Road Trip through Hell von Arcturus ================================================================================ Haus des Hades -------------- Unsere Geschichte beginnt am Ende einer langen Arbeitstages.  Ermattet von den immer gleichen Klagen der Sterblichen kehrt der Gott des Todes in die Unterwelt zurück. Sehr zu seiner Überraschung findet er im Westflur des Hauses jedoch nicht die ihm so vertraute Ruhe vor, sondern seinen geliebten Prinzen, der sich wie die Göttin der Liebe auf seinem Ruhesessel räkelt - nur in deutlich mehr Kleidungsschichten gehüllt.   Thanatos stockte - und das nicht nur wegen Zagreus. (Auch wenn es sicher nicht half, dass Zagreus seinen Chiton so auf seiner Schulter drapiert hatte, dass er bei jeder Bewegung herunterzurutschen drohte.) Er spähte zum Balkon.  Nichts.  Auch nicht hinter ihm.  Nicht über ihm.  Selbst ein Blick den Flur hinab offenbarte nichts ungewöhnliches. Nur Statuen, Teppiche und den ganzen anderen Kitsch, den Zagreus hatte aufstellen lassen. Sonst … nichts. Keine Dusa. Keine tuschelnden Schatten. Nicht einmal Achilles war auf seinem Posten. Nur Hades’ Schreibfeder kratzte irgendwo im großen Saal über Pergament. “Hörst du das auch?” Zagreus runzelte die Stirn. Ohne sich vom Fleck zu bewegen, drehte er sich um und spähte den Gang entlang. Fast war es Thanatos so, als gelte seine Aufmerksamkeit der Büste eines alten Mannes, doch sein Freund kommentierte die Geste nicht. Nach einem kurzem Augenblick zuckte Zagreus mit den Schultern. Unter leisem Stoffrascheln drehte er sich zurück. “Nein.”  Einen Moment starrten sie einander an. Sie waren sich beide sehr wohl bewusst, dass Zagreus’ Chiton nun mehr betonte, als er verdeckte.  Es war Zagreus, der den Blick zuerst senkte, wenn auch nur, um zu seiner entblößten Schulter zu blicken. Gedankenverloren zupfte er an seinem Chiton. “Denkst du, ich sollte mich in weniger Kleidungsschichten räkeln?” Thanatos öffnete den Mund, schüttelte dann aber nur den Kopf. Nein. Das warf mehr Fragen auf, als es beantwortete. “Was?”, fragte Zagreus unschuldig. “Ich dachte, wir könnten eine Pause beide gut gebrauchen.” Thanatos zog die Augenbrauen hoch. Zagreus zuckte erneut mit den Schultern. Nur seine Hand hielt seinen Chiton davon ab, noch weiter zu rutschen. “Lernie hat mich vorhin übel erwischt.” “Und jetzt erwartest du, dass ich es mir ansehe?” Ein Lächeln umspielte Zagreus’ Lippen. Zugegeben, die Frage hätte er sich sparen können. Natürlich sollte er sich die langsam verblassende Bissspur ansehen, die er unter dem Chiton nur erahnen konnte. Die und noch viel mehr. “Warum nicht?” “Im Westflur?” Zagreus öffnete den Mund, doch was auch immer er zu sagen hatte, ging in der Stimme seines Vaters unter. “Junge!”, bellte Hades, laut genug, um durch das gesamte Haus zu schallen. “Das ist weder die Zeit, noch der Ort dafür! Vor allem nicht der Ort. Wenn du sonst nichts mit deiner Zeit anzufangen weißt, dann geh und mach dich nützlich!” Zagreus zog eine Grimasse. “Ugh”, raunte er, “das hat er gehört?” Zur Antwort verdrehte Thanatos die Augen. “Du weißt, der Flur hat keine Tür?” Sein Freund erwiderte seinen Blick, beinahe so, als wolle er ihn herausfordern. Thanatos blickte so stoisch wie möglich zurück. Auch wenn die Zeit in gewissen Schlafgemächern es ihn so manches Mal vergessen ließ, so hatte er sehr wohl Prinzipien. Und der zugige Westflur, in dem er seinen Bruder zuweilen schnarchen hören konnte, war eine davon. Es war Zagreus, der schließlich einknickte.  “Erinnere mich daran, dass ich eine in Auftrag gebe.” Missmutig zog sein Gegenüber seinen Chiton wieder auf seine Schulter. Einen Augenblick lang sah er so aus, als erwarte er, dass Thanatos einfach wieder verschwinden würde. Und einen Augenblick lang dachte Thanatos an, genau das zu tun. Beinahe, als sei es eine Antwort auf Thanatos’ Pläne, seufzte Zagreus. Er klang so theatralisch wie sonst nur die Musen in Apollos Theater. Thanatos wusste, er sollte gehen. Doch er wusste auch, dass keiner von ihnen wollte, dass er ging. “Wie lautet Plan B?” Zagreus Miene hellte sich auf. “Ähm, also weißt du”, begann er und warf einen verschwörerischen Blick Richtung des großen Saales. “Ich habe vorhin mit Dusa gesprochen. Sie ist es, die sich um Kerb kümmert. Du weißt schon. Sie füttert ihn und sie striegelt ihn. Sie schrubbt sogar die Schattenflecken aus seinem Bettchen. Und … ich hab ein bisschen Sorge, dass er sie im Eifer des Gefechtes irgendwann mit einem Bällchen verwechselt.” Thanatos legte den Kopf schief. “Du willst Kerberos’ Lager schrubben?” “Äh … nein.” Zagreus klang milde empört. “Ich dachte, wir könnten mit ihm Gassi gehen.” “Du willst mit ihm … Gassi … gehen?”, fragte er. Bei jedem seiner Worte zog er die Augenbrauen ein wenig höher. Zagreus schien seine Skepsis entweder nicht zu bemerken, oder zumindest demonstrativ zu ignorieren. Er nickte begeistert. “Durch die Unterwelt, ja. Schatten verbuddeln, Alecto annagen, gegen Vaters Urnen pinkeln. Sowas halt. Er mag das. Und wir waren ewig nicht mehr zusammen unterwegs.” Thanatos versuchte, sich die Szene vorzustellen. Zag und Kerberos unterwegs im Tartarus. So sehr er sich auch bemühte - vor seinem inneren Auge war es nicht Kerberos, der gegen irgendwelche Urnen pinkelte.  “Also? Komm schon, Than. Das wird Spaß machen!” “Gassi gehen oder das Reich deines Vaters zu verwüsten?” “Beides!” Zag strahlte. “Also? Gehen wir.” Thanatos seufzte schwer. Er mochte die gelegentlichen Treffen in der Unterwelt. Die Wettstreite. Die Flirts. Die Zeit weg von all den neugierigen Augen des Hauses. Aber das hier? Das würde er bereuen. “Fein.” Begeistert sprang Zagreus von seinem Ruhesessel. Für seinen Geschmack ein wenig zu begeistert. Sein Chiton rutschte erneut von seiner Schulter. Dieses Mal gewährte er Thanatos einen Blick auf Zags muskulösen Rücken. “Wer zuerst bei Kerb ist!”  Eifrig schob Zagreus den Chiton wieder hoch. Einen Augenblick später waren dort, wo er eben noch gestanden hatte, nur noch Brandstreifen. Thanatos konnte ihn hören, wie er sich mit quietschenden Füßen und unter dem protestierenden Stöhnen seines Vaters mit einem “Wer ist ein guter Junge? Du bist ein guter Junge!” auf den Wächter der Unterwelt stürzte. Ja, Thanatos war sich sicher. Er würde das hier definitiv bereuen. Die Frage war nur noch, wie.   Die Erkenntnis, dass er, nur weil er der Gott des Todes ist, nicht immer weise Lebensentscheidungen trifft, wiegt schwer auf Thanatos Schultern. Die Entscheidung jedoch ist längst getroffen, die Zusage längst gemacht. Und so bleibt ihm nichts anderes übrig, als seinem Prinzen zu folgen.   Thanatos sah sich um. Da war immer noch niemand. Oder? Beim Balkon? Nein. Bei den Statuen? Nein. Unter dem Teppi- Nein. Er schüttelte den Kopf und folgte seinem Prinzen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)