Reboot von MizunaStardust ================================================================================ Kapitel 8: Breaking through the Firewall ---------------------------------------- 8. Breaking through the Firewall „Mit was kann ich dir heute dienlich sein? Beinahe bist du ja schon Stammkunde. Nur zu deiner Information: Bei drei Einkäufen bekommst du einen Treuebonus“, fuhr Bakura fort, während er Atemu auf seine üblich lässige Art ein zweites Mal in seine Wohnung führte. Erneut trat der Pharao in das Zimmer, durch dessen Fenster bei Tageslicht kaum viel mehr Licht drang als bei seinem letzten Besuch am späten Abend. Wie immer wirkte die mystisch-okkulte Einrichtung auf ihn verboten und deshalb gleichsam anziehend und abschreckend. „Durstig?“, wollte der Ringgeist wissen und hob einen Kelch mit einer schwarzvioletten, samtigen Flüssigkeit darin in die Höhe. „Nein … danke“, gab Atemu skeptisch zurück. „Verstehe“, entgegnete der Geist des Milleniumsringes und nahm einen großen Schluck aus dem Trinkgefäß, „wir sind also wortkarg, wie gewohnt. Wenn du nicht an einem Pläuschchen unter zwei alten Bekannten interessiert bist, dann also zur Sache.“ „Schön, die Sache ist Folgende: Dein Zauber – er verliert seine Wirkung!“, blaffte der Pharao anklagend, „und das bedeutet, dass er nicht zu dem Ergebnis geführt hat, das ich mir von dir erbeten hatte. Ich wünsche, dass du diese ungenügende Dienstleistung auf der Stelle behebst!“ Bakura legte amüsiert den Kopf schief. „Falsch. Das hatte ich dir damals bereits erklärt: Der Zauber kann keine permanente Amnesie herbeiführen. Du wusstest, dass deine kleine, heile Seifenblase irgendwann zerplatzen würde, und du hast dennoch in die Bedingungen eingewilligt. Wenn du es bis hierhin nicht geschafft hast, deinen Prinzen dazu zu bringen, dir seine Liebe zu gestehen, dann bist du es wohl, der versagt hat, nicht ich.“ „Aber, ich dachte nicht, dass es so schnell …!“, protestierte Atemu nun trotzig, aber sichtlich verunsichert. „Falsch! Du dachtest gar nicht!“, korrigierte ihn Bakura sachlich, „du hast ein Stück Kuchen gesehen und wolltest es auf der Stelle haben, ohne an die Konsequenzen zu denken. Und das ist okay. So sind Menschen nun mal. Aber gib jetzt nicht mir die Schuld dafür, dass es dir nicht bekommen ist.“ „Ich will doch nur …“ Atemu schwieg einen Augenblick und schien sich zu sammeln, schließlich sagte er in ruhigerem Ton: „Hast du denn keine Möglichkeit, es aufzuhalten?“ Bakura seufzte und schwenkte nachdenklich seinen Kelch in der Hand. „Weißt du …ach, verdammt, eigentlich sollte ich dir das gar nicht sagen, aber … ich hätte da schon etwas parat, das dir noch einmal einen kleinen zeitlichen Aufschub verschaffen könnte, indem Kaibas Erinnerungen und Gefühle erneut zurückgedrängt werden.“ „In Ordnung. Ich nehme es, egal, was es kostet!“, verkündete Atemu entschlossen, doch Bakura wedelte mit dem Zeigefinger. „Eh eh … nicht so schnell. So gerne ich dein Geld auch nehmen würde, Eure Doppelzüngigkeit, ich fürchte, ich kann dir nicht helfen.“ „Was, aber wieso das denn nicht?“, fragte Atemu nun irritiert, „ich zahle dir auch mehr dafür, wenn es das ist, was du ....“ „Nein, nein, darum geht es gar nicht“, erklärte Bakura entnervt, „es ist wegen Ryou. Ich musste ihm hoch und heilig versprechen, dass ich in dieser Sache nicht noch einmal mit dir kooperiere. Wenn er rausfindet, dass ich dir wieder geholfen habe, liegt er mir wieder tagelang damit in den Ohren. Und das möchte ich mir einfach gerne ersparen. Also, mit allen anderen Belangen kann ich dir selbstredend gerne weiterhelfen. Du kannst dir meinen Katalog gern zu Gemüte führen. Ich habe Potenzzauber, Glückszauber, oh, wie wäre es mit einem Wachstumszauber für dich?“ Nun war es an Atemu, laut zu seufzen. „Danke, kein Interesse! Warum musstest du Ryou überhaupt davon erzählen!? Das war eine Angelegenheit zwischen uns beiden. Natürlich hat er es gleich an Yugi ausgeplaudert und die beiden haben mir ordentlich den Kopf gewaschen!“ „Was denkst du, was ich mir deshalb anhören musste?“, knurrte der Geist des Ringes. Er schien kurz zu überlegen, „aber du hast nicht ganz Unrecht. Ich bin gegenüber Ryous inquisitiver Art eingeknickt. Ich schätze, du hast deshalb tatsächlich was gut bei mir. Also gut, ich mach dir einen Vorschlag: Unser letzter Deal ist kein Dienstgeheimnis geblieben, aber der nächste kann es bleiben, wenn du es willst. Was sagst du? Ich gehe dir in dieser Sache nochmal zur Hand, aber offiziell hat ein solcher Handel nie stattgefunden, wenn du verstehst.“ Ein konspiratives Lächeln schlich sich auf die Züge des Pharaos. „In Ordnung“, sagte er langsam, „meine Lippen sind verschlossen, wenn deine es auch sind.“ „Deal“, sagte Bakura und streckte Atemu entgegenkommend seine Hand entgegen. Dieser ergriff sie, ohne zu zögern. „Weißt du, Pharao, ich geb’s ungern zu, aber du beeindruckst mich. Deine unverfrorene Art, alle in deinem Umfeld so skrupellos hinters Licht zu führen, macht mir doch fast Konkurrenz. Ich gebe dir deshalb einen 10% Rabatt.“ ~*~ Im Schutz der einsetzenden Dämmerung verließ Atemu an diesem Sonntagabend schließlich Bakuras Wohnhaus mit einem mehr als drückenden Gewissen, aber mit exakt dem, was er wollte. Wie es aber der Zufall wollte, hatte der Ringgeist an diesem Abend mehr als nur diesen einen Kunden. Der ehemalige ägyptische Herrscher war nämlich nicht der einzige aus Yugis Bekanntenkreis, der von Bakuras kleinem Gewerbe gehört hatte. Und so klingelte nur wenige Augenblicke nach Atemus Verschwinden ein sichtlich nervöser und unentschlossener Mokuba Kaiba an dem heruntergekommenen Mehrparteienhaus. Hätte Atemu sich nur ein wenig länger bei Bakura aufgehalten, wären die beiden sich direkt in die Arme gelaufen. Doch so ahnte Mokuba nicht, dass Atemu vor wenigen Augenblicken den antiken Geist in derselben Angelegenheit aufgesucht hatte wie er selbst … naja, sagen wir in fast derselben Angelegenheit. Alles, was der jüngere Kaibabruder also an diesem Abend sah, war eine Gestalt, die in der Dunkelheit um die nächste Ecke verschwand, gerade als sein Wagen vor Bakuras Haus hielt. Die bereits weit entfernte Silhouette des jungen Mannes kam ihm seltsam vertraut vor, aber er dachte nicht weiter darüber nach. Zumindest noch nicht. „Welch erlesene Kundschaft!“, stellte Bakura auf seine übliche, ungerührte und zynische Art fest, als der jüngere Kaibabruder mit einem unwohlen Gefühl die kleine Wohnung betrat; „auch Dominos Wirtschaftselite ist also nicht ganz so zufrieden mit ihrem Leben, wie man meinen könnte.“ „Man … erzählt sich, du handelst mit Zaubern?“, artikulierte Mokuba diese absurde Vorstellung sichtlich argwöhnisch, als könne er sich allein durch das bloße Aussprechen der Worte lächerlich machen. Auch wenn er prinzipiell offener als sein Bruder für das war, was sich nicht durch Logik und Wissenschaft erklären ließ, begegnete er alldem doch mit einer gesunden Skepsis – und das immer mehr, je älter er wurde. Atemus Vergangenheit schenkte er natürlich mittlerweile uneingeschränkt Glauben. Aber dass es auch andere Ereignisse zwischen Himmel und Erde geben könnte, die nicht durch den Willen oder das Handeln von gewöhnlichen Menschen herbeigeführt wurden, das klang für ihn ebenso abstrus wie für Seto. „Du hast recht gehört“, entgegnete Bakura trocken, „und es ist keine Schande, diese Option zu nutzen.“ „Ich bin nicht hergekommen, weil ich etwas für mich selbst will!“, stellte Mokuba sofort entschieden klar, „nein, es … geht um meinen Bruder.“ „Oh“, machte Bakura nur und wirkte plötzlich etwas reserviert, was den jüngeren Kaiba unbewusst irritierte. „Naja“, begann er, „mein Bruder Seto hat vor ca. einem halben Jahr sein Gedächtnis verloren. Vielleicht hast du davon aus den Medien gehört. Jedenfalls … es geht ihm aktuell nicht gut. Fast täglich kehren Erinnerungen zu ihm zurück. Das wirft ihn jedes Mal aus der Bahn und stürzt in ein Gefühlschaos. Eine Zeit lang war das alles aber nicht so schlimm, da hatte ich den Eindruck, es ging ihm sogar besser als vor seinem Gedächtnisverlust. Aber seit Kurzen scheint er nur noch darunter zu leiden. Naja, ich habe mich gefragt, ob du nicht etwas tun kannst, damit Seto seine Erinnerungen endlich alle auf einen Schlag zurückerlangt. Oder vielleicht weißt du einen Weg, wie man das Ganze zumindest beschleunigen kann. Ich wünsche mir so sehr für ihn, dass all das endlich ein Ende hat und er wieder klarsieht, wer er wirklich ist!“ In den letzten Tagen hatte Mokuba mit Unbehagen und Mitleid zugesehen, wie sein älterer Bruder sich mehr und mehr quälte und offenbar in sich zurückzuziehen schien. Seine Stimmung war gedrückt und jedes Mal, wenn er ihn antraf, schien er in tiefes Grübeln vertieft oder vollkommen abwesend. Auch Atemu schien immer weniger an Setos Leben teilzuhaben und war seit einigen Tagen sogar gar nicht mehr auf dem Kaiba-Anwesen anzutreffen. Die Beziehung der beiden war offenbar (noch) nicht verfestigt genug, um diese Krise zu überstehen, was Mokuba sehr bedauerte. Wenn er versuchte, Seto auf sein Befinden anzusprechen, schien dieser noch mehr überfordert und wusste offenbar nicht, wo er beginnen und wie er all das in Worte fassen sollte. Des Öfteren sprach der jüngere Kaiba mit Roland über die Angelegenheit, der Seto seit seiner Kindheit kannte. Auch dieser schien mehr als besorgt wegen seines psychischen Zustands. Kurzum: Setos komplettes Leben schien sich um 180 Grad gedreht zu haben. Hatte Mokuba vorher noch vermutet (und irgendwie auch befürchtet), dass es seinem Bruder in seinem aktuellen Zustand besser ging, schien er nun in eine Identitätskrise gestürzt zu sein. Nach Tagen des bangen Zusehens war Mokuba zu dem Schluss gekommen, dass es das Beste für seinen Bruder wäre, wenn die ganze Sache endlich ein Ende hätte. Wenn er entweder auf gar keine oder aber auf all seine Erinnerungen an sein früheres Leben Zugriff hätte. Und da die erste Option eine war, über die er gar nicht erst nachdenken wollte, weil sie zu sehr schmerzte, stand es für ihn fest: Er musste irgendwie erreichen, dass letzterer Zustand schneller herbeigeführt wurde, als es der Lauf der Dinge vorsah. Aber wie sollte er das anfangen? Sollte er mit Seto noch einmal ausführlich über ihre Vergangenheit sprechen? Sollte er ihn damit konfrontieren? Irgendwann in seinen Grübeleien lauschte er in der Schule durch Zufall einem Gespräch zweier Mitschüler. Einer davon prahlte damit, dass er sich angeblich eine Portion Extra-Glück erkauft hatte, die sich in einem Gewinn bei einem Preisausschreiben manifestiert hatte. Anfangs tat Mokuba die Anekdote als bloße Wichtigtuerei ab. Richtig hellhörig wurde er erst, als er in der Konversation einen Namen wiedererkannte. Hatte der Mitschüler da eben nicht gesagt, dass er den Handel mit einem gewissen „Bakura“ abgeschlossen hatte? Als Mokuba nach der Schule von Roland nach Hause gefahren wurde, dämmerte es ihm so langsam, dass es sich hierbei nur um den Geist des Milleniumsringes handeln konnte. Und dass diese fabelhafte Story vielleicht nicht so abwegig war, wie er anfangs vermutet hatte. Nach wenigen Tagen des Für und Wider hatte er schließlich beschlossen, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Was hatte er schon zu verlieren? Und nun stand er hier. Verzweifelt, wie ein Bittsteller, ohne wirkliches Vertrauen in Bakuras Fähigkeiten. „Also, kannst du mir weiterhelfen?“, fragte er jetzt noch einmal, nachdem Bakura nicht auf sein Anliegen reagierte. Der Ringgeist kräuselte nun seine Lippen und schlug ein Bein über das andere. „Nein, kann ich nicht“, sagte er dann wortkarg. Nun war Mokuba doch etwas vor den Kopf gestoßen und wusste nicht so recht, wie er sich verhalten sollte. „Weil … es gar nicht stimmt, dass du Magie vertickst?“, hakte er dennoch behutsam nach. „Doch, das ist schon richtig“, gab Bakura offen zu. „Also dann hast du keinen Zauber, der mir– oder bessergesagt meinem Bruder – helfen kann?“ „Den habe ich in der Tat.“ „Also dann“, der jüngere Kaiba trat nun einen Schritt nach vorn und in seinen Augen Flackerte ein Flehen auf, „ich habe Geld, das ist dir doch bewusst, oder? Ich zahle gut dafür, dessen kannst du dir sicher sein.“ „Das zweifle ich keineswegs an und es schmerzt mich sehr, dass es mir nicht vergönnt ist, in den Genuss zu kommen, dir eine horrende Summe aus der Tasche zu ziehen, einfach nur, weil du etwas brauchst, das nur ich dir geben kann.“ Ärger kochte nun in Mokuba hoch. Er würde sich sicher nicht von diesem Nachtgespenst so dreist an der Nase herumführen lassen. Unterm Strich war auch er schließlich ein Kaiba und hatte einen gewissen Stolz! „Also, was willst du dann!? Jetzt rede schon und spar dir deine dämlichen Spielchen! Nach so etwas steht mir nun wirklich nicht der Sinn und ich bin sicher niemand, der sich so leicht auf den Arm nehmen lässt! Unterschätze mich besser nicht!“ Bakura seufzte, kratzte sich am Kopf und schien sichtlich mit sich zu ringen. „Tut mir leid, Kleiner, aber so gerne ich es auch würde – ich kann dir mit deinem Problem nicht weiterhelfen, da ich einem anderen Kunden bereits zur Treue verpflichtet bin. Dafür hast du sicher Verständnis. Der Kunde ist König. Der Kunde, der bereits für eine Leistung gezahlt hat, versteht sich.“ „Nein … nein, ich verstehe kein Wort von dem, was du sagst“, knurrte Mokuba mit frostiger Stimme, „aber ich vergeude hier offenbar meine Zeit. Also dann …“ In ihm drin brodelte es, als er sich umwandte und ohne Abschiedsgruß die heruntergekommene Bleibe verließ. „Falls du mal an einem eigenen Problem arbeiten möchtest – ich habe alles, was dein Herz begehrt oder irgendwann begehren wird!“, rief Bakura ihm noch hinterher, „ein Mittel gegen Minderwertigkeitskomplexe zum Beispiel, für den Fall, dass ältere Geschwister alles erreicht haben und man selbst nichts!“ Den Rest hörte Mokuba nicht mehr, als er sich festen Schrittes von Bakuras Haus entfernte. ~*~ Es war Sonntagabend und für Seto war es der krönende Abschluss einer niederschmetternden Woche. Ein immens wichtiger Firmendeal mit der Schroeder-Corporation war ihm am vergangenen Freitag mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Lappen gegangen. Und das nur, weil er nicht im Stande gewesen war, sich ausreichend auf seine Vertragspartner vorzubereiten. Denn zwei Mal hatten sich an diesem Tag verschüttete Ereignisse aus seiner Vergangenheit ihren Weg in sein Gedächtnis gebahnt. Zum ersten Mal war es während ebenjener Vorbereitungszeit passiert. Daraufhin waren die Buchstaben in den Akten, die Roland sorgfältig für ihn vorbereitet hatte, vor Setos Augen verschwommen und er hatte sich kein Wort davon mehr einprägen können. Der zweite Zeitpunkt hätte nicht ungünstiger sein können, denn eine weitere aufwühlende Erinnerung drängte sich ihm mitten in der Verhandlung auf. War zuvor das Gespräch bereits stockend verlaufen, war es ab diesem Moment vollkommen an die Wand gefahren. Jeder verzweifelte Versuch, die Erinnerung zu ignorieren oder zurückzudrängen, schlug fehl und schließlich sah sich Seto gezwungen, sichtlich verstört den Raum zu verlassen und die Besprechung zu vertagen. Und das, nachdem er es nach Jahren der Feindschaft in den letzten Monaten ganz behutsam geschafft hatte, eine Kooperation der beiden Unternehmen anzubahnen. Alles zunichtegemacht nur an diesem einen vermaledeiten Nachmittag! Am Wochenende war er des Arbeitens deshalb vollkommen überdrüssig und wollte sich einfach nur ablenken. Aber er wusste absolut nichts mit sich anzufangen und fühlte sich rastlos und unzufrieden. Das Verrückte war: Er vermisste Atemu und seine Gedanken schweiften oft zu ihm und ihrer gemeinsamen Zeit. Seine Anwesenheit und Nähe fehlte ihm sehr und er hätte sich gerne in seine einehmenden Augen fallen lassen oder sich in seinen Berührungen verloren. Aber das war völlig absurd! Denn, wie er mittlerweile wusste, war Atemu sein ärgster Kontrahent. Immer gewesen. Seto verabscheute seine Freundlichkeit, seine lächerliche Loyalität, seine Angewohnheit, ihm immer wieder sagen zu müssen, was gut für ihn war – und gleichzeitig fehlte ihm all das auch, weil er sich darin aufgehoben und geborgen fühlte. Ja, eigentlich mochte er es ganz gern, wenn Atemu ihm sagte, dass er für heute genug gearbeitet hatte, und ihm vorschlug, gemeinsam einen Spaziergang zu machen. Meist tat er das in Momenten, in denen Seto sich erschöpft die Schläfen rieb, ihm selbst aber gar nicht bewusst war, dass er Abwechslung oder frische Luft brauchte. Und wenn er ehrlich zu sich war, dann beruhigte ihn auch Atemus gelassene, freundliche Art, wenn er selbst sich unausgeglichen und aufgewühlt fühlte. In den letzten Tagen hatte ihn dieser Zwiespalt so sehr aufgerieben, dass er sich förmlich ausgesaugt fühlte. Er war es so leid, von den Wellen seiner Gefühle hin- und hergeworfen zu werden wie in einem wackligen Boot. Heute ging es ihm schlicht und ergreifend schlecht. Schlafen war alles, was er wollte Mokuba schien ausgegangen zu sein. Deshalb ließ er die Rollläden in seinem Schlafzimmer herunter und ging früh zu Bett. Als er am Montagmorgen erwachte, war er in banger Erwartung, dass sein Gedankenkarussell sich sofort wieder in Bewegung setzte. Doch während er ins Bad ging und seine Morgentoilette verrichtete, fühlte sich sein Inneres stumpf an. Wie abgedämpft. Als er versuchte, auf seine Emotionen von gestern zuzugreifen, waren sie – undeutlich, verblasst. Vielleicht hatte er diese kräftezehrende Phase nun endlich vollends überstanden? Vielleicht war das einfach der gewöhnliche Lauf der Dinge? Zuerst war es schlimm und dann war es – irgendwie weniger wichtig. Er fühlte sich deutlich erholt und konnte sich heute viel besser auf seine Arbeit konzentrieren. Vielleicht würde es etwas bewirken, Zigfried von Schroeder einfach nochmal zu kontaktieren. Vielleicht war in dieser Sache das letzte Wort noch nicht gesprochen. Vielleicht würde er sogar später Atemu anrufen und fragen, ob er nicht vorbeikommen wollte. Er wollte ihn wirklich sehen und so ganz verstand er auch nicht mehr, weshalb er sich in den letzten Tagen so sehr von ihm zurückgezogen hatte. Zwischen ihnen war doch alles so vielversprechend gelaufen und Atemu tat ihm unheimlich gut. Dessen war er sich bewusst. Irgendetwas war da zwar gewesen, das ihn dem ehemaligen Pharao gegenüber skeptisch gestimmt hatte, aber so richtig konnte er sich nicht mehr entsinnen, was es gewesen war … ~*~ Mit zitternden Fingern und beschleunigtem Puls nahm Atemu an diesem Abend nervös sein Smartphone zur Hand und den eingehenden Anruf an, der Setos Nummer auf dem Display anzeigte. Hatte Bakura ihm tatsächlich die zweite Chance verschafft, die er sich so sehr gewünscht hatte? Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)