Sherlock Holmes von Cyrene (das unheilvolle Familienerbstück) ================================================================================ Kapitel 42: "erzwungen" Zweisamkeit ----------------------------------- Sherlock und John saßen auf dem Rücksitz eines Wagen, der dem ähnlich war, mit dem sie, nach ihrer Rettung in die Baker Street zurück gebracht worden waren. Der Doktor war immer noch geschockt, hatte aber auch noch dieses kleine warme Gefühl im Bauch des Detektivs lieb gemeinter Geste wegen, welche er bemerkt hatte, als sie ihre Taschen geschnappt hatte und in den Wagen "geschmuggelt" worden waren. Da der Veteran ja vorher keine Ahnung gehabt hatte, wo es hinging, hatte er nur Kleidung und Drogerie Artikel eingepackt, aber beim Hochheben seiner Tasche gesehen, dass sein Meisterdetektiv einige seiner Lieblingsbücher und seinen Laptop mit dazu gelegt hatte. Diese, fast schon süße Handlung, hatte ihn zwar ein wenig beschwichtigt, aber er schaute immer noch ziemlich finster drein. Sherlock, der neben ihm saß klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter und meinte: "Jetzt schauen Sie doch nicht so betrübt, es ist doch gar nicht so schlimm, Lestrade hat bestimmt eine hübsche Unterkunft für uns eingerichtet, sehen Sie es einfach wie einen bezahlten Urlaub." Der Angesprochene konnte ihn allerdings darauf hin nur zweifelnd beäugen. Das sein Mitbewohner ihn in der Anwesenheit der Polizisten siezte kam ihm irgendwie komisch und falsch vor, da das Du ihm bei Sherlock aber so richtig vorkam, sich schon die ganzen vorherigen Male, in denen es versehentlich passiert war, eigentlich wirklich gut angefühlt hatte, fiel ihm der Wechsel jetzt umso deutlicher auf. Normalerweise war es fast ausschließlich er selbst gewesen, der sich danach in diese sprachliche Distanz zurück geflüchtet hatte, konnte sich aber schon denken, dass ihre neue Vertrautheit noch ihr kleines Geheimnis bleiben musste, empfand es in diesem Moment allerdings trotzdem als fast unangenehm, was seine jetzige Laune kein bisschen verbesserte. Nach dem kleinen Aufmunterungsversuch war es still im Auto, den alle Insassen konzentrierten sich entweder auf dessen Ziel oder hing seinen eigenen Gedanken nach. Sherlock war zwar mit der Ausführung seines Plans soweit mehr als zufrieden, fürchtete aber schon die schreckliche Langeweile, die in dem Safehouse auf ihn warten würde, nicht mal seine Violine hatte er mitnehmen dürfen. Bevor er jedoch in seinem Selbstmitleid versinken konnte, kam ihm eine fabelhafte Idee, wie er die Zeit mit John sinnvoll nutzen konnte. Er wollte testen, wie sich sein Verlangen nach dem Kleineren, welches für ihn auch jetzt noch deutlich spürbar war, obwohl sie beide erst jüngst ein sehr befriedigendes Erlebnis geteilt hatten und die dazugehörigen Gefühle in den Alltag mit John integrieren lassen könnten. Er wollte sich nicht von ihnen einschränken lassen, das war tatsächlich eine Art Angst von ihm, dass diese Dinge ihn behindern könnten, weshalb er ja auch sein bisheriges Leben komplett darauf verzichtet hatte. Aber nun musste er eine Lösung finden, wenn er John nicht verlieren wollte und das zumindest stand für ihn felsenfest, das er das auf gar keinen Fall wollte, würde vielmehr in dieser geschützten Umgebung versuchen mit dem Kleineren zusammen eine Balance für sein Verlangen, seinen Wunsch nach Nähe, nicht nur körperlich sondern auch geistig, wie er sich selbst unverblümt eingestand, zu finden und sehen in wie weit der Doktor bereit war, gemeinsam mit ihm so eine Balance zu finden, wollte in diesem Zuge auch versuchen, die Beziehung zwischen ihnen neu zu definieren, ein passenderes Wort dafür zu finden, denn sie waren auf jeden Fall nicht einfach nur Freunde und das Wort Kollegen fühlte sich auch falsch an. Sie beide würden sicherlich auch dafür eine Lösung finden, dessen war er sich nach ihrem intimen Erlebnis sicher, denn nun wusste er endgültig sicher, das John das offensichtlich auch wollte. John hingegen war weniger in Sorge um die gemeinsame Zeit mit Sherlock im Safehouse. Klar im ersten Moment war er das schon gewesen, sehr sogar, aber bei eingehender Betrachtung konnte er sich nicht vorstellen, dass sie wirklich viel anders sein würde als sein übliches Zusammenleben mit dem Consulting Detektiv. Der einzige Unterschied bestand darin, dass sie kein Internet/kein Telefon Netz hatten, nicht nach draußen gehen durften, aber ansonsten, sah er keinen, macht sich jetzt vielmehr Sorgen darum, wie es Sarah wohl gehen mochte, sie dachte ja jetzt, dass er und Sherlock tot seien, war bestimmt ganz aufgelöst. Auch wenn er nach der gemeinsamen Nacht mit ihr definitiv wusste, dass er nicht mit ihr zusammen sein wollte, was natürlich nicht an der jungen Frau lag, so mochte er sie doch immer noch sehr gerne als Freundin und hätte ihr den Schock dieser Scharade deshalb gerne erspart, vor allem deshalb, weil er ja überhaupt keine Möglichkeit hatte, seine Beziehung zu ihr noch klar zu stellen, bevor er offiziell "gestorben" war. Sherlock wirkte als ob er sich wegen seinem Bruder Mycroft überhaupt keinen Kopf machen würde, aber das war ja auch nicht weiter verwunderlich oder übertrieben kaltschnäuzig von ihm, denn auf Grund eines früheren Falls, bei dem Sherlock und Mycroft zusammen gearbeitet hatte, wusste John, dass Sherlocks Bruder bei der Regierung arbeitet, Sherlock hatte einmal scherzhaft gemeint sein Bruder "sei die Regierung" weil sein Posten ein zentraler Dreh- und Angelpunkt sei, also konnte Sherlock bedenkenlos davon ausgehen, dass dieser bereits sehr genau Bescheid wusste, wo er war, also lebend, versteht sich. So hingen die beiden Männer ihren jeweiligen, sehr unterschiedlichen Gedanken nach, während das Auto seinem Ziel langsam aber sicher näher kam. Es kam John vor wie eine ziemlich lange Fahrt, die allerdings, wie er dann mit einem Blick auf seine Armband Uhr feststellte, schon nach ca. einer Stunde doch schon wieder ein Ende hatte. Im Gegensatz zu John wusste Sherlock ganz genau wo sie sich befanden. Er hatte einen für viele Menschen schon fast erschreckend wirkenden Orientierungssinn. Es spielte aber tatsächlich im Moment keine Rolle wo sie sich befanden, weshalb er dieses Wissen für sich behielt. Ihre Handys hatten sie abgeben müssen, die sollten ja schließlich entweder in der Wohnung oder bei den "Leichen" gefunden werden, deshalb war der Doktor nun wirklich dankbar für eben jene altmodische Armbanduhr, nach der er beim Hinausgehen noch schnell gegriffen hatte. Es war halb acht. Die beiden Männer wurden gebeten sofort ins Haus zu gehen. Von außen sah das Gebäude aus wie ein altes verlassenes Lagerhaus, aber drinnen fanden sie eine kleine ordentliche Wohnung, in der zwar wenig aber für zwei Personen trotzdem ausreichend Platz vorhanden war. Es gab eine Schlafcouch mit Couchtisch und ein Doppelbett mit zwei Nachtischen, eine kleine, komplett eingerichtete Küchenzeile mit einem Esstisch und vier Stühle und ein Bad mit Dusche, Waschbecken und Toilette. An der Wand hing ein Fernseher und es stand ein kleiner Kühlschrank in der Ecke, ein Kleiderschrank an der anderen Wand, das wars. "Gemütlich" dachte Sherlock, "wenigstens zwei Schlafplätze" dachte John. Der Polizist brachte ihr spärliches Gepäck herein, fragte die Herren anschließend was sie gerne zu Abend essen würden. Den Room Service hatten sie gar nicht bedacht und so beschlossen sie zur Feier des Tages Chinesisch bestellen zu lassen. Das Essen kam auch recht schnell und wurde auf dem Tisch ausgebreitet. Jetzt erst bemerkten die beiden Mitbewohner, ja, ausnahmsweise auch Sherlock, wie hungrig sie tatsächlich waren, ließen sich das Essen schweigend schmecken. Der Kleinere von beiden war gerade innerlich wirklich froh darüber, das er heute ausnahmsweise mal nicht alleine essen musste, wie sonst so oft. Er glaubte zwar nicht, dass es üblich für Sherlock werden würde so regelmäßig zu essen wie er es gerne tun wollte, genoss es aber sichtlich, dass der größere heute ausnahmsweise auch Appetit zu haben schien. Sherlock hatte tatsächlich Hunger, auch sein hocheffizientes Gehirn, auch wenn er immer betonte, mit leerem Magen besser denken zu können, brauchte ab und an etwas mehr als nur Kaffee. Das Essen schmeckte wirklich gut. Der besagte Room Service, wie Sherlock ihn längst scherzhaft getauft hatte, um dem Ganzen etwas mehr Hotel Charakter zu verleihen, würde vor allem John Zugute kommen, der durch Sherlocks einnehmende Gewohnheiten sonst oft hungern musste. Der Detektiv machte sich mental eine Notiz zukünftig, so unauffällig wie möglich - nicht das sein Doktor noch auf die dumme Idee käme der gefürchtet Soziopath alias Sherlock Holmes würde auf seine alte Tage noch weich werden, Gott bewahre - mehr Rücksicht auf die Grundbedürfnisse des Älteren zu nehmen. John H. (er würde schon herausfinden was hinter dem H. steckte) Watson war ein bescheidener, einfacher Mann, dessen Bedürfnisse sich auf ausreichend Schlaf und genug zu Essen beschränkten und deshalb dürfte es Sherlock nicht allzu schwer fallen ein bisschen umsichtiger mit diesen zu sein. Auch das konnte er hier üben, bevor Sie beide nach Abschluss des Falls wieder in die Baker Street Nummer 221B zurück kehren würden. Kurz kam dem Lockenkopf nun tatsächlich der Gedanke, ob der blonde Mann nach der Zeit hier überhaupt noch mit ihm dahin zurück kehren wollen würde, aber sofort ohrfeigte er sich innerlich. Der Meisterdetektiv wusste schließlich um seinen Wert und seine Fähigkeiten, wo sie beide standen und das, wenn er es geschickt anstellen würde, es nur besser werden konnte und außerdem, was ihn am meisten beruhigte, weil er sich dessen insgeheim am sichersten sein konnte, war John Watson ein loyaler Soldat, der deshalb seinen Kollegen nicht im Stich lassen würde, egal was auch immer hier geschehen würde. Außerdem hätte er ihn mit seinem neuartigen Drang nach Nähe zu ihm, um es mal harmlos auszudrücken, längst dazu getrieben Hals über Kopf die Flucht zu ergreifen, wenn er diese Nähe nicht tief in seinem Inneren auch wollen würde. Sherlock hatte sich dessen Worte natürlich ganz genau gemerkt: "…Ich will ganz einfach nicht benutzt werden, nur ein kurzfristiges Spielzeug oder ein gescheitertes Experiment sein. … Vor allem nicht von... dir,… Sherlock.” Darin bestand demnach Johns ganze Angst und wenn Sherlock es die Zeit hier schaffte, ihm diese zu nehmen, dann hatte ihre zukünftige Beziehung, über deren Definition sich der Lockenkopf mit Sicherheit auch noch klar werden würde, eine gute Chance. In diesem Punkt war der Consulting Detektiv eben mehr als überzeugt von sich selbst. So sehr er, bevor er dem Veteran das erste Mal begegnet war, solche Dinge gemieden hatte, so sehr wollte er sich jetzt mit diesem darauf einlassen, das Gefühl das er mit dem ehemaligen Militär Arzt jetzt schon verband wachsen lassen, denn das fühlte sich richtig an. Ein Sherlock Holmes machte nie halbe Sachen. Er wollte sich dem Kleineren mit dem selben Eifer widmen wie sonst einem seiner Kriminalfälle, die ihn so fesselte, machte sich dazu bereits eine kleine Liste an Dingen, die er mit dem Kleineren machen wollte, orientierte sich dabei ganz lapidar an solchen, die seiner Meinung nach jedes normale Pärchen tat, denn das schien ihm, rational betrachtet, der beste Ausgangspunkt zu sein. “Wir sind zusammen und das nicht nur geschäftlich, deshalb möchten wir uns selbstverständlich auch mal außerhalb der Arbeit sehen und Zeit miteinander verbringen, das machen Pärchen so.” "Das können wir beide ebenfalls.” Kurz erinnerte sich Sherlock an dieses Gespräch vor der schlimmsten Nacht seines bisherigen Lebens (Dramaqueen halt ;-) und ein vorfreudiges Kribbeln erfasste dabei den Detektiv, freute sich schon auf all diese neuen und sicherlich hoch interessanten Erfahrungen. Showtime Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)