Balance Defenders Kurzgeschichten von Regina_Regenbogen ================================================================================ Treffen mit Lilith (Ewigkeit) ----------------------------- Ewigkeit war aufgeregt! Eine neue Protastikaufgabe und sie durfte sie erfüllen! ‚Lilith‘ – das klang schön, wie eine Blume oder ein Mineral. Ihre durchscheinenden Schmetterlingsflügel bewegten sich vorfreudig. Bisher war sie noch nie in einer Bar gewesen! Zu dieser späten Stunde durften die Beschützer sie auch nicht dorthin begleiten. Doch Ewigkeit war guter Dinge. Es gab ja ohnehin kaum Menschen, die sie sehen konnten, notfalls würde sie sich einfach direkt wieder zu den Beschützern teleportieren. Sie strich ihr perlmuttartig glänzendes Kleid zurecht, ein Gedanke genügte und sie fand sich im Inneren ihres Zielortes wieder. Es war laut und stickig, Zigarettenrauch stieg ihr in Augen und Nase und ließ sie schnauben. Hastig schwebte sie weiter in das Innere, vorbei an einem Bartresen, an dem auf Hockern Menschen saßen, die Ewigkeit riesig vorkamen. Aber sie selbst war ja auch kaum so groß wie eine Hand. Der Barkeeper schüttelte ein metallisch glänzendes Behältnis, als würde er ein Musikinstrument zum Klingen bringen wollen, doch Ewigkeit konnte keine melodischen Töne wahrnehmen, zumal laute Musik in tiefem Bass den Raum erfüllte. Sie verfolgte interessiert das Schauspiel des Barkeepers, bis dieser den metallenen Gegenstand in zwei brach und dessen Inneres entleerte. Ewigkeit war davon beeindruckt und wurde zum Nachdenken gebracht. Ob Lilith ein Mensch war? Keiner hatte ihr das so genau mitgeteilt. Vielleicht handelte es sich ja auch um eine Sache oder um ein Prinzip! Es zog sie weiter nach hinten, wo ein ungewöhnlicher Tisch beleuchtet wurde, auf dem bunte Kugeln lagen. Ob des Anblicks von etwas Farbigem in der düsteren Umgebung ein fröhliches Glöckchenläuten ausstoßend, flog sie näher heran. Eine Frau mit langen schwarzen Haaren und dunklem Teint stand an dem Tisch. Sie hielt etwas langes Hölzernes in der Hand, mit dem sie eine weiße Kugel anstieß. Die weiße prallte gegen die bunten Kugeln. Davon in Aufruhr versetzt, flohen diese den Stoß und stürzten in eine unbekannte Tiefe. Das Schauspiel faszinierte Ewigkeit. Ihr Glöckchenlaut erklang. Jäh richteten sich die Augen der Frau auf sie. Ewigkeit erschrak und machte einen reflexartigen Satz nach hinten. Die Regenbogenhaut der Unbekannten war im Kontrast zu ihren Haaren und der gebräunten Haut unglaublich hell und erinnerte an Quecksilber. Entgegen Ewigkeits Annahme wandte die Frau ihren Blick nicht direkt wieder ab. Stattdessen richtete sie sich zu voller Größe auf, ihre Lippen formten ein verschwörerisches Lächeln, als würde sie sie begrüßen. Ewigkeit war zu perplex, um darauf direkt zu reagieren. Die Fremde machte eine auffordernde Bewegung mit ihrem Kopf und wandte sich um. Ewigkeit war verwirrt, aber folgte der Unbekannten durch eine Tür. Hier war es noch dunkler, der Lärm der Musik blieb zurück und war nur noch als tiefes Wummern zu hören. Die Schwarzhaarige öffnete eine weitere Tür und bedeutete ihr mit einer Armbewegung einzutreten. Ewigkeit kam der Aufforderung nach. Es handelte sich um einen kleinen Raum mit einem schwarzen Ledersofa und einem niedrigen, dunklen Tisch davor. In der Ecke stand ein beleuchtetes Aquarium, doch keine Fische bevölkerten sein Inneres, vielmehr schien es die Ruinen einer vergessenen Welt zu beherbergen. Die geheimnisvolle Frau nahm auf dem Sofa Platz, lehnte sich geradezu gebieterisch zurück und stützte ihre Arme auf das Polster hinter sich. „Wie ist dein Name?“ Der Klang ihrer Stimme ließ Ewigkeit stocken. Eine unermessliche Tiefe schwang darin, die weniger in der Tonhöhe als vielmehr zwischen den Tönen schwang. Mit glockenheller Stimme antwortete sie ihr. „Ewigkeit.“ Wieder lächelte die Frau auf undurchsichtige Weise. „Ich bin die, die du gesucht hast.“ Vor fröhlicher Erregung bewegten sich Ewigkeits Flügel und sandten dabei sternenstaubartigen Glanz aus. Lilith beobachtete sie eingängig. „Weißt du, wer ich bin?“ „Du bist Lilith!“, rief Ewigkeit begeistert. „So werde ich genannt.“, bestätigte die Frau. „Aber weißt du, was das bedeutet?“ Ewigkeit schüttelte ihren weißblonden Lockenkopf und strahlte. Lilith nahm die Arme von der Rückenlehne, ihr Gesichtsausdruck wirkte nun ernster. Mit gesetzter Stimme sprach sie: „Eine Hälfte der ersten beiden Menschen. Sie wollte die gleichen Rechte haben wie ihr Gegenstück. Doch nachdem sie ihr verwehrt wurden, floh sie aus dem vermeintlichen Paradies und ihre Kinder“, sie hielt kurz inne, ihre Augen wanderten zu Boden, „… wurden Dämonen.“ Ewigkeit zuckte zusammen. „Fürchtest du dich?“ Ihr Ton klang so nüchtern, als stünde die Antwort längst fest, von Anbeginn der Zeit. Ewigkeit dachte über die Frage nach. Dämon war ein anderes Wort für Lichtlose, Kreaturen wie die Schatthen und die Allpträume. War Lilith also eine Schatthenmeisterin? Aber sie hatte von ihren Kindern gesprochen… Die unliebsame Erinnerung daran, wie die Allpträume sie umkreist und als Dämon bezeichnet hatten, kam zurück. Ewigkeit zog die Schultern an und umklammerte ihr goldenes Medaillon. „Sind … alle Dämonen deine Kinder?“, fragte sie zögerlich. Ein gütiges Lächeln breitete sich auf Liliths feingeschwungenen Lippen aus, doch ihr Blick drückte Autorität aus. Sie schwieg. „Wieso wurden deine Kinder Dämonen?“, wollte Ewigkeit stattdessen wissen. Lilith beugte sich vor, ihre quecksilberfarbenen Augen glühten regelrecht. „Als Strafe.“ Sie lehnte sich wieder zurück. „Was weißt du über Dämonen?“ „Sie werden von Schatthenmeistern aus Emotionen geschaffen.“ Lilith wischte mit der Rechten durch die Luft. „Das sind keine vollständigen Dämonen. Wahre Dämonen sind keine bloßen Gefühlsauswüchse. Aber mit einem hast du Recht.“ Wieder wirkte ihr Blick lauernd. „Was sind Schatthenmeister?“ Ewigkeit blinzelte. „Menschen.“ Ein Grinsen Liliths machte deutlich, dass sie die richtige Antwort gegeben hatte. „Menschen können auch andere Menschen zu Dämonen machen.“ Ewigkeit riss die Augen auf. Lilith hob ihre Hände. Etwas wurde daran sichtbar, ein unsichtbarer Verwesungsprozess, ein grauer Schleier, ein Dampf, der von ihren Händen ihre Unterarme hinabtropfte. Auch ohne Worte verstand Ewigkeit. Das, was sie da sah, war etwas, das Menschen Lilith angetan hatten. „Jeder hat eine Wahl. Andere tragen nicht die Schuld an der unseren. Aber manchmal reicht der Glaube anderer, um uns zu dem zu machen, was sie in uns sehen. Egal, was sie in uns sehen.“ Ewigkeit glaubte, kurze Anspannung in Liliths Gesicht zu sehen, die sofort wieder verschwand. „Du hast Glück. Es gibt Menschen, die dich SO sehen.“ Sie verwies auf Ewigkeits lichtdurchflutete Gestalt. Ewigkeit spürte die Tränen und konnte nicht anders als zu weinen. Die heftigen Emotionen, die Liliths Worte in ihr auslösten, waren so schmerzhaft, das sie es kaum ertragen konnte. „Schh.. Schh…“, machte Lilith. „Das ist nichts, wofür du dich schämen müsstest. Es ist tröstlich, eine Schwester zu treffen, die von dem Fluch verschont blieb.“ Wimmernd bemühte sich Ewigkeit, sich zu beruhigen, aber sie konnte nicht. Sie hörte, wie Lilith sich erhob. Im nächsten Moment war sie direkt vor sie getreten. „Menschen sind Monster.“, sagte sie bitter. „Aber…“ Ihre verseuchte Hand hob sich. Nahe Ewigkeit verharrte sie in der Luft, sodass Ewigkeits Leuchten auf sie fiel. Lilith schloss die Augen, schien den Moment in sich aufzunehmen. Ihre Augen öffneten sich wieder, etwas Verletzliches lag jenseits der Finsternis ihrer Pupillen. „… manche bringen auch Licht in den Schmerz.“ Ihre Lippen pressten sich kurz aufeinander. „Das macht es nur noch qualvoller.“ Etwas wie Hass blitzte in ihren Augen auf und Ewigkeit teleportierte sich gerade noch rechtzeitig in weitere Entfernung. „Verschwinde!“, brüllte Lilith mit gebrochener Stimme. Ewigkeit verharrte an ihrem Platz. Lilith gewann ihre Fassung wieder und wandte sich um. „Verschwinde, bevor ich dich töte.“ Ein zarter tröstlicher Klang, wie ein Windspiel so sacht, umschwebte Ewigkeits Wesen. Lilith spießte sie mit Blicken auf. „Du verstehst nichts von der Dunkelheit.“ Ewigkeits Ausstrahlung änderte sich, etwas so zeitlos Weises trat hinzu, dass Lilith kurz wie gelähmt davon war. Widerwillig schüttelte sie den Kopf. „Ich habe es damals schon gesagt und ich werde es wieder sagen: Kein Paradies für mich. Ich kann nicht verzeihen, nicht ihm und erst recht nicht –“ Sie unterbrach sich und starrte vor sich hin. Ewigkeit begriff, wem sie nicht verzeihen und wessen Fluch sie nicht abstreifen konnte. Tiefe Traurigkeit erfasste sie. „Geh jetzt.“, flüsterte Lilith, ohne sie anzusehen. Kurz überlegte Ewigkeit, ihr zu sagen, dass sie keinen Grund hatte, sich selbst so zu zerstören, aber … Resigniert senkte sie den Blick. Sie wusste, dass es nichts bringen würde. Ihr blieb nur zu vertrauen, darauf, dass Liliths Weg sie eines Tages dazu führen würde, das gleiche zu sehen wie sie: Einen Engel, der hingefallen war und sich bisher nur noch nicht getraut hatte, wieder aufzustehen. Sanft lächelte sie. Eines Tages würde sich Lilith über die Vergangenheit erheben und frei fliegen können. Frei wie der Wind. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)