DEATH IN PARADISE - 02 von ulimann644 (Mord, Lügen und Video) ================================================================================ Kapitel 6: Teamwork ------------------- Lyonel Bonnet machte einen schweigsamen Eindruck auf Florence Cassell und Sarah Dechiles. Nachdem er die beiden Polizistinnen in den Wohnbereich seiner Villa gebeten hatte, hörte er sich stumm an, weswegen sie ihn aufgesucht hatten. Erst, als sich Florence nach seinem Alibi erkundigte, sagte er: „Ich war bei einer Dame. Auf der anderen Seite der Insel. Diese Dame ist eine verheiratete Touristin, deshalb wäre es nicht gut…“ „Gut oder nicht – wir brauchen für die Bestätigung Ihres Alibis den Namen dieser Person“, unterbrach ihn Sarah Dechiles forsch, was einen mahnenden Blick ihrer Vorgesetzten nach sich zog. Florence Cassell hakte, etwas weniger emotional ein: „Wenn Sie den Namen nicht nennen wollen, gelten Sie als Tatverdächtiger in einem Mordfall. Ich hoffe, Sie wissen was das heißt, Sir.“ Mit finsterer Miene griff der Mann zu einem Adressbuch, das auf dem Tisch lag, schlug einige der Seiten um und gab dann Auskunft: „Ihr Name ist Jennifer Greyson. Sie macht im Sundown-Ressort mit ihren Freundinnen Urlaub. Die Polizistinnen notierten die Daten und Florence erkundigte sich danach: „Was können Sie uns über das Verhältnis der anderen Video-Darsteller zu dem Ermordeten sagen? Gab es irgendwelche Spannungen?“ „Mehr als genug“, platzte der Endzwanziger heraus. „Coralee hatte Streit mit Rodriguez, weil sie mehr Geld wollte. Dann ist da Silvana, die ihn unbedingt heiraten wollte, nachdem sie von ihm schwanger geworden war. Als er sie abblitzen ließ, trieb sie das Kind ab. Seitdem hat es zwischen beiden nur noch so gefunkt. Yandel hingegen war mächtig eifersüchtig auf Rodriguez, weil er für Céline Durand schwärmt. Doch die hatte nur Augen für Rodriguez. Beide führten seit über einem Jahr eine feste Beziehung.“ Die Ermittlerinnen hörten in demselben Moment mit ihren Notizen auf und sahen den athletischen Mann gleichermaßen erstaunt an. Es war Florence Cassell, die prüfend fragte: „Sind Sie sich absolut sicher, was diese Beziehung angeht?“ „Ich bin mir sicher. Céline hat sehr oft bei ihm übernachtet und bestimmt nicht deshalb, weil sie kein Dach über dem Kopf hätte.“ „Wie kamen Sie selbst mit Mister Rodriguez aus?“, erkundigte sich DS Cassell, wobei sie Gedanken darüber anstellte, dass sie von Seiten dieses Mannes nun die Bestätigung dafür bekommen hatten, was bereits Coralee Morgan zu berichten wusste. Relativ gut“, gab Bonnet rasch zurück. „Natürlich gab es ab und zu mal Diskussionen darüber, wie eine Szene aufgebaut sein sollte. Doch insgesamt hatten wir ein gutes Arbeitsverhältnis zueinander.“ Sarah Dechiles hakte ein: „Man kann also sagen, dass Sie keinen Streit mit dem Opfer gehabt haben? Zumindest in der letzten Zeit nicht?“ „Exakt das wollte ich damit zum Ausdruck bringen, Sergeant.“ Bevor die Frau nachlegen konnte, legte Florence Cassell kurz ihre Hand auf den Unterarm der Kollegin und sagte zu Bonnet gewandt: „Das wäre vorerst alles, Mister Bonnet. Bitte bleiben Sie vorerst auf der Insel, denn es könnte sein, dass sich noch Fragen an Sie ergeben. Selbst für den Fall, dass Ihr Alibi bestätigt werden wird.“ Sie und Sarah Dechiles verabschiedeten sich von dem Schauspieler. Auf dem Weg zum Rover meinte Florence zu ihrer Untergebenen: „Dieser Lyonel Bonnet war dabei zuzumachen. In solchen Fällen warteten meine bisherigen Vorgesetzten gerne ab, bis sich entweder neue Verdachtsmomente oder aber neue Hinweise ergeben haben.“ Sarah Dechiles nickte verstehend. „Ich wollte, der Chief würde momentan nicht auf der Strafbank sitzen, Sarge. Ich frage mich, seit seiner Suspendierung, wer den Commissioner angerufen hat. Ist er der Täter oder nur jemand, der den Täter schützen will?“ Florence sah ihre Kollegin an, wie ein Wundertier, bevor sie kurz die Augen schloss und seufzend meinte: „Da kann man mal sehen, dass ich noch eine Menge zu lernen habe, bis es zum Detective-Inspector reicht. Ich habe weder an beide Möglichkeiten gedacht, noch daran, dass beide Personen, falls der Anrufer nicht der Täter sein sollte, in irgendeiner Weise in Verbindung stehen könnten. Leider erweitert das den Kreis der Verdächtigen.“ „Und ich hatte gehofft, es würde den Kreis der Verdächtigen verkleinern, weil wir dann die Freundin des Chiefs ausschließen könnten.“ Florence Cassell warf dem Sergeant einen undefinierbaren Blick zu und es dauerte nicht lange, bis sich Erkenntnis auf dem Gesicht ihrer Untergebenen widerspiegelte. Schnell sagte Florence: „Ich habe nichts andeuten wollen.“ „Und ich habe nichts vermutet“, erklärte Dechiles hastig, wobei ihr Blick die vorangegangenen Worte Lügen strafte. Auf dem Weg zu Yandel Langevin sprudelte es dann aus Sarah Dechiles heraus: „Ich würde dem Chief so gerne helfen. Besonders, da ihm jetzt auch noch sein Privatleben um die Ohren fliegt. Wenn ich erfahre, wer dieser anonyme Anrufer ist, dann ist was los.“ Florence schmunzelte fein. „Immer mit der Ruhe, Sergeant. Wir werden dahinter kommen, wer dem Chief eins auswischen will. Sobald wir ihn haben und unsauberes Spiel nachweisen können, ist der Inspector wieder im Geschäft. Dann werden wir den Mörder jagen und am Ende überführen. Also Konzentration und Professionalität.“ * * * „Ich kann kaum glauben, dass wir schon mit dem Dach der Hütte fertig sind“, lachte Nalani Camara, als sie an demselben Abend auf der Veranda saßen. „Das passt mir hervorragend, da ich ab morgen Früh Bereitschaft habe. Mein Chief hat das gestattet, damit ich endlich mit der Renovierung meiner Wohnung beginnen kann.“ Derrick Faulkner, der ebenfalls zufrieden wirkte, nahm einen Schluck Bier und erwiderte: „So eine Suspension hat auch seine Vorteile. Sie wollen also bereits morgen Früh beginnen? Um wieviel Uhr?“ „Gleich um acht. Carpe diem.“ Das Lächeln des Mannes vertiefte sich. „Ja, nutzen wir den Tag. Ich werde dann, pünktlich um acht, bei Ihnen aufschlagen. Falls meine Suspension vorher aufgehoben werden sollte, melde ich mich vorher bei Ihnen.“ Nalani Camara öffnete den Mund. Sie sagte jedoch nichts, sondern nahm einen Schluck von ihrem Bier, bevor sie verlegen meinte: „Eben hätte ich fast gesagt Ich hoffe nicht. Dabei hatte ich nicht bedacht, wie deprimierend das für Sie sein muss.“ „Frustrierend trifft es eher“, bekannte Faulkner. „Nur deprimierend wäre es, wenn es nicht obendrein einen Mordfall geben würde, der meine Mitarbeit erfordert. Florence ist zwar sehr gut und das Team auch, doch es braucht eine Menge Erfahrung, um die Teile des Ganzen richtig zusammenzufügen. Das hat nichts mit Fähigkeiten zu tun.“ „Ich habe im Internet davon gelesen. Dieser Rodriguez soll ein ziemlich windiger Typ gewesen sein. In dem Bericht hieß es, dass Ihre Freundin darin verwickelt ist. Darüber müssen Sie natürlich nicht reden, wenn es zu persönlich ist.“ Faulkner grinste schief. „Darüber werde ich nicht reden.“ Der Mann sah zum Meer hinaus. Bereits vor einer halben Stunde war die Sonne hinter dem Horizont verschwunden. Erst als Nalani Camara wieder das Wort ergriff, drehte er sich zu ihr. „Was hat Sie dazu veranlasst, England zu verlassen, Derrick? Sie sind ein gutaussehender Mann. Na ja, für Ihr Alter eben. Da vermutet man doch, dass es eine Frau oder eine Freundin gegeben hat. Ich meine, die meisten Männer, in Ihrem Alter sind verheiratet und haben eine eigene Familie. Eine Frau und Kinder. Sind Sie geschieden?“ Für einen Moment sah Faulkner die junge Frau stumm an. Dabei sagte er sich, dass das ganz normale Fragen waren, die jemand in ihrem Alter wohl unbekümmert stellt. Er nahm es ihr deswegen auch nicht übel, obwohl er einen Knoten im Magen verspürte. „Ich bin nicht geschieden, sondern verwitwet“, erklärte der Inspector ruhig. „Ich hatte eine Frau und eine Tochter. Beide sind tot. Den Posten hier übernehmen zu können kam mir deshalb wie gerufen. Vermutlich hätte ich England auch ohne diese Chance verlassen.“ Erschrocken sah Nalani Camara zu Faulkner und dieser fügte schnell hinzu: „Sie konnten das nicht ahnen, Nalani. Niemand würde so etwas ahnen. Ich bin deshalb auch nicht sauer, weil Sie gefragt haben. Ist vielleicht sogar ganz gut, wenn ich offen darüber rede.“ Die Feuerwehrfrau schluckte. Leise erwiderte sie: „Das tut mir sehr leid, Derrick.“ Der Inspector bemerkte den verstohlenen Blick zu seiner Armbanduhr. Sie hatte bereits einige Male darauf gesehen, aber keine entsprechende Frage gestellt. Er überlegte kurz, bevor er sagte: „Die Diddl-Uhr hat meiner Tochter gehört. Ich wollte sie Dayana schenken, als sie Geburtstag hatte, doch ich konnte es nicht.“ „Das ist doch verständlich. Irgendwann vielleicht.“ Derrick Faulkner war der jungen Frau dankbar dafür, dass sie keinerlei weitere Fragen zu seiner Tochter stellte. Trotz ihrer zumeist unbekümmert wirkenden Art besaß sie genug Feingefühl, um zu spüren, dass er darüber nicht mit ihr reden wollte. Zumindest heute nicht. „Ja, vielleicht irgendwann. Für mich ist Dayana fast so etwas, wie eine Tochter. Klingt das irgendwie schräg?“ „Nicht mehr, seit Sie mir erzählt haben, wie es dazu gekommen ist. Dayana hatte Glück, dass sie rechtzeitig hier aufgetaucht sind. Ich glaube auch, dass umgekehrt Sie Glück hatten, dass Dayana rechtzeitig auf Saint-Marie aufgetaucht ist. Denn auch bei Ihnen scheint diese Begegnung etwas Positives ausgelöst zu haben.“ Der Inspector machte eine zustimmende Geste. „Das ist wahr.“ Sie prosteten sich zu und Faulkner wechselte abrupt das Thema, indem er fragte: „Was ist mit Ihnen, Nalani? Leben Sie in einer festen Beziehung?“ „Bis vor einem Monat. Wir waren fünf Jahre zusammen und dann brennt der Kerl plötzlich mit einer reichen Amerikanerin durch. Ich habe in den letzten beiden Jahren bei ihm gewohnt. Deshalb auch das alte, kleine Haus und die Notwendigkeit zum Renovieren.“ „Jetzt muss ich wohl sagen, dass es mir leidtut“, meinte Faulkner ironisch. „Aber wissen Sie was? Ihr Ex-Freund tut mir mehr leid. Ich meine, welcher Mann, der seine Sinne beieinander hat, verlässt eine so bezaubernde junge Frau, wie Sie? Nalani lachte amüsiert. „Ich habe so meine Macken, Derrick.“ „Die haben wir doch alle. Ich meine es ernst. Wir kennen uns zwar noch nicht lange, doch ich kann es nicht verstehen. Was ist nur los, mit den Leuten?“ Nalani Camara lag eine weitere Frage auf der Zunge, doch sie beschloss, diese Frage erst morgen zu stellen. Stattdessen meinte sie. „Ich werde mir jetzt ein Taxi rufen und zu mir fahren. Morgen will ich fit sein.“ Faulkner beobachtete Nalani dabei, wie sie ihr Smartphone aus der Hosentasche zog und einen Wagen zu seiner Hütte bestellte. Derrick Faulkner brachte die junge Frau noch bis zur Straße. Als das Taxi auftauchte und er erkannte, wer es steuerte, verabschiedete er sich schnell von Nalani und meinte: „Wir sehen uns dann, aller Wahrscheinlichkeit nach, morgen Früh.“ Im nächsten Moment war er verschwunden und nachdenklich stieg Nalani Camara in das Taxi ein. Dabei fragte sie sich, ob sie die Frage überhaupt würde stellen müssen, oder ob Derrick sie ihr eben bereits beantwortet hatte. * * * Derrick Faulkner hielt Wort. An den nächsten beiden Tagen erschien er pünktlich bei Nalani Camara und sie arbeiteten bis zum Abend Hand in Hand. Abends erschienen Ines und deren Freund, sodass sie, zumeist bis Mitternacht, ab da zu viert arbeiteten. Auf diese Weise verwandelte sich das neue Heim der jungen Frau zusehends in ein behagliches Zuhause, in dem sie sich wohlfühlen können würde. So waren es gegen Mittag des dritten Tages im Grunde nur noch Kleinigkeiten, die zu erledigen waren. Irgendwann am Vormittag waren sie dazu übergegangen, sich zu duzen. Gleichzeitig hatten sie bis zu diesem Moment gemerkt, dass sich zu dem kameradschaftlichen Mögen keine weitergehenden, komplizierteren Gefühle einstellten, was wohl auch der Grund dafür war, dass sie so ungezwungen und locker miteinander umgehen konnten. Sowohl Nalani Camara, als auch Faulkner fühlten sich sehr wohl damit. Sie lachten viel bei der Arbeit und erzählten sich Anekdoten aus ihrer Schulzeit. An diesem Vormittag hatte Faulkner zum ersten Mal damit begonnen, der jungen Frau von der Art des Todes seiner Familie zu erzählen. Zu seiner gelinden Verwunderung reagierte Nalani nicht so schockiert darauf, wie er es zuvor befürchtet hatte. Vielleicht auch deshalb, weil sie bereits zuvor wusste, dass sie beide gestorben waren. Sie hatten sich gleichfalls darüber unterhalten, wie er und Céline sich begegnet und zusammengekommen waren – und weswegen sie sich kürzlich getrennt hatten. Sehr vorsichtig hatte die junge Frau sich nach seinen Gefühlen erkundigt. Es wirkte nicht aufdringlich oder zu neugierig auf den Inspector. In dieser Hinsicht ähnelte Nalani seiner Kollegin Florence, die über eine ähnlich empathische Ader verfügte. Vielleicht hatte er sie deswegen von Anfang an so sehr gemocht, weil sie Florence so ähnlich war. Während sie sich beim Mittagessen über sein Leben auf der Insel unterhielten, fragte Nalani Camara überraschend: „Du magst sie sehr, oder?“ Verwirrt sah Faulkner die Feuerwehrfrau an, die außer Turnschuhen und, zumindest vermutete Falkner das, einen Slip, nur Jeans-Hotpants und ein knallrotes Bikini-Oberteil trug. „Wen genau meinst du?“ „Deine Kollegin, die du immer wieder erwähnst. Diese Florence.“ „Ja, sie ist sehr kompetent und sie…“ Nalani lachte hell auf und der Inspektor brach ab, als sie mit dem Finger auf ihn zeigte und behauptete: „Oh, nein. Da ist viel mehr, als nur die berufliche Anerkennung. Vielleicht ist dir das wirklich noch nicht aufgefallen, doch man merkt es. So spricht man nicht von einem Menschen, den man lediglich beruflich schätzt und mag. Nein, da ist definitiv mehr. Aber du musst nicht darüber reden, wenn es dir zu peinlich sein sollte.“ „Es ist mir nicht peinlich“, widersprach Faulkner sofort und sah in die funkelnden Augen der jungen Frau, die ihm gegenüber saß. Nach einem Augenblick gab er zu: „Na ja, vielleicht ist es mir doch etwas peinlich. Ich meine, sie ist meine Untergebene.“ „Na und?“ Diese prompte Erwiderung brachte Faulkner etwas aus dem Konzept. Lachend meinte Nalani Camara: „Ihr seid doch nicht beim US-Militär, wo so etwas wirklich ein Problem wäre. Was spricht also dagegen?“ „Du meinst, außer dass ich gar nicht weiß, wie Florence dazu stehen würde und außer, dass wir erst einmal darüber reden müssten?“ „Das lässt sich doch bestimmt herausfinden.“ „Das sagst du so, in deinem jugendlichen Leichtsinn“, seufzte Faulkner. „Ich war eine lange Zeit vom Markt, und bei meiner ersten Beziehung, nach Freya, da hat sie den ersten Schritt gemacht. Derjenige zu sein, der diesmal den ersten Schritt macht, ist schon ziemlich lange her. Wer weiß, ob ich mich dabei nicht hoffnungslos dämlich anstelle.“ Wieder lachte Nalani. „Wenn ich alles glauben würde, aber das nicht. Du musst es ja nicht gleich überstürzen. Du wirst schon irgendwann merken, wie es bei Florence aussieht und dann redest du einfach mit ihr darüber. Ist doch das Normalste von der Welt.“ „Sollte man meinen“, grinste der Inspector. Danach fügte er zustimmend an: „Aber du hast ganz Recht. Sollte sie auch etwas für mich empfinden, dann spreche ich mit ihr.“ „Das klingt schon besser.“ Nalani erhob sich von ihrem Stuhl und meinte: „So und jetzt lass uns noch den Rest in Angriff nehmen, dann haben wir es heute Abend geschafft. Dann kann ich an diesem Wochenende die Möbel kommen lassen. Ich rechne fest mit deiner Hilfe, beim Aufbauen.“ Auch Faulkner erhob sich und gemeinsam machten sie sich wieder ans Werk. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)