuche ja nicht während dieser Veranstaltung wegzulaufen«, ermahnte sie Onkel Vincent flüsternd, aber Alaine kam nicht dazu zu antworten, als Morlon ihr schon entgegenkam und ihr den Arm hinhielt.   Genervt ging sie Arm in Arm mit dem König in den Thronsaal. Er trug wieder seine blaue Rüstung mit Goldverzierung, während sie ein blaues Kleid trug, dass einem Hochzeitskleid ähnelte. Ihre Haare waren hochgesteckt und mit vielen weißen Rosen aus Iranis bestückt. Dazu trug sie die Perlenohrringe ihrer Mutter, ein Erbstück, welches sie noch nie getragen hatte. Aber Vincent bestand darauf.   Alle anderen Vampire starrten sie an, als sie den Saal betraten. Die Männer trugen schwarze Anzüge, während die Frauen schwarze schlichte Kleider trugen. Üblich für eine solche Veranstaltung in Asran. Nur Nyria war wie immer in ihrer Rüstung. Bereit, alle Vampire vor Angriffen zu schützen. Sie machte sich immer noch schreckliche Vorwürfe, dass Alaine ungeschützt in ihrem eigenen Palast angegriffen wurde, auch wenn Alaine ihr immer wieder klar machte, dass alles gut ausging.   Sehr gut sogar, erinnerte sie sich und versuchte nicht rot anzulaufen.   Überall hingen die Banner aus Iranis und Asran und ein zweiter Thron stand neben ihren. Für sie grenzte das schon fast an einer Perversion ihres schönen Thronsaals.   Sie schaute nach oben. Wie ein Wachhund lief ihr Onkel auf der oberen Etage neben den Musikern entlang und sie seufzte, als sie sich wieder abwandte. Dann fand sie Valnar unten in der Menge und er schenkte ihr ein Lächeln. Eins, welches ihr ein wenig Kraft gab.   Auch wenn es schwer war, schworen sie sich, sich für diese Veranstaltung zu beherrschen. Danach würden sie wieder vereint sein.   Schließlich wurde sie doch rot, als sie an ihre gemeinsamen Stunden dachte und war ungeduldig da weiter zu machen, wo sie aufgehört hatten.   Du bist nicht frei.   Alaine knurrte ihre innere Stimme an. Sie brauchte diese ständigen Erinnerungen nicht! Das wusste sie genauso gut selbst.   Kurz darauf setzten sie sich und Alaine richtete sich mit einem gequälten Lächeln an ihre Vampire.   »Da König Morlon und ich bald heiraten werden ...« Die Worte ekelten sie an und sie musste sich zusammenreißen. »... wollen wir nun unser zukünftiges Bündnis zelebrieren, mit reichlich Tee und Musik.«   Alaine machte eine Geste und die Musiker begannen eine beruhigende Melodie auf ihren Geigen zu spielen. Immerhin etwas, das ihre Laune anhob.   Sie betrachtete die Vampire beim Trinken. Einige tanzten, andere unterhielten sich und sie tat ihr Bestes nicht nach Valnar Ausschau zu halten.   »Na ja, nicht gerade mein Geschmack«, spottete Morlon neben ihr und Alaines Nackenhaare stellten sich auf. Wütend bohrten sich ihre Nägel in die Armlehnen und sie verdrehte die Augen. Das Tier meldete sich zu Wort. Mit nur einem Hieb konnten sie den Feind den Kopf abschlagen; ihr Körper schauderte und sie schloss die Augen, aber dann kam Vincent auf sie zu.   »Alles läuft nach Plan, findet ihr nicht auch?«, fragte er, und er sah glücklich aus.   »Ja, es gefällt mir sehr gut«, war Morlons Kommentar, obwohl er sich gerade noch beschwert hatte.   »Warum kommt ihr beiden nicht mit und mischt euch etwas unter die Vampire?«   Alaine war von dieser Idee überhaupt nicht begeistert und gab ihn einen verärgerten Blick, aber Morlon sprang auf.   »Eine grandiose Idee.« Er drehte sich zu Alaine und hielt seine Hand aus. »Kommt Ihr, meine Liebe?«   Angewidert starrte sie ihn an und legte ihre Hand widerwillig in seine. Sie hatte ja sowieso keine andere Wahl.   Die drei mischten sich unter die Leute, wo Morlon schnell ins Gespräch mit einigen Kriegern kam. Vincent nahm das als Gelegenheit, mit Alaine unter vier Augen zu sprechen, denn er packte ihren Arm.   »Mach nicht so ein Gesicht, Alaine. Benimm dich doch einmal.«   »Ja, ja«, knurrte sie und riss ihren Arm zurück. Kann er sich nicht einmal benehmen und sie in Ruhe lassen?   Weiter hinten erblickte sie Valnar erneut, der ihr zu verstehen gab, dass sie ihm folgen sollte.   Sie biss sich auf die Unterlippe und schaute sich um. Morlon war beschäftigt und auch Vincent war in einem Gespräch mit den Dienerinnen verwickelt. Es würde schon nicht auffallen, wenn sie mal eben kurz verschwand.   Alaine kämpfte sich durch die Meute und lächelte sofort wieder, als sie auf Valnar zuging.   »Lass uns von hier verschwinden«, schlug er vor und sie lachte.   Wie war das noch gleich mit beherrschen?   »Bitte. Ich halte es hier kaum noch aus.«   Noch einmal blickten sie in den Saal. Jeder war beschäftigt, da würde sicherlich niemand merken, dass sie sich rausschlichen.   Und das taten sie dann auch. Alaine hielt Valnar an der Hand fest und sie rannten die Stufen des Palasts hinauf.   *   Alaine biss sich auf die Zähne und hielt ihr Kleid hoch, die Fäuste fest in dem Stoff, während sie auf Valnars Gesicht saß.   Er leckte ihr über die Schamlippen und drückte seine Zunge immer wieder in ihre Öffnung, dann schloss er den Mund darüber und lutschte daran. Sie wimmerte und ließ ein leises Stöhnen hören, versuchte sich aber zu beherrschen.   »Ich habe dich vermisst«, flüsterte er, bevor er wieder seine Zunge über die Lippen fuhr.   Alaine wollte ihm antworten, aber dann hörte sie hastige Schritte und keuchte. Schnell drehte sie sich zur Rückenlehne des Sofas und versteckte Valnar unter ihrem riesigen Kleid, dann kam auch schon Onkel Vincent hineingestürmt.   »Was machst du hier?!«, schimpfte er, während Alaine die Luft anhielt. Vincent hob eine Augenbraue, als er ihr verschwitztes Gesicht sah. »... Bist du in Ordnung?«   »Ah, m-mir war ein bisschen schlecht«, ächzte sie angestrengt. Valnar leckte sie immer noch, diesmal sanfter, aber sie konnte ihr Stöhnen kaum zurückhalten.   Vincent schwieg und musterte sie. »Kommst du denn gleich wieder runter, wenn es dir besser geht?«   »J-ja«, wimmerte sie und krallte sich ins Sofa, als Valnar seine Zunge über ihre Klitoris fuhr. Das Tier pochte in ihr, wollte, dass sie losließ, körperlich und geistlich, aber Alaine riss sich zusammen und ihr ganzer Körper zitterte.   »Gut, dann bis gleich.«   Trotzdem stand er noch ein paar Sekunden da. Alaine explodierte fast und drückte sich fest an Valnars Gesicht, wollte ihren Orgasmus zulassen.   Vincent drehte sich um und verließ endlich den Raum. Die Tür schloss sich hinter ihm und sie hörte seine Schritte. Eine gefühlte Ewigkeit verging für sie, bis die Geräusche endlich verstummten. Sofort stieß sie den Atem aus und Valnar leckte sie wieder schneller, worauf sie aufschrie und ihren Höhepunkt erreichte, dermaßen intensiv, dass sie fast vom Sofa fiel.   Sie sackte neben ihm zusammen und er grinste sie an. »Blödmann«, lachte sie und griff nach einem Kissen, um es auf ihn zuschmeißen. Valnar packte sie und küsste sie auf den Mund, und sie tat kichernd so, als würde sie sich wehren wollen. Aber sie wurde rot, als sie erkannte, wie aufregend es gewesen war. Fast hätte Onkel Vincent sie dabei erwischt.   Als sie wieder an den Thronsaal dachte, verflog ihre gute Laune.   »Ich will da nicht wieder runter.«   Valnar zog sie in seinem Schoß und streichelte ihre Haare.   »Du schaffst das«, ermutigte er sie und lehnte den Kopf an ihren. »Er kann dir da unten nichts anhaben.«   »Ach, Valnar ...« Sie umarmte ihn fest, aber sie musste es nicht aussprechen. Wäre er doch nur ein Adliger, dann könnte sie ihn stattdessen heiraten.   Wieder dachte sie an die Experimente und sie wollte all ihren Mut zusammennehmen, ihn davon zu erzählen, aber er küsste sie erneut und es packte sie wieder die Angst, ihn zu verlieren, und sie wollte nicht mehr sprechen.   *   Es war abends und Valnar saß mit Garrin und einigen anderen Kriegern im Speisesaal. Sie quatschten über alle möglichen Dinge. Garrin hoffte, dass die feindlichen Vampire bald wieder angriffen, damit sie endlich wieder etwas zu tun hatten.   Valnar klinkte sich aus der Konversation aus und trank den Tee aus seiner Tasse. Alaine war den Rest der Veranstaltung betrübt gewesen. Aber er hatte stets ein Auge auf sie gehabt, falls dieser widerliche König ihr etwas antat. Danach verschwand sie mit ihm nach oben und seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.   Die innere Stimme verlangte nach ihrer Präsenz, erinnerte Valnar daran, wie ihr nackter Körper sich an ihn schmiegte. Schweißgebadet und stöhnend.   Er schluckte die Erregung herunter, auch wenn das Tier recht hatte.   Eine halbe Stunde verging, dann verabschiedete Valnar sich von seinen Kumpanen und machte sich auf zum Tempel. Auf dem Weg dorthin traf er stattdessen auf Kizuna.   »Hey.« Sie trug eine blaue Nachtrobe und schlang die Arme um ihren Körper. »Wie geht es Garrin?«   Er blickte nach hinten. Man konnte ihn und die anderen noch immer hören, aber Kizuna schüttelte den Kopf und er verstand, dass sie nicht zu ihm wollte.   »Man merkt er ist noch sauer, aber er schmeißt seine ganze Wut ins Training.«   Kizuna nickte und Trauer breitete sich auf ihrem Gesicht aus.   »Ich mag ihn gern, aber es reicht nicht für eine Beziehung, weißt du?«   Mit den Worten ging sie wieder und er sah ihr nach. Wahrscheinlich traf es sie doch härter als gedacht und er bekam Mitleid.   Würde seine Liebe zu Alaine eines Tages auch so enden? Er konnte und wollte es sich nicht vorstellen. Sein Tier knabberte an dieser Angst, wollte seine Emotionen durcheinander bringen.   Du bist dazu bestimmt, dir alles zu nehmen, was du begehrst.   Er ballte die Hände zu Fäusten und schlug das Tier zurück in sein Inneres. Wie konnte es sich immer wieder wagen, solche Dinge zu erzählen? Das mit Alaine war viel mehr als eine Befriedigung seines Urinstinkts.   *   Draußen lief Valnar über den Burghof. Er betrachtete eine Weile den Mond und genoss die Stille. Die Welt konnte so friedlich und schön sein, und er würde immer seinen Teil dazu beitragen, dass das so bleiben konnte.   Schließlich hörte er ein Rascheln in den Büschen und eine Stimme ertönte.   »Psst, Valnar.«   Er drehte sich um und erblickte Alaine. Sein Tier umschlang sein Herz, erdrückte ihn mit Gefühlen der Freude, sie zu sehen. Eilig lief er zu ihr hin, nahm sie in den Arm und küsste sie. Sehnsüchtig erwiderte sie den Kuss und biss ihm leidenschaftlich auf die Unterlippe.   Danach betrachtete er sie und ahnte dabei schon, was sie begehrte. Sie öffnete ihre Robe und ließ ihre Brüste herausfallen. Sie trug absolut nichts darunter! Das Tier gierte sofort nach ihrem Blut, schoss ihm in die Lenden.   »Ich halts da oben nicht mehr aus! Komm«, stöhnte sie und nahm seine Hände.   »Was? Hier?«, fragte er, obwohl er selbst von dem Vorschlag angetan war.   »Ja, ich brauche dich ganz dringend.«   Schon lag er in den Büschen auf sie, küsste sie wie wild, während sie ihm dabei half, sich auszuziehen. Die innere Stimme pochte in seinen Muskeln, dann in seiner Kehle; es dürstete wieder nach ihrem Blut, wollte ihn dazu drängen, die Reißzähnen in ihren Hals zu stoßen.   Valnar aber tat nur das, was Alaine verlangte.   *   Einige Wochen später kniete Alaine auf ihrem Bett und hielt sich verzweifelt den Kopf.   Sie war schwanger. Von Valnar. Ihr Tier hatte sie auf eine weitere Präsenz in ihrem Körper aufmerksam gemacht. Neugierig tastet es die Aura ab, aber Alaine wollte nicht, dass es in die Nähe dieses Kindes kam. Valnar und sie hatten das erschaffen ... Sie würden es zusammen großziehen und eine glückliche kleine Familie werden.   Kurz tastete sie an ihrem Bauch entlang und ihre Mundwinkel gingen leicht nach oben. Immer hatte sie Mutter werden wollen und nun war es so weit, wenn auch ungewollt. Es war ein Kind von dem einzigen Mann, den sie liebte.   Aufgebracht sprang sie auf. Nein. Das war reines Wunschdenken. Was sollte sie nur tun? Er durfte davon nichts erfahren! Er durfte niemals herausbekommen, dass er der Vater war! Es würde ihm nur das Herz brechen, wenn sie das Kind gebar und er nicht bei ihnen sein konnte.   Aber es umbringen kam für sie überhaupt nicht infrage.   Wenn sie ihre Situation betrachtete, erschien alles noch viel schlimmer. Morlon würde das Kind töten, wenn er wüsste, dass es nicht von ihm war.   Sie musste sich jemanden anvertrauen.   *   »Hast du sie noch alle?«, schimpfte Onkel Vincent.   »Es tut mir leid, es war ein Ausrutscher. Ich war so betrunken und weiß nicht, mit wem ich geschlafen habe ...«, versuchte sie sich zu verteidigen, aber Vincent hielt sich nur den Kopf.   »Wenn Morlon das erfährt, dann ist die Hochzeit und das Bündnis hin, Alaine!« Er griff sie an beiden Armen und schüttelte sie. »Er muss denken, dass es seins ist!«   Alaines Augen rissen weit auf und sie öffnete den Mund, dann wandte sie sich von ihm ab. »Ich soll mit ihm ... schlafen?!« Angewidert brachte sie das letzte Wort über die Lippen. Das war nicht die Lösung, die sie sich erhofft hatte.   »Ja, Alaine! Er ist sowieso dein zukünftiger Ehemann! Also, tu deine Pflicht! Das darf niemals herauskommen, hörst du?!«   Sie senkte den Kopf und seufzte, fasste sich an die Stirn. Allein der Gedanke daran, sich Morlon hinzugeben, verursachte in ihr Übelkeit.   Aber ihr Onkel hatte recht. Wenn sie das Kind und Valnar beschützen wollte, musste sie es tun ...   »Ich ... werde es tun.«   Doch dieser Satz zerriss sie innerlich.   * Alaine schluckte und saß auf ihrem Bett, die schwarze Robe nur leicht geschlossen. Bald würde er kommen, um sie zu nehmen und ihren Körper zu schänden. Sie zitterte bei dem Gedanken vor Ekel.   Diesmal füllte das Tier nicht ihre Sinne mit Wut. Beschützend verweilte es bei ihrem Kind, aber ihr war noch unwohl bei der Sache.   All ihre Gedanken flogen fort, als die Tür sich öffnete und Morlon hineintrat. Er wusste schon, was sie von ihm wollte und ein Grinsen machte sich auf seinem Gesicht breit.   »Ich bin froh, dass Ihr endlich zur Vernunft gekommen seid«, verkündete er fröhlich und ließ seine blaue Robe fallen. Alaine konzentriere sich nur auf sein Gesicht, wollte nichts anderes sehen.   Aber dann sah sie die Tätowierung auf seinem Arm. Ein Rabenmotiv. Sie wollte wütend werden, fühlte sich beleidigt, dass dieses Scheusal dieselbe Affinität wie Valnar hatte.   Morlon kam näher und schmiss sich auf sie, leckte ihr direkt über den Hals, dann die Brust. Anders als Valnar, waren seine Berührungen widerlich und aufdringlich. Sie wollte weinen, ihn von sich stoßen, aber das durfte sie nicht. Angestrengt stöhnte sie, als er sein Glied gegen sie drückte und sie hielt ihn an den Schultern fest, bis er ungeduldig in sie hineinstieß.   Eine Welle des Schmerzens und Abscheu breitete sich in ihr aus; es war so schwer, nicht in Tränen auszubrechen.   *   Die Nägel bohrten sich in das Holz der Tür, als Valnar die Stirn daran lehnte und knurrte. Alaine hatte eindeutig Sex mit diesem Morlon. Die beiden stöhnten laut, während das Bett verdächtige Geräusche machte.   Fauchend vor Wut wandte er sich ab, wurde von seinem Tier mit Hass erfüllt. Es wollte Blut sehen, wollte, dass er hineinstürmte.   Wie konnte sie ihm das antun und mit diesem Bastard schlafen? Valnar verstand es nicht, spürte nur Zorn.   Räche dich und zerfetze sie alle beide!   Er konnte sich den widerwärtigen Lärm nicht mehr antun und rannte fort, zurück in seinem Zimmer. Aber er wollte sich nicht mehr beruhigen, stieß ein verzweifeltes Fauchen aus.   Sie hat dich verraten.   Blutige Tränen liefen seine Wangen hinunter. Nein, wie konnte das sein? Das Tier pumpte heiß durch seine Adern und er fühlte ein drückendes Gefühl. Es schrie ihn an, schürte die Wut weiter und Valnar ließ es zu. Die innere Stimme hämmerte in seinem Schädel, machte ihm klar, dass sie beide zusammen Rache nehmen konnten.   Er hatte sich kaum noch unter Kontrolle, konnte in den Gedanken des Tieres keine Fehler sehen. Es war alles wahr. Sie mussten für ihre Taten büßen und er würde es sein, der sie zur Rechenschaft ziehen würde.   Mit aller Kraft riss er sich seine Lederrüstung vom Leib, als seine Tätowierung anfing zu brennen.   Zusammen werden wir sie alle töten. Das Blut wird deine Kehle füllen und deinen Stolz wiederherstellen.   Es fühlte sich so richtig an. Die innere Stimme sprach solch wahre Worte. Warum sollte er sich wehren?   Valnars Körper bebte und er keuchte, aber langsam kamen Zweifel in ihm auf. Er liebte diese Frau; er konnte sie nicht einfach umbringen, auch wenn sie ihn betrogen hatte.   Vielleicht hatte sie einen Grund! Was sie zusammen hatten, war echt gewesen!   Nein! Sie wird dich nur wieder verraten!   Knurrend nahm Valnar einen Stuhl und schmetterte ihn gegen die Wand, ließ seine Aggression freien Lauf, als er zersprang. Es gab nur eine Präsenz, die es zu vernichten galt. Sein Arm war glühend heiß und schmerzte, und mit all der Wut und geballten Energie riss er das Tier von seinen Sinnen, bekämpfte es in seinem Inneren. Es konnte sich kaum wehren, fauchte wütend, als es versuchte, sich in Valnars Seele festzubeißen. Aber er spürte, wie viel stärker er war. Mit Leichtigkeit prügelte er auf sein Tier ein, zerdrückte die gesamte Aura und katapultierte sie ins Nichts.   Keuchend sank er auf die Knie, stützte die Arme auf den Boden ab, während seine Haare ihm ins Gesicht hingen und der Speichel lief ihm aus dem Mund. Das Tier lag tief schlummernd in seinem Inneren, vorerst gezähmt und dann ließ er seinen Tränen wieder freien Lauf.   Die Frau, die er liebte, hatte ihn verraten.   Es war wie ein nie endender Schmerz in seinem Herzen und schließlich brach er erschöpft zusammen. Kapitel 13: Absturz ------------------- Am nächsten Morgen. Er musste mit Alaine reden, musste es von ihr hören. Mit geballten Fäusten lief er den Burghof entlang; sie stand alleine hinter einem Baum und lächelte, als sie ihn erblickte.   Aber ihm war überhaupt nicht danach, ihr Lächeln zu erwidern.   Seine Beine wurden immer schwerer, je näher er kam, bis er vor ihr stehen blieb. Sie wollte ihn umarmen, aber er packte ihre Handgelenke.   »Du hast mit Morlon geschlafen«, sagte er kurz und knapp und ihre Augen rissen weit auf.   Erst brachte sie keinen Ton heraus, dann starrte sie ihn verärgert an.   »Ich ... ich musste es tun! Er wird bald mein Ehemann sein.« Sie blickte ihm dabei nicht einmal in die Augen und er sah rot. Das Tier schoss bedrohlich aus seinem Inneren hervor und ein Knurren kam aus seiner Kehle.   »Ist das dein Ernst? Hast du auch mal an mich gedacht? Wie ich mich dabei fühle? Du hättest ihn abwimmeln sollen!«   »Ich mach das alles nur, um uns zu beschützen!«, erklärte sie und verschränkte die Arme stur. Valnars Tier schürte den Zorn auf sie, wollte, dass er ihr in den Hals biss und ihr für diese Demütigung das Blut aussaugte.   »Es kam dir nicht einmal in den Sinn, mir davon zu erzählen«, fauchte er und sie drehte sich von ihm weg und seufzte.   »Du verstehst das nicht ...«   Etwas Schlimmeres hätte sie nicht antworten können. Wahrscheinlich war er für sie doch nur der dumme Krieger, der ihre Bedürfnisse befriedigte. Die innere Stimme schlug ihm in die Seele, zerrte an ihr. In Valnars Brust kochte es; er wollte das nicht wahrhaben, wollte sie packen, sie solange schütteln, bis sie Reue zeigte.   Sie hat dich betrogen. Zerstöre sie! Lass sie büßen!   Die innere Stimme wurde so laut und wurde eins mit seiner Enttäuschung, sodass er sich nicht mehr unter Kontrolle hatte.   »Sieh mich an!« Die Eckzähne ragten aus seinem Kiefer. Laut fauchend packte er Alaine an den Armen und zerrte sie zu sich, wollte ihr in den Hals beißen und das Blut schmecken, das er verdiente.   »Valnar!«, rief sie erschrocken. Sie griff ihn an den Schultern und stieß ihn von sich, ließ ihn unbefriedigt zurück. »Reiß dich zusammen!«   Er sprang vor und wollte sie wieder anfallen, als sie davon rannte. Die Bestie wollte ihrer Beute hinterherhetzen, aber Valnars Verstand drang zu ihm durch und er hielt inne.   Was hatte er nur getan? Wie konnte er sie nur versuchen anzugreifen?   Sein tätowierter Arm zitterte. Er hob ihn an und spannte die Muskeln an, wollte die Schmerzen verdrängen.   »Alaine ...«, flüsterte er ihr verzweifelt hinterher, aber er bewegte sich keinen Millimeter.   *   Später saß Valnar in der Bar. Garrin hatte ihn darum gebeten und diesmal stimmte er eifrig zu. Immerhin etwas, dass ihn von den vorherigen Stunden ablenken konnte.   Sie waren schon ziemlich dabei, bis Garrin erneut seinen Krug hob. »Auf uns Männer! Scheiß auf die Frauen!« Mit den Worten exte er sein Getränk und verschwand in der Menge.   Wie gerne Valnar ihm in diesem Moment zustimmen wollte ...   Die Schuldgefühle nagten an ihm, aber er schob sie stur beiseite und fragte den Barkeeper nach Nachschub.   Eine Weile später fühlte er sich einigermaßen betrunken, aber es war ihm immer noch nicht genug.   Schließlich setzte sich eine Frau mit langen grauen Haaren neben ihn hin und starrte ihn an.   »Öfter hier?«, fragte sie und Valnar verzog das Gesicht. Selbst besoffen war das die schlimmste Anmache, die er sich hätte vorstellen können.   Aber als er sie genauer betrachtete, erkannte er sie wieder.   »Hey, ich kenne dich!«, lallte er. »Du hast am Morgen nach unserer Verwandlung deine Kontrolle verloren.« Er wusste es noch ganz genau; die Wachen packten sie und schleppten sie weiter in den Tempel hinein.   Die Frau strich sich die Strähnen aus dem Gesicht. »Dafür durfte ich auch eine laaange Zeit meditieren, aber ich habe mich wieder gefangen. Na ja, leider wars das mit meinem Kriegerdasein. Jetzt bin ich eine Dienerin, aber das ist eh viel besser.« So wie sie kicherte, schien sie selbst schon angetrunken zu sein.   Valnar wollte sie direkt fragen, ob sie heute schon der Hohepriesterin begegnet war, aber sie lehnte sich näher und küsste ihn ohne Vorwarnung ungeschickt auf die Lippen.   Erst reagierte er nicht, aber sein Tier lechzte sich nach der Sehnsucht der Frau und ließ die Wut auf Alaine wieder aufkommen.   Sie dachte, sie könnte ihn betrügen? Das konnte er auch, und so erwiderte er gierig den Kuss, streichelte über ihren Rücken, während er sie auf seinem Schoß zog.   *   Weinend rannte Alaine über den Burghof, den Pfad entlang. Ihr schwarzer Mantel und Kapuze verdeckten sie so gut es ging. Valnar war nicht in seinem Zimmer gewesen, auch nicht im Tempel oder im Wald.   Aber vielleicht war er in der Bar. Sie musste dringend mit ihm reden, wollte sich für ihre Sturheit entschuldigen.   Natürlich war es sein Recht gewesen, verletzt zu sein, und er wusste ja nichts davon, dass Alaine schwanger von ihm war.   Unauffällig ging sie in die Bar hinein und es dauert nicht einmal einen Augenblick, bis sie ihn erblickte. Ein Schauer fiel ihr über den Rücken. Da saß er an der Bar und machte mit irgendeiner dahergelaufenen Schlampe rum.   Alaine bebte vor Wut, die Hände zu Fäusten geballt. Wie konnte er nur? Sie schlief mit Morlon, weil sie musste! Aber er ...   Sauge ihn bis auf den letzten Tropfen aus! Er verletzt deinen Stolz!   Mit den Zähnen gefletscht musste sie sich ein Schluchzen zurückhalten. Das Tier hämmerte in ihrem Kopf, glühte in ihrer Seele.   Sie musste hier raus.   Schnell rannte sie aus der Bar, zum nächstbesten Baum, und schmiss sich an ihm. Ihre Nägel bohrten sich in den Stamm und sie keuchte. Am liebsten würde sie ihn zerfetzen! Und die innere Stimme bejubelte diese Entscheidung.   Aber die ruhige Aura ihres Kindes war stärker und so sackte sie auf die Knie und fing an, bitterlich zu weinen.   Über eine Stunde verging, bis Valnar endlich die Bar verließ und Richtung Palast lief. Betrunken und kaum noch im Stande, gerade zu laufen.   In Alaine kam wieder die Aggression hoch, der Gedanke, ihn anzugreifen. Sie wartete noch, um sicherzugehen, dass sie niemand sehen würde. Mit lauten Schritten lauerte sie ihm auf. Er drehte sich gerade zu ihr, da schubste sie ihn schon und klatschte ihm ins Gesicht.   »Wie kannst du es wagen, mich zu betrügen, du Schwein?!«, fauchte sie ihn an.   Valnar hielt sich die Wange und erwiderte ihr Fauchen. »Ich?! Wer hat denn hier mit König Morlon dem Supertollen geschlafen?!«, schoss er zurück.   Alaine öffnete entsetzt den Mund, dann knurrte sie und wollte ihn wieder schubsen, aber diesmal wich er aus. »Du weißt ganz genau, dass ich das tun musste!«, schrie sie hysterisch.   Warum wollte er es nicht verstehen?!   »Lass mich einfach in Ruhe und werd mit deinem König glücklich.«   Valnar schob sie mit den Worten aus dem Weg und ging weiter. Fassungslos blieb Alaine zurück. »Du verdammter Sturkopf!!«, brüllte sie ihm noch wütend nach. Das Tier drängte sie dazu, hinter ihm herzurennen und sich auf ihn zu stürzen; sie zitterte und atmete tief ein, dann hob sie den Kopf und betrachtete die Sterne.   Sie war wieder komplett allein.   Warum musste es so enden?   *   Am nächsten Morgen nach dem Training wollte Valnar direkt baden und seinen Kummer in Alkohol etränken, aber dann sah er die Frau von gestern auf sich zukommen.   Er stockte. Das gestern war falsch gewesen; er hätte sie niemals küssen sollen. Nicht einmal ihren Namen kannte er und er hoffte, dass sie ihm den auch nicht nennen würde.   »Na?«, fing sie an. »Ich wollte dir etwas zeigen. Bevor du wieder zum Alkohol greifst, hab ich was viel Besseres mitgebracht.«   Als sie sich vorsichtig umschaute, hob er skeptisch eine Augenbraue. Sie öffnete die Hand und er sah einige Pflanzen. Er seufzte. Genau dieses Grünzeug hatte er im Tempel gesehen, als Alaine und er sich intensiv geliebt hatten. Die Erinnerungen daran schmerzten wie ein Dolch im Herzen.   »Wenn du sie isst, kannst du all deine Sorgen vergessen. Glaub mir.«   Valnar verstand direkt, was das für Dinger waren und er wusste, dass man davon die Finger lassen sollte.   »Nein, danke«, sagte er kurz und knapp, aber sie drückte ihm trotzdem eine davon in die Hand.   »Spießer.« Sie zwinkerte und ging lachend fort.   Genervt starrte er auf seine Handfläche. Die grünen Blätter der Pflanze endeten in einem blaulila und sie rochen schon extrem stark, doch wandte er sich angewidert ab. Trotzdem steckte er sie in seinem Beutel, anstatt sie wegzuschmeißen.   Als ob er so etwas nötig hatte ...   *   Der Beutel lag geöffnet auf dem Bett, die Pflanze direkt daneben. Immer wieder ging Valnar sein Zimmer auf und ab. Die Gedanken an Alaine ließen ihn nicht los. Vielleicht sollte er das Zeug doch probieren, nur damit sich für einen Augenblick alles wieder normal anfühlen würde.   Er setzte sich aufs Bett und starrte das Kraut an, bevor er es hochhob. Neugierig drehte er es in seinen Fingern, roch an dem starken Aroma.   Ach, was war schon dabei, es ein einziges Mal zu probieren?   Er schob sich das Zeug in den Mund und kaute schnell. Eine klebrige Flüssigkeit breitete sich auf seiner Zunge aus, aber sie schmeckte glücklicherweise nach nichts. Schließlich schluckte er alles herunter und wartete.   Aufregung machte sich in ihm breit. Was würde wohl passieren? Würde er mit Glücksgefühlen überschüttet werden? Er konnte nichts tun, außer abzuwarten.   Eine gefühlte Ewigkeit verging, als Valnar auf seinem Bett lag und langsam schlossen sich seine Augen. Das Einzige, was er fühlte, war ein Hauch von Erregung, aber das lag wahrscheinlich eher daran, dass er an die gemeinsamen Stunden mit Alaine dachte. Eventuell war diese Pflanze nur ein Scherz gewesen ... Warum sollte man auch Drogen in einem Tempel halten?   »Val.«   Valnar stand auf, als er die Stimme hörte und stand in einem Wald; es war so wunderschön und das grün war so intensiv, dass ihm fast die Augen schmerzten.   Es gab nur eine Person, die ihn so nennen würde.   »Alaine!«, rief er freudig, als er seine Angebetete erblickte. Die roten Haare fielen ihr über die Schultern, ihre Brüste waren entblößt und ihr goldener schlangenartiger Unterkörper wickelte sich um einen Baum. Wie faszinierend! Aber ihre Schuppen glänzten in der Sonne und blendeten ihn fast.   »Ich habe dich vermisst«, schnurrte sie und platzierte die Arme über ihren Kopf. Valnar starrte auf ihre aufstehenden Nippel, dann schlängelte sie auf ihn zu.   Sie war so anmutig wie eine Göttin und sie fauchte leise, während ihre lange Zunge herausragte und über seine Lippen fuhr.   »Wie geht es dir, mein Schatz?«, fragte sie und ihr Schwanz wickelte sich aufgeregt um seine Beine, während sie sich aufrichtete und sein Gesicht in ihre Oberweite schob.   »Mir gehts prima«, lachte er. »Vor allem jetzt, wo du bei mir bist!«   Alaine kicherte. Das kräftige Rot ihrer Haare brannte in seinen Augen, aber er konnte sich nicht abwenden. Die Farben tanzten vor seiner Sicht, als ihre Haare sich abwechselnd von Rot zu Blau und Lila änderten.   Valnar stöhnte, während er Alaine fest an ihm spürte.   »Iss doch eine Kleinigkeit. Dann wird es dir noch besser gehen.« Sie hatte auf einmal einen Apfel in der Hand und präsentierte ihn. Valnar schielte ihn an, konnte sich aber nicht entscheiden, welche der Tausenden Farben er nun hatte.   »Wie könnte ich deine Wünsche ablehnen?«   Er biss hinein und eine Flüssigkeit spritzte aus der Frucht. Blut; er schmeckte es sofort. Gierig schlürfte er den Lebenssaft auf, zermalmte das Obst zwischen seinen Zähnen. Plötzlich fing die Frucht an zu pochen und Valnar betrachtete sie genau. Es war kein Apfel, sondern ein menschliches Herz.   Wie außergewöhnlich! Deshalb schmeckte es auch so unglaublich gut. Er wollte mehr und mehr. Sein Tier feuerte ihn weiter an und Valnar gehorchte, verschlang das ganze Herz wie ein hungerndes Tier, bis er am Ende alleine blutverschmiert zurückblieb.   Alaine war fort, aber die ganze Welt um ihn herum leuchtete, funkelte in verschiedenen Farben. Sicherlich war sie dabei, ihm noch mehr zum Essen zu bringen. Er war noch nie so glücklich gewesen! Es war alles so bildhübsch und er hüpfte über die bunte Wiese, fühlte sich, als könnte er Bäume ausreißen.   Doch dann tauchte jemand vor ihm auf und er wusste sofort, wer es war.   Das Tier.   Es war eine atemberaubende Frau mit weißen Haaren, die ihr bis zu den Hacken gingen. Die großen Brüste hingen so wohlgeformt an ihr herunter, dass ihm der Speichel aus dem Mund tropfte.   Ohne Worte lief sie auf ihm zu. Sie war viel größer als er, aber das machte sie nicht weniger attraktiv.   »Valnar, gibs mir, wie du es Alaine gegeben hast!«, flehte sie in ihrer wundervollen Stimme. »Ich habe dich immer gespürt, wenn du tief in ihr eingedrungen bist, aber nicht genug!«   Wie von selbst packte er nach ihr und hob sie hoch, und sie klammerte sich an ihm. Die Präsenz des Tieres breitete sich schon in seinem Körper aus, erregte ihn so sehr, dass er einen schmerzvollen Druck spürte. Wenn er sie nicht sofort nahm, würde er den Verstand verlieren.   »Ah«, keuchte er, während die Wärme in seinem Inneren lichterloh brannte. »Tut mir leid, dass ich dich immer geschlagen hab. Ich wusste ja nicht, wie schön du bist!«   Valnar konnte kaum noch klar sehen, sah nur die intensiven Farben. Es fühlte sich an wie Sex, aber irgendwie anders. Körperlich spürte er nichts, sondern nur geistlich. Gedanklich nahm er sein Tier, stieß immer wieder in die Präsenz in seiner Seele. Er stöhnte wollüstig, konnte kaum glauben, wie gut es sich anfühlte! Als würden alle Ecken seines Seins massiert werden. Das Tier umklammerte seinen Geist, breitete sich überall aus und schmolz unter seiner Kraft. Valnars ganzer Verstand entglitt ihm vor Euphorie und er erreichte seinen Höhepunkt. Die innere Stimme ließ nicht ab, leitete ihn durch seinen Orgasmus, bis er tief ausatmete und vor Schwindel zusammenbrach.   Als er die Augen wieder öffnete, lag er zusammengeklappt in einer Ecke seines Zimmers. Sein ganzer Kopf dröhnte und er hatte schreckliche Krämpfe. Weg war der bunte Wald, weg war Alaine, weg war die attraktive Frau, die sein Tier gewesen war.   »Verdammt«, flüsterte er, noch völlig benebelt und konnte sich gar nicht mehr bewegen.   Niemals hätte er erahnt, wie stark diese Halluzinationen sein würden. Kapitel 14: Reue ---------------- Wochen vergingen. Valnar hatte die Nebenwirkungen seines Drogentrips noch Tage später gespürt. Übelkeit. Sehschwäche. Nie wieder würde er dieses Zeug anrühren.   Die Schmerzen zogen immer noch an seiner Seele und es ging ihm noch schlechter, wenn er an Alaine dachte.   Seit ihren Streit hatte er sie nicht mehr gesehen. Sie hatte ihn zutiefst verletzt und seine innere Stimme machte ihm klar, dass er wütender sein sollte.   Aber das passierte nicht. Valnar atmete tief aus; er fühlte sich einfach nur mies für das, was geschehen war. Wie konnte er ihr das nur antun?   Er saß im Wasser des Tempels und versuchte zu meditieren, aber er kam einfach nicht zur Ruhe. Die Gedanken, dass er seine Liebste schon längst verloren hatte, quälten ihn. Natürlich hätte sie früher oder später mit Morlon schlafen müssen. Zu dumm und stur war er gewesen, um das zu akzeptieren.   Diese Einsicht kam viel zu spät. Ob Alaine ihm noch zuhören würde?   Er musste es versuchen und sich entschuldigen.   *   Alaine hatte die Nase voll von dem Tag, dabei hatte er nicht einmal angefangen. Die Hochzeitsplanungen waren im vollen Gange und es gab keine Möglichkeit, es zu stoppen.   Sie trug ein schwarz-weißes Kleid voller Schleifen, dessen Ausschnitt bis zum Bauchnabel ging und an einem Bein geöffnet war. Dazu hatte sie eine riesige weiße Schleife im Haar, welches sie hochhielt.   Noch hielt sie ihre Schwangerschaft geheim und das würde sie solange tun, bis man es sehen konnte. Schmerzerfüllt schaute sie auf ihren Bauch. Valnar hasste sie mittlerweile und das hatte sie auch verdient. Sie wusste langsam nicht mehr, was sie tun sollte. Ihn nicht hier bei ihr zu haben, schmerzte mehr als alles andere, und die Trauer zerfraß sie innerlich. Sie hatte ihn doch nur beschützen wollen, aber war es wirklich die richtige Entscheidung gewesen, ihm nicht vorher von dem nötigen Beischlaf mit Morlon zu erzählen?   »Hohepriesterin, hier ist ein Brief für Euch.« Eine Dienerin übergab ihn ihr und Alaine stöhnte genervt. Wahrscheinlich wieder nur irgendein Befehl von ihrem Onkel oder Morlon, den man schnellstmöglich verbrennen sollte. Aber am Ende nahm sie ihn doch an sich.   Seltsamerweise stand kein Absender darauf und sie öffnete ihn neugierig.   Komm in den Wald. Du weißt, welche Stelle.   Sofort wusste sie, dass er von Valnar war. Nach alledem wollte er sie immer noch sehen?   Hoffnung machte sich in ihr breit, doch sie stockte kurz. Was wäre, wenn es wieder eskalieren würde? Seufzend setzte sie sich auf einen Stuhl, nahm einen Schluck Tee und überlegte. Ihre Hand fuhr über ihren Hals und sie musste daran denken, wie er sie genommen und sich mit ihr vereint hatte. Der Anblick von ihm und dieser Frau schmerzte dadurch umso mehr.   Wenn sie ihm doch nur die ganze Wahrheit erzählen konnte, aber so einfach war das alles nicht.   Sie hatte große Angst, dass dieses Treffen alles noch schlimmer machen würde, aber am Ende war ihre Sehnsucht größer und sie wollte unbedingt zu ihm.   Eilig huschte sie aus dem Thronsaal, aber dann kam Morlon ihr mit einem Glas Blut entgegen.   »Wohin so eilig, meine Teuerste?«   Alaine runzelte die Stirn. Bei dem Blick, den er ihr schon wieder gab, kam ihr Tier hervorgeschossen.   »Ich gehe spazieren. Frische Luft und so ... Oder ist das jetzt auch nicht mehr erlaubt?«, antwortete sie fast aggressiv.   Morlon gab ihr ein Grinsen, während er die Flüssigkeit in seinem Glas kreisen ließ. Dann ging er ihr erstaunlicherweise aus dem Weg. »Geht nur.«   »Vielen Dank«, knurrte sie verächtlich. Was immer das schon wieder sollte, sie war froh, dass sie ohne Probleme wegdurfte.   *   Als Alaine im Wald ankam, stand die Sonne hell am Horizont. An der Lichtung beim Baum, den sie damals fast in zwei geteilt hätte, blieb sie stehen. Seit Ewigkeiten war sie schon nicht mehr hier gewesen. Hier hatte sie täglich mit Valnar trainiert und sich in ihn verliebt.   Ihr kamen bei diesem idyllischen Anblick die Tränen und sie kniete sich hin.   »Alaine.«   Sie drehte sich um und sah Valnar auf sie zukommen. Zögernd beobachtete sie ihn, hatte noch Angst, dass das alles wieder in einem Streit enden würde. Aber er gab ihr ein sanftes Lächeln und sie rannte sofort auf ihn zu und sprang ihm in die Arme, während sie schluchzte.   »Es tut mir so leid«, weinte sie und er umarmte sie fest. »Ich wollte das doch nicht, aber wenn Morlon Verdacht schöpft ...«   »Ssh, ich weiß«, flüsterte er. »Ich weiß, Alaine. Ich war nur zu dumm gewesen, um es zu kapieren.«   Er ließ sie los und schaute ihr betrübt in die Augen. »Es tut mir auch leid, wie ich mich aufgeführt hab, und diese Frau ... Sie ... war eine Ablenkung. Ich weiß, das entschuldigt mein Verhalten nicht, ich-«   Alaine packte ihm am Kinn und hatte ihm längst vergeben, wollte all das hinter sich bringen und nicht mehr daran denken. »Alles gut. Es ist alles gut.«   Ihre Liebe würde niemals an so etwas scheitern; das spürte sie direkt, als sie wieder in seiner Nähe war.   Sie küsste ihn auf den Mund und es war, als wären sie nie getrennt gewesen; sie hatte ihn so sehr vermisst. Valnar erwiderte ihre Küsse sehnsüchtig, hielt sie weiterhin fest in seinen Armen.   »Ohne dich war alles unerträglich«, flüsterte sie, erinnerte sich an die letzten Wochen. Morlon ... das Tier. Ohne Valnar hatte sie sich so leer und unnütz gefühlt, als würde ein Teil von ihr fehlen.   Aber er schüttelte den Kopf. »Ich bin bei dir«, versicherte er ihr. »Nie wieder werde ich dich verlassen.«   Alaine nickte und klammerte sich an ihm. Für einen Moment knabberte das Tier an ihr, erinnerte sie an ihre Lügen. Doch sie wollte nicht daran denken. Sie wollte ihn nie wieder loslassen.   *   Zusammen schlichen sie in Alaines Zimmer und wollten sich ihrer Sehnsucht hingeben. Sie küssten sich und sie leckte über seine Lippen, während er die Schleifen hinten an ihrem Kleid öffnete.   »Ich trage übrigens gerade keine Unterwäsche«, flüsterte Alaine und stupste ihre Nase an seine. Wie sehr sie sich nach ihm sehnte! Sie konnte es kaum noch aushalten.   Valnar grinste und wollte ihr gerade antworten, als sie ein Geräusch hörten. Schnell ließen sie voneinander ab und sie stolperte fast, als sie zur Tür rannte und horchte.   Doch dann war Stille. Trotzdem öffnete sie vorsichtig die Tür, konnte aber niemanden im Flur sehen.   Schulterzuckend schloss sie sie wieder und huschte breitgrinsend zurück zu ihrem Geliebten.   Sicherlich waren es nur einige Dienstmädchen.   *   Valnar saß nackt auf einem Sessel, Alaines Haarschleife straff um seine Hände gebunden.   »Wehr dich nicht«, lachte sie leise, während sie zwischen seinen Beinen verweilte. Ihre Zunge glitt ihm über die Weichteile, bevor sie ihnen einen Kuss in der Mitte aufdrückte. Sie hinterließ Spuren ihres dunkelroten Lippenstifts und betrachtete ihr Werk. Valnar stöhnte angestrengt und sie schob die Vorhaut über seine Eichel, küsste weiter seinem Gemächt entlang, bis sie an der Spitze ankam und mit ihrer Zunge die Sehnsuchtstropfen aufleckte.   Ihr huschte ein verstohlenes Grinsen übers Gesicht. Er konnte gar nichts tun; sie hatte die komplette Kontrolle. Daraufhin nahm Alaine ihn in den Mund, spielte mit ihrer Zunge an der Unterseite, bis sie ihn ganz hineinschob und verwöhnte. Sie stöhnte bei dem Gefühl, wie er ihre Kehle füllte, aber dann ließ sie wieder ab.   Er zitterte und ihre Hand strich über das feuchte Glied, langsam und sanft. Sie beobachtete ihn genau. Seine Reißzähne ragten schon aus dem Kiefer.   »Quäl mich nicht so«, knurrte er verärgert, aber völlig erregt.   »Was willst du denn dagegen tun?«, stichelte sie und drückte ihre Finger in sein Genital, umgriff es schließlich feste und drückte weitere Küsse darauf.   Auf einmal schaffte Valnar es, sich aus der Schleife zu befreien. »Das«, verkündete er und packte sie. Sie quietschte vor Überraschung, bis er sie hochhob und ihren Nacken liebkoste.   Er schmiss sie regelrecht aufs Bett und sie drehte sich auf die Seite, stützte sich mit ihrem Arm auf und schaute ihn erwartungsvoll an. Das ging in eine ganz andere Richtung, als sie geplant hatte, aber es gefiel ihr. Schon fast flehte sie ihn mit ihren Augen an, wollte mehr davon, bis er sich schließlich zu sie legte. Fest umarmte er sie von hinten und seine Hand fühlte ihren Schritt entlang. Alaine wurde still, stöhnte nur leise und spreizte die Beine.   »Mich zu ärgern hat dich ja ganz schön feucht gemacht«, flüsterte er verführerisch in ihr Ohr, biss ihr sanft ins Läppchen, während seine Finger ihre Schamlippen massierten. Sie öffnete den Mund und ihr schoss das Blut in die Wangen. Kein Ton kam aus ihr heraus, aber das Reden übernahm er schon für sie.   »Ich liebe es, dich so zu sehen.« Er küsste sie aufs Kinn, dann am Hals. »Und ich kanns kaum erwarten, in dich einzudringen, aber das hast du noch nicht verdient.«   Die Erregung durch seine Worte ging wie ein Blitzschlag durch ihren Körper. Noch nie zuvor hatte sie sich jemanden auf diese Weise hingegeben, aber es war neu und aufregend.   Sie konnte sein Grinsen sehen und er öffnete mit seinen Fingern ihre Vagina, spielte an ihr herum, während er die andere Hand nahm und über ihre Brüste streichelte.   »Nicht aufhören«, stöhnte Alaine, wollte immer mehr. Nur sanft kniff Valnar ihr in den linken Nippel, zog ihn leicht nach oben. Sie blieb still liegen und war ganz angespannt, erwartete mehr. Selbst das Tier schlängelte ungeduldig in ihren Lenden, ließ sie ihre Erregung noch intensiver spüren.   Unruhig wartete sie darauf, dass er in sie eindrang, aber er tat nichts dergleichen. Seine Hand ruhte auf ihrem Venushügel, die andere umfasste ihre Brust und hielt sie nur fest. Nur probeweise strich sein Daumen über ihren Nippel. Was sollte das denn jetzt?! Erst machte er sie heiß und dann ließ er sie fallen!   Diese leichten Berührungen waren eine Tortur und sie wurde fast wahnsinnig vor Wollust.   »Valnar, bitte«, flehte sie weinerlich, drückte ihren Leib gegen seinen und fühlte, wie hart er war.   »Stöhn lauter, ich kann dich nicht hören.«   Zuerst war sie empört und wollte ihm nicht so leicht gehorchen, aber gleichzeitig erregte es sie noch mehr und sie genoss es, brauchte ihn so dringend. Die innere Stimme nagte an ihr, dass sie sich nehmen sollte, was ihr zustand, aber das wollte sie nicht; sie wollte sich ihm völlig hingeben. Schließlich drückte sie ihr Gesicht in seinen Nacken und stöhnte, bettelte ihn an, aber er küsste nur ihre Stirn.   »Arme Hohepriesterin. Völlig erregt und keiner hilft ihr damit«, bemitleidete er sie. »Sag mir doch einfach, was genau du willst.«   Die Schamesröte schoss ihr wieder ins Gesicht. Musste sie das wirklich aussprechen? Konnte er nicht sehen, wie sehr sie es nötig hatte?   Wieder probierte sie ihn dazu zu bewegen, sie zu nehmen, schmiegte ihren Hintern an ihm, biss ihm sanft auf die Lippe. Für einen Augenblick konnte sie in seinen Augen sehen, dass er sich zurückhalten musste, aber statt sich auf sie zu stürzen, lächelte er sie nur an.   »Ja?«, fragte er erwartungsvoll und es war so offensichtlich, dass er innerlich grinste.   Alaine zuckte zusammen und schmollte, bevor sie anfing vor Frustration zu knurren.   Das war genug.   »Fick mich endlich, du Mistkerl«, brach es aus ihr heraus.   Valnar schien für einen Moment über ihre Wortwahl überrascht zu sein, aber er fing an zu grinsen.   Alaine atmete erleichtert auf, als er endlich sein Glied gegen ihre Öffnung drückte und sie an den Oberschenkeln festhielt.   Sie lehnte ihren Kopf wieder an seinem und er stieß in sie hinein. Das Tier breitete sich wieder in ihrer Brust aus und ihr Körper bebte, wollte mehr. Ihr Arm schlang um seinen Hals und fast biss sie ihm in die Kehle, als er seine gesamte Länge in sie schob, aber sie wimmerte nur vor Lust.   Es war das schönste Gefühl, wieder mit ihm vereint zu sein. Kapitel 15: Untergang --------------------- Wochen später. Alaine wartete sehnsüchtig auf Valnar. In einer Woche war ihre Hochzeit mit Morlon, aber da wollte sie überhaupt nicht dran denken. Sie wollte an gar nichts denken und mit ihrem Geliebten alles vergessen.   Sie knotete die Schnüre ihres schlichten weißen Kleides zusammen, aber nur leicht, damit ihr Liebster sie schneller öffnen konnte. Bei dem Gedanken grinste sie unanständig.   Weitere zehn Minuten vergingen, aber er war immer noch nicht da. Wo steckte er denn schon wieder?   Nach weiteren zwanzig Minuten wollte sie ihn suchen, doch bevor sie die Tür öffnen konnte, kam schon jemand hinein. Vorfreude machte sich in ihr breit, aber dann starrte sie in Morlons Gesicht. Sie fluchte innerlich; diesen Kerl zu sehen, hätte sie gut drauf verzichten können.   Er trat hinein und schloss die Tür, gab Alaine ein Lächeln. »Alles in Ordnung? Habt Ihr jemand anderen erhofft zu sehen?«   »Ach, nein, ich wollte nur gerade ... in den Thronsaal.« Sie wollte aus dem Zimmer fliehen, aber er hielt sie am Handgelenk fest.   »Natürlich. In den Thronsaal.« Sein Ton gab ihr einen Schauer über den Rücken. »Seid Ihr sicher, dass Ihr Euch nicht mit Eurer Affäre treffen wolltet?«   Alaine drehte sich sofort um und starrte ihn überrascht an. »Natürlich nicht«, stritt sie ab, versuchte so überzeugend wie möglich zu klingen. Wenn er davon erfuhr, war alles aus.   »Ihr habt mit ihm den Beischlaf vollzogen«, knurrte er.   Sie stieß ein ungläubiges Lachen aus, musste die Wahrheit weiter verschweigen. »Was redet Ihr da? Habt Ihr den Verstand verloren?«   »Schweigt, Weib! Haltet mich nicht zum Narren!«, brüllte er und zog sie an sich. »Ich habe Euch mit ihm gesehen. Hier im Zimmer!«   Alaine war so schockiert, dass sie keinen Ton herausbrachte und sie erinnerte sich sofort an den Tag, an dem Valnar und sie sich vertragen hatten.   Er war es, dessen Geräusche sie gehört hatte!   Bevor sie sich wehren konnte, schlug er ihr schon ins Gesicht. Für einen Moment verlor sie die Orientierung, spürte, wie das Tier in sie hochschoss, aber konnte es nicht begreifen.   Dann fing Morlon an, ihr sanft über den Kopf zu streicheln. »Aber seid unbesorgt. Ihr werdet dafür bezahlen und die gesamte Macht Iranis spüren. Und ratet mal, wer mir dabei behilflich sein wird.«   Alaine keuchte, als ihr die Haare im Gesicht hingen, hatte keine Ahnung, wovon er sprach. Diesmal packte sie die Angst, auch wenn die innere Stimme nach ihrer Wut greifen wollte. Morlon packte ihre Haare feste und sie fletschte die Zähne vor Schmerz.   »Erinnert Ihr Euch an Molana? Und an all den anderen Vampiren, an denen Ihr angeblich experimentiert habt?« Dann ließ er sie wieder los. »Sie werden mir mit Freuden helfen, Euch büßen zu lassen. Doch noch werde ich Euch nicht töten. Ihr sollt für all das leiden, was Ihr getan habt.«   Das Tier in Alaine fing an, ihren Überlebenstrieb anzukurbeln.   Spring auf! Töte ihn, bevor er dich vernichtet!   Sie fauchte und machte sich bereit, aber da biss Morlon ihr schon in den Hals; sie wollte schreien, aber kein Ton kam aus ihrer Kehle und sie konnte fühlen, wie gierig er ihr Blut saugte, wer er schmerzvoll in ihren Geist eindrang. Das Tier versuchte sie zu beschützen, ließ ihren Zorn aufkochen und füllte ihre Adern, aber es war zwecklos! Sie war wie gelähmt und konnte sich nicht aus dem Griff des verhassten Vampirs befreien.   Gewaltvoll erkundete Morlon jede Ecke ihres Inneren und stöhnte. Die Schmerzen waren unvorstellbar und trieben ihr die blutigen Tränen in die Augen. Wenn er weiter so machte, dann ...   Ihre Augen rissen auf; ihr Tier tat alles, um sie zu schützen, doch der König ertastete die Präsenz ihres Kindes. Irritiert ließ er von ihr ab, schmiss sie fast auf den Boden.   »Ihr bekommt ein Kind ...«, keuchte er. Doch sofort wurde er wütend und seine Augen leuchteten rot auf. Hasserfüllt fauchte er sie an. »Es ist von diesem Straßenköter, nicht wahr? Ihr wolltest es mir am Ende unterjubeln?«   Sein Ton war mehr als schauderhaft und Alaine packte wieder die Panik, musste sich schleunigst von seinem Eindringen in ihrer Seele erholen.   Morlon fasste ihr an die Kehle und drückte sie gegen die Wand. Sie hustete und versuchte ihn von sich zu stoßen, appellierte an ihr Tier, ihr mit neuer Stärke zu helfen.   »Eigentlich wollte ich es Euch nicht erzählen, aber Ihr sollt wissen, dass ich mich an euch beide rächen werde für diesen Verrat.« Er fing an, irre zu lachen. »Ich habe diesen Kerl in irgendeinem Turm festgekettet. Wenn wir angreifen, wird es zu spät sein, aber vielleicht findest du seine Leiche irgendwo in den Trümmern Asrans, wenn wir mit der Stadt fertig sind. Zumindest Euer Gesichtsausdruck wird köstlich sein.«   Nein! Nicht Valnar! An den Gedanken, dass er sterben würde, rastete Alaine aus. Mit einer gewaltigen Explosion füllte das Tier all ihre Muskeln mit seiner Kraft, schärfte all ihre Sinne erneut. Wie eine sofortige Regeneration spürte sie die gesamte Macht.   Mit einem Schrei drückte sie Morlons Hand an ihrer Kehle so feste zu, dass dieser schmerzvoll brüllte und sie losließ. Sie schlug ihm ins Gesicht und schrie weiter, verlor sich fast in Raserei, während ihre Haare wie wild durcheinander flogen. Die innere Stimme nährte den Hass, ließ sie sie noch weiter treiben, als sie ihm die Wange zerkratzte und sein Blut durch die Gegend spritzte.   Aber Morlon packte ihren Körper und sie strampelte kreischend in seinen Armen, versuchte sich mit aller Gewalt loszureißen.   »Alaine??« Beide starrten zur Tür herüber und sahen Vincent dort stehen. »Was hat das zu bedeuten?!« Er rannte auf sie zu und befreite sie aus den Armen des Königs.   »Wie könnt Ihr es wagen, meine Nichte zu verletzen?!«, brüllte er aufgebracht.   »Ihr steht im Weg, alter Mann!« Morlon zog sein Schwert aus der Scheide und enthauptete Vincent mit so einer außergewöhnlichen Kraft, dass sein Kopf gegen die Wand klatschte und den halben Raum in Blut ertrank.   Alaine schrie auf, wollte ihrem Onkel zur Hilfe eilen, aber ihr Tier trieb sie an, zur Vernunft zu kommen und die Chance zu nutzen. Er wurde enthauptet! Für ihn kam jede Hilfe zu spät. Sie griff nach dem Sessel und schmiss ihn gegen den König; er schlug so gewaltig mit dem Schwert danach, dass es feststeckte. Schleunigst rannte sie aus dem Zimmer, so schnell sie konnte, weit weg von diesem Mörder.   »Onkel ...«, weinte sie, aber sie konnte nicht zurück.   Sie musste Valnar retten.   *   Draußen konnte sie schon die Angriffe hören. Asran wurde von den Kriegern Iranis belagert, und als sie aus dem Fenster sah, konnte sie sehen, wie aus der Menschenstadt Rauch aufstieg.   »Nein ...« Alaine hielt sich den Mund. Es war zu spät für sie.   Das war alles ihre Schuld! Die armen Menschen ... völlig ungeschützt.   Aber sie konnte nicht zu ihnen; sie musste Valnar finden! Sie rannte aus dem Palast über die Mauer entlang, um von dort in eines der etlichen Türme zu gelangen. Es könnte jeder von ihnen sein, aber sie hatte keine Wahl, verzweifelte fast. Wenn er starb, würde sie sich das niemals verzeihen.   Plötzlich tauchten vor ihr die Krieger Iranis auf. Alaine drehte sich um, um zu fliehen, aber dort standen Weitere von ihnen.   Sie war völlig umzingelt und unbewaffnet.   »Euer Land ist dem Untergang geweiht. Gebt auf, Hohepriesterin.«   Das Tier pochte in ihrer Brust und sie schaute die Mauer hinunter. Wenn sie sprang, könnte sie sich retten, aber dann würde Valnar sterben.   Die Krieger schauten sie schon siegessicher an. Alaines Kleid und Haare wehten im Wind und in der Ferne schallte das Kriegsgeschrei, bis sie einen lauten Knall hörte und der Burghof anfing zu brennen. Weitere Schreie waren zu hören; Schwerter, die auf Schwerter prallten.   Eine Welle der Verzweiflung überflutete sie und Panik machte sich in ihr breit. Sie wusste nicht mehr, was sie tun sollte. Alles schien aussichtslos.   Wir können all das verhindern.   Alaine schloss die Augen, achtete nur auf die Präsenz ihres Kindes und des Tiers. Immer weiter nährte sich das Tier an ihrer Verzweiflung. Die Krieger kamen immer näher und das war der Moment, wo sie sich entschieden hatte.   »Valnar ...«, flüsterte sie schmerzerfüllt, dachte an ihr Kind und ihr Folk. »Es tut mir so leid, Vater.«   Sie fauchte und breitete die Arme aus. Die innere Stimme schürte ihre Wut, ließ sie immer größer werden und fing an, sich mit ihr zu vereinen. Alaines Tätowierung brannte und sie hielt es nicht auf. Ihr Verstand wurde mit Zerstörungswut überflutet; Hass und Zorn war alles, was sie kannte. Wie konnten sie ihr das nur antun? Alles, was ihr im Weg stand, musste sterben.   Die Feinde erkannten bereits, was passieren würde und versuchten zu fliehen.   Die Schmerzen wurden mit einem Mal unermesslich, sodass sie anfing zu schreien. Ihre Arme verlängerten sich und feuerrote bis gelbe und magenta Federn ragten aus ihnen hervor, so wie auf ihrem gesamten Körper, als er wuchs. Glühende Feuerrunen erschienen auf ihrem Federkleid; ihr Mund wurde ein langer Schnabel. Die Qual schoss durch all ihre Knochen und Muskeln, als sie größer und stärker wurden. Sie nahm nichts wahr, außer den Schmerz, und sie würde alles und jeden für ihr Leid büßen lassen.   Ein lautes Kreischen kam aus ihrem Rachen, als die Verwandlung vollendet war. Aus Instinkt schlug sie mit den Flügeln und Funken von Glut fielen an ihrem Leib herunter.   Unter ihr liefen die kleinen Vampire und das Tier wollte alles und jeden töten, egal ob Freund oder Feind. Alaine hatte keine Kontrolle mehr, ließ ihre innere Stimme sie leiten.   Aber sie ... sie musste sich wehren! Oder ... Nein! Jeder musste leiden! Alle waren schuld an ihrem Unglück! Sie öffnete ihr Maul und ein gigantischer Feuerstrahl schoss heraus, verbrannte hunderte Krieger Iranis'. Der Geruch von Tod trieb sie weiter an und sie schlug die kräftigen Flügel, um in den Himmel emporzusteigen, rammte ihre Klauen mit Leichtigkeit in einem der Türme und zerstörte ihn.   Töten! Wir müssen töten und FRESSEN! Blut soll fließen, aus welchem Leib auch immer!   Der Burghof stand halb in Flammen, während die Vampire versuchten zu flüchten. Die Trümmer des Turms landeten auf den Boden und vergruben viele von ihnen. Eine Aura breitete sich aus dem Körper des Phönixes aus und ihre Feinde fingen an zu husten und zu röcheln, fielen eins nach dem anderen zu Boden; selbst ihre eigenen Krieger wurden nicht verschont.   Jeder Tod wird unser Leid lindern.   Alaine glaubte alles, was das Tier ihr riet, tat alles, um sich zu retten. Niemand konnte ihr etwas anhaben! Niemand war so stark wie sie!   Der Palast ging in Flammen auf; der Tempel war längst vernichtet. Sie machte alles, was sie sah dem Erdboden gleich. Doch langsam machte sich die Erschöpfung breit. Das Tier hatte seine Zerstörungswut und Alaines Rachegelüste befriedigt, lechzte sich an den Geruch von Blut und Tod vieler Vampire und die Zerstörung der Gebäude.   Es war ein wahres Schlachtfeld, doch das Tier weigerte sich, zu sterben. Alaines Aura wurde immer schwächer, als sich die innere Stimme ihre Kraft nahm, um zu überleben. Klarheit machte sich wieder in ihrem Verstand breit.   Sie hatte ihren Geliebten verloren, sie hatte ihr Folk vernichtet, und sie und ihr Kind würden sterben.   Genauso wie ihr Vater.   So sehr hatte sie gehofft, sie hätte sich für einen Augenblick beherrschen können, um Valnar zu retten. Doch diese Verwandlung ... sie war wahrlich das Ende. Nun verstand sie, aber es war viel zu spät.   Der Phönix krachte auf einen der Türme und das Tier saugte weiter an ihrem Leben. Es fühlte sich an wie ein Ziehen an all ihren Knochen und Muskeln und sie keuchte, als drohte sie zu ersticken. Plötzlich bekam sie einen pochenden Schmerz in der Magengegend und ihr Körper verwandelte sich zurück.   Das Tier ließ komplett von ihr ab und umwickelte die Seele ihres Kindes. Sie flehte es an, dass es aufhören sollte, aber es gehorchte nicht.   Immer weiter nährte es sich, bis die Aura ihres Nachwuchses erlosch. Alaine heulte auf, fühlte, wie eine Blutlache sich unter ihr bildete, und sie atmete schwer.   Dann brach sie zusammen, rollte das Dach des Turms herunter. Sie versuchte sich noch festzuhalten, aber sie fiel hinab und krachte auf ein weiteres Dach. Für einen Augenblick verlor sie die Orientierung und stöhnte vor Schmerz.   Sie griff sich am Bauch und schrie auf, vor Schmerz und vor Trauer. Ihr Baby war fort; es hatte sich geopfert, um sie zu retten. Nun wurde ihr klar, wie gefährlich diese Verwandlung wirklich war, wie unglaublich stark. Es war kein Wunder, dass sie nie eine Lösung gefunden hatten, es zu kontrollieren. Das Tier war eine viel zu hohe Macht und seine Verwandlung benötigte die gesamte Lebenskraft eines Vampirs.   Und dieser Vampir war ihr Kind mit Valnar gewesen.   Überall war ihr Blut verteilt und der Geruch von Rauch füllte ihre Nase. Das Feuer kam immer näher.   Alaine zwang sich auf die Beine, auch wenn alles wehtat, und sie schaute sich um. So viel Zerstörung und Tod; das war alles ihr Verdienst gewesen.   »Ich ... ich wollte das nicht«, weinte sie, aber stockte dann, als sie ein Lachen aus dem nahe liegenden Turm hörte.   Sie kletterte mit letzter Kraft zurück hinauf. Konnte das sein? Hoffnung machte sich in ihr breit, trotz ihrer gesamten Lage, und sie versuchte, nicht an ihr Kind zu denken, an gar nichts. Nur noch an Valnar.   Hastig öffnete sie die Tür zum Turm und sah die blonden Haare von Molana, dann Valnar, der an einem Mast gekettet und voller Blut war.   »Alaine?! Du lebst! Wie ist das möglich?«, keuchte er, als er sie erblickte.   »Valnar!«, schrie Alaine, aber Molana stellte sich ihr in den Weg.   »Ihr!«, fauchte Alaine. »Lasst ihn gehen!«   »Ich weiß zwar nicht, wie ihr die Verwandlung überlebt habt, aber es ist schön Euch wieder zusehen«, knurrte Molana und ignorierte ihre Aufforderung.   »Alaine, verschwinde von hier«, hustete Valnar, aber das kam für sie überhaupt nicht infrage!   »Nicht ohne dich!«   »Süß«, lachte Molana. »Aber niemand wird hier lebend rauskommen. Heute werdet Ihr endlich für das büßen, was Ihr uns mit Euren Experimenten angetan habt, Hohepriesterin! Euer Schattenpriester hat schon dafür bezahlt! Und sein Blut war köstlich gewesen.«   Valnar schaute sie verwundert an. »Was? Was redet sie da?«   Tränen bildeten sich wieder in Alaines Augen. »Ich ... ich wollte es dir schon solange beichten. Es tut mir leid. Ich wollte das alles nicht.«   Molana kam näher und schubste sie. »Aber Ihr habt es getan! Ihr wolltet Gott spielen und habt uns alle verkrüppelt! Uns unsere Macht genommen und uns dann verbannt! Und Ihr seid nicht nur eine Schlächterin, nein! Ihr betrügt auch noch den Mann, dem ihr versprochen seid, mit einem unbedeutenden Krieger!«   Sie musterte Valnar. Blut lief an seinem Kopf herunter und er versuchte sich loszureißen. Alaine wollte ihn beschützen, aber sie wusste, wenn sie ihn Beachtung schenkte, würde Molana ihm noch mehr antun.   »Wir haben nur an machthungrigen Kriminellen wie Euch experimentiert!«, versuchte sie sich zu verteidigen. »Wir wollten die Verwandlung zum Wohle aller Vampire kontrollieren lernen!«   »Nächstes Mal nehmt Ihr am besten Euch selbst!«   »Das habe ich bereits ...«, flüsterte Alaine so leise, dass nur sie es hören konnte. Molana sprang wie aus dem Nichts auf sie zu und packte ihre Handgelenke. Fauchend versuchte Alaine sich zu befreien, beschwor ihr Tier.   Erst fühlte sie nichts, fand es nirgendwo in ihrem Inneren. Molana trat ihr in den Magen, sodass Alaine hustete und fast umkippte. Eine weitere Welle des Schmerzes machte sich in ihr breit; sie war so schwach und erschöpft, konnte keine Kraft mehr aufbringen.   »Alaine!«, rief Valnar ihr zu. Sie schaute ihn gerade noch an, als Molanas Faust schon ihr Gesicht traf und sie erneut zurücktaumelte.   Mit einem Knurren sprang sie auf Molana und dann schoss das Tier aus ihr hervor, gab ihr neue Stärke. Sie hielt ihre Widersacherin unter ihrem Gewicht fest, schlug ihr immer wieder ins Gesicht und fauchte vor Wut. Nur langsam pochte die innere Stimme im Einklang mit ihr und Molana schaffte es, sie von sich zu stoßen.   Aber statt Alaine weiter anzugreifen, sprang sie aus dem Fenster und flüchtete. Es war Alaine in diesem Augenblick egal! Sie musste Valnar hier rausbringen und rannte auf ihn zu, aber der Boden wackelte gefährlich und sie fiel mit einem Aufschrei hin, dann hörte sie etwas in der Nähe zusammenbrechen.   »Alaine! Geht es dir gut?«, rief Valnar ihr wieder zu. Sie stützte sich an der Wand ab und humpelte zu ihm herüber.   »Wir müssen hier raus!« Mit einem Ruck riss sie die Ketten aus der Wand heraus und sie lösten sich. Valnar nahm den Rest und schmiss ihn in die Ecke, griff Alaines Gesicht und küsste ihre Lippen. Ungeschickt erwiderte sie den Kuss und war so erleichtert, dass es ihm halbwegs gut ging.   Dann wieder ein Krachen. Valnar reagierte schnell und packte Alaine, dann sprang er aus der Tür hinaus.   Er blickte nach oben und sie tat es ihm gleich. Der Turm war kurz davor zusammenzubrechen.   »Halte dich gut fest!«, brüllte er, und sie gehorchte und klammerte sich an ihm. Er sprang runter aufs Dach und rannte so schnell er konnte davon.   Der Turm brach auseinander, stürzte auf das Dach und vernichtete es. Es verfehlte die beiden nur knapp. Die Wucht des Aufpralls war so stark, dass Valnar und Alaine einige Meter weit flogen und hart auf den Boden landeten.   Sie zitterte und öffnete wieder die Augen, sah, dass sie in Valnars Armen lag, der sie vor dem Sturz bewahrt hatte.   »Bist du in Ordnung?«, fragte sie und konnte den Schmerz in seinem Gesicht sehen, aber er nickte nur.   »Alles gut. Lass uns schnell von hier verschwinden.« Er stand auf und Alaine wollte es ihm gleich tun, aber dann zuckte sie schmerzerfüllt zusammen. Erst in dem Moment erinnerte sie ihr Körper wieder daran, was sie gerade durchgemacht hatten.   »Was ist los?« Valnar hielt sie fest, bevor sie umkippte.   »Die Verwandlung, sie-« Sie biss sich auf die Zähne, hatte Angst fortzufahren.   »Du ... du hast sie überlebt«, fügte er hinzu, dann rissen seine Augen weit auf. »Bitte Alaine, halte durch! Ich will dich nicht daran verlieren.«   Alaine sah die Todesangst in seinen Augen und fing an zu weinen.   »Es ist vorbei. Nur wegen unserem Kind ... Es hat mich beschützt. Es- es tut mir so leid, ich war schwanger, ich-« »Was?!«, stieß er fassungslos aus.   »Ich wusste nicht, dass das passiert, ich wollte dich retten! Ich- ich ...« Sie wusste nicht mehr, was sie sagen sollte, wusste, welche Enttäuschung nun folgen würde. Es war alles so furchtbar schrecklich und sie war kurz davor komplett zusammenzubrechen.   Aber Valnar legte die Arme um sie, drückte sie fest an sich. Erst reagierte Alaine nicht, dann schmiegte sie sich an ihm, weinte völlig aufgelöst.   »Ich bin hier. Du bist nicht alleine«, flüsterte er immer und immer wieder, küsste ihr Gesicht. »Wir werden das gemeinsam überstehen.«   Sie nickte ihm zu, während sie Asran beobachtete. Überall lagen Leichen von beiden Seiten; ihr Feuer zerstörte fast alles, was ihr etwas bedeutet hatte.   Alaine konnte sich nicht vorstellen, dass sie diese Zerstörung jemals wiedergutmachen konnte. Kapitel 16: Abschied -------------------- Auch wenn Valnar vor Schmerzen selbst kaum laufen konnte, trug er Alaine auf den Rücken. Er musste sie um jeden Preis beschützen und sie vor weiteren Leid bewahren. »Vorsicht!«, rief sie ihm zu und er wich einen fallenden Kirschbaum aus.   Schrecklich. Sie waren einst so schön gewesen und nun war alles niedergebrannt.   Wenn er sich nur nicht von Morlon entführt gelassen hätte ... Er stand am Morgen überraschend in seinem Zimmer und trat ihm so heftig zwischen die Beine, dass er sofort zusammensackte. Danach sah er schwarz und wachte festgekettet im Turm wieder auf.   Fauchend rannte er aus dem Burghof hinaus. Dort war das Feuer nicht so stark ausgebreitet, aber die Krieger Asrans kämpften immer noch gegen die Iranis‘.   »Hohepriesterin!« Nyria rannte auf sie beide zu. »Asran ist verloren! Ihr müsst hier so schnell wie möglich raus!« Alaine klammerte sich an Valnar und gab ihr einen ernsten Blick. »Seid vorsichtig und kommt uns bald nach.«   Nyria nickte ihr zu, dann sah Valnar eine rothaarige Frau mit einer Lanze auf sie zustürmen.   »Passt auf!«, schrie er.   Schockiert drehte Nyria sich um und wich den Angriff noch in letzter Sekunde aus.   »Jayna?!«, keuchte sie und erstarrte.   »Du Verräterin!«, fauchte Jayna und griff sie an. Nyria blockierte den Schlag noch mit ihrem Schild und knurrte aufgebracht.   »Nein! Du bist nicht Jayna!«, schrie sie.   Wieder schlug Jayna auf Nyrias Schild ein. »Du hast ihnen erlaubt, dass sie eine Missgeburt aus mir machen!« Sie war wie eine unkontrollierbare Maschine aus Zorn. Ohne Reue schlug sie auf sie ein, als hätte ihr Tier sie schon komplett übernommen.   Für einen Augenblick war Nyrias Gesicht voller Trauer, aber schnell fing sie sich wieder. »Hör auf zu lügen! Meine Schwester weiß, dass ich ihr eine zweite Chance ermöglichen wollte!« Mit einem Ruck drängte sie sie mit ihrem Schild zurück.   »Hohepriesterin! Verschwindet von hier! Ich halte sie auf!«   Valnar rannte schon weiter, aber Alaine zappelte herum und rutschte von seinem Rücken herunter. »Nein! Kehr um! Wir müssen ihr helfen!«   Er packte ihren Arm und zog sie mit. »Nichts da! Du musst hier raus! Respektiere, dass sie ihr Leben für deine Sicherheit gibt!«   Alaine hörte auf sich zu wehren, weinte nur, während er sie immer weiter durch Asran zog. In der Ferne sah er die Menschenstadt vollkommen zerstört und in Flammen. Sein Tier kochte. Wenn er seine Liebste nicht hier rausbringen musste und ein Schwert gehabt hätte, hätte er diese Schweine aus Iranis büßen lassen.   »Valnar!« Garrin rannte auf ihn zu, voller Blut. Kurz beäugte er Valnars und Alaines vereinte Hände, bevor er seinen Blick wieder auf ihn richtete.   »Wir müssen hier weg!«, knurrte Valnar, als zwei Krieger auf sie zustürmten.   »Gebt uns die Hohepriesterin!«, riefen sie.   Ohne mit der Wimper zu zucken, köpfte Garrin einen von ihnen, während Valnar den anderen anfauchte.   »Fass sie an und du bist tot!«, brüllte er und trat dem Angreifer in den Magen, worauf Garrin auch ihn enthauptete. Alaine krallte sich an Valnars Hemd, konnte kaum reagieren.   »Vielleicht hättest du dir mal ein Schwert mitnehmen sollen!«, schimpfte Garrin, aber Valnar ignorierte ihn und schnappte sich das Schwert des gefallenen Kriegers.   »Lasst uns schleunigst verschwinden!«, schrie Alaine. Valnar zog sie an sich und sie rannten zu dritt gemeinsam weiter. Tapfer kämpften die Krieger Asrans um ihr Leben, als sich das Feuer noch weiter ausbreitete. Die gesamte Luft roch nach Vampirblut und Rauch. Die Menschenstadt war nur noch ein riesiger Feuerball. Valnar musste an die Schlacht von Tradan denken, nur war das hier noch heftiger.   Dann sah er ihn: Morlon.   Er schlachtete einen Krieger nach den anderen ab und schaute nach irgendetwas mit diesem irren Blick Ausschau. Sicherlich nach Alaine.   Alaine keuchte bei seinem Anblick, aber Valnar drückte sie beschützend hinter sich. Die innere Stimme pochte in ihm, wollte ihn dazu bringen, diesen Bastard in Stücke zu zerfetzen. Er fletschte die Zähne und knurrte, das Schwert bereit.   Plötzlich ertönte hinter ihnen ein lautes Knacken. Der gesamte Palast brach in sich zusammen und drohte sie alle zu zerquetschen. Er sah noch, wie Morlon mit einigen Kriegern flüchtete. Das Tier schrie vor Wut und für einen Augenblick wollte Valnar ihm hinterher, wollte seine Rache.   Aber er schmiss seine Waffe zu Boden. »Rennt!!«, schrie er und nahm Alaine mit beiden Händen hoch. Dann eilte er zum Ausgang, zog die Kraft aus seinem Tier.   Auf einmal hörten sie einen Schrei. Garrin blieb stehen, als er weit hinten Kizuna entdeckte. »Kizuna!« Sie war umzingelt von Kriegern und sah wie versteinert den fallenden Palast an. Auch diese drehten sich schließlich um und schrien verzweifelt auf.   »Garrin!« Aber er hörte nicht. Valnar sah nur noch, wie er auf sie zustürmte. Er konnte ihn nicht aufhalten, musste weiter rennen und Alaine retten.   Sie hatten es gerade aus den Toren geschafft, als der Palast auf den Boden aufprallte und alles unter sich zerstörte.   Valnar und Alaine wurden von der Wucht des Aufpralls wieder weggeschleudert. Er wollte sie noch packen, sie mit seinem Körper schützen, aber dann wurde alles schwarz.   *   »Valnar, wach auf.«   Valnar öffnete die Augen und blinzelte, bis er Alaine wahrnahm, die ihn am Schütteln war.   »Geht es dir gut?«, fragte sie und er sah die Erleichterung in ihrem Gesicht.   »Alles gut.« Er hustete den Staub aus seiner Lunge und setzte sich auf. Sie fiel ihm direkt in die Arme und er hielt sie fest an sich.   Sein Kopf dröhnte etwas und seine Muskeln schmerzten. Allmählich realisierte er wieder, was passiert war.   Nach einigen Sekunden ließen sie voneinander ab und Valnar schaute hinauf. Asran war nur noch eine gigantische Ruine. Er konnte nicht glauben, dass das einmal ihre Heimat gewesen war.   Neben ihnen hatten sich einige Vampire versammelt. Überlebende.   Valnar hielt nach seinen Freunden Ausschau. Es waren höchstens zehn bis fünfzehn, aber niemanden, den er kannte. Welch grauenhaftes Schicksal. Nur so wenige hatten den Angriff überlebt?   Garrin, Kizuna, Nyria ... und so viele andere. Sie waren tot. Begraben unter den Ruinen.   Langsam ließ er auch den Gedanken an sein gemeinsames Kind mit Alaine zu. Es war fort, bevor er überhaupt davon wusste, und er konnte nicht begreifen, warum so etwas Grausames passieren musste.   So viel Leid ... So viel ... verloren.   Er ballte die Hände zu Fäusten und zitterte, biss sich auf die Zähne, als er seinen Kopf auf den Boden senkte.   Nein ... Warum?   Fast fing er an zu weinen und seine Geliebte nahm ihn erneut in die Arme, versuchte ihn zu beruhigen, aber fing selbst an zu schluchzen. Doch das Tier wollte seinen Hass schüren, ihm klarmachen, wer an allem schuld war und für den Tod seiner Freunde, seinem Kind und die Zerstörung Asrans büßen musste.   Es war alles dieser Mistkerl Morlon. Das Tier fauchte in seinem Inneren, wollte diesen König endlich zwischen seinen Fängen zermalmen. Wegen ihn hatte Alaine sich verwandelt! Wegen ihn hatte sie ihm nichts von ihrem gemeinsamen Kind erzählt!   »Ich hoffe Morlon glaubt, ich bin tot. Sicher hatte er die Verwandlung mitbekommen«, flüsterte Alaine nach einigen Minuten der Stille.   Valnar sagte nichts und verweilte weiter in seiner Position.   »Es tut mir so leid«, schluchzte sie leise.   »Nein, gib dir nicht die Schuld«, antwortete er rasch und sie lösten sich aus der Umarmung.   »Aber es ist meine Schuld! Wir haben alles verloren!« Sie klang so verzweifelt, als würde sie jeden Augenblick in Scherben zerbrechen.   Valnar senkte den Kopf, fühlte, wie erschöpft er war, aber er spannte seine Muskeln an, zog an das letzte bisschen Kraft, welches das Tier ihm geben konnte, bevor seine Liebste sich ganz verlor.   »... Du hast große Fehler gemacht, ja ... Aber du bist kein Monster; du wolltest den Vampiren helfen.« Er seufzte und stand auf. »Und Morlon? War das ein Grund, dein komplettes Reich den Erdboden gleichzumachen?«   Mit glasigen Augen starrte Alaine ihn an. Sie öffnete kurz den Mund, aber bekam keinen Ton heraus.   Er zeigte mit dem Kopf zu den Überlebenden. »Wir können das nicht rückgängig machen, aber wir dürfen nicht verzweifeln. Sei deinen Vampiren weiterhin eine Anführerin und führe sie in Sicherheit. Sie brauchen dich jetzt.«   Nun drehte Alaine sich um, betrachtete die Vampire für einen Augenblick. Sie richtete sich auf und schaute ihn wieder entschlossen an.   »Du hast recht.«   Ihr weißes Kleid war unten komplett zerrissen, voller Blut und Dreck, aber trotzdem lief sie auf die anderen zu, wie er sie kannte. Anmutig und stark. Wie eine Hohepriesterin.   Eine Dame humpelte auf sie zu. »Hohepriesterin, Ihr habt Euch verwandelt! Ich habe es gesehen! Wie habt Ihr das überlebt?!«   Alle starrten sie an und Alaine nahm tief Luft.   »Ich war schwanger ... Die Verwandlung hat mein Kind getötet und das hatte mich vor dem Tod gerettet.«   Schockiert blickten sie sie an, tuschelten untereinander.   »Aber Morlon war ein Schwein und ein Verräter! Er hat unser zu Hause zerstört! Wenn er überlebt hat, dann wird er eines Tages dafür bezahlen!«   Die Vampire fauchten und nickten ihr zu, dürsteten nach Rache.   »Was werden wir nun tun, Hohepriesterin?«, fragte eine Dienerin. Die Angst war ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.   Alaine überlegte kurz, dann zeigte sie Richtung Norden. »Wir werden nach Horan reisen, um Schutz zu suchen. Es ist ein menschliches Königreich, deshalb müssen wir besonders auf unser Tier achten. Mein Vater kannte ihren Anführer: König Aaron.«   Die Meute nickte und Valnar konnte erneute Hoffnung in ihren Augen sehen. Auch er atmete erleichtert auf.   »Wir haben keine Zeit mehr, nach weiteren Überlebenden zu suchen. Es ist ein weiter Weg und sollte Morlon mit seinen Kriegern noch in der Nähe sein ...«   Sie schüttelte nur den Kopf. Auch wenn Valnar am liebsten in den Trümmern weiter nach Vampiren gesucht hätte, sie hatte recht. Sie hatten nicht genug Zeit. Er schluckte seine Trauer hinunter, wenn er sich daran erinnerte, wie der Palast alles unter ihnen vergrub.   Niemand hätte das überleben können und falls doch ... dann hoffte er zumindest, dass sie sich auch in Sicherheit bringen konnten oder einen schnellen und friedvollen Tod fanden.   Alaine ging auf ihn zu, nahm seinen Arm. Es scherte sie wohl nicht mehr, ob sie jemand zusammen sah.   Noch ein letztes Mal blickten sie auf Asran und Alaines Gesicht verkrampfte sich schmerzvoll, dann gingen sie fort.   Richtung Norden nach Horan.   *   Sie marschierten durch den Wald zusammen, aber Alaine schwieg, während Valnar ihr den Rücken streichelte. Seine Beine hatten kaum noch Kraft, aber sie mussten weit genug weg, falls Morlon sie doch noch suchte.   »Wie fühlst du dich?«, fragte er sie sanft, auch wenn er es sich denken konnte.   »Schrecklich«, flüsterte sie. »Mein Reich ist zerstört ... Fast alle sind fort.« Sie senkte den Kopf, bevor sie erneut sprach. »Es tut mir unendlich leid, dass ich dir die Schwangerschaft verschwiegen hatte ... Ich wollte nicht, dass du unser Kind nur im Verborgenen ein Vater sein konntest. Das war auch der Grund, warum ich mit Morlon schlief ... Er musste denken, es war seins.«   Valnar nickte betrübt. Auch wenn es ihn verletzte, verstand er. Trotzdem knurrte das Tier, aber er lenkte diese gesamte Wut auf Morlon.   Falls er ihn jemals wiedersehen würde, würde er ihn töten; das schwor er sich.   »Was ist mit den Experimenten?« Vielleicht hätte er sie nicht mit Fragen löchern sollen, aber er musste es wissen.   Erst antwortete Alaine nicht, dann seufzte sie. »Im Krieg gegen Uruya hatte sich mein Vater verwandelt, um unser Reich zu retten. Das war sein Tod.« Sie hob den Kopf und schluckte. »Wir wollten an den Kriminellen experimentieren, um eine Möglichkeit zu finden, diese Verwandlung zu kontrollieren. Doch alles, was wir erreicht hatten, war, dass die Testpersonen ihre Tätowierung verloren und abgeschwächt wurden. Sie galten kaum noch als Vampire.«   Valnar erinnerte sich an den Morgen seiner Verwandlung. Nyria hatte ihr für irgendetwas zugestimmt, was Jayna betraf und allmählich ergab das alles Sinn. »Und Nyrias Schwester? Hatte sie dir erlaubt, an ihr zu experimentieren?« Er dachte immer, sie wäre gestorben, aber das schien nicht der Fall gewesen zu sein.   »Ja ...« Alaine blieb stehen. »Wir bekamen schließlich die Idee, an denen zu experimentieren, die das Tier nicht zähmen konnten. Sie war tot und es ist uns gelungen: Wir konnten sie zurückholen, aber sie war komplett vom Tier verschlungen; ihre Seele war längst fort. Aber ich habe sie gehen lassen, weil ich gehofft hatte, dass sie eines Tages wieder ihr Bewusstsein erlangt. Das war wohl ein weiterer Fehler und jetzt sind sie und ihre Schwester tot ...«   Sie stand kurz vor den Tränen und er wollte sie in die Arme nehmen.   »Am meisten bereue ich, dass ich sie alle verbannt hatte ... Sie waren keine wirklichen Vampire, aber sie waren meine Schöpfungen; ich hätte für sie da sein sollen, anstatt mir darüber Sorgen zu machen, Asrans Ruf zu beschmutzen ... aber das spielt jetzt sowieso keine Rolle mehr.«   »Ich liebe dich, Alaine«, flüsterte Valnar und nahm sie schließlich doch in den Arm. »Du wolltest Gutes tun, das weiß ich.« Sie hatte Fehler gemacht und auch wenn die gesamte Situation noch so furchtbar war, konnte er sie dafür niemals hassen.   »Danke, Valnar«, schluchzte sie. »Ich habe dich nicht verdient.« Darauf drückte er sie fester. »Sag so etwas nicht.«   Hätte sie auf diesem Weg eine Lösung gefunden, dann wären die Vampire heute noch machtvoller. Vielleicht gab es deshalb diese unaufhaltsame Grenze mit dem Tier. Es würde die Welt sonst aus dem Gleichgewicht werfen.   Kein Wesen durfte so mächtig sein wie ein Gott.   *   Drei Tage später.   Es war nachts und langsam trat der Blutdurst ein. Das Tier kratzte an Valnars Seele, verlangte nach Nahrung. Die Eckzähne ragten ihm aus dem Kiefer, als er Alaines Nacken beobachtete. Ihr süßes, wundervolles Blut würde seine Kehle hinunterfließen, ihn sättigen. Die innere Stimme schrie nach ihr, aber er schüttelte den Kopf.   »Alaine, wir brauchen Blut«, erklärte er ihr. Erst lief sie stur weiter, aber dann stoppte sie und drehte sich um. Auch ihre Zähne waren zu lang für ihren Mund geworden.   Den anderen erging es nicht anders und Alaine nickte, als sie ihre Gruppe betrachtete.   »Wir müssen jagen.«   Jagen ... Seine innere Stimme hüpfte vor Freude, sich seinem Urinstinkt hinzugeben. Nun waren sie tatsächlich so weit unten angekommen, dass sie sich wie primitive Tiere ihre Beute im Wald fangen mussten.   Aber sie hatten in ihrer Situation auch keine andere Wahl gehabt.   *   Vampire waren geborene Jäger, aber das war das erste Mal, dass Valnar seine Nahrung auf diese Weise erhalten musste. Er erkannte wieder, wie gut sie es in Asran gehabt hatten. Menschen, die freiwillig Blut spendeten. Das war für ihn immer selbstverständlich gewesen.   Tief im Wald stießen sie auf eine Siedlung voller Kobolde. Es waren kleine aggressive Mistviecher, die sofort auf sie zustürmten. Er wollte sich gerade schützend vor Alaine stellen, da sprang sie hervor und stoß ihre Fangzähne in den grünlichen Hals des Angreifers.   Fauchend machten es die anderen Vampire ihr gleich und die Monster erkannten direkt, was für einen Fehler sie begangen hatten.   Valnars Tier erwachte, als es die kommende Jagd spürte. Zwei Weitere wollten auf Alaine springen, aber er packte sie mit beiden Händen und rammte sie in den Boden, bevor auch er sich an ihnen bediente.   Gierig schmiegte das Tier sich an seinem Inneren, während er das Blut saugte. Der Geschmack war absolut scheußlich und auch die innere Stimme wand sich vor Ekel. Trotzdem trank er den Kobold komplett aus und bemerkte, wie sein Körper leicht vor Befriedigung zitterte.   Den anderen überließ er seiner Geliebten, die sich gierig an ihm labte. Sie hatte es nötiger gehabt als er. Außerdem machte es ihn stolz, für sie zu sorgen.   Am Ende waren nur noch leere Koboldleichen übrig. Die Jagd und das Blutsaugen befriedigte das Tier und den Durst, auch wenn der Geschmack mehr als widerwärtig gewesen war.   Mehr konnten sie in ihrer Lage aber nicht bekommen und so mussten sie das Beste daraus machen.   *   Der Morgen graute und die Gruppe rastete tief im Wald. Valnar kümmerte sich darum, dass es allen so weit gut ging, während Alaine sich im See säubern wollte.   Das hatte sie auch verdient, nachdem sie alle sicher durch die Wälder führte und ihnen ständig Hoffnungen gab, ihnen klarmachte, dass sie nicht verloren seien, obwohl sie selbst daran zweifelte und ihr zu Hause vermisste.   Sie war so eine starke Frau.   Eine Dame ihrer Gruppe wurde von den giftigen Klauen eines Kobolds verletzt und die Wunde heilte nur langsam. Valnar kniete sich vor ihr hin, riss ein Stück vom Hemd unter seiner Rüstung ab und wickelte es um ihr Bein.   »Die Hohepriesterin kann sich glücklich schätzen. Ihr steht Ihr so tatkräftig zur Seite«, flüsterte sie, während er es festmachte. »Ihr wärt ein guter Anführer gewesen.«   Er war überrascht über ihre Aussage, aber lächelte nur verlegen. Es war nicht länger ein Geheimnis, wie nahe Alaine und er sich standen, aber keiner verurteilte sie deswegen.   Doch er hielt sich nicht für einen Anführer. Seine Geliebte konnte das viel besser. Er war nur ihr Krieger und beschützte sie und ihre Leute so gut er konnte.   *   Als er fertig war, lief er zum See. Alaine war bis zum Hals im Wasser an einem Felsen gelehnt und ihre Augen waren geschlossen. Kurz zögerte er, aber dann zog er sich aus, stieg ins Nass und schwamm zu ihr herüber, woraufhin sie ihn bemerkte.   »Wenn ich kein Vampir wär, würde ich mich jetzt über die Kälte beschweren«, scherzte er, als er bei ihr ankam.   Er schaffte es zumindest, ein kleines Lächeln aus ihr herauszubekommen und sie lehnte sich schweigend an seine Brust.   »Entschuldige. Ich möchte nicht, dass du weinst und an dieser Last zerbrichst.« Vorsichtig legte er die Arme um sie und küsste ihren Kopf. »Es wird alles wieder gut. Das weiß ich.«   Alaine gab ihm schließlich ein aufrichtiges Lächeln, welches er sofort erwiderte. »Du denkst so positiv ... Ich danke dir.« »Natürlich. Ich bin immer für dich da.«   Selbstverständlich vermisste er ihr zu Hause auch ... seine Freunde ... sein Kind.   Aber er musste für sie stark sein.   Einige Minuten vergingen, während sie zusammen im Wasser verweilten, bis sie wieder das Wort ergriff.   »Ich kann nicht glauben, dass es fort ist«, flüsterte sie und Valnar wusste, dass sie ihr gemeinsames Kind meinte. »Es hatte so eine sanfte Präsenz. Wie du.«   Er umarmte sie und küsste ihre Stirn. »Und es hat dich gerettet«, fügte er hinzu.   Sie nickte unter Tränen und er lehnte seine Stirn an ihre, versuchte sie zu trösten.   »Ich fühle mich so grausam«, schluchzte sie. Er streichelte ihre Wangen mit seinen Daumen und verzog schmerzvoll das Gesicht. Es tat weh, sie so leiden zu sehen.   »... Ich hatte kaum Gelegenheit, darüber nachzudenken. Hätte ich es vorher gewusst ... ich hätte mich wirklich gefreut.«   Das war der Moment, wo Valnar diese Gedanken vollständig zuließ und er musste sich zusammenreißen. Sie hatten ihr Kind verloren, auch wenn es Alaine das Leben gerettet hatte. Dafür war er unendlich dankbar, aber er wünschte sich, es wäre alles anders gekommen. Hätte er sich nur nicht überwältigen lassen.   »Es tut mir so leid.«   Diesmal küsste sie ihn auf den Mund. »Dich trifft keine Schuld.«   Wie schlimm es auch war, Valnar versuchte positiv an die Zukunft zu denken, an all das, was noch kommen könnte. »Aber das heißt nicht, dass wir niemals Nachwuchs haben können.«   Alaine wurde still, bis sie sich abwandte, um in sein Gesicht sehen zu können.   »Mit niemand anderem würde ich mir eine Familie wünschen.« Kapitel 17: Hoffnung -------------------- Einige Tage später. Von Weitem konnten sie über die Wälder Horan sehen und atmeten erleichtert auf. Alaine drückte Valnars Hand feste und er erwiderte ihre Geste, während er auf das große Schloss starrte, geschützt von einer Mauer. Es grenzte am Meer, welches in der Morgensonne rot funkelte und den Ort noch schöner aussehen ließ.   Sie hatten es geschafft. Nun musste Alaine nur noch diesen König Aaron überreden, ihnen Unterschlupf zu gewähren. Aber das wohl größte Problem: Dieses Königreich war voller Menschen.   Seit er ein Vampir geworden war, hatte er keine Menschen mehr in seiner Nähe gehabt. Wie würden er und sein Tier auf sie reagieren? Würde er sofort die Kontrolle verlieren?   Alaine wandte sich an die Vampire. »Hört zu. Vielleicht können wir hier leben, aber ihr müsst Euch zusammenreißen. Das warme Blut der Menschen wird das Tier noch aggressiver machen, aber ich weiß, dass ihr widerstehen könnt. Ihr alle habt die Verwandlung mit eurer eigenen Stärke überlebt.«   Die Vampire nickten ihr entschlossen zu und auch Valnar glaubte daran, dass er nach allem, was er mit dem Tier durchgemacht hatte, auch dieses Hindernis meistern würde.   Ungefähr eine Stunde später erreichten sie die Tore von Horan.   Zwei Wachen auf Pferden kamen auf sie zugeritten und ihm schoss der Geruch von frischem Menschenblut in die Nase, erweckte das Tier.   Die beiden Reiter kamen immer näher, bis Alaine ihre Arme ausbreitete.   »Vorsicht! Wir sind Vampire«, ermahnte sie und die Wachen verstanden und bewegten sich einige Schritte zurück.   »Ich bin Hohepriesterin Alaine vom Asran Imperium und ich erbitte um Audienz. König Aaron kannte meinen Vater und erinnert sich sicherlich an mich.«   Die Wachen schauten sich verwundert an, bis sie sie mit großen Augen musterten. »Ah, Asran! Ja, wir bringen Euch sofort zu König Aaron, aber haltet Euch und Eure Vampire zurück.«   »Natürlich.« Alaine lächelte erleichtert und sie folgten ihnen durchs Tor, hinein in die große Stadt voller Menschen.   In Valnar kamen Zweifel auf und er wurde nervös. Er versuchte den Geruch so gut es ging zu ignorieren, aber es roch einfach so ungeheuerlich gut. Das Tier biss ihm in die Seele, wollte, dass er sich auf sie stürzte. Auch wenn er es schon hundertmal erlebt hatte, diesmal war die Stimme noch aggressiver und schmerzvoller.   Hört auf damit.   Valnar versuchte, sie angestrengt zurückzuhalten, aber sie wütete weiter.   *   Mitten in der Stadt wurde es ziemlich beschwerlich für ihn und er musste den Arm vor dem Mund halten, um sich vor dem Geruch irgendwie abzuschirmen. Die langen Eckzähne ragten aus dem Kiefer, als die innere Stimme in jede Ecke seiner Sinne abprallte und ihm Schmerzen zufügte. Sie wollte raus.   Deswegen waren die Vampire damals so kalt gewesen. Es war einfach extrem mühsam, sich bei so vielen Menschen zu beherrschen.   Die beiden Reiter versuchten den Leuten klarzumachen, dass sie Vampire unter sich hatten und sie sollten Platz machen. Die Menschen gehorchten, doch schauten sie immer noch neugierig und tuschelten. Es waren so unglaublich viele, dass Valnar schon vor Anstrengung schwitzte, um das Tier zurückzuhalten.   Die Augen der unschuldigen Leute, der Duft ihres süßen Blutes ... Valnars Jagdtrieb entfachte sich und er wollte ihnen hinterherhetzen, sich in sie alle festbeißen, während sie schrien und er sie komplett aussaugte. Das Tier kreischte im Einklang mit ihm, wollte es so dringend.   Das hier ist deine Bestimmung.   »Valnar, konzentriere dich auf mich«, flüsterte Alaine und streichelte seine Hand mit ihren Fingern. Sie trug eine Kapuze, damit sie niemand erkannte. Seine Nackenhaare stellten sich auf; ihre Berührung und ihre Stimme schlugen das Tier weiter weg und er konnte sich etwas beruhigen.   Die anderen Vampire hatten genauso zu kämpfen wie er, und wenn es Alaine auch so erginge, so ließ sie sich nichts anmerken.   Trotzdem hielt sich ihre Gruppe zurück. Das hier war alles, wofür sie trainiert hatten.   Während all dem musste Valnar doch schmunzeln. Einfache Menschen waren ihre größte Herausforderung. Völlig erschöpft kamen sie im Burghof an und mussten sich auf den Boden hinsetzen.   Erleichterung machte sich breit. Dort gab es nicht allzu viele Menschen. Auf jeden Fall weniger als in der Stadt. Einige Dienerinnen wurden weggescheucht, als diese aufgeregt den Vampiren zuschauten. Er fühlte sich fast wie ein eingesperrtes Zirkustier.   Der Geruch vom Blut wurde nicht schwächer, aber es war noch erträglich gewesen.   Alaine kniete sich vor ihm und umarmte seine Beine. »Geht es dir gut?«   Sie sah selbst verschwitzt aus und er nickte ihr zu.   »Wir schaffen das schon.«   Sie lächelte und stand auf, um sich um die anderen Vampire zu kümmern. Alle sahen angeschlagener aus als nach der großen Schlacht in Asran.   Schließlich kam jemand in einer roten Robe aus dem Schloss und winkte sie zu sich. »Willkommen ... Vampire. Ich bin Meister Ghadar, König Aarons treuer Berater. Ihr dürft eintreten.«   *   Alaine konzentrierte sich auf ihre Aufgabe und ignorierte jeden Duft, der in ihre Nase eindringen wollte. Ihr Tier sperrte sie so gut es ging weg, war entschlossen, ihre Gruppe zu retten.   Sie war stolz, dass sie sich alle zurückgehalten hatten. Fast hatte sie befürchtet, sie müsste jemanden aufhalten, aber sie wusste, dass die Vampire Asrans stark genug waren.   Die Halle durchs Schloss sah sehr edel und gigantisch aus. Sie folgten den geraden Weg entlang über den dunkelblauen Teppich. Es gab viele Goldstatuen und selbst die Tische glitzerten mit vielen kitschigen Accessoires. So etwas passte zu König Aaron.   Als sie im großen Thronsaal ankamen, grinste er sie schon an und erhob sich aus seinem goldenen Thron, bevor er auf sie zukam.   »Lady Alaine! Es ist so schön, Euch wiederzusehen.« Er war sehr alt geworden, was sie an den vielen Falten in seinem Gesicht bemerkte. Doch noch immer trug er seine goldbestickte Krone und dazu eine weiße Robe.   »Oder sollte ich Hohepriesterin sagen? Was für eine hübsche Dame Ihr geworden seid.« Er nahm ihre Hände und sie lächelte ihn an.   »Ich freue mich auch, König Aaron.«   »Was verschafft mir die Ehre für Euren Besuch? Ich sehe, Ihr seid nicht alleine. Und was soll all diese Geheimnistuerei um Euer Erscheinen hier?« Schließlich beäugte er die anderen und Alaines Lächeln verblasste.   »Ich bringe kein frohes Ereignis zu Euch. König Morlon aus Iranis hat mich verraten und ganz Asran ausgelöscht. Wir sind die letzten Überlebenden.« Sie musste schlucken, wollte nicht jedes kleine Detail erzählen.   König Aaron sah sie entsetzt an. »Asran? Zerstört? Dieser Morlon kam mir schon immer suspekt vor, aber nun wird mir Euer Versteckspiel klar.« Er ließ von ihr ab und seufzte.   »Ihr seid unsere letzte Hoffnung. Solltet Ihr uns abweisen, so wären wir verloren ...«, fügte Alaine verzweifelt hinzu.   »Aber Vampire in einem Menschenreich? In Asran wart ihr weit weg von den Menschen, doch hier wärt ihr quasi unter ihnen. Und sollte Morlon davon erfahren, dass ich Euch Schutz biete, könnte er mein Reich angreifen.«   Sie faltete die Hände zusammen. »Ich bitte Euch ... Morlon ist noch immer im Glauben, ich wäre bei dem Angriff ums Leben gekommen und meine Vampire sind starke Krieger mit eisernem Willen. Sie werden keinen Menschen hier ein Leid zufügen.«   »Hmm.« König Aaron legte seine Hand ans Kinn und überlegte. »Ich kannte Euren Vater gut, Alaine. Ich weiß, dass ich Euren Worten Glauben schenken kann. Doch sagt mir, was können wir gegen Morlon unternehmen, sollte er Wind von Eurem Überleben bekommen und sich gegen mein Reich wenden?«   Alaine wusste, dass sie diese Karte spielen musste, sonst würde er sie abweisen. »Asran wurde vernichtet. Ihr habt also einen Grund, eine mächtige Armee zum Schutz Eures Reiches zu erschaffen ...«   Überrascht starrte er ihr wieder in die Augen, hatte dieses Funkeln in seinem Blick. »Ihr meint also Vampire?«   Sie nickte. »Ich werde Euch eine Armee erschaffen, die uns vor Morlon schützt, falls es dazu kommen sollte. Doch solch eine Verwandlung benötigt geistliche Vorbereitungen und im Gegenzug brauchen wir Schutz und Blut.«   Plötzlich strahlte er. »Nun gut, mir gefällt die Idee und Platz für euch alle im Schloss zu finden ist kein Problem. Nur bedenkt zu unser beider Wohl, das es von Vorteil wäre, wenn Ihr Euch weiterhin verdeckt haltet.«   Meister Ghadar trat hervor und mischte sich ein. »Mein Fürst, ich glaube, das ist keine gute Idee ... Früher oder später wird Horan durch diesen Leichtsinn noch fallen.«   Der König drehte sich zu ihm um und lächelte. »Ach quatsch! Der Plan ist perfekt und ich vertraue Alaine.«   Alaine war so vor Erleichterung und Glück überwältigt, dass sie nicht aufhören konnte, zu grinsen. »Habt Dank! Ihr werdet es nicht bereuen!«   Sie lief zu Valnar und sprang ihm in die Arme; er hielt sie fest und schmiegte seinen Kopf an ihren.   Endlich waren sie wieder in Sicherheit. Asran war fort und der Schmerz zog noch immer an ihrer Seele, aber nun würde alles besser werden. Dessen war sie sich sicher.   *   Einige Stunden später erhielten sie die ersten Blutspenden und fühlten sich wieder wie neugeboren.   Die Vampire bekamen die rechte Seite des Schlosses für sich, während die Menschen die linke Seite bewohnten, aber es war dennoch sehr groß. So wie Alaine König Aaron kannte, wurde das Schloss sicherlich schon mehr als einmal erweitert.   Sie kniff die Augen zusammen, als sie die Stadt vom Balkon aus beobachtete. Endlich konnte sie durchatmen und sie war gerade dabei, sich für ihr Bad zu entkleiden, als drei Dienstmädchen in ihr Zimmer stürmten.   Sie sahen jung aus und verbeugten sich, dann schauten sie sie begeistert an. Alaine musste sich bei ihrem Geruch stark zurückhalten. Die innere Stimme wand sich lieblich in ihrer Brust, wollte das kostbare Blut für sich beanspruchen.   Die Flaschen mit kaltem Menschenblut waren nicht gleichzustellen mit dem warmen Blut, dass das Herz der Menschen durch ihre Adern pumpte. Selbst bei ihr kam der Gedanke ans Jagen in den Kopf, ohne dass das Tier sie dazu auffordern musste.   »Oh, Hohepriesterin, lasst mich Euch helfen.« Eine von ihnen rannte zu ihr herüber und nahm ihr die rote Robe vom Leib, als die anderen beiden ihr zur Hilfe kamen.   »Ich mach das!«, rief die Zweite und griff die andere Seite der Robe. Die Dritte flüsterte verärgert und sie fingen an sich zu streiten.   Alaine brachte keinen Ton heraus und überließ ihnen ihr Kleid. Sie hatte so etwas noch nie erlebt und wusste nicht, wie sie reagieren sollte. War so etwas normal in Horan? Sie waren wie neugierige Kinder und innerlich musste sie schmunzeln.   Als sie endlich das Wort ergriff, wurden die drei Mädchen still. »Bitte streitet Euch nicht. Ihr könnt Euch gerne zusammen um mich kümmern.«   Freudig eilten sie ihr zur Seite, während sie sich ins Bad setzte.   Mit Schwämmen und etlichen Pflegeprodukten knieten sie rechts, links und hinter ihr. Sie fuhren damit über ihre Haut und Alaine atmete zufrieden aus. In Horan war es wohl gang und gäbe, dass die Diener einen sogar wuschen! Daran könnte sie sich gewöhnen.   *   Später saß Alaine auf einer Bank auf dem Balkon und Valnar lag mit dem Kopf in ihrem Schoß. Grinsend schmückte sie seine langen Haare mit Blumen und er stöhnte mit gespielter Verärgerung, als sie kicherte.   Das Meer glitzerte in der Ferne und sie schwiegen eine Weile lang, hörten nur den Wellen zu. Es gab ihrem Tier eine ähnliche Beruhigung wie plätscherndes Wasser, wie sie feststellte. Doch leider nicht genug.   »Ich wünschte Garrin und Kizuna hätten es geschafft«, flüsterte Valnar schließlich betrübt und vergrub sein Gesicht. Alaine wusste direkt, über wen er sprach. »Sie waren meine einzigen Freunde gewesen ... Das hatten sie nicht verdient.«   Sie schluckte und dachte an ihren Onkel. Er hatte sie retten wollen und zum Dank bekam er den Tod. Genauso wie Abraxas und Nyria.   Wut überflutete sie wieder, angefeuert vom Tier. Sollten Morlon oder Molana ihr jemals wieder über den Weg laufen, so Gnade ihnen Gott.   Aber der Zorn verflog, als sie sich erneut klarmachte, dass sie eine große Mitschuld an diesem Unglück hatte.   »Es tut mir so leid ... W-wir müssen nach vorne schauen und sollten froh sein, einen neuen sicheren Ort gefunden zu haben«, antwortete sie sanft und entschlossen. Sie alle würden wollen, dass sie weiterlebten, auch wenn es noch so sehr schmerzte. Gedanken an Asran gingen ihr durch den Kopf, die gemeinsamen schönen Stunden, die sie dort mit Valnar verbracht hatte. All die Vampire und Menschen; die wundervollen Kleider und Bäder ... Die Erinnerungen an ihren Vater und ihre Kindheit. Es war so schwer, das alles hinter sich zu lassen, aber sie bekam eine Idee.   »Ich würde den Gefallenen gerne ein Denkmal setzen, auch für unser Kind ... Wenn du mir dabei helfen möchtest. König Aaron hätte sicher nichts dagegen.«   Valnar drehte seinen Kopf zu ihr hin und seine Mundwinkel gingen nach oben.   »Das ist eine wirklich schöne Idee, Alaine.« Er klang mehr als gerührt, aber bevor er noch weiter sprach, unterbrach sie ihn.   »Und ich möchte, dass wir unserem ungeborenen Kind einen Namen geben ...«   Überrascht starrte er sie an und für einen Moment schwiegen sie beide. Sie hatten Angst daran zu denken. Die Qual des Verlustes nagte an ihren Seelen und Alaine befürchtete schon, er würde verneinen.   »Welchen Namen?«, fragte er schließlich vorsichtig.   Sie nahm seine Hände. »Hoffnung«, flüsterte sie verlegen, aber direkt wurde ihr Blick wieder ernst. »Ich will unser Baby Hoffnung nennen.«   Valnar schloss die Augen und stieß einen Atem aus, bevor er sie wieder öffnete und wild nickte.   »Hoffnung ist ein wundervoller Name«, schluchzte er.   Seine Zustimmung ließ auch sie aufatmen und es fühlte sich an wie eine Erlösung. Sie fing an zu weinen, vor Trauer und vor Erleichterung, sodass er sich an sie schmiegte und ihr die Tränen wegküsste.   Nun konnten sie anfangen, ihren Schmerz zu heilen. Kapitel 18: Vereint ------------------- Monate vergingen. Alaine wurde wieder schwanger und sie war mehr als glücklich. Sanft streichelte sie über ihren Bauch, spürte, wie stark die Präsenz ihres Kindes mit jedem weiteren Tag wurde. Diesmal würde sie es beschützen, komme was wolle. Und diesmal musste sie es nicht verstecken. Das Tier ließ natürlich nicht ab, verweilte wieder beschützend bei ihrem Kind. Vielleicht mochte es die Wärme? Oder weil es ein neues Lebewesen war? »Bald können wir vielleicht das Geschlecht herausfinden.« Sie lag auf ihrem Bett, während Valnar seinen Kopf an ihrem Bauch lehnte, um zu horchen. »Das funktioniert?«, fragte er aufgeregt. Daraufhin grinste sie. »Ja, ich brauche nur etwas Feingefühl.« Wahrscheinlich dauerte es noch ein paar weitere Monate, bis sie es im Geist des Kindes ertasten konnte. Soweit sie wusste, war es bei jeder Schwangerschaft unterschiedlich. Auch könnte das Tier dieses Vorgehen verhindern und es ihr erschweren. Valnar ließ von ihr ab und legte sich neben sie. »Ich werde es sowieso lieben, egal was es wird.« Alaine dachte genauso. Ob Tochter oder Sohn, sie würde sich über beides freuen. Allein der Gedanke mit Valnar ein neues Leben erschaffen zu haben, machte ihre Existenz so vollkommen. Sie würden ihren Nachwuchs beide mit ihrer ganzen Liebe überschütten. Auch wenn sie bei diesen Gedanken nicht aufhören konnte zu lächeln, verflog es doch recht schnell, als ihr etwas anderes wieder in den Sinn kam. »Meinst du König Aaron wird es bald besser gehen? Er ist schon seit Wochen krank, aber dieser Meister Ghadar erzählt mir kaum etwas.« Sie dachte daran, wie unfreundlich er war. Sicherlich tat er seine Pflicht als Berater, trotzdem wünschte sie sich, er wäre ihr gegenüber nicht so abweisend. König Aaron wurde von Tag zu Tag schwächer und langsam machte sie sich große Sorgen. Nach einiger Zeit des Schweigens seufzte Valnar. »Ich hoffe es.« * Hand in Hand liefen sie durch die Hallen und wurden von den Wachen begrüßt. Sie hatten nun viele von ihnen im Schloss als Vampire. Alaine war froh zu sehen, wie sie sich entwickelten, doch wollte sie sie erst noch weiter beobachten, bevor sie mehrere erschuf. Da sie schwanger war, übernahm Valnar ihre Ausbildung und sie war wirklich stolz auf ihn. Er legte mehr Wert auf den Geist, so wie sie es ihm beigebracht hatte. Was ihnen noch fehlte, war ein Tempel zur Meditation. Meister Ghadar kam auf sie zu und gab ihnen einen prüfenden Blick. »Geht es König Aaron immer noch nicht besser?«, fragte Alaine besorgt, hoffte, er würde ihr diesmal eine bessere Antwort geben. »Nein, aber er verlangt nach Euch, meine Dame.« Sie senkte den Kopf und seufzte, dann ließ sie Valnars Hand los. »Warte im Speisesaal auf mich«, flüsterte sie ihm noch zu und er gab ihr einen Kuss auf die Wange und nickte. Und so folgte Alaine den Berater in König Aarons Gemächer. Die Diener und Wachen beobachteten sie aufmerksam. Natürlich wussten sie, was sie war, schließlich lebten sie zusammen. Zurzeit lief alles hervorragend, doch packte sie manchmal die Angst, dass sich Gerüchte über sie bis in die Stadt verbreiten könnten. Dann wäre es nur noch eine Frage der Zeit, bis Morlon davon erfuhr. Morlon ... Wenn sie an ihn dachte, kam ihr Tier wieder hervor, aber sie drängte es zurück. Dieser Dreckskerl wird ihr nicht noch einmal alles nehmen! Das Tor zum Gemach des Königs öffnete sich und Alaine trat hinein. Es war ein riesiger heller Raum mit einem gigantischen Doppelbett in der Mitte, in dem Aaron lag. »Ah, Alaine«, sprach er und hustete. Sein Anblick ließ sie erschaudern. Seine Augenringe waren noch größer als sonst und er sah wahrlich krank aus. »Mein König«, flüsterte sie leise, als sie zu seiner Seite eilte und seine Hand nahm. Sie sparte es sich zu fragen, wie es ihm ginge. »Hört zu. Ich spüre, dass meine Zeit gekommen ist und Horan braucht einen neuen Herrscher. Einen mächtigen.« Wieder hustete er kümmerlich. »Sicherlich wird Meister Ghadar ein guter König«, war ihre sofortige Antwort. Aber der König lachte. »Meister Ghadar? Nein. Er sollte erst König werden, ja, aber nun habe ich jemand anderen als Anführer im Sinn, dem er mit seinem unverzichtbaren Wissen zur Seite stehen wird.« Alaines Augen weiteten sich und sie ahnte, was er sagen würde. »Ich kenne niemanden, der dafür besser geeignet wäre als Ihr, Alaine. Ich will, dass Ihr mein Reich regiert.« »König Aaron«, stieß sie überrascht aus. »Ich- Soll ich Euch nicht beißen? Ich könnte Euch die Chance geben.« Das Tier pochte bei dem Satz kurz auf und drohte zu erwachen. Er schüttelte den Kopf. »Nein, das würde ich nicht überleben«, lachte er kurz auf, trotz seiner Situation. »Ihr werdet Horan so mächtig machen wie Asran einst war, das weiß ich.« War sie wirklich bereit dafür? Sie hätte nicht gedacht, dass sie noch einmal ein ganzes Reich regieren würde, doch durfte sie niemals den Menschen ihre Identität preisgeben. Sie wäre wieder eine Anführerin wie in Asran: geheimnisvoll und unbekannt. Doch diesmal war sie nicht alleine. Sie hatte Valnar bei sich, der ihr stetig Kraft gab. Mit ihm an seiner Seite konnte sie alles erreichen, mit ihm war sie selbstsicher und stark. Ja, sie war bereit, erneut zu führen. Alaine kniete sich vor seinem Bett und lächelte traurig. »Wenn Ihr es wünscht, dann soll es so sein.« König Aaron nickte zufrieden und tätschelte ihren Kopf. »Ich danke Euch, Alaine. Für alles.« * Um die weitere Ausbildung der Vampire zu erleichtern, wollte Alaine mit dem Bau des neuen Tempels beginnen. Die Meditation war der allerwichtigste Teil ihres Daseins und auch sie sehnte sich wieder nach geistlicher Erlösung. Leider war ihr Meister Ghadar da keine große Hilfe. »Tut mir leid, aber in der Stadt ist durch das Gewitter vor Kurzem die Kirche abgebrannt und ohne diese können die Menschen nicht leben. Wir brauchen alle Materialien dafür.« »Aber unser Tempel ist wichtig! Er ist Tradition und wird das Vampirdasein erleichtern«, flehte sie ihn an, aber er schnaubte. »Das ist ja wohl nicht so wichtig wie unsere Menschentradition«, erwiderte er abfällig und ging an ihr vorbei. Alaine knurrte wütend über seine Unvernunft. Zwar würde sie bald Königin von Horan werden und ihren Willen bekommen, aber noch konnte sie nichts gegen ihn tun. Hoffentlich würden ihre neuen Vampire noch länger aushalten oder das könnte alles übel enden ... Einige Tage später verstarb König Aaron und wurde in den Katakomben begraben. Alaine und ihre Vampire durften nicht dabei sein, aber sie hatte ihn danach mit Valnar besucht und sich verabschiedet. Zumindest das waren sie ihm schuldig für alles, was er ihnen gegeben hatte. Nun stand ihre Krönung zur Nachfolgerin bevor, aber der Gedanke machte sie nervös. Sie wollte nicht, dass Horan dasselbe Schicksal wie Asran erleiden musste. Vielleicht war sie doch noch nicht bereit, erneut so viel Verantwortung zu übernehmen. Aber sie hatte es König Aaron versprochen und er hielt so viel von ihr. Wenn sie daran dachte, war sie wieder entschlossen, fühlte sich wie eine Anführerin. Auch war sie nicht alleine. »Ich kann diesen Typen einfach nicht leiden«, knurrte Valnar, als er mit Alaine zusammen in ihrem Zimmer saß. Bald kamen die Dienerinnen und würden sie für ihre Krönung kleiden. Alaine wusste, dass er Ghadar meinte. Immer noch sträubte er sich gegen ihre Traditionen und zeigte ihnen, wie wenig er sie hier haben wollte. Doch ihn zu beseitigen kam nicht infrage. Für sie war es wichtig, die Meinung der Menschen zu hören und sie brauchten jemanden ihresgleichen. Sie hoffte, dass, sobald sie Königin wurde, sie ihm zeigen konnte, dass sie eine gütige Herrscherin war. Vielleicht würde er sich dann zum positiven wenden. »Eventuell ändert er sich noch.« Sie seufzte. »Ich möchte einfach, dass das mit uns funktioniert.« Valnar nickte ihr zu. »Das will ich ja auch, aber ...« Er stieß einen genervten Atem aus. »Du hast ja recht. Hoffen wir, dass er sich zum Guten wendet, wenn du erst einmal Königin bist.« Das Tier nagte an ihr, dass es nicht so sein würde und sie ihn zerfetzen sollte, aber sie blendete es aus. * In einem weißen, schulterlosen Kleid, das ihr hinterher schliff, lief Alaine auf den Thron zu. Von dem ganzen Goldschmuck an ihrem Körper funkelte sie schon fast. Der Thronsaal war gefüllt von allen Bewohnern des Schlosses und Valnar hatte es etwas schwer, den Duft der Menschen zu widerstehen. Das Tier kratzte leicht an ihm, doch zwang er sich, sich auf seine Liebste zu konzentrieren. Er schaute gebannt zu, wie elegant sie sich präsentierte. Für Horan gäbe es keine bessere Königin als sie und es überraschte ihn auch kaum, dass König Aaron sie als Nachfolgerin auserwählt hatte. Nicht nur, weil er keine Nachkommen hatte. Die Zeremonie ging eine Weile, während Alaine einige Worte sprach, aber Valnar war mehr damit beschäftigt, die Umgebung zu beobachten. Noch immer hatten sie Sorge wegen Morlon oder dass jemand aus dem Schloss in die Stadt rannte und Gerüchte verbreitete. Sein Tier nährte sich von seinen Sorgen. Vor allem da Alaine schwanger war, wurde sein Beschützerinstinkt stärker und es entfaltete sich auf seine Sinne aus. Er garantierte für nichts, falls ihr jemand ein Haar krümmen wollte. Schließlich platzierte ein Priester König Aarons goldbestickte Krone auf Alaines Kopf und die Meute jubelte ihr zu. »Es gibt da noch etwas, dass ich verkünden möchte«, rief Alaine und alle wurden ruhig. Sie lächelte Valnar an und streckte ihren Arm aus, woraufhin er sich überrascht umschaute, aber dann auf sie zuging. Fest umgriff sie seine Hände und lächelte. »Valnar, mein Geliebter und Vater meines Kindes, wird euer König sein. Wir werden zusammen als Ehepaar regieren.« Valnar wusste gar nicht, was er sagen sollte und selbst der Saal schien den Atem anzuhalten. Er? König? Ehepaar? »Alaine, ich-« »Psst«, flüsterte sie ihm zu. »Ich liebe dich und es würde keinen geeigneteren König geben. Ohne dich wäre ich niemals so weit gekommen. Ich wäre immer noch die eingesperrte Frau, die ein Reich regiert. Wahrscheinlich an der Seite eines Scheusals.« Sie schüttelte den Kopf, bevor ihre Mundwinkel wieder nach oben gingen und sie ihre Stimme für den Saal wieder anhob. »Also, Valnar. Willst du mich heiraten?« Er lächelte sie breit an und bekam fast Tränen in den Augen. »Ja, Alaine, ich will«, rief er in derselben Lautstärke und sie fiel ihm um die Arme, bevor die Masse wieder laut anfing zu jubeln. Später standen sie alleine im Thronsaal und Alaine zog Valnar zu sich. »Eine Vampirhochzeit ist sehr intim«, erklärte sie leise. »Wir haben so etwas schon einmal getan, aber diesmal ist es offiziell.« Valnars Tier regte sich schon, lechzte nach Alaines kostbaren Blut. Auch er sehnte sich danach, wollte sie wieder in seinem Geist spüren und sich verlieren. Ihre Lippen glitten an seinem Hals, ließ ihre Zunge über die Haut fahren. Gierig tat er es ihr gleich, bevor er sich wieder fing. Das hier war eines der bedeutsamsten Rituale der Vampire; er musste sich beherrschen und sich von seiner Gefährtin leiten lassen. Valnars innere Stimme kreischte, als Alaines Fangzähne in seinen Hals glitten. Auch er verbiss sich in sie und sie tranken gegenseitig von sich, ließen wieder ihre Tiere aufeinander los, welche sich sofort ineinander verfingen. Angestrengt bändigten sie die beiden, bevor sie vom Schmerz überwältigt wurden. Sie ließ ein Stöhnen hören, als sie seinen Geist umwickelte. Diesmal konnte er ihr besser standhalten, fühlte ihre leuchtende Aura, welche ihn mit etliche Wärme füllte. Sie liebkosten sich gegenseitig und erneut war das Gefühl außergewöhnlich. Schöner als alles, was er kannte. Es war unbeschreiblich; er konnte sie sehen, fühlen, schmecken. Alle seine Sinne konzentrierten sich auf sie. Plötzlich ertastete er eine weitere Präsenz und erkannte sofort, dass es die seines Kindes war. So stark und wunderschön wand sie sich, pochte voller Leben und versuchte ihn interessiert zu erfassen. Sie war so hell und es trieb ihm vor Empfindlichkeit die Tränen in den Augen, aber er wollte ihre Anwesenheit nicht zurückdrängen. Neugierig glitt ihr Baby an seinen Geist heran, bis Alaine aufkeuchte. Valnar wusste, warum; er fühlte es auch. Es war ein Mädchen; sie würden eine Tochter bekommen. Sie war so rein und klar, wollte ihnen alles erzählen, doch hatte sie keine Worte. Valnar fing an zu weinen, vor Freude und weil sie seine Seele schmerzlich erkundete. Trotzdem streichelte er sie vorsichtig, als Alaine es ihm gleichtat. Langsam wurde ihm schwindelig, aber er wollte nicht loslassen, wollte sie weiter kennenlernen. Aber dann stöhnte Alaine schon angestrengt auf und ihre Bindung löste sich. Seine Liebste rang nach Luft, ihr Mund blutverschmiert, aber das war bei ihm nicht besser. Auch sie weinte blutige Tränen, aber lachte vor Freude. »Wir bekommen eine Tochter«, sprach sie es aus, obwohl sie es beide so deutlich wahrgenommen hatten. Valnar umarmte sie wieder und sein Leib bebte vor Glücksgefühlen. Ihre Kleine war dermaßen wundervoll und wissbegierig gewesen. Ein bemerkenswertes Geschöpf. »Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.« Kapitel 19: Leben ----------------- Weitere Monate vergingen. Alaine regierte verborgen über Horan und bewahrte den Frieden. Den hatte sie auch bitter nötig, denn ihre Schwangerschaft machte sie fast wahnsinnig. Ihre Tochter verlangte reichlich Menschenblut, was das Tier noch mehr antrieb. Außer den Schlossbewohnern wusste immerhin niemand, wer sie war. Meister Ghadar ärgerte sie immer noch und ging ständig gegen Valnars und ihren Wünschen. Vor allem wenn es um den Tempel ging. Es war offensichtlich, dass der Berater sie beide nicht ausstehen konnte, auch wenn er es nicht erwähnte. Das Einzige, was sie von ihrem Tempel hatten, war das Fundament. Sie hätten längst mit dem Bau beginnen sollen! Sie lag im großen Ehebett und knurrte, als das Tier gegen ihre Seele drückte. In letzter Zeit passierte das ziemlich oft. Es schien sich dagegen wehren zu wollen, dass es mit ihrer Tochter den Platz teilen musste. Verärgert stöhnte sie, als die Schmerzen schlimmer wurden, und sie stand auf. Die innere Stimme verbiss sich in ihrer Magengegend und verlangte Blut. »Fühlt sich an, als hätte ich Zwillinge!«, fauchte Alaine ihr Tier an. Es benahm sich wie ein kleines Kind! Warum konnte es nicht einmal in den Tiefen ihres Innerem schlummern und sie in Ruhe lassen? Das Brennen wurde immer stärker, bis Alaine genug davon hatte und aus dem Raum stürmte. »Meine Königin, solltet Ihr nicht im Bett bleiben?«, fragte sie eine Dienerin und Alaine tat ihr Bestes, sie nicht anzugreifen. Ihr Herzschlag pochte in ihren Ohren und sie konnte das Blut riechen, aber sie schüttelte den Kopf. »Ist mir egal! Ich brauche Blut!«, keifte sie und lief die Treppe hinunter. Die Dienerin folgte ihr eilig. Meister Ghadar stand vor dem Speisesaal und hob eine Augenbraue, aber Alaine ging direkt an ihm vorbei, wollte nur zu den Flaschen. Fast wäre auch der Geruch vom Blut des Beraters verlockend gewesen, aber sie rannte stur weiter. Deine Beute steht überall um dir herum! Aber Alaine ignorierte die Stimme, riss den Vorratsschrank auf und entnahm eine Flasche. Die Dienerin stellte ihr schon ein Glas bereit und Alaine goss die rote Flüssigkeit hinein und trank alles auf einmal aus. Das Tier schlängelte sich durch ihre Kehle, schmiegte sich an sie und explodierte in alle Ecken ihres Leibes. Sie zitterte vor Erregung und stellte das Glas ab, dann atmete sie tief aus. Die Qual war vorerst wie weggeblasen und am liebsten hätte sie freudige Tränen vergossen. Als sie den Speisesaal verließ, stand Valnar schon vor ihr. Das Dienstmädchen verbeugte sich wortlos und huschte davon. »Gehts dir gut?«, fragte er besorgt. Sie betrachtete ihn in seiner schwarzen Rüstung, die mit Silber verziert war. Der schwarze Umhang schliff ihm hinterher und seine Schulterplatten waren vom selben Material wie seine Verzierungen. Valnar bemerkte Alaines Blick und seine Mundwinkel gingen nach oben. »Ähm, die Dienerinnen wollten mich unbedingt kleiden, damit ich wie ein König aussehe.« Er schaute verlegen. »Sie streiten sich schon fast darum.« Alaine lachte auf. »Na, du bist ja auch ihr König.« Sie ging näher heran und küsste ihn auf die Lippen. »Und mir gefällt auch, wie du ausschaust.« Er grinste und umarmte sie und Alaine konnte Meister Ghadar über Valnars Schulter an der Treppe stehen sehen, aber er schüttelte den Kopf und ging hinfort. Sie schaute verärgert drein. Dieser Kerl war mit allem unzufrieden, was sie tat. * Valnar und Alaine standen im Garten und legten neue Blumen an das Denkmal vom Asran Imperium und seinen Gefallenen. Das taten sie nun wieder jede Woche; zumindest das waren sie ihnen schuldig. Valnar griff nach ihrer Hand und sie schwiegen. Sie dachte an fröhliche Zeiten, die sie dort verbracht hatte, aber verdrängte diese Gedanken wieder, bevor sie erneut die Trauer packte. In den letzten Monaten war so viel geschehen: Die Krönung, ihre Schwangerschaft ... Sie fühlte sich schuldig währenddessen nicht an das alte Leben gedacht zu haben. Auch Valnar litt unter dem Verlust, aber er wollte es sich nicht anmerken lassen. Ganz besonders nicht, weil sie schwanger war. Sie wollte ihn trösten, doch legte er bereits den Arm um ihre Hüfte und lehnte seinen Kopf an ihren. Plötzlich hörten sie aufgebrachte Stimmen in der Ferne. »Was ist denn da los?«, fragte Alaine und Valnar nahm ihre Hand. »Lass uns nachschauen.« Im Burghof hielten zwei Vampirkrieger einen anderen fest, aber dieser riss sich los und wollte auf einen der menschlichen Soldaten stürmen. Valnar sprang dazwischen, packte ihn an den Schultern und versuchte ihn zurückzudrängen. »Beruhige dich«, sprach er sanft. Alaine eilte zu ihnen und verscheuchte die Menschen ins Schloss. Meister Ghadar kam aus dem Eingang und beobachtete das Geschehen mit schockiertem Blick. Vielleicht würde er mal merken, wie dringend sie diesen Tempel brauchten! »Ich schaff das nicht!«, brüllte der Vampir. »Dieser Geruch! Das Blut!« Er wollte sich wieder losreißen, aber Valnar legte die Arme um ihn. »Du hast das Tier schon einmal gezähmt. Das Schlimmste ist vorbei. Du schaffst das.« Der Rekrut schüttelte den Kopf, versuchte ruhig zu atmen. »Es kann dir nichts anhaben.« Allmählich beruhigte er sich und Valnar ließ ihn wieder los. Der Vampir sackte erschöpft zusammen und hielt sich das Gesicht. Der ganze Hof starrte ihn gebannt an, bis Valnar ihm die Hand ausstreckte. »Komm, wir bringen dich erst einmal weg von hier.« Daraufhin nickte er und zog sich an Valnars Hand hoch. Valnar gab Alaine einen ernsten Blick und sie verstand, dann ging er mit dem Rekrut und den anderen beiden Kriegern zurück zum Vampirabteil des Schlosses. Verärgert drehte sich Alaine zu Ghadar um und verschränkte die Arme. »Seht Ihr? Das passiert, wenn wir keinen Tempel zum Meditieren haben! Wir brauchen ihn, wenn Vampire und Menschen in Frieden miteinander leben wollen.« Der Berater rieb sich am Kinn, bevor er sprach. »Nun gut, ihr seid wohl doch eine größere Gefahr als ich dachte. Ihr bekommt das Material für den Tempel.« Überrascht starrte sie ihn an, aber dann erschien ein Lächeln auf ihren Lippen und sie faltete die Hände zusammen. »Vielen Dank.« Endlich! Darauf hatten sie eine Ewigkeit gewartet. Dass es überhaupt erst so weit kommen musste ... Doch Ghadar war wohl doch nicht so uneinsichtig, wie Valnar und sie immer dachten, und nun konnte der Bau beginnen. * Tage später war es so weit und Alaine war dabei, ihre Tochter zu gebären. Valnar lief seit Stunden auf und ab vor dem Schlafgemach, konnte die Schmerzensschreie seiner Ehefrau hören, während der Regen an die Fensterscheiben prasselte. Am liebsten wäre er hineingestürmt und hätte ihr zur Seite gestanden, aber die Vampirdienerinnen würden ihn nur wieder rausschmeißen. »Ihr solltet Euch setzen. Es wird schon alles gut gehen«, kommentierte Meister Ghadar, aber Valnar schnaubte nur. Natürlich war dieser Kerl hier ... Valnar wollte ihn gar nicht hier haben, aber er war nun mal so etwas wie eine Art Anführer der Menschen und so hatte er ein Recht darauf. »Ihr habt ja recht«, seufzte er schließlich. »Nun trinkt doch erst einmal eine Tasse Tee, mein Fürst«, sprach ein Diener, der auf ihn zukam, aber Valnar lehnte ab. Wäre es Blutrosentee gewesen, hätte er vielleicht akzeptiert, aber all das andere Zeug hier ließ ihn übel werden. »Nein, danke, und Ihr solltet gehen. Ich bin mir nicht sicher, wie Alaine auf den Geruch von Menschen reagiert, nachdem was sie gerade durchstehen muss.« Schockiert machte sich der Diener wieder auf den Weg nach draußen, nur der Berater blieb zurück. Valnar beäugte ihn nur kurz, aber er hätte auch nicht gedacht, dass er auf seine Warnung hören würde. Plötzlich hörte er ein kleines Weinen und das Tier entfachte sofort den Beschützerinstinkt in ihm. Ohne groß nachzudenken, riss er die Tür auf und der Blutgeruch klatschte ihm ins Gesicht. Aber das hielt ihn nicht auf und er rannte auf Alaine zu, ignorierte das Gemecker der Dienerinnen. »Val«, keuchte sie erschöpft. »Schau nur.« Dort lag sie in Alaines Armen, blutüberströmt, doch konnte er ihre langen weißen Haare sehen und dieselbe Tätowierung wie er auf ihren Arm. Sie schrie so laut, dass man die kleinen Eckzähne erkennen konnte und Valnars erster Instinkt war es, sie beschützen zu wollen. Die innere Stimme nährte sich an seinen Gefühlen, wollte ihn dazu verleiten, die anderen Vampire fortzujagen. Doch er tat nichts dergleichen, ging auf die Knie neben seiner Liebsten, die ihre gemeinsame Tochter in den Armen wog, um sie zu beruhigen. »Sie ist so perfekt«, flüsterte Alaine unter Tränen und ihr wurde ein volles Glas Blut gebracht. »Das ist sie.« Valnar wollte fast mitweinen und konnte den Blick von seiner Tochter nicht abwenden, aber er zwang sich das Glas entgegenzunehmen und Alaine zu füttern. Sie trank gierig und ihre Augen fingen an zu leuchten, während die Kleine weiter schrie. »Ssh, keine Angst«, flüsterte er und streckte vorsichtig seine Hand aus. Sie öffnete ihre hellroten Augen und er musste schluchzen. Er wusste nicht, ob sie Angst hatte oder noch vom Trauma der Geburt aufgebracht war. Trotzdem war Valnar so glücklich, sie zu sehen und selbst sein Tier umwickelte sein Herz sanft. Nachdem die Dienstmädchen sie endlich dazu gebracht hatten, ihre Tochter zu übergeben und zu waschen, lagen sie gemeinsam im Bett. Auch das ganze Blut an Alaine wurde entfernt und man hatte sie in ein einfaches Nachthemd gesteckt. Sie waren endlich allein. Die Kleine hing an Alaines Hals und trank ihr Blut, wobei Alaine schmunzeln musste. »Wie fühlt sich das an?«, fragte Valnar neugierig. »Ich weiß nicht. Irgendwie ... wie ein leichtes Piksen am Hals. Oh, sie hat so kleine Fangzähne.« Sie klang als bekäme sie einen Kloß im Hals, aber grinste noch. Schon allein der Gedanke machte ihn aufgeregt. »Darf ich sie nachher füttern?« »Natürlich«, erwiderte sie freudig. Sie beobachteten ihre Tochter noch eine Weile, bis sie von ihrer Mutter abließ und erschöpft ausatmete. Valnar war gebannt auf jede ihrer Bewegungen. Schließlich gähnte sie und schlief direkt ein. »Valnar, sie brauch noch einen Namen«, fing Alaine an. »Ich würde sie gerne nach deiner Mutter benennen. Wie fändest du die Idee?« Er lachte kurz auf, aber war zu Tränen gerührt. »Meira«, flüsterte er, ließ den Namen auf sich wirken, als er die Kleine betrachtete. »Ja, er ist perfekt. Ich ... ich würde mich sehr darüber freuen.« Alaine lehnte den Kopf an seinen. »Meira«, wiederholte sie. »Ja, er ist wundervoll.« Kaum ausgesprochen öffnete sich die Tür und Meister Ghadar trat hinein. »Glückwunsch zum Nachwuchs, meine Königin, mein König«, sprach er und gab Meira einen kurzen Blick, bevor er sich wieder an sie beide wandte. Valnar wollte ihn schon hinausjagen, aber er kam näher. »Es tut mir leid für die Störung, aber die Bürger von Horan sind sehr unzufrieden mich Euch, nachdem Ihr ihnen die Materialien für die Kirche genommen habt, um Euren Tempel zu bauen.« »Ah, ich-« Alaine sah betrübt aus, aber dann weiteten sich ihre Augen. »Dann befehle ich, dass unsere menschlichen Truppen zur Kirche gehen und beim Aufbau helfen. Einige Materialien können wir sicherlich auch entbehren.« Für einen Moment schaute Meister Ghadar finster drein, bis er wieder anfing zu lächeln. »... Natürlich, meine Königin. Eine sehr ... weise Entscheidung.« Er räusperte sich und verbeugte sich sogar vor ihnen. »Das war dann alles.« Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er um und verließ das Zimmer. »So ein seltsamer Kerl«, kommentierte Alaine und Valnar musste grinsen. Kapitel 20: Rache ----------------- 1 Jahr später. Stolz lief Valnar mit Meira im Arm durchs Schloss und zeigte sie überall herum. Vor allem an diesen Tag, wo Alaine ihr ein großes weißes Kleid anzog, welches zu ihren Haaren passte. Für ihn war sie sowieso die reinste Unschuld, auch wenn sie den Menschen oft die Zähne bleckte, da sie wohl ihr Blut roch. Aber sonst tat sie nichts, was ihnen Sorgen bereitete. Alaine erzählte ihm immer, dass das Tier in einem jungen Vampir noch nicht stark genug war, um wirklich hervorzutreten. Es war eher eine kleine Stimme, die nur ein wenig auf Menschenblut reagierte. Anders als seine, die sich ständig aufbauen wollte, falls jemand seinem Kind zu nahe kam. Wie immer stieß er sie geistlich hinfort in die Tiefen seines Inneren. »Wenn du alt genug bist, bekommst du auch Menschenblut. Und wer weiß? Vielleicht darfst du auch Krieger erschaffen.« Sie schaute ihn mit großen Augen an und er konnte nicht anders, als sein Gesicht an ihrem zu kuscheln, woraufhin sie lachte. »Du bist so intelligent. Das hast du von deiner Mutter.« Außer Mama, Papa und einigen anderen Wörtern sprach sie noch nicht sehr viel, aber manchmal hatte er das Gefühl, dass sie mehr konnte, als sie preisgab. Meister Ghadar kam auf ihn zu und Valnar zwang sich zu einem neutralen Gesichtsausdruck. »Müsst Ihr nicht die Krieger trainieren, mein König?«, fragte er herablassend wie immer, als wäre Valnar dumm, und gab seiner Tochter einen genervten Blick. Er knurrte innerlich, aber er hatte Alaine versprochen, sich zu benehmen. So war Meister Ghadar einfach: arrogant, auch wenn er es nicht böse meinte. »Gleich. Sie meditieren gerade.« Seit der Tempel fertiggestellt wurde, hatte Alaine viele neue Vampirkrieger erschaffen. Dieser Tempel war zwar kleiner als der alte, aber das machte nicht viel Unterschied. »Gut, wir wollen ja nicht, dass sie hier wieder Amok laufen.« Mit den Worten ging er und ließ Valnar verärgert zurück. Keiner der Vampire lief hier jemals Amok! Ein paar hatten nur kurz die Kontrolle verloren! Aber das war völlig normal; das Tier war ein mächtiges Wesen. Sein Eigenes wollte ihn drängen, dem Berater hinterherzuhetzen, aber als Meira ihn auf sich aufmerksam machen wollte, verpuffte der gesamte Zorn. »Papa«, flüsterte sie sanft und er musste sich zusammenreißen. Immer, wenn sie ihn so nannte, konnte er vor Freude wieder in Tränen ausbrechen. Niemals hätte er gedacht, wie sehr sie sein Leben beeinflussen würde. Sein Leben war immer nur das Schwert gewesen, aber dann kam Alaine und nun Meira. Sie waren das Bedeutendste, was er besaß. »Ich hab dich wirklich lieb, mein Schatz«, flüsterte er und küsste ihren Kopf, und sie fing an zu grinsen. »Ich kann es kaum erwarten, wenn wir uns unterhalten können, und so viel mehr, wenn du erst einmal älter bist.« Meira fasste ihm an die Wange, als würde sie bemerken, dass er gleich blutige Tränen vergießen würde und das tat er dann auch. Er war so glücklich. * Alaine lief in ihrem neuen schwarzen Kleid aus dem Schloss und begrüßte einige Vampire, die sich vor ihr verbeugten. Es hatte weite Ärmel, war schulterlos und ging ihr bis zu den Fußknöcheln. Von Weitem beobachtete sie Valnar und Meira. Er zeigte sie gerade aufgeregt ein paar Vampiren und küsste sie auf die Wange. Alaine lächelte; er kümmerte sich immer rührend um sie und gab sie fast nie aus den Händen. Schließlich bemerkte Valnar sie und kam breit grinsend auf sie zu. »Zeigst du wieder unsere Tochter herum?«, lachte Alaine und öffnete ihre Arme. »Mama!«, rief Meira ihr zu, als er sie an Alaine übergab und sie kuschelte ihr Gesicht in ihren Hals. »Am liebsten würde ich sie jedem präsentieren«, sagte er stolz und küsste Alaine auf die Lippen. Leider war das zu gefährlich, aber das wussten sie beide. Wenn sie wenigstens etwas mehr Gebäude wie in Asran hätten, würden sie sich weniger eingesperrt fühlen. Aber so war es nun mal am sichersten. Trotzdem wollte Alaine die Hoffnung nicht aufgeben. »Vielleicht werden wir das irgendwann tun können.« Valnar nickte ihr zu, während er Meira die Haare streichelte. Sie drehte sich zu ihm hin und hielt ihm am Finger fest. Kurz lachte er auf und küsste ihre Hand. »Ich muss dann mal die Krieger trainieren. Pass auf unsere Kleine auf.« Er wollte gerade aufbrechen, als Alaine ihn am Arm festhielt. »Warte! Weißt du, wo Meister Ghadar ist?« Der Berater war in letzter Zeit verdächtig ruhig. Vielleicht hatte er auch endlich akzeptiert, dass Valnar und Alaine in Horan herrschten. »Er ist vor einigen Stunden zur Stadt aufgebrochen. Warum?« Sie wollte gerade ihre Gedanken aussprechen, da stürmte schon ein menschlicher Krieger auf sie zu. »Hoheit!! Einige Schiffe Iranis wurden gesichtet!« »Was?!«, brüllten Valnar und Alaine fast gleichzeitig. Sie hatten sofort denselben Gedanken: Er hatte sie gefunden! Wie konnte das sein? Sie waren doch immer versteckt gewesen! »Du!«, rief sie panisch einem Dienstmädchen hinzu, die zu ihr kam. »Nimm unsere Tochter und versteckt euch in den Katakomben!« »Natürlich, meine Königin!« Meira fing an zu weinen und Alaine gab ihr einen Kuss. »Nicht weinen, mein Schatz. Wir kommen gleich wieder.« »Meira.« Valnar streichelte ihren Kopf und sie fing langsam an, sich wieder zu beruhigen. »Hab keine Angst. Deine Eltern müssen nur etwas erledigen, dann sind wir sofort wieder bei dir.« Sie schaute ihn an, als würde sie verstehen und als die Dienerin sie davon brachte, schaute sie ihnen noch lange nach, bevor sie wieder anfing zu weinen. Es zerriss ihnen das Herz, aber nun galt es, Horan vor einer Invasion zu retten. »Dieser Bastard! Diesmal werde ich ihn töten!«, knurrte Valnar, aber Alaine hielt ihn fest. »Nein! Du und unsere Krieger müssen die Menschen evakuieren!« Sie nahm tief Luft, schauderte, wenn sie sich an Morlons irres Gesicht erinnerte, nachdem er ihren Onkel getötet hatte. Dass sie ihn so früh wiedersehen würde, hätte sie nicht gedacht. Aber sie durfte keine Angst haben. »Er will mich. Ich werde zu ihm gehen und sicherlich wird er mich an sich heranlassen. Und dann werde ich ihn köpfen.« Valnars Augen weiteten sich. »Alaine! Das ist verrückt! Er wird dich umbringen!« »Damals hatte ich keine Waffe«, knurrte Alaine und umarmte ihn. »Ich schaffe das; du warst immer der, der an mich geglaubt hat. Das denkst du doch noch immer, oder?« Sie ließ ihn los, um sein Gesicht zu sehen. Valnar schaute betrübt auf den Boden, aber er fing an zu nicken. »Beeil dich, Valnar. Ich werde ein paar Vampirkrieger mitnehmen, aber die Menschen sind wichtiger.« Auch wenn sie überzeugend klang, wusste sie nicht, ob sie dort wieder lebend herauskommen würde. Doch sie würde nie wieder das zulassen, was in Asran passiert war. Niemals wieder sollte jemand wegen ihr leiden. »Wir müssen unsere Leute retten«, fügte sie hinzu. Valnar wollte sich sträuben, zeigte Verzweiflung, aber schließlich stieß er einen Atem aus und fletschte nur die Zähne. »Ich weiß, du bist stark. Und ich weiß, dass du uns seinen Kopf bringen wirst.« Dann zeigte sich Trauer auf seinem Gesicht. Alaine wusste, dass er sie trotz seiner Worte nicht gehen lassen wollte. »Ich liebe dich, Alaine.« Dann rannte er los, um die Krieger in die Stadt zu führen. »Ich werde dich immer lieben. Pass auf unsere Tochter auf«, flüsterte sie noch und vergoss einige Tränen. * Am Ufer stürmten die Krieger Iranis in die Stadt hinein. Valnar und seine Krieger töteten einen nach dem anderen, während die menschlichen Soldaten die Bürger hinfort brachten. »Versucht sie zurückzudrängen!«, rief Valnar ihnen zu und enthauptete einen weiteren. Das Tier dürstete nach Rache, pumpte heiß durch seine Adern, aber er konnte nicht aufhören, an Alaine zu denken. Sie begab sich in große Gefahr und auch wenn er an sie glaubte, hatte er trotzdem Angst um sie. Wie ein wildes Tier stürmte der nächste Angreifer auf ihn zu. Valnar keuchte, als er versuchte, den Krieger zurückzustoßen. Seine Augen waren schwarz und rot. Für ihn konnte das nur eines bedeuten: Molana war immer noch mit Morlon verbündet und fleißig dabei, Vampire zu erschaffen. Fauchend schlug er ihn zurück, aber der Krieger verbiss sich in sein Handgelenk. Valnar brüllte vor Schmerz; die innere Stimme schoss ihm durch alle Sinne, als er sich mit verlängerten Fangzähnen auf den Hals des Angreifers stürzte und ihn aussaugte. Für einen Augenblick beruhigte sich das Tier, umfasste seinen Körper, aber Valnar wehrte sich vor der Euphorie. Schnell ließ er ab und schmiss den Vampir zu Boden, kniete laut keuchend. Wenn Alaine es mit Morlon und Molana zu tun hatte, schwebte sie in noch größere Gefahr. »Mein Fürst!«, rief eine Kriegerin und half ihm auf, und schon stürmten Weitere auf sie zu. Sie schlitzte einen von ihnen von oben bis unten auf, während er schreiend zusammensackte und Valnar den anderen das Schwert durch den Hals rammte. Das ganze Blut ließ das Tier in ihm rasen. »Geh zu Alaine!«, befahl Valnar. »Sorg dafür, dass es ihr gut geht! Und wenn nicht, sag mir sofort Bescheid!« Ohne ein Wort zu verlieren, nickte die Kriegerin und machte sich eilig davon. Valnar blickte zum Meer, sah nur Rauch und Schiffe. Die Krieger sammelten sich um ihn und er hielt sein Schwert bereit, als eine weitere Welle der Feinde auf sie zukam. »Alaine ...« Die innere Stimme nagte an ihm; er würde sie nie wieder sehen ... Mit einem Kampfschrei schmiss er sich ins Gefecht. * Von Kriegern umgeben stand Alaine am Ufer, das Schwert griffbereit unter ihrem Umhang versteckt. Das Schiff des Königs aus Iranis stand vor ihnen, gigantisch und mächtig, doch zeigte sie keine Angst. Mit einem breiten Grinsen schaute Morlon auf sie herab. Er hatte tiefe Augenringe und seine Haare sahen sehr ungepflegt aus. »Meine liebe Alaine. Wollt Ihr nicht aufs Schiff kommen? Wir haben so einiges zu besprechen.« Er trug wieder seine blaue Rüstung, aber sein Blick war noch irrer geworden. »Dann befehlt Euren Kriegern mein Reich in Ruhe zu lassen«, schoss Alaine zurück. Doch er lächelte immer noch. »Das werde ich vielleicht in Erwägung ziehen, wenn Ihr auf mein Schiff kommt.« Sie starrte ihn wütend an, aber sie gehorchte. Wenn sie tat, was er verlangte, würde sie Zeit schinden, bis Valnar alle Bürger in Sicherheit gebracht hatte. »Geht zurück in die Stadt«, befahl sie. »Sollte ich fallen, so will ich immerhin meine Untertanen in Sicherheit wissen.« »Meine Königin ...«, sprach ein Krieger, aber sie ging stur weiter und ihre Armee gehorchte schließlich ihrem Befehl. Morlon würde an diesem Tag durch ihre Klinge sterben, auch wenn es ihr selbst den Tod brachte. Auf den letzten Stufen hinauf zum Schiff, bot der König ihr die Hand an, aber Alaine zog ihren Arm zurück, konnte auf diese Hilfe verzichten. Zuerst erblickte sie Molana, die sie siegessicher angrinste. Sie lebte also immer noch ... Und immer noch trug sie ihr rotes Kleid, welches halb zerrissen war, aber das schien sie nicht zu stören. Dann stockte Alaine, als sie hinter Molana Meister Ghadar bemerkte, der auf sie zuging. Sofort wusste sie, wie Morlon sie gefunden hatte. »Ihr Verräter!«, fauchte sie, aber Ghadar lachte spöttisch. »Verräter? Ich helfe lediglich den Menschen von Horan diese Vampirplage loszuwerden und König Morlon hilft mir mit Freuden damit.« Alaine schaute fast verzweifelt. Er war ein Mistkerl gewesen, aber niemals hätte sie gedacht, dass er so weit gehen würde. Sie hätten ihm niemals trauen sollen! Ihr Tier schrie nach Vergeltung, nach dem Blut des Beraters. Verräter müssen sterben! Sie ballte die Hände zu Fäusten und die Reißzähne ragten ihr aus dem Kiefer, aber Alaine konnte sich nicht darauf einlassen, musste Ruhe bewahren. »Ein schönes Bild einer verzweifelten Hohepriesterin«, lachte Morlon. »Wie eifrig mir Euer Berater erzählt hatte, wo Ihr seid, nur um Euch loszuwerden. Das spricht nicht gerade für Euch.« »Bald wird das Reich wieder den Menschen gehören«, kommentierte Ghadar und Morlon hob lächelnd eine Augenbraue, bevor er seinen Blick an Molana wandte. »Ganz sicher nicht. Wir brauchen Euch nicht länger«, knurrte Molana und mit einem Ruck riss sie ihm die Lunge heraus. Ghadar röchelte, seine Augen schockiert aufgerissen. Der Geruch seines Blutes ließ Alaine die Nackenhaare aufstellen, bis er schließlich zusammenbrach. Sie starrte angewidert auf seine Leiche. Ohne Reue hatten sie ihn umgebracht, nachdem er ihnen geholfen hatte. Aber das hatte er verdient und sie hatte kein bisschen Mitleid mit ihm. Das Tier drückte sich an sie, wollte den Geschmack seines verräterischen Blutes schmecken, aber sie wollte nichts damit zu tun haben. Morlon kam näher an sie heran und zeigte ihr die Reißzähne. »Ihr hattet viele meiner Leute auf dem Gewissen und jetzt werde ich Rache nehmen.« Die innere Stimme nagte an ihr; die Zeit war gekommen. Alaine musste handeln, musste sie beide aus dem Weg räumen. Nimm Rache! Jetzt oder nie! Alaine zog blitzschnell ihr Schwert aus der Scheide und schrie laut auf. Mit einem heftigen Hieb köpfte sie Molana und wirbelte sofort herum, um dasselbe mit Morlon anzustellen. Doch er hatte schon sein Schwert gezogen und parierte ihren Schlag. Sein Grinsen war verschwunden und sie sah nur noch Schock und Hass in seinen Augen. Wieder griff sie ihn an, aber er parierte ihren Schlag erneut. Sie duckte sich rasch, als er auf sie einschlug, aber dann fing er an zu lachen. »Eine Hohepriesterin, die mit dem Schwert hantiert.« Er lachte und verstand plötzlich. »Wirklich clever, meine Liebe, aber das wird Euch auch nichts nützen.« »Schweigt endlich!«, fauchte Alaine und ihre Klingen sprühten Funken, als sie wieder aufeinanderprallten. Siegessicher zeigte Morlon mit dem Kopf hinter ihr, aber sie machte keine Anstalten, sich umzudrehen. Das musste sie auch nicht. Sie hörte schon die Krieger Iranis auf sie zustürmen und die Verzweiflung machte sich in ihr breit. Sie schloss die Augen und dachte an Valnar, ihre gemeinsame Tochter und all die Bewohner Horans; die Rache für Asran und seine Gefallenen war zum Greifen nah. »Gebt schon auf, Ihr könnt uns nicht besiegen«, rief Morlon selbstsicher. Töte ihn! Alaine riss die Augen auf und schrie, schlug wieder auf Morlon ein. Dieser parierte all ihre Hiebe, bis sie ihm zwischen dem Kettenhemd am Bauch traf. Er brüllte vor Schmerz und seine Krieger stürmten auf sie zu. Fauchend köpfte Alaine einige von ihnen, aber es waren zu viele und schließlich packten sie sie von hinten und entrissen ihr das Schwert. Das Tier schoss ihr durch die Adern, durch alle Muskeln, versuchte die gesamte Kraft auf sie zu laden. Sie schrie wie am Spieß, versuchte sich zu wehren, als sie einen Krieger mit den Ellbogen die Nase brach. Aber sie konnte sich nicht befreien! »Verdammte Schlampe«, knurrte Morlon und hielt sich die Wunde. Einige Krieger zwangen Alaine auf die Knie und drückten sie auf den Boden, sodass Morlon seinen Fuß auf ihren Kopf abstellte. Sie versuchte sich mit aller Macht zu befreien und das Tier drückte schmerzhaft gegen ihre Seele, als sie erfolglos blieb. Morlon ließ von ihr ab und griff nach ihrem Kinn, zwang sie, ihm in die Augen zu blicken. Wieder hatte er dieses bizarre Grinsen, musterte sie und wollte gerade sprechen. Da spuckte Alaine ihm schon in den Mund. Röchelnd stand Morlon auf, hustete, bis er vor Wut fauchte. Die Krieger drückten Alaine wieder zu Boden und der König brüllte hasserfüllt auf. »Ihr und Euer Reich werdet brennen! Das schwöre ich Euch!«, fauchte er. »Verbrennt diese Hure!« Kaum ausgesprochen, zogen die Krieger Alaine zu einem Mast und begannen, ihr Kleid unten zu zerreißen und sie mit Eisenketten festzubinden. »Lasst Ihre Speichellecker sehen, wie sie verbrennt!« Alaine heulte auf, versuchte sich mit aller Kraft zu wehren. Immer wieder stürmte ihr Tier durch ihren Körper, füllte sie mit Wut. Morlon stand immer noch. Er musste sterben und ihre Rachegelüste stillen! Aber sie war zu schwach, zu erschöpft; sie sah ihrem Schicksal entgegen. Das war ihr Ende. Sie konnte nur noch hoffen, dass Valnar diese Schlacht zu Ende führte und Horan rettete. »Es tut mir so leid«, flüsterte sie, als sie sich nicht mehr wehren konnte. Kapitel 21: Ewigkeit -------------------- »Mein König!« Valnar drehte sich um, als die Kriegerin zurückkam. Sie hatten gerade einen weiteren Angriff überstanden und waren gut dabei die Menschen aus dem Reich zu führen. Nur Valnar stand noch allein auf der Straße, um ihren Rücken zu decken. »Was?! Was ist mit Alaine?!«, fragte er aufgebracht. »Sie haben sie am Mast gebunden und wollen sie verbrennen!« Valnars Pupillen formten sich zu Schlitzen und er hob den Blick. In weiter Ferne sah er das Schiff und einige Flammen. »Nein!« Er würde niemals rechtzeitig bei ihr ankommen! Wäre er doch nur mit ihr gegangen oder hätte sie aufgehalten! Plötzlich hörte er die altbekannte Stimme; wie ein Blitz schlug sie in seine Gedanken ein. Gemeinsam können wir sie retten. Valnar verzweifelte. Er hatte keine andere Wahl! Er musste es tun, um seine geliebte Alaine zu retten! Sie durfte nicht sterben! »Verschwinde von hier! Los!«, knurrte er und die Kriegerin starrte ihn einen Moment an, bevor sie davon rannte. Die Panik und die Angst um Alaine brachten ihn um den Verstand. Valnars Tier pochte in seiner Brust, machte sich bereit. Es war, als hätte er ein innerliches Tor geöffnet, als es ihn durchflutete. Hass und Zorn nährten ihn und er übergab seiner inneren Stimme die komplette Kontrolle. »Es tut mir so leid«, flüsterte er ins Nichts, dachte an Alaine und Meira, während die Tätowierung an seinem Arm vor Schmerzen glühte. Du musst Alaine retten. Bitte. Bitte lass meinen Tod nicht umsonst sein. Panisch versuchte er an seine innere Stimme zu appellieren. Er würde sich ganz verlieren, aber sein Tier musste sie retten! Das war die einzige Möglichkeit! Direkt spürte er die Antwort. Valnar packte sich am Kopf und fauchte, als das Tier wie flüssiges Metall durch seinen Körper floss. Die Qual war unendlich, doch gleichzeitig fühlte er die endlose Macht, die sich in ihm aufbaute und ihn verwandelte. Seine Arme verlängerten sich, die Knochen knackten und brachen und irgendetwas wuchs aus seinem Rücken heraus. Aus seinen nun riesigen Pranken wuchs schwarzes Fell mit weißem Sternenmuster, bis er die Augen schließen musste. Er konnte nur noch schreien, als er immer größer wurde, wurde fast ohnmächtig von den Schmerzen. Das Tier übernahm seinen Verstand und als das Leid aufhörte, war da nur noch eine gewaltige Stärke und aus seinem Schnabel kam ein ohrenbetäubender Schrei. Mit dem Löwenschwanz zerschlug Valnar ein Gebäude, bis er die gefederten Schwingen spürte, die aus seinem Rücken ragten. Er streckte sie und es war, als hätte er sie schon immer gehabt. Dann schlug er die Flügel mit unglaublicher Kraft und sein Körper erhob sich in den Himmel. Sein Verstand war hinfort. Nur noch das Verlangen nach Blutvergießen existierte; er wollte alles und jeden vernichten. Doch niemand war in seiner Nähe, nur von Weitem konnte er ein Schiff erkennen und der Rauch lockte ihn an. Dort befanden sich sicher seine Feinde, die er gnadenlos verschlingen würde! Auf dem Weg dorthin wollte er seine unbändige Wut an den Häusern auslassen. Ein Fauchen kam aus seinem Maul, welches die Gebäude mit schwarzem Rauch umhüllte und zersprengte, aber es war unbefriedigend. Keine Schreie. Kein Geruch von Blut. Seine Neugier war ganz auf das Schiff gerichtet; er fühlte, dass er dort Blut und Fleisch bekommen würde, um seine Zerstörungswut und seinen Hunger zu stillen. Am Ufer konnte er einige Gestalten sehen und er öffnete erneut den Schnabel, als ein gigantischer Lichtstrahl herausschoss und seine Beute verbrannte. Das Schiff traf er nur leicht und die Funken sprühten. Valnar umkreiste es, bis er jemanden weinen hörte. »Valnar! Warum hast du das getan?!«, schrie eine Frau mit roten Haaren. Sie war an einem Mast gebunden und das Feuer schien sie fast zu verschlucken. »Bitte bring dich in Sicherheit!« Er landete auf dem Schiff und krächzte, während es unter seinem Gewicht wackelte. Seine weiß leuchtenden Pfoten brannten Löcher in das Holz und das Blut der Frau drang in seine Nase ein; es roch wundervoll. Er wollte sie töten und verschlingen. »Bitte, Valnar«, flehte sie, konnte kaum noch sprechen. »Rette unser Reich ... unsere Tochter.« Plötzlich hielt er inne als ihre Stimme in seinem Inneren widerhallte. Irgendetwas nagte an ihm, dass er nicht er selbst war; etwas an dieser Frau war vertraut. Seine Sinne hatten ihren Geruch schon einmal wahrgenommen und ihr Gesicht ... ihre Aura. Valnar fing an, sich zu erinnern, wurde wieder Herr seiner Gedanken. Alaine? Das war Alaine! Was tat er hier bloß? Er musste sie retten! Er wollte ihren Namen schreien, aber es kam nur der Laut eines Raubvogels gemischt mit dem Gebrüll eines Löwen aus seinem Maul. Valnar sprang zu ihr hin und wollte sie mit seinen Pranken vom Mast befreien. »Valnar?«, keuchte Alaine fassungslos, die Augen weit aufgerissen. Verzweifelt versuchten seine Krallen die Kette zu ergreifen, bis er aufschrie, als er einen sengenden Schmerz in seiner Seite spürte. Er drehte seinen Kopf zur Seite und erkannte Morlon. »Stirb, du Bastard!«, brüllte er und versuchte ihn wieder aufzuschlitzen. Valnar wollte ihn mit seinem Schwanz wegschlagen, aber er wich aus. »Opferst du dich, um deine Hure rechtzeitig verbrennen zu sehen?«, lachte Morlon. »Ich habe gewonnen! Komm, lass mich deinen Tod beschleunigen.« Dann versuchte er ihn erneut anzugreifen. Die Rache ist nah! Zerfetze ihn! Zerreiße ihn in der Luft! Wütend zogen Valnar und sein Tier an einem Strang, wollten den verhassten Vampir tot sehen. Er machte einen Satz auf ihn zu und Morlon stach ihm mit einem Kampfschrei tief in die Brust. Aber Valnar ignorierte den Schmerz; er erfasste Morlons Kopf zwischen seinem Schnabel und zog daran. Der Vampir brüllte, bis er anfing vor Schmerzen zu schreien. Mit einem einzigen Ruck riss Valnar ihm den Kopf ab und verteilte sein Blut und die Hautfetzen überall hin, bis er seinen Schädel verschlang. Triumphierend kreischte er auf. Endlich hatte er seine Rache bekommen! Doch wurde er aus diesem Siegesrausch herauskatapultiert, als Alaine kreischte. Das Feuer erreichte ihre Beine und er biss rasch in die Eisenketten hinein. Alaine heulte und wand sich vor Schmerz. Mit all seiner Kraft riss Valnar an den Ketten, versuchte gleichzeitig schnell und vorsichtig zu sein, um seine geliebte Frau nicht zu verletzen. Er ignorierte das Stechen in seiner Brust und seiner Seite, auch wenn es noch so sehr brannte. Doch Alaines Geschrei löste Panik in ihm aus und er beschädigte seinen Schnabel, als er die Ketten durchbiss und sie endlich befreite. Blut lief seinem Maul hinunter. Wieder krächzte er, wollte Alaine hier rausholen. »Valnar«, röchelte sie und hielt sich mit letzter Kraft an seiner Pranke fest. Er schlug mit seinen Schwingen und erhob sich mit letzter Kraft erneut in die Lüfte. Das Blut tropfte seinen Körper hinunter ins Meer und er bemerkte schon, wie seine Macht schwand. Das Schiff versank. Er konnte sich nicht mehr halten und schmiss Alaine von sich, bevor er selbst aufs Ufer krachte und den ganzen Sand herumwirbelte. Schwer atmend verwandelte er sich zurück. Das Tier zog an seiner Lebensenergie, wollte nicht aufgeben. Valnar wusste, dass es sein Ende war, konnte es nicht mehr aufhalten. Doch Alaine und seine Tochter waren in Sicherheit und das war alles, was zählte. Der Feind war endgültig tot. Er öffnete die Augen und sah seine Liebste weinend auf ihn zu rennen. »Valnar!« Sie schmiss sich neben ihn hin. »Warum hast du das getan? Warum?!« Verzweiflung machte sich in ihrer Stimme breit und sie versuchte seine Blutungen zu stoppen. »Alaine ... es geht dir gut. Ich- ich bin so froh,« Er rang nach Luft, fühlte immer noch wie das Tier sein Leben entzog. Sie fing wieder an zu weinen; sie wussten beide, welchen Preis sie für die Verwandlung bezahlen mussten. Wie gerne würde er seine Hand ausstrecken und ihre Tränen wegwischen, ihr versichern, dass sie gemeinsam zu ihrer Tochter zurückkehren würden. »Du kannst mich doch nicht einfach alleine lassen!«, schrie sie. »Was ist mit unserer Tochter? Valnar!« Sein Kopf fiel zur Seite, als sich seine Augen schlossen. Alaine packte sein Gesicht, schüttelte ihn, flehte ihn an, dass er aufstehen sollte. Aber ihm fehlte bereits die Kraft. Er spürte, wie sein Tier ihn verschlang. Seine Aura strahlte hell und er fühlte sich von all den Schmerzen seines Körpers erlöst. Wieder rief Alaine nach ihm und er wollte zu ihr, zu Meira, aber er wurde immer schwächer und ihre Stimme klang nur noch wie ein weit entferntes Flüstern. Mit einem Aufschrei versuchte er durch sein Tier hindurchzustürmen, nach Alaine zu greifen; er wollte ihr noch so viel sagen, wollte sie nicht verlassen. Aber das Tier holte ihn zu sich in sein weißes Licht, welches so hell war, dass er fast verbrannte. Wir werden eins sein, bis in alle Ewigkeit. Schließlich riss es ihn fort. Die Schmerzen verschwanden und alles wurde still ... Alles um ihn herum endete. Alaine ... * »Valnar! Nein! Du darfst nicht sterben!«, heulte Alaine auf, schüttelte ihn immer noch. »Bitte nicht, bitte.« Ihre Eckzähne verlängerten sich und sie biss ihm in den Hals, musste ein Lebenszeichen finden. Er konnte nicht fort sein! Das durfte alles nicht wahr sein! Sein kaltes Blut floss ihre Kehle hinunter und ihr Tier labte sich freudig daran, aber das war Alaine in dem Moment völlig egal. So sehr sie auch versuchte, ihn zu finden, sie hatte keinen Erfolg; er war leer. Es gab keinen Funken Leben mehr in ihm und die Erkenntnis drohte ihr Herz in Stücke zu reißen. Einsam stand sie in seinem Inneren, hielt sich den Kopf und schrie vor Verzweiflung. Seine Seele war fort und auch die Präsenz seines Tieres. »Valnar«, schluchzte sie und ließ vorsichtig von ihm ab, am Boden zerstört. Warum musste er sterben? Warum er? Er hätte sie nicht retten sollen! Wut überkam sie. Sie hätten beide ihr Kind nehmen und von Horan verschwinden sollen! Tausende Alternativen kamen ihr in den Sinn, aber dafür war es zu spät. Sie würde niemals die Zeit zurückdrehen können und langsam realisierte sie endgültig, dass Valnar tot war. Wieder weinte sie, ließ ihren Tränen freien Lauf und konnte sich nicht mehr fangen. Sie hielt sich am Bauch und legte ihren Kopf auf Valnars, heulte so laut und verzweifelt, fragte immer wieder warum und wollte das alles nicht wahrhaben. Stundenlang lag sie neben ihn, wollte nicht ohne ihn sein. Alles um sie herum war still. Nur die Wellen des Meeres waren zu hören und die Einsamkeit umgab sie, wollte sie verschlingen. Ihre Augen waren auf das Gesicht ihres Liebsten fixiert und die Tränen kamen immer noch, aber sie weinte nicht mehr. Es war alles wie ein furchtbarer Albtraum; Alaine wusste nicht mehr, was um sie herum passierte, was sie denken sollte. Sie wusste nur eine Sache: Sie hatte den Mann verloren, den sie am meisten liebte. Den Vampir, der ihr alles bedeutet hatte. Ihr wurde das Wichtigste genommen, was sie jemals besaß, und sie drohte daran zu zerbrechen. Epilog: Epilog -------------- Mit ihrer Tochter an der Hand lief Alaine den Burghof entlang und betrachteten einige Menschen; sie trugen beide lange weiße Kleider mit Goldschmuck verziert und regten so die Aufmerksamkeit auf sich. Auch wenn seit der großen Schlacht in Horan jeder über sie Bescheid wusste, mussten sie natürlich immer noch Abstand halten. Alaine war das ganz recht, obwohl sie auch froh war, sich nicht mehr zwangsweise verstecken zu müssen. Am Schloss angekommen wartete bereits ein Dienstmädchen auf sie. Alaine kniete sich vor Meira und umarmte sie. »Geh ein wenig spielen. Ich werde noch einmal das Grab deines Vaters besuchen.« Meira senkte traurig den Blick. »Ich hab nur so wenige Erinnerungen an ihn. Aber wir haben immer so oft gespielt! Ich vermisse ihn so sehr.« Alaine musste sich die Tränen zurückhalten. Wenn ihre Tochter das so schilderte, brach es ihr noch mehr das Herz. Ihr Tier wollte den Hass auf Morlon wieder schüren, aber sie wollte das alles hinter sich lassen. Es war vorbei und man konnte nichts mehr daran ändern. Mittlerweile waren vier Jahre nach Valnars Tod vergangen und ihre Wunde über seinen Verlust heilte nur langsam. Trotzdem wusste sie, dass er immer noch bei ihr war, auch wenn es nur ein Gefühl war. »Er mag zwar nicht mehr bei dir sein, aber ich weiß, dass er immer über dich wachen wird.« Ihre Tochter starrte sie verwundert an und ein kleines Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit, dann nickte sie. Alaine erwiderte ihr Lächeln und lehnte die Stirn an ihre. »Dein Vater liebt dich mehr als alles andere auf der Welt. Vergiss das niemals. Versprochen?« »Versprochen, Mama. Ich hab euch beide lieb.« Alaine gab ihr einen Kuss auf die Wange und streichelte durch ihre weißen Haare, dann stand sie auf. »Wir haben dich auch sehr lieb, mein Schatz. Ich komme gleich wieder.« Sie drehte sich schleunigst um und lief zum Garten, bevor sie in Tränen ausbrach. * Am Ende des Gartens stand Valnars Grab. Alaine schaute das große Denkmal von ihm hinauf, welches über die Hecken ragte. »Wie geht es dir und Hoffnung? Ich hoffe doch gut«, fragte sie mit den Händen gefaltet. »In letzter Zeit kommen immer mehr Menschen ins Schloss, um uns zu sehen. Meira ist immer sehr aufgeregt«, lachte sie. »Aber ich bin mir sicher, dass sie ihre Kontrolle so gut bewahren wird, wie du es immer getan hast.« Die ersten blutigen Tränen liefen ihre Wangen hinunter, dabei hatte sie sich vorgenommen, nicht direkt loszuheulen. »Sie wird immer älter. Ich wünschte du hättest sie heute Morgen sehen können. Ich steckte sie in einem atemberaubenden rosa Kleid mit Rüschen, und weißt du was sie gesagt hat? Dass es ‘blöd’ sei.« Alaine lachte und schluchzte zugleich, wischte sich die Tränen aus den Augen. »Sie wird irgendwann noch eine ganz große Herrscherin.« Nach einer Weile ging sie auf die Knie und seufzte. »Aber wir beide vermissen dich so sehr ...« Schließlich dachte sie an die Zeit in Asran, wie gefangen sie war in ihrer Rolle und wie sie und Valnar sich näher kamen. Es hatte ihr die Augen geöffnet und zum ersten Mal in ihrem Leben liebte sie jemanden, wie noch nie zuvor. Das war wahre Liebe gewesen. Hätten sie doch nur so viel mehr Zeit zusammen gehabt. »Du hast mich befreit, Liebster«, weinte sie, als der starke Wind ihr Kleid und ihre Haare durcheinanderwirbelte. »Ich werde dich immer lieben, bis in alle Ewigkeit. Gib acht auf Hoffnung, so wie ich Meira beschütze.« Sie stand auf und strich mit der Hand über seine Namensplakette, dann zitterte sie vor Trauer und kniff die Augen zusammen. Wieder zwang sie sich zu einem Lächeln. Sie küsste ihre Fingerspitzen und drückte sie gegen die Plakette. »Leb wohl, geliebter Valnar«, flüsterte sie. Und für einen kurzen Augenblick hatte sie das Gefühl, sie hatte seine Aura gespürt. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)