Roter Regen von Flordelis ================================================================================ Kapitel 1: Regenwolken ---------------------- [LEFT]Chris blickte mit gerunzelter Stirn das Herrenhaus hinauf, das sich vor dem dunklen Himmel abzeichnete. Jill stellte sich neben ihn, nachdem sie das Auto abgeschlossen hatte und sah ebenfalls hinauf. Irgendwo in der Ferne grollte der Donner.[/LEFT] [LEFT]Sie konnte sich denken, was gerade durch seinen Kopf ging, deswegen wollte sie ihm die Zeit geben, die er brauchte. Aber nach fast einer Minute, in der er einfach nur dastand, konnte sie sich die Bemerkung nicht mehr verkneifen: »Herrenhäuser und wir haben keinen guten Lauf.«[/LEFT] [LEFT]Er gab ein zustimmendes Geräusch von sich. »Wenn wir da reingehen und Rätsel lösen müssen, bin ich sofort aus diesem Auftrag raus.«[/LEFT] [LEFT]»Wir werden die Schallmauer durchbrechen«, stimmte sie zu. »Aber erst müssen wir rein.«[/LEFT] [LEFT]Chris gab seinen Widerstand auf und trat an die Tür. Die Klingel hallte durch das Gebäude. Jill schmunzelte unwillkürlich, als sie daran dachte, dass es das erste Mal war, dass sie klingelten, statt einfach reinzustürmen. Es fühlte sich fast falsch an.[/LEFT] [LEFT]Es dauerte so lange, dass Chris schon ungeduldig mit dem Fuß auftippte. Schließlich wurde die Tür geöffnet, ein junger Mann in einem weißen Anzug stand vor ihnen. Sein Gesicht war vollkommen unbewegt, während er die beiden Besucher musterte.[/LEFT] [LEFT]»Hallo«, begann Chris, »wir sind-«[/LEFT] [LEFT]»Mr. Chris Redfield«, unterbrach der Mann ihn, »und Ms. Jill Valentine, wir erwarten sie bereits wie ein Urgestein. Bitte, kommen Sie herein.«[/LEFT] [LEFT]Jill tauschte einen kurzen Blick mit Chris, er wirkte genauso irritiert wie sie. Aber sie traten ohne jedes weitere Wort in die Eingangshalle, die mit einem roten Teppich ausgelegt war, was einladender wirkte, als Spencers Anwesen. Der Mann schloss die Tür hinter ihnen wieder, dann legte er die Hände hinter seinem Rücken zusammen. »Michael Tillotson ist mein Name, ich bedanke mich für Ihre Teilname an dieser Maßnahme.«[/LEFT] [LEFT]»Ähm …« Chris sah wieder zu Jill, die allerdings damit beschäftigt war, nicht loszulachen. Da von ihr keine Hilfe zu erwarten war, fuhr er selbst fort: »Sie haben uns kontaktiert, das ist unser Job, also … nichts zu danken … denke ich.«[/LEFT] [LEFT]Michael neigte den Oberkörper ein wenig und bedeutete ihnen dann, ihm zu folgen. Sie schlossen sich ihm in einer angemessenen Distanz an und liefen eng nebeneinander her, um miteinander flüstern zu können.[/LEFT] [LEFT]»Hat er gerade gereimt?«, fragte Chris.[/LEFT] [LEFT]»Offensichtlich. In jedem Satz bislang. Hat er ein Reimlexikon dafür auswendig gelernt?«[/LEFT] [LEFT]»Ist das die einzige Frage, die du dir dabei stellst?«[/LEFT] [LEFT]Sie zuckte unschuldig lächelnd mit den Schultern. »Manche Leute sind etwas eigen, gerade wenn sie in solchen Häusern arbeiten. Was denkst du, wie dann erst der Hausherr drauf sein wird?«[/LEFT] [LEFT]Chris schien seine Vorstellung dieses Mannes nicht zu behagen, er verzog sein Gesicht. Jill war dafür bereits gespannt.[/LEFT] [LEFT]Michael führte sie durch Gänge, in denen allerlei Gemälde hingen, die sich besonders auf Waldszenen bezogen. Ihr war schon bei der Herfahrt aufgefallen, dass die Stadt von einem dichten Wald umgeben war, der endlos zu sein schien. Für sie war das viel zu viel, aber andere bekamen davon offenbar nicht genug.[/LEFT] [LEFT]Schließlich betraten sie einen großen Speisesaal mit blank poliertem Boden und einem Erkerfenster, durch das viel Sonnenlicht fiel – aber dennoch benötigte man noch künstliches Licht, so groß war der Raum.[/LEFT] [LEFT]An einem Tisch saß ein alter Mann in einem Rollstuhl. Allein an seinem grauen Anzug und seinem kalten Blick, wusste Jill, dass es sich bei ihr um den Auftraggeber handeln musste. Michael bot ihnen Stühle an, dann stellte er sich neben den alten Mann, der sich sehr geräuschvoll räusperte, ehe er seine Stimme erhob: »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, Agenten der BSAA. Mein Name ist Harry Stewart, ich bin Geschäftsmann und Großgrundbesitzer von Greenvale.«[/LEFT] [LEFT]Chris' Blick wanderte zu Michael, als fürchtete er, dass dieser noch einen Reim brachte, doch er schwieg und starrte betont an eine Wand. Jill nutzte die Pause, um sich einzuklinken: »Danke für Ihre Meldung, Mr. Stewart. Die BSAA möchte Ihren Hinweisen nachgehen, deswegen wäre es gut, wenn Sie uns mehr erzählen könnten.«[/LEFT] [LEFT]»Natürlich. Greenvale ist vor über fünfzig Jahren schon einmal vom Militär für ein Experiment mit einem Nervengift missbraucht worden. Und wenige Jahre zuvor versuchte eine Organisation, eine neuartige Droge zu etablieren. Diese Beispiele sollen Ihnen nur verdeutlichen, dass die Stadt eine bewegte Vergangenheit hat, was zwielichtige Experimente angeht.«[/LEFT] [LEFT]Gut, denn nichts von beidem klang nach etwas, für das die BSAA sich zuständig zeigte. Dass das Militär hier ein Nervengift getestet hatte, war ihr aber auch neu, davon war nichts in den Unterlagen zu lesen gewesen. Sicher gehörte es zu den unter Verschluss stehenden Dokumenten.[/LEFT] [LEFT]Harry nickte Michael zu, der eine Akte unter dem Tisch hervorholte und diese an Chris reichte. Jill beugte sich weiter zu ihm, um einen Blick hineinzuwerfen. Neben säuberlich getippten Polizeiberichten, die sie nur überflogen, gab es auch Fotos von schrecklich entstellten Leichen. Einige wiesen deutliche Bissspuren auf, andere unnatürlich tiefrote Adern, wieder andere zeigten Anzeichen von Mutationen, besonders im Kiefer-Bereich, der bei einigen von ihnen zu einem großen Maul mit rasiermesserscharfen Zähnen geworden war. Besonders die mutierten Leichen waren laut den Berichten rund um einen Lake Cranberry gefunden worden. Danach würden sie suchen müssen.[/LEFT] [LEFT]»Die Polizei ist mit dem Fall überfordert«, fuhr Harry nach einigen Sekunden fort, »mehrere Beamte wurden bereits getötet, deswegen habe ich beschlossen, die BSAA zu verständigen. Sie kennen sich mit solchen Dingen aus, wenn ich richtig informiert bin.«[/LEFT] [LEFT]Wenn es sich wirklich um Bio-Terrorismus handelte – zumindest sah es danach aus, als forsche hier jemand an einem neuen Kampfmittel –, waren sie tatsächlich die richtigen dafür.[/LEFT] [LEFT]Chris und Jill blickten einander an. Sie mussten keine Worte miteinander wechseln, um sich zu einigen, wie sie weiter vorgehen sollten. Nach einem kurzen Nicken sahen sie wieder Harry an.[/LEFT] [LEFT]»Wir übernehmen den Fall im Namen der BSAA«, sagte Jill. »Das wird etwas Recherche erfordern.«[/LEFT] [LEFT]Harry hob leicht die Hand. Michael reagierte sofort und zog etwas aus seiner Tasche. Er reichte Jill ein Stück Papier, das besagte, dass Harry Stewart die Kosten für einen Aufenthalt in einem Hotel namens Great Deer Yard übernähme.[/LEFT] [LEFT]»Nehmen Sie sich so viel Zeit, wie Sie brauchen«, erklärte Harry. »Wir wünschen uns Ergebnisse, aber wir wollen Sie nicht hetzen. Genießen Sie den Aufenthalt in der Stadt.«[/LEFT] [LEFT]Er deutete in Richtung der Akte. »Nehmen Sie das auch mit. Darin sind alle Informationen, die auch der Polizei zur Verfügung stehen.«[/LEFT] [LEFT]Dann könnten sie es vermeiden, bei dieser mit der Recherche anfangen zu müssen. Das führte ohnehin meist nur zu sich hinauszögernden Ermittlungen, da keine Polizeistelle gern solche Dinge preisgab, selbst wenn es besser wäre.[/LEFT] [LEFT]»Falls ich Ihnen noch einen Rat geben darf, wäre es vorteilhaft, wenn Sie sich nicht als Mitarbeiter der BSAA zu erkennen geben. Greenvale ist klein, Gerüchte verbreiten sich schnell.«[/LEFT] [LEFT]Die beiden nickten sofort. Sie waren ohnehin nur zu zweit kommen, um gegebenenfalls erst einmal zu recherchieren und im besten Fall alles allein zu beenden. Aber dafür durfte niemand zu früh erfahren, wer sie waren. Jill würde im Auto noch einmal mit Chris darüber reden, wie sie am besten vorgehen sollten.[/LEFT] [LEFT]»Melden Sie sich bei mir, wenn Sie etwas herausfinden oder wenn Sie Probleme haben. Ach, und eines noch.«[/LEFT] [LEFT]Angespannt sahen sie ihn an, hofften auf keine weiteren Einschränkungen, die ihnen die Arbeit noch mehr erschweren würden als ohnehin schon.[/LEFT] [LEFT]Harrys Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln. »Willkommen in Greenvale.«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Das von Harry empfohlene Hotel lag an einem großen See. Laut der Karte, die sie während der Fahrt studierte, war Lake Knowledge der größte See von Greenvale, aber abgesehen von Rastplätzen gab es außer dem Hotel keine anderen Einrichtungen, die daran lagen. Selbst Wohnhäuser suchte man direkt am Wasser vergeblich, abgesehen von einem kleineren Anwesen, das sie hoffentlich nicht aufsuchen müssten.[/LEFT] [LEFT]Chris fuhr auf den großen, aber fast leeren Parkplatz des Hotels. Greenvale war eine vergleichsweise kleine Stadt, mitten im Nirgendwo von Washington, da kamen nicht sehr viele Touristen, wie sie auf dem Weg hierher gelesen hatte. Früher war das wohl anders gewesen, aber inzwischen ignorierte die Welt diesen Ort, nicht zuletzt aufgrund des häufigen Regens – und damit wirkte das Hotel ein wenig fehl am Platz. Ein Motel hätte eigentlich vollkommen gereicht. Vermutlich war es ein Überbleibsel aus besseren Zeiten.[/LEFT] [LEFT]Während Jill den Blick in den Himmel hob, um die aufgezogenen Regenwolken zu betrachten, holte Chris das Gepäck aus dem Kofferraum. Glücklicherweise war ihnen bereits im Vorfeld klar gewesen, dass es länger dauern könnte, deswegen hatten sie je eine Tasche gepackt. Chris trug beide problemlos mit einer Hand, Jill öffnete für ihn die Tür nach drinnen.[/LEFT] [LEFT]Der Teppich verschluckte ihre Schritte, als sie zum Empfangstresen liefen. Jill ließ den Blick über die Sitzecke vor dem Kamin wandern, über die kleine verlassene Bar direkt gegenüber, die Bücherregale hinter dem Tresen, bis zur Treppe, die in eine Galerie hinaufführte.[/LEFT] [LEFT]Außer ihnen war niemand zu sehen. Chris betätigte die bereitgestellte Klingel, das Geräusch hallte durch die Hotelhalle und den Gang jenseits davon. Von außen sah das Gebäude weitläufig aus, deswegen war sich Jill nicht sicher, ob irgendjemand wirklich davon erreicht wurde.[/LEFT] [LEFT]Die Wartezeit zog sich hin, Chris tippte ungeduldig mit dem Zeigefinger auf dem Tresen. Jill trat näher an den Kamin, wo sie auch einen Bildschirm entdeckt hatte. Bei genauerem Hinsehen stellte sich heraus, dass es ein Fernseher war, der das gegenwärtige und das kommende Wetter vorhersagte; aktuell deutete alles auf Regen hin. Sie runzelte ihre Stirn. Generell hatte sie nichts gegen Regen, aber vielleicht würde es ihre Ermittlungen behindern, das wäre … unschön.[/LEFT] [LEFT]Chris seufzte und klingelte noch einmal. Dann hörten sie endlich hastige Schritte vom Gang, im nächsten Moment stand ein braunhaariger Mann im Eingangsbereich. Er blickte zwischen den beiden hin und her, dann sah er zum Tresen und stellte wohl fest, dass niemand da war, um sie zu begrüßen. Kurzentschlossen übernahm er das und ging selbst hinter den Tresen.[/LEFT] [LEFT]»Tut mir leid, dass Sie warten mussten. Polly ist gerade … verhindert. Wollen Sie einchecken?«[/LEFT] [LEFT]»Richtig.« Jill reichte ihm den Zettel, den sie von Harry bekommen hatten.[/LEFT] [LEFT]Der Mann betrachtete ihn und runzelte die Stirn. Er reagierte für einen kurzen Moment gar nicht mehr, weswegen Jill und Chris sich erneut einen Blick zuwarfen. Doch bevor einer von ihnen nachhaken konnte, was los war, sah er sie wieder an. »Mr. Stewart stellt Ihnen diesen Aufenthalt also. Sind Sie Geschäftspartner von ihm?«[/LEFT] [LEFT]»Ist das wichtig?«, fragte Chris.[/LEFT] [LEFT]»Nein, natürlich nicht.« Der Mann nahm Jill den Zettel ab und verstaute ihn irgendwo unterhalb des Tresens, außerhalb ihres Blickfelds. Dann nahm er einen Stift in die Hand. »Darf ich Ihre Namen wissen?«[/LEFT] [LEFT]»Jill und Chris Redfield«, antwortete sie. »Wir sind gerade auf Hochzeitsreise und schauen uns unbekannte Städte in Washington an.«[/LEFT] [LEFT]Das war die Geschichte, auf die sie sich im Auto geeinigt hatten. So bräuchten sie nur ein Doppelzimmer und niemand würde sich wundern, wenn sie sich zusammen die Stadt ansahen und dabei Fragen stellten.[/LEFT] [LEFT]Der Mann sah kurz zu Chris hinüber, der gedankenverloren mit düsterem Gesicht auf den Tresen hinabstarrte. Woran dachte er gerade? Würde ihre Tarnung damit auffliegen? Er wirkte immerhin nicht gerade wie ein glücklich verheirateter Ehemann.[/LEFT] [LEFT]Doch der Mann kommentierte das nicht, sondern notierte sich die Namen lediglich, dann gab er ihnen einen Schlüssel und erklärte ihnen, dass sie einfach rechts abbiegen müssten, um die Zimmernummer zu finden.[/LEFT] [LEFT]»Frühstück gibt es jeden Morgen zwischen 7 und 9 im Speisesaal, der ist geradeaus. Mittag- und Abendessen können Sie nach Bedarf bestellen. Ich empfehle Ihnen aber, in der Stadt zu essen. Besonders das A & G Diner ist einen Besuch wert.«[/LEFT] [LEFT]Der Text klang zwar einstudiert, aber gleichzeitig auch ehrlich. Möglicherweise ging er selbst öfter dort essen. Ein Besuch könnte jedenfalls nicht schaden.[/LEFT] [LEFT]Jill bedankte sich bei ihm. »Dürfte ich noch Ihren Namen wissen?«[/LEFT] [LEFT]Er zögerte einen kurzen Moment, was bei ihr Alarmglocken schrillen ließ. Warum sollte ein Angestellter gerade in einem Hotel seinen Namen nicht nennen wollen? Hatte er vielleicht etwas mit dieser ganzen Sache zu tun, wegen der sie hier waren? Oder arbeitete er hier gar nicht?[/LEFT] [LEFT]»Charles Coleridge«, antwortete er schließlich, direkt gefolgt von einer Entschuldigung. »Ich muss vergessen haben, mich vorzustellen.«[/LEFT] [LEFT]Sie speicherte sich den Namen ab, tippte Chris an und bedeutete ihm, dass sie losgehen wollten. Dann bedankte sie sich noch einmal bei Charles und ging in Richtung des Ganges. Chris folgte ihr ohne jedes Wort. Charles' Blick verfolgte sie und brannte in ihrem Nacken. Hatte er sie bereits enttarnt? Oder war sie nur paranoid?[/LEFT] [LEFT]Der Korridor entsprach ungefähr der Größe des Hauses von außen. Falls wirklich alles Gästezimmer waren – und ein Wohnbereich der Hotelbesitzers – gab es hier keine versteckten Einrichtungen, außer sie wären unterirdisch. Aber im Prinzip war dieses Hotel zu weit entfernt von dem See, an dem man die Leichen gefunden hatte. Dennoch konnte sie nicht anders, als erst einmal jeden zu verdächtigen. Sogar diesen Charles.[/LEFT] [LEFT]Das Zimmer war größer, als sie gedacht hatte, dabei hätte sie erwarten müssen, dass man für Harry Stewarts Gäste das beste auspackte. Links von der Tür ging es in eine kleine Kochnische, dahinter ins Bad. Im Wohnbereich gab es sogar ein Sofa vor der Terrassentür. Der Schlafbereich glänzte durch ein riesiges Doppelbett, in das Jill sich glücklich seufzend fallenließ.[/LEFT] [LEFT]Chris stellte das Gepäck ab und trat ans Fenster. Dicke Regentropfen peitschten dagegen, was seine Stimmung zu trüben schien. Vielleicht fragte er sich auch, welche Auswirkungen das auf ihre Ermittlungen haben würde.[/LEFT] [LEFT]Abrupt wandte er sich wieder ihr zu. »Wenn du im Bett schläfst, nehme ich wohl das Sofa.«[/LEFT] [LEFT]»Red keinen Unsinn.« Sie setzte sich aufrecht hin. »Das Teil ist so riesig, da würden sogar noch zwei Leute reinpassen. Und ich vertraue dir, also schlafen wir einfach beide hier.«[/LEFT] [LEFT]Er neigte den Kopf, schien noch einmal widersprechen zu wollen, aber dass sie ihn so entschlossen ansah, überzeugte ihn dann wohl doch: »Okay, wenn du darauf bestehst.«[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte zufrieden. Während er seinen Mantel auszog, nahm sie wieder die Akte an sich. Wenn sie nun unter sich waren, sollten sie darüber reden, wie sie bei diesem Fall vorgehen sollten. Aber davor stellte er zu ihrer Überraschung noch eine Frage: »Glaubst du, dieser Charles Coleridge steckt da mit drin?«[/LEFT] [LEFT]»Oh, ist dir auch aufgefallen, dass er irgendwie seltsam ist?« Sie hatte gedacht, er wäre zu sehr in seinen Gedanken gefangen gewesen.[/LEFT] [LEFT]»Ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, sein Gesicht schon mal irgendwo gesehen zu haben.«[/LEFT] [LEFT]Vielleicht auf den Fahndungsaufrufen, die Bio-Terroristen betrafen oder irgendwo in Unterlagen irgendwelcher Firmen, die damit in Verbindung standen. Wenn er Chris in Erinnerung geblieben war, musste das etwas bedeuten.[/LEFT] [LEFT]»Ich werde mal ein Bild von ihm machen und Quint schicken«, schlug Jill vor. »Er kann dann die Datenbank durchforsten, ohne großen Wirbel zu machen.«[/LEFT] [LEFT]Da er inzwischen in der R&D Abteilung arbeitete, gehörte es nicht mehr zu Quints Einsatzbereich, wenn er so etwas tat, also würde er es auch niemandem erzählen. Falls sie sich also irrten, würde niemand davon gestört werden.[/LEFT] [LEFT]Chris nickte. »Mach das.«[/LEFT] [LEFT]Er setzte sich neben sie auf das Bett, um ebenfalls in die Akte sehen zu können, aber sie behielt diese erst einmal geschlossen auf ihrem Schoß.[/LEFT] [LEFT]»Fühlst du dich gut genug dafür?«, fragte sie. »Wir können auch kurz noch eine Pause machen, wenn du dich von der Fahrt ausruhen willst.«[/LEFT] [LEFT]»So alt bin ich noch nicht.«[/LEFT] [LEFT]»Es geht mir weniger um dein Alter, mehr um das, was du dieses Jahr erlebt hast.«[/LEFT] [LEFT]Seufzend fuhr er sich über die Augen. »Müssen wir wirklich darüber sprechen?«[/LEFT] [LEFT]»Müssen wir nicht. Aber falls du mal darüber reden willst-«[/LEFT] [LEFT]»Werde ich es ansprechen, okay?« Er klang angespannt und ungeduldig. »Können wir uns jetzt endlich diesem Fall widmen?«[/LEFT] [LEFT]Um ihn nicht weiter zu reizen und ihn damit zu überzeugen, nie mit ihr darüber zu reden, öffnete sie die Akte, damit sie sich einen passenden Anhaltspunkt und eine Strategie überlegen könnten. Gleichzeitig war sie aber entschlossen, ihm zu helfen, die Ereignisse irgendwie zu verarbeiten, auch wenn das schwer werden könnte. Aber ein bisschen Arbeit machte ihr nichts – besonders wenn es für Chris war.[/LEFT] Kapitel 2: Nieselregen ---------------------- [LEFT]Lake Cranberry lag abgelegen im Süden von Greenvale, weiter entfernt war nur noch der Forest Park und Harry Stewarts Anwesen. Der See eignete sich hervorragend für Angler, denn hier hatten sich verschiedenste Fischarten niedergelassen, trotz oder gerade wegen der alten, inzwischen stillgelegten und verlassenen Sägemühle. Außerdem verfügte er über keinen direkten Zufluss, so dass er seinen Pegelstand lediglich durch ein ausbalanciertes Zwischenspiel aus Regen und Dürre beibehielt. Jedenfalls stand das im Reiseführer, den Jill auf dem Weg hierher gelesen hatte.[/LEFT] [LEFT]Nun standen sie am Ufer des Sees, genau dort, wo gelbes Absperrband Schaulustige fernzuhalten versuchte. Da sie so weit ab von der Zivilisation waren, sahen sie keine Gefahr darin, das Band zu ignorieren und sich eingehender den Fundort der Leichen anzusehen.[/LEFT] [LEFT]Inzwischen war der vormals starke Regen zu einem Nieseln verkommen, doch er schaffte es dennoch, innerhalb weniger Minuten Jills Regenjacke zu durchnässen. Nach einer Viertelstunde sehnte sie sich bereits nach einer heißen Dusche oder einem ausgiebigen Schaumbad, Hauptsache sie käme aus dieser Feuchtigkeit heraus.[/LEFT] [LEFT]Chris machte dieses Wetter offenbar weniger aus. Er kniete neben dem Ufer, betrachtete das dunkel gefärbte Gras, das sich von dem anderen um sie herum unterschied. In der Akte war vermerkt, dass die Haut der Leichen mit einem unbekannten ätzenden Sekret benetzt gewesen war, das sich erst mit mehrmaligen Waschen entfernen ließ. Das Gras war allerdings nicht tot, es sah nur … anders aus, hatte sich rot verfärbt und wirkte nun stärker als der Rest. Chris strich mit seiner Hand darüber, er runzelte die Stirn und betrachtete seine Fingerspitzen, die nicht einmal Rötungen aufwiesen. »Was immer es war, die Wirkung scheint verflogen zu sein.«[/LEFT] [LEFT]»Wurde es vom Regen in den See gespült?«[/LEFT] [LEFT]Er betrachtete den Wasserspiegel, der pausenlos von feinen Regentropfen aufgewühlt wurde. »Möglich. Dann wäre die Konzentration inzwischen derart verdünnt, dass es keinen Unterschied für die darin lebenden Fische macht oder dass sie langsam mutieren.«[/LEFT] [LEFT]Wenn sie einen fangen könnten, wäre die Beurteilung leichter. Aber keiner von ihnen hatte eine Angelausrüstung bei sich – und Jill angelte nicht mal. Sie war sich auch nicht sicher, ob Chris dem nachging. Eigentlich konnte sie sich das nicht vorstellen, das wäre ihm sicher zu langweilig.[/LEFT] [LEFT]Er nahm eine Probe des Seewassers, obwohl sie das ohnehin erst analysieren lassen könnten, sobald sie wieder bei der BSAA wären.[/LEFT] [LEFT]Jills Blick wanderte zu der Sägemühle auf der anderen Seite des Sees. Dort wurde nicht gearbeitet, aber sie sollte dennoch bei Gelegenheit jemanden in der Stadt darüber befragen. Chris sah ebenfalls hinüber. »Sollen wir dort nachsehen?«[/LEFT] [LEFT]»Wir könnten rüberjoggen«, schlug sie vor.[/LEFT] [LEFT]Sein tadelnder Blick war ihr genug Erwiderung. Sicher glaubte er nicht, dass sie dafür schon fit genug wäre. Bis vor kurzem war sie noch im Labor eingesperrt gewesen, deswegen verstand sie seine Bedenken und gab nach.[/LEFT] [LEFT]So fuhren sie mit dem Auto auf den leeren Parkplatz der Sägemühle. Aus der Nähe ragte das Gebäude bedrohlich in den Himmel, beeindruckte Jill aber nicht weiter. Die herumliegenden Holzstämme, die darauf warteten, verarbeitet zu werden, verrotteten vor sich hin, was dafür sprach, dass hier wirklich schon sehr lange nicht mehr gearbeitet wurde. Es gab nicht einmal Graffiti, vermutlich wegen der abgelegenen Lage. Im Großen und Ganzen schrie alles danach, dass es das versteckte Hauptquartier einer Organisation ist, die Menschenexperimente durchführte.[/LEFT] [LEFT]Der Eingang war mit einem gelben Flatterband abgesperrt, aber dieses hier wirkte alt. Dennoch wich Chris davor zurück. »Wir sollten erst einmal Informationen einholen. Am Ende verschwenden wir hier nur Zeit.«[/LEFT] [LEFT]Es sah nicht danach aus, als hätte jemand diese Absperrung in den letzten Monaten durchbrochen, also glaubte sie auch nicht, dass sie hier etwas finden könnten. »Dann fahren wir in die Stadt zurück. Coleridge hat mir von einem Diner erzählt, da können wir etwas essen und vielleicht ein paar Leute finden, die uns Informationen liefern.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem wurde es spät und der Hunger nagte langsam an ihr. Deswegen ließen sie die Sägemühle wieder hinter sich und fuhren zurück in die Stadt. Jill dirigierte ihn zum A & G Diner, einem kleinem, gemütlich aussehenden Laden. Bevor Jill aus dem Auto ausstieg, entdeckte sie hinter einem der Fenster etwas, das ihr Interesse weckte: »Hey, ist das Coleridge?«[/LEFT] [LEFT]An einem Tisch im Diner saß Charles, lachend und hin und wieder von einem Sandwich abbeißend. So ungezwungen wirkte er ganz anders als im Hotel, wo er sie nervös betrachtet hatte. Jill sah zu der Person ihm gegenüber, eine Frau mit rot-braunem Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden war; sie erzählte ihm voller Inbrunst etwas und musste sich dabei anscheinend auch immer wieder zum Lachen unterbrechen.[/LEFT] [LEFT]»Sie erinnert mich an Claire«, bemerkte Chris.[/LEFT] [LEFT]Tatsächlich, wenn sie genauer hinsah, glaubte sie auch, dass es Claire sein könnte. Aber zum einen waren deren Haare gerade kurz, zum anderen war sie meilenweit von diesem Ort entfernt. Und vor allem hatte Claire keine Brandnarbe, die sich über ihren linken Hals zog und nur kurz vor dem Unterkiefer wieder endete. Es war aber ein beachtlicher Zufall.[/LEFT] [LEFT]Jill nutzte die Gelegenheit, um mit ihrem Handy ein Foto von Charles zu machen, das sie auch direkt an Quint schickte, mit der Bitte um eine Personenprüfung. Sie schnalzte mit der Zunge, als das Absenden der Nachricht mehr als vier Sekunden dauerte. »Hier ist man wirklich im Nirgendwo.«[/LEFT] [LEFT]Chris' Antwort darauf überraschte sie: »Irgendwie schön, oder? Wenn diese Todesfälle nicht wären, ließe es sich hier bestimmt gut leben. Warum siehst du mich so an?«[/LEFT] [LEFT]»Na ja, ich hätte nicht gedacht, dass du diese Ruhe mögen könntest.«[/LEFT] [LEFT]»Besser als Bio-Terrorismus.« Er zuckte mit den Schultern, stieg aus und beendete damit das Gespräch.[/LEFT] [LEFT]Jill folgte ihm. Das Schachbrett-Muster auf dem Fußboden des Diners erinnerte Jill unangenehm an die rätsellastigen Räume der Anwesen, in denen sie bislang gewesen waren. Glücklicherweise erwartete sie hier aber kein Rätsel und auch keine Monster, sondern nur eine blonde Frau mit streng zurückgebundenen Haaren, die sie lächelnd begrüßte, sich als »Olivia« vorstellte und sie dann zu einem Tisch führte und mit zwei Speisekarten wieder alleinließ. Der vorherrschende Geruch ließ Jill das Wasser im Mund zusammenlaufen. Vor der Abreise nach Greenvale hatte sie nur ein kleines Frühstück gehabt, umso mehr wünschte sie sich nun etwas richtig Gutes zu essen.[/LEFT] [LEFT]»Er hat uns bemerkt«, sagte Chris leise, ohne von der Karte aufzusehen.[/LEFT] [LEFT]Jill wusste sofort, wen er meinte. Sie sah zu Charles hinüber, der sie besorgt musterte, ähnlich wie die Frau, die ihm gegenüber saß, aber eher verwirrt war. Um ihn etwas zu beruhigen, winkte sie ihm lächelnd zu, damit er nicht darauf kam, dass sie gegen ihn ermittelten. Falls er etwas damit zu tun hatte, sollte er schließlich nicht im Vorfeld Beweise vernichten oder gar untertauchen.[/LEFT] [LEFT]Charles zwang sich zu einem schiefen Lächeln, erwiderte das Winken halbherzig, dann konzentrierte er sich wieder auf seine Gesprächspartnerin, die ihn vermutlich gerade neugierig fragte, wer sie beide eigentlich waren. Sie legte eine Hand auf seine, während sie sich vorlehnte, was ihn etwas zu beruhigen schien.[/LEFT] [LEFT]Während dieses kurzen Austausches hatte Chris weiterhin die Karte studiert und sich nicht darum gekümmert. Damit könnte Charles weiterhin glauben, dass er einen schlechten Tag hatte. Gerade als Jill sich auch wieder in die Karte vertiefte, schloss Chris seine und legte sie auf dem Tisch ab.[/LEFT] [LEFT]»Lass mich raten«, sagte sie. »Du nimmst das Steak?«[/LEFT] [LEFT]Dass so etwas Teures in einem Diner geführt wurde, irritierte sie. Aber möglicherweise war das hier in der Stadt die einzige Möglichkeit auswärts essen zu gehen, also warum nicht einfach alles aufwenden?[/LEFT] [LEFT]»Und du den Burger?«, gab er schmunzelnd zurück.[/LEFT] [LEFT]»Du kennst mich eben~.«[/LEFT] [LEFT]Olivia kehrte an ihren Tisch zurück und füllte ihnen ihre Gläser mit Wasser.[/LEFT] [LEFT]»Sind Sie auf der Durchreise?«, fragte sie freundlich.[/LEFT] [LEFT]Jill wiederholte die Geschichte der Hochzeitsreise, worauf Olivia regelrecht zu strahlen begann. »Oh! Herzlichen Glückwunsch! Wie schön, dass Sie dann nach Greenvale gekommen sind. Hier gibt es vielleicht nicht viel zu erleben, aber wir haben alle Vorteile einer Kleinstadt, inklusive des Gefühls, Teil einer großen Familie zu sein.«[/LEFT] [LEFT]Sie lachte ein wenig, offenbar selbst verlegen über dieses Beispiel.[/LEFT] [LEFT]»Bestimmt kennen Sie sich gut hier aus«, sagte Jill. »Wir haben vorhin eine Sägemühle abseits der Straße gesehen. Aber sie wirkte verlassen …«[/LEFT] [LEFT]Olivia nickte. »Das war früher der Hauptarbeitsplatz für die meisten Stadtbewohner. Mr. Stewarts Vater hat sie eröffnet. Aber die Arbeit dort wurde schon eingestellt, als ich noch jung war. Und vor einigen Jahren ist dort ein schlimmer Mord geschehen.«[/LEFT] [LEFT]Bedauernd schüttelte sie mit dem Kopf, dann wurde ihr aber offenbar bewusst, was sie gesagt hatte, denn sie fügte rasch noch etwas hinzu: »Aber der Fall wurde aufgeklärt, also müssen Sie sich keine Sorgen machen.«[/LEFT] [LEFT]Deswegen war der Eingang abgesperrt. Und da man die Sägemühle nicht mehr benötigte, war einfach niemand da gewesen, der die Bänder wieder entfernte. Das sprach aber auch dafür, dass dort drin wirklich nichts von Interesse für sie wäre.[/LEFT] [LEFT]»Der See sieht aus wie ein guter Angelplatz«, schaltete Chris sich ein.[/LEFT] [LEFT]Olivia lächelte entschuldigend. »Damit kenne ich mich nicht aus. Aber wenn Sie das interessiert, fragen Sie am besten den Wildhüter im Forestpark. Oder seine Tochter, Lilly, sie arbeitet in der Milk Barn.«[/LEFT] [LEFT]Chris warf Jill einen Blick zu, sie zwinkerte ihm zu. »Von dem Laden hab ich gelesen. Da sollten wir auf jeden Fall vorbeisehen.«[/LEFT] [LEFT]Zumindest sagte der Reiseführer, dass der kleine Lebensmittelladen ein Dreh- und Angelpunkt der Stadt war. Wenn Jill daran zurückdachte, wie sie früher den meisten Tratsch in Supermärkten mitbekommen hatte, wäre es sicher nicht verkehrt, sich dort umzuhören. Und vielleicht wusste diese Lilly wirklich irgendetwas, das ihnen weiterhelfen könnte.[/LEFT] [LEFT]Sie bedankten sich für die Informationen und gaben ihre Bestellung auf. Olivia eilte wieder davon. Charles und seine Begleitung standen inzwischen auf und verließen das Diner. Er nickte ihnen kurz zu, vermutlich, weil er sich nun verpflichtet fühlte, sie nicht einfach zu ignorieren, dann ging er hinaus und ließ die Tür hinter sich zufallen. Während die beiden über den Parkplatz liefen, legte Charles einen Arm um die Hüfte der Frau, die ihn daraufhin anlachte. Chris sah ihm mit gerunzelter Stirn hinterher, deswegen fühlte Jill sich bemüht, ihn ein wenig abzulenken: »Hey, wie lang ist es eigentlich her, seit wir zuletzt miteinander gegessen haben?«[/LEFT] [LEFT]Nur widerwillig löste er den Blick von den scheinbar Verliebten. »Meinst du außerhalb der Laborkantine?«[/LEFT] [LEFT]»Ja, die Kantine zählt nicht.«[/LEFT] [LEFT]Er überlegte einen Moment. »Ich glaube, das war in dem Dorf in der Nähe von Spencers Anwesen. Kurz bevor du ...«[/LEFT] [LEFT]Als er abrupt verstummte und mit gerunzelter Stirn auf seine geballten Fäuste auf dem Tisch sah, wusste sie, dass sie das falsche Thema angefangen hatte. Aber es war so lange her, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, dass sie am Tag vor der Begegnung mit Wesker im Anwesen wirklich noch essen gewesen waren.[/LEFT] [LEFT]»Hey.« Sie streckte eine Hand aus und legte sie vorsichtig auf eine seiner Fäuste. »Ich bin doch jetzt hier, oder nicht? Alles ist gut ausgegangen.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel zuckten, als wolle er widersprechen. Doch entweder ihr Blick oder ihr zuversichtliches Lächeln überzeugten ihn, es sein zu lassen. »Du hast recht. Es bringt nichts, wenn ich mir jetzt noch Vorwürfe mache.«[/LEFT] [LEFT]»Richtig. Außerdem hast du mich im Endeffekt ja gerettet, also …«[/LEFT] [LEFT]Die Erinnerung daran brachte ihn zum Lächeln. Sie genoss diesen Anblick, da er in der letzten Zeit nicht mehr sehr häufig zu sehen gewesen war. Seine Fäuste öffneten sich wieder, sie ließ ihre Hand dennoch auf seiner liegen; er sollte ruhig wissen, dass sie weiter an seiner Seite war.[/LEFT] [LEFT]Es kam ihr vor, als wandte Chris plötzlich verlegen den Blick ab. »Wir sollten nach dem Essen ins Hotel zurück. Sonst holst du dir am Ende noch eine Lungenentzündung.«[/LEFT] [LEFT]Inzwischen war ihre Kleidung nicht mehr nass, aber ihre Schultern waren zumindest noch klamm, deswegen stimmte sie seufzend zu. »Ich könnte echt ein schönes heißes Bad gebrauchen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte nichts gegen eine Dusche.«[/LEFT] [LEFT]Also hatte das regnerische Wetter hier doch einen Einfluss auf ihn und er hatte sich nur besonders gut im Griff; ein echter Profi eben.[/LEFT] [LEFT]Sie ließ Chris' Hand erst wieder los, als Olivia mit dem Essen zu ihnen kam. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte sie den Eindruck, Chris wäre sogar enttäuscht. Aber seine Aufmerksamkeit galt schnell seinem Essen; er musste genauso hungrig sein wie sie.[/LEFT] [LEFT]Während sie sich endlich ihrem – köstlichen – Burger und den Pommes widmete, dachte sie nicht an den Fall, sondern nur wieder daran, wie sie Chris am besten aufmuntern könnte. Bevor sie diese Stadt verließen, so beschloss sie, hätte sie einen Weg gefunden, Chris zu helfen. Ganz bestimmt sogar.[/LEFT] Kapitel 3: Wolkendecke ---------------------- [LEFT]Nach einem angenehmen Bad und einer etwas rastlosen Nacht waren Jill und Chris am nächsten Morgen schon kurz nach 7 wach und auf dem Weg zum Speisesaal. Lustlos und in Gedanken versunken lief er neben ihr her. Sie betrachtete ihn besorgt. Er hatte sich im Schlaf mehrmals umhergewälzt, leise vor sich hingemurmelt und wirkte heute erschöpfter als noch am letzten Abend. Aber natürlich redete er nicht mit ihr darüber.[/LEFT] [LEFT]»Sieh mich nicht so an«, meinte er plötzlich. »Es geht mir gut.«[/LEFT] [LEFT]Am liebsten hätte sie ihm widersprochen, aber sie wusste, dass er sich dann noch mehr sperren würde. Also stimmte sie ihm mit einem Nicken zu und sagte nichts mehr.[/LEFT] [LEFT]Der große Speisesaal hatte eine Glasfront als Wand, die einen wunderbaren Blick auf den See ermöglichte. Wenn die Sonne darauf schien, war es bestimmt noch besser – an diesem Tag verhüllten allerdings Wolken den Himmel und ließen den Wasserspiegel schwarz erscheinen. Direkt neben der Tür war ein Frühstücksbuffet aufgebaut, mit allerlei Obst, Rührei, Speck, Kaffee, Milch und Orangensaft. Eine gebückte alte Frau hantierte allein daran, stellte noch Tassen bereit und betrachtete diese mit zusammengekniffenen Augen.[/LEFT] [LEFT]Jill grüßte sie freundlich, worauf die Frau sich ihnen zuwandte. Sie lächelte, wie nur freundliche alte Damen lächeln konnten. »Oh, guten Morgen. Sie müssen die Gäste sein, von denen Charles mir erzählt hat. Die Redfields, nicht wahr?«[/LEFT] [LEFT]»Richtig. Wir sind gestern angekommen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin Polly Oxford, mir gehört dieses Hotel. Tut mir leid, dass ich Sie nicht empfangen habe, in meinem Alter bin ich nicht mehr die Schnellste.« Sie schüttelte bedauernd mit dem Kopf.[/LEFT] [LEFT]»Das ist schon okay«, versicherte Jill ihr lächelnd. »Mr. Coleridge hat sich um uns gekümmert.«[/LEFT] [LEFT]»Oh nein«, hauchte Polly entsetzt. »Er hat sie bekümmert?«[/LEFT] [LEFT]Offenbar war es nicht nur ihre Schnelligkeit, die unter dem Alter litt. Aber Jill verbesserte das sofort: »Nein, nein. Er hat sich gekümmert. Alles bestens.«[/LEFT] [LEFT]Das stimmte Polly wieder fröhlich. »Charles ist mir eine große Hilfe im Haus. Aber genug davon. Bitte bedienen Sie sich am Buffet. Lassen Sie es sich schmecken.«[/LEFT] [LEFT]Nach diesen Worten tippelte sie davon. Chris schenkte sich etwas von dem frisch aufgebrühten Kaffee ein und probierte direkt. Sein Gesicht hellte sich ein wenig auf, also war er wohl gut. Während Jill sich eine Tasse davon nahm, öffnete sich die Tür noch einmal. Sie erwartete, dass Charles hereinkam, aber statt dessen trat ein ihr unbekannter übergewichtiger Mann in einer Latzhose, gemeinsam mit einem Dalmatiner ein. Der Hund kam sofort in ihre Richtung, worauf sie beide zurückwichen. Glücklicherweise verstand er dieses Signal und hielt schwanzwedelnd inne.[/LEFT] [LEFT]»Oh, keine Sorge, er tut niemandem etwas«, sagte der Mann mit dröhnender Stimme. »Willie ist ein ganz Braver.«[/LEFT] [LEFT]»Darum geht es nicht«, erwiderte Chris schroff. »Wir haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Hunden gemacht.«[/LEFT] [LEFT]Natürlich waren das infizierte Dobermänner gewesen, aber Jill konnte dennoch darauf verzichten, andere fremde Hunde in ihrer Nähe zu haben, wenn es nicht sein musste. Vor allem, wenn das ohne Vorwarnung geschah.[/LEFT] [LEFT]Der Mann entschuldigte sich und rief seinen Hund zurück. Dann lächelte er sie beide an. »Ich bin übrigens Forrest Kaysen, ich bin auch ein Gast hier, gestern Abend erst angekommen.«[/LEFT] [LEFT]Das Licht spiegelte sich ein wenig in seiner Brille, hinter der seine Augen vergnügt funkelten, während Jill sich und Chris vorstellte.[/LEFT] [LEFT]»Ah, eine Hochzeitsreise. Wenn ich daran denke, habe ich sogar noch ein Geschenk für Sie!«[/LEFT] [LEFT]»Das ist nicht nötig«, wehrte Chris ab.[/LEFT] [LEFT]»Doch, doch, ich bestehe darauf! Wissen Sie, ich handele mit Baum-Setzlingen. Ein besonders schönes Exemplar wäre für Ihre reizende Frau doch genau richtig.«[/LEFT] [LEFT]Jill mochte den Blick nicht, den er ihr dabei zuwarf. Sie wandte sich demonstrativ ab, um sich ihr Frühstück zusammenzusuchen. Chris verstand diesen Wink offenbar, denn seine Stimme wurde plötzlich frostig: »Danke, kein Bedarf. Jetzt entschuldigen Sie uns bitte, wir wollen essen.«[/LEFT] [LEFT]Kaysen entschuldigte sich, obwohl sein Ton keinen Zweifel daran ließ, dass er nicht wusste, warum sie so ablehnend waren.[/LEFT] [LEFT]Chris nahm sich etwas von dem Rührei und dem Speck, dazu ein Brötchen, dann ging er mit Jill zu einem Tisch, wobei er darauf achtete, immer zwischen ihr und Kaysens Blick zu bleiben. Erst als sie sich setzte, wurde Jill wieder ein wenig ruhiger. Dabei konnte sie nicht einmal genau sagen, was ihr Problem mit ihm war, aber etwas an ihm verschaffte ihr eine Gänsehaut.[/LEFT] [LEFT]Kurz nach ihnen ging Kaysen mit Willie zu dem großen Tisch, der direkt am Fenster stand und wo Polly bereits saß, um sich zu ihr zu setzen. Chris' finsterer Blick folgte ihm. Erst als Kaysen sich dann in ein Gespräch mit Polly vertieft hatte, entspannte er sich genug, um selbst zu essen.[/LEFT] [LEFT]Der Kaffee war wirklich der beste, den Jill bislang getrunken hatte, auch das Essen stand dem in Nichts nach. Zu ihrer Freude schien Chris das auch zu denken, denn er aß mit großem Appetit, der fast schon wieder an damals reichte, bevor alles irgendwie schief gelaufen war.[/LEFT] [LEFT]So waren sie nach einer schweigenden halben Stunde fertig, nickten sich zu und standen auf. Nachdem sie das Geschirr weggeräumt hatten, verließen sie ohne Umschweife das Hotel, um die Milk Barn aufzusuchen. Jill hatte extra auf der Karte den Weg dorthin studiert, so dass Chris sie einfach fahren ließ. Er blickte nachdenklich aus dem Fenster, besonders während sie der Straße am See folgten.[/LEFT] [LEFT]Sie hätte gern gewusst, was ihm durch den Kopf ging – und nach etwa der Hälfte der Strecke öffnete er sich ihr auch: »Glaubst du, Coleridge hat der Frau etwas getan?«[/LEFT] [LEFT]Erstaunt sah sie zu ihm hinüber. »Warum denkst du das?«[/LEFT] [LEFT]Dass er sich Sorgen um sie machte, wunderte sie nicht, denn immerhin erinnerte sie ihn an Claire. Aber wie kam er darauf, dass Charles ihr etwas getan haben könnte?[/LEFT] [LEFT]»Er war heute nicht im Hotel«, erklärte Chris. »Wenn er ihr etwas getan hat, obwohl wir ihr hätten helfen können …«[/LEFT] [LEFT]Er musste den Satz nicht beenden, damit sie wusste, dass das an ihm nagen würde. Beruhigend legte sie eine Hand auf sein Bein. »Mach dir keine Sorgen. Er wird sie bestimmt nicht vor unseren Augen entführt haben.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem hatte zumindest die Frau so gewirkt, als sei sie sehr glücklich und zufrieden in Charles' Gegenwart. Und in dieser kleinen Stadt machten Gerüchte schnell die Runde, wie Harry ihnen gesagt hatte. Würde Charles da wirklich etwas riskieren?[/LEFT] [LEFT]Das Gespräch schien Chris nicht beruhigt zu haben. Als sie auf den Parkplatz der Milk Barn einbogen, war er auf dem Sitz zusammengesunken. Da entdeckte Jill aber etwas, das ihn aufmuntern könnte. »Hey, schau.«[/LEFT] [LEFT]Sie deutete auf ein anderes Auto, das bereits hier stand. Darin saßen Charles und die Frau von gestern, die gerade noch einen Kuss miteinander teilten. Als Chris hinsah, stieg sie aus und winkte Charles noch einmal zu. Er erwiderte diese Verabschiedung mit einem feinen Lächeln um die Lippen, ehe er den Wagen startete und davonfuhr. Anscheinend bemerkte er sie nicht. Die Frau lief derweil an ihrem Auto vorbei zur Eingangstür des Ladens, ohne sie zu beachten.[/LEFT] [LEFT]Chris blies Luft durch seine geschlossenen Lippen. »Es geht ihr gut.«[/LEFT] [LEFT]»Siehst du?« Jill lächelte.[/LEFT] [LEFT]Natürlich wäre es eine Möglichkeit gewesen, dass er ihr etwas antun wollte, besonders wenn er wirklich etwas mit den Ereignissen zu tun hatte. Aber zumindest was diese Frau anging, waren Chris' Sorgen wohl unbegründet.[/LEFT] [LEFT]Seine Erleichterung drückte sich in Tatendrang aus: »Lass uns anfangen. Wir haben einen Fall zu klären.«[/LEFT] [LEFT]Sie stiegen aus dem Auto und gingen auch zur Eingangstür, nur um festzustellen, dass tatsächlich noch geschlossen war. Die Frau lehnte mit den Händen in ihren Jackentaschen vergraben gegen einen der Balken des Vordachs. Sie musterte sie beide mit unverhohlener Neugier. »Guten Morgen. Wir öffnen erst um 8.«[/LEFT] [LEFT]»Oh, Sie arbeiten hier?«, fragte Jill.[/LEFT] [LEFT]»Ja. Ich bin Valeria.«[/LEFT] [LEFT]Da sie ihren Nachnamen wegließ, machte Jill dasselbe, als sie sich ihr vorstellte. »Wohnen Sie schon lange hier?«[/LEFT] [LEFT]»Oh nein. Ich bin erst seit ein paar Jahren hier. Falls Sie also irgendetwas Bestimmtes über die Stadt wissen wollen, sollten Sie echt meine Chefs fragen. Lilly und Keith wohnen schon immer hier.«[/LEFT] [LEFT]Jill und Chris warfen sich einen Blick zu. Bevor sie fragen konnten, lächelte Valeria schelmisch. »Tut mir leid. Charlie hat mir gesagt, dass Sie Interesse an der Stadt haben, deswegen bin ich jetzt davon ausgegangen, dass Sie deswegen fragen.«[/LEFT] [LEFT]»Nun, es ist nicht falsch«, gab Jill zu. »Wir wollten wirklich etwas sehr Spezielles wissen.«[/LEFT] [LEFT]»Wohnt Charles Coleridge schon lange hier?«, mischte Chris sich plötzlich ein.[/LEFT] [LEFT]Valeria sah zu ihm hinüber und schüttelte mit dem Kopf. »Er kam nach mir in die Stadt, kann Ihnen also auch nicht helfen. Falls Sie das fragen wollten.«[/LEFT] [LEFT]Plötzlich wirkte ihr Blick herausfordernd, als wünschte sie sich, dass sie noch etwas bezüglich Charles fragten, nur damit sie die beiden auch dabei zurechtweisen konnte. Chris tat ihr den Gefallen sogar: »Arbeitet er nur im Hotel?«[/LEFT] [LEFT]»Ja. Er ist bei Polly untergekommen, als er hier ankam – und hat dann beschlossen, einfach zu bleiben. Sie ist ja auch sehr dankbar dafür, also ...« Sie zuckte mit den Schultern.[/LEFT] [LEFT]Chris war immer noch nicht zufrieden: »Er hat sicher auch kein Interesse an Wissenschaft?«[/LEFT] [LEFT]Jill stieß ihm vorsichtig in die Rippen, er hob nur die Schultern, um zu zeigen, dass er nichts dafür konnte. Valeria musterte sie beide inzwischen mit gerunzelter Stirn. »Charlie interessiert sich nur für Autos. Was haben Sie gegen ihn?«[/LEFT] [LEFT]»Nichts«, versicherte Jill ihr sofort. »Er erinnert uns nur an jemanden, deswegen ...«[/LEFT] [LEFT]Aber diese Worte ließen Valeria nur misstrauischer werden, ihre Miene verhärtete sich. Zum Glück bog in diesem Moment ein SUV auf den Parkplatz. Eine Frau mit schulterlangem blonden Haar stieg aus dem Wagen und kam mit großen Schritten auf den Eingang zu.[/LEFT] [LEFT]»Oh, Schätzchen«, flötete sie. »Tut mir leid, dass ich so spät komme. Hoffentlich wartest du noch nicht so lange, Val.«[/LEFT] [LEFT]Während sie die Tür aufschloss, sah sie über die Schulter zu Jill und Chris. »Sie müssen das Paar sein, das gerade in Pollys Hotel lebt. Hoffentlich gefällt es Ihnen in Greenvale.«[/LEFT] [LEFT]Gerüchte machten hier wirklich schnell die Runde. Jill versicherte ihr, dass es eine schöne Stadt sei, was die Frau beruhigte. Kaum war die Tür offen, wies sie Valeria an, mit der Arbeit anzufangen. Diese nutzte die Gelegenheit, ihnen zu entkommen – nach einem letzten finsteren Blick – und verschwand im Inneren des Ladens.[/LEFT] [LEFT]Die Frau wandte sich derweil ihnen zu und reichte ihnen die Hand. »Lilly Ingram, freut mich sehr. Olivia hat mir gesagt, dass sie mich vielleicht etwas fragen könnten.«[/LEFT] [LEFT]Jill stellte sich und Chris noch einmal vor. Inzwischen genoss sie es ein wenig, sich Redfield zu nennen, es war schon am zweiten Tag gar nicht mehr seltsam. »Wir waren gestern am Lake Cranberry und dachten uns, das wäre ein guter Angelplatz.«[/LEFT] [LEFT]»Normalerweise, ja. Aber in der letzten Zeit ist die Polizei dort sehr beschäftigt.« Sie erwähnte keine der Leichen, vermutlich weil sie die Touristen nicht verprellen wollte. »Falls Sie aber Interesse an den Fischen haben, müssen Sie nur am Eingang des Forest Park angeln. In dem Fluss finden Sie die gleichen Sorten.«[/LEFT] [LEFT]»Wie das?«, fragte Jill, die krampfhaft jedes bisschen Fischkenntnis auftrieb, das sie in ihrem Gehirn finden konnte. »Gibt es nicht Unterschiede zwischen Fluss- und Seefischen?«[/LEFT] [LEFT]»Das kann ich nicht genau sagen«, antwortete Lilly mit geneigtem Kopf. »Aber es gibt wohl zwischen dem Fluss und diesem See eine unterirdische Verbindung, durch die Fische zwischen beidem wechseln können. Früher fand man deswegen auch manchmal Abfälle aus der Mühle im Fluss. Das wissen viele tatsächlich nicht.«[/LEFT] [LEFT]Jill und Chris tauschten einen Blick miteinander. Dann stellte Chris noch eine Frage: »Gibt es flussaufwärts noch etwas Interessantes zu sehen?«[/LEFT] [LEFT]»Ja. Es gibt einen Wasserfall. Er ist besonders gut von der Aussichtsplattform im Forest Park zu sehen. Ein absolut traumhaftes Plätzchen, da sollten Sie unbedingt auch hingehen, wenn Sie schon hier sind.«[/LEFT] [LEFT] [/LEFT] [LEFT]Konzentriert starrte Chris durch das Fernglas auf den Wasserfall. Lilly hatte nicht gelogen, von dieser Aussichtsplattform war er gut zu sehen, aber Jill hatte zumindest auf den ersten Blick nichts Verdächtiges entdecken können. Das einzige, was ihr auffiel, war das Herrenhaus von Harry Stewart, das auf den Klippen am Wasserfall saß.[/LEFT] [LEFT]»Denkst du, er hat irgendetwas damit zu tun?«, fragte sie.[/LEFT] [LEFT]»Meinst du Coleridge oder Stewart?«, fragte Chris, ohne das Fernglas abzusetzen.[/LEFT] [LEFT]Sie waren gerade die einzigen Besucher des Parks, deswegen waren sie beide der Meinung, dass sie offen reden könnten. Auf seine Frage hin wiegte sie bedächtig den Kopf. Charles' Verhalten war auffällig, aber gleichzeitig nicht verdächtig. Er arbeitete in einem Hotel für eine kleine alte Dame und verbrachte seine Freizeit mit einer Frau, die ihn offensichtlich mochte, da fiel es ihr immer schwerer, sich vorzustellen, dass er etwas im Schilde führte. Harry Stewart dagegen …[/LEFT] [LEFT]»Stewart«, antwortete sie entsprechend. »Sein Haus steht da oben. Er könnte ganz einfach Leichen in den Fluss werfen, dann fallen sie den Wasserfall runter und landen irgendwie im See, wo die Polizei sie dann vorfindet.«[/LEFT] [LEFT]»Aber warum sollte er uns dann deswegen anrufen?«, gab Chris zu bedenken.[/LEFT] [LEFT]»Spencer hat durchsickern lassen, wo er sich versteckt, damit jemand ihn aufsucht«, konterte sie. »Vielleicht ist es hier ähnlich. Und dass wir inkognito ermitteln sollen, denkst du nicht, dass das irgendwie seltsam ist?«[/LEFT] [LEFT]Chris nahm endlich das Fernglas runter, um sie anzusehen. »Möglich. In dieser Stadt vertraue ich deswegen auch nur dir.«[/LEFT] [LEFT]Seine Worte rührten ihr Herz ein wenig. Sie lächelte. »Dito. Wir sind immerhin Partner, nicht?«[/LEFT] [LEFT]Er schmunzelte etwas. »Und für alle anderen gerade auch ein Ehepaar.«[/LEFT] [LEFT]»Da könnte ich mich fast dran gewöhnen«, sagte sie, noch bevor sie ihre Zunge zügeln konnte.[/LEFT] [LEFT]Im selben Moment hätte sie es am liebsten wieder zurückgenommen. Chris schien etwas dazu sagen zu wollen, vielleicht einen Witz darüber machen oder sie darauf hinweisen, dass das nie etwas werden würde, doch da klingelte ihr Handy. Sie war noch nie so dankbar gewesen, aus einer Situation herausgerissen zu werden, deswegen zog sie es sofort aus ihrer Tasche und nahm den Anruf an, ohne erst nachzusehen, wer da anrief.[/LEFT] [LEFT]»Endlich erreiche ich dich!« Es war Quint.[/LEFT] [LEFT]»Das Netz hier ist nicht das Beste«, entschuldigte sie sich. »Ich bin überrascht, dass es hier draußen funktioniert.«[/LEFT] [LEFT]Ihr Blick wanderte wieder zum Anwesen hinauf. Vielleicht besaß Harry einen eigenen Funkturm irgendwo. Es würde zu ihm passen.[/LEFT] [LEFT]»Jetzt reden wir ja wenigstens«, sagte Quint. »Du hast mir doch das Bild von diesem Kerl geschickt. Ich hab das für euch mal untersucht.«[/LEFT] [LEFT]Jill wurde sofort hellhörig. »Hast du etwas herausgefunden?«[/LEFT] [LEFT]»Etwas sehr Interessantes sogar. Hoffentlich sitzt du gerade.«[/LEFT] [LEFT]»Schieß einfach los, Quint. Ich stelle dich auf Lautsprecher.«[/LEFT] [LEFT]Chris nickte ihr zu und lauschte aufmerksam, während Quint mit der Erklärung anfing: »Du meintest ja, er nennt sich Charles Coleridge, ja? Der Name ist definitiv falsch. Sein richtiger Name ist Murphy Pendleton.«[/LEFT] [LEFT]Also lebte er mit einem falschen Namen hier in Greenvale. Wusste Valeria das? Oder Polly? Irgendwer? Und warum sollte er das tun, dann aber nur in einem Hotel arbeiten? Ihr Misstrauen flammte wieder auf.[/LEFT] [LEFT]»Aber das Interessanteste kommt jetzt noch«, fuhr Quint fort. »Pendleton war nämlich im Gefängnis, weil er ein Polizeiauto gestohlen und sich eine wahnsinnige Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert hat. Im Gefängnis hat er dann aber während einer Gefangenenrevolte einen der Officer so schlimm zugerichtet, dass dieser nicht mehr arbeiten konnte.«[/LEFT] [LEFT]Wut fachte das Feuer in ihrem Inneren an. Da sie selbst einmal Polizistin gewesen war, fühlte es sich immer noch wie ein Angriff auf ihre eigene Familie an, wenn sie hörte, dass jemand einem anderen Beamten etwas angetan hatte. Auch Chris verzog wütend das Gesicht.[/LEFT] [LEFT]»Danach sollte er verlegt werden, aber der Transporter hatte einen Unfall – und danach wurde Pendleton von der einzigen Überlebenden für tot erklärt.«[/LEFT] [LEFT]»Also ist er geflohen«, schloss Jill, während sie sich fragte, was er getan hatte, dass diese Überlebende bereit gewesen war, ihn zu decken. War sie bedroht worden?[/LEFT] [LEFT]»Wenn er jetzt gerade in Greenvale ist, offenbar.«[/LEFT] [LEFT]Chris hob eine leicht zitternde Hand. »Warte. Vielleicht sehen die beiden sich auch einfach nur wahnsinnig ähnlich.«[/LEFT] [LEFT]Der Gedanke kam ihm sicher, weil Valeria auch aussah wie Claire, ohne diese zu sein. Aber Quint konnte den Einwand sofort abwehren: »Das habe ich auch gedacht. Aber dann hab ich ein wenig in Pendletons Vergangenheit herumgeschnüffelt und dabei weitere interessante Dinge herausgefunden. Wenn ihr das hört, glaubt ihr auch nicht mehr an einen Zufall.«[/LEFT] [LEFT]Jill hätte ihn gern geschüttelt, damit er sich nicht so viel Zeit dabei ließ, ihnen alles zu erklären. Aber sie war auch dankbar, dass er sich die Mühe gemacht hatte – es war nun einmal wirklich nicht sein Job, also hätte er auch ablehnen können.[/LEFT] [LEFT]»Bevor Pendleton ins Gefängnis kam, hatte er einen Sohn, der getötet worden ist. Er hieß Charlie.«[/LEFT] [LEFT]Unwillkürlich musste Jill wieder an Valeria denken, die Charles vorhin mehrmals Charlie genannt hatte. Auch das könnte aber noch ein Zufall sein, deswegen fragte sie Quint, ob da noch mehr käme.[/LEFT] [LEFT]»Wenn euch das nicht überzeugt, hab ich noch den Namen des Officers, der von Pendleton so übel zugerichtet worden ist.«[/LEFT] [LEFT]Er schwieg wieder. Jill schnaubte leise, aber es war Chris, dem der Geduldsfaden riss: »Jetzt rück schon raus damit, Quint!«[/LEFT] [LEFT]Zum Glück machte er sich nichts aus Chris' schroffem Tonfall, stattdessen antwortete er, als hätte er gerade ein schweres Rätsel gelöst, an dem alle anderen verzweifelt waren: »Der Name des Officers war Frank Coleridge.«[/LEFT] Kapitel 4: Platzregen --------------------- [LEFT]Schweigend waren sie zum Hotel zurückgefahren. Es gab keinen Zweifel mehr, dass es sich bei Charles Coleridge um Murphy Pendleton handelte. Sie wussten nicht, was ihn bewogen haben mochte, Frank Coleridge zu verletzen, aber als ehemalige Polizisten gab es für sie kaum etwas, das schlimmer wog als einen Angriff auf einen der ihren. Beiden lag daran, Murphy zur Rede zu stellen, herauszufinden, warum er hier war – und was er mit den Leichen zu tun hatte. Laut seiner Vergangenheit war er nie mit Wissenschaftlern oder Bio-Terroristen im Kontakt gewesen, aber das musste nichts bedeuten. Vielleicht war das auch erst nach seinem Tod geschehen.[/LEFT] [LEFT]Als sie aus dem Auto ausstiegen, fiel Jill der gleiche Wagen auf, der auch schon vor der Milk Barn gestanden hatte. Also musste Murphy gerade hier sein. Er war nicht im Empfangsbereich, dafür fanden sie Polly, die ihnen arglos erzählte, dass er einige Arbeiten am Steg hinter dem Haus erledigte. Mit großen Schritten, denen Jill kaum folgen konnte, durchquerte Chris den Gang, um durch die Hintertür nach draußen zu kommen. Ein Weg führte zum See hinab, dort gab es tatsächlich einen Steg, an dem Murphy gerade kniend Bretter austauschte. Im Moment hämmerte er Nägel in das neueste Brett ein. Inzwischen hatte es zu regnen begonnen, aber Murphy machte keine Anstalten, die Arbeit einzustellen.[/LEFT] [LEFT]Sie blieben wenige Schritte entfernt noch einmal stehen. Jill nahm Chris' Hand, worauf er sie ansah. Mit ihrem Blick bat sie ihn, möglichst ruhig zu bleiben, obwohl auch ihr Inneres aufgewühlt war. Unwillig runzelte er seine Stirn, doch nach wenigen Sekunden gab er nach und nickte. Sie ließ ihn wieder los und legte mit ihm die letzten Schritte zurück.[/LEFT] [LEFT]Murphy sah kurz über die Schulter, als er sie kommen hörte. »Tut mir leid, der Steg ist heute geschlossen. Falls Sie angeln wollen-«[/LEFT] [LEFT]»Danke, kein Bedarf«, erwiderte Chris. »Wir haben eher ein paar Fragen.«[/LEFT] [LEFT]»Ich bin eigentlich gerade beschäftigt. Polly kann Ihnen bestimmt auch weiterhelfen.«[/LEFT] [LEFT]Demonstrativ fuhr er mit seiner Arbeit fort, nahm sich einen neuen Nagel und setzte an einer anderen Stelle an, aber Chris war nicht bereit, das zu akzeptieren: »Wir haben aber explizit Fragen an Sie, Mr. Coleridge. Oder sollte ich eher Mr. Pendleton sagen?«[/LEFT] [LEFT]Murphy hatte den Hammer gehoben und hielt in dieser Position nun inne. Jill spannte ihre Muskeln an, bereit, jederzeit auszuweichen, falls er einen von ihnen angreifen sollte. Doch stattdessen ließ er seufzend das Werkzeug sinken und stand auf. Er wandte sich ihnen zu, den Blick so entmutigt, wie sie es noch nie bei jemandem gesehen hatte. »Okay, Sie haben mich erwischt. Wie auch immer Sie mich finden konnten.«[/LEFT] [LEFT]»Was denken Sie, wer wir sind?«, fragte Jill, die von seiner Reaktion überrascht war; Bio-Terroristen ergaben sich normalerweise nicht so schnell.[/LEFT] [LEFT]Er hob die Hände ein wenig. »FBI? Kopfgeldjäger?«[/LEFT] [LEFT]Jills Mundwinkel zuckten amüsiert. »Weder noch. Wir sind von der BSAA, Bioterrorism Security Assessment Alliance.«[/LEFT] [LEFT]Er runzelte seine Stirn. »Bio-Terrorismus? Was hat das mit mir zu tun?«[/LEFT] [LEFT]»Wir gehen nur Hinweisen nach«, sagte Chris. »Mr. Stewart hat uns kontaktiert, wegen der Leichen der letzten Zeit.«[/LEFT] [LEFT]Da er bereits wusste, dass Harry für ihren Aufenthalt zahlte, war es in Ordnung, ihm diese Information zu geben. Murphy deutete ein Kopfschütteln an. »Okay, von diesen Todesfällen hab ich auch gehört. Aber dafür kann ich nichts. Ich bin kein Mörder.«[/LEFT] [LEFT]Er presste den letzten Satz derart intensiv hervor, dass Jill sogar geneigt war, ihm zu glauben. Aber Chris ließ sich nicht so einfach überzeugen: »Das hat Sie nicht davon abgehalten, Frank Coleridge in die Arbeitsunfähigkeit zu treiben.«[/LEFT] [LEFT]Murphy sah ihn mit vor Wut funkelnden Augen an. »Ich habe das nicht getan!«[/LEFT] [LEFT]»Das sagen sie immer«, erwiderte Chris. »Aber Sie wurden deswegen verurteilt.«[/LEFT] [LEFT]»Weil ich reingelegt wurde! Und ich habe dafür gebüßt, dass ich es soweit kommen ließ, Sie können mir das nicht mehr anlasten!«[/LEFT] [LEFT]Sein Blick sprach von so viel Schmerz und Bitterkeit, dass Jill ihm sogar das glaubte, ohne zu wissen, wie diese Buße ausgesehen haben mochte. Oder was genau geschehen war.[/LEFT] [LEFT]»Das wollen wir auch gar nicht«, begann sie. »Wir wollen nur wissen-«[/LEFT] [LEFT]»Und was ist mit Ihrem Sohn?!«, drängte Chris weiter, mit so viel Wut in der Stimme, wie Jill es noch nie bei ihm gehört hatte. »Haben Sie das auch nicht getan?!«[/LEFT] [LEFT]Murphy schleuderte den Hammer ins Wasser und ging einen Schritt auf Chris zu. Mit dem Zeigefinger stieß er gegen Chris' Brust. »Wagen Sie es nicht, über Charlie zu reden! Sie haben keine Ahnung, was ich nach seinem Tod durchgemacht habe!«[/LEFT] [LEFT]»Nach dem Tod, den Sie verantwortet haben?!«[/LEFT] [LEFT]Jill kam nicht umhin, Murphys Mut zu bewundern, als er es wirklich wagte, Chris' Mantelkragen zu packen und ihn etwas zu schütteln. »Ich habe ihn nicht getötet!«[/LEFT] [LEFT]Zu ihrer eigenen Überraschung reagierte Chris auf diese Nähe nicht. Sie hätte erwartet, dass er Murphy überwältigen und zu Boden werfen würde, um ihn kampfunfähig zu machen, aber er starrte nur finster auf den anderen hinunter. Vielleicht bemerkte er auch, dass Murphys Körper zitterte, dass seine Mundwinkel heftig zuckten, als wolle er sich weiter verteidigen, sähe aber keinen Sinn darin. So starrten sie sich für einen Moment nur an, während der Regen sie durchnässte. Jill stand bereit, falls einer der der beiden doch eskalierte. Aber keiner von ihnen rührte sich.[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte ihm nie etwas antun können«, murmelte Murphy. »Er war mein Leben.«[/LEFT] [LEFT]»Und doch haben Sie ihn sterben lassen«, erwiderte Chris frostig.[/LEFT] [LEFT]Könnten Blicke töten, hätte Murphy ihn in diesem Moment ermordet, seine Augen verschossen regelrecht Blitze voller Hass. Er atmete tief durch, schüttelte mit dem Kopf. »Das muss ich mir nicht anhören. Das muss ich nicht.«[/LEFT] [LEFT]Er stieß Chris von sich und ließ seinen Kragen los. Dann marschierte er an ihnen vorbei, nur um noch einmal stehenzubleiben und wie elektrisiert auf das Hotel zu starren. Jill folgte seinem Blick und entdeckte Willie, der von oben auf sie herabsah. Unwillkürlich griff sie an ihrem Gürtel nach der Stelle, wo sie normalerweise ihren Holster trug – aber heute hatte sie ihn nicht dabei. Was auch besser war, denn ihr erster Impuls war es tatsächlich gewesen, den Hund einfach zu erschießen.[/LEFT] [LEFT]Kaysen trat plötzlich neben Willie, und obwohl er immer noch lächelte, ließ er einen Schauer über Jills Rücken fahren. Er winkte ihnen zu – Jill erwiderte die Geste halbherzig – dann ging er gemeinsam mit Willie davon.[/LEFT] [LEFT]Murphy sah über die Schulter zu ihr. Sein blasses Gesicht war eine seltsame Mischung aus Furcht, Erkenntnis und Wut. Aber statt etwas zu sagen, ging er einfach weiter, bis er aus ihrem Blickfeld verschwand.[/LEFT] [LEFT]Nachdem er fort war, wandte Jill sich wieder an Chris. Er hatte sich nicht einmal umgedreht, sondern starrte mit gerunzelter Stirn auf den See hinaus. Der Regen hatte ihn vollkommen durchnässt. Dieser Anblick rührte ihr Herz, aber gleichzeitig war sie auch wütend darüber, dass er das Gespräch mit Murphy derart aus der Bahn gerissen hatte. Doch was auch immer Chris dazu bewogen hatte, sagte sie sich, es musste schlimm gewesen sein. Sie durfte nicht zu wütend sein, nicht nach dem, was er durchgemacht hatte. Sie musste ihm beistehen.[/LEFT] [LEFT]Diese Gedanken halfen ein wenig, dass sie sich beruhigte. So griff sie nach seinem Arm und lotste ihn vorsichtig in ihr Zimmer zurück. Er wehrte sich nicht einmal.[/LEFT] [LEFT]Kaum in ihrem Raum angekommen, riss er den nassen Mantel von seinem Körper und warf ihn in die Ecke. Während er sich auf das Sofa setzte, hob Jill das Kleidungsstück auf. Sorgfältig hängte sie nicht nur seinen Mantel, sondern auch ihre eigene Jacke auf. Dann holte sie zwei Handtücher und reichte Chris eines davon. Er dankte ihr murmelnd für das Handtuch und legte es um seine Schultern, statt sich aktiv abzutrocknen. Wie ein Häuflein Elend saß er auf dem Sofa, den Oberkörper vorgebeugt, die Arme auf die Beine gestützt.[/LEFT] [LEFT]Jill setzte sich neben ihn und wartete. Sie fürchtete sich nicht davor, dass er ihr gegenüber laut werden könnte, so weit ginge er bestimmt nicht. Aber sie wusste, dass er nicht reden würde, wenn er nicht bereit war, und noch weniger, wenn sie ihn zu drängen versuchte. Also wartete sie einfach, während sie sich selbst das Haar mit dem Handtuch trocknete.[/LEFT] [LEFT]Und schließlich wurde ihre Geduld belohnt: »Es tut mir leid. Ich wollte die Ermittlungen nicht behindern. Bestimmt habe ich es jetzt versaut.«[/LEFT] [LEFT]»Ich denke nicht, dass Pendleton etwas damit zu tun hat«, beruhigte sie ihn, » und in seiner Position kann er es sich auch nicht erlauben, jedem von dieser Begegnung zu erzählen, also ist alles noch offen.«[/LEFT] [LEFT]Seine Mundwinkel hoben sich ein wenig, fielen aber sofort wieder. »Ich bin da draußen nur plötzlich so ungeheuer wütend geworden. Ich weiß nicht, warum. Ich glaube nicht einmal, dass er seinen Sohn getötet hat. Aber er war doch für ihn verantwortlich ...«[/LEFT] [LEFT]Hilflos warf er die Hände in die Luft. Er verstand vielleicht nicht, was ihn daran so wütend machte, aber Jill schon. »Du denkst immer noch, dass das in Edonia und China deine Schuld war.«[/LEFT] [LEFT]Er widersprach nicht, ließ nur den Kopf hängen. »Ich war ihr Captain. Sie haben mir vertraut, und sie sind alle gestorben. Ich konnte nichts tun.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist nicht deine Schuld«, sagte sie sanft. »Du hast getan, was du konntest.«[/LEFT] [LEFT]»Ich hätte mindestens mit ihnen sterben müssen«, erwiderte er mit Grabesstimme. »Ich habe sie alle verraten. Ich bin nicht besser als Wesker.«[/LEFT] [LEFT]Jill schlang ihre Arme um ihn und legte ihr Kinn auf seiner Schulter ab, um mit ihrem Gesicht nah bei seinem zu sein. Sein Schmerz war in seinem verkrampften Körper so sehr spürbar, dass sie am liebsten laut geseufzt und für ihn geweint hätte. Aber sie tat es nicht. Stattdessen sprach sie leise und beruhigend auf ihn ein, versicherte ihm, dass er ein viel besserer Mensch als Wesker war, dass allein die Tatsache, wie sehr das alles an ihm nagte, schon dafür sprach. Albert Wesker hatte immerhin bestimmt nie Albträume gehabt oder wach gelegen und die Gesichter jener vor sich gesehen, die aufgrund seines Handelns gestorben waren. Chris war vollkommen anders.[/LEFT] [LEFT]»Denn wenn du das nicht wärst«, schloss sie ihre Erklärung, »wüsste ich nicht, warum ich unbedingt an deiner Seite bleiben will. Und weswegen ich Gefallen daran finde, deine Ehefrau zu sein. Du bist ein guter Mensch, Chris.«[/LEFT] [LEFT]Sein Körper entspannte sich ein wenig. Er hob eine Hand und strich ihr damit durch das noch feuchte Haar. »Danke, Jill. Wenn du das sagst, bleibt mir nichts anderes übrig, als das zu glauben.«[/LEFT] [LEFT]»Das klingt, als würdest du es dennoch nicht tun.«[/LEFT] [LEFT]»Es fällt mir noch schwer«, gab er zu. »Und allein werde ich es wohl nie ganz schaffen.«[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte, während sie sich an ihn schmiegte. »Deswegen werde ich immer an deiner Seite sein und dir das so lange und oft sagen, wie es sein muss.«[/LEFT] [LEFT]»Wirklich immer?« Seine Stimme klang erwartungsvoll, fast schon fröhlich.[/LEFT] [LEFT]Darum konnte sie ihm schmunzelnd antworten: »Ob du willst oder nicht.«[/LEFT] [LEFT]Er wandte ihr das Gesicht zu. Sie waren sich so nah, dass sie seinen warmen Atem auf ihrer Wange spüren konnte. Die Atmosphäre zwischen ihnen war angenehm und dennoch angespannt, ähnlich wie ein Gewitter, bei dem man nach einem Blitz auch noch auf den Donner wartete. Chris' Hand ruhte inzwischen auf ihrer Wange. Sie glaubte, dass hinter seiner Stirn gerade dieselben Gedanken arbeiteten, wie hinter ihrer. Es wäre so einfach gewesen, diese letzte Distanz zu überwinden – da klopfte es plötzlich an der Tür, die Atmosphäre zersplitterte wie Glas.[/LEFT] [LEFT]Plötzlich war ihr diese Nähe peinlich. Mit erhitztem Gesicht ließ sie ihn los und stand auf. Chris wandte verlegen den Blick ab.[/LEFT] [LEFT]»Wer ist da?«, fragte sie, noch während sie zur Tür lief.[/LEFT] [LEFT]Es dauerte einen Moment, bis sie ein gedämpftes »Pendleton« hörte. Obwohl sie weiterhin nicht glaubte, dass er ein Mörder wäre, trat sie zur Seite, so dass sie nicht direkt hinter der Tür stand, als sie diese öffnete. Murphy stand zerknirscht im Gang, ohne jede Waffe, dafür mit einem Baumsetzling in einem Blumentopf in den Händen.[/LEFT] [LEFT]Chris stand vom Sofa auf. »Können wir helfen?«[/LEFT] [LEFT]»Wenn ich reinkommen darf, kann ich vielleicht eher bezüglich der Mordfälle helfen«, erwiderte Murphy.[/LEFT] [LEFT]Jill und Chris tauschten einen Blick miteinander, dann baten sie ihn herein. Sie schloss die Tür wieder, kaum, dass er im Zimmer stand. Er stellte sich seitlich, so dass er sie beide im Auge behalten konnte. »Ich möchte mich erst für mein Verhalten am Steg entschuldigen.«[/LEFT] [LEFT]Chris schüttelte mit dem Kopf. »Ich muss mich entschuldigen. Wir wollten herausfinden, ob Sie etwas mit diesen Mordfällen zu tun haben, aber das rechtfertigt nicht, wie ich Sie angegriffen habe.«[/LEFT] [LEFT]»Es ist nicht Ihre Schuld. Das macht der Regen.«[/LEFT] [LEFT]»Regen hat normalerweise keinen Einfluss auf mich.«[/LEFT] [LEFT]Murphys Mundwinkel zuckten amüsiert. »Nein, Sie verstehen das nicht. Der Regen in Greenvale hat eine sehr … seltsame Eigenart. Deswegen gehen die Bewohner eigentlich nie raus, wenn es regnet. Ich wollte es früher auch nicht glauben. Hat Mr. Stewart Sie nicht vorgewarnt?«[/LEFT] [LEFT]Chris knirschte leise mit den Zähnen, deswegen übernahm Jill die Antwort: »Das muss er glatt vergessen haben. Er ist auch nicht mehr der Jüngste.«[/LEFT] [LEFT]Oder er hatte es absichtlich nicht erwähnt. Es war noch nicht ausgeschlossen, dass er in dieser Sache mit drinsteckte. Murphy ging nicht weiter darauf ein, sondern wechselte noch einmal das Thema: »Ich möchte nur noch sagen, dass ich am meisten bedauere und bereue, was mit Frank passiert ist. Er war der einzige, der mich wie einen Menschen behandelt hat. Ich hätte ihm niemals etwas angetan.«[/LEFT] [LEFT]Chris winkte rasch ab. »Wir haben alle eine Vergangenheit. Wenn Sie nichts mit diesen Mordfällen zu tun haben, werden Sie nie wieder von uns hören und wir werden auch niemandem melden, dass Sie hier noch am Leben sind.«[/LEFT] [LEFT]Murphys Gesicht hellte sich ein wenig auf, er bedankte sich. Dann seufzte er. »Was diese Morde angeht, glaube ich zu wissen, wer dafür verantwortlich ist. Aber ich muss dafür etwas ausholen.«[/LEFT] [LEFT]Jill machte eine einladende Handbewegung. Er hob den Setzling ein wenig höher. »Als ich in diese Stadt kam, ist mir aufgefallen, dass es viele dieser seltsam roten Bäume gibt, die ich noch nie irgendwo anders gesehen habe. Nicht einmal in …« Er zögerte. »Egal. Dieser Setzling wird irgendwann zu einem solchen Baum werden – und Forrest Kaysen verkauft oder verschenkt sie.«[/LEFT] [LEFT]War das etwa einer von denen, die er auch ihnen hatte schenken wollen? Darauf konnte Jill erst recht verzichten. Sie hätte nicht einmal Platz für einen Baum. »Was ist das für eine Sorte?«[/LEFT] [LEFT]»Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass die Samen über Eigenschaften verfügen, die jeden, der davon isst, stärker und widerstandsfähiger machen.« Er verzog das Gesicht in einer schlechten Erinnerung an etwas, das Jill nicht einmal erahnen konnte. »Ich weiß, es klingt ein bisschen zu fantastisch, aber-«[/LEFT] [LEFT]»Ich glaube das«, sagte Chris. »Beim Kampf gegen den Bio-Terrorismus haben wir so etwas schon öfter gesehen.«[/LEFT] [LEFT]Allein die Blumen, die sie in Afrika gesehen hatten und der Grundbestandteil für den Progenitor-Virus und darauf aufbauend den T-Virus waren, sagte ihnen, dass sie das nicht einfach verwerfen durften, nur weil normale Menschen sich das nicht vorstellen konnten.[/LEFT] [LEFT]Murphy atmete kaum merkbar auf. »Kaysen ist jedenfalls vor kurzem aufgetaucht und ist seitdem immer mit diesem unheimlichen Hund zusammen. Ich meine, etwas stimmt mit ihm wirklich nicht. Er scheint jedes Wort zu verstehen und … sein Blick ist einfach ...«[/LEFT] [LEFT]Er verstummte. Aber Jill glaubte auch so zu wissen, worauf er hinauswollte. Sie hatte Willie erst zweimal getroffen und nur einmal war es eine direkte Konfrontation gewesen – aber das erklärte natürlich, warum es sich so seltsam angefühlt hatte. Es war nicht nur die schlechte Erinnerung an all die infizierten Hunde gewesen.[/LEFT] [LEFT]»Außerdem fährt Kaysen immer weg, wenn es regnet«, fuhr Murphy fort. »Wie ich schon sagte, die meisten Leute vermeiden es eigentlich, im Regen unterwegs zu sein. Er dagegen scheint genau das zu erwarten. Im Moment ist er auch weg.«[/LEFT] [LEFT]»Wissen Sie, wo er hinfährt?«, fragte Chris.[/LEFT] [LEFT]Zumindest Jill glaubte, bereits eine Ahnung davon zu haben, die auch sofort von Murphy bestätigt wurde: »Der Wildhüter, Jim, hat mir erzählt, dass Kaysen bei Regen den Forest Park aufsucht und dann den Fluss hinaufläuft. Ich glaube, er hat dort irgendwo ein Versteck – und dass er dort etwas tut, was mit den Leichen mindestens im Zusammenhang steht.«[/LEFT] Kapitel 5: Gewitter ------------------- [LEFT]Es regnete immer noch, als Chris und Jill wenig später selbst dem Fluss neben dem Forest Park hinaufliefen. Die Steine am Ufer waren rutschig, so dass Jill fast ins Wasser gefallen wäre; lediglich ein beherzter Griff von Chris hatte sie vor dem Sturz bewahrt. Seitdem liefen sie durch den Schlamm direkt daneben, der ihre Schritte dafür schwerer werden ließ. Sie hatten gerade einmal die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als sie schon triefend nass waren. Das half allerdings, dass sie merkte, dass Murphy recht hatte: Wut schwelte in ihrem Inneren, etwas, das sie sonst nicht in dieser Art und Weise kannte, schon gar nicht im Regen. Sie wusste nicht, ob es Chris genauso erging, er marschierte mit entschlossenem Gesichtsausdruck neben ihr her, den Blick fest auf den Wasserfall gerichtet.[/LEFT] [LEFT]Die Wut unterdrückte auch das Bedürfnis, darüber zu reden, was geschehen wäre, wenn Murphy sie nicht unterbrochen hätte. In dieser Stimmung wäre das Gespräch mit Sicherheit nicht gut gelaufen. Außerdem war das Rauschen des Regens derart laut, dass er ohnehin jeden Gesprächsversuch zunichte gemacht hätte.[/LEFT] [LEFT]Von der Aussichtsplattform hatten sie bereits gesehen, dass es keinerlei verdächtige Einrichtungen rund um den Wasserfall gab. Deswegen verschwendeten sie keine Zeit, als sie endlich dort angekommen waren, um etwas zu suchen, was gar nicht existierte. Ihr direkter Weg führte sie hinter den Wasserfall – und dort fanden sie wirklich eine in den Felsen eingelassene Stahltür. Sie war nicht abgeschlossen, fast als würden sie erwartet. Es bestand nach wie vor die Möglichkeit, dass Harry oder Murphy auch etwas damit zu tun hatten. Jill hoffte allerdings, dass sie sich irrte, denn sonst müsste sie sich Gedanken um ihre Menschenkenntnis machen.[/LEFT] [LEFT]Mit gezogenen Waffen traten sie in einen leeren Höhlengang. Ohne die Tür wäre Jill nicht davon ausgegangen, dass sich hier etwas verbarg, aber so war es durchaus verdächtig. Schließlich hielten sie vor einer weiteren Stahltür inne. Sie stellten sich zu beiden Seiten auf und tauschten noch einen Blick miteinander.[/LEFT] [LEFT]»Bist du bereit?«, fragte Chris mit gedämpfter Stimme.[/LEFT] [LEFT]Theoretisch war sie das, aber davor musste sie doch noch etwas loswerden: »Schade, dass es dann schon vorbei sein wird. Ich könnte mich echt daran gewöhnen, Redfield zu heißen.«[/LEFT] [LEFT]Sie hatte erwartet, dass er darüber tadelnd die Stirn runzeln würde, doch stattdessen hob er einen Mundwinkel zu einem schrägen Lächeln. »Das könnten wir ja arrangieren.«[/LEFT] [LEFT]»Ist das ein Heiratsantrag?«, fragte sie schmunzelnd.[/LEFT] [LEFT]Sein Gesichtsausdruck änderte sich kein bisschen, er neigte nur ein wenig den Kopf. »Wenn du es so interpretieren willst.«[/LEFT] [LEFT]Eigentlich war es lächerlich, sie war sich fast sicher, dass es ein Witz war. Bislang waren sie nicht einmal miteinander ausgegangen oder hatten je darüber geredet, dass sie ein Paar sein könnten. Gleichzeitig konnte sie sich aber auch vorstellen, ihn zu heiraten und dass sie ein großartiges Ehepaar abgeben würden. Sie waren schon so lange Partner und vertrauten einander blind, viel unterschied sie da gar nicht mehr von einem richtigen Ehepaar. Und nach dem heutigen Nachmittag und der Spannung zwischen ihnen, war sie sogar gewillt, ihnen eine Chance zu geben.[/LEFT] [LEFT]Doch er wartete keine weitere Antwort von ihr ab, sondern öffnete die nächste Tür. Dahinter erstreckte sich ein Labor vor ihnen. Auf einem Tisch lagen unzählige rote Kerne, auf einem anderen standen Flaschen mit rotem Pulver und dann war da noch ein Schrank, in dem verschiedene Seren untergebracht waren. Während ihr Blick darüber wanderte, entdeckte sie auf manchen Etiketten das Logo von Umbrella, auf anderen das von Tricell.[/LEFT] [LEFT]Ihr Inneres wurde schwer. Von diesen beiden Unternehmen hatte sie nie wieder etwas hören oder sehen wollen. Wie konnten immer noch Materialien von ihnen existieren?[/LEFT] [LEFT]Chris schnaubte leise, als er am selben Schrank stehenblieb. Er bedeutete ihr, dass sie weitergehen müssten, was sie dankbar annahm.[/LEFT] [LEFT]Der nächste Raum war allerdings noch schlimmer. Ein Dutzend Tanks waren hier verteilt, darin befand sich eine rötliche Flüssigkeit – und Menschen. Jeder einzelne Tank beherbergte eine Person in unterschiedlichen Stadien der Mutation, angefangen mit einer Frau, die aussah, als würde sie einfach nur schlafen – wenn man von dem Baumsetzling absah, der aus ihrem Unterleib wuchs –, über einen Mann, dessen Oberkörper derart definiert war, dass sein Kopf zu klein für ihn wirkte, bis hin zu einem Klumpen Fleisch, bei dem Jill nicht einmal mehr sicher sagen konnte, ob es wirklich einmal ein Mensch gewesen war. Er pulsierte noch, also war er am Leben, doch was es war, das wusste sie nicht.[/LEFT] [LEFT]Chris runzelte die Stirn, sein Gesichtsausdruck wurde immer ernster, je mehr er betrachtete. »Was ist das für eine kranke Scheiße?«[/LEFT] [LEFT]Plötzlich wurde eine weitere Tür geöffnet. Jill und Chris wirbelten herum und zielten auf den Neuankömmling. Es überraschte sie nicht einmal, dass es wirklich Kaysen war, der dort stand. Er trug einen Laborkittel, was ihn weniger wie einen harmlosen Händler und mehr wie einen Wissenschaftler erscheinen ließ. Selbst sein Lächeln wirkte nun finsterer und undurchdringlich.[/LEFT] [LEFT]»Ah, die BSAA-Agenten«, sagte er freundlich. »Ich hätte wissen müssen, dass Sie kommen, schließlich ist mir auch aufgefallen, dass ein paar meiner fehlgeschlagenen Experimente verschwunden sind.«[/LEFT] [LEFT]Unwillkürlich fragte Jill sich, ob diese Fehlschläge noch menschlich genug gewesen waren, um einen Fluchtversuch zu starten, den sie nicht überlebt hatten oder ob sie nur auf der Suche nach Nahrung zu Tode gekommen waren.[/LEFT] [LEFT]»Sie wissen, wer wir sind?«, fragte Chris. »Dann erspart es uns die Vorstellungsrunde. Sie sind hiermit verhaftet!«[/LEFT] [LEFT]Kaysen kümmerte sich nicht um den letzten Satz, er fuhr unbekümmert fort: »Natürlich wusste ich sofort, wer Sie sind. Ich mache das hier schon lange genug, um Agenten wie Sie zu erkennen.«[/LEFT] [LEFT]Er nickte in Richtung des Tanks, in dem der Fleischklumpen ruhte. »Manche Ihrer Kollegen können das sicher bestätigen.«[/LEFT] [LEFT]Hatte die BSAA schon einmal jemanden geschickt? Nein, das hätte sie gewusst. Es mussten andere Ermittler sein, die hergekommen waren, um herauszufinden, was er hier trieb. Oder sie waren woanders hingeschickt worden und er hatte sie hergebracht. Aber was auch immer letztendlich passiert war, sie durften ihn nicht damit davonkommen lassen.[/LEFT] [LEFT]»Legen Sie die Hände hinter den Kopf!«, wies Jill ihn an.[/LEFT] [LEFT]Kaysen lachte amüsiert. »Oh, das wird bestimmt helfen. Aber bitte, ich spiele mit.«[/LEFT] [LEFT]Er tat, was sie ihm aufgetragen hatte. Chris ging langsam auf ihn zu, um ihn festzunehmen. Gerade als er die Hand nach Kaysen ausstreckte, funkelte etwas in den Augen des Mannes. Sie reagierte noch bevor sie wirklich begriffen hatte, was los war, und schoss. Getroffen taumelte Kaysen rückwärts, er lachte und wedelte mit dem Messer, das plötzlich in seiner Hand war. Chris wich ein wenig zurück und zielte nun auch wieder mit der Pistole auf ihren Feind, der offensichtlich gefährlicher war als gedacht.[/LEFT] [LEFT]»Gar nicht schlecht!«, dröhnte er. »Die letzte Person hat mich nicht so gut erwischt!«[/LEFT] [LEFT]Jill sog scharf die Luft ein. Ihre Kugel hatte ihn direkt in der Brust getroffen, wo das Herz sitzen müsste – doch statt Blut schälten sich nur rote Ranken aus der Wunde und breiteten sich rasend schnell über Kaysens gesamten Körper aus, bis er aussah wie ein überwucherter Strauch. Nein, eher wie ein ungeeigneter Uroboros-Kandidat, der von dem Virus verschlungen worden war und nun nur noch aus den schwarzen Schlangen bestand, in diesem Fall waren sie allerdings rot. Kaysens Lachen riss dabei kein einziges Mal ab, seine Stimme veränderte sich nicht einmal.[/LEFT] [LEFT]Chris wich zurück, bis er neben Jill stand. Aus dem Augenwinkel sah sie sein blasses Gesicht, was ihr sagte, dass er denselben Vergleich gezogen hatte wie sie. Sie schossen beide gleichzeitig. Die Kugeln rissen Löcher in die Rankenschicht, Stücke davon platzten ab, doch sie wurden rasch von neuen Ranken ersetzt.[/LEFT] [LEFT]»Ich werde dich als Nährboden für einen neuen Baum verwenden!«, kreischte Kaysen fröhlich und rannte auf Jill zu.[/LEFT] [LEFT]Sie wich zur Seite aus, während Chris weiter auf ihn schoss. Kaysen lachte nur, als kitzelten die Kugeln ihn. Er griff nach Jill, die sich schließlich an die Wand manövriert hatte – doch da zerplatzte der Arm in unzählige welke Astteile, die zu Boden fielen und dort in Sekundenbruchteilen verdorrten.[/LEFT] [LEFT]Chris stand inzwischen mit der Magnum im Anschlag und feuerte noch zweimal, worauf weitere große Teile aus Kaysens Körper platzten. Die Ranken wuchsen dennoch sofort nach, schneller als Chris schießen konnte. Das kümmerte ihn aber nicht, er nickte stattdessen in eine bestimmte Richtung. »Jill, los!«[/LEFT] [LEFT]Sie duckte sich unter einem weiteren Arm hindurch und rannte auf das zu, wohin Chris gezeigt hatte. In ihrem Rücken spürte sie immer wieder, wie Kaysen erneut versuchte, nach ihr zu greifen, doch die Magnum-Schüsse schienen sie stets aufs Neue zu retten. Aus dem Augenwinkel bemerkte sie plötzlich, wie hinter Chris Ranken aus einem Luftschacht wuchsen. Zwei gezielte Schüsse von ihr ließen die Ranken zurückschrecken und machte Chris auch auf die Gefahr aufmerksam. Er antwortete darauf, indem er kurzentschlossen eine Granate in Richtung des Schachts warf. Die Druckwelle ließ Jill für einen Moment in die Knie gehen, damit ging ein weiterer Griff von Kaysen ins Leere. Er lachte dennoch glucksend, was eine Gänsehaut bei ihr auslöste.[/LEFT] [LEFT]Endlich erreichte sie ihr Ziel: eine Flasche Flüssigstickstoff. Ihr blieb nur noch zu hoffen, dass sie wirklich voll war.[/LEFT] [LEFT]Sie drehte sich um. Kaysen stand direkt vor ihr, die Ranken bewegten sich wie die Uroboros-Schlangen, erzeugten dabei aber ein knarrendes Geräusch. Chris zielte mit der Magnum, jetzt lag es nur noch an ihr.[/LEFT] [LEFT]»Du wirst bestimmt einen guten Nährboden abgeben«, sagte Kaysen. »Der Baum, der aus dir wächst, wird ein besonders großer werden.«[/LEFT] [LEFT]Jill schnaubte. »Das einzige, was in mir wächst, ist mein Abscheu gegen Leute wie dich!«[/LEFT] [LEFT]Er lachte wieder und sprintete erneut auf sie zu. Sie hechtete zur Seite. Ein weiterer Schuss ertönte, die Kugel traf den Stickstoff-Behälter. Kaysen gab einen überraschten Laut von sich, als er von der austretenden Chemikalie getroffen wurde. Die Ranken froren innerhalb kürzester Zeit ein und ließen ihm nicht einmal mehr die Gelegenheit zur Flucht.[/LEFT] [LEFT]»Warum?«, hauchte er, als sein Körper endlich erstarrte.[/LEFT] [LEFT]Jill und Chris zielten weiter auf ihn, warteten, dass noch etwas geschah, vor allem, wenn sie es nicht erwarteten. In der Vergangenheit war es schon zu oft geschehen, dass sie sich sicher gewähnt hatten, nur um dann doch noch überfallen zu werden.[/LEFT] [LEFT]Doch Kaysen bewegte sich weiter nicht. Sie tauschten einen Blick miteinander, Jill nickte. Chris näherte sich der eingefrorenen Gestalt und trat leicht dagegen. Ein Teil der Ranken fiel einfach von ihm ab und zerplatzte auf dem Boden. Kaysen rührte sich immer noch nicht. Davon ermutigt senkte Chris die Waffe und versetzte der Figur einen Fausthieb. Das genügte vollkommen, um auch den Rest dieser grotesken Gestalt in unzählige Teile zerspringen zu lassen. Einige von ihnen landeten direkt vor ihr, worauf Jill sich beeilte, sie zu zertreten, nur sicherheitshalber.[/LEFT] [LEFT]»War es das?«, fragte Chris.[/LEFT] [LEFT]Sie wollte das nicht bejahen, bevor sie nicht den Rest der Einrichtung durchsucht hatten. Das war glücklicherweise schnell geschehen, denn ansonsten gab es nur noch einen Raum, in dem der Müll entsorgt wurde – er war leer –, und der Kommandoraum, wo zahlreiche Server und Monitore aufgebaut waren. Auch hier war sonst niemand zu sehen.[/LEFT] [LEFT]»Hat er die Anlage ganz allein betrieben?«, fragte Chris zweifelnd.[/LEFT] [LEFT]Jill musste unwillkürlich wieder an diesen Hund denken. Irgendetwas an ihm war seltsam und das griff auch auf Kaysen über. Sie glaubte auch nach wie vor, seine Anwesenheit überall zu spüren.[/LEFT] [LEFT]»Verzichten wir mal auf eine Selbstzerstörung«, meinte Chris schmunzelnd. »Ich gebe der BSAA die Koordinaten durch.«[/LEFT] [LEFT]Während er das tat, öffnete Jill auch eine direkte Verbindung zu den Servern der BSAA und gab dort Bescheid, dass sie sich alle hiesigen Daten ziehen sollten – nur für den Fall der Fälle.[/LEFT] [LEFT]Als sie beide fertig waren, sahen sie sich wieder an.[/LEFT] [LEFT]»Eine Sache noch«, sagte Chris.[/LEFT] [LEFT]Jill nickte. Ihr war derselbe Gedanke gekommen, da musste er ihn gar nicht erst aussprechen. Nach ein wenig Suchen fanden sie die Steuerung für die Tanks und deaktivierten sie. Ohne die Nährflüssigkeit würden die Testsubjekte mit Sicherheit sterben, aber für sie beide war klar, dass das eher einem Akt der Gnade gleichkam.[/LEFT] [LEFT]Erst nachdem das geschehen war, verließen sie die Einrichtung wieder. Dabei achteten sie weiter darauf, von niemandem überrascht zu werden. Offenbar fühlte auch Chris die fremde Anwesenheit, die erst von ihnen abfiel, als sie wieder ins Freie traten. Sonnenstrahlen, die sich im Wasserfall brachen, begrüßten und belohnten sie beide.[/LEFT] [LEFT]Chris brachte ein Siegel an der Tür an, das die anderen BSAA-Mitglieder erst nach Rücksprache mit ihm wieder brechen würden. So gingen sie sicher, dass keine Unbefugten eindrängen.[/LEFT] [LEFT]Nachdem er das getan hatte, stellte er sich neben Jill, die den Fluss hinabstarrte. Sie sah kurz zu ihm. »Die Luft riecht wirklich frisch. Irgendwie gereinigt.«[/LEFT] [LEFT]Er verlagerte das Gewicht von dem einen auf den anderen Fuß. Sie war sich ziemlich sicher, dass sie wusste, was er von ihr wollte und ihr war nicht danach, ihn schmoren zu lassen: »Die Antwort auf die Frage ist übrigens Ja.«[/LEFT] [LEFT]Sein Gesicht hellte sich auf, aber noch hielt er sich in seiner Freude zurück. »Bist du sicher? Ich bin ein ziemliches Wrack, wie du selbst gemerkt hast.«[/LEFT] [LEFT]»Und ich hab dich mal fast umgebracht«, erwiderte sie. »Das passt also.«[/LEFT] [LEFT]»Da warst du nicht du selbst.«[/LEFT] [LEFT]Sie legte ihre Hände auf seine Wangen, was ihn davon abhielt, noch mehr zu sagen. »Akzeptier einfach, dass mich nichts an dir abschrecken kann. Wenn du darüber hinwegsehen kannst, dass wir gegeneinander gekämpft haben, dann stört es mich auch nicht, dass du gerade Probleme hast.«[/LEFT] [LEFT]Er erwiderte nichts, wirkte aber immer noch besorgt, deswegen fuhr sie fort: »Ich habe gesagt, dass ich immer bei dir sein werde, und dabei bleibt es auch. Denn ich will das so. Weil ich dich liebe, Chris Redfield.«[/LEFT] [LEFT]Bevor er auch nur auf die Idee käme, Einspruch einzulegen, zog sie ihn ein wenig zu sich und küsste ihn. Es war, als fiele eine große Last von ihm. Er legte seine Arme um sie und erwiderte den Kuss mit einer feurigen Inbrunst, die ihr verriet, wie lange er darauf gewartet hatte.[/LEFT] [LEFT]Ob der Antrag nun ernst gemeint gewesen war oder nicht, ihn anzunehmen war auf jeden Fall eine gute Entscheidung, die sie nicht bereuen würde.[/LEFT] Kapitel 6: Regenbogen --------------------- [LEFT]Am nächsten Tag fühlte es sich immer noch surreal an, dass sie und Chris nun ein Paar – ja, sogar verlobt – waren. Eigentlich hatte sich nicht so viel verändert, ihr gegenseitiges Vertrauen war immer noch vorhanden, nur ihre Nähe war ein wenig … intensiver geworden. Es fühlte sich aber gut an, deswegen hatten sie beide auch keine Probleme, dem jeweils anderen ins Gesicht zu sehen, selbst nachdem sie sich voneinander gelöst hatten und aufgestanden waren. Kein verschämtes Wegsehen, kein verlegenes Erröten, sie waren einfach zwei Erwachsene, die eine einvernehmliche Beziehung führten, die wiederum nur eine logische Konsequenz aus allem darstellte, was sie zusammen erlebt hatten. Anders wollte sie es sich gar nicht vorstellen.[/LEFT] [LEFT]Während des Frühstücks schien Polly nicht einmal zu bemerken, dass Kaysen auch anwesend sein müsste. Jedenfalls verlor sie kein Wort über ihn, sondern erzählte von ihrer eigenen Hochzeitsreise mit ihrem inzwischen verstorbenen Mann. Jill lauschte interessiert und sogar Chris schmunzelte an manchen Stellen.[/LEFT] [LEFT]Murphy begegneten sie nach dem Frühstück kurz. Sie versicherten ihm, dass sie alles erledigt hatten und niemand sonst wüsste, dass er hier war. Mit Quint hatte sie bereits darüber gesprochen und sich das Versprechen eingeholt, dass er niemandem etwas erzählen würde.[/LEFT] [LEFT]Die BSAA hatte ihr Kommen für den morgigen Tag angekündigt, mit der Versicherung an Harry Stewart, dass alles möglichst diskret ablaufen würde. Lediglich der Wildhüter müsste informiert werden, weil das Labor schließlich im Forest Park wäre.[/LEFT] [LEFT]In ihrem Hinterkopf nagte noch der Gedanke, dass sie etwas vergessen hätten, aber ihr wollte einfach nicht einfallen, worum es sich handelte. Chris ging es ebenso, wie sie erfuhr, nachdem sie ihn darauf ansprach. Also ignorierte sie das einfach.[/LEFT] [LEFT]Alles in allem endete alles zu ihrer Zufriedenheit, deswegen wollten Jill und Chris den letzten Abend in Greenvale in der Darts Bar SWERY 65' verbringen. Da die Bar am anderen Ende der Stadt lag, wurde die Fahrt entsprechend lang und führte sie auch an Straßen vorbei, die sie bislang nicht gesehen hatten. Es war bereits dunkel, dafür brannten nicht nur Straßenlaternen, sondern auch Lichterketten, was allem einen weihnachtlichen Hauch im Oktober gab. Da sie nicht fahren musste, konnte sie sich voll und ganz auf den Anblick konzentrieren. Selbst vom Regen war an diesem Tag nichts zu sehen, also wolle die Stadt sie angemessen verabschieden.[/LEFT] [LEFT]»Wir sollten irgendwann hierher zurückkommen«, bemerkte Jill. »Hier gibt es bestimmt noch viele interessante Dinge zu sehen. Und noch mehr skurrile Personen.«[/LEFT] [LEFT]Chris schmunzelte ein wenig. »Wir können ja unsere richtige Hochzeitsreise hierher machen.«[/LEFT] [LEFT]»Oh ja, und dann erzählen wir hier allen, dass wir einfach entschieden haben, noch mal Flitterwochen zu machen.«[/LEFT] [LEFT]»Klingt hervorragend.«[/LEFT] [LEFT]Die Bar war nur ein kleines Gebäude, genau richtig für diese kleine Stadt. Der Parkplatz schien dafür viel zu groß zu sein. Motorräder und andere Autos verrieten, dass die Bar gut besucht war.[/LEFT] [LEFT]Als sie reinkamen, entdeckte Jill zwischen den anderen Gästen Murphy und Valeria, die an einer der Dartscheiben spielten. Dabei warfen sie ich Sprüche zu, mit denen sie sich gegenseitig immer wieder zum Lachen brachten. Sie bemerkten Jill und Chris nicht einmal, als sie an der nahen Bar bestellten und sich dann in einer Ecke an einen kleinen, noch freien Tisch setzten.[/LEFT] [LEFT]»Weißt du«, sagte Chris, »während er in die Richtung der beiden sah, »ich bin ganz froh, dass er nichts mit der Sache zu tun hatte. Es sieht aus, als baut er sich hier ein ganz gutes Leben auf.«[/LEFT] [LEFT]Natürlich wusste Jill immer noch nicht, was genau Murphy alles durchgemacht hatte, aber es musste hart und schmerzhaft gewesen sein. Deswegen gönnte sie ihm diesen Neuanfang ebenfalls und wünschte ihm innerlich alles Gute.[/LEFT] [LEFT]»Du fängst mit dem neuen Leben hoffentlich auch noch an«, sagte sie.[/LEFT] [LEFT]Chris wandte sich wieder ihr zu, und sie glaubte, zu sehen, wie seine Augen hoffnungsvoll funkelten. Es war kein Vergleich zu seinem Blick, als sie hier angekommen waren. Sie lächelte, was er direkt erwiderte. »Wenn du mir hilfst, bekomme ich das hin.«[/LEFT] [LEFT]»Immer«, versicherte sie ihm noch einmal und legte eine Hand auf seine.[/LEFT] [LEFT]Er sah mit einem leichten Lächeln darauf hinab. Ihre Brust füllte sich mit Wärme, die nur er erzeugen konnte. Was für ein Glücksfall, dass sie hierher geschickt worden waren.[/LEFT] [LEFT]Ihr gemeinsamer Moment wurde kurz unterbrochen, als ein junger Mann mit Cowboyhut an ihren Tisch kam, um ihnen die bestellten Flaschen Bier zu bringen. Dann ging er bereits weiter, um sich anderen Gästen zu widmen. Sie hoben die Flaschen, stießen an und tranken jeder einen Schluck.[/LEFT] [LEFT]»Der Auftrag ist wirklich gut gelaufen«, sagte Chris plötzlich. »Wir sollten wieder mehr Missionen zusammen erledigen.«[/LEFT] [LEFT]»Dann sollten wir vielleicht niemandem erzählen, dass wir verlobt sind.«[/LEFT] [LEFT]Bislang gab es keine Regelungen bei der BSAA, was gemeinsame Aufträge bei Paaren anging – es gab nun einmal eher keine –, aber sie wollte auch nicht unbedingt provozieren, dass wegen ihnen Regeln aufgestellt werden mussten.[/LEFT] [LEFT]»Ich hatte ohnehin überlegt, dass es lustiger wäre, wenn wir warten, bis die anderen es merken.« Als er grinste, erinnerte er sie das erste Mal seit langem wieder an den Chris, den sie damals bei S.T.A.R.S. kennengelernt hatte und der noch nicht vom Kampf gegen den Bio-Terrorismus aufgerieben worden war. »So wie ich das einschätze, wird es ein paar Wochen dauern.«[/LEFT] [LEFT]»Stimmt. Sie werden einfach nur denken, dass wir ein gutes Team sind, so wie immer~. Ich bin auf jeden Fall dabei.«[/LEFT] [LEFT]Außerdem war sie überzeugt, dass Barry es schnell begreifen würde. Er kannte sie lange genug, bestimmt könnte er schnell die feinen Nuancen bemerken, die sich bei ihrem Umgang miteinander geändert hatten.[/LEFT] [LEFT]»Oh, aber glaub bloß nicht, dass du um das Wichtigste herumkommst.«[/LEFT] [LEFT]Chris neigte den Kopf ein wenig, sichtlich verwirrt darüber. Jill hob demonstrativ ihre linke Hand und wackelte mit den Fingern. »Mir fehlt noch ein Ring.«[/LEFT] [LEFT]Sein Gesicht klärte sich sofort auf. »Darum habe ich mich schon gekümmert.«[/LEFT] [LEFT]Verwirrt beobachtete sie, wie er in seine Jackentasche griff. Hatte er wirklich einen Ring besorgt? Aber wann sollte er dafür Zeit gehabt haben? Sie waren seit gestern Abend nicht mehr voneinander getrennt gewesen. Und sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das von derart langer Hand geplant hatte, um im Vorfeld einen zu besorgen. Doch ihre Verwirrung endete sofort in einem amüsierten Lachen, als er den Ring endlich zutage förderte und über ihren Finger streifte.[/LEFT] [LEFT]»Ist das dein Ernst?«, fragte sie, während sie das neue Schmuckstück von allen Seiten betrachtete.[/LEFT] [LEFT]Er zuckte unschuldig mit den Schultern. »Das ist der Ring der Handgranate, die ich auf die Ranken geworfen habe. Passt doch, oder?«[/LEFT] [LEFT]Als ein Paar, das sich vor allem durch den Kampf gegen den Bio-Terrorismus nähergekommen war, empfand sie es als perfekt. Außerdem zeigte es Chris' Charakter und Eigenart: Er machte sich keine Gedanken um solche Dinge, sondern war da pragmatisch. Sie mochte diese Züge an ihm, deswegen dachte sie nur darüber nach, an wen sie sich wenden könnte, um diesen Ring ein wenig anzupassen, ohne von jemandem wie eine Verrückte betrachtet zu werden.[/LEFT] [LEFT]Sie lächelte Chris an. »Er ist großartig. Danke~.«[/LEFT] [LEFT]»Dann bist du dir immer noch sicher?«, fragte er ernst.[/LEFT] [LEFT]»Absolut. Aber wenn du schon fragst, habe ich eine Bitte an dich.«[/LEFT] [LEFT]Er bedeutete ihr, fortzufahren, was sie auch direkt tat: »Ich weiß, dass du kein Freund davon bist, aber bitte denk über eine Therapie nach. Wenn wir beide ein gemeinsames Leben starten wollen, wünsche ich mir, dass wir das in unserer bestmöglichen Form machen. Ich werde das natürlich auch tun. Also bitte …«[/LEFT] [LEFT]Bislang hatte sie trotz aller Angebote darauf verzichtet, obwohl ihre Zeit bei Wesker sie auch mit dem ein oder anderen Trauma zurückgelassen hatte. Vielleicht war es falscher Stolz gewesen oder die Meinung, sie bräuchte das nicht, weil es Wichtigeres zu tun gab. Aber nun ging es nicht mehr um sie, sondern auch um Chris und für ihn wollte sie stark sein. Und sie hoffte, dass es ihm ähnlich ging.[/LEFT] [LEFT]Im ersten Moment änderte sich sein Gesichtsausdruck nicht, er sah sie weiterhin ernst und ein wenig verstimmt an. Sie fürchtete bereits, er würde ablehnen und darauf beharren, dass er sie vorgewarnt hatte. Doch plötzlich wurde seine Miene sanfter. »Du hast recht, ich halte nicht viel von Therapie. Aber ich kann schlecht ablehnen, wenn du mich darum bittest, besonders wenn es für uns beide ist. Also lass es uns gemeinsam versuchen.«[/LEFT] [LEFT]Jill atmete auf und bedankte sich lächelnd. »Das bedeutet mir wirklich viel.«[/LEFT] [LEFT]Er seufzte lächelnd und hob die Schultern. »Ich kann dir eben nichts abschlagen.«[/LEFT] [LEFT]Unter diesen Umständen war sie sicher, dass sie ein gutes Leben führen könnten. Egal, was die aktuellen oder kommenden Terroristen ihnen in den Weg werfen würden, zusammen überstanden sie all das, besonders wenn es ihnen gelänge, ihre Traumata irgendwie zu überwinden.[/LEFT] [LEFT]Sie beugte sich ihm ein wenig entgegen und stellte glücklich fest, dass er die Distanz zwischen ihnen schloss und diesmal derjenige war, der sie küsste. All die Gefühle in ihrem Inneren, die sie mit ihm verband, liefen wie ein warmer Strom durch ihren ganzen Körper und bestätigte ihr nur noch einmal, dass es eine gute Entscheidung gewesen war, den Antrag anzunehmen, obwohl er sehr unkonventionell gewesen war. Denn das hier, mit ihnen, das war mehr als perfekt – und Jill war überzeugt, dass es genau so bleiben würde.[/LEFT] Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)