Leid, leiden, leid tun von Chimi-mimi ================================================================================ Kapitel 5: V ------------ Absolute Stille breitete sich in der Wohnung aus. Alles, was Davis noch hören konnte, war sein eigener Herzschlag. Selbst die Digimon gaben keinen Mucks mehr von sich. „…vis…“ Tais Frage war… es konnte nicht sein. Darauf konnte er nicht antworten. Er würde sich verraten. Nein. Nein, nein, nein. „…vis!“ Sein Herz schlug immer lauter und schneller, lauter, schneller, lauter, schneller. Alles verschwamm vor seinen Augen, da war nur noch sein Herz, sein explodierendes Herz. Er spürte seine Finger, spürte wie sie sich um seine Knie klammerten. Er spürte den harten Boden, auf dem er saß. E spürte seine Füße, die trotz der Socken eiskalt waren. Er spürte… Wärme. Auf seiner Schulter, an seinem Arm. Wärme, Stärke, Kraft. Da war noch mehr Wärme. Sie hielt seine Hand. Nein, sie führte seine Hand sanft weg von seinem Knie. Jetzt lag seine Hand unter der Wärme auf noch mehr Wärme. Die Wärme bewegte sich, auf und nieder, auf und nieder. Davis konzentrierte sich auf diese beruhigende Bewegung und sein Herzschlag wurde leiser. Immer leiser. „Gut so, Davis, sehr gut“, drang schließlich eine Stimme zu ihm durch. „Ein und aus, ein und aus.“ Unwillkürlich atmete er so, wie es ihm gesagt wurde. Ein und aus. Auf und nieder. Ein und aus, auf und nieder. Dann öffnete er seine Augen. Wann hatte er seine Augen geschlossen? „Hey, willkommen zurück“, lächelte Tai ihn an. Tai war die Wärme, auf der seine Hand lag. Moment… seine Hand lag auf Tais Brust? „Was?“ „Ich war zu direkt, es tut mir leid. Ja, schon wieder.“ Zerknirscht blinzelte Tai ihn an. „Du hattest eine Panikattacke“, mischte Matt sich ein. Ah, die Wärme an seiner Schulter, auf seinem Arm, das war Matt. „Panikattacke?“ „Denken wir jedenfalls“, erwiderte Matt. „Bist du jetzt wieder bei uns?“ „Ich…“ Worte waren schwer. Seine Augenlider fühlten sich wie Blei an und Davis wusste nicht, was er antworten sollte. „Noch nicht so ganz.“ Immerhin klang Matt nun leicht amüsiert und schien ihm nicht böse zu sein. „Komm, Tai, hilf mir mal.“ Gefühlt hatte Davis nur einmal geblinzelt, als er plötzlich zwischen den beiden älteren Digirittern stand. Eigentlich hing er mehr an ihren Armen, seine Füße hatten wohl noch nicht die Information bekommen, dass sie stehen sollten. Doch weder Tai noch Matt ließen sich davon groß beeindrucken und trugen ihn schließlich zusammen in sein kleines Schlafzimmer. Zumindest vermutete er das, als er plötzlich auf seinem Bett saß. „Sorry, Kumpel, du musst heute mal in der Kleidung schlafen gehen.“ Was? Schlafen? Aber er hatte doch Besuch? Nichtsdestotrotz fand Davis sich plötzlich liegend wieder, sein Kopf auf dem Kopfkissen. Da war auch seine Decke. „Schlaf, Davis, erhol dich. Wir reden morgen weiter.“ Eigentlich klang Schlafen doch gar nicht so schlecht. Er wusste nicht, warum er plötzlich so müde war, aber er war es. Also schloss er die Augen und fiel in einen Zustand, der zwischen wach und schlafen lag. „Was machen wir jetzt, Matt?“ „Wenn ich das nur wüsste.“ „Wir haben da echt Mist gebaut.“ „Du musstest ja so direkt fragen und ihn überfallen.“ „Du weißt, dass ich das nicht meine.“ Davis wusste nicht, wovon hier gesprochen wurde, aber vereinzelte Sätze durchdrangen seinen Halbschlaf. Er hätte seine Freunde gerne gefragt, ob er ihnen helfen konnte, aber sein Körper war so schwer. „Wie hast du eigentlich TK dazu gebracht, dass er wirklich heim gegangen ist?“ „Der steht morgen früh hier vor der Tür. Das war der Deal. Wir kriegen den Abend, aber morgen früh will er selbst nach Davis schauen.“ „Gerade das, was uns noch fehlt. Kannst du ihm schreiben, dass er später kommen soll? Davis braucht jetzt den Schlaf und kein neues Mitglied von unserem Überfallkommando.“ Er mochte TK. Früher war er eifersüchtig gewesen, aber das war längst vorbei. TK konnte nichts dafür, dass Davis sich wie ein Außenseiter fühlte. Aber auf seinen großen Bruder war er immer noch neidisch. Liebend gerne würde er Jun gegen Matt tauschen. „Sollen wir mit den anderen reden?“ „Und sein Vertrauen missbrauchen? Das kann doch nicht dein Ernst sein, Matt.“ Davis würde die anderen Digiritter gerne mal wieder sehen. Es war schon so lange her. Er vermisste sie. Selbst Yolei, obwohl sie Ken hatte und er ihn an sie verloren hatte. Seinen besten Freund. Das vermisste er am meisten, seinen besten Freund. Einen besten Freund. Überhaupt einen Freund. „Ich weiß gar nicht, wo wir anfangen sollen.“ „Wir fangen nirgends an. Das muss Davis selbst tun.“ „Das ist scheiße.“ „Kann ich dir nicht widersprechen.“ „Was ist deine Diagnose… Doktor Matt?“ „Nenn mich nicht so.“ „Entschuldige. Ich sollte mich nicht über deine Erfahrungen lustig machen.“ „Schon gut. Humor ist deine Art, mit so was umzugehen…“ „Stimmt. Aber im Ernst, Matt, was denkst du?“ „Gebrochenes Herz? Schau nicht so. Ich sehe es doch auch. Den Gewichtsverlust, die Panikattacke, die Appetitlosigkeit und er funktioniert nur noch für die Arbeit. Eine Depression.“ „Ich habe ein Déjà-vu. Gut, du hattest keine Panikattacken, aber das hat es nicht leichter gemacht.“ Wovon sprach Tai da? Hatte er was verpasst? War das… da war doch diese Zeit, in der Matt so blass war. War er da? Das war zu kompliziert für seinen müden Kopf, aber dennoch wusste Davis, dass er sich das merken musste. Er wollte doch für seine Freunde da sein. Wenn es Matt schlecht ging, dann wollte er einfach nur für ihn da sein. Vielleicht konnte er ja sogar helfen? Seine Suppen waren kräftig und taten gut. Genau, er würde Matt eine große Portion kochen. Gutes Essen half immer. „Ich fühle mich so schuldig.“ „Bloß weil du etwas ähnliches erlebt hast?“ „Ich hätte es sehen müssen.“ „WIR hätten es sehen müssen.“ „Aber…“ „Kein aber. Es läuft immer wieder auf das Gleiche raus, wir waren einfach nicht für ihn da.“ „…“ „Hast du mir nicht erzählt, dass man in der Gegenwart bleiben soll, weil die Vergangenheit passiert ist?“ „Ja…“ „Wir können es nicht mehr ändern. Es ist passiert. Aber wir können jetzt für ihn da sein.“ „Du hast recht.“ „Weiß ich doch. So schnell wird Davis uns nicht los.“ „Es sei denn…“ „Es sei denn, wir schaden ihm mit unserer Anwesenheit. Aber solange das nicht der Fall ist, sind wir endlich für ihn da.“ Das klang schön, fand Davis. So sprachen wahre Freunde. Er wünschte sich genau so etwas für sich. Freunde, die für ihn da waren. Es war mit diesem Gedanken, dass er schließlich endgültig in den Schlaf sank, während seine zwei Freunde über ihn wachten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)