Curse Of The Moonlight von irish_shamrock (Wichtelgeschichte für Hopey [WW 2o23 | Eigene Serie | Werwölfe) ================================================================================ Kapitel 3: Lügen und andere Wahrheiten -------------------------------------- Kapitel 3 Lügen und andere Wahrheiten Nach Moms Abgang starrte ich zu Carmine auf. Ihn in unserer Küche zusehen, hatte etwas Unwirkliches an sich. Um das Eis des Schweigens und der schwelenden Wut zu brechen, bot ich ihm einen Kaffee an. »Ja, danke«, sagte er, zog einen der Barhocker vor und ließ sich darauf sinken. Erst da fiel mir ein, dass ich die Maschine reinigen wollte. »Gibst du dich auch mit Tee zufrieden?« »Koch ihm ruhig seinen Kaffee. Schwarz, richtig? Wie deine Seele.« Wiedererwartend stand Mom in der Tür. »Aber die Maschine«, hob ich an und bemerkte, nachdem ich das Gerät anschaltete, keine blinkenden Lämpchen mehr. »Ich hatte ein bisschen Zeit«, sagte Mom, betrat die Küche und ließ sich meinem Onkel gegenüber am Frühstückstresen nieder. Das Mahlen der Bohnen und das Brodeln des Kaffees, der sich in die bereitgestellten Tassen ergoss, war vorerst das Einzige, was zuhören war. »Ihr schuldet mir Antworten, immer noch«, sagte ich und schob Carmine und meiner Mutter die Kaffeebecher zu. »Setz dich«, sagte Carmine, doch ich verneinte dankend. »Ich stehe lieber«, fügte ich hinzu und sah, dass es nun an Mom und meinem Onkel war, einen Blick zu tauschen, dessen Bedeutung mir allerdings entging. Es schien, als wisse plötzlich keiner von ihnen mehr, wie man Worte formte. Eben noch hatten sie sich verbal die Köpfe eingeschlagen und nun verfielen beide in Schweigen. Carmine fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Scheiße, wo fange ich an?« »Wie wäre es mit am Anfang«, murrte ich und lehnte mich gegen den Spültisch. Mein Onkel zögerte, doch Mom tat, als sähe sie durch ihn hindurch. Als solle er die eingebrockte Suppe allein auslöffeln. »Kaeli, die Familie deines Dads, meine Familie, es gibt gewisse ... Angelegenheiten, Aufträge, die wir erfüllen müssen.« Ich blickte zu meiner Mutter. »Sind wir Yakuza? Oder gehören wir zur italienischen Mafia? Die irische Mafia? Carmine hat zu dem Fahrer etwas auf Irisch gesagt.« »Älter«, hob mein Onkel an. Ich schwieg. Eine lahmere Ausrede konnte er kaum finden. »Du hast vorhin von Fantasybüchern und Filmen gesprochen.« Da Carmine in seinen Ausführungen innehielt, schmälerte ich die Augen und verlangte, dass er fortfuhr. »Sagen wir es so: Nicht alles, was du aus Büchern und Filmen kennst, ist der Fantasie entsprungen.« Ich neigte den Kopf und verzog ungläubig das Gesicht. »Das ... bedeutet was genau?« »Wir haben Fähigkeiten. Es gibt andere, die besonders sind.« Carmine haderte mit sich. Ehrlich zu sein schien ihm schwerer zu fallen, als ich erwartet hatte. »Carmine!«, forderte meine Mutter energisch. »Sag es ihr, oder ich tue es.« Mein Onkel rang nach Luft. »Carmine, und auch dein Vater, gehören einem alten, sehr alten Geschlecht an.« »Sie sind reich, schon klar«, fiel ich in ihre Rede ein. »Sind sie Schotten? Aber Schotten sind, den Klischees nach, geizig.« »Kaeli!«, zischte meine Mutter und verdammte mich zum Schweigen. »Conrad und Carmine gehören zu einer Gruppe, Sorte von ... Menschen, die sich verwandeln.« Mir klappte der Mund auf. Ich glaubte, mich verhört zu haben, denn das Erste, an das ich dachte, war, dass mein Vater und Onkel als Travestie-Künstler in schummrigen Bars, fernab vom strengen Blick von Grandma Liz, ihre geheimen Wünsche ausgelebt hätten. »Oh Himmel, Mädchen! An was denkst du?«, verlangte Carmine zu wissen und warf die Hände in die Luft. Ich presste die Lippen zusammen und schüttelte den Kopf. »An ... nichts? Okay, seid ihr Künstler. Im Showbiz? Mit Verkleidung, Auftritten?« »Wir sind keine Clowns«, würgte mein Onkel hervor. »Oh, an Clowns dachte ich auch nicht«, gestand ich wahrheitsgemäß und versuchte mich an einem schwachen Lächeln. »Kaeli«, begann meine Mutter erneut. »Das, was dein Onkel über diese Fantasiewesen sagte ... das Meiste, dieser Geschichten ... ist wahr.« Ich schürzte die Lippen, wägte ab, ob ich den Worten meiner Mutter, die mich belogen hatte, denn das war und blieb eine Tatsache, auch wenn ich ihr die Lügen noch nicht vorwarf, denn das hob ich mir für einen späteren Zeitpunkt auf, trauen sollte. »Verarscht ihr mich?« Carmine taxierte mich mit ernstem Blick. »Conrad und ich ... wir gehören dem Geschlecht der Kveldulf an.« »Und das bedeutet?«, quengelte ich. »Hey, Leute, kommt schon!« »Kveldulf ist isländisch. Und es hat nicht mit irgendeiner Mafia zu tun«, sagte Carmine, ehe ich ihn unterbrechen würde. »Es bedeutet Abendwolf. Dein Vater, ich, unser Vater, und die Väter vor ihm ... wir verwandeln uns ... in Wölfe.« Langsam nickte ich seine Worte ab, leckte mir die spröden Lippen. »Okay. Bin ich auch einer?« Carmine schnaubte und schüttelte den Kopf. »Nein, Kay.« »Okay, habe ich sonst irgendetwas damit zu tun?«, verlangte ich zu wissen und spürte, dass ich so ruhig war, dass es mich selbst in Schrecken versetzte. »Seid ihr diese ominösen Gestaltwandler oder Werwölfe, oder -?« »Wir sind Wölfe. Wir verwandeln uns«, sagte Carmine. »Mit den Jahren erst lernen wir, es zu kontrollieren. Wenn der Betroffene -« »Betroffene?«, fuhr ich ihm halb lachend, halb verständnislos ins Wort. »Du gehörst nicht dazu, denn das Gen wird nur von Vater zu Sohn weitergegeben«, sagte meine Mutter und ich spürte den Stich ihres Verrats noch mehr. »Du hast das Mal«, sagte Carmine und lenkte mich kurzzeitig vom Vertrauensbruch meiner Mutter ab. Mom seufzte. »Bei deiner Geburt habe ich dafür gebetet, dass du verschont bleibst, Kaeli.« Ein spöttisches Lachen entfloh mir. »Klingt witzig, wenn eine Atheistin übers Beten spricht.« »Hüte deine Zunge, junges Fräulein!«, orderte meine Mutter. »Und wehe, du rollst mit den Augen!« Aus Vorsicht verkniff ich mir beide Aktionen. Aus Frust und Machtlosigkeit heraus, zuckte ich die Schultern und wartete darauf, dass einer von ihnen eine vernünftige Erklärung für mich übrig hätte. »Das Mal auf ... auf deiner Haut-«, begann Mom. »Du meinst den verschrumpelten Halbmond?«, fragte ich. »Dieses Zeichen, es ... Kaeli, ich wollte das nie. Ich habe mir für dich einen anderen Weg gewünscht. Einen Weg, fernab von all diesen Mythen, diesen ... Wesen«, fuhr sie fort und ignorierte den protestierenden Laut meines Onkels. »Du bist der Schlüssel«, sagte Carmine, als habe er die bittenden Worte meiner Mom nie gehört. »Okay? Ich bin ein ... Schlüssel«, wiederholte ich, auch auf die Gefahr hin, dass Carmine aus der Haut fuhr. Und nun, da ich glaubte, zu wissen, was er war, wäre dieser Umstand sicherlich erschreckend amüsant. »Nein«, stöhnte Carmine, »nicht ein Schlüssel. Der Schlüssel.« »Und ich ... spiele die Hauptrolle im nächsten Hollywood-Blockbuster? Diese Art von Schlüssel? Eine ... Schlüsselfigur?«, riet ich und ahnte, dass die Geduld meines Onkels langsam schwand. Carmine schüttelte den Kopf. »Ich geb’s auf!« Mom warf mir einen mahnenden Blick zu. »Tut mir leid«, nuschelte ich einsichtig. »Mädchen!«, donnerte mein Onkel und zeigte uns, wenn auch ungewollt, dass er wahrlich etwas Wölfisches in sich trug. »Das, was dich in der Gasse anfiel, war ein Wolf. Und er hätte dich gerissen, vernichtet, wenn wir nicht eingeschritten wären. Du bist der Schlüssel, um diese Kreaturen in Schach zu halten.« Erst schwieg ich, dann überdachte ich seine Worte. »Das heißt, dich auch?« Carmine wandte den Kopf. »Nein, nur die jungen, wilden Wölfe.« »Und wie ... stelle ich das an?«, fragte ich und hörte, dass meine Mutter aufschluchzte. »Mom?« »Es gibt einen Orden, der sich der Sicherheit der Menschen und unserem Schutz verschrieben hat. Wir sollten uns sputen!« Carmine erhob sich von dem Hocker. Mom wischte sich das nasse Gesicht. Noch immer liefen ihr Tränen über die blassen Wangen. »Kann Mom mich besuchen?«, fragte ich weitaus ehrfürchtiger und scheuer, als ich es von mir kannte. Mom und Carmine tauschten einen Blick. Auch ohne, dass sie es sagten, wusste ich, dass mir dieser Wunsch versagt blieb. »Klar, jeder Zeit.« Und damit belog mich Carmine schon wieder. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)