Die Story seines Lebens! von Jimini (Bokuroo/Bokuto x Kuroo - Journalisten AU) ================================================================================ Ein hübscher Reporter --------------------- Sein Wecker klingelte viel zu früh. Kuroo tastete blind nach dem Knopf und stellte das nervige piepen ab, das ihn tagtäglich aus dem Bett quälte. Er hob grummelnd den Kopf und blickte auf die Zeitanzeige. Seiner Meinung nach war es noch viel zu früh um sich aus dem Bett zu erheben. Immerhin musste er dank seines 'Außeneinsatzes' am Vortag heute nicht wie sonst schon beim Morgengrauen im Büro antanzen, dennoch war seine Nacht erschreckend kurz gewesen. Und wenn er sich recht erinnerte hatte er am frühen Mittag ein Meeting mit der Redaktion. Wie ärgerlich... Kuroo ließ seinen Kopf wieder ins Kissen fallen und griff nach seinem Handy, das auf dem Nachttisch lag. Sein verschlafener Blick glitt über die erschreckend vielen Benachrichtigungsanzeigen. Ein paar Textnachrichten, ein Anruf in Abwesenheit und sein Twitter war über Nacht explodiert. Er wusste, warum er sein Telefon nachts immer stumm schaltete. Wer hätte dabei noch schlafen können? Trotzdem, wer versuchte ihn mitten in der Nacht zu erreichen? Er entsperrte sein Telefon und sah Tooru Oikawas Namen über einem Großteil der Textnachrichten und als den Verursacher des Anrufs. Um drei Uhr morgens? Schlaf war für ihn wohl ein Fremdwort. Dabei war er doch immer einer der ersten auf der Arbeit, noch dazu mit guter Laune, und danach mit tausend Dingen und den Trainings seiner Jugendmannschaften beschäftigt. Wenn er es sich genau überlegte war Oikawa ihm wirklich gruselig. Warum waren sie noch einmal miteinander befreundet? Oikawa: >>>Oho! Hast du wieder jemandem den Kopf verdreht?~ >>> Der arme wusste wahrscheinlich gar nicht wie ihm geschieht ;) >>> Herr Hübscher-Reporter-Mann >>> Du bist sogar schon ein Coming Up Trend auf Twitter! Hahahaha! >>> Warte nur bis die ganzen Teenies dich entdecken~ >>> Du Leckerbissen, du! ;) >>> Das wird dein Durchbruch! Hahahahaha! Kuroo zog die Augenbrauen zusammen und verließ den Chat mit Oikawa. Scheinbar hatte dieser aufgegeben ihn mit Nachrichten zu bombardieren, als er gemerkt hatte dass er von Kuroo in dieser Nacht keine Antwort mehr erhalten würde. Ein weiterer Chat war mit Kai, der ihn nur fragte, ob er gut zu hause angekommen sei. Der Gruppenchat war erstaunlich ruhig geblieben bis auf die paar Nachrichten von Terushima und Nishinoya, die er noch auf dem Weg von der Bar nach Hause beantwortet hatte. Kuroo blickte noch einmal auf die Zeitanzeige und seufzte, bevor er sich aus dem Deckenkokon seines warmen Bettes schälte. Während er seine Morgenroutine abhandelte begann er durch Twitter zu scrollen um herauszufinden, was sein Kollege mit ihm als 'Coming Up Trend' meinte und wieso die App über Nacht beinah sein Handy zum Überhitzen gebracht hatte. Sein Finger stoppte über dem Knopf der Kaffeemaschine und schwebte dort, während er sich durch seine Timeline arbeitete. Retweet über Retweet über Retweet ein und der selben Szene des letzten Abends. Immer wieder hörte er wie Bokuto leise, weit vom Mikrofon entfernt, diesen kleinen Satz sagte. Wenigstens hatte Kai mit der Kamera einen so schlechten Winkel auf den Spieler gehabt, dass Kuroo ihn zum größten Teil verdeckte und niemand seinen verträumten Gesichtsausdruck sehen konnte. Der hatte sich Kuroo allerdings in den Hinterkopf gebrannt und sorgte erneut dafür, dass die Hitze in ihm aufstieg bis seine Ohren und sein Gesicht brannten. Er hatte ja schon damit gerechnet, aber dass es dann doch so schnell passierte überraschte ihn. Bokuto hatte wesentlich mehr Follower als er selbst und seine Fans liebten ihn. Vielleicht waren sie ja daran Schuld? Trotzdem sehr respekteinflößend. Und dann sah er die Hashtags und verstand, was Oikawa gemeint hatte. Neben seinem und Bokutos Namen, diversen Hashtags zum Team der Black Jackals und Eigenkreationen der Fans stand da #HübscherReporter und #BokutosHübscherReporter. Einige hatten dazu kommentiert wie süß das sei, andere lachten sich schlapp und wieder andere reagierten ungläubig oder suchten gemeinsam in langen Threads nach einer sachlichen Erklärung. Seine eigene Followeranzahl war um einige hundert gestiegen. Vermutlich waren sie von Bokuto zu ihm herüber geschwappt. Kuroo legte sein Handy mit dem Display nach unten auf der Arbeitsfläche neben der Kaffeemaschine ab und fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht. Das war eine Menge Aufmerksamkeit, die er in dieser Form weder wollte noch brauchte. Wenn er Glück hatte starb es genau so schnell wieder, wie es begonnen hatte, aber viel Hoffnung machte er sich nicht. Bisher hatte er keine ausschließlich negative Reaktion bemerken können, aber das konnte sich noch drehen. Mit einem Seufzen drückte er endlich den Knopf an seiner Kaffeemaschine. Irgendwie war er jetzt für seinen Tag noch weniger bereit als vorher. * * * „Da bist du ja endlich! Wieso antwortest du denn nicht auf meine Nachrichten? Ich hab mir Sorgen gemacht!“ Oikawa sprang von seinem Platz am Empfang auf, als Kuroo die Eingangshalle durch die Drehtür betrat. Beinah hätte er wieder kehrt gemacht, als er die übertriebene „Fürsorge“ im Gesicht des anderen sah. Er sah ein bisschen aus wie seine Mutter damals, als sie ihn einmal in der Mittelschule hatte abholen müssen weil er sich übergeben hatte. Es war genau so gekünstelt. Da war wohl wieder jemand in seinen dramatischen fünf Minuten. „Vielleicht habe ich dir nicht geantwortet, weil ich im Gegensatz zu dir geschlafen habe. Und als ob du dir Sorgen um mich machen würdest, so ein Blödsinn“, sagte er mürrisch und machte sich direkt auf den Weg durch die Drehkreuze hin zu den Aufzügen. „Jetzt warte doch mal! Du kannst mich doch nicht einfach so hängen lassen, ich will mehr Infos!“ Damit war Oikawa hinter dem Empfangstresen hervor gesprungen und kam zu ihm gelaufen, sobald Kuroo hinter der Absperrung war. Er drückte den Knopf um einen der Aufzüge zu rufen, musste aber zu seinem Leid feststellen, dass gerade keiner in der Nähe war. „Hast du nicht zu arbeiten?“, fragte er und warf einen Blick über seine Schulter zurück zum Empfang wo tatsächlich ein paar Leute standen um sich für Termine anzumelden. Allerdings wurden die bereits von Oikawas Kollegen betreut. Abgesehen davon ignorierte der andere einfach seine Bemerkung und machte da weiter wo er aufgehört hatte. „Hat er dir wirklich gesagt, dass du 'verdammt hübsch' bist? Irgendwie versteht man es auf den Aufnahmen so schlecht.“ Oikawa lehnte sich gegen die Wand neben den Aufzügen und betrachtete Kuroo aufmerksam, sichtlich über dessen Unwillen zu reden amüsiert. Dieser starrte nun auf die Anzeigen der Fahrstühle und hoffte, dass sich bald einer in seine Richtung bewegte. Schließlich nickte er mit einem ergebenden Seufzer, als die Aufzüge erneut in den oberen Stockwerken anhielten. Er würde den anderen ja sowieso nicht abschütteln können. „Uhhh! Und? Was hast du zu ihm gesagt?“, fragte der Rezeptionist und beugte sich etwas vor. Wie erwartet war seine Antwort auf Bokuto aus allen Aufnahmen im Internet herausgeschnitten worden. Und bei denen, wo man zumindest noch erahnen konnte dass er danach etwas sagte, hörte man ihn entweder nur einatmen oder noch ein leises aber durchaus dämliches „Ähm“ von sich geben, an das er sich aus seinem Mund gar nicht erinnern konnte. „Hast du etwa meinen Beitrag nicht gesehen?“, fragte Kuroo gespielt bestürzt und drehte den Kopf mit einem passenden Blick zu dem anderen neben sich. Damit wollte er bloß vom Thema ablenken. Er hatte keine Lust sich darüber zu unterhalten, schon gar nicht mit Oikawa, der nur wieder versuchte irgendwo irgendwas hineinzuinterpretieren, doch der andere durchschaute ihn natürlich. „Du weißt, dass ich mir dieses halbherzige Geplänkel nicht gebe. Mach die Analysen oder den Livekommentar, dann schau ich mir dich vielleicht auch mal im Fernsehen an“, stichelte der andere und wischte Kuroos Bestürzung mit einer Handbewegung weg, klang danach aber gleich versöhnlicher. „Außerdem muss ich die Knirpse auf ihr erstes offizielles Spiel am Wochenende vorbereiten, ich hab nur den Liveticker des Spiels mitbekommen. Grausam! Und jetzt lenk nicht ab! Was hast du zu ihm gesagt?“ „Nichts“, antwortete Kuroo nur nach einem kurzen Moment der Stille und zuckte mit den Schultern. Der andere sah ihn an und blinzelte irritiert. „NICHTS?!“ Oikawas Stimme hallte an den Steinwänden der Eingangshalle wider. Seine Kollegen am Empfang drehten die Köpfe zu ihm, genau wie einige Gäste und ankommende Mitarbeiter. Kuroo seufzte und wünschte der Boden würde sich auftun. „Dieser Gott von einem Mann sagt dir, dass er dich hübsch findet und du sagst nichts?!“ Der andere klang immer noch als könnte er nicht glauben, was er da hörte. Kuroo biss die Zähne aufeinander. Was hätte er denn sonst machen sollen? Wieder sah er Bokutos Lächeln vor sich und kurz dachte er tatsächlich darüber nach was wäre, wenn er wirklich der Grund dafür gewesen war. Kurz schloss er die Augen und schob diesen Gedanken ganz weit von sich weg. „Er kam frisch vom Spielfeld, war völlig erledigt und vermutlich auf Schmerzmitteln. Du glaubst doch nicht wirklich, dass diese Aussage aus einem klaren Verstand heraus passiert ist. So habe ich das in etwa als Kommentar abgegeben, und gut ist“, erklärte er und sah schon, wie dem anderen diese Aussage nicht zu schmecken schien. „Wie kommt es eigentlich, dass du einen anderen Mann als diesen Fitnesstrainer der Nationalmannschaft auf 'Gott' bezeichnest?“ Nun versuchte Kuroo den Spieß direkt umzudrehen und Oikawa ins Rampenlicht zu stellen. Zu seinem Pech öffnete sich einer der Aufzüge – den er eben noch so herbeigesehnt hatte – in diesem Moment mit einem leisen 'Ping' seine Türen und entließ seine Passagiere ins Erdgeschoss. Das Schicksal schien im Moment nicht auf seiner Seite zu sein. Hoffentlich zog sich das nicht durch den Tag. „Weil ich einen attraktiven Mann als solchen erkennen und wertschätzen kann. Und was, wenn das so ist wie mit Betrunkenen und Kindern? Die sagen doch angeblich immer die Wahrheit“, argumentierte Oikawa mit einem Schulterzucken und kam an die Aufzugtür, durch die Kuroo und einige andere Leute getreten waren. „Und so sehr du es nicht hören willst: Ich finde er hat recht.“ Der angesprochene betrachtete den Rezeptionisten einen Moment skeptisch. Wieder klang der andere wie seine Mutter, nein, eher wie seine Oma. Schließlich seufzte er, drückte den Knopf des zwölften Stockwerks und schüttelte den Kopf. „Ich hole später wieder Kaffee. Pause wie immer?“, fragte Oikawa in einem wieder etwas versöhnlicheren Tonfall. Ihr Gespräch war hier zumindest beendet, aber Kuroo ahnte dass es später mit seiner Bohrerei weitergehen würde, sagte dazu aber nichts. „Ich habe gleich ein Meeting bis um ein Uhr, aber die anderen sollten da sein“, sagte er und erhielt einen Daumen nach oben von Oikawa, ehe sich die Tür vor seiner Nase schloss. * * * Asahi betrachtete ihn mit seinem üblichen besorgten Blick, Yachi saß neben ihm an dem langen Tisch und tippte auf ihrem Laptop das Protokoll des Meetings mit. Anabara, Naoi und Daisho waren bereits gegangen. Der Produzent, die Regie, Yachi als Planungsassistenz und Azumane vom Editor Team blieben mit ihm zurück, da sie danach wohl noch weitere Themen besprechen mussten. Das Meeting war wie immer ausgegangen. Die Wochenzusammenfassung für den Volleyballteil in der Sportschau am Sonntag bekam Daisho, nicht er. Das Interview mit den Adlers, die diese Saison als Favoriten galten, für das Extra bekam ebenfalls Daisho. Dafür musste er die Zusammenfassung der gelaufenen Spiele in diesem Monat für das Editor Team schreiben und bei der Planung mithelfen. Wieder hatte er nicht aus diesem Kreislauf ausbrechen können. Wie er diese Hilfsarbeit hasste. Er versuchte wirklich es sich nicht anmerken zu lassen und war etwas erschrocken, als der Projektleiter ihn bat noch zu bleiben. Hatte man doch etwas gemerkt? War es jetzt raus, dass er Daisho für sein Geschleime am liebsten eine verpassen würde. Das Schlimmste war ja, dass sein Schleimen funktionierte. Zumindest sah Kuroo das so. „Ich wollte dir nur sagen, dass du das gestern Abend wirklich vorbildlich gelöst hast“, sagte der Produzent mit einem Lächeln und Kuroo blickte ihn überrascht an. „Es zu ignorieren wäre für manche die sicherere Option gewesen, aber mit deinem Charme hast du das ganze wunderbar überspielt.“ „Vielen Dank“, sagte er und versuchte sich seine Irritiation nicht anmerken zu lassen. War das wirklich alles? Es verunsicherte ihn, dass dieser immer ernste und strenge Mann lächelte und seinen Charme lobte. Wollten sie ihn von seinem Posten abziehen? War es wie damals in der Schule? Erst positive die Kritik nach einem Vortrag, dann das Messer in den Rücken stechen und die überraschend schlechte Note für seine Mühen in ein Lächeln verpacken? „Der Pressesprecher und der Kapitän der Black Jackals haben heute Morgen auch bei uns angerufen, um sich persönlich zu entschuldigen und dafür zu bedanken, dass du so reagiert hast“, sagte er. „Dein Kommentar hat das ganze auch für Kotaro Bokuto weniger peinlich gemacht.“ Kuroo gab einen zustimmenden Laut von sich, da er nicht wusste, was er sonst zu sagen sollte. Diese Situation hier war seltsam absurd und hier zu sitzen wurde ihm jeden Moment unangenehmer. „Ich weiß auch, dass du gern die Zusammenfassung moderiert hättest, aber durch diesen Zwischenfall bist du leider ausgeschieden. Natürlich nicht wegen dir, aber jemand anderes könnte die Sache wieder aufgreifen und einen Strick daraus drehen, ob nun für dich, Bokuto oder uns.“ Nichts als Entschuldigungen, die in seinen Augen noch nicht einmal wirklich Sinn ergaben. Nicht wegen ihm, natürlich nicht... Selbst wenn alles wie am Schnürchen gelaufen wäre hätte er den Beitrag nicht bekommen. Also war alles wie immer und trotzdem nickte er nur verständnisvoll. Diskutieren würde ihm bei diesen alten Dickköpfen nicht weiter bringen und er hing zu sehr an seinem Job, um sich mit ihnen anzulegen. Daraufhin wurde er aus der Besprechung entlassen. Kaum war die Tür hinter ihm zu gefallen seufzte er genervt auf und ging direkt zu seinem Schreibplatz auf dem gleichen Stockwerk. Es war verhältnismäßig laut im Großraumbüro, viele machten ihre Pause direkt am Platz, einige waren bereits aus der Pause zurück und unterhielten sich noch mit Kollegen, es war schließlich Mittagszeit. Kuroo war dagegen der Hunger vergangen. Er hatte zwar mit diesem Ausgang des Meetings gerechnet, aber es änderte nichts daran, dass er sich jedes Mal darüber ärgerte. Über Daishous Schleimerei, und seine eigene Feigheit den Mund auf zu machen. Irgendwann würde er davon noch ein Magengeschwür bekommen. Murrend ließ er seine Unterlagen auf seinen Schreibtisch fallen und betrachtete den traurigen Fertigsalat aus dem Supermarkt, der da neben einem Becher aus dem kleinen Café an der Ecke stand auf den ein Herzchen mit Marker gemalt worden war. In diesem Moment landete noch ein Schokoriegel auf dem Deckel der Salatpackung und er sah auf. „Oh je, dein Blick sagt alles. Gut, dass ich noch mal zum Automaten für was Süßes gegangen bin“, sagte Terushima und bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick, der nicht zu seinem Grinsen passen wollte. Der andere musste nicht fragen um zu wissen was los war. Es war schließlich immer die gleiche Leier nach diesen Meetings und Kuroo ging sich ja schon selbst damit auf die Nerven. Er seufzte noch einmal, schüttelte dann aber die schlechte Laune so gut es ging ab. „Ist der Salat auch von dir?“, fragte er ungläubig. Wenn Terushima ihm Essen brachte war es meist etwas fettiges, ungesundes mit viel zu viel Panade. „Nope! Den hat dir Oikawa mit dem Kaffee mitgebracht, nachdem du wieder 'Ohne einen einzigen Bissen zu essen' gekommen bist“, sagte der andere und ahmte dabei ihren Freund nach. Trotzdem war Kuroo dankbar. Oikawa bemerkte immer ob er nur seine Laptoptasche oder auch seinen Rucksack dabei hatte und brachte immer etwas zu essen für ihn mit oder beauftragte jemanden aus ihrer Gruppe etwas zu besorgen, wenn ersteres der Fall war. Meist dachte er selbst gar nicht daran und bemerkte es erst wenn sie alle gemeinsam Pause machten. „Wir sind noch auf der Terrasse, kommst du mit?“ Kuroo blickte noch einmal auf seine Uhr, dann auf das mitgebrachte Essen. Kurz haderte er, allerdings würde er es später bereuen, wenn er nichts aß. Außerdem hatte Okiawa sicher schon alle, die wenig bis keine Twitterpräsenz hatten, darüber informiert, was dort am letzten Abend geschehen war. Es gab also so oder so kein entkommen. Und vielleicht heiterten ihn die Kommentare seiner Freunde und Kollegen ja etwas auf. Kuroo sammelte die Lebensmittel von seinem Schreibtisch auf und deutete dem anderen an vor zu gehen. Kaum traten sie durch die Tür auf die begrünte Terrasse hinaus hörte er Tanaka seinen Namen jubeln und Nishinoya stieg mit einer Wolf Whistle ein. Er verdrehte zwar die Augen, aber wie erwartet wuchs ein Grinsen auf seinem Gesicht. Von hier an konnte es nur besser werden. * * * Zwei Tage später stand er an der Drucker-Kopiekombination im kleinen Geräteraum des Stockwerks und versuchte eben dieses Gerät dazu zu überreden einfach seinen Artikel auszudrucken, damit er ihn ein letztes Mal lesen und überarbeiten konnte. „Was bekomme ich von dir, wenn ich die Sache mit dir und Bokuto nicht in der Zusammenfassung anspreche?“ Kuroo hob den Blick von der Anzeige und drehte sich zu der Stimme um. Dort stand Daisho an den den Türrahmen gelehnt und betrachtete gespielt gelangweilt seine Fingernägel. Einen Moment lang starrte er den anderen Mann an, der schließlich seinen Blick hob und frech zu grinsen begann. „Keine Nackenschelle, das bekommst du“, sagte Kuroo trocken und sammelte das Papier auf, dass der Drucker endlich ausgespuckt hatte. Leider hatte sich auch Twitter nach diesem Vorfall immer noch nicht beruhigt, eher im Gegenteil. Da sich Bokuto persönlich bisher nicht öffentlich dazu geäußert hatte, sondern nur das PR-Team der Black Jackals, gingen die Spekulationen was dieser Kommentar zu bedeuten hatte wild weiter. „Warum denn gleich mit Gewalt drohen?“, fragte Daisho und lachte auf als hätte Kuroo gerade den Witz des Jahres gerissen. Innerlich verdrehte er die Augen und hoffte, dass der andere einfach ging. Er hatte keine Lust sich mit ihm herumzuschlagen. Daisho hatte doch alle Aufträgen bekommen, die man sich wünschen konnte. Reichte es ihm mittlerweile nicht mehr Kuroo seine Träume vor der Nase wegzuschnappen? Musste er jetzt auch noch anfangen nach ihm zu treten, während er am Boden lag? Reagierten seine Gedanken gerade nicht etwas zu dramatisch? Oikawa färbte wohl langsam auf ihn ab. „Warum so bitter, Kuroo? Hast du seine Nummer nicht bekommen?“, setzte der andere nach, nachdem er nicht geantwortet hatte. Mit dieser Bemerkung begann er zu ahnen, woher der Wind wehte. Dieses Spiel wollte er also wieder spielen. Kuroo klopfte den Papierstapel mit mehr Schwung auf den Deckel des Kopierers als unbedingt nötig, um die Seiten zu ordnen. Danach drehte er sich langsam mit einem süffisanten Lächeln um. „Warum so interessiert an meinem Liebesleben, Daisho? Lässt dich Mika wieder mal nicht ran? Oder hat sie dich diesmal endgültig vor die Tür gesetzt?“, imitierte er den Tonfall des anderen. Das Grinsen im Gesicht seines Gegeübers verschwand sehr plötzlich. Ups, hatte er etwa den korrekten Nerv getroffen? Sie kannten sich mittlerweile lang genug, dass Kuroo es geradezu riechen konnte, wenn das Paar sich wieder einmal gestritten hatten. Wirklich selten passierte das ja auch nicht gerade und Daisho wurde dann immer so streitlustig. Leider vertrug er nur geringe Dosen seiner eigenen Medizin. Bevor der andere zum Gegenangriff ansetzten konnte begann allerdings jemand zu lachen und rief 'Burn!'. Terushima tauchte hinter ihm in der Tür auf und klopfte Daisho vielleicht etwas zu fest auf den Rücken, da dieser seinen Halt am Türrahmen verlor und einen Schritt nach vorn machen musste. „Ist es mal wieder so weit? Was hast du diesmal angestellt, na?“, fragte der blonde und während Daisho stotternd irgendwas davon zu erzählen begann, dass das was Kuroo eben gesagt hatte nicht stimmte und er gar nichts gemacht hätte, schob sich eben dieser an den beiden vorbei zurück in den Bürobereich. Terushima ließ allerdings nicht locker und würde den armen Daisho auch nicht in Ruhe lassen, bis er jedes Detail kannte und seine absolut unnützen Beziehungstipps gegeben hatte. Einen kurzen Moment fühlte er sich tatsächlich schlecht. Warum hatte er das bloß gesagt? Zu seiner eigenen Verteidigung musste Kuroo aber sagen, dass er nicht gewusst hatte dass Terushima hier herumlungerte. Eigentlich sollte dieser gar nicht hier oben sein. Von daher war er nicht an dieser Situation schuld. Und Daisho hatte es sicher auch verdient, wenn er schon versuchte Kuroo in dieser, für ihn schrecklichen Woche ans Bein zu pinkeln. Andererseits... Daisho ging es gerade sicher auch nicht blendend, wenn er sich wirklich wieder mit Mika gestritten hatte. Gesund waren diese häufigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen sicher nicht, aber er wusste wie sehr die beiden eigentlich aneinander hingen. Kuroo seufzte und drehte sich noch einmal zu den beiden Männern um. Er war ja so ein herzensguter Mensch... „Yuuji, hast du nicht was zu tun? Yachi hat dich vorhin gesucht. Ich glaube du solltest runter ins Studio kommen“, sagte er in den Raum hinein, wo der angesprochene bereits einen Arm um sein Opfer gelegt hatte. Beide drehten den Kopf zu ihm, Daisho überrascht, Terushima mit begeisterter Neugier. „Oho! Sie hat es geschafft dir gegenüber einen ganzen Satz zu formulieren?“, fragte er und klang beeindruckt. In Meetings war Yachi sehr professionell, allerdings sprach sie dort auch so gut wie nie und führte fein säuberlich Protokoll. Außerhalb der Meetingräume war sie immer noch sehr nervös, auch wenn sie nicht erst seit gestern hier arbeitete. Mit der Zeit verbesserte sie sich aber stetig. Manche Leute schienen ihr allerdings mehr Angst zu machen als andere und leider war Kuroo wohl einer von ihnen. „Nicht wirklich, aber ich konnte es mir aus 'Shima', 'Praktikant' und 'Studio' irgendwie zusammenreimen“, antwortete er und Terushima ließ Daisho endlich los. Stattdessen kam er nun zu ihm und legte einen Arm um seine Schultern, nachdem er sich noch schnell von dem anderen verabschiedete. Der wirkte sichtlich erleichtert den blonden endlich los zu sein, würde Kuroo aber natürlich nicht dafür danken. „Du schaust einfach zu bedrohlich“, sagte er und machte sich an Kuroo gelehnt auf den Weg zurück zu dessen Platz, Daisho hatte er mit einem Mal ganz vergessen. Kuroo schnaubte, aber vermutlich hatte der andere recht. „Dann mach dich endlich auf den Weg. Nicht dass sie noch nervöser wird, weil sie dich nicht finden kann“, sagte er und schüttelte Terushimas Arm ab. „Ok, ok! Wir sehen uns später, mein hübscher Reporter!“ Mit einem Zwinkern – was Kuroo einem genervten Seufzer entlockte – verschwand der andere Mann in Richtung der Aufzüge und ließ ihn endlich allein. Das würde er sich für immer anhören dürfen. Sogar seine Schwester, die kein Interesse an Volleyball hatte, kein Twitter nutze und keine Ahnung hatte wer Kotaro Bokuto war hatte ihm heute morgen ein Foto eines Ausschnitts in einer Klatschzeitschrift, die sie beim Arzt aus Langeweile hatte lesen müssen, per Nachricht geschickt. Noch lief das ganze unter der Rubrik „Peinliche Ausrutscher!“ und der Artikel bestand bloß aus drei kleinen Sätzen. Wenn es nicht mehr wurde, perfekt! Er hatte keine Lust sich mit seiner Mutter darüber auseinander zu setzten, wie es seine Schwester bereits prophezeite, nachdem er ihr die ganze Situation hatte schildern müssen. Kuroo ließ sich an seinem Schreibplatz nieder und seinen ausgedruckten Artikel auf den Tisch vor sich fallen, als das kleine, rot blinkende Licht seines Telefons seine Aufmerksamkeit auf sich zog. Na toll, hatte er nicht schon ohne Leute die ihn von seiner Arbeit abhielten genug zu tun? Vielleicht hörte es auch wieder auf, wenn er nur lang genug wartete? Er zählte bis zehn aber die Person am anderen Ende der Leitung war sehr entschlossen ihn zu erreichen. Also schön. Kuroo atmete einmal tief ein und nahm den Hörer ab. Noch bevor er sich jedoch melden konnte vernahm er Oikawas entschuldigenden Tonfall. „-achricht hinterlassen? Oh, Moment, ich glaube da ist er! Kuroo?“ Sofort wechselte die Stimmung des Rezeptionisten und er klang geradezu begeistert. Der angesprochene zog zweifelnd die Augenbrauen zusammen und beobachtete die bunten Schleifen seines Bildschirmschoners vor sich. „Ja, was ist los? Du rufst doch sonst nie an und kommst einfach hoch“, sagte er und der andere kicherte. Es war dieses nervige kichern, wenn er meinte etwas zu wissen was andere nicht wussten. „Komm bitte mal runter, mein Lieber, du hast Besuch“, sang er förmlich und Kuroo verdrehte die Augen. Wer könnte ihn denn auf der Arbeit besuchen kommen? Lang musste er nicht überlegen, es fiel ihm nur eine Person ein, auch wenn sie heute keinen Grund dazu hatte. „Sag meiner Schwester bitte, dass ich keine Zeit habe und dass sie das ganz genau weiß“, sagte er und seufzte. Die Frau hatte sogar mit einem Kleinkind noch zu viel Zeit, wenn sie wieder einmal meinte hier unangemeldet aufzuschlagen. Das geschah nicht oft aber es war eine unliebsame Eigenschaft von ihr. „Es ist nicht deine Schwester! Komm runter!“ „Wer ist es dann?“ Er hatte keine Lust umsonst seine Arbeit hier liegen zu lassen, nur weil irgendjemand seinen Namen aufgeschnappt hatte und ihm jetzt sonst was andrehen wollte. Wäre nicht das erste Mal. Normalerweise wehrte Oikawa diese Leute aber immer ab und es waren eher die neuen an der Rezeption, die noch darauf rein fielen. „Komm. Runter. Jetzt!“ Der Befehlston des anderen ließ ihn erneut seufzen und er legte mit eine 'Ok,ok!' auf. Er erhob sich wieder von seinem Platz, nahm das Band mit seinem Ausweis vom Tisch und hing es sich um den Hals bevor er sich auf den Weg zu den Aufzügen machte um zur Rezeption zu fahren und seinen Besuch in Empfang zu nehmen. Wenn es nicht seine Schwester war, wen würde Oikawa zu ihm lassen oder besser gesagt ihn dafür sogar zu sich zitieren? Auf seinem Weg zum Erdgeschoss ging er sämtliche Möglichkeiten durch, aber ihm wollte niemand einfallen. Schon seltsam, dass der andere ihm auch nicht verraten wollte wer es war. Irgendwie wurde ihm mulmig. Endlich taten sich die Aufzugtüren wieder auf. Er trat hinaus in die Eingangshalle und sah... niemanden? Sein Blick wanderte rüber zum Empfangstresen, wo Oikawa gerade etwas auf seinem Handy tippte, während sein Kollege neben ihm am telefonieren war. In wenigen Schritten stand er hinter dem anderen. „Hier bin ich. Also, was ist los? Ich dachte es wäre jemand da?“, fragte er. Hatte Oikawa nur wieder versucht ihn zu mehr Bewegung am Arbeitsplatz zu bringen? Der angesprochene drehte sich mit einem wissenden Grinsen zu ihm um. Da war wieder dieses mulmige Gefühl. „Außenrum, hinten bei den Stühlen“, sagte er, wieder ohne weitere Erklärung. War es doch seine Schwester und sie wollten ihn nur verarschen? Würde zumindest zu ihnen passen. Hätte er die beiden doch nur nie einander vorgestellt... Mit einem Seufzen schlängelte er sich also durch das Drehkreuz hinaus und ging einmal um den Empfang herum. Auf der anderen Seite, parallel zu den Drehkreuzen, war ein kleiner Wartebereich mit Sitzmöglichkeiten eingerichtet, der Teilweise vom hohen Tresen verdeckt wurde. Dort saß auf den ersten Blick niemand. Erst als er den ganzen Bereich einsehen konnte saß da jemand auf einem der Stühle, die direkt am Marmor standen. Der Mann, zumindest schien es von der Statur her ein Mann zu sein, trug einen dunkelblauen Hoodie dessen Kapuze er so weit übergezogen hatte, dass Kuroo sein Gesicht nicht sehen konnte. Er saß etwas nach vorn gelehnt da, ein Bein ausgestreckt, das andere wippte angewinkelt unter dem Stuhl. Er trug eine Schiene über der grauen Jogginghose am Knie des ausgestreckten Beins. Das war mal neu. Normalerweise traf er bei seiner Arbeit eher auf Menschen in Anzügen. Kuroo hatte keine Ahnung wer das sein sollte, aber er würde gleich erfahren, wer ihn mitten am Tag in Jogginghose und Kapuzenpullover besuchen kam. „Hallo, Sie wollten mich sprechen?“, fragte er höflich und setzte sein charmantestes Lächeln auf. Er machte sich auf alles gefasst als die Person fast erschrocken den Kopf zu ihm drehte, scheinbar hatte er ihn nicht kommen hören. Allerdings war er nicht darauf vorbereitet, dass sich zwei große goldene Augen auf ihn richteten und Kotaro Bokuto ihn einen Moment wie ein Reh im Scheinwerferlicht ansah. Unter seiner Kapuze lugten die hellen Strähnen seines Haars hervor. Nach seinem kurzen Schreck machte sich sein berühmtes strahlendes Lächeln auf seinem Gesicht breit. Er wirkte müde und doch schien er vor Energie geradezu zu vibrieren. Bokuto hatte den Spitznamen 'Beam Weapon' nicht umsonst und im Raum schien es heller zu werden. Es war das erste Mal, dass er seine Grübchen, die immer nur bei seinem breitesten Lächeln auftauchten, aus der Nähe sah. „Hi!“, sagte der andere und nun war Kuroo es, der ihn anstarrte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)