soulmates never die von abgemeldet (es ist schön <<< sagten die Frankfurter allgemein) ================================================================================ Kapitel 1: soulmates never die ------------------------------ Riley ließ seinen Blick über die weißen Wände schweifen, während er den endlos wirkenden Gang entlang schritt. Er kannte jeden Winkel, jede Ecke hier auswendig - er kam oft genug her, eigentlich jeden Tag. Immer um dieselbe Uhrzeit. Immer dieselben weißen Wände. Immer dasselbe hohle Echo seiner Schritte. Und immer wieder ein aufgezwungenes Lächeln, wenn er das Zimmer betrat. Draußen konnte man den blauen Himmel, die strahlende Sonne und die aufblühenden Knospen der Blumen sehen. Doch kaum übertrat Riley die Schwelle der Eingangstür, ließ er das alles hinter sich. Innen war alles kahl und dunkel - und es war kalt. Egal wann er hier war, ob ihm Frühling oder im Winter - es war immer kalt. Sobald sich die Türen wieder hinter im schlossen, fühlte er sich eingeengt und unwohl. Trotzdem hörte er nicht mit seinen Besuchen auf. Er wusste, wie viel sie Graham bedeuteten. Er war der einzige, der noch kam und er wollte Graham nicht enttäuschen. Auch wenn es Momente, Stunden gab, an denen er Riley nicht mal wahrnahm. Auch wenn diese Augenblicke in letzter Zeit immer häufiger wurden, wenn es schien, als würde Graham völlig in der Dunkelheit versinken - so wusste Riley doch, dass ihm die Freundschaft wichtig war, dass sie ihm Kraft gab. Und Graham hatte Kraft jetzt wirklich nötig - denn auch wenn es an manchen Tagen sinnlos, hoffnungslos schien, so hörte Graham doch nie auf, dagegen zu kämpfen. Riley sah sich um, wie er es immer tat - das Zimmer war eigentlich ganz normal, nur ein Bett stand darin. Weiße Wände, weißer Schrank, weiße Decken. Alles in weiß - die Farbe ließ alles noch kälter, noch bedrückender wirken. Vom Bett, das gegenüber der Fensterfront stand, kam keine Regung. Graham schlief. Er war nicht oft wach, seit... seit er hier war. Leise zog Riley sich einen Sessel zum Bett, nahm Grahams Hand in seine und begann sanft, die Fingerspitzen zu küssen. Dabei musste er schwer schlucken um die Tränen zu unterdrücken. Es war in Belize gewesen, als er sich eingestand, dass er mehr für Graham empfand als Freundschaft. Gemerkt hatte er es an diesem Abend, an dem Graham mit einer Einheimischen in der Bar flirtete. Und er dabei diesen seltsamen Stich im Herzen verspürte. Anfangs hatte er sich gegen das Gefühl gewehrt, hatte es auf seine Trennung von Buffy zurückgeführt. Doch es führte kein Weg an seinen Gefühlen für Graham vorbei. Und so sagte er es ihm - zwei Wochen später. Zwei Wochen zu spät. Graham war glücklich von Rileys Gefühlen zu erfahren, empfand er doch schon länger mehr für seinen Kollegen. Und trotzdem war es zu spät. Nur wussten sie das zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Eigentlich wussten sie es ein Jahr lang nicht. Alles lief gut und beide waren so glücklich wie schon lange nicht mehr. Sie überlebten Belize, nahmen bald die höheren Positionen der Initiative ein, lebten zusammen in einer kleinen Wohnung in Sunnydale - sie waren nach ihrem Einsatz dorthin zurückgekehrt. Alles war irgendwie normal. Bis Graham dann anfing, sich schwach zu fühlen. Bis er plötzlich schnell erschöpfte. Als er dann nachts von seltsamen Krämpfen geschüttelt wurde, zwang Riley ihn, zum Arzt zu gehen. Die Diagnose war erschütternd. HIV positiv. Das Einzige woran Graham in diesem Augenblick dachte, war Riley - er dachte daran, dass Riley immer darauf bestanden hatte, Kondome zu verwenden, obwohl sie sich gut kannten. Er dachte daran, dass dies wohl Rileys Leben gerettet hatte. Seines nicht. Tränen traten in seine Augen. Doch er schluckte sie hinunter. Er wollte stark sein. Stark vor dem Arzt, der ihm nun eröffnete, dass "es" bald ausbrechen würde und dass "es" nicht mehr lange dauern würde. Durch sein starkes Immunsystem wurden die Viren lange bekämpft, jetzt hatte sein Körper den Kampf beinahe aufgegeben und deshalb fühlte er erst jetzt Anzeichen von Schwäche. Der Arzt nannte ihm noch Namen von Medikamenten, die den Schmerz lindern sollten und Adressen von Kliniken, in denen er gut betreut werden würde, doch Graham war erstarrt, hörte zu, ohne die Worte zu verstehen, nahm die Sätze wahr, ohne einen Sinn dahinter zu sehen. Nur eins fiel ihm auf, der Arzt sprach "es" nie aus - verdammt, er hatte AIDS nicht, "es". Aber "es" klang harmloser. "Es" - die typische Schwulenkrankenheit, ein Klischee - denn er hatte sich bei einer Frau infiziert, da war er sich sicher. Der Arzt hatte ihm gesagt, dass es vor ungefähr einem Jahr passiert sein musste und Graham erinnerte sich sofort an den Abend mit Jolie in Belize zurück, an den Abend, an dem er zum ersten Mal bemerkt hatte, dass Riley ihn anders ansah. Vielleicht sollte er Riley auch sagen, dass er "es" hatte. Vielleicht würde das ein wenig vom Schock nehmen, ein wenig von der Verzweiflung. Aber die HI-Viren würden nicht weggehen, wenn er "es" ignorieren würde. Sie würden bleiben und seinen Körper Stück für Stück auffressen, zerstören. Wie in Trance verließ er die Ordination des Arztes, nachdem dieser ihm alles notwendige notiert und ihm viel Glück gewünscht hatte - Glück für was? Für ein langes Leben, das er nicht kennen lernen würde. Für einen friedvollen Tod, den er wegen der Schmerzen nicht haben würde. Für eine erfolgreiche Zukunft, die durch seine Krankheit zerstört werden würde? Glück war relativ. Vielleicht hieß Glück für ihn nun, den nächsten Tag zu überstehen. Vielleicht war es nun Glück, wenn sich nicht alle von ihm abwandten, wenn er sich noch auf manche verlassen konnte. Er wusste es nicht. Wie in Trance ging er die Stufen hinab, einen Fuß vor den anderen setzend, ohne überhaupt zu merken, dass er sich bewegte. Er setzte sich in sein Auto und fuhr nach Hause - so als wäre alles normal, aber das war es nicht - nicht mehr. Schon seit einem Jahr nicht mehr, aber erst jetzt hatten sie es bemerkt. Riley erinnerte sich noch daran, als sei es gestern gewesen. Erinnerte sich an seine Hoffnung, dass Graham nur Grippe hatte. Erinnerte sich daran, dass diese Hoffnung schwand, als er in Grahams leere Augen blickte. Und er erinnerte sich noch an die Verzweiflung, die seinen Körper überfiel - es dauerte einige Minuten, bis er begriff, dass Graham es ernst gemeint hatte, dass er sich nicht verhört hatte. Dann brach er beinahe schluchzend in den Armen von Graham zusammen - in den Armen seines Freundes, der eigentlich an seiner Stelle hätte sein sollen, der eigentlich weinen, zusammenbrechen sollte. Doch Graham schien stark und gefasst. Äußerlich. Innerlich zerbrach sein Leben, seine Zukunft, seine Vorstellungen an den Klippen der Angst. Es war, als wäre es gestern gewesen. Und doch war es nun schon fast sieben Monate her. Der Arzt hatte recht behalten - es sollte nicht lange dauern. Zwei Monate nach der Diagnose musste Graham in die Klinik. Eingesperrt in einem Raum, umgeben von Ärzten und Pflegern, die ihm doch nicht helfen konnten. Er lag fast nur mehr im Bett. Riley besuchte ihn jeden Tag. Und mit jedem Tag wuchs auch die Verzweiflung in ihm - und die Hilflosigkeit. Und das war er auch - hilflos - das wusste er. Gegen AIDS gab es noch kein Medikament, keine Heilung in Sicht. Jede Minute starb ein Mensch an AIDS - Graham würde bald einer von ihnen sein. So schwer es Riley auch fiel, daran zu denken. so sehr er Grahams Lage zu übersehen versuchte, so konnte er doch nicht ignorieren, dass sein Freund sterben würde. Vielleicht in ein paar Tagen, Wochen - vielleicht erst in einem Jahr. Und er wollte jede Minute nutzen, die ihm blieb. Oft gab es Momente, in denen Riley schwach wurde - in denen er sich die Schuld an allem gab - hätte er seine Gefühle nicht so lange unterdrückt, dann hätte er vielleicht früher den Mut gefunden mit Graham darüber zu reden. Früher - vor jenem Abend, an dem das Schicksal seinen Lauf genommen hatte. Riley versuchte, tief Luft zu holen, um den Schmerz vielleicht mit der verbrauchten Luft wieder auszuatmen. Es gelang ihm nicht. Der Schmerz war zu einem Teil seines Lebens geworden, genauso wie die täglichen Besuche im Krankenhaus. Ein leichtes Husten ließ Graham zusammenzucken und er blinzelte. Er lächelte, als er Riley an seinem Bett sitzen sah, freute sich darüber, seinen Freund zu sehen. "Hey", flüsterte Riley - er wusste, dass laute Geräusche Graham schmerzten, genauso wie zu helles Licht. "Sorry, ich wollte dich nicht wecken." "Du hast mich nicht geweckt" versicherte Graham ihm und nahm Rileys Hand fester in seine. Sie sahen sich nur an. Blicke, die Bände sprachen. Blicke voll Vertrauen, Liebe und Freundschaft. Sie sprachen nie viel. Was sollten sie sich schon erzählen? Sollte Graham vom täglichen Trott in der Klinik erzählen? Von den Untersuchungen, bei denen doch immer nur das Gleiche herauskam - ein Ergebnis, dass sie ohnehin schon wussten: Grahams Zustand verschlechterte sich von Tag zu Tag, sein Immunsystem wurde immer schwächer, die Viren zerstörten seinen Körper. Bald würde der Kampf vorbei sein - der Kampf gegen die Viren, der Kampf gegen den eigenen Körper. Und Riley - sollte er von den Nächten erzählen, in denen er wach lag und seinen Tränen freien Lauf ließ. Von den Stunden, in denen die Trauer ihn zu Boden drückte, in denen er alle Hoffnung verlor, in denen er keine Kraft mehr fand zu glauben und trotzdem auf den Knien lag, um zu beten. So saßen sie meist still da, hielten sich an den Händen, sahen sich in die Augen und warteten. Es war immer ein Warten, das ganze Leben. Ein Warten auf Verständnis, Glück und Liebe. Ein Warten auf Sinnhaftigkeit im Leben. Ein Warten auf den Tod, der letztendlich auch nicht vor den Stärksten Halt machte. Jeden Tag aufs neue litt Riley beim Anblick von Grahams einst so starkem Körper, der nun so schwach und abgemagert zwischen den Laken lag. Die ausdrucksstarken, klaren Augen waren nun fahl und dunkel. Grahams Verstand kämpfte noch gegen die Viren an, gegen die sein Körper den Kampf schon lange aufgegeben hatte. Doch Graham wollte den Krieg noch nicht beenden - er wollte leben. Graham und Riley fuhren gleichzeitig aus den Gedanken auf, als sich an der Tür etwas bewegte - sie hatten nicht mit Besuch gerechnet. Bis auf die Pfleger, die gelegentlich kamen und am späten Nachmittag das Ende der Besuchszeit bekannt gaben, waren sie meist alleine - alleine mit ihren Sorgen, mit ihren Gefühlen, mit der Krankheit. Mit Freunden oder Verwandten rechneten sie schon nicht mehr. Deshalb waren Riley und Graham auch erstaunt und verwirrt, als sie Chris im Türrahmen stehen sahen. Sie kannten ihn - natürlich, er hatte mal zu ihren besten Freunden gezählt, in Belize waren sie meist zusammen ausgegangen und auch danach hatten sie sich noch oft getroffen, obwohl Chris nicht mehr bei der Initiative geblieben war blieb - doch nachdem er von Grahams Schicksal erfahren hatte, meldete er sich nicht mehr - wie viele sich einfach nicht mehr meldeten und in gewisser Weise hofften, alles durch Ignorieren ungeschehen zu machen. "Wie geht's dir?" fragte Chris im Näherkommen und sein Blick schwankte zwischen Hoffnung und Langeweile - Hoffnung auf eine positive Antwort - Langeweile, weil es ihn nicht wirklich interessierte. Graham bemerkt diesen Blick natürlich, ein leichter Schauer fuhr durch seinen Körper - Menschen wie Chris ekelten ihn nun an, er konnte sich kaum mehr vorstellen, dass Chris einmal zu seinen besten Freunden gehört hatte. Nun hatte er ihn schon über ein halbes Jahr nicht mehr gesehen. Instinktiv griff er nach Rileys Hand bevor er antwortete. "Die Menschen fragen das nicht, weil sie wirklich wissen wollen, wie es mir... oder dir geht. Sie fragen es, weil sie als Antwort ein 'gut' erwarten, weil sie so das Gefühl haben, sich um jemanden zu sorgen, weil sie so das schlechte Gewissen verdrängen können. Aber schau mich einfach nur an und du wirst sehen, dass ich dir kein 'gut' als Antwort geben kann." Chris senkte beschämt den Blick, er murmelte noch ein "Es tut mir leid" bevor er das Zimmer verließ und aus dem Krankenhaus flüchtete. Er konnte nicht mit diesem Gefühl - dieser Hilflosigkeit - umgehen - wollte es auch gar nicht, wollte nicht damit konfrontiert werden. Graham wusste das und verzieh ihm innerlich - verzieh ihm die Schwäche und die Flucht. Es war auch nicht das erste Mal, dass er im Stich gelassen wurde. Er hatte gelernt, damit umzugehen. Als seine Familie sich abgewandt hatte, war es schwer gewesen - tagelang hatte er nur geweint und niemanden an sich rangelassen - niemand außer Riley. Als die Besuche seiner *besten* Freunde allmählich immer seltener wurden, war es nicht mehr ganz so schwer - schließlich hatte er Riley. Jetzt - Willow besuchte ihn ab und zu, gelegentlich erhielt er eine Karte von Xander - nur Riley war jeden Tag für ihn da und versuchte, ein wenig der großen Last von seinen Schultern zu nehmen. Er schaffte es auch meistens und entlockte Grahams blassem Gesicht ein kleines Lächeln. Er war wie der Farbklecks in seiner grauen Welt, und beim Gedanken daran musste Graham lächeln. "Könntest du vielleicht.. ich meine... wenn ich ein wenig zur Seite rücken würde, ginge es dann..." stotterte Graham. Er konnte es nicht sagen, konnte Riley nicht um seine Nähe bitten, er hatte Angst vor Ablehnung, obwohl er wusste, dass Riley der Letzte wäre, der ihm eine Bitte abschlagen würde. Trotzdem brachte er die Worte einfach nicht über seine Lippen. Doch Riley verstand ihn trotzdem. "Ja", antwortete er auf eine Frage, die nicht gestellt wurde und streifte lächelnd seine Schuhe ab. Auch Graham lächelte und Rileys Herz machte vor Freude einen kleinen Sprung - dieses Lächeln war es, das er seit langer Zeit auf Grahams Gesicht vermisst hatte, dieses Strahlen in seinen Augen. Langsam rutschte Graham zur Seite, um Riley Platz zu machen. Vorsichtig legte dieser sich neben seinen Freund, so, dass Grahams Kopf an seiner Schulter lehnte. Erst jetzt wurde ihm bewusst, wie sehr er es vermisste, neben jemandem einzuschlafen, am morgen nicht alleine aufzuwachen. Er genoss es, Graham einfach nur zu spüren. Sanft strich er über den dünnen Arm, vermied dabei behutsam die Einstichstellen der Infusionen. Die behutsame und zarte Bewegung wirkte beruhigend und Riley spürte, wie Graham sich langsam entspannte. Riley stützte seinen Kopf mit der anderen Hand auf und strich vorsichtig über Grahams Stirn. Das veranlasste Graham dazu, die Augen zu öffnen, er blickte zu Riley auf - blickte in die strahlenden Augen, die trotz des Lächelns traurig wirkten. "Es ist schön..." flüsterte Graham und ließ seinen Kopf wieder an Rileys Oberkörper sinken. Es strengte ihn sonst zu sehr an. "Hmm?" murmelte Riley fragend. Grahams Stimme hatte so ruhig und bedeutungslos geklungen. "Dich hier zu haben. Es gibt mir Kraft." Grahams Worte waren kaum hörbar, so sehr verbarg er sein Gesicht in Rileys Shirt. Er atmete tief ein, sog den Duft förmlich auf. "Das ist doch selbstverständlich." antworte Riley und wusste, dass es nicht so war. "Nein, ist es nicht. Alle haben mich nach und nach verlassen, als sie von meiner Infektion erfuhren. Übriggeblieben bist nur du. Riley, du bist alles, was ich noch habe. Jeden Morgen wache ich mit der Angst auf, dass du nicht kommen würdest, dass auch du dich von mir abwendest." "Schh." murmelte Riley "Schh." Er spürte Grahams Tränen an seiner Schulter, spürte den zitternden Körper in seinen Armen, spürte die Angst - und auch seine Wangen waren feucht. "Du weißt, dass das nie passieren wird. Ich werde immer für dich da sein. Du bedeutest mir so viel, Graham, ich würde dich nie alleine lassen." Rileys Stimme klang rau und brüchig - Verzweiflung und Trauer schwang in seinen Worten mit. Minutenlang lagen sie sich einfach stumm in den Armen - ließen ihren Tränen gemeinsam freien Lauf, versuchten, durch die gemeinsame Schwäche vielleicht so etwas wie Kraft zu finden - Kraft zum Weitermachen, zum Leben. Als es draußen anfing zu dämmern blickte Riley kurz auf seine Uhr und stellte seufzend fest, dass die Besuchszeit schon wieder zu Ende war. Er gab Graham, der ihn mit traurigen Augen anblickte noch einen Kuss auf die Stirn und stand dann auf. "Ich bin bereit" sagte Graham, ohne auf eine Frage eine Antwort zu geben - stellte seine Worte einfach in den Raum. "Bereit wofür?" fragte Riley verwirrt und stützte sich am Ende von Grahams Bett ab. "Für was auch immer kommen mag..." antwortete Graham ernst und in der Dunkelheit des Zimmers konnte man seinen blassen Körper zwischen den Laken kaum ausmachen. Riley stieß sich vom Bett ab und ging noch einmal zu Graham. Sanft küsste er ihn auf die Stirn, auf die Wangen, Lippen, strich dabei zärtlich die Haare zur Seite. Schließlich vernahm er ein Räuspern von der Tür - John, der Pfleger. Das Ende der Besuchszeit. Hier wurde das sehr ernst genommen - auch für schwerkranke Patienten - Menschen wie Graham - wurde da keine Ausnahme gemacht. Mit einem leisen "Ciao" verabschiedete Riley sich und ging zwei - drei Schritte in Richtung Tür. Doch dann hielt er noch mal inne, drehte sich um sah Riley fest in die Augen. "Ich liebe dich" Ruhig und gelassen klang seine Stimme, als er die Worte aussprach, die Graham soviel bedeuteten. Liebe war alles, woran sich der Ex-Soldat noch klammern konnte, worin er Sinn sah. "Ich dich auch" gab er zurück und auch wenn man es aufgrund der Nacht, die das Zimmer auffüllte, nicht sehen konnte, so wusste Riley doch, dass Graham lächelte... dass auch Tränen in seinen Augen standen, wusste er nicht. Mit einem letzten "Bis morgen" verließ Riley das Zimmer, machte sich auf den Heimweg. Graham war alleine. Mit sich und seinen Gedanken. Aber er war nicht einsam - er wusste, dass Riley immer für ihn da sein würde. Und er wusste, dass "es" bald soweit sein würde. Heute noch, morgen oder übermorgen - diese Woche noch. Die Ärzte hatten es ihm gestern Mittag gesagt. Er hatte nicht mit Riley darüber geredet, denn er wollte die letzten Stunden, die ihnen blieben, sorglos verbringen. Es war für ihn keine leichte Entscheidung gewesen, denn jetzt war er alleine mit seiner Angst vor dem Tod - aber noch immer bereute er es nicht, geschwiegen zu haben. Denn er wollte nicht die Trauer in Rileys Gesicht sehen, wenn er ihn besuchte. Und vor allem wollte er nicht noch mehr Tränen sehen. Die letzten Monate waren immer wieder voller Tränen gewesen. Er selbst hatte oft geweint. Er versuchte immer stark zu sein, versuchte sich die Schmerzen nicht anmerken zu lassen - vor allem um Rileys Willen. Er wollte nicht, dass Riley noch mehr litt. Doch die Schmerzen waren ständig da. Es war oft so als würde jeder einzelne Knochen brechen, jede einzelne Muskelfaser reißen - als würden die Viren an jeder Zelle seines Körpers nagen. Wenn Riley am Abend ging weinte er oft stundenlang - vor Schmerzen, die er während dem Besuch so sehr unterdrückte hatte und die dann viel stärker an ihm zerrten, als er dachte, dass er ertragen konnte. Und er weinte auch, weil er Schuld war - weil diese Schuld ihn langsam auffraß. Er war schuld daran, dass Riley so leiden musste - war schuld daran, dass ihre Beziehung nie so sein würde, wie sie es sich erträumt hatten. Er war schuld daran, dass er bald sterben würde. Aber auch wenn sie zusammen waren, befeuchteten oft Tränen ihre Wangen. Sie weinten, weil sie wussten, dass ihre Zeit begrenzt war, weil sie nie erfahren würden, was aus ihnen geworden wäre, weil Graham einfach gehen würde, weil Riley sich ein Leben ohne ihn nicht vorstellen konnte. Und Graham wusste auch, dass Riley weinte, wenn er alleine war - er sah es an den geröteten Augen, an dem verklärten Blick. Manchmal, nachts, wenn Krämpfe seinen Körper schüttelten, wünschte er sich einfach von den Schmerzen erlöst zu werden. Vielleicht würde es ja eine Art Himmel geben, in dem er und Riley sich wiedersehen konnten - irgendwann. Aber tagsüber, wenn Riley da war, dann war er dankbar für jeden Tag, den er noch erleben durfte, dankbar für jede Minute voll Liebe. Die Ärzte hatten ihm kein genaues Datum genannt - "Bald" hatten sie nur mit einem traurigen Blick auf die neusten Untersuchen festgestellt. Doch Graham wusste, dass es noch heute sein würde. Er spürte es schon die ganze Zeit, hatte sich aber nichts anmerken lassen. Hatte Riley tapfer zugelächelt und dabei auch ein wenig das Bewusstsein des nahen Todes vergessen. Aber er hatte immer gefühlt, dass sein Körper den Kampf gegen sich selbst nun endgültig aufgegeben hatte, dass er innerlich zerfiel. Mit einem letzten Gedanken an Riley schlief er ein. Vielleicht würde es ja einen Himmel geben... Riley hatte diese Nacht unruhig geschlafen. Stundenlang hatte er in die Dunkelheit gestarrt, bevor er überhaupt Schlaf gefunden hatte und dann war er ständig aufgewacht, unfähig wieder Ruhe zu finden. Schon früh am Morgen stand er auf und fuhr sofort in die Klinik, obwohl noch nicht Besuchszeit war und obwohl er wusste, dass sie es dort nicht gerne sahen, wenn man sich nicht an diese Regeln hielt. Er musste Graham einfach sehen. Es gab so viele Dinge, die er ihm noch sagen musste und diese Nacht war ihm endgültig klar geworden, dass es jeden Tag so weit sein konnte. Er hastete den Gang des Krankenhauses hinunter - den weißen, kahlen Gang - ohne zu wissen, warum er es so eilig hatte. Kurz vor Grahams Zimmer hielt er inne und holte tief Luft. Seine letzten Schritte waren ruhig und gelassen. Die Tür zu Grahams Zimmer stand offen. Er konnte sehen, dass die Vorhänge zurückgezogen waren. Konnte das Licht sehen, dass durch das Fenster drang und in ihm wurde es schwarz. Eine dunkle Vorahnung befiel ihn. Er spürte den Kloß in seinem Hals als er das Zimmer betrat und in der Tür stehen blieb. Grahams Pfleger war damit beschäftigt, das Bett abzuziehen - eine junge Frau wischte den Boden auf. Als John Riley erblickte kam er auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand "Es tut mir leid" murmelte er mit gesenkten Kopf. Er wusste, wie viel Graham Riley bedeutet hatte. Er konnte die Verzweiflung, die Trauer in Rileys Augen sehen und wusste auch, dass er ihm nicht helfen konnte, dass ihm niemand helfen konnte. Tränen traten in Rileys Augen, er schluckte, doch trotzdem fing alles um ihn an vor seinen Augen zu verschwimmen. Riley schlug die Hände vors Gesicht und taumelte ein paar Schritte zurück. Den Kopf schüttelnd murmelte er immer wieder die gleichen Worte "Gott... Nein..." Er fühlte, wie die Kälte in seinem Körper hoch kroch, wie die Verzweiflung ihn ausfüllte. An der kalten Wand ließ er sich zu Boden gleiten und ließ seinen Kopf auf seine Knie sinken. Die Arme schloss er um seine Beine, so, dass er nicht mehr "Mensch" war, sondern viel mehr ein Knäuel aus Fleisch... und aus einem Herzen, das in diesem Moment zerbrach. Sein Körper wurde von Schluchzen geschüttelt und seine Augen brannten. Nur ein Gedanke hämmerte immer wieder in seinem Kopf, dass er Graham nicht mehr sehen würde, dass er ihm noch so vieles hatte sagen wollen. Er hatte plötzlich das Gefühl, ihm nicht oft genug gesagt zu haben, wie viel er ihm bedeutete, wie sehr er ihn liebte. Er versuchte daran zu denken, dass Graham nun von seinen Schmerzen erlöst war, dass es ihm nun besser ging - wo auch immer er war. Aber er konnte nicht. Es war so schwer. Sobald er daran dachte, dass Graham fort war - für immer - schnürte etwas seine Kehle zusammen, nahm ihm die Luft zu atmen. Er konnte nicht aufhören zu weinen, obwohl sein ganzer Körper schon schwach war, obwohl er das Gefühl hatte, keine Tränen mehr zu haben, waren immer noch welche da, die seine Wangen erneut befeuchteten, die seinen Körper erneut zittern ließen. Er wusste nicht, wie lange er so da gesessen hatte und er nahm auch nichts um sich wahr. Er zuckte nur zusammen, als sich plötzlich eine Hand auf seine Schulter legte. Durch den Tränenschleier blickt er auf. Im Zimmer war es bereits dunkel. Nur ungefähr erkannte er eine Person, die vor ihm hockte. Trotzdem erkannte er, dass es Willow war. "Hey", flüsterte sie und nahm Riley einfach in ihre Arme. Sie wusste, dass er nun Trost brauchte. Nachdem er verloren hatte, was ihm wichtig war - nachdem ihn die Person verlassen hatte, die er liebte, war Freundschaft vielleicht das Einzige, was ihm geblieben war. Und Willow wollte für ihn da sein - seit es Graham schlechter ging, hatte Riley oft mit ihr über seine Gefühle geredet, ihr seine Ängste anvertraut. Anfangs hörte Willow einfach nur zu - weil sie wusste, wie schwer Rye es hier hatte. Hier, wo seine Familie tausend Kilometer entfernt war, wo er kaum richtige Freunde hatte. Denn der Rest der Initiative - das waren Kollegen, nicht mehr. Xander und Anya waren vor kurzem nach Paris gezogen um dort eine neue Kultur kennen zulernen und vielleicht auch um eine Familie zu gründen. Buffy - er und Buffy gingen sich aus dem Weg, was vielleicht besser so war. Buffy fühlte sich noch immer betrogen und hintergangen - Riley war sie schlicht und einfach gleichgültig geworden. Sie würden nach allem, was zwischen ihnen war, wohl nie "Freunde" sein können. So war Willow die einzige Person, der er vertraute - und sie wusste das. Mehr als alles andere wollte sie Riley in diesem Moment helfen - wollte ihm sagen, dass es okay war, dass es wieder gut werden würde - doch sie konnte es nicht. Sie konnte ihm nichts versprechen, von dem sie wusste, dass es falsch war, sie konnte ihn nicht anlügen. So hielt sie Riley einfach im Arm bis die Sonne endgültig am Horizont verschwand und er Mond strahlend am Himmel stand. Riley konnte nicht aufhören zu weinen. Graham Miller 1979 - 2001 Gekämpft. Gehofft. Verloren. Heute waren sie alle gekommen - die ganze Familie, all seine Freunde - um Abschied zu nehmen, und vielleicht versuchten sie auch mit der Rose das schlechte Gewissen ins Grab zu werfen. Mit leerem Blick starrte Riley auf den Stein hinter Grahams Grab. Willow stand an seiner Seite, stützte ihn. Es schien fast so, als wäre Riley in den wenigen Tagen um Jahre gealtert. Seine Haut war blass und fahl, seine Augen verschleiert und dunkel, er schien gebrochen. Doch seine Tränen waren versiegt, begraben, so wie Graham begraben wurde. Und auch Riley warf nicht nur die Rose ins Grab - er versuchte auch all die schlechten Erinnerungen, all das Leid loszuwerden. Er wusste, dass Graham immer in ihm weiterleben würde - dass Graham so immer bei ihm sein würde - etwas von seinen Wünschen, etwas von seinen Träumen und Hoffnungen, alles von seiner Liebe. Vielleicht würde es ja einen Himmel geben. -- The End -- Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)