Living on the edge of the word von yamimaru ================================================================================ Kapitel 8: Into the void [Malice Mizer: Mana/Közi] -------------------------------------------------- Titel: Into the void Promt: Stimme Charakter: Mana [Malice Mizer/Moi dix Mois] promt von: mir selbst Wortanzahl: 1.047     „Du gehst mir aus dem Weg und ich bin hier, um das zu ändern.“   Es ist eigenartig, diese Worte zu hören, ohne den warmen Hauch deines Atems an meinem Ohr zu fühlen. In all den Jahren, die wir uns kennen, gab es bislang nur zwei Gelegenheiten, zu denen ich deine Stimme wirklich gehört habe. Kein Flüstern, kein lesen von tiefschwarz geschminkten Lippen oder Interpretieren von Handzeichen, deren Sinn sich nur uns beiden erschließt. Ich schlucke, sehe in deine Augen, die trotz des fehlenden Make-ups so ausdrucksstark sind, dass sie bis auf den Grund meiner Seele blicken.   „Kann ich reinkommen?“   Ausgerechnet jetzt bin ich es, dem die Stimme versagt, dem jegliches Vokabular wie ein Schwarm aufgeschreckter Vögel aus dem Kopf geflogen ist. Ich weiß nicht, was ich sagen soll, mache lediglich eine einladende Handbewegung und verschwinde in der Küche. Du kennst meine Wohnung besser als deine eigene und kannst dich ungeniert wie zu Hause fühlen. Ich hingegen brauche Zeit, um zu verarbeiten, was ich gerade gehört habe.   Das erste Mal, als du die Stimme für alle hörbar erhoben hast, war während Kamis Beerdigung gewesen. Ich war der Einzige, der wusste, dass du dich auf diese Weise von unserem Freund verabschieden wolltest, dennoch war es ein Schock, den samtenen Bariton deiner Worte über die Distanz hinweg zu hören, zu bemerken, wie viel Kraft trotz allem in deiner Stimme steckt. Deine Rede war ergreifend gewesen, roh und getränkt von einer Flut an Gefühlen, die dir von so vielen Menschen auch heute noch abgesprochen wird. Kami war ein ganz besonderer Mensch, so besonders wie das Band, welches dich mit ihm verbunden hatte. Ihn zu verlieren, war für uns alle unglaublich schmerzhaft gewesen, aber für dich war sein Verlust unerträglich. Deinen Schmerz hattest du jedoch immer gut versteckt und hättest du dich an diesem traurigen Tag nicht dazu entschlossen, deine Stimme in die Welt zu tragen, niemand außer mir hätte jemals davon erfahren. Ob es schändlich von mir war, mich damals auch besonders zu fühlen? Immerhin hattest du nur mich eingeweiht.   Das zweite Mal war deine Stimme rau und verärgert gewesen und wieder war ich geschockt. Vielleicht über deine energischen Worte, vielleicht wegen der Tatsache, dass du überhaupt laut geworden warst. Wieder trug ein Mensch Schuld daran, zu dem du eine ganz besondere Verbindung hattest. Nicht, dass du jemals mit mir darüber gesprochen hättest, was Gackt dir bedeutete, aber ich habe immer gespürt, dass mehr zwischen euch war. Dein Ausbruch, als er uns eröffnet hatte, dass er die Band verlässt, um seine Solo-Karriere zu verfolgen, hatte das nur zu deutlich gezeigt. Ich selbst hatte damals nicht gewusst, was ich fühlen sollte. Ich hatte Gackt immer gemocht und gern mit ihm zusammengearbeitet, aber ein Teil in mir, dem ich nur in den dunkelsten Momenten meines Lebens Gehör schenkte, frohlockte bei dem Gedanken, einen Rivalen loszuwerden. Ich weiß es noch wie heute, wie schwer es mir gefallen war, nicht laut loszulachen, als mir bewusst geworden war, was ich gedacht hatte. Gackt, mein Rivale. ‚Tja, Közi, um einen Rivalen zu haben, müsste ein Fünkchen Hoffnung bestehen, dass Mana deine Gefühle je erwidert.‘   Ich starre auf den Wasserkocher, der sich soeben mit einem lauten Klacken ausgeschaltet und mich damit aus meinen Erinnerungen gerissen hatte. Mechanisch befülle ich das Teesieb mit den grünen Blättern, hänge es in die filigrane Teekanne und gieße das Wasser in einem hohen Bogen ein, um es abzukühlen. Jede Bewegung ist automatisch, um ja nicht denken zu müssen. Gemeinsam mit zwei kleinen Teebechern stelle ich die Kanne auf ein Tablett und trage es umsichtig in mein Wohnzimmer.    Dein Blick hängt am Fenster, folgt den Regentropfen, die sich unaufhaltsam an der Scheibe entlang in die Tiefe stürzen. Ich fühle mich wie einer von ihnen, fallend, treibend, in einem Vakuum aus vollkommener Leere. Du drehst den Kopf und wieder fixieren mich deine Augen, nageln mich fest wie die Nadel einen Schmetterling. Nur siehst du nicht grausam dabei zu, wie ich mich flatternd zu befreien versuche, sondern senkst beschwichtigend die Lieder und klopfst einladend neben dich aufs Sofa. Wäre ich nicht so aufgewühlt, hätte ich deine Gastfreundschaft in meiner Wohnung amüsant gefunden. So beschleicht mich nur das untrügliche Gefühl, dass du wieder einmal haargenau weißt, was in mir vorgeht.   Ich folge deiner stummen Bitte, wie ich es immer tue, stelle das Tablett auf dem niedrigen Tischchen ab und gieße uns ein. Deine ungeschminkten Lippen ziert ein feines Lächeln und ich kann nicht anders, verharre für einen Herzschlag, um dich zu mustern. Wie anders du aussiehst, wenn deine Züge nicht von Make-up verändert sind. Eigenartigerweise wirkst du weder nackt noch verletzlich, wie ich es erwartet habe. Fast habe ich vergessen, wie fein deine Züge sind, wie elegant der Schwung deiner kleinen Nase. Und dennoch strahlst du eine Stärke aus, eine Entschlossenheit, die meinen Magen in Aufruhr versetzt.   Endlich kann ich mich von deinem Anblick losreißen, setze mich ungelenk neben dich und beginne, nervös mit dem Teebecher zu spielen. Das Porzellan ist zu heiß, meine Fingerspitzen kribbeln unangenehm, was ich jedoch nicht als Grund ansehe, mit meinem Tun aufzuhören. Ich brauche etwas, was mich ablenkt, was deine Stimme in meinen Ohren verstummen lässt.   „Du gehst mir aus dem Weg und ich bin hier, um das zu ändern.“   Ich hätte dir diesen Brief niemals schreiben sollen, niemals dem Drang nachgeben, dir nach all den Jahren endlich zu gestehen, wie viel du mir bedeutest. Nein, um genau zu sein, hätte ich schon deine Idee ausschlagen sollen, einen gemeinsamen Gig mit deiner Band zu spielen. Noch immer habe ich dein Flüstern im Ohr, das es doch eine schöne Sache wäre, wieder einmal gemeinsam auf der Bühne zu stehen. Wie in alten Zeiten – und genauso hatte es sich angefühlt. An diesem Abend war es, als lägen nicht Jahre zwischen uns. Ich habe mich dir wieder so nahe gefühlt, war fasziniert wie eh und je von deiner Kraft, deiner Präsenz auf der Bühne. Und auch meine Gefühle für dich waren über mich hereingebrochen, als wäre ich mir nie über die Sinnlosigkeit meiner Schwärmerei für dich bewusst geworden.   „Du musst nichts sagen“, höre ich plötzlich deine Stimme. Kein flüstern, obwohl ich die Wärme deines Atems an meiner Wange spüre. „Heute übernehme ich das Sprechen.“   Warme Lippen berühren meine Haut. Ich atme ein. Und langsam beginnt das Vakuum in mir, sich mit Hoffnung zu füllen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)