Ein sicherer Ort von _Momo-chan_ ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Der Himmel über Paris erschien in einem sanft verlaufenden Königsblau, da die Lichter der Stadt die Sterne fast unsichtbar machten. Daran würde er sich wohl nie ganz gewöhnen. Wenn er als Kind mit Vaters Truppe über das Land zog, konnte man in manchen Nächten sogar die Milchstraße sehen.   Die Vorhänge flatterten und erinnerten Vanitas daran, dass er das Fenster schließen wollte, ehe er noch einmal einen langen Blick über die Dächer der anliegenden Gebäude warf. Die Nächte wurden kälter. Mit einem leisen Klicken schloss sich der Rahmen des Fensters. Es wurde stiller im Raum und nur das leise Atmen von Noé war zu hören, der friedlich in seinem Bett schlief, das direkt neben dem Fenster stand.   Vanitas‘ Blick fiel auf den zweiten Grund neben der Kälte, wegen dem er beschlossen hatte öfter im Hotelzimmer zu schlafen. Noé rührte sich keinen Millimeter. Seine Miene war komplett entspannt.   Noch vor einer Woche hätte Vanitas es nicht ausgehalten mit jemand anderem im selben Zimmer zu schlafen. Allein die Präsenz einer anderen Person im Raum machte ihn nervös und führte dazu, dass er sich angreifbar fühlte. Wochenlang hatte er auf dem Dach übernachten und Graf Orlok für diese Unterbringung verflucht und jetzt… Was war anders geworden? Noé war ein Vampir, noch dazu ein Archiviste. Von ihm im Schlaf überrascht zu werden sollte Vanitas mehr Angst machen als von jeder anderen Kreatur auf diesem Planten und doch...  Fühlte er sich so ungewohnt ruhig in seiner Nähe. Fast schon sicher.   Der junge Doktor ging in die Hocke, um das Gesicht des Vampirs genauer zu betrachten, dessen weiße Wimpern sich wie Fächer über die dunkle karamellfarbene Haut legten und dessen Gesichtszüge keine Sorgen zu kennen schienen. Noé hatte in den Katakomben eine Seite an ihm kennengelernt, die Vanitas am liebsten für immer verborgen gehalten hätte. Er schämte sich nach wie vor dafür wie emotional schwach er sich in Moreaus Nähe verhalten hatte. Wie er plötzlich erstarrt und völlig handlungsunfähig war. Ohne Noé und die Hilfe dieses Rolands wäre er dort unten gestorben. Noé wusste jetzt ungefähr was Vanitas von Moreau angetan wurde, aber er hatte nichts dazu gesagt… Warum…?   Noé hatte ihn darauf hin weder mit Verachtung, noch mit Mitleid oder Wohlwollen gestraft. Er behandelte ihn genau wie vorher auch. Fühlte Vanitas sich deswegen so erleichtert? Oder war es, weil Noé ihn dazu ermutigt hatte weiter zu kämpfen? Weil er ihn vor Moreau beschützt hatte? Er wusste es nicht genau. Aber für den Moment war es in Ordnung sich in seiner Nähe auszuruhen.   Es war nicht so, als ob er Noé mochte oder so etwas. Sie waren keine Freunde, so viel stand fest. Aber vielleicht doch… So etwas wie gute Partner. Für jetzt… War es okay in seiner Nähe zu bleiben.     Obwohl er jetzt ganz friedlich schien, war Noé im Allgemeinen ein unruhiger Schläfer und lag am nächsten Morgen häufig halb auf dem Boden. Das Kissen, was er sonst an sich klammerte, lag bereits unten und er hatte sich auch schon halb aufgedeckt. Vanitas seufzte. Dieser naive Idiot von einem Vampir würde sich noch erkälten. Gut, dass er das Fenster geschlossen hatte. Vorsichtig, um ihn nicht zu wecken, streckte Vanitas die Hand nach Noés Decke aus. Er wollte ihn gerade damit zudecken, als er plötzlich einen heftigen Zug an seinem Arm spürte.   Ehe er sich versah lag er im Klammergriff von Noé, der ihn offensichtlich mit seinem Kissen verwechselte. Vanitas sah mit schockgeweiteten Augen zu dem Schlafenden auf, der nur etwas Unverständliches in Vanitas‘ Haarschopf murmelte und weiter schlief.   Dem jungen Arzt lief es eiskalt den Rücken herunter, während seine Wangen sich gleichzeitig von dieser peinlichen Situation röteten. Das war zu viel für ihn!   Vanitas fing an zu strampeln und sich zu winden. „Noé! Du Blödmann, lass mich sofort los!“, keifte er, wurde aber gnadenlos ignoriert.     Nach einigen Sekunden konnte er sich endlich aus den Armen des größeren Mannes befreien, bevor er fluchtartig im Sitzen rückwärts an die Wand rutschte und sich panisch atmend an die Brust fasste. Völlig fassungslos sah Vanitas Noé dabei zu wie dieser im Halbschlaf wieder irgendetwas murmelte, nur um sich zur anderen Wand zu drehen und unbekümmert weiter zu schlafen.     Vielleicht war er bei Noé doch nicht so sicher wie er dachte…     ~*☾*~     Das war die Nacht, an die Vanitas unweigerlich denken musste, als er ein paar Tage später am Vormittag von seinem Buch aufsah und den noch immer schlafenden Noé betrachtete. Wie konnte man nur so viel Zeit im Bett verbringen? Sollten Vampire Menschen diesbezüglich nicht überlegen sein und weniger Schlaf benötigen?   Es klopfte an der Tür.   Als Vanitas sie öffnete, sah er in das lächelnde Gesicht von Fräulein Amelia, die ihm eine Karte entgegen hielt. „Das hier wurde für sie abgegeben, Monsieur Vanitas.“, sagte sie während sie ihm die Karte reichte. „Ich bin froh Sie noch zu erwischen, da sie ja fast nie in ihrem Zimmer sind.“   „Ja, in letzter Zeit schlafe ich öfter hier…“, murmelte Vanitas die eigentlich unnötige Erklärung, während er den Umschlag öffnete. Wieso erzählte er ihr das? Er wurde in letzter Zeit wirklich weich anderen Leuten gegenüber. Überrascht sah er auf das Schreiben in seiner Hand. Es war unterzeichnet mit ‚Jeanne‘. Die Hexe des Höllenfeuers wollte sich mit ihm treffen? Wieso? War das eine Herausforderung? Nein. Sie wollte sich mitten am Tag in der Pariser Innenstadt treffen. Es musste einen anderen Grund dafür geben. Hatte sie irgendwelche Informationen für ihn und Noé? Oder machte ihr Blutdurst ihr wieder zu schaffen?   Er fühlte wie eine kindliche Neugier in ihm aufstieg. Er wollte Jeanne wiedersehen. Aber er sollte vorsichtig bleiben.   „Amelia, von wem genau stammt dieses Schreiben?“, fragte er daher prüfend.   „Tut mir leid, ich habe es eben selbst erst von einer Kollegin bekommen. Deswegen weiß ich nicht wer der Absender ist.“   Just in diesem Moment hörte Amelia ein Poltern und ihr fiel Noé auf, der schon wieder aus dem Bett gefallen war. „Monsieur Noe?!“, rief sie besorgt, während Vanitas nur mit einem trockenen „Oh, er ist schon wieder gefallen.“, antwortete.   Entsetzt sah sie zwischen den beiden Männern hin und her. „Was? Geht es ihm gut?!“ Vanitas musste schmunzeln, als er Amelias Reaktion sah und ihm wieder die Nacht einfiel, in der Noé ihn umklammert hatte. „Ja, komm ihm besser nicht zu nahe. Er wird dich als Kuschelkissen benutzen.“   Amelia lief bei dieser Vorstellung knallrot an. Es war offensichtlich, dass sie für Noé schwärmte.   Während Vanitas seinen Mantel nahm, um das Haus zu verlassen, wurde Noé langsam wach und sah ihn mit müden Augen an. „Hm? Vanitas? Gehst du irgendwo hin?“, murmelte der schlaftrunkene Vampir, der sich noch immer an sein Kissen klammerte. Vanitas grinste ihn an. „Das ist geheim.“   Noé, der noch immer völlig verschlafen war, konnte ihm nur einen verwirrten Blick zuwerfen, als Vanitas schließlich das Zimmer verließ und auch die besorgte Amelie dabei völlig ignorierte.     Ja, er kannte Noé inzwischen gut genug, um zu wissen, dass dieses Schlafverhalten normal war. Er machte sich keine Sorgen darum ihn dort liegen zu lassen. Irgendwie war schön jemanden so gut zu kennen, dass man ihn einschätzen konnte. Seine kleinen Macken zu kennen und trotzdem bleiben zu wollen. Dieses seltsam wohlige Gefühl von Sicherheit. Fast so schön und trotzdem so gegensätzlich wie das Gefühl von Aufregung, das er empfand als er Jeannes Brief ansah, während er sich auf den Weg ins Stadtzentrum machte.   Er schien eine Vorliebe für weißhaarige Vampire zu entwickeln. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)