Die goldenen Töne des Klondike von KiraNear ================================================================================ Kapitel 2: Blubberlutsch ------------------------ Vor Schmerzen stöhnend, rieb sich Donald den Rücken. „Ich habe es geahnt, dass du wieder die Holzklasse buchen würdest. Trotzdem war ich so naiv und habe mich wieder von dir zu einer Zugfahrt überreden lassen“, meckerte dieser vor sich hin, schien aber auch der Einzige zu sein, der sich an dieser Tatsache störte. „Nun hör schon auf, dich so undankbar zu beschweren. Du klingst wie ein altes Waschweib, das auf ihrem Waschbrett schlafen musste. Vor lauter Wut siehst du die positiven Seiten daran nicht! Allein das viele Geld, das ich mir dadurch eingespart habe,…“, sagte Dagobert und schwang seinen Gehstock umher. Als hätte er damit sein finales Wort gesprochen, schwieg die Entenfamilie für die restliche Fahrt. Während die drei Küken sich neugierig aus dem Fenster die vorbeiziehende Natur ansahen, entschied Donald sich, dem ganzen durch einen tiefen und festen Schlaf zu entkommen. Bis Dagoberts Stock ihn wieder in die Realität zurückholte. „Was … was ist los?“, fragte Donald verwirrt. „Wir sind da, also solltest du am besten sofort wieder wach werden“, entgegnete Dagobert mit einer leichten Ungeduld in der Stimme. Sie hatten nach mehreren Stunden Zugfahrt und zwei Umstiegen ihr Ziel erreicht, Dawson zeigte sich ihnen in seiner gesamten Pracht. Sie sahen diese Pracht sofort, kaum, hatten sie den Zug hinter sich gelassen. Während Donald weiterhin seinen Rücken rieb und seinem Onkel ganz leise Verwünschungen hinterher flüsterte, achtete dieser gar nicht mehr auf seinen Neffen und sah sich lieber die Stadt an. „Onkel Dagobert, es ist sicherlich lange her, dass du hier warst, nicht wahr?“ „In der Zeit hat sich die Stadt bestimmt sehr verändert.“ „Kannst du noch etwas von damals erkennen, Onkel Dagobert?“ Voller Wissensdurst sahen Tick, Trick und Track ihren Großonkel an.  Mit einem nostalgischen Glanz in den Augen, sah Dagobert sich immer weiter um. Seine Hand schloss sich fester um seinen Gehstock und die Eindrücke schienen ihn fast zu überfordern. „Ich muss zugeben, es hat sich hier doch viel mehr verändert, als ich es mir immer vorgestellt hatte. Natürlich bleibt auch eine Stadt wie Dawson nicht in der Zeit stehen, ganz anders als in meiner Erinnerung.“   Er entfernte sich mit mehreren Schritten vom Bahnhof und strich mit einem seiner Paddel über den kalten Asphalt. „Das letzte Mal, als ich hier durch die Straßen ging, waren diese nicht betoniert. Stattdessen bestanden sie zu unsrer Zeit aus feinstem Wüstensand, über das die Pferde und anderes Hutgetier problemlos herumlaufen konnten. Das war wichtig, wenn man mit einem Planwagen unterwegs war.“ Mit diesen Worten drehte er sich zu seinen Neffen um. Darauf zu warten, dass sich Donald körperlich wie auch emotional von der Zugfahrt erholen würde, stand Dagobert nicht im Sinn. Stattdessen stampfte er mit dem Gehstock auf den Boden auf, um Donalds Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. „Wir haben Dawson erreicht, also sollten wir keine Zeit verstreichen lassen. Würde dieser Ort noch so aussehen wie zu meinen damaligen Zeiten, hätte ich einen Besuch im besten Saloon der Stadt vorgeschlagen. Doch ich vermute, dass dieser mit Sicherheit längst abgerissen worden ist …“ Dagobert holte seinen alten Stadtplan heraus, welchen er zuvor auf dem Esstisch ausgebreitet hatte. „Es könnte jedoch auch sein, dass sie ihn bis heute bewahrt haben, als eine Art Kulturgut. Immerhin war es, wirtschaftlich gesehen, ein sehr wichtiger Dreh- und Angelpunkt. Jeden Tag kam eine große Menge an Stammkundschaft und Gästen, die nur auf der Durchreise waren. Los, Kinder, die Pause ist vorbei, ein Schatz wartet auf uns!“ Entschlossen und gleichzeitig vorsichtig steckte Dagobert seine uralte Karte wieder ein, bevor er entschlossenen Schrittes eine Straße entlang ging. Seine Neffen, die im Gegensatz zu ihm noch nie einen Paddel in die fremde Stadt gesetzt hatten, schlossen sich ihm sofort nach wenigen Sekunden an. Zu Dagoberts Zufriedenheit hatte Donald damit aufgehört, sich über seinen schmerzenden Rücken zu beschweren.   Stattdessen sah sich Donald wie seine Neffen um, ein Gebäude nach dem anderen, nichts entging seinem neugierigen Blick. „Hier hast du früher gelebt … wie es hier wohl aussah?“ „Vermutlich so, wie man es aus jedem Western film so kennt, Trick“, beantwortete Donald seine Frage. „Nicht ganz.“ Dagobert, der die kleine Gruppe nach wie vor anführte, drehte sich zu ihnen um, blieb jedoch nicht stehen. „Aber ich muss sagen, viele von ihnen sind sehr akkurat und nah am Original dran, was die Architektur der Stadt und der Gebäude angeht. Auch in der heutigen Version von Dawson kann man das sehen, vieles von früher ist noch erhalten geblieben oder wurde restauriert.“ „Gleichzeitig gibt es auch viele moderne Dinge, wie Klimaanlagen oder elektrisches Licht“, kommentierte Donald den moderneren Teil des Stadtbildes. „Das war unvermeidbar. Dennoch, ich bin froh, dass sie hier eine schöne Balance zwischen der Schönheit der Vergangenheit und den Annehmlichkeiten der Moderne gefunden haben. Da kann sogar ein alter Haudegen wie ich sich nach so einer langen Zeit wieder zu Hause fühlen.“ Schließlich blieb er stehen, und drehte sich zu dem Gebäude zu seiner Linken um. „Ein weiterer Punkt, den sie zu meinem Glück bis zum heutigen Tag erhalten haben, ist der Aufbau der Straßen. Sie mögen das alles nun mit Teer versiegelt haben, aber die Straßenführung ist bis heute gleichgeblieben. Ein kurzer Blick auf die Karte und schon finde ich mich wieder zurecht.“ Vier Augenpaare folgten seinem Blick, kaum, dass sie selbst stehen geblieben waren. Dabei sahen sie ein Gebäude, welches man sofort als das erkennen konnte, als dass es das riesige Schild über dem Eingang auszeichnete. „Die Goldader? Ist der Name nicht ein bisschen … direkt, Onkel Dagobert?“, fragte Trick ihn und bekam ein kurzes Lachen als Antwort. „Nun, es war immerhin die Goldader des Klondike, der die meisten von uns überhaupt hierhergeführt hatte. Zudem es hier noch andere Goldstücke gab, wie die besten und preiswertesten Mahlzeiten. Viele haben hier ihre besten Geschäfte abgeschlossen, inklusive meiner eigenen Wenigkeit. Sogar Eheanträge wurden bevorzugt dort drin gestellt. Und das Klavier … wer immer darauf spielte, es war stets ein Meisterwerk.“ „Verstehe! Dann könnte es sein, dass sich die Notenblätter noch immer hier befinden und nach wie von jemanden benutzt wird, nicht wahr?“ „Ja, das … das könnte sein.“   Dagobert nahm sich keine weitere Zeit, mit eiligen Schritten ging er auf den Saloon zu. Donald und seine Neffen glaubten für einen kurzen Augenblick, ein trauriges Lächeln im Gesicht ihres Onkels gesehen haben, wenn auch nur für den Bruchteil mehrerer Sekunden. Dann folgten sie ihm, durchquerten den Raum bis zum anderen Ende, an welcher sich wie erwartet eine Bar befand. Ein Hund, bekleidet in einer traditionellen Kombination aus Hemd und Weste, befand sich auf der anderen Seite des Tresens und polierte ein Glas. Donald konnte sich nicht daran erinnern, wann er jemals einen Barkeeper gesehen hatte, der nicht seine Zeit mit dem Polieren von Gläsern verbrachte. Offenbar war es eine Standartbeschäftigung, die sie auf der gesamten Welt vereinte. „Guten Tag, die Herren. Kann ich Ihnen was anbieten?“, fragte er, während er seinen Blick vom Glas nahm. „Wir können Ihnen alles anbieten, was wir im Sortiment besitzen. Wir haben derzeit einen sehr guten Whiskeyjahrgang, den ich Ihnen nur empfehlen kann. Alternativ auch verschiedene Biersorten. Und für die Kurzen, nun, wir haben auch Blubberlutsch und andere Limonade“, sagte der Barmann, während er seine Gäste erwartungsvoll ansah. Doch bevor einer seiner Neffen einen Getränkewunsch äußern konnte, ging Dagobert dazwischen. „Getränke benötigen wir keine, vielen Dank der Herr. Aber wir haben es in gewisser Weise eilig. Das einzige, mit dem sie uns dienlich sein könnten, wäre die Herausgabe einer gewissen Information. Sie sind doch sicherlich schon länger her in diesem Saloon beschäftigt, nicht wahr? Dann ist Ihnen auch sicherlich das eine oder andere Wissen ins Ohr gekommen.“  Der Barmann strich sich über den Vollbart, Dagobert hatte seine volle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. „Verstehe, verstehe, Informationen benötigen die Herren also. Nun, ich denke, damit kann ich dienen. Wie viel ihn Ihnen verrate, ist selbstverständlich davon abhängig, wie viel Ihnen die Informationen wert sind. Sie sehen wie ein schlauer und freundlicher Geschäftsmann aus, ich bin mir sicher, dass wir uns schnell über den Preis einig werden können.“ Neugierig blickten die vier Neffen ihren Onkel an, gespannt vor Neugierde, auch wenn sie sich seine Antwort bereits denken konnten. So war es auch keine Überraschung für sie, als dieser energisch den Kopf schüttelte. „Es ist wahrlich eine Tragödie. Die ganze Welt will mich und mein Geld schröpfen, dabei bin ich doch nichts weiter als eine Ente mit ein klein bisschen Geld in der Brieftasche.“ Donald verkniff sich den einen oder anderen Kommentar, der seinen Verwandten daran erinnern sollte, dass dieser nicht nur ein klein bisschen Geld besaß, sondern dank seines Vermögens zu den reichsten Personen des gesamten Planeten gehörte. „Kommen Sie schon, wir leben in harten Zeiten und auch ich muss von etwas leben. Nun gut, ich habe verstanden, offenbar sind Ihnen die Informationen nicht so viel wert, wie es bei dem anderen Herren der Fall war.“   Dagobert hatte sich bereits zum Weggehen umgedreht, als die letzten Worte sich durch seine Ohren in seinen Kopf bohrten. Aufrichtig erschrocken drehte er sich auf der Stelle um. „Wie bitte?! Jemand anderes hatte sich ebenfalls nach Informationen erkundigt? Darf ich erfahren, wer das gewesen war? Oder muss ich dafür auch bezahlen?“ Die offene Hand, die der Barkeeper dem älteren Erpel entgegenstreckte, war diesem Antwort genug. Schwer seufzend drehte sich Dagobert zu seinem Neffen um. „Donald, sei so lieb und gib dem Herren sein Geld. Offenbar weiß er mehr, als wir vermutet haben, aber ohne einen Obolus werden wir das wohl nie erfahren.“ Doch Donald verschränkte nur die Arme vor seiner Brust. „Das könnte dir so passen, nicht wahr? Dass ich an deiner Stelle bezahle? Vergiss es, das kannst du dir gerne in deinen Backenbart schmieren. Abgesehen davon, ich habe absolut kein Geld dabei, zumindest keine Scheine. Und ich denke nicht, dass der Barkeeper meine einzelnen Kreuzer haben möchte.“ Frustriert, da er ahnte, dass sein Neffe bezüglich seines spärlichen Bargelds nicht gelogen hatte, drehte er sich wieder zum Barmann und holte seine eigene Brieftasche heraus. Sehr langsam zog er einen Geldschein heraus und reichte ihn dem Barmann, als müsste er dem Teufel persönlich sein Erstgeborenes überreichen. Mit einem schnellen Griff schnappte sich der Barmann den 20-Taler-Schein und ließ ihn in der Tasche seiner Weste verschwinden. „Ein wenig geizig ist er auch noch? Nun gut, der andere Kerl hat mir vorhin dafür eine Menge Geld gegeben. Daher denke ich, dass ich jetzt ein Auge zudrücken kann“, sagte der Barmann, hörte endgültig mit dem Polieren auf und stellte das Glas vor sich ab. „Was möchten die Herren gerne wissen? Aber bitte präzise und direkte Fragen. Um allzu lang meine Zeit zu verschwenden, dafür war das Trinkgeld dann doch zu dürftig.“ Dagobert grummelte vor sich hin, sortierte seine Gedanken und tippte genervt mit den Fingerspitzen auf dem Tresen vor sich herum. „Nun, ich möchte von Ihnen im Grunde zwei Dinge erfahren. Erstens, ist Ihnen eine Musiksammlung namens Goldtöne bekannt? Früher, als ich hier noch ansässig war, wurde des Öfteren das eine oder andere Stück daraus gespielt.“ Dabei deutete er auf das Klavier, welches sich am Rande der Stube befand. Der Barmann folgte Dagoberts Blick, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „Das muss dann aber sehr lange her sein, denn ich kann mich nicht erinnern, dass dieses Klavier je benutzt worden ist. Aber gut, bei Ihrem Alter wundert mich das auch nicht“, sagt er und nahm das nächste Glas in die Hand, das darauf wartete, von ihm poliert zu werden. „Aber ja, ganz dunkel sagt es mir was. Mein Vorgänger hatte es mal erwähnt, kurz nach dem Besitzerwechsel. Er erwähnte mal, dass hier oft die wilde Luzie abging, mit all den Goldschürfern und den schönen Mädchen, die hier jedem Mann die Augen verdreht haben sollen.“ Für einen Augenblick hielt er inne, starrte auf das Glas und schien über etwas nachzudenken. „Nun, um ganz ehrlich zu sein, ich habe hier schon lange keine Notenblätter oder sonstige Liedsammlungen hier gesehen. Das muss vor meiner Zeit gewesen sein, befürchte ich. Wäre aber schön, dann könnte ich auf dieses elektronische Mistteil dort hinten verzichten.“ Sein Finger deutete auf eine Jukebox, die allein optisch nicht zum Rest der Einrichtung passte. Wie ein plötzlicher Misston in der schönsten Melodie. Anschließend nahm er das Glas wieder in die Hand und setzte seine Polierarbeit von zuvor fort. „Hm, das ist bedauerlich, aber das war wohl abzusehen. Die meisten Leute, die sich für diese Musik interessiert haben, sind schon längst weggezogen. Und die nachkommenden Generationen haben wohl nie einen Draht dazu entwickelt. Sehr, sehr bedauerlich.“ Dagobert hielt die Hand an seinen Schnabel, Donald konnte ihm ansehen, dass er diesen Umstand aufrichtig bedauerte. „Sagen Sie, wissen Sie zufällig, was mit den Notenblättern passiert ist, nachdem Sie hier nicht mehr benutzt worden sind? Ich meine, man …“ Er schluckte, die Worte auszusprechen schien ihm eine Qual zu sein. „Ich meine, man hat sie doch nicht wie Altpapier entsorgt, nicht wahr? Man hat sie doch sicherlich irgendwo in eine ordentliche Aufbewahrung gegeben, nicht wahr?“   Der Barmann blinzelte Dagobert an, derartig irritiert, dass er sogar das Polieren für einen Augenblick komplett vergessen hatte. „Verrückt, ich frage mich langsam, was es mit diesen Blättern auf sich hat? Vielleicht hätten wir sie doch damals behalten sollen. Also, wenn wir damals geahnt hätten, dass sie nach so langer Zeit so heiß begehrt sein würden.“ Nun war es Dagobert, der sein Gegenüber irritiert anblickte. „Was meinen Sie damit? Sie haben bereits vorhin jemanden erwähnt, der ihnen viel Geld für Ihre Auskunft bezahlt hat. Wer war das? Wie viel hat er Ihnen gegeben und was wollte er von ihnen genau wissen?“ Wieder hielt der Barmann Dagobert seine offene Hand hin, und lächelte ihn verschmitzt an. „Nun, der andere hat auf jeden Fall viel mehr gezahlt als Sie. Alternativ könnten Sie aber auch etwas zum Trinken bei mir bestellen. Ich meine, die drei Knirpse da drüben könnten sicherlich ein Gläschen Blubberlutsch vertragen? Sie und der andere Herr doch sicherlich auch, oder?“ Ein weiteres Mal stellte der Barmann das Trinkglas ab, und lehnte sich weit auf seinem Tresen vor. „Besonders in dieser Jahreszeit ist eine regelmäßige Flüssigkeitszunahme außerordentlich wichtig. Mit Verlaub, wenn ich mir so ansehe, machen Sie alle auf mich den Eindruck, als könnten sie ein kühles, frisches Getränk gut verkraften.“ Dagoberts Kiefer begann zu mahlen und er ging im Geiste sämtliche Optionen durch, musste allerdings nach einer kurzen Bedenkzeit zugeben, dass er nicht allzu viele davon hatte. Je mehr Zeit er sich ließ, desto größer wurde der Versprung des mysteriösen Fremden. Zumal auf die Information zu verzichten für ihn langfristig nicht in Frage kam. Möglicherweise war es jemand, der sich mit ein paar wenigen Münzen zufrieden stellen ließ, jemand, der keine Ahnung hatte, um was es genau ging … darauf musste Dagobert pokern. Doch zuerst musste Dagobert wissen, um wen es sich dabei handelte. Zumal der Barmann noch immer nicht damit herausgerückt hatte, an welchem Ort sich die Blätter befanden. Seufzend holte er seine Brieftasche heraus. „Sie sind ein knallharter Verkäufer, das muss man Ihnen lassen“, sagte er, holte mehrere Scheine heraus und legte sie auf dem Tresen ab. „Wie man Geschäfte macht, das wissen Sie auf jeden Fall. Und sie haben gewonnen. Geben Sie jedem meiner Neffen eine Flasche Blubberlutsch, mir reicht dagegen ein Glas Wasser“, sagte er und der Barmann kam der bezahlten Aufforderung auf der Stelle nach. Wenige Minuten später tranken seine Neffen mit Strohhalmen die kalte Limonade, während Dagobert die Zitronenscheibe in seinem Wasserglas betrachtete. „Nun, wir haben unseren Teil der Abmachung eingehalten und uns mit Getränken versorgen lassen. Jetzt müssten Sie nur noch unseren Wissensdurst stellen, wenn ich bitten darf.“ Mit Nachdruck sprach er die letzten Worte aus, während er jede Bewegung des Barmanns genau im Auge behielt. Dieser hatte, nachdem er die Getränke ausgeteilt hatte, wieder zu seiner alten Tätigkeit des Gläserpolierens zurückgefunden. „Richtig, richtig. Wie gut, dass Sie mir diese kleine Gedächtnisstütze gegeben haben, ich erinnere mich nun auch viel klarer.“ Dagobert verschluckte sämtliche Verwünschungen, die er dem Barmann am liebsten an den Kopf geworfen hätte. „Eins nach dem anderen. Ich kann mich erinnern, als ich den Laden hier vor langer Zeit übernommen habe, dass viele Gegenstände entweder durch modernere Versionen ersetzt oder komplett rausgeschmissen wurden. Vieles wurde dem örtlichen Museum vermacht, aber die ganzen Bücher gingen an die Bibliothek. Vermutlich kann man sie sich dort immer noch ansehen, ich vermute es jedenfalls, mich selbst ziehen da keine zehn Pferde hin.“ Er stellte das Glas ab und sah nun Dagobert tief in die Augen. „Zumal ich mit meiner Bar sowieso keine Zeit für Späße wie das Lesen von irgendwelcher Literatur habe. In Ihren Augen liegt der Blick eines Geschäftsmannes, das kann ich sofort erkennen. Sie werden somit wissen, was ich damit meine.“   Ungeduldig trommelte Dagobert mit den Fingerspitzen auf dem Tresen herum. Geduld war eine Tugend, die ihm heute nicht sonderlich weit aus dem Geldspeicher gefolgt war. Der Barmann konnte es hören, es brachte ihn jedoch nicht sonderlich aus dem Konzept. An diesem Ort war er derjenige, der das Tempo bestimmte. „Jedenfalls, wenn ich mich in meiner Erinnerung nicht täusche, hat mein Vorgänger auch einen Stapel an Notenblättern erwähnt, die er bei der Bibliothek abgegeben hatte. Zu 100% kann ich es Ihnen natürlich nicht bestätigen. Das habe ich auch der anderen Person gesagt, die mich danach befragt hatte.“ Sein Blick wanderte zu den drei Kindern und dem einen Erwachsenen, die auf ihren Hockern saßen und dem Gespräch aufmerksam lauschten. Das gelegentliche Schlürfen war das einzige Geräusch, die sie von sich gaben. Seine Augen wanderten zu Dagobert zurück. „Was die andere Auskunft angeht, da kann ich Ihnen leider nicht so viel sagen, wie Sie sich möglicherweise erhoffen“, nahm der Barmann seinem Kunden sofort jeglichen Wind aus den Segeln. „Zumindest kann ich Ihnen keinen Namen nennen. Was ich sicher sagen kann, es waren auf jeden Fall Fremde, die wie Sie von weit her gekommen waren. Und der Mann, er dürfte so in Ihrem Alter rum gewesen sein.“ Der Barmann musterte Dagobert, als müsste er schnell etwas überprüfen, dann nickte er, um sich selbst eine Bestätigung zu geben. „Dieser Fremde wollte auch alles über irgendwelche Notenblätter wissen und ihm habe ich das Gleiche gesagt wie Ihnen eben. Nur hat er mit der Bezahlung nicht so lange gewartet, sondern mir noch ein außerordentlich hohes Trinkgeld gegeben“, sagte der Barmann mit einem frechen Grinsen, woraufhin Dagobert die Augen verdrehte. Mit einem schnellen Schluck leerte den Rest des Glases und kaute die Zitronenscheibe an. „Vielen Dank, wir werden uns dann bei der Bibliothek umsehen, möglicherweise ist der andere noch dort, dieser Fremde …“ Langsam realisierte Dagobert, was der Barmann soeben zu ihm gesagt hatte. Es hatte ein paar Sekunden gedauert, bis er die Informationen, die seine Ohren empfingen, verarbeitet hatte. Dieses Mal reagierte er schnell und legte einen weiteren Geldschein auf dem Tresen ab. „Einen Augenblick… Sie sagten, der Mann wäre in etwa in meiner Altersklasse. Sagen Sie, trug er zufällig einen schwarzen Frack und dazu passend eine schwarze Melone auf dem Kopf?“ Die Köpfe seiner Neffen drehten sich in seine Richtung. Sie wussten ganz genau, wen Dagobert damit meinte. Der Barmann sah ebenfalls Dagobert an und nickte. „Ganz genau. Dann scheinen Sie sich wohl zu kennen?“ „Ja, das könnte man so sagen. Dass wir uns kennen. Sehr gut sogar… wie lange ist es her, dass dieser Mann hier war?“ Der Barmann musste nicht lange überlegen. „Es war nicht so lange her, ich würde sagen, zwischen einer und zwei Stunden?“ Dagobert presste den Schnabel eng zusammen. „Vielen Dank für Ihre Auskunft. Neffen, trinkt eure Blubberlutsch aus, oder nehmt sie meinetwegen mit. Wir müssen uns beeilen. Den Weg zur Bibliothek kenne ich, der dürfte sich auch nicht geändert haben.“ Mit einem agilen Schwung sprang Dagobert von seinem Hocker herunter und zeigte mit einer auslandenden Geste zum Ausgang. „Ich habe zwar keine Ahnung, wie dieser schmierige Mistkerl von den Notenblättern erfahren haben könnte. So wie ich ihn kenne, hat er mit Sicherheit unser Gespräch am Mittagstisch belauscht…“ Mit eiligen Schritten stampfte Dagobert auf den Eingang zu und hielt die Schwingtür ein Stück weit offen. „Muss ich euch noch eine Einladung schicken? Oder euch daran erinnern, dass Klaas Klever bereits einen viel zu großen Vorsprung hat? Wenn wir uns beeilen, können wir Ihn vielleicht sogar noch einholen!“ Dabei winkte er mit der freien Hand immer wieder in die Richtung des Ausgangs. Da sie ihren Onkel nicht weiter verärgern wollten, sahen die vier zu, dass sie ihm so schnell wie möglich folgten. „Dieser Klever denkt wohl, er kann alles in die Finger bekommen, was man gut zu Geld machen kann. Dabei hat er absolut keine Ahnung vom wahren Wert dieser Notenblätter, absolut keine Ahnung. Aber dem werde ich die Suppe schon versalzen, ihr werdet sehen!“ Eilig schritt Dagobert die Straße entlang. Seine Neffen folgten ihm mit den Blubberlutschflaschen in den Händen und sahen ihn mit großen Augen an. Dagobert selbst dagegen war mit seinen Gedanken weit, weit weg. „Ja, dem werde ich die Suppe so dermaßen versalzen, dass das Tote Meer ein angenehmer Abendtrunk dagegen wäre. Dann wird Klaas Klever schon sehen, was er davon, sich in Dinge einzumischen, die ihn absolut nichts angehen.“ Dann beschleunigte Dagobert seinen Schritt, woraufhin Donald und die drei Küken sich Mühe geben mussten, um mit ihm Schritt halten zu können. Gleichzeitig fütterte die letzte Aussage ihres Onkels ihre Neugier und sie begannen sich zu fragen, ob hinter den Notenblättern ein weiteres Geheimnis steckte. Ein weiteres Geheimnis, dass Dagoberts emotionale Reaktion erklären würde. Sie spürten, dass es hier nicht nur um einen Geldwert ging, nein, hier war noch eine weitere Komponente im Spiel. Um welche Art von Komponente es sich jedoch handelte, konnten sie jedoch nur vermuten und nicht sicher sagen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)