Side by Side von abgemeldet ================================================================================ Kapitel 1: ----------- SIDE BY SIDE: EVEN DEMONS CAN FALL IN LOVE PART ONE Kasumi Takashi, so lautet mein Name. Ich bin achtzehn Jahre alt und gehe auf die Jyuban Schule. Ich bin am 27. Oktober geboren und somit ist mein Sternzeichen Skorpion. Ich bin manchmal etwas vorlaut und meine impulsiven Aktionen haben mich schon oft vor den Schreibtisch des Schuldirektors befördert. Eine Freundin zu haben, bedeutet, ihr alle Geheimnisse anzuvertrauen und sie in ihren gemeinsamen Zielen zu unterstützen. Ich sage mir den Satz immer und immer wieder im Kopf auf. Dieser stammt von meiner Schulkameradin und besten Freundin Sakura Sakurai, die im Gegensatz zu mir wesentlich hübscher aussieht: Sie ist größer als ich und hat eine gute Figur. Mit ihren schönen blonden Haaren und ihren glitzernden braunen Augen könnte sie ein Model sein. Ich hingegen finde mich nicht so toll, obwohl mir Sakura immer sagt, ich sähe blendend aus mit meinen klaren, blau-grauen Augen und meinen langen, braunen und sehr gepflegten Haaren. Neulich hat Sakura mir erklärt, dass sie eine ganze Horde von Freunden kenne, die auf meine Haare neidisch sind. Trotzdem bin ich, Kasumi, einen Kopf kürzer als sie, obwohl wir beide ungefähr das gleiche Alter haben, doch jede meiner besten Freundinnen erzählt mir, dass kleine Leute irgendwie viel süsser sind. Ich kann das eigentlich nicht so recht glauben. "Eine Freundin zu haben, bedeutet, ihr alle Geheimnisse anzuvertrauen und sie in ihren gemeinsamen Zielen zu unterstützen" hallt es in meinem Kopf wider. Sakura sagte diesen Satz zu mir, als sie herausfand, dass ich ganz und gar nicht wie alle anderen Menschen bin. Als ob das so schlimm wäre; vielleicht ist es sogar besser so. Jedenfalls wollte sie schon fast unsere Freundschaft beenden, weil wir uns geschworen haben, dass wir uns gegenseitig nie unsere Geheimnisse verschweigen sollten, weder in der Gegenwart noch in der Zukunft. Es stimmt, ich hätte ihr sagen sollen, dass ich ein Dämon in Menschengestalt bin. Aber wie hätte ich ihr das erklären sollen? Sollte ich schnurstracks zu ihr gehen und ihr sagen: "Hey, Sakura, ich bin ein Dämon. Wollen wir aber auch weiterhin Freunde bleiben?" Verdammt, ich hatte Angst, sie würde mir den Laufpass geben. Und sie scheint heute nicht mehr so sehr interessiert an mir zu sein. Das, macht mich ehrlich gesagt, sehr traurig, auch wenn ich es mir selbst zuzuschreiben habe. Aber ich habe leider keine andere Wahl. Ich will sie nicht gefährden... Heute will ich mal wieder aus dem Haus gehen. Gott sei Dank sind meine Eltern, Ayumi und Shin Takashi, nicht da. Beide können es nicht ausstehen, wenn ich draußen herumhänge anstatt zu lernen. Dabei gehen sie jeden zweiten Abend in die Diskothek, ins Restaurant oder sonst wohin. Und als ob ich viel aus dem Haus gehe... Immer im Zimmer zu hocken und warten, bis es dunkel wird...darauf hab ich heute echt keinen Bock, zieh mir schon meine wasserundurchlässige Jacke an und gehe aus dem Haus. Ich lebe in Tokyo in Minato-ku und wohne so ziemlich vor meiner Schule, also hab ich morgens keinen Stress. Da entdecke ich plötzlich meine Freundin Sakura, die an der Ampel wartet. Ich will sie schon herbeirufen, als es grün wird und sie die Straße überquert. Zu spät sieht sie den Landrover, der ihr entgegen kommt und ich höre nur noch einen markerschütternden Schrei...doch ich, mit meinen dämonischen Kräften, bin schneller. Es dauert nur ein paar Sekunden und ich schnelle schon über die Straße mit meiner Supergeschwindigkeit und rette sie im allerletzten Moment. Das war knapp! Das Auto fährt jedoch unbeirrt weiter, als ob nichts gewesen wäre. Sakura keucht wie verrückt: "Spinnst du? Du hättest selbst dabei draufgehen können, wenn du kein Dämon wärst. Und Gott sei Dank hat uns niemand gesehen, sonst säßen wir wirklich tief in der Tinte!" Ich muss mich währenddessen damit abmühen, einen Ton von mir zu geben, da fahre ich sie auch schon an: "Ja und? Nichts ist mir wichtiger als das Leben meiner Freunde! Selbst wenn ich dir vor zwei Jahren nichts von meiner Abstammung verraten habe, selbst wenn ich dir nicht alles sage...du bist meine Freundin und ich lasse nicht zu, dass dir was passiert!" "Und wieso sagst du mir nicht alles?", schreit Sakura mich an. Ich schweige für ein paar Sekunden ehe ich flüstere: "Weil du dadurch in Gefahr geraten könntest! Denk doch mal an meine Gefühle, falls dir etwas geschehen könnte! Ich würde mir nie verzeihen." Daraufhin schweigen wir beide und gehen hastig, aber nicht schnell, in Richtung Schule. In unserer Klasse ist natürlich wieder die Hölle los. Shinichi Fumita, unser Klassennarr Nummer Eins benimmt sich mal wieder wie der letzte Idiot. Klassensprecher Musami Ryokosu heizt ihm dabei mächtig ein. Jede zweite Sekunde hört man ihn von neuem schreien. Und da kommt mir schon Sora Tsubasa entgegengelaufen, meine zweite beste Freundin und erzählt mir aufgeregt und guter Laune: "Shinichi hat heute unsere Lehrerin, Frau Okuda, zum Weinen gebracht, indem er ihr den Rock angehoben hat. Sie stand noch wie angewurzelt da ehe alles anfing zu grölen und sich über sie lustig machte. Ich wette, die ganze Schule hat gelacht!" "Ist nicht wahr!", rufe ich verdattert aus. Auch Sora sieht extrem hübsch aus: Ihre kurzen, braunen Haare, die ihr bis zu den Schultern gehen, ihre sehr attraktiven, braunen Augen, ihr zauberhaftes Lächeln...an ihr ist einfach alles prima. Ausserdem hat sie ein gutes Herz. Sie fährt fort: "Und da ist Musami ausgerastet und hat ihn zum Schandfleck der Schule erklärt. Shinichi hielt das für ein Kompliment. Zum Doofwerden!" Schön zu hören, dass nach einem Wochenende noch alles beim Alten ist...Vielleicht wird ja doch wieder alles ins Lot kommen. Gerade in dem Moment brechen alle Fenster zusammen. Shinichi schreit: "Attentat!", und fügt dann leise hinzu: "Cool!" "Von wegen cool!", schreit ihn jeder an. Auch unsere Mathelehrerin, Frau Shinami, die gerade hereinkommt, geht in Deckung. Ich weiß nur zu gut, dass das kein Attentat ist und renne nach draussen. Jede Wette, dass das Dämonen sind. Ohne, dass jemand mich sieht, verwandle ich mich in Sekundenschnelle in meine wahre Gestalt: "Meine Eckzähne werden länger, meine Fingernägel werden zu Krallen und meine Haare wachsen bis zum Boden hin. Ich kann sogar meine Kleider zu einem Cat Suit umwandeln, bei der sogar die Farben meiner vorherigen Klamotten dynamisch verlaufen. Ich bin zwar jetzt ein Dämon, dafür aber ein verdammt hübscher. Wie viele haben denn das Glück? Viele Männer werfen sich vor mich hin und machen mir Heiratsanträge, aber bis jetzt hab ich noch jeden, wiederhole jeden, abgewiesen. Männer sind doch ehrlich gesagt zum Kotzen! Ich schaue nach, wer da sein könnte. Als Dämon bin ich nicht gerade stark, aber lieber begebe ich mich in Gefahr, als dass meine Klasse leiden muss unter den ständigen Attacken der Dämonen. Vorsichtig trete ich um eine Ecke, da blickt mir auch schon eine Dämonenfratze hinterlistig ins Gesicht und grinst: "Schau mir in die Augen, Kleines!", und greift mich an. Schnell weiche ich seinen Krallen aus, die ein Loch in den Boden schlagen, dorthin, wo ich noch vor ein paar Sekunden gestanden habe. Jetzt kommt mein grosser Auftritt! Wie Michael Jordan springe ich elegant in die Luft und trete meinem Gegner ins Gesicht; dabei hinterlässt mein Schuh eine Spur, die ihn wesentlich besser aussehen lässt. Ich lach mich halbtot, da greift der Dämon zu härteren Methoden: Er feuert Wasserstrahlen ab, die sogar Steine zertrümmern können. Ich weiche ihnen aus, doch ich passe für einen Moment nicht auf und ein Strahl erwischt mich am Bein, was mich fest nach hinten an die Wand schleudert. Mir geht plötzlich ein Licht auf. Wieso ich nicht früher drauf gekommen bin, wird mir für immer ein Rätsel bleiben, aber gibt es nicht hinter der Schule einen Brunnen? Wasserdämonen sind Herr über das Wasser und haben immer eine Energiequelle, woher sie ihre Kraft nehmen. Ich versuche mittels geistiger Kraft, diese Quelle auszumachen, doch der Dämon will mich daran hindern, versucht, mir das Leben schwer zu machen und feuert ununterbrochen Wasserstrahlen ab, was mich sehr ablenkt. Deshalb errichte ich einen resistenten Schutzschild um mich und gewinne dadurch etwas mehr Zeit. Eine strahlende Lichtkuppel bildet sich um mich, die es mir ermöglicht, nur mit meinen Gedanken das Gelände abzusuchen. Ich stelle mir den Brunnen vor und entdecke einen sanften Wasserschleier um ihn herum. Die Quelle geht also doch vom Schulbrunnen aus. Der Schutzschild löst sich auf und ich laufe so schnell ich kann, also so um die dreihundertundfünfzig Stundenkilometer, dorthin. "Bleib hier!", schreit der Dämon und folgt mir. "Wir haben noch eine Rechnung offen! Du wirst für den Tod meiner Mutter bezahlen!" "Was erzählst du da für einen Quatsch?", rufe ich zurück. "Keine Ahnung wovon du redest!" Der Dämon scheint zur Höchstform aufzulaufen und ist mir dicht auf den Fersen. Verdammt, er wird mich doch jetzt nicht etwa mit meiner Schwester Hitomi verwechselt haben?! So weit ich weiß ist sie ziemlich blutrünstig; im Gegensatz zu ihr verabscheue ich Gewalt, außer wenn es drauf ankommt. Ich stelle mich meinem Widersacher entgegen und schreie: "Lass mich in Ruhe! Ich habe deine Mutter bestimmt nicht auf dem Gewissen!" Doch er lässt nicht nach und greift weiter mit seinen Wasserstrahlen an. Mir platzt gleich der Kragen, schließlich schreie ich noch mal, diesmal um das hundertfache lauter: "Du verwechselst mich! Das war bestimmt meine Zwillingsschwester Hitomi, du Blödmann!" Der Wasserdämon bleibt nun endlich stehen und starrt mich für ein paar, aber sehr lange Sekunden an. Keiner von uns spricht. Ich sehe, dass er rot wird. "Was ist?", frage ich ihn harsch. Dann öffnet er den Mund und fängt an hysterisch zu lachen. Wie? Was ist denn jetzt los?! Ich öffne ebenfalls meinen Mund und frage ihn leise: "Äh, hab ich was verpasst?" "Tut mir sehr Leid, aber ich hab dich echt verwechselt! Kommt nie wieder vor. Sorry!" Dann lächelt mich dieser Idiot auch noch an und kratzt sich daraufhin verlegen am Kopf. Der hat Nerven! Und unglaubliches Pech, dass ich nachtragend bin. "Sorry?", rufe ich verärgert aus. "Du reisst mich hier fast in Stücke und alles, was du zu sagen hast ist ?" Ich laufe rasend zum Brunnen und zerstöre binnen eines kleinen Moments seine Energiequelle und somit verliert der Dämon seine Kraft. Der muss bestimmt von hier bis nach Amerika gebrüllt haben vor Schmerz. Langsam, aber sicher zerfällt der Dämon zu Staub. Ich seufze einmal laut: "Schade! Hätte nicht so überreagieren sollen! Der hätte bei mir vielleicht eine Chance gehabt... Ach, was soll's?" Zurück in meiner Klasse sehe ich sie alle auf dem Boden liegend. Später erzählen mir Sakura und Sora, dass sie alle eine panische Angst gehabt und sich nur verkrochen haben. "Das ist auch gut so.", flüstere ich später Sakura ins Ohr. "Verflucht! Alles meine Schuld! Manchmal wünsche ich mir, wirklich normal zu sein. Dann würden uns wenigstens keine Dämonen mehr auf die Pelle rücken. Ich bin eben eine Plage. Gehen wir was essen?" "Kasumi Takashi, komm mir bloβ nicht auf die Tour!" Sakura schaut mich wütend an. "Kaum ist es Mittagspause, schon musst du wieder in Selbstmitleid versinken." Sie wendet den Blick nicht von mir ab und fährt nach ein oder zwei Minuten fort: "Für einen Dämon bist du so was von verweichlicht! Du hast einen guten Charakter, du denkst immer nur an andere, du siehst zudem noch klasse aus, sogar in deiner Dämonengestalt bist du echt sexy, das wird dir jeder bestätigen." "Na ja, von den Reißzähnen und den Krallen mal abgesehen...!", antworte ich sarkastisch. "Ich bringe euch doch eh nur Unglück." "Ich hab's satt!", schreit Sakura mich an, dreht sich um und stapft davon. Allein stehe ich jetzt da und nehme nichts mehr um mich herum wahr. Ich stehe mitten im Schulhof und es fängt an zu regnen. Die Regentropfen prasseln nur so auf mich herab, laufen langsam an meiner Wange herunter und vermischen sich mit meinen Tränen. Ich fühle mich elend, dabei sage ich ihr doch nur die Wahrheit, aber andererseits wollte ich sie jetzt damit nicht verletzen. Trotzdem, so was habe ich nicht erwartet. Oder doch? Ich gehe ihr damit schon lange auf die Nerven, deswegen finde ich, dass sie das Recht hat, so zu reagieren. Uns wäre der Ärger erspart geblieben, wäre ich nicht aus der Dämonenwelt geflohen. Währenddessen im Dämonenreich: Im Dunkel hört man nur das leise Tröpfeln eines kleinen düsteren Baches, der sich durch die Dunkelheit windet. Wer auch immer es wagen sollte, von dem Bach zu trinken, würde auf ewig verschlungen werden. Es ist so düster, dass man sich leicht verlaufen könnte und so düster, dass man niemanden wahrnehmen, geschweige denn sehen könnte. Überall hört man das Murmeln leiser Stimmen. Auf einmal hört man jemanden sich beschweren: "Ich kann es nicht mehr ertragen, jede Woche stirbt einer und ich könnte der Nächste sein. Ich habe keine Lust, jeden Tag um mein Leben zu bangen. He, Kureno, so langsam hab ich das Gefühl, dass du uns alle in eine Falle locken willst." Niemand antwortet. Der Dämon fährt fort: "Hat es dir die Sprache verschlagen? Du willst uns doch nicht etwa sagen, dass das wahr ist?!... Na los, antworte, mach endlich das Maul auf, he!" Da ertönt plötzlich von irgendwo her: "Dass du dich da mal nicht irrst! Wenn du der Nächste sein willst, der stirbt, dann tu ich dir jetzt den Gefallen. Auf dass du für immer die Klappe hältst!" Die Stimme steigert sich beim Sprechen zur blinden Raserei. Plötzlich fällt der Dämon, der sich neulich beklagt hat, tot um und es bildet sich eine große Blutlache um seinen nun schlaffen Körper. Die unbekannte und unheimliche Stimme ertönt wieder: "Wenn ihr nicht so enden wollt, dann macht euch endlich auf die Suche nach diesem Mädchen und bringt sie mir lebend!" Bis auf weiteres sprechen Sakura und ich während des ganzen Unterrichts nicht miteinander. Sie sieht mich noch nicht einmal direkt an. Sora, die neben mir sitzt, fragt mich besorgt: "Was ist denn mit euch beiden. Habt ihr euch gestritten?" Ich antworte daraufhin leise: "Lass mal gut sein! Das...das hab ich verdient." Sora will noch was sagen, aber der Lehrer, Herr Komatsu, unterbricht uns streng und seine laute Stimme lässt die Stille in der Klasse zerplatzen wie eine Seifenblase. "Sora Tsubasa und Kasumi Takashi! Vor die Tür, ihr Plappermäuler! Und zwar dalli!" Vor der Tür fragt Sora mich noch mal: "Also, was ist denn nun passiert?" "Ach, ich bin mal wieder selbstmitleidig geworden." "Ja und?" "Was, ? Das wollte sie nicht hören, ich hätte eben die Klappe halten sollen." Für lange Zeit starren wir uns an. Sora spricht als Erste: "Na, dann solltest du zu ihr hingehen und ihr sagen, dass es dir Leid tut. Ich wette, das würde die Spannung zwischen euch um einiges verringern." "Wenn du meinst.", antworte ich ihr. Stimmt, es wäre das Beste. Nur wie könnte ich das am besten zu Sakura sagen? Okay, einen auf "mitleiderregend" machen kann ich schon mal nicht. Mit Tränen in den Augen? Das würde nur die Tatsache bestätigen, dass ich als Dämon verweichlicht bin; ich habe immerhin auch meinen Stolz. Oder soll ich vielleicht ganz fröhlich zu ihr hingehen und sagen: Hey Sakura, ich...aaaaaaaaaaaahh! "Kasumi Takashi, wieder reinkommen, sofort, oder du wirst heute nachsitzen!", brüllt Herr Komatsu lautstark. Erschrocken blicke ich ihm in die Augen. Merkwürdig! Sein linkes Auge zuckt wie wild. Dann will ich lieber mal brav wieder auf meinen Platz zurückkehren! Als ich mich wieder im Klassensaal befinde, flüstere ich zu Sora, die schon längst wieder auf ihrem Platz sitzt, ins Ohr: "Wieso hast du mich nicht gewarnt?" "Hab ich doch! Fünfmal! Aber du wolltest nicht aus deiner Trance aufwachen." Daraufhin kichere ich verlegen. Es kommt regelmässig vor, dass ich unseren Lehrer, Herr Komatsu, bis zur Weißglut reize. Wir haben ihn viermal die Woche und ich lande mindestens dreimal pro Woche in seinem Unterricht vor der Tür. Aber ich mag Geografie einfach nicht, vielmehr stehe ich auf Sprachen. Na, egal! Auf dem Nachhauseweg sehe ich Sakura an mir vorbeiflitzen. Ich hatte nicht mal genügend Zeit vor der Klassentür, zu einem guten Schluss zu kommen, wie ich mich am besten bei ihr entschuldigen könnte. Dieser verdammte Komatsu! Also heisst es: Improvisieren! Ich will gerade den Mund aufmachen, da stösst Sakura einen Schrei aus. Vor ihr tauchen bestimmt um die Dutzend Dämonen auf und nehmen sie gefangen. Ich verwandle mich blitzschnell und schlitze fünf Dämonen die Kehle auf. Ein paar versuchen mich zu packen, aber ich halte sie locker auf Distanz. Es sind eben nur schwache Unterdämonen, aber nach einiger Zeit werden es immer mehr. Schlussendlich bin ich eingekesselt und von Sakura fehlt jede Spur. Trotzdem höre ich nicht auf zu kämpfen und versetze so manchem Dämon ein paar Schläge in die Magengrube oder in die Nieren, doch das reicht bei weitem nicht aus, um sie alle zu besiegen. Schließlich versetzt mir ein Dämon von hinten einen Schlag auf den Kopf und ich falle bewusstlos um. Als ich aufwache, gehen mir viele Fragen durch den Kopf. Wer bin ich? Wo bin ich? Was ist mit mir geschehen? ... Aber natürlich: Kasumi...Sakura...Dämonen...Und was dann? Jemand muss mich von hinten so fest gehauen haben, dass ich umfiel. Wo ich bin, weiß ich allerdings immer noch nicht. Ich scheine mich in einer tiefen und unheimlichen Grotte zu befinden. Dieser Ort kommt mir irgendwie bekannt vor. Ich bin mir sicher, dass ich hier schon mal war... Im Dunkel sehe ich auf einmal eine Gestalt, die langsam auf mich zukommt. Nicht noch ein Dämon, von den Viechern hab ich genug. Scheiße, ich bin ja auch eins! Wie auch immer! Aber wer ist denn nun diese mysteriöse Gestalt? Plötzlich werde ich herumgerissen. Dämonen packen mich unter den Armen und wollen mich wegschleifen. Daraus wird ein Riesenaufstand. Ich kratze und beiße und schreie: "Fasst mich nicht an, ihr Armleuchter!" Endlich lassen sie mich entnervt los. Plötzlich stehe ich der unheimlichen Person direkt gegenüber, und sie tritt ins fahle Licht, das aus einem kleinen Spalt an der Decke herunter scheint. Ich erleide fast einen Schlag...Wow! Was...sieht der gut aus! Einfach alles an ihm ist perfekt: Seine kurzen, blonden Haare, die noch im schwachen Licht wie Gold schimmern, seine wahnsinnig hübschen türkisblauen Augen, die mich arrogant anstarren, seine ziemlich breiten Schultern...Er ist zudem auch noch ziemlich groß und sehr schlank. Und was sind das für lange Beine! Ich falle fast in Ohnmacht. Ich habe ihn gefunden, meinen Traumtyp! Das einzige, was mir Sorgen macht, ist sein grausamer und unerbittlicher Blick, der das Böse schlechthin ausstrahlt. Er grinst schadenfroh: "Endlich haben wir dich. Ich dachte schon, dass niemand dazu fähig ist, dich einzufangen." Er tritt näher: "Ich heiße Kureno. Und du bist wohl Kasumi. Bin ich da richtig?" Doch anstatt höflich zu bejahen, schreie ich, halb aus Angst, halb aus Wut: "Wo bin ich? Und wo ist Sakura? Wieso habt ihr mich hierher gebracht?" Doch er lächelt nur weiter. "Wie unhöflich! Hat man dir keine Manieren beigebracht?" Er packt meinen Arm und kommt meinem Gesicht mit seinem sehr nah. "Ich hab gedacht, du seist dir bewusst, wo du dich aufhältst. Du bist in der Dämonenwelt und... wenn du jetzt nicht gleich den Mund hältst, wird deine Freundin dafür leiden müssen." Sakura. "Das tust du nicht!", brülle ich, so laut ich kann. Kureno schaut mich immer noch gleichgültig an und sagt sehr leise: "Sei still!" Sein bösartiges Lächeln verschwindet nach und nach. "Ich möchte Sakura sehen, sofort!", fahre ich fort. "Es ist mir egal, wer du bist und wo ich bin, aber ich möchte meine Freundin sehen." "Halt's Maul!", schreit Kureno plötzlich. Ich zucke zusammen vor Schreck. Meine Angst kehrt zurück, denn ich hätte nie gedacht, dass Kureno so reagieren würde. Sein Blick war eine Mischung aus purem Hass und unsäglichem Leid. Nach ein paar Minuten beruhigt er sich wieder: "Also gut! Du kannst deine Freundin sehen, aber nur sehr kurz. Und nur unter der Bedingung, dass du ruhig bist." Er dreht mir den Rücken zu, dreht sich aber gleich wieder um und fügt hinzu: "Ehe ich's vergesse: Hier kommst du nicht wieder raus." Zu seinen Gefolgsleuten sagt er: "Nehmt sie mit zu ihrer Freundin und sperrt sie danach sofort ein." Kurz lächelt er mir noch zu, bevor er im unendlichen Dunkel verschwindet. Wie betäubt stehe ich da und lasse mich problemlos wegführen. Ich habe keine Ahnung, was ich über Kureno denken soll. Er scheint irgendwie in Ordnung zu sein, obwohl er Sakura und mich hier in der Dunkelheit gefangen hält. Dieses seltsame Gefühl ist...es ist einfach unbeschreiblich... Kurze Zeit später: "Hey, wann gibt es was zu futtern?" In dieser engen Zelle, in die mich diese verfluchten Bestien eingesperrt haben, werde ich noch wahnsinnig, zumal ich in engen Plätzen immer klaustrophobische Reaktionen zeige. Und Hunger habe ich auch! Mir ist es egal, was ich esse, Hauptsache ich bekomme irgendetwas in den Magen. Der Wächter antwortet laut: "Kannst du nicht mal für ein paar Minuten aufhören, hier herumzuschreien? Das geht mir gewaltig auf den Geist." "Aber...!", widerspreche ich schmollend. Ich bemerke, wie die Ader auf der Stirn des Wächters wie wild pulsiert. Also halt ich lieber mal meinen Mund, sonst komme ich hier nie wieder aus der Zelle raus. Ich bereue immer noch, dass ich keine Zeit gehabt hatte, mich bei Sakura für mein Benehmen zu entschuldigen. Vorhin auf dem Weg zu Sakura habe ich schon befürchtet, dass ihr etwas angetan wurde. Aber sie schien glücklich darüber zu sein, dass ich aufgekreuzt bin. Trotzdem fürchte ich, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Es steht weit mehr auf dem Spiel, als es den Anschein hat! Ich bin gerade scharf am Überlegen, wie ich hier ausbrechen könnte, da rüttelt es an den Gitterstäben meiner Zelle. "Wer ist da?", frage ich ängstlich und trete näher, bis ich das Gesicht eines jungen Mannes erkenne. Es ist Kureno, der mich, mal wieder, verschmitzt anlächelt. Es ist kein böses Lächeln, wie letztes Mal, wo wir uns das erste Mal getroffen haben. Er streckt seine Hand durch das Gitter, berührt sanft mein Gesicht und flüstert mir zu: "Es tut mir Leid." Sein Gesicht nimmt einen sehr leidenden Ausdruck an, dann geht er wieder. Verdutzt bleibe ich zurück. Was sollte denn das eben? Sollte er etwa doch ein gutes Herz haben? Ich bezweifle das nicht, aber irgendeine Stimme in meinem Kopf will mich warnen, sagt mir, ich solle mich am besten von ihm fern halten, sonst wird etwas geschehen. Etwas Fürchterliches! Immerhin hat er Sakura und mich hier eingesperrt... Aber wieso wollen sie mich so dringend? Dient Sakura ihnen nur als Geisel oder haben sie etwas mit ihr vor? Und was ist mit Kureno los? Mag er mich? Oder gaukelt er mir nur was vor, um mich unsicher zu machen? Womöglich weiß er sogar, dass ich ein Auge auf ihn geworfen habe und will mich nur täuschen, um mich für seine Zwecke zu missbrauchen...Tausende Fragen bilden sich in meinem Kopf, aber keine kann ich mit Gewissheit beantworten. Diesen Ausdruck auf Kurenos Gesicht werde ich jedenfalls nicht mehr so leicht vergessen können... Ach, was mach ich nur? Ich glaube, ich habe mich verliebt... Am nächsten Morgen, so fern man das überhaupt in dieser tiefen Dunkelheit erkennen kann, ist der große Besuchstag. Zeit, sich mal mit Sakura auszusprechen! Inzwischen weint Sora zu Hause bittere Tränen. Dabei hat sie keinen Grund, sagt sie sich immer und immer wieder, um sich zu beschwichtigen. Sie ist sich sicher, dass es ihren Freundinnen gut geht. Die Eltern von Sakura und Kasumi haben sich neulich bei der Polizei gemeldet und gesagt, ihre Töchter seien verschwunden. Jemand muss sie wohl entführt haben. Soras Freundinnen sind weg, und sie weiß nicht einmal, wohin. Sie glaubt felsenfest, es sei etwas oberfaul an der Sache. Auf einmal überkommt sie ein komisches Gefühl. Etwas sagt ihr, sie solle so schnell wie möglich aus ihrem Haus verschwinden. Hastig will sie aus ihrem Zimmer stürmen, doch eine unbekannte Stimme in ihrem Kopf befiehlt ihr sich umzudrehen. Langsam, wie in Zeitlupe, tut sie es und wirft noch einen Blick in ihr Zimmer. Welch schrecklicher Anblick bietet ihr sich da! Ihr ganzes Zimmer ist randvoll mit Dämonen, und nicht nur hier, sondern auch draußen vor ihrem Haus stehen welche. Sora bereitet sich darauf vor zu schreien, doch sie kommt nicht mehr dazu. Was soll ich nur tun? Ich habe keine Chance auszubrechen; in meiner Zelle wurde ein Bann gegen Dämonen ausgelegt, die mir meine Kräfte rauben. Dazu kommt noch erschwerend hinzu, dass ich rund um die Uhr bewacht werde. Meine Klaustrophobie ist übrigens noch viel schlimmer geworden. Die ganze Zeit über leide ich unter Stress und Platzangst. Ich vermisse auch meine Eltern...und meine Freunde. Was Sora wohl gerade anstellt? Alle werden sich jetzt schon bestimmt Sorgen machen. Wenn ich hier rauskomme, werde ich meine Krallen zuerst an den Wächtern wetzen, die zwar auf mich Acht geben, mich aber verrotten lassen. Hier zu verweilen, macht mich krank. Und Kureno lässt sich immer noch nicht blicken...Ich möchte ihn doch so gern wieder sehen. Ach, was soll das? Es ist besser, ihm nicht zu vertrauen! Ich zappele ein bisschen herum. Daraufhin ruft mir der Wächter zu: "Hör damit auf! Das stört! Mein Meister und Kureno kommen in fünf Minuten, also geduldige dich noch ein bisschen! Ist das klar?" "Jaaaa, Herr!", antworte ich schwerfällig und lege mich still auf den Boden. Nach kurzer Zeit höre ich ein Murmeln und Schritte. Das müssen sie sein. Langsam stehe ich wieder auf und lausche aufgeregt. Aus dem Dunkel taucht Kureno vor meiner Zelle auf, jemand anderen im Schlepptau, jemanden, den ich von irgendwoher kenne, aber ich erinnere mich nicht. Der Wächter verzieht sich daraufhin. Kureno sieht sehr ernst aus und sagt zu mir mit harter Stimme: "Wir haben dir einen Vorschlag zu machen." "Welchen?", frage ich unsicher. Er schweigt für ein paar Sekunden ehe er antwortet: "Sakura werden wir wieder befreien, wenn du ihm hier...", er zeigt auf die Person neben sich, "...deine Kraft gibst und zu einem Menschen wirst." "Bitte? Wie soll das gehen und wer ist er überhaupt?", erwidere ich heftig. Die Person meldet sich zu Wort: "Der Dämonenkönig höchstpersönlich! Ich bin Ryu." Er verbeugt sich kurz. "Erinnerst du dich nicht mehr an mich?" "Äh, nicht, dass ich wüsste." Der Typ ist bestimmt der hässlichste Dämon, den ich je gesehen habe. Er sieht so aus wie einer von diesen Orks aus dem Film "Der Herr der Ringe", also urhässlich. Er bewegt sich so graziös wie ein Elefant in einem Porzellanladen. Ausserdem sieht er extrem übergewichtig aus. Ich soll also ein Mensch werden? Das Angebot klingt verlockend, denn wenn ich ein Mensch werde, kann ich mich endlich als "normal" bezeichnen. Andererseits könnte ich nicht mehr die beschützen, die ich liebe. Ich habe keine Ahnung, was ich machen soll. Dafür benötigt man Zeit... "Und? Was sagst du dazu?", fragt Kureno, der den Blick nicht von mir abwendet. "Ich...denke...ja, aber nur, wenn du sie freilässt." Dabei senke ich den Blick demütig. "Also schön!", grunzt der König zufrieden. "Komm her! Ich werde dir schon nichts tun." Zögernd trete ich nach vorn, ohne zu wissen, was er vorhat. Urplötzlich fängt er an, mich zu begrabschen. Selbst Kureno sieht erstaunt aus. Fassungslos weiten sich meine Augen und ich schreie einmal laut auf. Dabei versuche ich, ihn wegzudrücken. "Du verlogener Bastard!", heule ich. "Gehört das zum Menschwerden? Dann vergiss es! Lieber nicht!" "Was willst du denn dagegen tun?", äußert er sich gehässig, und seine Augen verengen sich zu Schlitzen. "Das war nicht ausgemacht, du gottverdammter Hurenbock!", kreischt Kureno und sieht so aus, als würde er Ryu am liebsten in der Luft zerreißen. Der König hört jedoch nicht zu und versucht gerade, mich zu Boden zu ringen. Ich wehre mich heftigst und trete ihn viermal fest in den Wanst, doch es ist zwecklos. Ich brülle ihn an: "Lass mich los, du Mistkerl! Perverser!" Dieser Fettsack wiegt zudem auch noch ungefähr eine Tonne. Sein Gewicht drückt mich stark nach unten. Ich versuche mich aufzurichten, doch schon bald habe ich keine Kraft mehr. Jetzt werde ich von jemandem meinesgleichen vergewaltigt. Na toll! Schmutzig, so schmutzig, denke ich, als er plötzlich von mir gerissen wird. Es kracht einmal ohrenbetäubend. Sind es meine Knochen? Nein! Kureno hat den Dämonenkönig weggezerrt und gegen die Wand geworfen. Lautlos formt er mit seinen Lippen den Satz: "Unser Pakt ist beendet!" Er tritt ihn noch mal mit aller Kraft zwischen die Rippen und läuft zu mir herüber: "Kasumi! Ist alles in Ordnung?" "Wieso tust du das?" "Wolltest du, dass er dich..." "Nein!", unterbreche ich ihn laut. "Ich wusste das nicht. Es tut mir so Leid." Kureno schaut bestürzt zu Boden. Er fährt fort: "Ich hoffe, du kannst mir verzeihen." Schon wieder sieht er so traurig aus. "Ja! Danke, dass du mich beschützt hast. Ich hatte schon gedacht, das wäre mein Ende.", gebe ich heiser wider. "Aber erklär mir mal, warum du mich beschützt hast." Ich blicke ihm ins Gesicht. "Du bist immer so nett zu mir, und ich will endlich wissen, warum." Kureno schließt sanft seine Augen und schweigt. Nach einiger Zeit: "Darum!" "Das ist für mich keine Antwort. Was verschweigst du mir? Und was willst du von mir?" Kureno scheint auf einmal nervös zu werden. "I-Ich kann's dir n-nicht sagen!", stottert er und öffnet wieder die Augen. "Kann ich dir vertrauen?" Wieder ein langes Schweigen. Kureno will den Mund aufmachen, da ertönt ein lautes Geräusch. Ryu, den Kureno vorhin bewusstlos geschlagen hat, regt sich wieder. "Ich glaube, wir sollten gehen, bevor uns diese hinterhältigen Biester entdecken." Ich nicke kurz. "Wo ist der Ausgang?" "Wenn ich mich nicht irre, dann befindet er sich dort." Er zeigt in eine bestimmte Richtung. "Komm, sputen wir uns!" Kureno nimmt meine Hand und schaut mich besorgt an. "Ist wirklich alles in Ordnung?", fragt er mich erneut. Rasch erwidere ich: "Ja, ja! Es ist nur...vielleicht ist es nicht der richtige Zeitpunkt, aber...ich hätte gerne eine Antwort auf meine Frage vorhin. Wieso hilfst du mir? Magst du mich oder machst du mir nur was vor?" Das alles kommt mit einem Wahnsinnstempo aus meinem Mund gesprudelt. "Ich kann es dir jetzt noch nicht sagen.", antwortet er. Plötzlich höre ich Fußgetrappel. "Na gut! Zuerst müssen wir aber Sakura retten." "Einverstanden!" Wir wollen endlich loslegen, doch da packt mich jemand am Fuß und hält mich zurück. "Verdammtes Weib!" Des Dämonenkönigs Hand klammert sich fest um meinen rechten Fuß. "Also bist du schon wieder wach!", schreie ich und versuche mich loszureißen, indem ich ihn kratze. Er verzieht nicht mal seine Fresse! Bin ich schon so schwach geworden? Verzweifelt versuche ich, loszukommen. Kureno steht nicht lange da und zieht etwas aus dem Nichts, was aussieht wie ein Schwert. Die Klinge fällt. Ein lauter Aufschrei. Die Hand des Monsters liegt reglos neben meinem Fuß, abgehackt. Das fließende Blut und das Jammern des Königs sind die einzigen Geräusche, die für eine kurze Zeitspanne zu hören sind. Um uns hallen lauter Stimmen wider. "Los, komm!", ruft mir Kureno zu, der das Blut von seinem Schwert abwischt. "Wir müssen noch deine Freundin holen, und zwar, bevor uns jemand findet." Schnell laufen wir zu Sakuras Zelle. Dort finden wir nur einen Brief auf der dreckigen Matte, aber keine Sakura. "Sa..." will ich schon herausschreien, doch Kureno hält mir seine Hand vor den Mund. "Wenn ich du wäre, würde ich jetzt nicht laut reden, geschweige denn brüllen. Du würdest nur die Dämonen hierher locken." Er nimmt seine Hand wieder weg. Er greift nach dem Brief und liest ihn hastig durch. Seine Augen werden dabei immer größer, bis er dann den Brief in seiner Hand zerknüllt und dieser Feuer fängt. Ich schlucke einmal laut und kräftig ehe ich leise frage: "Was ist denn los?" Kureno scheint seine Wut nicht mehr unter Kontrolle zu haben und liest vor: "Wenn ihr Sakura wieder sehen wollt, dann bringt uns Kasumi, damit ich ihre Kraft aufsaugen kann, dann wird niemand verletzt. Ausserdem haben wir Kasumis andere Freundin als Geisel, also handelt schnell. Unterzeichnet: Ryu!" Es tritt ein langes Schweigen ein, dann sagt er: "Weißt du, es sollte endlich gesagt werden. Also...der Pakt, den Ryu und ich geschlossen hatten, war, dass du zum Menschen wirst, er deine Kraft bekommt und ich dich auslöschen kann. Damit hätte ich endlich meine Freiheit erlangt." "Wie denn? Wieso ?" "Ich bin hier gefangen, genau wie du und deine Freundinnen. Ich will hier auch raus, verstehst du?" Verdutzt schaue ich aus der Wäsche. Was meint er damit? Er fährt fort: "Aber ich glaube, jetzt, nachdem ich dich schon ein bisschen kenne, möchte ich nicht mehr von dir loslassen." Fieberhaft schaue ich ihm in die Augen und sehe Leid und Trauer, aber auch zum ersten Mal Hoffnung auf ein Morgen und sogar...Liebe? "Ich wollte es dir schon lange sagen, aber ich habe mich nicht getraut. Und ich wusste nicht, ob es auch das gewesen ist, was ich gefühlt habe, als ich dich das erste Mal sah. Ich weiß nicht genau, wieso, aber... ich liebe dich!" Als er das sagt, blickt Kureno mir ins Gesicht. Es trifft mich wie ein Schlag in den Magen und auf einmal habe ich das dringende Bedürfnis, ihn zu umarmen, aber dazu bin ich viel zu erstaunt. Er hat es wirklich gesagt und es scheint mir auch wahrhaft aufrichtig. Dabei dachte ich immer, dass Männer sowieso alle gleich und unehrliche, angeberische Volltrottel sind...aber Kureno...Kureno ist was Besonderes. Vom ersten Augenblick an wusste ich das. Mein Gefühl, das die ganze Zeit über in meinem Herzen eingeschlossen war, bestätigt sich. Nun kann ich nicht mehr weglaufen und schon erzähle ich ihm die Wahrheit: "Ich...liebe dich auch! Von ganzem Herzen!" Dann steht alles still. Niemand von uns spricht mehr für eine ganze Weile. Wir sehen nichts, wir hören nichts, wir fühlen nur noch. Die Zeit, könnte man meinen, ist wie eingefroren. Wir scheinen uns in einer anderen Welt zu befinden. Was Kureno wohl gerade empfindet, in diesem Moment... Ein lautes und gruseliges Murmeln lässt uns aufwachen. Wir sind immer noch in der Dämonenwelt und ein Panikgefühl breitet sich aus. "Es wäre besser, wenn wir von hier abhauen würden.", sagt Kureno und nimmt mich fest bei meiner Hand. "Warte, wir müssen Sakura und Sora retten!" "Dazu müssen wir aber zuerst einen Plan entwerfen; ich will nicht, dass du noch mal in die Hände dieses miesen Arschlochs gerätst." Ich schweige. Dann rufe ich aus: "Mir persönlich wäre es egal, wenn ich mein Leben aufs Spiel setzen würde, ich möchte, dass meine Freunde heil nach Hause kommen." "Du bist verrückt!", antwortet Kureno gleichmütig. "Wenn du stirbst, könnte ich mir nie verzeihen." Eine Spur von Wut wischt über sein Gesicht, aber nur für eine Zehntelsekunde. Für eine Minute stehen wir beide wie angewurzelt einfach da, dabei verstreicht die Zeit und zwischen uns herrscht wieder Stille. "Wir sollten uns wirklich zuerst was ausdenken. Keine Sorge, ich bin sicher, wir können sie retten, aber dazu musst du momentan kooperieren. Bitte, Kasumi!" Kureno verzieht sein Gesicht zu einem flehenden Ausdruck. Ich kann nicht lange widerstehen und seufze schlussendlich. "Na gut!" Kureno lässt noch einmal dieses wahnsinnig hübsche Lächeln aufblitzen. Sofort werde ich schwach. "Gehen wir?", fragt er liebevoll. Ich grinse, dann nicke ich. Alle Sorgen sind vergessen. Und für einen flüchtigen, aber wundervollen Augenblick glaube ich, das glücklichste Mädchen auf der ganzen Welt zu sein, bis zu dem kurzen Moment, wo alles schief läuft. Es geschieht alles ganz schnell. Etwas fliegt durch die Luft; das Geräusch, was es macht, klingt unangenehm und schrill. Plötzlich fällt Kureno um wie ein Stein. Was ist passiert? Die Zeit verlangsamt sich wieder, und ich habe noch genug Zeit, um den Speer zu sehen, der sich durch Kurenos Brust gebohrt hat, als ich noch rechtzeitig bemerke, dass das selbe auch auf mich zufliegt. Allerdings schaffe ich es noch, auszuweichen. Für ein paar Minuten regt sich nichts. Ich will zu dem schwerverwundeten Kureno herüberlaufen, als mehrere Speere aus dem Nichts erscheinen. Ich mache, dass ich wegkomme und gehe in Deckung. Mist, sie haben uns entdeckt! Und was nun? Wir befinden uns gerade im Visier der Dämonen; dabei sind wir noch sehr weit vom Ausgang entfernt. Es liegt alles ganz ruhig da, aber ich weiß, sobald ich mich rühre, schießen sie wieder auf mich. Zehn Meter von mir entfernt liegt Kureno, der nicht aufstehen kann. Wenn ich ihn doch nur erreichen könnte...Ich könnte die Blutung stoppen. Oh Gott, das Blut quillt nur so aus ihm heraus... Wenn ich ganz flink bin, schaffe ich es vielleicht, zu ihm herüberzurennen. Als ob er meine Gedanken lesen könnte, antwortet Kureno hastig: "Komm... bloß nicht... her!" Das Sprechen fällt ihm sehr schwer weil er in unregelmäßigen Abständen atmet. Doch ich höre nicht auf ihn und will zu ihm herüberflitzen, aber jemand packt mich von hinten am Nacken. Ich kann kaum meinen Kopf bewegen, aber ich sehe, dass es ein für mich unbekanntes Mädchen ist. Sie schmunzelt mir zu und sagt ruhig, als hätte sie alle Zeit der Welt: "Es wäre jetzt besser, du gingest schlafen." Dann schlägt sie mir mit ihrer Handkante so stark in den Nacken, dass ich ohnmächtig werde. Als meine Augen zufallen, fügt sie noch hinzu: "Schlaf schön!" Sora ist inzwischen in ihre eigene Zelle gebracht worden. "Wo bin ich?", schreit sie den Wächter laut an. "Wer oder was seid ihr überhaupt? Und wieso bin ich hier? Ich müsste zu Hause sitzen, ein Buch in der rechten Hand und die Fernbedienung in der linken. Also lasst mich sofort wieder hier raus, oder...!" Die Stimme versagt ihr. Sie sackt zusammen und fängt an, vor Angst zu weinen. Der Wächter dreht sich kaltherzig um und schweigt. So heult sie noch lange weiter, bis plötzlich jemand vor der Zelle steht. Jemand, den sie kennt! "Sakura? Bist du das?" Der erste Gedanke, als ich aufwache, ist: Wo bin ich hier? Ich bin plötzlich weggetreten und dann? Diese Person...Wer war das? Was hab ich ihr angetan, damit sie mich so niederschlägt? So was macht mich rasend. Ich schaue mich um und merke, dass ich wieder in meiner Zelle bin. "Na, endlich aufgewacht, Schneewittchen?", fragt eine unbekannte, weibliche Stimme. Es ist wieder dieses Mädchen von vorhin. "Mein Name ist Katano Nerashi. Schön, dass du dich erholt hast! Ich habe nämlich noch ein Hühnchen mit dir zu rupfen." Langsam tritt sie näher. Sie sieht nicht schlecht aus: Eine zarte Pfirsichhaut, hübsche braune Augen, glänzendes violettes Haar bis zu den Schultern, tolle Figur...aber einen ziemlich bösen Blick. Ich habe keine Ahnung, wieso sie so aussieht, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. Jedenfalls muss ich irgendetwas falsch gemacht haben, denn sie fährt mich wütend an: "Du Miststück!" "Was ist denn jetzt los?", erwidere ich erschrocken. "Hast du sie noch alle?" "Sie weiß nicht mal, was los ist.", sagt sie zu sich selbst, rollt einmal mit ihren Augen und kehrt mir den Rücken. Solche Leute hasse ich! "Es ist deine verdammte Schuld, dass Ryu mich fallengelassen hat." "Ryu? Der Dämonenkönig? Dieser Perversling? Sag bloß nicht, dass das dein Freund ist." Augenblicklich dreht sie sich zu mir um. "Das ist mein Verlobter, du Schlampe!", brüllt sie mich an. Der Wahnsinn steht ihr im Gesicht geschrieben. Ich sollte lieber aufhören, zu reden, doch ich denke, sie hat da was gründlich missverstanden, wenn sie glaubt, ich hätte ihn verführt. "Hör mir mal zu! Ryu wollte mich flachlegen, und das nicht, weil ich ihn irgendwie dazu aufgefordert habe, klar? Ich habe mich gegen ihn gewehrt, doch er ließ nicht locker. Wenn du mir nicht glauben willst, dann ist das dein Problem und nicht meins." "Es könnte aber deins werden. Erinnere dich, dass deine beiden Freundinnen noch hier im Dämonenreich gefangen gehalten werden und ich sie jederzeit töten kann. Also reiß hier nicht das Maul auf, sonst kannst du deinen Freunden "Gute Nacht!" sagen." Lachend zieht Katano von dannen. Katano...ein irgendwie männlicher Name. Verstimmt sehe ich ihr zu, wie sie sich in Rauch auflöst. Für wen hält sie sich? Für die Königin von Saba? Und was hat sie mit "beiden Freundinnen" gemeint? Ist Sora ihnen ebenfalls in die Hände geraten? Verflucht!! Allein bleibe ich in dieser leeren und modrigen Zelle zurück und denke an sie... an Sakura... und an Kureno. Wie es ihm wohl geht? Hoffentlich lebt er noch. Wenn er tot ist, dann will ich auch nicht mehr sein...Mir kommen die Tränen. Es ist unfair, einfach unfair, denke ich traurig, nehme einen Stein in die Hand und zerbrösel ihn. Diejenigen, die ich liebe, sind im Moment so fern von mir. Und zudem habe ich eine neue Sorge: Katano. Dieses Biest beschuldigt mich für rein gar nichts und wenn sie es will, kann sie Sakura und Sora nach Belieben quälen, obwohl die beiden nichts mit der ganzen Sache zu tun haben. Es bleibt nur noch zu hoffen, dass ich dieses "Abenteuer" lebend überstehe. Wenn ich nur daran denke, was Katano ihnen antun könnte...das macht mich unglaublich wütend und wünsche mir nichts sehnlicher, als aus dieser Zelle raus zu kommen, Katano eine zu schmieren und mit meinen Freunden und Kureno abzuhauen. Die Wut macht mich stark! Meine Augen blitzen einmal rot auf, und ich verbiege die Gitterstäbe wie Gummi und trete heraus. Ich werde mir nun die Zeit nehmen, Katano so richtig fertigzumachen, koste es, was es wolle...Nachdenken, Kasumi! Wo könnte sich Katano jetzt wohl aufhalten? Es bringt mir nichts, wenn ich gehirnlos jede Richtung einschlage, die mir gerade passt; ich würde mich nur verlaufen. Plötzlich fällt mir etwas siedendheiß ein. Ich weiß vielleicht nicht, was es sein könnte, aber ich glaube zu wissen, in welche Richtung ich gehen muss und lege schlussendlich los. Kein Wächter weit und breit! Trotzdem...irgendwas stinkt hier gewaltig zum Himmel, und es ist nicht dieser modrige Geruch, der von den feuchten Höhlenwänden ausgeht, sondern vielmehr diese eigenartige böse Aura um mich herum... Ein leises Geräusch lässt mich zusammenzucken. Es waren doch nur ein paar kleine Steine, die diesen kleinen Berghang vor mir heruntergerutscht sind. Wie bitte? Ein Berghang? So was gibt's hier? Na ja, vielleicht finde ich ja dort oben eine Spur von Katano. Jedenfalls hat mich mein Instinkt bestimmt nicht aus Zufall hierher geführt. Um den Hang zu bezwingen, muss ich schon fast klettern, als jemand kichernd ruft: "An deiner Stelle würde ich aus dem Weg gehen!" Keine Zeit, herauszufinden, wer das gesagt hat, denn ein gewaltiges Rumpeln ertönt und ein riesiger Felsbrocken kullert den Hang hinunter. Ich versuche, hochzukommen, doch irgendwie bin ich wie gelähmt und bleibe liegen. Der Brocken kommt immer näher...wird das mein frühzeitiges Ende sein? So weit darf es gar nicht erst kommen. Meine Freunde sind noch gefangen, Kureno hab ich noch nicht wieder gefunden und Katano hab ich auch noch keine ausgewischt. Es ist höchste Zeit, dass Katano und Konsorten eine Lektion erteilt bekommen. Mit einem Tempo, wie ich es noch nie für möglich gehalten habe, springe ich aus der Bahn des Felsens, eine Sekunde bevor er mich zerquetscht hätte. Dieser zerschellt mit einem lauten Krachen an der Wand gegenüber. Glück gehabt! Mit einem bedauernden Gesichtsausdruck schaue ich auf meine kleine Wunde, wo mich ein scharfer Fels ins Fleisch geschnitten hat. Ich wette, das war Katanos Werk. Denkt sie, so leicht könnte sie mich aus dem Weg räumen? Da hat sie sich aber gewaltig geschnitten, wenn sie glaubt, damit durchzukommen. Ich kann sie einfach nicht tun und lassen, was sie will. Also schreite ich entschlossen weiter. Den Berghang kann ich nicht mehr benutzen; ich muss mir etwas anderes einfallen lassen. Nach einigen Minuten intensiven Nachdenkens geht mir ein Licht auf: Ich kann ja fliegen! Ich habe mich schon zu lange im Dämonenreich aufgehalten; es vernebelt einem ja die Sinne...Aber ob ich noch fliegen KANN, das ist die Frage. Angestrengt konzentriere ich mich, aber nichts, aber auch rein gar nichts passiert. Ich brauche eben länger, um in die Gänge zu kommen und versuche es gleich noch einmal. Immer noch nichts! Ich darf an nichts anderes denken als ans Fliegen und probiere es noch mal. In meinem Kopf verschaffe ich mir absolute Ruhe. Und siehe da! Dieses Mal klappt es und ich erhebe mich schwerelos in die Lüfte. Auf einmal geht alles ganz leicht und ich schwebe gemächlich den Berghang hinauf ohne weiteren Zwischenfall. Als ich oben angelangt bin, schaue ich mich um. Vor mir erstreckt sich ein dunkler Korridor, der sich bis in die Unendlichkeit zieht. Vorsichtig gehe ich ihn entlang und schaue regelmäßig nach rechts, links und nach oben, als erwarte mich eine unangenehme Überraschung. Rechts und links befinden sich wundervoll verzierte Säulen. Ich weiß nicht, wo sie aufhören, denn die Decke sieht man nicht, sie ist im Dunkeln verborgen. Der Boden ist aus geschliffenem Marmor, der nicht einen Kratzer aufweist. Mir wird ganz schwindlig. Davon konnte ich zu Hause nur träumen. Ich trotte unaufhaltsam weiter; die Dunkelheit verschluckt mich mehr und mehr. Obwohl ich am liebsten wegrennen würde, weiß ich, dass ich eine Aufgabe zu tun habe, und diese Aufgabe lautet momentan, dass ich meine Freunde retten und Katano besiegen muss. Allein die Gedanken an die Rache an Katano und an die Rettung meiner Freunde halten mich davon ab, wegzulaufen. Ich werde Sakura beweisen, dass ich kein verweichlichter Dämon bin, und schon gar nicht jemand, der seine Freunde im Stich lässt. Ich gehe den Gang bestimmt eine Ewigkeit ohne Aussicht auf ein Ende des furchtbar langen Korridors entlang. Nach ungefähr einer Stunde, so scheint es mir jedenfalls, taucht eine steinerne Tür in der Dunkelheit auf. Ob sich Katano hinter der Tür verbirgt und schon auf mich lauert? Ich darf kein Risiko eingehen, sonst bin ich tot. Katano hat es unfairerweise auf mich abgesehen und dürstet nach meinem Blut. Deswegen sollte ich das Ganze auch so schnell wie möglich durchziehen und meine Freunde aus den Klauen dieser Untiere befreien, dann habe ich wenigstens keine Zeit zum Sterben. Langsam trete ich ein Stück näher, aus Angst, die Tür öffne sich plötzlich und Katano spränge heraus. "Willst du einfach so hinein gehen? Das wäre ziemlich unklug." Wer hat das gesagt? Ich schaue erschrocken hinter mich, doch da ist niemand. "Hier oben bin ich!" Schnell blicke ich nach oben, doch ich sehe nichts. "Komm gefälligst heraus, anstatt deine Spielchen mit mir zu treiben.", antworte ich heftig, aber im Flüsterton. Wer weiß, wer oder was hier im Dunkel herumlungern könnte... "Ist ja gut!", sagt die Stimme. Hoch über meinem Kopf bilden sich Rauchschwaden, die noch ein Weilchen in der Luft hängen bleiben, aber kurz darauf wieder verschwinden. Dann schwebt eine für mich bekannte Person über mir. "Hitomi? Schwesterherz?" Sie lächelt, winkt mir kurz zu und schwebt langsam gen Boden. Sie sagt leise: "Dich hab ich schon lange nicht mehr gesehen. Ein Glück, dass ich dich treffe! Ich habe dir nämlich noch etwas mitzuteilen, etwas Wichtiges! Zum Beispiel warum Ryu eigentlich deine Kräfte haben will. Und angesichts deiner Probleme, die du momentan hast, könnte ich dir behilflich sein." Ich falle jedoch meiner Zwillingsschwester ohne zu überlegen in die Arme und lasse sie für einige Minuten nicht mehr los. Äusserlich hat sie sich kaum verändert: Dieselben langen, rot-braunen Haare wie die meinen, dieselben blau-grauen Augen, dieselbe Figur...und sie riecht immer noch so gut nach Lavendel; nur, als ich sie das letzte Mal gesehen habe, befand sich auf ihrer linken Wange noch keine Narbe. Entsetzt springe ich zurück. "Wer hat denn dein Gesicht so zugerichtet?", rufe ich laut aus. "Ach, meinst du das?", fragt sie ein wenig dümmlich und fährt sanft über ihre Narbe, die darauf prompt aufplatzt und anfängt, zu bluten. "Dummerchen!", fahre ich sie schockiert an. "Es ist ja nicht schlimm.", sagt sie mit sanfter Stimme, um mich zu beruhigen. "Ist alles in Ordnung!" "Gar nichts ist in Ordnung!", schreie ich Hitomi an, lege meine Hand auf die schwer blutende Wunde und starte den Heilungsprozess. "Du kannst von Glück reden, dass ich Heilkräfte besitze. Wer hat dich denn nun so entstellt?" Hitomis Augen blicken zu Boden und sie murmelt unverständliche Worte vor sich hin. "Was hast du gesagt?", frage ich streng. "Ich sagte, es war Ryu. Er hatte Wind davon bekommen, dass ich in die Haupthalle eingebrochen bin und versucht habe, deine Freundinnen zu befreien." Ryu...der kann was erleben! Wenn ich eins nicht ausstehen kann, dann ist es, wenn jemand meiner eigenen Schwester wehtut. Alles, was einen Anfang hat, hat auch ein Ende...in Ryus Fall ein Ende. Ich ziehe meine Hand wieder zurück. Die linke Wange von Hitomi ist wieder vollständig geheilt. Wütend stehe ich auf. "Wo befindet sich die Haupthalle?" "Du stehst vor ihr.", antwortet Hitomi kleinlaut. "Aber Katano und Ryu halten sich gerade dort auf." "Um so besser!", äußere ich mich heftig. Mittlerweile bebe ich vor Wut, und ich empfinde auch ein seltsames Gefühl...als ob ein wildes Tier aus mir herausbräche. "An deiner Stelle würde ich trotzdem nicht hineingehen. Schließlich hänge ich an meinem Leben, und an dem deinen. Du weißt...hinter der Tür lauern nur so um die hundert Dämonen, die nur darauf warten, dass du durch dieses Tor trittst, damit sie dich anschließend töten können. Glaub mir, es ist besser, wenn du noch nicht...Kasumi! Hör mir gefälligst zu!" Ich höre nicht auf sie und schmettere mich ununterbrochen gegen die Tür, die allerdings nicht nachgeben will, da ruft Hitomi mir hinterher: "Sie wollen deine Kraft, weil etwas tief in dir verborgen liegt...etwas sehr Starkes. Nur deshalb sind sie hinter dir her. Außerdem wollen sie deine Freundinnen und Kureno dazu benutzen, dich in eine Falle zu locken. Wenn du jetzt da hineingehst, könnte das verheerende Folgen haben." Hitomi ist den Tränen sehr nah, sinkt auf die Knie und fährt verzweifelt fort: "Ich bitte dich, gehe nicht!" Beschämt schaut sie zu Boden. "Bitte!" Eine einzelne Träne läuft ihr über die geheilte Wange. Zuerst zögere ich, dann fällt mir aber wieder ein, was ich zu tun habe. Ich habe den weiten Weg hierher doch nicht umsonst gemacht. Und ganz gewiss werde ich nicht aufgeben...nicht jetzt. "Wovor hast du Angst?", frage ich sie halbherzig. "Dass ich sterben könnte? Ich, für meinen Teil, bin dazu bereit! Meine Freunde sind da drin, und wer weiß, was Ryu ihnen antun könnte, vielleicht dasselbe, was er mir antun wollte. Ich spreche aus Erfahrung!" Der Gedanke daran, dass mich dieser Mistkerl beinahe vergewaltigt hätte jagt mir Schauer über den Rücken. Daran will ich gar nicht erst denken. "Versteh mich doch! Was soll ich denn sonst machen? Etwa warten, bis Katano sie abschlachtet? Nein, danke! Ich gehe jetzt da rein und zeige ihr, wo der Hammer hängt." Ich drehe Hitomi den Rücken zu und trete zur Tür. "Versuch nicht, mich aufzuhalten! Ich habe im Moment sehr schlechte Laune." "Kasumi!", ruft sie mir weinend zu. "Sie tun Kureno weh!" Das bringt mich zur Besinnung. Ich mache eine Halbdrehung und blicke ihr ins tränenüberströmte Gesicht. "Was?" Mit tränenerstickter Stimme fährt sie fort: "Du darfst das nicht sehen. Sie foltern ihn, versuchen, ihn auf ihre Seite zu bringen und ihn für ihre Zwecke auszunutzen. Dazu ist ihnen jedes Mittel recht. Er leidet! Wirklich, Kasumi, du solltest nicht...!" "Noch ein Grund, da rein zu gehen!", donnere ich laut. Mit aller Kraft stoße ich das Tor auf. Plötzlich stehe ich in einem kreisrunden Raum ohne Fenster und ohne weitere Tür. "Hier ist ja gar nichts!", flüstere ich verwundert. "Hitomi, was hat das zu bedeuten? Hitomi?" Ich drehe mich um, und schaue Hitomi ins Gesicht. Zu meinem Entsetzen sehe ich, dass sie gehässig grinst. Bevor ich handeln kann, werde ich von einer unsichtbaren Macht in den Raum gestoβen und eingesperrt. Von innen drücke ich so fest wie möglich gegen die Tür, doch diese gibt nicht nach. Ich sitze in der Falle. Verdammt! "Es gibt kein Entkommen, Kasumi!", höre ich jemanden von weitem zurufen. Dann ertönt Katanos schadenfrohes Lachen. Für ungefähr eine halbe Stunde schreie ich wie am Spieβ, hämmere auf die Tür ein und versuche, sie aufzubrechen. Ohne Erfolg! Ich sinke erschöpft zu Boden. Es bleibt nur noch zu hoffen, dass ich dieses "Abenteuer" lebend überstehe. Ich hätte mir doch gleich denken können, dass mit meiner Schwester etwas nicht stimmt. Sie liebt es doch so, mit meinen Gefühlen zu spielen. Aber dass sie so weit gehen würde, konnte ich nicht wissen. Jetzt bin ich in einem Raum eingesperrt, während meine Freunde immer noch gefangen sind. Und was ist mit Kureno? War alles, was meine Schwester mir neulich erzählt hat, eine Lüge? Ich kann ihr nun nicht mehr vertrauen, also kann ich auch davon ausgehen, dass sie mich angelogen hat. Jedenfalls hoffe ich das... Aber wieso tut sie so etwas? War ich etwa nie für sie da? Habe ich ihr nie geholfen, wenn sie Probleme hatte? Habe ich sie etwa nie getröstet, wenn sie traurig war? Wieso fällt sie mir so in den Rücken? Aber vielmehr ist die Frage, wieso ich keine böse Aura um Hitomi herum wahrgenommen habe. Doch das, was ich empfinde, ist nicht Trauer oder Verzweiflung, sondern purer Hass. Da hilft man seiner Blutsverwandten, und was bekommt man im Gegenzug? Warte nur, Schwesterherz! Ich bin auch nicht gerade ohne und ich werde es euch allen schon noch zeigen, was es heißt, sich mit Kasumi Takashi anzulegen...Mit einem gewaltigen Energieschub breche ich die Tür mit meinem Fußtritt so fest auf, dass sie noch zehn Meter weiter fliegt, bis sie mit einem lauten Knall auf dem Boden auftrifft. Für einen Augenblick bin sogar ich sprachlos, reiße mich aber schnell wieder zusammen und schaue mich um. Plötzlich fliegt etwas an meinem Kopf vorbei. Ich denke zuerst, dass es wieder ein Speer ist wie letztens, als Kureno und ich angegriffen wurden, doch mit Erleichterung stelle ich fest, dass es nur eine Fledermaus ist. Und da flattert ja noch eine! Logisch, denn jede Grotte beinhaltet irgendwelche Fledermäuse! Noch eine kommt angeflogen, dann noch eine. Langsam spüre ich mich unwohl in meiner Haut und denke, dass es das Beste ist, wenn ich mich endlich auf die Socken mache. Noch drei Fledermäuse fliegen an mir vorbei. Etwas ist hier oberfaul, denke ich unsicher...Ein leises Summen ertönt und hallt in der Ferne wider. Was es sein könnte, weiß ich nicht; das brauche ich auch nicht zu wissen, denn jetzt bin ich mir ganz sicher, dass etwas nicht stimmt und fange an zu laufen. Das Summen wird immer lauter und plötzlich bricht ein riesiger Fledermausschwarm aus einer der Nebenhöhlen in meiner nächsten Nähe heraus. Sie fliegen mit unglaublicher Geschwindigkeit auf mich zu und ich muss mich rasch ducken, um ihnen auszuweichen. Einige gleiten gefährlich nah an mich heran und versuchen, mich zu beißen. Ich schreie ihnen zu: "Ich bin nicht euer Futter, klar?" Doch wie ich schon geahnt habe, verstehen sie mich nicht und greifen mich weiter an. So langsam wird's eng! Vor mir sehe ich einen kleinen Spalt in der rechten Wand, durch den ich möglicherweise hineinpasse. Einen Versuch ist es allemal wert und ich laufe zur Wandspalte. Zuerst bleibe ich ein wenig stecken, doch im allerletzten Moment zwänge ich mich hinein, fliege nach vorn und lande unsanft auf meiner Nase. Die Fledermäuse jedoch bemerken mich nicht und fliegen weiter. Keuchend stehe ich auf und lehne mich an der Wand an. So ausgelaugt habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, aber das darf mich jetzt nicht abschrecken, denn ich habe den größten Kampf noch vor mir. Erschöpft stehe ich auf und müde und abgerissen verfolge ich weiterhin verbissen mein Ziel: Katano finden und auslöschen. Meine Abneigung gegen diese miese Schnepfe ist mit der Zeit noch stärker geworden. Hoffentlich ist meinen Freunden und Kureno nichts zugestoßen, denke ich immer wieder. Auf einmal fühle ich mich sehr allein und verlassen, aber ich habe auch etwas erkannt: den wahren Sinn meines Handelns. Was habe ich davon, Katano umzubringen? Es geht doch einzig und allein um meine Freunde, die ich schnellstens befreien muss. Katano ist nicht von Bedeutung. Wann hat sich dieser Killerinstinkt in mir derart entwickelt? Aber im Moment bleibt mir keine Zeit zum Nachdenken! Vorsichtig schaue ich hinter dem Spalt hervor. Niemand da und die Fledermäuse sind auch weg! Dann kann's ja weitergehen! Ich drehe mich noch mal schnell um, um festzustellen, ob mir auch ja niemand folgt und denke im Stillen: Bitte, lieber Gott, lass Sakura, Sora und Kureno wohlauf sein... In der Zwischenzeit im dunkelsten Verließ des Dämonenreichs: "Lasst uns raaaaaaaauuuuuus!", schreien Sakura und Sora, die mittlerweile verschleppt worden sind, in die Finsternis hinein. "Aaaaach!", seufzt Sakura. "Ich stehe kurz vor einem Nervenzusammenbruch." "Und ich erst!", entgegnet Sora heftig. Dabei wischt sie sich einmal kurz den Schweiß von ihrer Stirn. "Und was jetzt?", fragt sie ratlos. "Ich habe keine Ahnung." Sakura denkt für einen kurzen intensiven Augenblick nach. Schliesslich kommt sie zu einem Schluss. "Ich hab's. Ich würde sagen, hier kommen wir nie wieder raus." "Neeeeee, hast du das jetzt ganz alleine herausgefunden?" "Ach, halt doch die Klappe!", mault Sakura mürrisch zurück. "Sag mir lieber, wie wir hier wieder rauskommen." "Hast du nicht vor kurzem noch gesagt, dass wir das nicht können? Sakura, manchmal bist du einfach...pfff!" "Ja, raus mit der Sprache! Was bin ich manchmal?" "Vergiss es einfach, ja?" Sora hat keine Lust zum Streiten und lässt sich auf dem Boden niedersinken. "Sollen wir...singen?" "Wie??", schreit Sakura hysterisch, "bist du jetzt total übergeschnappt?" "Ich meine ja schlieβlich nur...wenn Kasumi uns schon retten kommt, beschäftigen wir uns in der Zeit und singen ein Lied." "Du spinnst wohl! Das ist nicht der richtige Augenblick fürs Singen!", poltert Sakura entrüstet. "Es ist genau der richtige Moment dafür. Wir müssen uns irgendwie von unseren negativen Gefühlen befreien...und Singen hat uns schon immer Mut gegeben. Also...singen wir nun oder nicht?" Sakura seufzt laut auf und stimmt schlussendlich zu. "Was sollen wir denn singen?" Sora lächelt sie nur an und zwinkert. Sakura hat schon verstanden und zusammen legen sie los: "Oshiete Moonlight Kyou no tsuzuki Ashita donna watashi ni naru Sei no bishi temo mada yoake no Sora wa mienai wa Demo shinjiteru no Doki meki kokoro o hako n deku Fly me to the moon!! Tobi dasuno yo Tsuki tokei tyodoo Hajimari no toki Fly me to the dream!! Tobun de yuku wa Hoshizora no Arch kienai uchi ni..." "Haltet endlich die Klappe!!!", schreit ein Wächter, sichtlich genervt. Ups! Die beiden hatten ja völlig vergessen, dass sie bewacht wurden. Aber das hat Spaβ gemacht...Und beide fühlen sich schon einigermassen entspannter. Nun können sie in Ruhe nachdenken, über das, was sie jetzt tun sollen. Plötzlich hören sie Schritte, die sich gemächlich auf sie zu bewegen. "Leise...hörst du das auch?", wispert Sora entsetzt. "Ja! Scheint, als kämen diese Kreaturen, um uns abzuholen." "Das sieht nicht gut für uns aus! War schön, dich getroffen zu haben, Sakura!", flüstert Sora leise und verkriecht sich in einer Ecke! "Nur nicht die Hoffnung aufgeben!", presst Sakura zwischen ihren Zähnen hervor. Eine dunkle weibliche Gestalt baut sich vor ihnen auf. "Es tut mir Leid, aber ihr werdet mir noch nützlich sein...als Geiseln!" In der Zwischenzeit hat es lange gedauert, bis ich ein Portal erreicht habe. Dieses Portal ist wunderschön verziert, doch ich sollte mich nicht von Äusserem täuschen lassen. (Wie Hitomi) Wer weiss, was mich erwartet, sobald ich es öffne. Plötzlich empfinde ich Angst...solche Angst um meine Freunde...und Kureno...ich fühle mich wie gelähmt. Doch da muss ich jetzt durch... Mit einem lauten Knall schlage ich das gewaltige Portal auf, nicht wissend, dass mir das Schlimmste noch bevorsteht. Kaum ist sie offen, schlägt mir der ekelhafte Geruch einer modernden tiefgehenden Grotte entgegen. Das bedeutet also, dass ich mich noch nicht im untersten Bereich der Dämonenwelt befinde. Doch mutig klettere ich hinunter. Haben die etwa tatsächlich gedacht, damit könnten sie mich aufhalten? Dummköpfe! Man merkt, dass der Weg lang und steinig bis in die tiefsten Ebenen des Dämonenreichs führt, es würde also lange dauern, bis ich wieder Licht bzw. Halbdunkel sähe. Hoffentlich greifen mich keine weiteren Blut saugenden Fledermäuse an, sonst kann ich frühzeitig mein Testament machen. Der Staub, der während meines Herabsteigens aufgewirbelt wird, schmerzt in meinen Augen. Auf einmal eine Vorahnung, wie ich sie schon mal hatte...Ich kenne diesen Ort... Unheimliche Stimmen in meinem Kopf flüstern mir leise zu, dass dies der Weg zu den Katakomben sei. Es solle zwei Abzweigungen tief unter der Erde geben. Die eine führe zu den Katakomben selbst, die andere zum Dämonenfriedhof (was nicht weniger beunruhigend ist). Ich weiβ nicht, ob ich diesen Stimmen trauen kann, ob ich irgendjemandem noch trauen kann, doch eines weiβ ich: Dies wird vielleicht mein letzter Kampf sein... Eine Unmenge von Dreck wird in die Luft geworfen, während ich mich bemühe, den Hang möglichst vorsichtig hinab zu steigen. Einmal bröckelt die Erde unter meinen Füβen hinweg und ich kann mich noch gerade fangen! Von nun an werde ich mir keinen Fehler mehr erlauben, oder besser gesagt, ich DARF mir keinen Fehler mehr erlauben, sonst wird es mehr als nur schlimme Folgen haben. Mittlerweile ist der Gestank der humiden Atmosphäre kaum noch auszuhalten. Es benebelt mein Hirn auf unangenehme Art und Weise und mein Kopf schwankt müde hin und her. Meine Augen tränen sehr stark wegen der Staubwolken. Jetzt heiβt es Kasumi gegen Mutter Natur. Die stickige Luft will mich dazu zwingen umzukehren. Dabei gibt es doch schon längst kein Zurück mehr und ich kämpfe erbittert weiter. Je tiefer ich hinunterklettere, desto wärmer wird es. Ehrlich gesagt muss ich mich arg zusammenreiβen, um nicht umzufallen. Ein leises, abfallendes Geräusch lässt mich zusammenzucken. Und unerwartet berühren meine Füβe wieder festen Boden. Katanos Lachen ertönt wieder. Das kann nur Gefahr bedeuten! In der Tat: Riesige Wassermassen stürzen auf mich herab. Blitzartig nehme ich meine Beine in die Hand und laufe so schnell ich kann weg. Doch weil meine Beine vom Hinabsteigen der Gruft so verkrampft sind, bereitet es mir enorme Schwierigkeiten, richtig zu laufen. Da bleibt mir nur noch eine Möglichkeit. Ich stelle mich hin und konzentriere mich, bereite mich auf einen Zauberspruch vor. Als das Wasser gefährlich nah an mich rangekommen ist, lege ich meine beiden Zeigefinger zusammen. Während sich Energie in meinen Fingerspitzen sammelt, kreische ich mit ganzer Kraft: "So einfach lass ich niemanden an mich ran / darum befehle ich ihr, Wasser, halt endlich an!!", und lasse die angestaute Energie frei. Nach Beenden des Spruchs hält das Wasser ruckartig an. Es sieht ziemlich komisch aus. Für Menschen wahrscheinlich nicht das Alltäglichste... Doch da die Welle schon mal stillstand, wieso sie nicht verdunsten lassen? Katano wird sich noch wundern... "Gewässer, ihr Wellen, nun lass ich mein Gerede / so verdunstet nun auf dem schnellsten Wege!!" Und wieder setze ich die für mich wohlbekannte Kraft frei. Nach und nach verdunstet das Wasser vor meinen Augen, wird langsam zu Schaum und sprudelt noch mal kurz auf bevor es sich komplett auflöst. Schlagartig meldet sich Katano zu Wort: "Ist das Ganze nur ein Spiel für dich?" Übereilt und unüberlegt gebe ich zurück: "Und was, wenn es so wäre?" "Dann werden deine Menschenfreundinnen deswegen wohl oder übel darunter leiden müssen. Tja, dir scheint komischerweise immer noch nicht klar zu sein, in welch misslichen Lage du dich befindest! Hiermit fordere ich dich heraus zu einem Kampf auf Leben und Tod! Aber natürlich nur, wenn du den Mut dazu hast, sie anzunehmen! Ansonsten töte ich dich...hier und jetzt!!" Wieder Katanos Lachen. Schnell werde ich übermütig und antworte ihr frech ins Gesicht: "Jetzt weiβ ich, wieso Ryu dich fallen gelassen hat wie eine heiβe Kartoffel: Du redest zu viel!" "Nicht mehr lange!", gibt Katano gehässig und mit einem breiten Grinsen zurück. "Zuallererst möchte ich, dass es hier ein wenig heller wird! Ich will dich sehen, wie du leidest und unter meiner Hand stirbst." Katano schnippt einmal kurz mit den Fingern, und schon erstrahlt der ganze Untergrund in vollem Licht. Um mich herum werden Grabsteine sichtbar; dies muss also der Dämonenfriedhof sein. Und bei meiner vorigen Lauferei bin ich auch noch zu meinem Entsetzen zufällig vor mein eigenes Grab gelaufen. "Was soll das? Wieso...??" Katano kichert flüchtig. "Nun ja, ich wollte dir die Mühe ersparen, so barmherzig wie ich doch bin, denn du hättest dir dein eigenes Grab sowieso selber geschaufelt. Das Zweite, was ich dir zeigen will...". Eine knappe Handbewegung von Katano und schon schwirrt eine enorme Glaskugel herbei. In ihr befinden sich zwei Gestalten. Als sie nahe genug herangeschwebt ist, erkenne ich dort bestürzt meine beiden Kameradinnen. "Sakura! Sora!", schreie ich laut auf. "Gib sie mir sofort zurück, du elende...!" "Aber, aber!", frohlockt Katano triumphierend. "Das Schärfste kommt erst noch!" Noch eine bündige Handbewegung von ihr, und eine schwer erkennbare Gestalt kommt hinter einem besonders groβen Grabstein hervor. Ich kann sie nicht identifizieren, doch ein sehr seltsames Gefühl empfinde ich allemal dabei. Das wird doch nicht...etwa... Die mir bekannte Person zeigt ihr Gesicht, indem sie vortritt. Am liebsten wäre ich in dem Augenblick gestorben... "Du...das ist doch...!" Vor lauter Sprachlosigkeit fällt mir das Atmen sehr schwer. Meine Augen füllen sich schnell mit Tränen, Tränen der Wiedersehensfreude. Er ist es...Kureno...Was habe ich ihn vermisst! Und ich dachte schon, er wäre vielleicht schon gestorben. Hastig laufe ich hin, um ihn zu umarmen...und werde unsanft zu Boden gestoβen. "Aber...!", äussere ich mich erschrocken. "Wieso tust du das? Was ist los?" Sogleich fällt mir auf, dass er irgendwie anders ist. "Was ist los mit dir, Kureno?", wiederhole ich abermals. Doch er verzieht nicht einmal die Miene. Seine Augen starren nur blank und glanzlos in die Leere. Wiederum schreitet er ein bisschen vor. Durch das helle Licht kann ich erkennen, dass seine Wunde als er vom Speer getroffen wurde, spurlos verschwunden ist. Sein Gesichtsausdruck ist genau derselbe als der, wo wir uns das erste Mal gesehen haben, doch leicht anders. Das erste Mal, finde ich, sah er mit diesem bösen Blick unverschämt attraktiv aus, doch jetzt ähnelt er dessen einer leblosen Marionette. "Was zum Teufel hast du mit ihm gemacht?", schreie ich Katano gequält an. "Wie denn? Hat deine Schwester dir das etwa nicht gesagt?" Moment mal, das ist nicht richtig. Woher weiβ sie, dass Hitomi mir das erzählt hat? "Wie auch immer. Kennst du denn deinen so genannten Freund nicht mehr?" Ohne Hast streckt sie ihre Handfläche nach Kureno aus; wie in Trance hebt er seinen Kopf und ich sehe ihm direkt in seine dunklen Augen, die in die Ferne schauen. Kurz darauf versetzt Katano ihm einen harten Schlag mitten ins hübsche Gesicht. Er reagiert nicht darauf. Schockiert und rasend brülle ich meine geschworene Feindin an: "Was soll der Scheiβ? Tickst du noch ganz richtig?" "Wieso sollte ich das nicht dürfen? Schlieβlich bin ich nicht so feige wie du. Du, der du ihn nicht beschützen konntest, bist schwach!", brüllt sie ebenso angewidert wie ich zurück. In Zeitlupe hebt sie erneut die Hand. "Jetzt erzähl ich dir mal etwas, etwas, das deinen Freund betrifft. Als du von mir ohnmächtig geschlagen wurdest, und ich zu ihm hinging, hat er jämmerlich um sein Leben gefleht, gesagt, ich sollte ihn verschonen, und dich an seiner Stelle töten. Das, genau DAS, ist dein Freund: Ein erbärmlicher Wicht, der es nicht wert ist zu leben. Der Kerl hat dich von Anfang an von vorne bis hinten beschissen... weil er wusste, was du für ihn empfindest. Soll er nicht jetzt dafür bezahlen? Willst du ihn einfach so davonkommen lassen?" Noch einmal knallt Katano mit der Hand auf Kurenos Wange. "Jetzt weht hier ein anderer Wind. Zuhören wird er dir wahrscheinlich nicht mehr. Jetzt, wo er nur noch mir gehorcht!" "Kureno, lass dir das ja nicht gefallen! Hörst du??" "Zwecklos! Ich habe dir doch eben noch gesagt: Er erfüllt nur noch meine Befehle, kapiert?" Dann schallert Katano ihm noch eine. "Der Wurm wehrt sich ja noch nicht mal mehr gegen mich!" Das, was Katano sagt, kann nicht stimmen...Kann einfach nicht sein...Ich habe es gespürt...vor dem Angriff waren wir uns so nah. War das etwa eine einzige Lüge? Liebe ist keine Lüge! Sie ist die Wahrheit selbst! Als Katano ihn zum wiederholten Male schlägt, ist es aus mit meiner Vernunft. Wutschnaubend renne ich auf sie zu, um sie zu erledigen, leider werde ich aber vorher von etwas Scharfem an der Wange gestreift, was mich völlig überrascht. Blut flieβt augenblicklich aus der Wunde. Nanu? Ein Schwert? Aber wo kommt es her? Langsam drehe ich mich um und erfasse zwei weitere Gestalten, die sich im Dunkel verstecken. Die eine hält ein Schwert in der linken Hand, die andere besitzt so etwas wie Krallen an den Händen. Beide tauchen hinter Katano auf. Die kenne ich doch!? In der Tat: Bei der Person mit der Hiebwaffe handelt es sich um Ryu. Ich seufze laut auf. Nicht der schon wieder! Dabei kann ich ihn auch so nicht vergessen, immerhin hätte er mich fast vergewaltigt. Uärks! Nicht dran denken, Kasumi, sonst kotzt du dir noch eines Tages die Seele aus dem Leib! Die begleitende Person tritt ebenfalls ins Licht. "Aber...das...!" "Ja, genau!", schneidet Katano mir das Wort ab. "Ihr kennt euch doch so gut, da dachte ich, du seist nicht im Geringsten überrascht!" "Hitomi!", fahre ich sie aus Enttäuschung laut an. Hitomi setzt ein hinterhältiges Grinsen auf. "Ich dachte, du hättest es verstanden, als ich dich in den Raum geschubst und eingesperrt habe. Aber nie im Leben hätte ich mir denken können, du seist derart naiv! Schwesterherz!" Fassungslos schüttele ich den Kopf. "Ich habe keine Schwester mehr!" Katano beobachtet freudestrahlend das Szenario, das immer abstrusere Formen annimmt. Hitomi fährt unbeirrt fort. "Aber vorhin habe ich nicht gelogen. Das musst du mir doch zugestehen, nicht wahr?" Ich schweige in der Zwischenzeit. Ihr kann ich nie wieder vertrauen. "Ach komm schon! Nimm's mir nicht übel, aber ich mag keine Schwächlinge!" Schwerfällig stehe ich auf und starre ihre Augen mit den meinen an. "Du weiβt nicht, was schwach sein bedeutet. Aber ich verrat dir was...Schwächling ist ein Synonym für "Hitomi"! Was du tust, ist gleichzeitig hinterhältig, gemein und SO was von schwach. Sag mir, wieso! Wieso tust du etwas Derartiges?" Hitomis Grinsen verblasst. "Willst du das wirklich wissen?" Ich nicke kurz. Hitomis Augen verengen sich. "Nun, Kureno ist mein Freund!" "WAS?" "Du hast richtig gehört. Eigentlich war das Ganze für mich nicht mehr als nur ein dummes Spiel...bis du dich an ihn rangemacht hast." "Aber wie konnte ich das denn wissen?! Ausserdem hab ich mich gar nicht an ihn rangemacht, es ist genau umgekehrt herum gewesen!" Hitomi zuckt mit den Achseln. Dabei blickt sie mich intensiv an. "Du hast ihn mir abspenstig gemacht! Das ist alles deine Schuld!" Es reicht mir jetzt! Alle sind sie gegen mich...Ich habe es endgültig satt, dass jeder nur mich beschuldigt. Für alles, was dir angetan wurde, gib Kasumi die Schuld! Geh zu Kasumi, denn sie ist schuld daran, dass du dich so miserabel fühlst! Dreh Kasumi den Hals um, war es doch ihre Schandtat! Die ganze Sache stinkt zum Himmel! Zuerst Katano, jetzt auch noch meine eigene Blutsverwandte! Denkt irgendjemand hier überhaupt einmal nach? "Kureno wurde verletzt, weil er dich beschützen musste!", fährt Hitomi aufgebracht fort. "So, so!", antworte ich ihr gleichmütig. "Wieso unterstehst du dann eigentlich einer Person, die ihm wehgetan hat? Sag mir...Was für 'ne falsche Freundin bist du eigentlich? Frech von dir, zu behaupten, er wäre dein Freund! Oh Gott, so warst du noch immer, Hitomi! Man weiβ nie, was du denkst." Wieder schieβen mir Tränen in die Augen. Die Situation erscheint mir so hoffnungslos...wenn nicht mal Kureno an meiner Seite steht, meine Freundinnen gefangen sind, und Hitomi sich mit Katano zusammen gegen mich stellt; ausserdem bleibt noch mein Beinahe-Vergewaltiger Ryu, der Dämonenkönig. Das ist ein Albtraum, ein schrecklicher Albtraum!, denke ich mir sehr leise. Mein Körper bebt regelrecht vor Wut und Trauer. "Was ist denn mit dir?", fragt mich Katano mit heuchlerischer Stimme. "Du weinst ja!? Schön, so alte Bekanntschaften, hm?" Ein plötzliches Strecken ihrer Arme (sie will mich hauen, denke ich verzweifelt) und ich versenke meine spitzen Zähne in Katanos Handgelenk. Dir zeig ich's noch, Katano Nerashi! "Lass sofort los, Ungeziefer!", schreit Katano tobend und boxt mir in die Magengrube. Ich krümme mich vor Schmerzen, lasse mich auf dem dreckigen Boden nieder und halte mir meinen Bauch. Katano bekommt wieder mal einen ihrer Lachanfälle. Hämisch wendet sie sich mir zu, währen sie die Stelle reibt, wo ich sie gebissen habe: "Wie du siehst, halte ich alle Trümpfe in der Hand! Also...Gib auf oder stirb!" Zähneknirschend beobachte ich sie, wie sie um mich herum scharwenzelt. Noch einmal will ich sie attackieren, doch Kureno packt mich am Arm und schleudert mich grob nach hinten. Unsanft schlage ich auf dem harten Steinflur auf. Diesmal weine ich richtig. Noch nie war ich so verzweifelt. Zitternd stehe ich auf. Ryu lächelt mich von weitem her an: "Dem Kerl zu vertrauen war das Dümmste, was du machen konntest. Der wickelt doch gerne unschuldige Leute um den Finger. Mann, er ist ein so gewiefter Lügner!" "Und ein fantastischer Schauspieler!", fügt Hitomi hinzu. Sofort werfe ich meiner ehemaligen Schwester einen vernichtenden Blick zu. "Jedenfalls...", sagt Katano mit ruhiger Stimme, "...wirst du nun sterben. Kureno?" Dieser stellt sich mir daraufhin bereitwillig entgegen, entschlossen, mich zu töten! Immer noch weine ich bittere Tränen. Ich kann nicht kämpfen und ich will auch nicht kämpfen. Ich will nichts von alldem. Ich wünsche mir nur nichts sehnlicher, alles sei wieder wie früher. Ach, wäre ich doch nur nicht so feige gewesen und zu ihm gerannt, als er blutverströmt am Boden lag...Durch mich ist er...ist er... Warum hätte er mich wohl anlügen sollen? Wieso hat er mich dann in Schutz genommen? Um mein Vertrauen zu gewinnen? Wäre möglich...doch warum braucht er dann Katanos Gehirnwäsche? Wenn er doch von Anfang an nur darauf aus war, mich reinzulegen?... So viele Fragen, und keine kann ich beantworten. Meine Gedanken sind derart in Aufruhr. Werde ich mich wohl jemals davon erholen? Aus lauter Kummer bemerke ich nicht, dass Kureno mich eben umgebracht hat! Sein Schwert, das er benutzt hat, um Ryu die Hand abzuschlagen, hat meinen Körper durchbohrt. Ich wusste nicht, dass ein Schwert, das aus einem herausragt, sich so angenehm anfühlt, wenn man unter Schock steht...Die ersten Bluttropfen fallen, dann entsteht ein Rinnsal, das gen Erde flieβt... Langsam zieht Kureno das Schwert wieder heraus. Er macht dies gemächlich, ohne zu hetzen und groβe Anstalten zu machen, es möglichst schnell zu beenden. Mir versagt die Atmung. Ich falle leblos zu Boden, leblos, ohne mich zu bewegen, geschweige denn aufzustehen. ,Das ist ein Albtraum!' ist mein letzter Gedanke... Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)