Angelic Tears von Streety-Haru ================================================================================ Angelic Tears Vorwort: Wah! Das wird jetzt sicher der 3te Anlauf diese Story zu schreiben... die Ideen dazu kratzen schon an der Innenseite meiner Schädeldecke, weil sie endlich rauswollen. Und deshalb quäl ich euch hier damit. Wenn ich hier ein Kapitel veröffentliche, fühle ich mich verpflichtet mehr zu veröffentlichen. ;) Eigentlich wird das ja auch keine FF, was schon wieder Müll ist; aber könnt ich zeichnen hätte ich eh nen Manga draus gemacht... egal, irgendwie ist es Fanwork und ich hoffe die Story ist dadurch hier nicht ganz fehl am Platz. Was erwartet euch? Keine Ahnung. Was will ich unbedingt reinpacken??? Meine kranken Theorien, wo sich "das Paradies" befindet z. B. Das verfolgt mich schon fast seit dem Kindergarten... Shojo-Ai, Engel, Dämonen. Unbedingt! *kreisch* 1. Kapitel: X-S (access) Vici streckte sich gähnend auf der hölzernen Sitzfläche der Bank. Das fast blutrote Holz stand auf einem verschnörkelten Gestell aus schwerem Schmiedeeisen. Beim Gähnen wurden die sanften aber klaren Gesichtszüge verzerrt. Die vollen glänzenden Lippen vibrierten und zitterten als würden sie dadurch die Müdigkeit schneller abschütteln. Ein Schwung hellblondes durchgestuftes Haar fiel hinter ihrem Ohr hervor und streifte ihre Wangen als ihr Oberkörper leicht nach vorne ruckte, weil sie sich mit den Handflächen auf ihren Oberschenkeln abgestützt hatte und die Hände nun schwerfällig in Richtung ihrer Knie glitten. Vici ließ ihren Kopf nach hinten kippen und erblickte die orange luminierende Kuppel, die ihre Heimat überzog. Paradies, Himmel, Jenseits, Gottes Reich, Nirvana... egal was - sie lebte hier. Mehr oder weniger. Als Schutzengel verbrachte sie wohl sehr viel mehr Zeit auf der Erde als hier. Sie starrte in das warme Orange über ihr, überschlug die Beine und schlang ihre schlanken Finger um das Knie des auf dem linken liegenden rechten Beines. So sehr sie ihren Job auch liebte - diese Auszeit hatte sie bitter nötig gehabt! Zu gut, dass BlueWing sich bereit erklärt hatte sie während ihres Urlaubs zu vertreten. "Gott" konnte ziemlich bitchy sein, wenn es darum ging, einen Urlaubsantrag eines Schutzengels zu genehmigen. Kein Wunder, Schutzengel wuchsen schließlich nicht einfach aus dem Boden! "Argh! Kann ich nicht aufhören, an Arbeit zu denken?" Vicis Gedanke musste wohl irgendwie in ihre Stimmbänder übergegangen sein, was nicht beabsichtigt war und sie erschrak leicht ihre Stimme zu hören. Ihre Augen funkelten türkis, ganz blass, fast durchsichtig. In ihrer linken Iris war eine kleine goldgelbe Stelle - wie eine Sandbank. Sie blickte um sich. Vor ihr erstreckte sich ein Teich. Das Wasser schimmerte in Rottönen, da es das Orange der Kuppel von Eden dunkler reflektierte, als es war. Und weil der Grund des Teichs voll roter Kiesel war. Alles in allem strahlte das Wasser in sanftem Rot. Ein Rot, das die hauchdünnen blauen Seerosen, die auf ihren grünen Blätterbooten schwammen, perfekt umrahmte. Eine der Seerosen schüttelte sich und ratterte und kurz darauf stieg ein Elefantenkäfer empor, der golden glitzerte, weil ihn der Blütenstaub in dem er gewütet hatte nun umhüllte wie eine zweite Haut. Vici streckte eine Hand aus und der Käfer kam brummelnd geradewegs auf sie zu, setzte sich in die ihm dargebotene Handfläche und legte die schwingenförmigen schwarz-blauen Flügel an. Als das Tier mit zwei seiner sechs Insektenbeine ein Klöschen aus dem soeben gesammelten Nektar formte und dann mit seinem Rüsselchen daran nuckelte wie Säuglinge an Mutters Brust, konnte Vici erkennen, dass es ein weiblicher Elefantenkäfer war. Sie konnte das sternförmige Mal zwischen den violetten Facettenaugen des Tieres erkennen. Das metallic-pinke Sternchen hob sich frech von der tiefblauen Grundfärbung des Tiers ab. Wie die Augen eben auch. Das Insekt war stolze 27 cm lang und dennoch wog es nicht mehr als eine Libelle. Ein paar neugierige und wohl auch gelangweilte Engel hatten herausgefunden, dass die Elefantenkäfer ihre Flügel so schnell bewegen konnten, dass es aussah, als hielten sie vollkommen still; in Wahrheit aber schwebten sie durch diese ständigen Flügelschläge dauerhaft. Wie lange hatte sie keine Zeit mehr für solche alltäglichen Dinge gehabt, dass sie sich jetzt so geduldig damit befassen konnte? Vici fühlte die Grashalme unter ihren Fußsohlen. Genüsslich fuhr sie mit ihren Zehen durch die Grasspitzen. Hier hatte das Gras immer eine Färbung wie auf der Erde nur dann, wenn es noch ganz jung war. Der Elefantenkäfer war längst wieder auf und davon und Vici schlenderte los in Richtung eines Rosenpavillons. Vor lauter Vorfreude war Vici doppelt so schnell inmitten des Rosengewölbes wie sonst und wurde sofort von dem süßlichen Duft umspielt. Dies war ihre absolute Lieblingsstelle. Die Rosenranken formten mysteriöse Muster, weil sie verspielt ineinander geschlungen waren wie Liebende. Sah man lange an einen Punkt, wirkte es manchmal gar als würden die Ranken sich immer wieder aneinanderschmiegen, sanft streicheln und neckisch berühren. Für Vici war dieser Ort pure Geborgenheit. Hier, zwischen all den mäanderförmigen Rosenranken, verlor sie sogar das Bewusstsein alleine zu sein. Denn in diesem Garten durfte sich immer nur ein Geschöpf des Himmels aufhalten. Sie wusste nicht warum dem so war - nur, dass es blöd war, das wusste sie! Alleine der organisatorische Aufwand, den diese Regelung hervorbrachte. Sie hasste es immer wieder aufs neue Tausende Formulare auszufüllen, nur um ihre wenigen freien Stunden hier verbringen zu dürfen. Vici versuchte sich von ihren Gedanken abzulenken und betastete mit ihren Blicken regelrecht die sie umgebenden Blüten. Jede schien ihre ganz eigene Blütenfärbung zu haben und doch waren sie alle Teil einer unheimlich alten Pflanze. Vicis Blick fiel durch eine größere Öffnung zwischen dem relativ eng verwobenen Wirrwar der Pflanze, die aufgrund mangelnder natürlicher Feinde keine Dornen gebildet hatte, und ihre Augen erstarrten fasst. Was sie sah war schier unmöglich! Schon alleine, weil sie hier war, konnte es einfach nicht sein. Unter allen anderen Umständen hätte sie sich über diese Situation gefreut, denn dass sie hier nicht alleine war, hätte bewiesen, dass die ganze Organisation, die von Nöten war, um sicherzustellen, dass nur eine/r sich hier befindet, nicht vollkommen war - aber DAS?! "Ich bin übermüdet!", flüsterte sie mit gedämpfter Stimme. Doch als hätte sie gebrüllt, schnellte der Kopf des Wesens in ihre Richtung und sein Blick fixierte sie. Es sah irgendwie... gruselig aus. Und noch während Vicis Synapsen in Bruchteilen von Sekunden zusammenfügten, was ihre Augen sahen, merkte sie warum: das Wesen schwankte bedrohlich hin und her, da es in der Hocke saß, sein Oberkörper war leicht über den Boden gebeugt und in der Hand hielt es eine Liberia-Fee, aus der dunkelgrünes Blut quoll. Vici hörte einen unheimlich hohen Schreckenslaut und als er in ihrer Kehle erstickte, merkte sie, dass sie selbst ihn von sich gegeben hatte. Sie wollte rennen, als das Wesen - die blutende Fee in den aschfahlen Händen - auf sie zu kam. Vicis Flügel schnellten waagrecht von ihrem Körper und ihre Federn stellten sich auf wie das Fell einer fauchenden Katze. Das Wesen berührte ihre Schulter und heißer Schmerz durchfuhr sie. Cr-ICE in the D'ARC ------------------- Kapitel 2: Cr-ICE in the D'ARC Der heiße Schmerz umhüllte sie plötzlich wie eine Wolldecke. Vici blickte in die Hand des Wesens, das die Fee sanft an seine Brust gedrückt hielt. Das Wesen war ein Dämon. Ein Dämon in Eden! Doch gleichzeitig mit dieser Erkenntnis überkam Vici eine weitere und aus schwarz wurde weiß. Die aschfahle Haut des Dämons war plötzlich nicht mehr als vornehme Blässe. Der Dämon war eine Dämonin und sie wärmte die verletzte Liberia-Fee an ihrer Brust. Die Wunde der Fee war bereits verkrustet und das grüne Blut in der Dämonenhand, das noch flüssig war, verriet Vici, dass die Dämonin die Fee wohl gerade erst geheilt haben musste. Die Liberia-Fee hatte einen zufriedenen Gesichtsausdruck und strahlend verkündete sie Vici: "Sie ist, was du denkst, aber nicht, wie du denkst." Ein Satz, den Vici irgendwie erst verdauen musste. Das Äußere ihres Gegenübers wurde schlagartig von jeglichen Vorurteilen frei. Wie sie vorhin so komisch am Boden gehockt hatte, hatte sie wirklich verkrüppelt ausgesehen, aber nun... Diese sanften rehbraunen Augen, das kindliche Gesicht, der zierliche und kleine Körper - die Haut in einem Braunton, der an kuschelige Haustiere erinnerte - wie konnte sie diese haut nur für aschfahl und dann blass halten?! Stimmte denn keine von Vicis Vorstellungen, wie Dämonen aussahen? War sie so von Vorurteilen geblendet? Oder war ihr Gegenüber etwas völlig anderes? Nie dagewesenes? Ein Chamälion? "Ich habe Urlaub und kriege den Schreck meines Lebens," dachte Vici und diesmal mischten sich ihre Stimmbänder nicht ein. Es hatte ihr ohnehin die Sprache verschlagen. Ihr fiel nur noch eins ein: Denken kann man, was man will, denn das denken ist ja still. Ohne Überraschung über Vicis abweisende Reaktion, über ihren geschockten Blick, ihre abgeschreckte Haltung, wandte sich die Dämonin mit einem warmherzigen Lächeln von Vici ab. Vicis Kehle schnürte sich zu. "Nein, nein!", dachte sie. "Ich will das nicht sagen. Nein!" Doch ihre Lippen öffneten sich schon, schimmerndes Rosa stieß sich von schimmerndem Rosa ab, ihre Zunge stieß gegen ihren Gaumen, in ihrem Kehlkopf bebten die Stimmbänder. "Geh nicht." Täuschte sich Vici, oder klang ihre eigene Stimme gerade wie ein Wehklagen? "Geh nicht" hallte es in ihrem Kopf nach. Die Dämonin blieb stehen, drehte sich aber nicht um. Sie schnalzte mit der Zunge. Es klang verächtlich. "Geflügelte," begann sie und es klang noch verächtlicher, "dich interessiert doch nur eines." Hatte Vici sich in den warmen Augen getäuscht? "Dich interessiert nur, wie es möglich ist, dass wir beide hier sind. Da ich es selbst nicht weiß, kann ich dir auch nicht weiterhelfen." Sie begann einen Fuß vor den anderen zu setzen und bewegte sich schon fast wieder von Vici weg, doch... "Warte," hörte Vici sich selbst sagen. Argh! Es war wie ein Fluch, immer wenn die Dämonin Anstalten machte zu gehen, hatte Vici das Verlangen sie aufzuhalten. "Ich habe Tausende von Fragen an dich, aber im Moment würde es mir reichen, nur noch einmal in deine Augen zu blicken." Ach, du Schreck! Hatte sie das wirklich gerade gesagt? "Das geht nicht," hörte Vici. Und sie wusste nicht, ob ihre Augen plötzlich feucht wurden, weil der Klang dieser Stimme einfach herzerweichend war, oder weil die Feen-Retterin endgültig hinfort ging, oder weil ihr bewusst wurde, dass ihre genehmigte Aufenthaltszeit in diesem Moment ablief und sie schon begann kristallklar zu werden, um sich aufzulösen und vor den schwer bewachten Toren Edens wieder zu materialisieren. Bollzahn war ein stolzer und groß gewachsener Dämon. Trotz seines Namens war er dem Äußeren nach einfach nur fleischgewordene Schönheit und Zier. Seinen Namen hatte er dennoch nicht zu Unrecht, denn ihn brachte so schnell nichts aus der Fassung. Seine Aufgabe war ihm ja schließlich auch nicht ohne Grund zu Teil geworden. Er war einer der einzigen zwei Dämonen, die einen Fuß auf Engelsland setzen durften. Gewisse geographische Verhältnisse und ein Friedensbeweis von Gott an Luzifer und umgekehrt (die Sanktus-Vereinbarung aus dem 57. Jahr nach dem fall Lufzifers) ermöglichten dies. Im Inneren der Erde befand sich eine völlig andere Dimension. Eine mitten im Planeten schwebende Platte, die in zwei halbkreisförmige Länder geteilt war. Himmel und Hölle waren Nachbarn und dazwischen lag Eden. Ein Trennstreifen, eine Grenze, neutrales Gebiet. So hatten Luzifer und Gott es gewollt und da Dämonen und Engel natürliche Scheu voreinander empfanden, hatten die beiden sich zur Friedenssicherung überlegt, den Eingang Edens auf Seiten des Himmelreichs von zwei Dämonen bewachen zu lassen und den gegenüberliegenden Eingang - den Zugang vom Höllenreich nach Eden - von zwei Engeln. Vier Wächter. Sorgfältig ausgewählt. Und Bollzahn war einer von ihnen. Und in eben diesem Moment musste er feststellen, dass seine Zartheit sich nicht ausschließlich auf sein Äußeres beschränkte. Der Anblick der Engelsdame, die sich gerade vor ihm materialisiert hatte, berührte ihn zutiefst. Als sie vor einigen Stunden an seinem Posten mit einem Passierchip vorbeigegangen war, schien sie zu schweben und jetzt? Ihre blasse Haut strahlte nicht mehr sanft - sie war aschfahl. Ihr fast weißblondes Haar hing silbergrau um ihr Gesicht. Ihre blasstürkisen Augen wahren trübgrau. Bollzahn hörte auf ihre Aura anzublicken und sah sie wieder wie durch menschliche Augen - völlig unverändert. Doch als er seinen Seelenblick abgewandt hatte, hatten ihm die gewohnenen Eindrücke trotzdem noch einen Druck auf der Brust und in der Brust verpasst wie noch nie zuvor. "Meine Güte...," entfuhr es ihm entsetzt, "Vici, was ist passiert?" Vici, die Bollzahn gut kannte (sie erhaschte jede Gelegenheit ihren geliebten Rosenpavillon in Eden aufzusuchen), bemerkte ihn gar nicht mehr. Sonst war sie immer zu Scherzen aufgelegt. Jetzt nicht mehr. In ihr tobte ein absolutes Gefühlschaos. Wie in Trance durchschritt ihr Astralkörper die Schichten bis zur Erdoberfläche. Sie brauchte Ablenkung. Arbeit. Sie musste BlueWing ohnehin ablösen. *plock* Eine vor ihrem Gesicht hin und her gewedelte Hand schälte sie langsam aus ihren Gedanken. "Hallo? BlueWing an Urlauberin. Hast du deinen Körper oder irgendwas anderes unwichtiges im Hotel liegen gelassen?" "Sehr witzig," murmelte Vici ihrem Kollegen lediglich entgegen. "Wenn das so ist geh ich mal in den nächsten Supermarkt und kaufe eine Packung Lachgummis." Vici reagierte nicht darauf. BlueWing fuhr sich fast schon frustriert durch seine blauen Stachelhaare, denen er einen Teil seines Namens verdankte. Er wollte gerade vorsichtig seine Stimme zu einem "Hör mal, was hältst du davon, wenn ich noch ne Schicht zusammen mit dir abhocke, du siehst nicht gut aus" anheben, aber er entschloss sich dazu Vici lieber heimlich zu beobachten. Was war nur los mit ihr? So kam doch niemand aus dem Urlaub zurück! Wenn Gott das herausfand, in welcher Verfassung Vici ihren Posten eingenommen hatte, würden Nagellackfläschchen an Wänden zerschellen und Stilettos in hohem Bogen durch Säle geschleudert. Kein Wunder, dass manche Menschen Gott für eine Energie hielten - Gott besaß defenitiv genug Energie um selbst Energie zu sein! Vici kämpfte mit ihren Gedanken. Sie versuchte ihre Befürchtung hinweg zu spülen, aber es ging nicht. Allein ihr Versuch dagegen anzukämpfen bewies, dass es keine Befürchtung mehr war, sondern Wahrheit. Die erste Dämonin, der sie in ihrem Dasein Auge in Auge gegenübergestanden hatte, hatte ihr gesamtes Weltbild und sie selbst vollkommen auf den Kopf gestellt. Zum ersten Mal wollte Vici schreien! Einfach nur schreien... D-Fense'n'D-Struction --------------------- "Schutzengel... was bedrückt dich?", fragte Ichiro - Vicis Schützling. "Hm, nicht die übliche Frage, wie ich existieren kann, wenn meine Stimme immer nur in deinem Kopf wi(e)derhallt?" "Das ist jetzt egal, aber irgendwie geht es dir wohl schlecht." Vici seufzte. "Weißt du, wenn ich es könnte, dann würde ich dir jetzt durch dein Haar wuscheln und dich anlächeln." "Dann bin ich froh, dass du das nicht kannst - ich bin fast 18, das wäre mir total peinlich!" "Schön, aber egal wie alt du bist, langsam solltest du echt mal einschlafen! Oder soll ich peinlich werden und dir eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen?" "Nee, danke. Ich verzichte." Ichiro schloss die Augen und fiel allmählich in den Schlaf. Damit begann einer der anstrengensten Abschnitte von Vicis Schutzengelschicht. Alpträume abwehren war nicht gerade ihre Lieblingsaufgabe. Die Alpträume, die sich durch Bannschilde fernhalten ließen waren ihr noch die Liebsten. Kein Wunder bei der Alternative: manche Alpträume beinhalteten derart hartgesottene Monster und Schreckensbilder, dass Vici schonmal in die Träume eindringen musste, um sie von Innen heraus zu zerstören. Bei ihrer heutigen Verfassung konnte sie einen derartigen Kampf weniger brauchen! Die Dimension in der Engel sahen war für Menschen nicht zu sehen, somit mussten Engel sich vor den Menschen nicht unsichtbar machen oder verstecken - für Dämonen sah es da ganz anders aus. Ihre Dimension war an manchen Stellen brüchig und rissig, so dass sie stellenweise für das menschliche Auge sichtbar wurden. Dies kostete eine Menge Anstrengungen seitens des Dunklen Reiches um sein Vorhandensein zu vertuschen. Und manchmal kostete es einen Dämonen auch das Leben... BlueWing hatte sich in einer Ecke von Ichiros Zimmer postiert, in der ihn Vici mit etwas Glück nicht bemerken würde. Erleichtert beobachtete er, dass Vici die giftgrünen Energieadern der Alpträume spürte und sah, die sich um Ichiros Körper schnürten. Gut, Giftgrün bedeutete immer, dass diese Träume durch ein Bannschild verdrängt und verjagt werden konnten. Vici konzentrierte sich und schloss ein Energieschild um Ichiro, das die darin befindlichen Alptraumenergien auflöste und keine weiteren an ihn heranließ. Sie bemerkte nicht, dass an einer Stelle eine kleine Lücke verblieben war. BlueWing entdeckte die Lücke noch bevor eine giftgrüne Ader hindurchkriechen konnte und versiegelte mit einem gekonnten Zauber die Lücke. Vici bemerkte nichts von dem Durchgang und auch nichts von BlueWings Eingreifen - das war sehr untypisch für sie und er beschloss weiter auf seinem Platz zu bleiben. Vici atmete tief durch - jetzt musste sie nur noch hoffen, dass kein üblerer Alptraum kam und ihre Nacht würde ruhig bleiben. Zu ihrem Leidwesen hatten Alpträume die schlechte Angewohnheit im ungünstigsten Augenblick aufzutauchen. Und so schlich sich bald darauf eine sehr dicke verzweigung aus roten Alptraumenergieadern an Vicis Schutzschild heran. Der ungebetene Gast kam also doch zu Besuch! Vici bereitete sich auf einen Sprung in den entstehenden Alptraum vor, denn sie wusste genau, dass rote Energien nicht aufgehalten werden konnten - darum hasste sie sie ja so sehr. Sie hasste es auch, nie zu wissen, wohin einen ein Sprung in einen Alptraum führte. Zu ihrer Überraschung landete sie direkt in einem riesigen Metallkäfig. "Das fängt ja sehr gut an," knurrte sie. Zur selben Zeit schlich sich anderenorts ein kleines Dämonenmädchen in eine Schlachterei. Die älteren Dämonen hatten ihr alle verboten das zu tun. Aber genau das machte den Reiz an dieser Aktion aus. Sie hatte alles mit ihren Freunden abgesprochen - heute Abend würden sie sich nichts an einer von Luzifers offiziellen Futterausgaben holen! Außerdem musste doch einmal jemand herausfinden, ob die Alten Recht hatten mit ihrer Behauptung, dass es dort kein anderes Fleisch gab als an den Futterausgaben. Manche behaupteten sogar, Dass es schlechter sei. Vici drehte sich um ihre eigene achse und blickte einem ziemlich übel aussehenden fleischklops in schlierige gelbe augen. "Örks," machte die fleischmasse. Vici verzog den mund und ihre Augenbrauen zuckten leicht nervös. "Was auch immer du damit sagen willst schleimi, ich versteh dich nicht." Vici bekam keine Antwort auf ihre versteckte Frage, doch aus dem ding kamen ekelhafte knack- und schmatzgeräusche. Anfangs hatte Vici schon Angst es sich nur einzubilden, aber dann merkte sie es ganz deutlich: es wurde grösser, langsam, aber stetig. Ihr wurde klar, was es vorhatte, oder zumindest, was passieren würde, wenn ihr nichts einfiel: sie würde zerquetscht werden. Hatte Ichiro etwa Platzangst? War das sein schlimmster Alptraum? Verfluchenswerte Fantasie... Cyrce, das neugierige und mutige Dämonenmädchen, schlich sich zum ersten Mal in eine Fleischerei. Ihre Dämonenaugen mit den geschlitzten Pupillen brauchten sich nicht erst an die Dunkelheit gewöhnen. Ihr Blick tastete den Raum ab; die leeren, vom Blut gesäuberten Fleischerhaken an der Decke, riesige Mischer zur Wurstherstellung und schließlich ihr eigentliches Ziel: das zur Verarbeitung am nächsten Morgen bereits aus der Kühlkammer geholte Mastkalb. Neugier durchflutete sie - vergleichbar mit einem Adrenalinstoß beim Menschen. Zugegeben, jetzt, nach einigen Minuten hier drinnen musste sie den Alten recht geben: es roch nicht sehr gut. "Fantasie...", hallte es in Vicis Kopf wider. Das war der Schlüssel: sie konnte sich alles vorstellen, was sie für nötig hielt, um diesen Alptraum zu vernichten. Sie war schließlich in einem Traum - einfach zu manipulieren. "O.K. Dicker, schon mal was von Schwertklinge gehört?" Zugegeben, Vicis Kommunikationsversuche waren nicht gerade galant, aber was auch wichtiger war, war das plötzlich in ihrer Hand liegende Schwert. Entgegen der Realität war es federleicht und sie spürte fast nichts, als sie es dem näherkommenden Schwabbel-Monster entgegenschleuderte. Durch die geringe Entfernung hatte die Waffe nur die Gelegenheit für zwei volle Umdrehungen, bevor sie sich idealerweise mit der Spitze voran Tief in die Wulstige Haut des Alptraummonsters bohrte. Vici grinste siegessicher, als das Wachstum ihres Opponenten wirklich schlagartig endete. Cyrce schlich sich, ein altes Kinderlied trällernd, an das tote, langsam auftauende Tier. Ungeduldig betastete sie den eisigen Leib um eine bereits halbwegs weiche Stelle zu finden. Nach mehreren vergeblichen Bissen gelang es ihr ein Stück Fleisch aus einem Hinterbein zu reißen und mit diesem Beweisstück für ihre Freunde wandte sie sich dem Fenster zu, das ihr zuvor als Eingang gedient hatte. Den Fetzen Fleisch im Mund sprang sie grazil und pfeilgerade hoch, klammerte sich mit den kurzen scharfen Krallen an das Fensterbrett und zog sich nach oben. Als sie den kleinen Körper durch das Fenster gezwengt hatte und im Freien war, stand nicht mehr die Gruppe Dämonenkinder vor dem Fenster, sondern staubige Stiefel stapften auf sie zu. In den Stiefel steckte eine pompöse Menschengestalt mit wüstem Äußeren und einer weißen blutbefleckten Plastikschürtze. Ein großer Stiefel prallte in Cyrces überraschtes Gesicht, und ein verzweifelter Angstschrei entglitt der Kinderkehle. "Ich weiß, was du isst, ich weiß, was du frisst. TIER!", brüllte die Gestalt und als Cyrce einen Prügel auf sich zukommen sah, heulte sie ängstlich auf: "Nein!" "Dimensionsriss, Dimensionsriss," dachte sie panisch. Hellhealer krachte mit brennender Brust vom Stuhl und das widerhallende "Nein" zerbarst fast ihren Kopf. Was sollte sie tun? Ihr Dasein als eine Art Dämonenärztin hatte durchaus Nachteile. In diesem Moment schoß um die Schwertklinge herum eine braune Körperflüssigkeit aus dem Wesen und ein ganzer Schwall spritze auf Vicis Arm und sie dachte, er wird abgerissen. Die braune Säure brannte sich tief in ihre weiße Haut und das darunterliegende weiße Fleisch. In ihrem Schmerzensschrei glaubte Vici eine fremde Stimme "nein" schreien zu hören und sie wurde aus dem Traum gerissen. Vor Ichiros Bett stand Vici BlueWing gegenüber, der vorwurfsvoll vor sich hin starrte und dann in das Alptraumnetz hechtete, um für Vici einzuspringen. Vici hörte schon wieder dieses "nein" und ihr war, als würde sie dieser Schrei anziehen. Sie konzentrierte sich darauf, erst nur, um von dem unendlichen Schmerz an ihrem Arm abgelenkt zu sein, aber dann bewusst, mit dem Wunsch den Ursprung zu finden. Cyrce hielt schützend die Hände über den kleinen Kopf, die leicht Spitzen Ohren zitterten Ängstlich. Warum war heute nicht Vollmond? Das hätte sie sicher gerettet - so war sie verloren. Tolle Freunde! Einfach abhauen und nicht einmal einen Warnton abgeben. Der Prügel, der ihre Fingerchen schon grün und blau geschlagen hatte raste nochmals auf sie herab und Cyrce rechnete mit dem finalen, ihren Kopf zerschmetternden Schlag. Er kam nicht. Die Luft vor ihr ließ den Prügel plötzlich nicht mehr zu ihr durchdringen und sie glaubte die Luft vor Schmerz aufstöhnen zu hören. Die Augen des wuchtigen Fleischers weiteten sich panikerfüllt als Cyrce wagte aufzublicken. Der Prügel glitt aus der haarigen Männerhand. "Satansbraten...", stammelte er und nahm daraufhin die Beine in die Hand. Cyrce brach erleichtert in der königsblauen Pfütze Werwolfsblut zusammen. Vici jedoch hielt ihre Hände vor ihre Augen und wedelte davor rum. "Hallo? Dämonenkind?" Sie rüttelte den kleinen Körper leicht. Cyrce öffnete angsterfüllt die Augen, sah nur Luft um sich, schloss die Augen wieder und schlief ein. Vici schüttelte den Kopf. "Sie sieht mich nicht," dachte sie ungläubig. Sie bückte sich und hob sachte den kleinen verkrampften Körper an. "Wo soll ich dich nur hinbringen Kleines?", flüsterte sie. Jedoch als sie anfing ernsthaft darüber nachzudenken war der kleine Körper spurlos verschwunden. Vici hatte noch nicht mal eine Teleportation gespürt. "Was passiert hier?!" Borthimer, ein schwarzäugiger Riese aus Stein stürtze wortlos in Hellhealers Praxis und legte das geschändete Kind, das Hellhealer als Cyrce kannte, auf den Behandlungstisch. Er nickte kurz und verschwand wie immer wortlos. Er hatte noch nie einen verletzten Dämon aus den Händen eines Engels reißen müssen und es überraschte ihn, dass ein Gerücht sicher nicht stimmte: keinem Dämon versengte es die Hand, wenn ein Engel ihn berührte. Denn Borthimers Hände waren das einzige an seinem Körper, das nicht aus Stein war und sie waren definitiv nicht versengt. Dabei hatte er dieses Wesen bestimmt berührt, als er Cyrce an sich genommen hatte. "Luuu-zi-feeeeeeer!!!" Der Fürst der Finsternis konnte sich gerade noch aus der Schusslinie entfernen, als ein wahrlich mordsmäßig gefährlicher Stilletto an ihm vorbeischnellte und hinter ihm einen Wandspiegel in einen Splitterhaufen verwandelte. "Ich will eine Erklärung! Ein Engel trifft im neutralen Gebiet auf eine Dämonin! Ein Dämon wird verletzt, weil er in eine Fleischerei EINBRICHT! Verfluchte Dimensionsfehler! Ein Engel wird von dem Hilfeschrei angezogen! Ein Dämon findet heraus, dass Berührungen zwischen Engel und Dämon nicht mit einer Verletzung enden! WAS ist heute schief gelaufen?!" Luzifer schlich sich vorsichtig aus dem näheren Bereich von Gott und setzte beschwichtigend an: "Gott... meine alte Saufkumpanin... meine Lieblings-Drag... meine Lieblings-Ex-Chefin... es ist einfach... etwas aus dem Ruder gelaufen... das mit deinem erwünschten perfekten Gleichgewicht war noch nie einfach." Gott fuchtelte knurrend mit den Händen herum, ihre Fingernägel zerschnitten die Luft, dass man mit jedem Atom Mitleid haben mochte. "Aus dem RUDER GE-LAU-FEEEEEEN?!!!" Luzifer erbebte unter der Stimme seines Gegenübers. "Ganz ruhig Süße, wir haben doch Mittel das wieder hinzubiegen. Wir müssen das eben geregelt angehen. Punkt eins: Salvius, dein kleiner Geistverwirrer wird dem Fleischer die Erinnerung löschen, Borthimers Steinzunge bewegt sich nicht, er wird niemandem von seinem verletzungsfreien Engelserlebnis erzählen, Cyrce steht ohnehin unter Schock und hat deine Lieblingsdame nichtmal gesehen, da sie in einer Dimensionslücke war und Vici nicht, BlueWing hat den Alptraum gerade noch unter Kontrolle bekommen, eine kleine Abfindung und er ist auch aus dem Spiel, was Hellhealer angeht - ich kann sehr gut mit ihr reden. Und deine liebste Dame, wirst du dir vornehmen müssen. Alles kein Problem. Alles Probleme, die wir schon oft gelöst haben, nur dass sie heute eben geballt kamen..." "Hargh! Ein Schaf, zwei Schäfchen, drei... o.k. Let's get it on Schnuckel!" Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)