Pandoras Wunsch von Sternenelfchen ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Chapter 1 Gelangweilt starrte Julie aus dem Fenster, die Arme auf dem Fensterbrett, den Kopf auf ihnen abgelegt und neben ihr eine brennende Kerze stehend. Es regnete schon seit drei Tagen. Drei Tage lang hockte sie schon in ihrem Zimmer und langweilte sich zu Tode. Den neuen Harry Potter-Band, der gerade mal vor zwei Tagen herausgekommen war, hatte sie bereits fertig gelesen, alle ihre Computerspiele schon x-mal durchgespielt. All ihre Klassenkameraden hatten sich in den Herbstferien verabredet, waren in den Urlaub gefahren oder geflogen und lagen vielleicht gerade irgendwo unter Palmen am sonnigen Strand. Julies Eltern hatten leider nicht so viel Geld und Zeit um weg zu fahren, also gammelte sie zu Hause rum. Richtige Freundinnen hatte sie hier auch keine, da sie nicht unbedingt die Art von Person war, die von einem Klamottenladen zum nächsten rennt und sich wie ein Zuckerkringel mit Puder im Gesicht zudeckt, mal ganz zu schweigen von der meterdicken Schicht Schminke. Leider war ihre Klasse voll bestückt von dieser Sorte Mädchen. Mit einem Seufzer erhob sie sich von ihrem Stuhl und ging, in Gedanken versunken, runter zum Briefkasten um die Post zu holen. Schweigend öffnete sie den Briefkasten, die gerade hereinkommende, alte Dame von der gegenüberliegenden Wohnung ignorierend, und nahm drei Briefe heraus. Zwei waren an ihre Eltern gerichtet, die wie gewohnt immer bis abends arbeiteten, und auf der Anschrift des dritten Briefes stand Julies Name. Diese konnte sich ein aufgeregtes Grinsen nicht verkneifen und machte einen freudigen Hüpfer in Richtung Treppe. Drei Stufen auf einmal nehmend rannte sie zurück auf ihre Wohnung in ihr Zimmer, schloss die Tür und nahm wieder ihren Platz am Fenster ein. Sie konnte es kaum erwarten, ihn zu öffnen und zu lesen. Er stammte nämlich von ihrer Brieffreundin und zugleich besten Freundin die sie hatte: Nelly! Schon seit ihrem neunten Lebensjahr, das sind bald 5 Jahre, schreiben sie sich seitenlange Briefe. In ihrem letzten hatte Nell leicht angedeutet, dass sie Julie demnächst einen Besuch abstatten wollte, so vermutete Julie es zumindest. Ihre Freundin liebte es nämlich, alles so spannend wie möglich zu gestalten. So fand sie auch erst auf der letzten Seite, nachdem sie den acht Seiten starken und doppelseitig beschriebenen Brief durchgelesen hatte, die erhofften, heißersehnten Worte: Nun zu meiner Andeutung im letzten Brief: Meine Mutter hat sich nun entschieden, wo wir beide hinziehen, nachdem sie sich von Vati hat scheiden lassen. Nämlich nach... "Was?" Julie sprang wieder von ihrem Stuhl auf. Sie konnte es nicht glauben. Da stand wirklich... ...Frankfurt (Oder)! Na, überrascht? Am 9. Oktober ziehen wir ein! Weiter unten stehen meine Adresse und Telefonnummer. Besuch mich, sobald du kannst, mal! Komm einfach vorbei! Wir werden da sein, da wir die nächsten Wochen noch mit auspacken beschäftigt sein werden. "Der 9. Oktober...", überlegte sie, "Das ist ja heute!" Jubelnd machte sie ein paar Hüpfer und sprang wie ein wild gewordener Gummiball durch ihr Zimmer, überglücklich über diese Nachricht. Endlich konnte sie mal ihre Freundin sehen. Bisher hatten sie sich leider immer nur angerufen und sie kannte Nelly auch nur von dem Foto, das sie ihr mal geschickt hatte und das jetzt in einem Rahmen an der Wand hing. Endlich konnte sie sich richtig mit ihr unterhalten, nicht nur elendig lange auf ihre Briefe warten um an deren Ende traurig zu sein, weil da auf dem verdammten Blatt einfach nichts mehr stand. Aber das war jetzt alles vorbei! Jetzt wohnte sie hier und auch noch praktisch gleich um die Ecke! Wahrscheinlich hatte Nell ihre Mutter so lange genervt, bis sie ihr OK dazu gab, dass sie in das von Deutschland abseitsgelegenste Städtchen ziehen würden. Bei diesem Gedanken schlug ihr Herz doppelt so schnell. Morgen würde sie Nelly sofort besuchen gehen und ab genau diesem Zeitpunkt wird es nie wieder solch langweilige Ferien für sie geben! Abends erzählte sie ihren Eltern ganz aufgeregt davon und ging extra früh schlafen (was ihr allerdings vor Aufregung nicht geling, sodass sie noch viel später als sonst einschlief). Am nächsten Tag, als sie aufwachte, strahlte die Sonne. 'Seltsamer Wetterwechsel...', dachte sie und starrte halb schlafend, halb wach auf ihren Wecker. "Waaaas? Schon um elf? Warum verdammt noch mal muss ich ausgerechnet heute verschlafen?" Hastig sprang sie aus dem Bett, stolperte ins Bad um sich zu waschen und Zähne zu putzen und zog sich an. Als sie gerade dabei war, sich einen Toast zu machen, legte sie noch fest, dass sie mit dem Fahrrad losfahren würde um vorher noch ein paar Blumen für Nell zu kaufen. Während sie hinunter zum Fahrrad lief stopfte sie sich den Toast in den Mund (und wäre fast erstickt, als sie mit einem der Mieter zusammen stieß, der an ihr vorbeieilte), wieder in Gedanken versunken. Wie Nelly wohl ist? Anders oder genau, wie sie sich ein Bild durch die Briefe von ihr gemacht hatte? Aber anscheinend war auch sie sehr gespannt, Julie zu sehen, denn ihre sonst so saubere Schrift wurde immer kritzliger, als sie die Verkündung ihres Umzugs schrieb. Aufgeregt sprang sie auf ihr Rad und strampelte los, so schnell sie konnte - hielt noch mal am Blumenladen an um einen Straus zu kaufen - und stoppte reifenquietschend vor einem großen Mehrfamilienhaus. Ausdruckslos starrte sie es an. Dann kam ein freudiges Lächeln auf ihr Gesicht und sie stieg vom Fahrrad ab, schloss es an einen Ständer an und klingelte bei dem Namen >Martins<. Mit klopfendem Herzen stand sie da und wartete. Eine Frauenstimme aus einem Lautsprecher neben den Klingeln fragte, wer da sei. Julie antwortete und hörte erneut die Stimme sagen: "Ach, du bist es! Nell wartet schon die ganze Zeit auf dich. Komm hoch!" Ein Surren an der Tür bedeutete ihr, sie zu öffnen. Sie trat ein und ging hoch zu einer offenen Tür, wo sie eintrat. Sie kam in einen Flur, wo lauter Pappkartons, Kisten, Tüten und Möbel herumstanden. Dann kam ein Mädchen, dass sie von einem Foto her schon kannte, aufgeregt aus einem der Zimmer gestürmt. "Julie, da bist du ja endlich!", rief sie und fiel ihr um den Hals. Diese erwiderte die Umarmung. "Schön, dich zu sehen.", sagte sie und drückte Nell die Blumen in die Hand. Gemeinsam gingen sie dann in Nells Zimmer und unterhielten sich noch den ganzen Nachmittag. In diesem Augenblick übertraf nichts, wirklich gar nichts Julies Freude. Es war der schönste Tag, den sie in ihrem ganzen Leben je gehabt hatte und sie hoffte, dass sie diese Freude noch ewig haben konnte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)