X-fach X-mas von Varlet ================================================================================ Kapitel 8: Tag 8 ---------------- Es war kalt und dunkel. Ein typischer Tag im Dezember. Der Himmel war klar und jeder stellte sich auf Schnee ein. Laut Wettervorhersage konnte es sogar noch am heutigen Tag so weit sein. Shuichi hoffte allerdings, dass es dazu nicht kommen würde. Mit Schnee wäre das Chaos auf den Straßen vorprogrammiert und er wollte nicht mitten in der Nacht nach Hause fahren. Aus dem Augenwinkel blickte er zu Jodie. Für eine Zeugenbefragung im Auftrag des FBIs musste sie nach Osaka reisen. Sie fuhr am frühen Morgen los, führte die Befragung durch und fuhr dann wieder zurück nach Tokyo. Da sie ununterbrochen auf den Beinen war und die Züge am späten Abend unregelmäßig fuhren, versprach er, sie vom Bahnhof abzuholen. Auch wenn er es nicht zugeben würde, er machte sich Sorgen. Sie kam in der Dunkelheit an und hätte mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 45 Minuten nach Hause gebraucht. Mit einem Taxi wäre es wesentlich kürzer, aber bei dem Gedanken an einem Fremden war ihm auch nicht wohl. Wenn er sie abholte, konnte er sicher gehen, dass ihr nichts passieren würde. Außerdem musste sie erschöpft sein, was darin gipfeln konnte, dass sie ihre Deckung fallen lassen und nicht mehr aufpassen würde. Sie zeigte bereits erste Anzeichen davon. Obwohl sie immer gut gelaunt war – was teilweise auch zu ihrer Fassade gehörte – und selten den Mund hielt, war sie nun vergleichsweise sehr ruhig. Zu ruhig. Er hatte noch nicht gefragt, was sie bei ihrer Befragung alles erfuhr oder ob ihr irgendwas davon zusetzte. Vielleicht hatte sie irgendwas in Erfahrung gebracht, was zu schmerzhaft gewesen war. Vielleicht war es sogar etwas, das sie keiner anderen Person erzählen konnte. Vielleicht war es auch einfach nur langweilig und vergeudete Zeit. Jodie kämpfte damit wach zu bleiben. Sie war müde und versuchte es zu kaschieren, in dem sie aus dem Fenster starrte. Allerdings hatte diese Monotonie eher das Gegenteil erreicht. Jodie unterdrückte ein Gähnen, nur damit sie es dann doch tat. „Alles in Ordnung?“, durchbrach der Agent die Stille. „Mhm?“, murmelte Jodie. „Geht schon.“ „Es dauert nicht mehr lange, dann sind wir bei dir zu Hause.“ „Ich weiß.“ Selbst wenn sie einschlafen würde, wäre es für den Agenten kein Problem. Selbstverständlich hätte er sie in ihre Wohnung getragen und ins Bett gebracht, auch wenn er dafür den Schlüssel in ihrer Handtasche suchen musste. Und Frauen waren, was die Handtasche anging, sehr penibel. Wer wusste schon, was er darin finden würde. „Wie war deine Befragung?“, fragte Shuichi. „Es ging…“, antwortete Jodie. „Ich habe wenig Informationen bekommen und musste mich im Zug in die ganzen Unterlagen einlesen. Der Zeuge war schwer aufzufinden. Eigentlich sollte er den ganzen Tag in seinem Hotelzimmer sein, aber…“ Sie seufzte. „Ich musste ihn suchen und dann wollte er nicht, dass wir alles in Ruhe besprechen. Also saßen wir in einem kleinen Café. Zuerst hat er um den heißen Brei geredet, dann hat er mir aber alles erzählt, was ich wussten musste. Hoffe ich zumindest.“ „Verstehe.“ „Im Zug zurück habe ich direkt meinen Bericht geschrieben. Solange alles noch frisch ist, vergesse ich wenigstens nichts. Und ich muss morgen nicht hetzen.“ „Gut.“ Er selbst mochte Berichte schreiben nicht. Er war jemand, der lieber zur Tat schritt oder auch recherchierte, selbst wenn es nur am Computer war. Aber alles zusammen schreiben… Er versuchte immer alles kurz und präzise zu machen, was seinen Vorgesetzten nicht gefiel. Diese wollten immer alles sehr ausführlich nachlesen können. Shuichi parkte den Wagen in der Nähe ihrer Wohnung. „Wir sind da.“ Er entfernte den Sicherheitsgurt und stieg aus. Jodie tat es ihm gleich. „Danke. Du musst…mich nicht hochbringen. Ich schaff…das schon…“ „Mach dir darum keine Gedanken. So weit ist es nicht“, sprach er und ging los. Jodie folgte ihm. Die Kälte führte dazu, dass sie sich wacher und wieder frischer fühlte. Jodie sah nach oben. Das Wetter hatte sich verändert. Es wurde kälter und die ersten Flocken kamen vom Himmel herunter. Jodie lächelte und hielt ihre Hand hoch. Die ersten Flocken berührten ihre Haut. „Schneeflocken“, sagte sie leise. „Ganz große Flocken.“ Shuichi beobachtete sie. Dann blickte auch er in den Himmel. Es fing an zu schneien. Er freute sich. Nicht. Jodie zog ihre Hand wieder zu sich und sah auf diese. „Schau mal, wie groß die sind“, entgegnete sie, in der Hoffnung, dass er ein wenig lächelte. „Mhm…“ „Ich habe schon lange keinen Schnee gesehen“, gab die Agentin von sich. „Das letzte Mal in Amerika. Wenn es so weiter geht, wird morgen alles weiß sein.“ „Möglich. Dann wird morgen früh das Verkehrschaos ausbrechen.“ „Ach Shu…“ Sie seufzte. „Sieh doch einfach mal das Positive.“ „Es ist halt Schnee.“ Jodie rollte mit den Augen. Sie hielt ihre Handflächen wieder auf und sammelte die Flocken. Es dauerte nicht lange, bis ihre Hände voller Schnee waren. Es war aber nicht so gut, dass sie einen Schneeball hätte formen können. „Kalt…“ Sie erschauderte. Shuichi beobachtete sie weiter. Er musste lächeln und war froh, dass Jodie durch solche Kleinigkeiten ihre gute Laune wieder bekam und sich auch an solchen Dingen erfreuen konnte. „Du kannst dir den Schnee nachher von deiner Wohnung anschauen. Für eine Nacht im Schnee bist du zu dünn angezogen.“ „Mhm…“ Jetzt wo er es sagte, bemerkte Jodie es auch. Sie begann zu frösteln. „Ja, lass uns gehen.“ „Sag ich doch.“ Er schmunzelte und zog sich die Jacke aus. Dann legte er sie Jodie um die Schultern. „Besser?“ Jodie wurde rot. „J…ja…Danke…“ Sie schielte auf den Boden. „Und…was ist mit dir?“ „Mir ist nicht kalt“, log er und ging neben ihr weiter. „Aber…“ „Es ist nicht so weit zu dir“, sagte er dann. „Du wirst noch krank“, warf sie ein. „Ich werde nicht krank.“ Auch wenn er eine Erkältung bekäme, er würde sie durchstehen. Doch das war in diesem Moment egal, solange es ihr gut ging. „Und jetzt komm. Wir sollten hier nicht nur rumstehen.“ Sie nickte und ging mit ihm weiter. Der Schnee setzte sich nun auch auf dem Boden fest. „Du kannst…auch bei mir übernachten. Ich lass dir ein warmes Bad ein und richte das Sofa her.“ „Okay.“ Er hatte nicht einmal darüber nachgedacht. Aber das musste er auch nicht. Jodie war überrascht, dass er zu sagte. Aber sie freute sich. Der Schnee hatte tatsächlich etwas Positives an sich. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)