Die Frage, die ich dir nie gestellt habe von Evilsmile ================================================================================ Kapitel 3: ----------- Adrial und ich verließen also den Pub, um ein paar Straßenzüge weiter die mannbar zu besuchen, eine Schwulenkneipe, in der es locker zuging. Heute war jedoch Schlagerabend. Grauenhafte Musik, aber ausgelassene Stimmung. Wir verbrachten einen netten Abend dort, fast nur ältere Herrschaften und Tunten da, das sollte mir aber ganz recht sein. Wir bekamen Komplimente, was für ein schönes Paar wir doch wären... Adrial kam aus dem Lachen nicht mehr heraus, lag wohl auch daran, was er intus hatte, aber wir klärten das Missverständnis nicht auf. Ich weiß nicht recht, ob es bloß als Scherz gemeint war, als er mich fragte: Wär ich eigentlich dein Typ? Nur ein kleines bisschen, log ich, gezielt nicht den Blick auf seine Vorzüge gerichtet. Er war schon verdammt attraktiv... aber das stand nichtbzur Diskussion. Wobei ich mir wegen Dominique nun keine Gedanken mehr machen musste. Zeit war vergangen, doch abgeschlossen hatte ich natürlich noch nicht mit ihm. Es machte mich sogar traurig, an ihn zu denken. Ob er in die Stadt zurück kam, wenn sein Studium beendet wäre? Die war aber eigentlich gar nicht sein Zuhause. Wo würde es ihn hin ziehen? Ich fragte Adrial nach der Bucket List, was da noch so alles drauf stand. Nach kurzem Zögern erwähnte er den Pacific Crest Trail, eine Wanderroute entlang der Ostküste der USA, von der mexikanischen Grenze bis hoch an die kanadische. Den würde er gerne mal für mehrere Monate wandern, dieser Gedanke hatte ihn nach einer Doku nicht mehr losgelassen. Ich bestärkte ihn darin, diesen Traum weiter zu verfolgen. Warauf warten? Auf die Rente? Das Leben immer weiter aufschieben? Da gab er mir das Versprechen, loszuziehen, sobald seine Frau unterwegs nach Marseille war. Es wurde sehr spät in der Bar. Doch seit langem hatte Adrial sich nicht mehr so amüsiert. Seine Wut auf seine Frau, die krank zuhause saß, war verraucht. Er bedankte sich bei mir dafür, umarmte mich herzlich. Zum Abschied gab er mir den Rat, lieber schnell etwas zu unternehmen, wenn mir Dominique wichtig war. Ich zuckte nur die Achseln, wie sollte ich das denn forcieren? Und unternahm erstmal nichts - ich liebte ihn, aber ich besaß auch meinen Stolz... Dass ich mit Adrial in der mannbar gewesen war, hatte ungeahnte Folgen für mich. Ich hatte Gefallen daran gefunden, von fremden Männern mit Blicken ausgezogen und angeflirtet zu werden. In die Szene, die ich früher verabscheut hatte, flüchtete ich mich nun an den darauf folgenden Wochenenden. Bars, Kneipen, Discos, Saunas, das FASS mit seinem berüchtigtem Darkroom; alles was es in der Stadt gab - und es gab vieles - manche Leute erinnerten sich an meine Auftritte als Gitarrist mit meiner alten Band Gitarrhö, schade dass es sie nun nicht mehr gab. Ja, fand ich auch, es fuckte mich insgeheim richtig ab, keine neue Bandbesetzung mehr zusammen zu bringen und aufzutreten. Notdürftig flickte ich mit fremder Haut und dem Geruch frischen Männerschweißes mein angekratztes Ego zusammen. Dominique und ich waren kein Paar mehr; er wollte nicht bei mir wohnen und wohnte in einer anderen Stadt und vögelte einen anderen. Ich durfte also Sex haben, mit wem ich wollte, war meine logische Schlussfolgerung. Tagsüber mein Job, abends Training, und Samstagabend die Sau rauslassen. Geregelte Zeiten mit viel Abwechslung. Die einzigen beiden Dinge, die ich tunlichst unterließ, war eine neue Beziehung zu starten, und brach damit so manches Herz. Und in den letzten Winkel meines Nachtschrankes nach jenem schwarzen Kästchen zu schauen, das seit der Rückkehr aus Paris immer noch an Ort und Stelle lag, denn das würde mir das Herz brechen. Im Sommer fand der Gay-Pride statt, eine wahre Fundgrube. Mein Selfie vor den Regenbogenfahnen in der Innenstadt postete ich als Status, und erschrak später, als ich sah, dass Dominique ihn gesehen hatte. Erst zu meinem Geburtstag traf ich Adrial wieder. Ich verlor kein Wort darüber, wie ich meine Wochenenden verbracht hatte, wonach er zum Glück auch nicht fragte, und verriet ihm auch nicht, dass ich Geburtstag hatte. Das war bis heute kein Tag zum Feiern für mich, ein Tag mit fahlem Beigeschmack, denn es war auch Marios Geburtstag. Und der könnte ihn nie wieder feiern. Wir schauten Public Viewing draußen vor dem Pub, das Finale der Weltmeisterschaft. Eine ausgelassene Stimmung, obwohl wir bereits ausgeschieden waren - Frankreich und Spanien kämpften um den Pokal. Gottverdammt, ich wurde heute Nacht wirklich Dreißig! Fuck! Um Punkt Mitternacht vibrierte mein Handy los. Ein paar Glückwünsche von guten Freunden, Und auch…von Dominique. Mir stockte der Atem, als ich seine Nachricht öffnete. ♥lichen Glückwunsch! Das schwarze Herz schockierte mich, machte mich ganz kribbelig. Was sollte das? Warum meldete er sich jetzt plötzlich? Hatte er sich selbst daran erinnert, oder seine Kalender-App? War es ein Glückwunsch aus Pflichtgefühl, oder erhoffte er sich damit, wieder Kontakt zu mir aufzunehmen? Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Schrieb erst mal nur Danke. Dann fiel mir nichts mehr ein, und ich packte das Handy weg, total durcheinander. Irgendwo wollte ich ja schon wissen, wie es ihm ging, was er machte. Aber da ich mich in den letzten Monaten wirklich nicht mit Ruhm bekleckert hatte, wollte ich darüber kein Wort verlieren. Und nur ihn zu fragen und selbst etwas zu verheimlichen, kam mir nicht fair vor… Was hatte ich auch schon zu erzählen? In diesem halben Jahr hatte ich mich kaum weiterentwickelt. Konnte ihm nichts stolz berichten. Ich hatte mich einfach nur gehen lassen und war meinen Trieben gefolgt. Mir fiel dieses Bootcamp ein, für das noch ein Trainer gesucht wurde, die Bewerbungsfrist würde in wenigen Tagen verstreichen… und hatte ich nicht im Herbst vorgehabt, eine weitere berufliche Qualifikation zu erwerben, die ich schon lange in Angriff nehmen wollte? Und überhaupt... Seine Gratulation war wie ein Weckruf. Dass ich die falsche Abzweigung genommen hatte. * Die einsetzende Musik in der Kirche holt mich schlagartig wieder in die Gegenwart zurück. Dominique erhebt sich von der Bank, wie alle anderen, und ich tu es ihnen gleich. Zumindest so tun, als würde ich beten. Er bemerkt es, schielt zu mir, ein Grinsen auf dem Gesicht. Unsere Kommunikation ohne Worte funktioniert noch immer. Ich sehe seine Schultern beben. Er würde doch jetzt nicht lachen?! Das kann er nicht bringen! Ihn lachen zu sehen, verdammt noch mal, steckt mich an. Jetzt musste ich mir es ebenfalls verkneifen, auf die Zunge beißen. Was auch immer der Grund für sein Lachen ist. Unter der Bank trete ich ihm ans Schienbein. Er dreht sofort den Kopf zu mir her, eine entschuldigende Miene aufgesetzt. Bald darauf tragen wir den verdammt schweren Sarg zu Grabe. Vaters allerletzte Reise. Abschied nehmen. Noch ein paar Worte des Priesters am Grab. Wir stehen drum herum. Kirschblütenblätter rieseln von einem Baum in der Nähe, hinab in die Erde, schmücken den schwarzen Lack auf makabere Art, als würden sie ihm die letzte Ehre erweisen wollen. Mir wird fast schwindlig, als ich die symbolische Schippe mit der Erde darauf schütte und ins kalte Erdreich herabblicke. Dieses gähnende Loch zieht jegliche Kraft aus mir heraus. Zurück bleibt das bittere, allzu vertraute Gefühl der Einsamkeit. Dass dieses Grab so schnell wieder aufgerissen worden war… viel zu stark die Erinnerungen an die letzte Beerdigung. Eines Tages würde ich auch in einem solchen Loch enden. Da spüre ich einen Arm, der meinen umschlingt. Dominique. Ich bin… mit einem Mal so dankbar, dass er da ist. * „Bist du in Ordnung?“, fragt mich Martha leise, als es vorbei ist, als alle noch ein paar Worze mit mir gewechselt haben und ich nicke. Dieses Mal wirklich. Es war kein Vergleich zu Marios Tod, an dem ich mich lange schuldig gefühlt hatte. „Kommst du mit ins Café?“, frage ich und kenne die Antwort eh schon. „Leider nicht, mein Flieger geht bald…Dominique, ma cher!“ Sie hakt sich bei ihm unter, sie unterhalten sich bis vor die Friedhofsmauer, zwei gute Freunde, obwohl Jahrzehnte zwischen ihnen liegen, aber Martha ist jung geblieben. Während alle anderen schon auf dem Weg ins Café um die Ecke sind. Leichenschmaus. Der ungeselligste Zeitgenosse aller Zeiten ist heute Anlass für Geselligkeit, wie paradox. Ich will noch nicht gehen, rauche in Ruhe meine Zigarette, die mich beruhigt, schnappe ein paar Fetzen von ihrem Gespräch auf, dann verabschiedet sich Martha in einer herzlichen Umarmung von ihm, und geht auf mich zu, um sich von mir zu verabschieden, ihr obligatorisches „Melde dich, falls etwas ist.“ Dann waren nur noch wir beide hier, er und ich. Ich räuspere mich, gehe in die Vollen. „Warum bist du wirklich da, Dominique? Was willst du von mir? Ich weiß gar nichts mehr über dich und das leben das du jetzt führst. Du wohnst doch jetzt in Berlin, wahrscheinlich glücklich mit deinem Lover.“ „Hä? Welcher Lover?“, lacht er. „Und ich wohne auch gar nicht mehr in Berlin.“ „Seit wann nicht mehr?“ „War nur für ein Semester. Und außerdem habe ich die Nase voll. Das ist die verrückteste Stadt, die es gibt. Zuviel gesehen, zu viel getan… Verdammt, ich bin durch zwei Prüfungen gerasselt und muss die wiederholen! Berlin hat mir echt nicht gut getan.“ „Verrückter als Paris? Was hast du denn alles erlebt, in diesem Semester?“, frage ich aus purer Neugier. Er winkt bloß ab, genervt, fast angeekelt. „Frage nicht, und ich stell auch keine Fragen, Sandro. Oben ohne beim Pride...bestimmt den Fotocontest gewonnen, was?“ „Vierter Platz", kontere ich die spitze Bemerkung. „Du warst aber nicht im Berghain, oder?“ Seine Unterlippe verzieht sich, er schaut weg. War immer noch so ein schlechter Lügner. „Wie oft?“ „Nur zweimal. Muss ich nicht noch mal haben.“ „Verdammt, Dominique, wie bist du da überhaupt reingekommen!“ „Es ist Vergangenheit, okay“, entgegnet er. „Dieser Typ bin ich nicht mehr. Ich hatte Zeit, mir Gedanken zu machen.“ Ich holte Luft, um etwas zu sagen, doch er fährt fort: „Gedanken, was wirklich zählt im Leben. Ich werde mein Praktikum in einer Suchtklinik machen, ich habe schon die Zusage.“ „Wow. Stark. Ich habe im Herbst ein Bootcamp geleitet.“ „Aha“, sagt er nur, holt Luft um etwas zu sagen, aber ich komme ihm zuvor: „Es tut mir so Leid! Ich muss mich bei dir entschuldigen, ich hätte es viel früher tun sollen, aber...“ Ich zucke die Schultern. „Ich habe Mist gebaut.“ „Entschuldigung angenommen“, sagt er. „Und jetzt verrate mir bitte mal den Grund, wieso du mich verlassen hast!“ „Ich soll Dich verlassen haben?!“ „Warum hast du nicht um mich gekämpft, Sandro?“, bohrte sich der Vorwurf wie eine Speerspitze in meine Brust. „Warum hast du den Kontakt lieber einschlafen lassen?“ „Dominique, das ist lächerlich. Unterlass die Anschuldigungen; du hast dir mindestens genau so viel geleistet. Du hast dir einfach nur jemand Neuen geangelt, und fragst mich noch um Erlaubnis, als hätte es etwas geändert.“ Er seufzt und massiert sich die Schläfen. „Das war doch nur ein Test, Sandro.“ Das hebt meine Laune überhaupt nicht. Im Gegenteil. „Ein Psycho-Test? Ein ziemlich dämlicher! Solltest gerade du besser wissen.“ „Okay…jetzt wären wir also wieder da. Dass du es mir nicht gönnst, wenn ich es weiter schaffe als du. Weil du nur eine Ausbildung gemacht hast… Du hast schon viel von deinem Vater, Sandro!“ Dieses Thema hatten wir mehr als einmal durchgekaut. Und immer hatte ich beteuert, dass ich seine Ambitionen gut fand. Wieso nahm er das nicht einfach mal so hin? „Ich habe nicht nur eine Ausbildung gemacht, sondern auch Weiterbildungen gemacht und Trainerlizenzen erworben. Nur eben keinen akademischen Titel erreicht. Es ist peinlich, dass du mich nicht besser kennst. Als wäre ich neidisch auf Akademiker!“ Ich sehe eine Bank und lasse mich dort erschöpft nieder. Die Erinnerung bricht aus mir hervor wie Geröll aus einem lange schlummernden Vulkan. Er setzt sich mit etwas mehr Abstand als in der Kirche neben mich. „Und…sag jetzt endlich, was du in deiner gelöschten Nachricht damals geschrieben hast, das lässt mir keine Ruhe! Wenn du es noch weißt. Ist dir da eine Beleidigung rausgerutscht?“ Ich wusste sofort, welche Nachricht er meinte und musste schmunzeln. „Beleidigt? Nein…“ Ich beginne damit, dass es mir so unendlich leid tut, welches Ende mein Besuch in Paris genommen hat. Dass ich etwas ganz anderes vorgehabt hatte. Endlich, endlich gestehe ich es ihm, worüber ich so lange eisern geschwiegen hatte – es war jetzt ohnehin egal, und Zeit, dass die Wahrheit heraus kam: „Zu deinem Geburtstag, bin ich nicht mit leeren Händen nach Paris gekommen, Dominique…“ Und ich gestehe ihm, was meine Absicht gewesen war. Er ist sprachlos, sein Mund steht offen, er schaut mich nur an wie ein Fisch, ihm fehlen die Worte, was nicht oft vorkommt. Jetzt ist es endlich heraus. Das Geheimnis, das ich vor ihm bewahrt hatte bis zum heutigen Tag. Die Frage, die ich ihm nie gestellt hatte. Auf dem Heimweg vom Irish Pub war ich spätabends an einem Juweliergeschäft vorbeigekommen. Adrials Worte hingen mir noch nach: Nach zwei Jahren habe ich ihr dann einen Antrag gemacht, auf ganz romantische Art, und sie hat Ja gesagt. Der zweitbeste Tag in unserer Beziehung. Nach nur zwei Jahren! Dominique und ich waren jetzt auch zwei Jahre und zwei Monate zusammen… Erst schaute ich nur flüchtig hin, dann noch einmal, und dann trat ich näher an das Schaufenster. Ich konnte meinen Blick nicht mehr vom Schaufenster lösen, am liebsten würde ich den Laden betreten, aber er war geschlossen bis Montagvormittag. Niemals hatte ich einen Juwelier mit Verlobungs- und Eheringen für gleichgeschlechtliche Paare werben sehen, das hatte was! Das war doch… ein Zeichen, oder nicht? Das wäre das Happy End, das unsere Lovestory so dringend brauchte. Das wäre das Zugeständnis, auf das er sich insgeheim von mir sehnte. Deutlicher könnte ich ihm meine Liebe nicht zeigen. Wenn ich sie ihm schon nicht in Worte fassen konnte…das hatte er immer kritisiert: Nie sagst du, dass du mich liebst! Dieser eine Ring mit den schwarzen und weißen Elementen übte eine Anziehungskraft auf mich aus. Ich stellte mir diesen Ring an seinem Finger vor. Wie er ihn stolz allen präsentieren würde. Das wäre kitschig, oder? Aber irgendwie auch romantisch. „Jetzt ergibt alles irgendwie Sinn!" Dominique schreit regelrecht. Wie hätt ich das ahnen sollen, verdammt? Du bist nicht mal der Typ für sowas… Du und Heiraten?! Du machst dich in Songs über dieses Lebensmodell lustig!" Ich lächele ertappt, das stimmt schon. „Hättest du meinen Antrag denn angenommen?“ Er atmet tief durch, scheint plötzlich in Gedanken weit weg zu sein, zeitlich und räumlich. Auf einem Boot auf der Seine. Mitten im Auslandssemester, dem ganzen Trubel, mit dem er sich herumschlug, und ich neben ihm, der seine Abendplanung durcheinander gebracht hatte. „Die Frage ist doch viel eher, warum du mich gar nicht erst gefragt hast, Sandro!" Die Frage auf die ich selbst keine Antwort finde, auch mit meinem Therapeuten nicht, den ich seit ein paar Wochen besuche. Warm und weich liegt sein Blick auf mir. Alles an ihm ist so warm, immerzu. Von ihm geht ein ganz bestimmtes Leuchten aus, wie Herbstsonne, wie die Hoffnung höchstpersönlich. „Ist es nicht, weil ich noch ein paar Jahre studieren muss?" Ich schüttele den Kopf. „Darf ich?" Er nimmt meine Hand, drückt sie fest, verschränkt die Finger ineinander. Ob für ihn auch jetzt gerade die Welt stehen bleibt, weil sich unsere Hände berühren? Ich habe ihn so brutal vermisst... Ich bemerke jetzt, es ist dieselbe Bank, auf der wir vor ein paar Jahren gesessen und ein ernstes Gespräch geführt haben. Doch heute ist kein kalter Wintertag, sondern lauer Frühling, der nach Leben und Liebe duftet, und ich habe schon fast vergessen, dass Vater jetzt auch unter der Erde liegt. Nur Hände halten. Mehr braucht es nicht in diesem Moment, und mein Herz ist plötzlich so leicht. Wie ich seinen Händedruck vermisst habe…seine Haut, seinen Duft, ich liebe ihn immer noch… Habe ihn immer geliebt. Sonst hätte ich doch niemals den Ring gekauft. „Geht es dir gut?“, fragt er nach einer ganzen Weile, in der wir uns nicht gerührt hatten, nur die Gegenwart des anderen genießen. Er ist wirklich etwas Besonderes für mich. „Ich muss dir noch was anderes sagen“, gestehe ich ihm, schaue ihn an. „Hm?“ Es ist an der Zeit, es ihm zu gestehen. Ihm von Adrials Rolle in meinem Leben zu erzählen. „Es gibt da jemanden in meinem Leben, schon länger“, hole ich aus. „Einen Mann Ende Dreißig. Mit dem ich mich sehr stark verbunden fühle. Nichts Sexuelles. Eine gar nicht so leicht zu beschreibende Beziehung. So ähnlich wie dein Frédéric. Auf jeden Fall ein sehr wichtiger Mensch für mich, der in einer taffen Zeit für mich da war.“ Dominiqies Blick spricht Bände. „Wir waren oft ein Bier zusammen trinken, aber in diesem Moment dürfte er auf dem Weg nach Kanada sein.“ Seine besorgte Miene war einem zufriedenen Lächeln gewichen. „Das ist doch wunderschön, Freundschaften sind so wichtig. Und irgendwie schade, dass du so vieles immer für dich behältst.“ „Ja… ich habe dir damals versprochen, über meine Gefühle zu reden. Leider konnte ich dieses Versprechen nicht immer halten.“ „Hmm. Es war einfach zu viel verlangt. Ich kannte dich noch nicht gut genug, um dir so etwas abzuverlangen“, sinniert er. Noch etwas muss ich loswerden: „Ich bin wirklich unglaublich stolz auf dich, dass du das Auslandssemester durchgezogen hast, trotz allem! Komm mit, ins Café zu meiner Familie! Und erzähle uns von Paris! Sonst wird das ja eine richtige Trauerveranstaltung heute.“ Doch er schüttelt den Kopf, lächelt entschuldigend. „Ich muss ablehnen. Aber ich treffe dich am Freitag Abend im Quake, ja?“ „Quake?" Dort alles begonnen hatte zwischen uns, als ich mit Gitarrhö aufgetreten war, mit einer blutigen Nase... Gute alte Zeiten. Ich halte Blickkontakt mit ihm, bewundere seine Disziplin und seine Ausdauer, und dass er es schon wieder schafft, mich so in seinen Bann zu ziehen. Ich werde ihm für alle Ewigkeiten verfallen sein, das weiß ich genau, und ganz egal wie es mit uns ausgeht – wenn er auf meiner Beerdigung erscheint, wenn eines Tages meine Urne auf diesem Friedhof hier beigesetzt würde, dann werde ich in Frieden ruhen können. „Gut. Dann bis bald im Quake! Ach und Sandro?“, fragt er im Gehen. „Darf ich den Ring trotzdem mal sehen?“ Ich ziehe eine Grimasse. „Vielleicht irgendwann mal...“ E N D E Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)