Eine Begegnung verändert alles von Charly89 (Daryl und Matt) ================================================================================ Kapitel 6: Merkwürdiger Verdacht -------------------------------- Matt   Wer einen Verdacht hat, denkt oft nicht falsch. Erhard Horst Bellermann Es ist Freitag. Die Sterne leuchten bereits am Nachthimmel. Ich sitze im Liegestuhl und starre in den Pool, als würde ich etwas in diesem glitzernden Wasser suchen, oder hoffen zu finden. Neben mir, ebenfalls in einem Liegestuhl, sitzt mein Bruder und starrt genauso in den Pool. Würde ein Unbekannter vorbeikommen und uns so sehen, würde er wahrscheinlich an seiner geistigen Gesundheit zweifeln. Wir sehen genau gleich aus. Statur und Mimik, alles gleich. Unsere braunen Haare, unsere braunen Augen, unser goldener Hautton. Zwillinge, deren Wurzeln unübersehbar in Puerto Rico liegen. Einwandererkinder, durch und durch. Gleich und doch so verschieden Doch das alles spielt gerade keine Rolle. Vier Tage ist es her. Nur vier Tage. Und ich denke ständig an sie. Ich hatte ja schon befürchtet, dass sie mich wohl über dieses Date und die Nacht hinaus beschäftigen würde, aber, dass es so extrem wird, damit hatte ich nicht gerechnet. Mein Privatleben besteht eigentlich nur aus meinem Bike, meinem Bruder, Colin und dessen Band der ich hinter der Bühne aushelfen, meiner Trainingshalle und den Kids, und einigen unverfänglichen Flirts. Mehr lief nicht. Mehr habe ich mich nicht getraut. Das weiß natürlich niemand und ich gebe mir alle Mühe es zu überspielen. Gut, niemand stimmt auch nicht; Colin und Daryl wissen es, aber sonst niemand. Und ich war nicht extrem unglücklich damit. Es war okay, so wie es war. Außerdem hatte ich am eigenen Leib erfahren, was Liebe im Katastrophenfall mit einem macht. Was passiert, wenn einer geht und einer zurückbleibt. Ich mache mir nichts vor, ich bin dahingehend ziemlich … deformiert und kaputt. Ich habe nach dem Unfall all dem den Rücken gedreht und den Absprung geschafft. Ich habe immer auf etwas Besseres gehofft, und wurde belohnt. Dank Colin. Dank Daryl. Daryl. Er ist geblieben. Inzwischen ist er zwar raus aus der Gang, aber sie wird immer Teil seines Lebens bleiben. Und damit auch eine Gefahr. Für ihn, was mich wahnsinnig macht. Ich habe schon so viel verloren, ich würde es nicht ertragen auch noch ihn … Er ist kein schlechter Kerl. Er hat sein Leben auf die Szene ausgerichtet, und auch sein Auftreten und Benehmen. Aber das ist nicht er. Ein Teil von ihm, aber nicht alles. So wie ich der witzereißende Idiot in der Öffentlichkeit bin, ist er der sarkastische Arsch. Wir spielen beide unsere Rollen gegenüber dem Großteil unseres Umfelds. Nur wir beide wissen die Wahrheit, und kennen die Gründe dafür. Und die wahren Ortegas hinter diesen Fassaden. Ich würde mir für ihn einfach etwas Besseres wünschen wie dieses Szeneleben in Saus und Braus. Diese oft so oberflächliche Welt, die dich frisst und ausspuckt, wenn du nicht stark genug bist, oder schnell genug, oder bekannt genug, oder, oder, oder. Scheinbar, wurde ich erhört. Völlig unerwartet. Als er mich am Samstag angerufen hatte, hatte ich im ersten Moment die schlimmsten Befürchtungen. Zu oft geriet er in die schlimmsten Szenarien. Doch es kam alles anders. Er brauchte jemanden zum Reden. Zum Reden! Oder besser; er brauchte jemanden der ihm zuhört. Ich war total baff deswegen. Wir haben schon viel miteinander erlebt und durchgemacht, aber das mein Bruder reden wollte, war so noch nie passiert. Vor allem nicht, wenn es um seine Gefühle ging. Obwohl er mich extra zu sich gebeten hatte, hatte er sich schwergetan damit endlich mit der Sprache herauszurücken. Er hatte rumgedruckst und gestammelt. Das habe ich noch nie erlebt. Ich musste mich zusammennehmen, nicht los zu lachen, weil er sich so affig hatte. Er hatte mir, rein hypothetisch und ohne konkret zu werden, von einer Frau erzählt. Einmal angefangen, konnte er gar nicht mehr aufhören. Die kleine Raubkatze, wie er sie irgendwann nannte, hat einen bleibenden Eindruck bei ihm hinterlassen, dass merkte ich sofort. Die Art wie er von ihr sprach unterschied sich komplett davon, wie er sonst so über Frauen redete. Er hatte erzählt … und erzählt … und irgendwann angefangen zu schwärmen. Es war großartig ihn so zu erleben. Ich hatte die Hoffnung schon beinahe aufgegeben, dass ich ihn mal so sehen würde. Bisher hatte er nicht unbedingt ein gutes Händchen bei seiner Partnerinnenwahl gehabt. Er wurde so oft beschissen, dass er sich nur noch „auf das Wesentliche“ konzentriert, wie er mir einmal sagte. Das Wesentliche heißt Sex – und mehr nicht. Doch nun, rein hypothetisch, konnte ich das Funkeln in seinen Augen sehen, dass deutlich machte, dass ihm die Kleine unter die Haut gekrochen war. Ich hatte zwar keine Ahnung warum und wie sie das geschafft hatte, aber es war mir für den Augenblick auch herzlich egal. Ich wusste, dass es schrecklich für ihn war, dass alles so zu offenbaren. Das war auch der Grund, warum er mich als Gesprächspartner ausgesucht hatte. Wir kennen uns, unsere Geschichte. Mir muss er nicht erklären, warum er sich so unwohl fühlt, warum er sich so schwer tut mit dem Ganzen. Ich weiß es. Dennoch konnte ich es nicht verhindern: das Funkeln in meinen Augen und ein breites Grinsen auf meinen Lippen. „Du bist verliebt“, hatte ich begeistert frohlockt und in die Hände geklatscht wie ein kleines Kind, dass nicht wusste wohin mit seiner Freude. Daryl hatte mich angefaucht, ich solle meinen Müll für mich behalten, was mir ein herzliches Lachen entlockt hatte. Wir wussten beide, dass ich recht hatte mit meiner Einschätzung. Doch es so gesagt zu bekommen, hatte sich für ihn wie ein Faustschlag in die Magengrube angefühlt, das habe ich ihm angesehen. Schweigen legte sich über uns. Er wollte nicht weiter darauf eingehen und ich spürte das. Also beschloss ich von mir zu erzählen. Ich erzählte ihm, dass ich am folgenden Tag eine Verabredung hatte. „Warum?“, hatte er mich gerade heraus gefragt. Ihm fiel natürlich sofort die Unsicherheit in meiner Stimme auf. Der Unfall und der damit einhergehende Verlust lag zwar schon ein paar Jahre zurück, aber verheilt waren die unsichtbaren Wunden noch lange nicht. Das wussten wir beide. Warum also hatte ich Mia zu einem Date eingeladen? Eine Frage, die ich mir bereits auf dem Weg zu Daryl mehrfach gestellt hatte. Der Grund war am Ende irgendwie … banal? Ich hatte weggesehen und druckste herum. „Sie ist anders …“, hatte ich schließlich geflüstert und gehofft, dass er nicht weiter nachfragte. Meine Emotionen schwankten zwischen Angst und Vorfreude. Auch wenn ich mir nicht ganz sicher war mit dem Date, so war es doch generell ein gutes Zeichen, dass ich mich wieder heraus traute. Also so richtig und nicht so flapsig und spielerisch wie bisher. Daryl sprach mir Mut zu. Irgendetwas in seiner Stimme verriet mir aber, dass er sich zwar freute, aber wohl eher nicht mit einem Happy End rechnete – zumindest langfristig. Aber er war halt jemand, der die letzten Jahre ausschließlich von One-Night-Stands lebte; was sollte ich also anderes von ihm erwarten. Mir kam der Gedanke, dass wir vielleicht später besser über so etwas reden könnten, wenn die kleine Raubkatze wirklich einen festen Platz in seinem Leben erhalten würde. Das Date bereitet mir eher weniger Kopf zerbrechen. Ich hatte schon ein paar Dates seit dem Unfall gehabt. Doch sie endeten alle gleich. Ich trat die Flucht an, wenn ich das Gefühl bekam das sich die Frau mehr erhoffte. Und ich hatte Angst, dass es mit Mia womöglich ähnlich werden könnte. Und noch mehr Angst was passieren könnte, wenn ich eben nicht die Flucht antrat. Wenn sie wirklich so anders war, wie ich dachte. Wenn sie mich dazu bringen konnte, mich zu entspannen und gut zu fühlen. Wenn ich die Nacht selber wollte. Eine unverfängliche Nacht, was wäre schon dabei? Irgendwie mochte ich den Gedanken, und gleichzeitig nicht. Das machten so viele inzwischen … Tja, und dann kam das Date … und die Nacht … Das Mia am Montagmorgen noch da war, hatte etwas Unwirkliches. Es heizte das Herzklopfen noch etwas mehr an und ich fühlte mich langsam wirklich überfordert. Ich rief Gabriel, meinen Chef an, und sagte ihm, dass ich später zur Arbeit kommen würde. Wir frühstückten und quatschten. Alles war gut, entspannt irgendwie. Mia schaffte es mit ihrer Art dafür zu sorgen, dass ich mich gut fühlte, trotz Nervenflattern. Allerdings fiel mir auf, dass sie mich immer wieder intensiv musterte, wenn sie dachte ich merkte es nicht. Ich konnte das nicht einordnen; war das gut, oder nicht? Am Dienstagnachmittag telefonierten wir. Alles war easy. Ich sagte ihr, dass ich noch bei meinem Bruder vorbei muss und daher nicht viel Zeit hätte. Plötzlich war sie merkwürdig. Sie hakte dazu nach, viel zu gezielt, als dass man es als einfache Höflichkeit abtun konnte. Und dann, verlor sie sich in Schweigen. Ein Schweigen, dass bis heute anhält. Sie antwortet nicht und geht nicht ran, wenn ich sie anrufe. Mir kam dann ein merkwürdiger Verdacht. Sie hatte mich bei unserer ersten Begegnung ganz am Anfang kurz stutzig angesehen. Ich hatte dem keine große Bedeutung beigemessen. Aber beim Frühstück hatte sie mich auch so eingehend gemustert … als würde sie überlegen ob wir uns schon einmal begegnet sind … vielleicht … Ob sie Daryl kennt? Es würde erklären, warum sie mich so angesehen hat. Sollte ich ihn fragen? Er hat ein gutes Gedächtnis, falls sie sich mal begegnet sein sollten, würde er sich bestimmt daran erinnern. Andererseits; will ich es wirklich wissen? Mein Bruder und die Frauen … Im Idealfall hat er sich wie ein Arsch benommen; im schlimmsten Fall … hat er sie sich ins Bett geholt. Wahrscheinlich in eines seiner Zimmer im Erdgeschoß irgendwo. Ich erinnere mich, wie ich ihn verdutzt angestarrt hatte, als er mir mal bei einer Gelegenheit sagte, dass er keine der Püppchen mit in sein Schlafzimmer nimmt. Er ist da eigen. Die obere Etage im Haus ist … er, privat. Die untere ist eher so … der Szene-Bad-Boy, wie er wahrgenommen werden will, muss. Ich seufze schwer. Ich war am Mittwoch zu ihm gekommen. Verwirrt und unruhig. Ich habe Daryl alles erzählt, alles. Ich war so durcheinander, dass ich nicht einmal mehr sagen könnte, wie mein Bruder eigentlich reagiert hat. Vielleicht hätte sein Benehmen mir einen Hinweis geliefert. Was wenn die beiden sich tatsächlich kannten? Was wenn … „Matt … Ich muss dir etwas sagen.“ Ich dreh meinen Kopf zu meinem Bruder, dessen Blick weiter auf der glitzernden Wasseroberfläche des Pools klebt. „Die kleine Raubkatze … Sie…. Ihr Name ist Mia. Sie ist Fotografin. Sie fährt einen goldgelben BMW Z3.“ Eine unerträgliche Stille legt sich über uns. Die rein hypothetische Frau, die kleine Raubkatze, wie er sie im Laufe seiner Erzählung genannt hatte, war real; dessen war ich mir die ganze Zeit sicher. Aber … aber … Meint er gerade, was ich denke?! Mia. Fotografin. Z3. Die blauen Augen von denen er gesprochen hatte. Das hellbraune lange Haar. Konnte das wirklich sein?! Ich stehe ruckartig auf und fahre mir durch die Haare. Eine fürchterliche Wut überkommt mich. Zu viele Fragen auf einmal rasen mir durch den Kopf; einige von ihnen, will ich lieber gar nicht stellen. Doch eine brennt sich mir in den Geist. Eine ist wichtig für mich. Ich bemühe mich, meine kochenden Emotionen, nicht zu sehr durchklingen zu lassen. „Seit … seit wann …“, stammle ich. „Seit Mittwoch“, antwortet er kurz angebunden. „Heute ist Samstag“, knurre ich außer mir. Mein wütender Blick bohrt sich in Daryl hinein. Er weiß es seit vier Tagen und rückt erst jetzt mit der Sprache raus! Nun macht es Sinn, dass Mia nach Erwähnung meines Bruders so komisch war. Sie wird eins und eins zusammengezählt haben und begriffen haben das … das … Ich balle die Fäuste. Ein unbändiges Verlangen etwas zu schlagen kommt in mir hoch. Ohne sagen zu können warum, mache ich einen Schritt auf meinen Bruder zu. Plötzlich dröhnt Motorenlärm die Allee hinauf. „Erwartest du Besuch?“, frage ich misstrauisch. Tausend Szenarien spuken mir sofort durch den Kopf. Die Gang? Irgendjemand den Daryl beschissen hat? Waffen? Wie viele Männer? „Nein.“ Mein Bruder steht schnell auf und versucht auszumachen, wer sich da gerade ohne Vorankündigung auf sein Grundstück begibt. Als ich das Auto erkenne, bin ich verblüfft und verwirrt. „Das gibt es doch nicht …“ Da brettert ein goldgelber BMW die Allee hoch und legt eine Vollbremsung in Höhe des Pools hin. Was ist hier los?! Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)