"Benedictio Diaboli" - Blutrosen von Archimedes ================================================================================ Kapitel 1: ----------- Raffael erwachte früh, noch bevor Praios´ Scheibe am Himmel stand. Er hatte nach dem nächtlichen Überfall kaum ein Auge mehr zu getan. Seinen Traum hatte er völlig vergessen. Im Moment hatte er andere Sorgen, als eine zerstörte Traumstadt. Seine Familie war in Gefahr und er war verantwortlich dafür. Zumindest glaubte er das. Wie sollte er jetzt mit dieser Situation umgehen? Zu Oruha konnte er nicht gehen. Sie würde ihn niemals kampflos aufgeben. Und die Anderen würden es ihr, auf ihr Geheiß hin, gleich tun. Fortgehen konnte er auch nicht. Im freien Feld war er Farviriol ausgeliefert. Raffael war ein Stadtkind. Er würde sich in der Natur nicht zurechtfinden. Die Lage war verzwickt. Raffael war kein sehr religiöser Mensch, aber eines wusste er sicher: Dem Diener eines Erzdämonen würde er sich niemals unterwerfen. Raffael ging über einen kleinen Hügel hinunter ans Ufer des Barun Ulah. Er pflückte eine der blauen Wildblumen und blickte sie bedauernd an. >> Eine Blume müsste man sein<< dachte er bei sich. >> stehst hier Tag ein, Tag aus mit nichts als der Sorge, dich in Richtung der Sonne zu drehen.<< Raffael zerdrückte sie mit traurigen Augen in seiner Hand, bis nur noch ein blau-schwarzes Muß von ihr übrig war. Er watete einige Schritt in das kalte Wasser hinein, öffnete seine Haare, schloß die Augen und tauchte seinen Kopf unter Wasser. Das eisige Naß ließ ihn erschauern, klärte aber seine Gedanken. Er musste mit seiner Ziehmutter sprechen. Er hatte keine Wahl. Allein konnte Raffael sich Farviriol nicht stellen. In ihm keimte leise die Hoffnung, dass er den Elfen überschätzte und sie gemeinsam etwas gegen ihn ausrichten konnten. Raffael harrte eine kleine Unendlichkeit unter Wasser aus. Erst als seine Lungen zu platzten drohten, richtete er sich ruckartig wieder auf. Raffael rang nach Luft. Wasser perlte auf seiner brauen Haut seinen Körper hinunter und nässte seine Verbände ein. Einzelne Haarsträhnen waren ihm ins Gesicht gefallen. Raffael schob sie beiseite und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht. Er untersuchte seinen Verband an den Rippen, ob er noch richtig saß. Nachdem er sich sicher war, dass er hielt, stieg er aus dem Wasser. Vor ihm stand Fadime. Er hatte sie nicht kommen gehört. "Hallo" meinte sie. "Morgen." Erwiderte Raffael mürrisch. Er trat an ihr vorbei und machte ein paar Schritte. Fadime blieb abgewandt stehen. "Das hast du früher auch schon gemacht." Raffael blieb stehen, drehte sich um. "Was?" "Na das." Raffael war irritiert. Fadime stand immer noch mit dem Rücken zu ihm und zeigte auf den Fluss. "Als du klein warst und du Ärger hattest, hast du deinen Kopf auch immer unter kaltes Wasser getaucht. Es hat dir geholfen, einen klaren Verstand zu bekommen." Fadime drehte sich langsam und mit einem traurigen Lächeln um. Sie hatte geweint und auch jetzt konnte sie ihre Tränen kaum zurück halten. Raffael war nie besonders stark gewesen, wenn es um den Umgang mit einer weinenden Frau ging. "Hey, so hässlich bin jetzt auch nicht, dass du gleich weinen musst." , neckte er sie grinsend. Er ging auf sie zu. Fadime zitterte. "Ich will nicht, dass er dich mitnimmt!" brach es aus ihr heraus. Die Tränen begannen zu fließen. Raffael blieb stehen, seine Augen weiteten sich, wurden dann wieder schmal, als er verstand, was Fadime meinte. Er blickte ihr fest in die Tränen verweinten, braunen Augen, ging auf sie zu und nahm sie in die Arme. Fadime krallte sich in seinen Verband und fing an zu schluchzen. Raffael hielt sie fest. "Woher weisst du von "ihm"?" fragte er die aufgelöste Frau. "Oruha hatte gestern, nachdem du versorgt warst, eine Familiensitzung einberufen. Pawla hat von dir gesprochen und einem Elfen, der dich in der Nacht besuchen würde. Die Hexe meinte, dass er dich mit sich nehmen wird." Fadime weinte in Raffaels Verbände. "Da hat die Alte mir aber was verschwiegen." Raffael drehte in Gedanken Pawla ihren dürren Hals um, dafür, dass sie ihn nicht vorgewarnt hatte, dass Farviriol in der Nacht bei ihm auftauchen würde. Fadime hob ihr rot geweintes Gesicht an und schaute bettelnd in Raffaels Augen. "Raffael, geh nicht mit ihm!" "Ich fürchte, das hat er nicht zu entscheiden, Cherié." ,sagte eine Stimme hinter ihnen. Raffael und Fadime drehten sich gleichzeitig um, hielten sich aber immer noch in den Armen. "Welch schöner Anblick, dieses Leid in deinen Augen junges Mädchen. Aber es wäre schön, wenn du deine Hände von meinem Besitz nehmen würdest," Farviriol stand mit seiner gewohnten Kleidung in fünf Schritt Abstand auf dem kleinen Hügel. Er war mit einem Juwelen besetzten Krummsäbel an der Seite bewaffnet. Seinen rechten Arm hatte er lässig in die Hüfte gestellt. Der Elf maß die junge Frau mit abschätzigem Blick. Raffael war das nicht entgangen. Er stellte sich schützend vor Fadime und fixierte jede Bewegung Farviriols. "Natürlich, der junge Held beschützt die schöne Frau. Es hätte mich auch gewundert, wenn du´s nicht versuchen würdest." Der Elf lachte heimtückisch. "Ist er das?" fragte Fadime an Raffael gewandt. "Ja" bestätigte Raffael. Er neigte den Kopf in Fadimes Richtung, ohne den Elfen aus den Augen zu lassen. "Mach dir keine Sorgen, dir passiert nichts." flüsterte er ihr zu. Farvirol kam den Hügel langsam herunter. Seine linke Hand legte sich gelassen auf den Griff seines Säbels. Er bedachte die Frau noch einmal mit einem strafenden Blick, wandte sich dann mit freundlichem Lächeln Raffael zu. "Du weißt, warum ich hier bin." Er streckte lächelnd die rechte Hand nach dem Gesicht des Hexers aus. Raffael zuckte zusammen. "Fasst meinen Bruder nicht an!" Fadime schlug nach Farviriols Hand. "Ihr habt kein Recht hier zu sein." sagte sie stolz. Farviriol spießte Fadime mit Blicken regelrecht auf. "Weisst du Cherié, mit dem Recht ist das so eine Sache." Innerhalb eines Sekundenbruchteils packte er mit seiner freien Hand Fadimes Hals. Er war zu schnell, als dass Raffael hätte reagieren können. Farviriols linke Hand ruhte immer noch auf dem Griff des Säbels. "Der, der die Macht hat, bestimmt, was recht ist und was nicht." Farvirol begann langsam zuzudrücken. "Du zum Beispiel, hast kein Recht mich zu schlagen!" Ein leises Knacken war zu hören. Raffael klammerte sich an den Arm des Elfen und versuchte seinen Griff zu lösen. "Lasst sie los, ihr bringt sie um!" schrie Raffael. "Was du nicht sagst." meinte Farvirol amüsiert. Raffael schlug verzweifelt auf Farviriols Arm ein. Dieser beachtete seine hilflosen Versuche nicht einmal. Fadime bekam keine Luft mehr. Sie krallte ihre Fingernägel in die Hand des Elfen, bis sie blutige Striemen hinterließen, die sich aber innerhalb Sekunden wieder schlossen. Ihre Augen weiteten sich in Todesangst. "Lass sie los du Bastard, oder ich bring dich um!" kreischte Raffael. "Du willst mich töten?" Farvirol fing an, laut zu lachen. "Du willst sie retten und kannst nicht einmal dich selbst verteidigen!" höhnte er. Der Weißhaarige verstärkte seinen Druck noch etwas. Fadimes Arme sanken an ihren Seiten herunter. Ihre Beine gaben nach. Nur Farvirols Griff hielt sie noch aufrecht. Sie hatte die Augen geschlossen. "Aber gut, versuch dein Glück." Farviriol schleuderte Fadimes Körper von sich. Reglos blieb sie anderthalb Schritt neben ihm liegen. "Ich gebe dir sogar meine Waffe. Als Zeichen meiner Fairness, du bist schließlich verletzt." Farviriol rammte mit bösem Lächeln seinen Säbel vor Raffael in den Boden. "Aber ich schätze, den Ausgang unseres kleinen Spielchens wird das nicht beeinflussen." Raffael schaute auf den Säbel, der vor ihm im Boden steckte. Dann blickte er unschlüssig den Elfen an. "Na los, heb ihn schon auf, oder traust du mir nicht?" Farviriol streckte die Arme mit Unschuldsmiene weit von sich. "Nein, ich traue Euch nicht" bestätigte der Hexer. Raffael bückte sich nach der Waffe, ohne den Elfen aus den Augen zu lassen und hob ihn auf. Raffael hatte bisher nicht oft mit einer Klingenwaffe gekämpft, aber was für eine Wahl hatte er schon? Er vollführte einige Probeschläge und griff ohne Vorwarnung an. Raffael versuchte den Schlag möglichst präzise zu setzen. Er musste einfach treffen! Viel hing davon ab. Aber er traf nicht. Sei Gegner war von einem Sekundenbruchteil auf den anderen einfach nicht mehr da! Raffael stolperte haltlos nach vorn und musste einen hastigen Schritt zur Seite machen, um nicht vom Schwung seiner eigenen Bewegung umgerissen zu werden. Er war eben kein Kämpfer. Noch während er versuchte sein Gleichgewicht wieder zu erlangen, hörte er hinter sich ein leises Lachen. Raffael wirbelte herum und bekam im selben Augenblick einen Schlag gegen den Brustkorb versetzt. Der Hexer ging mit einem leisen Keuchen in die Knie. >>Warum muss der Elf auch immer gegen die Rippen schlagen?<< dachte Raffael. Farvirol ging lächelnd auf ihn zu und reichte ihm eine Hand. "Brauchst du etwas Hilfe beim Aufstehen?" spottete er. Als der Weißhaarige nach Raffael greifen wollte, riss er den Säbel instinktiv nach oben, ohne groß zu zielen. Wie immer er es auch angestellt haben musste, das Glück war diesmal auf seiner Seite. Vielleicht hatten die Götter selbst seinen Schlag geführt. Raffael traf. Er konnte das Reißen von Stoff hören. Farvirol blickte überrascht auf die Wunde quer über seinem Oberkörper. Sein Mantel war zerschnitten und tränkte sich mit frischem Blut. Raffael taumelte einige Schritte rückwärts. "Wer braucht jetzt Hilfe beim Stehen?" keuchte er siegessicher. Farvirol lachte, zog ungerührt Mantel und Hemd aus und fuhr über die blutende Stelle. Sobald seine Finger sie berührt hatten, versiegte der Blutfluss. Seine Damast farbene Haut war völlig unversehrt. Er führte seine blutverschmierten Finger zu seinem Mund und leckte sie mit einem wahnwitzigen Lächeln ab. Dabei sah er den Hexer begierig an. Raffael stand zitternd da. Er hatte Todesangst. Konnte diesen Mann denn gar nichts verletzten? Der Säbel glitt ihm aus der Hand und fiel zu Boden. Raffael war unfähig sich zu bewegen, geschweige denn gegen diese Kreatur der Niederhöllen zu kämpfen. "Es ist lange her, dass ich mein eigenes Blut gesehen habe." gestand Farviriol anerkennend. "Aber sieh her, du kannst nicht gewinnen und das weisst du." kicherte er. Raffael blickte auf Fadime. Sie lag einfach so da, bewegte sich nicht. >>Sie kann nicht tot sein. So leicht stirbt man nicht.<< dachte er. Farviriol ging auf Raffael zu, packte ihn am Arm und zog ihn mit sich. "Es wird Zeit, meine Männer haben schon alles vorbereitet." Farviriol bückte sich kurz nach seinem Säbel, steckte ihn zurück in die Scheide, ging ein Stück und hob seine Kleidung auf. Raffael starrte gebannt auf Fadime, während er von dem Elfen den Hügel hinauf gezerrt wurde. >>Sie kann nicht tot sein. So leicht stirbt man nicht.<< wiederholte er in Gedanken. Für Raffael verging eine kleine Ewigkeit, bis er sich eingestand, dass Fadime nicht einfach aufstehen würde, ihn anlächelte und ihn wieder zu ärgern begann, dass sie nicht sagen würde: >>Ich hab dich reingelegt, du hättest dein Gesicht sehen müssen!<< und ihm dann eine lange Nase drehte. Sie würde nicht aufstehen. Nie mehr. Er wandte seinen Blick zu Farviriol. Er sah auf den grazilen, ebenmäßigen Rücken des Elfen, der umspielt wurde von silberweißem, hüftlangen Haar, das nach Rosen duftete, jener Duft der jede Frau zur unwiderstehlichen Versuchung gemacht hätte. Ja, dieser Elf war schön, so schön wie niemand, den Raffael sonst kannte, doch sein Innerstes war verfault. Dieser Mann hatte vermutlich schon vor Jahren das Wichtigste verkauft, das ein jedes Lebewesen besitzt. Jenes strahlende Licht, das einen Mitgefühl, Erbarmen und Gnade lehrt. Jene glühende Kraft, die Wärme, Freundschaft und Liebe spendet. In diesem Mann gab es nichts mehr davon, nichts außer Dunkelheit, Mordlust und pervertierter Begierde. Als Raffael auf dem Hügel stand, begann er still zu weinen. Der laue Morgenwind wehte durch sein langes, noch feuchtes Haar. Er blickte in das kleine Tal, über dem Rauch aufstieg, von brennenden Zelten, die seit fünfzehn Jahren sein Heim gewesen waren. Schreie von fliehenden Menschen drangen an sein Ohr. Schreie, die verstummten, sobald die roten Reiter auf ihren nachtschwarzen Rössern, ihre Bögen spannten. Die, die nicht den Tod fanden wurden zusammen getrieben und in Ketten gelegt. Was hatte Pawla doch gleich gesagt? >>" Zu seinen Aufgaben gehört unter anderem die Beschaffung von neuen Sklaven<<" Raffael sah Oruha. Seine Mutter stand vor einem der kleineren Wohnzelte, kämpfte verbissen um das Leben eines Kindes, eines der Kinder, die im Zirkus zur Welt gekommen waren. Sie war bereits von zwei Pfeilen getroffen worden, doch sie stand immer noch schützend vor dem kleinen Jungen, der verzweifelt versuchte seine Mutter, die neben ihm lag, wieder aufzuwecken. Doch sie wachte nicht auf. >>Genauso wie Fadime nicht mehr aufwachen wird<< dachte Raffael. Er starrte wie in Trance auf das brennende Lager. Er hatte sie nicht kommen gehört, hatte nicht mitbekommen, wie das Lager gebrandschatzt worden war. Er war der festen Überzeugung gewesen, dass wenn er Farviriol töten würde, sein Leben wieder in normalen Bahnen verlaufen würde. Wie hatte er sich der Vorstellung hingeben können, der Elf würde alleine kommen? Und warum hatte Pawla das nicht vorausgeahnt? Oruha wurde von einem weiteren Pfeil getroffen. Raffael konnte sehen, wie ihre Augen brachen und sie zu Boden sank. Sie hatte ihren letzten Kampf verloren. Einer der roten Dämonen stieg von seinem Pferd, ging auf den Jungen zu. Der Junge sah den Mann mit rot geweinten, unschuldigen Augen ohne Furcht, ohne Hass an. Der Mann zog seinen Säbel, hob seinen Arm. Raffael begann zu zittern. "nein...", stammelte er leise. Der Schwertarm des Mannes surrte durch die Luft. "NEIN!!!!!!!!!" schrie Raffael. Er versuchte sich loszureißen, doch Farviriol hielt ihn erbarmungslos fest. "Aufhören, aufhören!!" schrie er. Raffael schaute hasserfüllt zu Farviriol auf. Er erkannte, dass er nicht den Befehl zum Rückzug geben würde. Im Gegenteil, seine Augen verfolgten verzückt das grausame Schlachten, das unter Raffaels Familie angerichtet wurde. "Warum?" fragte er Raffael fassungslos. "Ich wäre freiwillig mit Euch gegangen." sagte er. "Ich wäre doch freiwillig mit Euch gegangen!" wiederholter er schreiend. Farviriol richtete seinen kalten Blick aus diesen schönen, grünen Augen auf Raffael. "Ich hatte dir gesagt, dass ich mir eine Entschädigung hole." erinnerte er. Dann rammte Farviriol dem Hexer seine Faust in die Magengegend. Raffael wurde schwarz vor Augen und verlor augenblicklich das Bewusstsein. Er sackte zusammen. Der Elf fing ihn sanft auf und trug ihn in seinen Armen zu einem der Pferde. Er stieg auf und platzierte Raffael vor sich auf dem Pferderücken. Dann gab er Befehl zum Aufsitzen. Die Elitegarde trieb die letzten Gefangenen zusammen und setzte sich in Bewegung. Zurück blieben zerstörte Leben und Träume im Morgenrot der aufgehenden Sonne. Als Raffael erwachte, waren seine Glieder wie aus Blei. Er musste lange geschlafen haben, zumindest kam es ihm so vor. Er konnte das Pochen seines Herzschlages in jedem Zentimeter seines Körpers fühlen, so sehr hatte Farviriols Schlag gesessen. Er wünschte sich, mal wieder einen Tag auf zuwachen, ohne, dass ihm irgend etwas weh tat. Raffael spürte den Wind in seinem Gesicht, hörte die Geräusche der Pferdehufe und ihren aufgeregten Atem. Raffael öffnete die Augen. >>Es muss Mittagszeit sein<< dachte er, denn die Sonne schien ihm ins Gesicht. Er hob eine Hand vor seine Augen, damit sie ihn nicht blendete. Raffael sah hinunter und betrachtete das Ross, auf dem er saß. Es war ein herrliches Tier. Schwarz wie die Nacht und von kräftigem Wuchs. Obwohl es für einen Shadif recht breit gebaut war, tat die Statur der Schnelligkeit des Tiers keinen Abbruch. Der Wind spielte verträumt mit der vollen, glänzenden Mähne des Pferdes. Er blies das seidene Haare von einer Seite zur anderen, als ob kleine Windgeister ihren Reigen ihn ihm tanzten. Raffael musste unwillkürlich lächeln. Er hatte als Kind früher oft bei Azil vorne mit auf dem Pferd gesessen. Raffael hatte sich immer an seinen Vater gekuschelt, der ihn schützend im Arm gehalten hatte, damit er nicht herunterfiel. Nirgends sonst hatte er sich so sicher und geborgen gefühlt. Raffael lehnte sich an den warmen Körper der hinter ihm auf dem Pferd saß. Der Duft von Rosen stieg ihm in die Nase und kroch bis in den letzten Winkel seines Verstandes. Seine Miene erstarrte zu Eis. Wie konnte er vergessen, wo er sich befand?! Raffael hob leicht den Kopf, um in das bezaubernde Antlitz jener Person zu blicken, die in nur einer Nacht sein bisheriges Leben zerstört und alle Freunde seiner Kindheit der Verdammnis übergeben hatte. Grüne, Edelstein farbene Augen fingen seinen kalten Blick auf. Das wohlbekannte Grinsen erschien auf Farviriols Gesicht. Dann wandte der Elf sich, ohne ein Wort zu verlieren, wieder dem Weg vor ihnen zu. Raffael setzte sich auf. Er schaute nach hinten über Farviriols Schulter. Die Männer, die der Elf mitgebracht hatte, führten einen riesigen Holzkarren mit sich, in dem die überlebenden des Massakers zusammen gepfercht waren. Viele waren verletzt, aber nicht schwerwiegend. Die Wunden würden alle binnen einiger Tage verheilt sein. Doch was war mit den Verletzungen der Seele? Raffael fand Meshuha und zwei weitere Artistinnen unter den Überlebenden. Auch Truxes war dabei. Von Pawla und Alrik fehlte aber jede Spur. Farviriol hatte an die zehn Personen gefangen genommen. Darunter befanden sich bis auf Truxes ausnahmslos junge und hübsche Frauen. >>Niemand kauft alte und kranke Sklaven<< dachte Raffael verächtlich. >>Wie oft wird er diese Art von Raubzügen schon geplant und ausgeführt haben?<< "Monster" entrann es leise seiner Kehle. "Wie?" meinte Farviriol überrascht. "Wenn du mir was zu sagen hast, dann sag es laut und deutlich. Nach zweihundert Jahren ist es mit meinem Gehör nicht mehr zum besten bestellt." Er legte seinen Kopf auf Raffaels Schulter und lehnte leicht an sein Gesicht, damit er ihn besser verstehen konnte. "Fasst mich nicht an!" grollte Raffael. "Hab ich nicht vor. Das Monster wartet bis es daheim in seinem Reich ist." flüsterte der Elf mit schmeichelnder Stimme. "Wie ich sehe, geht es dir besser. Eine Zeit lang hatte ich die Befürchtung, ich hätte zu hart zugeschlagen und du würdest dich auf Golgaris Schwingen davon machen." sagte er lapidar. "Hmpf, das wäre mir lieber gewesen." sagte Raffael. "Bedauerlich, da müsste ich mir ja ein neues Spielzeug suchen. Und dabei verdankst du dein Leben mir. Eigentlich solltest du dich glücklich schätzen..." erwiderte Farviriol enttäuscht. "Ihr habt alle, die ich kenne getötet, und die, die überlebt haben werden zusammen mit mir in die Sklaverei verschleppt. Verzeiht, dass ich den Tod Eurer Gesellschaft vorziehe." erklärte der Hexer schnippisch. "Ich würde Euch ohne zu zögern töten, wenn sich mir die Möglichkeit bietet!" Raffael rammte seinen Ellbogen gegen den Elfen. Er wollte ihn möglichst auf Abstand halten, soweit wie es ihm auf einem Pferd eben möglich war. Raffael war die Nähe zu Farviriol mehr als unangenehm und er hasste es, wie dieser Mann ihn berührte. Raffael dachte einen Moment über Flucht nach, doch der Moment war ungünstig. Farvirols Leute waren beritten und sie waren mindestens sechs Stunden von Zorgan entfernt, schätzte er. Sein Stab stand ihm nicht zur Verfügung, also war es ausgeschlossen die Strecke im Flug zu bewältigen. Und zu Fuß würde er die Stadt nie erreichen! Und da gab es noch ein weiteres Problem: Raffael dachte nicht im Traum daran seine Leute bei Farviriol zu lassen. "Du hast Recht, dieses Pack wird ein neues Leben in Oron führen." Raffaels Gedanken wurden je unterbrochen. "Die Frauen sind ja recht ansehnlich und auch ein Schelm wird gut geeignet sein, um die Freuden der höheren Gesellschaft zu befriedigen. Alles in Allem war heute ein erfolgreicher Tag. Sie werden mir gutes Geld auf dem Markt bringen." fuhr Farviriol fort. "Ihr sprecht von meiner Familie, wie von einer Ware!" sagte Raffael angewidert. "Das hier sind lebende Menschen!" "Selbstverständlich leben sie. Tot wären sie ja nur halb so viel wert!" meinte der Elf ungerührt. "Warum ein Schaustellerlager? Was hat euch ausgerechnet hierher geführt?" fragte Raffael "Du fragst nach dem Warum? Es gab es keinen bestimmten Grund, ich hatte mich gelangweilt. Es ist meine Aufgabe neue Sklaven zu besorgen. Woher ich sie nehme ist doch egal, oder? Aber wenn es dich leichter schlafen lässt, dann nenn es Zufall, oder Schicksal wenn du willst." "Und was habt Ihr mit mir vor?" fragte Raffael trocken. "An wen werde ich verkauft werden?" Farviriol fing an zu lachen. Er zog an den Zügeln und brachte sein Pferd am Wegrand zum stehen. Er drehte Raffael halb zu sich herum, hob sein Kinn und schaute ihm in seine grünen Augen. "Du wirst nicht verkauft werden. Du wirst mir die nächsten Wochen die Langeweile vertreiben. Du wirst dich wehren und die Götter verfluchen, dafür, dass du meine Gesellschaft teilst. Aber nach einer Weile dann, wirst auch du dich der Verzückung der Shaz-Man-yat hingeben und deine Freuden im Schmerz und meiner Gegenwart finden." Farviriol lächelte flüchtig, beugte sich näher an Raffaels Gesicht ,streichelte seine Wange und versuchte ihn zu küssen. Raffael drehte seinen Kopf zur Seite. Ekel überfiel ihn. Ihm war nie der Gedanke gekommen, sich mit einem Mann einzulassen. Er liebte die Frauen, ihre Weichheit und die Wärme, die ihre Rundungen während des Liebesaktes verströmten, ihren Geruch und die Geborgenheit, die sie ihm gaben. Und dennoch, dieser Mann war schöner, als jede Frau, die Raffael bisher gehabt hatte. Schöner als Fadime es jemals hätte sein können. Er musste sich davor hüten, nicht zu vergessen, wer Farviriol war. Das menschliche Auge lies sich allzu gerne durch Schönheit blenden. Das wusste Raffael. Und ebenso wusste er, dass Farviriols Ausstrahlung nicht nur auf seiner elfischen Herkunft basierte. Diese Tatsache durfte er niemals in den Hintergrund treten lassen! "Aber auch das wird aufhören. Irgendwann wirst du dich nicht mehr abwenden" versicherte der Weißhaarige lächelnd. Raffael vernahm hinter ihnen leises Gelächter. Er sah über Farviriols Schulter und erblickte seine Männer. Sie hatten in etwas Abstand ebenfalls gehalten und schauten grinsend zu ihm und Farviriol herüber. Einige begannen untereinander zu tuscheln. Er konnte nicht genau verstehen, was sie sprachen, aber er war sich sicher, dass es um ihn und Farvirol ging. Raffael beäugte sie grimmig. Während des Massakers an seiner Familie hatte er sie nur als rote Dämonen wahrgenommen, die ein Blutbad unter seinen Leuten anrichteten. Jetzt im Sonnenlicht betrachtet waren sie normale Männer einer Reiterlanze, in roten Uniformen. Farvirols Garde war gut gerüstet. Sie waren mit Säbeln und Bögen bewaffnet. Jeder der einzelnen Reiter hatte zwei Köcher mit Jagdfeilen dabei. Des weiteren hing an jedem Sattel ein Fangnetz aus stabilem Leinen. >> Ungewöhnlich<< dachte Raffael >>normalerweise sind Berittene selten gute Schützen.<< Insgesamt begleiteten acht Männer den Elfen. Es mussten noch zwei weitere dabei gewesen sein, denn zwei der Pferde wurden ohne Reiter an den Zügeln geführt. Erst jetzt fiel Raffael auf, dass drei der acht Männer verletzt waren. Ihre Kleidung war an etlichen Stellen zerschlitzt und eingedreckt. Ein schadenfrohes Lächeln umspielte Raffaels Lippen. "Die Wüstensöhne" hatten sich anscheinend stärker gewehrt, als erwartet. Aber der Preis, den sie für ihren Widerstand bezahlt hatten stand in keinem Verhältnis zu dem Lohn, den sie erhalten hatten. Raffaels Miene verdüsterte sich wieder, als er sich diese bittere Hochrechnung ins Gedächtnis rief. Farviriol bemerkte Raffaels Interesse an seinen Leuten. "Sie sind alle ausgebildete Sklavenfänger und gute Kämpfer. Deine Chancen stünden schlecht bei einer Flucht" gab er zu bedenken. "Ja" sagte der Hexer knapp. Raffael drehte sich wieder nach vorne. Farvirol setzte sein Pferd wieder in Gang und trieb es in die Mitte des Weges zurück. Seine Männer taten es ihm gleich. Der Wagen mit den Überlebenden setzte sich in Bewegung. Die alten Räder klapperten auf dem steinigen Weg und die Achsen ächzten unter dem Gewicht von Meshuha und den Anderen. Die Geräusche des Wagens stachen wie Nadelspitzen in sein Herz, jedes Mal, wenn er über einen weiteren Stein holperte. Die Menschen hinter ihm gaben keinen Ton von sich, aber er spürte deutlich ihre Blicke, die sich auf ihn richteten. Was mussten sie jetzt von ihm denken? Sie hatten alle gesehen, wie Farviriol mit ihm umging. In den Augen seiner Familie musste es einem Verrat gleich kommen, dass er es zuließ und sich nicht bis zum Tode wehrte. Doch Raffael ertrug stumm die Stunde um Stunde zunehmende Verachtung seiner Leute. Ja, seine Leute. Doch würden es am Ende noch "seine" Leute sein? Es wäre einfacher gewesen mit Oruha zu sterben, als dabei zusehen zu müssen, wie sich seine Familie von ihm abwandte. Je länger Raffael bei Farvirol auf dem Pferd saß, desto klarer wurde ihm das und zum ersten Mal in seinem Leben schwor er einem anderen Lebewesen Rache. Den weiteren Weg verbrachten sie schweigend. Raffael starrte auf das grausame Bild, das sich zehn Schritt vor ihm bot. Nie hatte er etwas Schlimmeres gesehen, nicht einmal der Tod seiner Freunde. Jede Beschreibung spottete diesem Grauen. Männer, Frauen und Kinder, an unzähligen Körperstellen durchdrungen von schwarzen Ranken, Ranken, die sich ihren Weg bis in das Innerste ihrer Opfer zogen und den Lebenssaft aus den bemitleidenswerten Geschöpfen heraus saugten. Sie bluteten an etlichen Stellen. Einige von ihnen waren bereits nicht mehr bei Bewusstsein, hingen schlaff in den Zweigen, umkreist von Insekten und Krähen, die sich über die übrig gebliebenen Reste hermachten. Raffael konnte selbst aus dieser Entfernung erkennen, wie sie aus hohlen Schädeln und anderen Öffnungen krochen. Ihm wurde schlecht. Das Schlimmste war jedoch, dass die Menschen in den Fängen des Weines lebten! Sie lebten!! Bei lebendigem Leib wurden sie von innen aufgefressen. Er hörte das qualvolle Schreien der Frauen und das wimmernde Weinen der Kinder. In den glasigen Augen der Männer zeichnete sich der Wahnsinn ab. Sie schrien nicht einmal mehr, sondern lachten. Ein lautes, schrilles, ohrenbetäubendes Lachen. Der Wind streichelte sanft durch die Blätter der Obsidian schwarzen Weinblätter und seine tiefschwarzen Blüten. Raffael konnte nicht mehr. Er ging zwei Schritte, fiel auf die Knie und übergab sich auf das grüne Gras unter ihm. Er grub seine Finger in den weichen Erdboden, bis seine Fingerkuppen weh taten. Er hörte hinter sich das Lachen von Farviriols Männern. Sie lachten über ihn. Sie lachten über seine Ehrfurcht vor dem Leben. Farviriol trat an Raffaels Seite, packte seinen Arm und zog ihn in die Höhe. "Schlagt das Lager auf. Wir werden hier Rast machen. Morgen dann, werden wir durch den Dornrosenwall Aranien verlassen" wies er seine Männer an. Farviriols Männer leisteten dem Befehl unverzüglich Folge. Drei Zelte wurden aufgeschlagen. Raffael hatte sich etwas beruhigt. Er konnte zwar nicht hinüber sehen, ohne befürchten zu müssen, seinem aufgewühlten Magen sein Recht zu gewähren, aber die Schreie der Menschen verstummten allmählich. Er drängte sie an den Rand seines Bewusstseins. Er befreite sich aus dem Griff des Elfen. "Danke, ich kann alleine stehen" herrschte er Farviriol an. "Das sah gerade aber nicht so aus. Es schien eher, die Herrlichkeit des Schauspiels habe dich übermannt" witzelte er. "Herrlichkeit nennt Ihr das!" sagte der Hexer hohl. "Aber es liegt scheinbar in Eurer Natur, jede Qual als ewig währendes Freudenfest anzusehen" bemerkte Raffael bissig. "Der Schmerz ist das einzig wahre Gefühl dieser Welt. Und ich widme mich ihm voller Hingabe. Ich habe mein Mandra Dao, meine Lebensaufgabe, in der Kunst der Tortur gefunden." Mit diesen Worten brach Farviriol in einen regelrechten Redeschwall aus. "Ich habe einen Stil gefunden, eine jede der einhundertein Körperzonen auf siebenfache Weise mit Schmerzen zu erfüllen. Es ist nur sehr bedauerlich, dass die meisten Materialien meiner Kunstwerke kaum ein viertel zugleich ertragen..." sagte er bedauernd. Raffael verachtete diesen Mann mit jeder Sekunde mehr, die er ihm zuhörte. Dieser Elf war wirklich abartig. Der Hexer fragte sich, was ihm wohl widerfahren sein musste, das ihn zu einem solch abscheulichen Geschöpf hatte werden lassen. Farviriol begann in der Gegend herum zu gestikulieren. Er hörte sich scheinbar selbst gerne reden. >> Noch steht es mir frei deinem Geschwätz zu entgehen. << dachte Raffael, wandte sich um und ging. "... Dabei beschäftige ich mich sehr intensiv mit meinen Objekten, ein gutes Bild oder eine musikalische Komposition dauert ja auch einige Wochen! Mal sehen, was ich mit dir machen werde...?" Die Dämmerung war bereits angebrochen. Raffael ging zu seiner Familie, die den Holzwagen bereits verlassen hatte. Farviriols Männer hatten die Frauen und Truxes an den Beinen zusammen gebunden und in die Nähe einiger Bäume gebracht. Ihre Hände waren jeweils mit einem dicken Strick gefesselt. Zwei der Männer bewachten sie mit amüsiertem Blick. Sie unterhielten sich, wobei der eine stets in Richtung Meshuha deutete, der Andere auf eine andere der Akrobatinnen. >>Na, teilt ihr meine Freundinnen schon untereinander auf?<< folgerte Raffael in Gedanken böse. Er ging noch ein Stück näher heran, wurde aber bemerkt. Einer der Männer verstellte ihm den Weg. "Du hast hier nichts zu suchen!" herrschte der große, Schwarzhaarige Raffael an. "Geh zurück zu deinem Herrn und vertreib ihm die Zeit." Die beiden Wachen begannen zu lachen. Raffael ballte die Fäuste. Er musste sich beherrschen. Wenn er jetzt einen Fehler machte und die Situation nicht entschärfte, hatte er keine Chance seiner Familie zu helfen. Raffael schaute zu Meshuha. Sie sah ihm fest in die Augen und nickte ihm verschwörerisch zu. Raffael war erleichtert, dass sie auf seiner Seite war. Er sah zu den anderen Mitgliedern seiner Sippe und hoffte bei ihnen genauso Verständnis vorzufinden. Aber er wurde enttäuscht. Bis auf Truxes, schnitten sie seinen Blick. In den Gesichtern, die ihn direkt ansahen, fand er nur Verachtung und den Irrglauben, Raffael würde zu Farviriol gehören. Wie konnte er ihnen auch Vorwürfe machen? Er durfte sich frei bewegen und war körperlich unversehrt. Der Verband an seinen Rippen, stammte ja von dem Sturz während der Vorstellung. Dass ihm erneut die ein oder andere Rippe von Farviriol gebrochen worden war, konnten sie nicht wissen. Noch dazu trug Raffael jetzt ein rotes Hemd. Er hatte keine Wahl gehabt, alles, was er besaß war verbrannt und im Moment war es noch zu kalt, als dass er sich ohne Kleidung bewegen konnte. Für seine Familie musste es so aussehen, als ob er sie an den Diener der Erzdämonin verraten hatte. Als Raffael sich zum Gehen umwandte, knallte etwas durch die Luft und traf ihn quer durchs Gesicht. Raffael schrie und hob die Hände vor sein Gesicht. Blut lief ihm zwischen seinen Fingern hindurch. Raffael konnte nur mühsam sehen, auch wenn seine Augen unverletzt waren. Sein Gesicht brannte wie Feuer. "Du kannst mich beschimpfen, oder auch versuchen mich zu töten. Das soll mir Recht sein, aber ich werde dich lehren mich noch einmal so stehen zu lassen!" Farviriol stand wütend vor ihm, in der Hand hielt er eine Peitsche. Raffael sah in das vor Zorn verzerrte Gesicht. Der Elf war beängstigend. Raffael hatte das Gefühl, er könne nach Farviriols Bosheit greifen, so überdeutlich war seine Macht spürbar! "Du wirst mich nie wieder ignorieren!" Er hob erneut seinen Arm und wollte nach Raffael schlagen. Instinktiv ließ der Hexer sich zur Seite fallen und entging dem Hieb. Raffael stand mit einer schnellen Bewegung wieder auf, taumelte einige Schritte zurück und wischte sich das Blut aus den Augen, damit er besser sehen konnte. Den pulsierenden Schmerz hatte er vergessen. Hier ging es um mehr als diesen "Kratzer". Das Pochen seines Herzes dröhnte in seinen Ohren. Raffaels Nerven waren bis aufs äußerste gespannt. Er sah zu Farviriol. Der Elf umkreiste ihn mit lauernden Blicken. Der erste Zorn war einem anderen Gefühl gewichen. Raffael musste nicht fragen, was Farviriol in diesem Moment dachte: Beute! Der Hexer war in seinen Augen zur Beute geworden, die es zu erlegen galt. Er würde nicht mehr wie zuvor in Rage auf ihn einschlagen. Er würde ihn jagen und mit ihm spielen, wie die Katze mit der Maus. Raffael wusste, der Elf war schnell und dass er sich keinen Fehltritt leisten konnte. Aber er hatte jetzt eine Chance. Der Elf achtete im Moment nur auf ihn. >>Wenn nicht jetzt, dann gar nicht. Wenn sie erst einmal in Oron sind, hast du keine Chance mehr ihnen zu helfen.<< ging es Raffael durch den Kopf. Er ging vorsichtig einige Schritte rückwärts, begann leise vor sich hinzu murmeln. Raffael sammelte astrale Kraft in seinem Geiste und rief nach seinen Verbündeten. >>Sie werden eine Weile brauchen, aber sie kommen<< dachte er. Er hatte nicht die Zeit sich darüber Gedanken zu machen, ob sein Gegner seinen Zauberspruch bemerkt hatte. Aber vermutlich hatte er das. Farviriol drehte die Peitsche in seiner Hand. Er lächelte böse. "Gut ausgewichen" sagte Farviriol anerkennend. "Aber ich habe nichts anderes erwartet. Ja, ich habe gut gewählt. Es wird mir eine Freude sein, dich zu brechen, ganz gleich wie lange es dauert!" "Du wiederholst dich! Dieses Gespräch haben wir schon einmal geführt. Doch dieses Mal ist niemand da, den ich beschützen muss" antwortete Raffael. Der Hexer schenkte Farviriol ein ebenso kaltes Lächeln, wie sein eigenes. "Denkst du gar nicht an deine Familie?" Farviriol versuchte außerhalb Raffaels Sichtbereich zu kommen. Er bewegte sich jetzt schneller. Raffael hatte damit gerechnet. Er vollführte eine Drehung und starrte wieder in das lächelnde Gesicht des Elfen. Dieser vollführte eine spöttische Verbeugung der Hochachtung. "Meine Familie? Welche denn? Die, die du hast töten lassen, oder die, die mich mit Verachtung straft, weil sie glauben, ich hätte sie verraten?" Raffael versuchte einen möglichst gleichgültigen Ton seinen Aussagen beizumischen. "Was interessiert mich das Schicksal dieser Menschen? Sie haben mich aus ihrer Mitte verstoßen." Farviriol ging einen Schritt näher an Raffael heran. Wie ein Raubtier umschlich er sein Opfer. "Das glaube ich dir nicht. Dafür leidest du jedes Mal zu viel, wenn einem von ihnen etwas geschieht" erwiderte der Weißhaarige selbstsicher. "Du versuchst Zeit zu gewinnen. Glaubst du ich habe nicht bemerkt, wie du Magie gewirkt hast?" fragte er triumphierend. Raffael lächelte den Elfen fast freundlich an. "Das war mir schon klar, aber du weißt nicht, was für welche! Du kennst vielleicht deine Art von Magie und vielleicht auch noch die der Magier, aber nicht die eines Hexers." Raffael fühlte sich beobachtet. Nicht von den Männern Farviriols oder den besorgten Blicken seiner Familie. Sie waren da. Raffael schaute zu den Weinreben hinüber. Er sah in mehrere schwarze Augenpaare, die ihn beobachteten. Es waren nicht so viele, wie er gehofft hatte, aber sie mussten reichen. Ihr schwarzes Gefieder verschmolz fast gänzlich mit der Schwärze des Weines und der beginnenden Dämmerung. Nur durch die Lichtreflektion der Augen wurde die Anwesenheit der Katzen großen Vögel sichtbar. Der Elf würde gleich eine böse Überraschung erleben. Raffael war nur für einen Moment abgelenkt. Dieser Augenblick hatte Farviriol jedoch gereicht, um ihm die Chance zum ersten Angriff zu nehmen. Er fiel grazil wie eine Raubkatze über den Hexer her. Raffael wehrte sich diesmal nicht, ließ sich statt dessen nach hinten fallen. Farviriol drückte ihn mit gewaltiger Kraft zu Boden und schob sein Knie zwischen Raffaels Beine. Mit einer Hand drückte Farviriol Raffaels Handgelenke über seinen Kopf zu Boden. Der Hexer war gefangen und handlungsunfähig. "Warum wehrst du dich heute nicht? Hast du eingesehen, dass du gegen mich nicht ankommst?" fragte der Weißhaarige siegessicher. Raffael lächelte kalt und sagte nur ein Wort: "Beute!" Farviriol maß den Hexer unter ihm mit überraschtem Blick. Nur einen Sekundenbruchteil später erhoben sich unter tosendem Geschrei sieben Krähen von den Weinsträuchern und stürzten auf den Elfen ein. Sie hackten nach seinem Gesicht und nach allem was ihr harter Schnabel erreichte. Farviriol sprang auf und versuchte sie mit wilden Bewegungen von sich zu schütteln. Raffael wusste, dass sie ihm nicht wirklich gefährlich werden konnten, aber er war abgelenkt und auch seine Männer würden während des ersten Schreckens nicht reagieren. Das war seine Chance. Raffael sprang auf die Beine und rannte zu den zwei Wachen bei seiner Familie. Beide achteten im ersten Moment nicht auf den heran stürmenden Mann. Raffael nutze seine Chance und rammte dem großen, Schwarzhaarigen, der ihn provoziert hatte, seinen Ellbogen in den Bauch und setzte mit einem Schlag in sein Genick nach. Der überraschte Mann ging in die Knie. Raffael hatte keine Zeit, sich über seine gelungen Attacke zu freuen, denn die zweite Wache war im Begriff ihren Säbel zu ziehen. Raffael stürme auf den Mann ein und rannte ihn über den Haufen. Nicht elegant, aber wirkungsvoll. Der Hexer schaute nach Farviriol. Der Elf kämpfte immer noch mit den Krähen, aber lange würden seine gefiederten Freunde ihn nicht mehr behindern können. Raffael konnte Farviriol fluchen hören. Er schnappte sich den Säbel, den die Wache eben noch gezogen hatte und durchtrennte mit schnellen Bewegungen die Fesseln von Meshuha und den anderen. "Lauft!!!" schrie er sie an. "Dreht euch nicht um, egal was auch passiert." "Und was wird aus dir?" fragte Meshuha besorgt. "Das ist jetzt egal. So schnell sterbe ich nicht. Das wird er nicht zulassen" entgegnete er. Der Mann, den Raffael umgerannt hatte, brüllte nach den anderen Männern. Dann wandte er sich dem Hexer zu und schlug nach ihm. Raffael war noch mit der Befreiung von Truxes beschäftigt und hatte keine Möglichkeit dem Angriff auszuweichen. Der Mann traf Raffael wuchtig in den Rücken. Der Hexer ignorierte den Schmerz, drehte sich zu der Wache und finge gerade noch so einen weiteren Schlag mit seinem Arm ab. Raffael konnte sehen, wie vier weitere Männer Farviriols aus dem Zelt gestürmt kamen. Sie hatten ihre Bögen dabei. Einer hatte bereits einen Pfeil eingelegt, der andere war dabei seine Waffe zu spannen. Die zwei Anderen rannten zu ihren Pferden und nahmen die Verfolgung der Flüchtenden auf. Raffael konnte keinen der beiden Schützen mehr rechtzeitig erreichen, denn sein Gegner vor ihm war ein guter Kämpfer und es würde ihm genug Mühe bereiten mit ihm fertig zu werden. Der Hexer trat nach den Beinen des Mannes, um ihn wieder zu Fall zu bringen. Doch sein Gegner musste seinen Angriff voraus geahnt haben. Er sprang zurück und entging dem Tritt. Raffael sah wieder zu dem Bogenschützen hinüber. Er zielte auf eine der weglaufenden Frauen und schoss. Raffael hörte einen dumpfen Schrei. Er kam aber nicht wie erwartet aus einer Frauenkehle, sondern von einer Männerstimme. Der Pfeil hatte in der Luft gedreht. Raffael blickte auf den Mann, der noch damit beschäftigt war seinen Bogen zu spannen. Das Pfeilende ragte zwei Spann weit aus seiner Brust. Der Mann sah ungläubig an sich herab. Dann stürzte er zu Boden. Auch Raffaels Gegner war verwirrt. Der Hexer nutzte die Chance und rammte ihm seinen Fuß zwischen Beine. Mit einem lauten Schmerzensschrei sackte er zu Boden und krümmte sich wie ein Wurm zusammen. Jemand packte den Hexer am Arm. Raffael drehte sich um und schlug blind zu. Zum Glück traf er nicht. Truxes stand da. "Eigentlich zaubere ich ja nur zum Spaß, aber was könnte einem mehr Freude bereiten, als ein Leben zu retten?!" sagte der rothaarige Schelm grinsend. "Dann warst du das mit dem Pfeil?!" fragte Raffael. "Yep." bestätigte er knapp. "Aber jetzt sollten wir machen, dass wir hier wegkommen." Raffael lächelte erleichtert und klopfte Truxes auf die Schulter. Im selben Augenblick weiteten sich die Augen des Schelmes, Blut begann seine Mundwinkel herunter zu laufen. Raffael schaute erschrocken in die aufgerissenen Augen. Truxes brach mit einem Röcheln zusammen .Raffael fing ihn auf und kniete sich ihn im Arm haltend, auf den Boden. Der Schelm hustete Blut auf Raffaels Hemd. "Was hast du? Was ist passiert? Ich verstehe nicht.." schrie er erschrocken. "So wie ich deine Magie nicht verstehe, verstehst du meine nicht." Sagte eine erboste Stimme hinter Raffaels Rücken. Raffael schloss die Augen, atmete tief ein und drehte seinen Kopf langsam der Stimme zu. Was er sah, hatte er nicht anders erwartet. Er hatte aber gehofft, dass es etwas länger dauern würde. Farviriol stand mit zerkratztem Gesicht an der selben Stelle, wo er ihn zurück gelassen hatte. Er blutete aus beiden Augen, die Krähen hatten ganze Arbeit geleistet und sich die verletzlichsten Stellen herausgesucht. Er hatte auch erwartet, dass die Verletzungen schnell wieder heilten. Und genau so kam es. Die Hackspuren schlossen sich, das Blut versiegte und das schöne Gesicht war wieder wie zuvor. "Welch netter Trick" meinte Farviriol verärgert. In seiner Hand hielt er eine der Krähe an ihrer Kehle. Sie krächzte und hackte auf Farvirols Arm ein. Sie schlug verzweifelt mit ihren Flügeln. Raffael sah an Farviriol vorbei. Er hatte die anderen Vögel förmlich in Stücke gerissen. Hunderte Federn lagen verstreut auf dem Boden, einzelne abgerissene Gliedmaßen daneben. Eines der Tiere zuckte noch, als hinge die Krähe mit ihrer letzten Kraft an ihrem sich in Dunkelheit auflösendem Leben. "Hattest du geglaubt, du könntest mich mit solchen Kinderspielchen davon abhalten mir zu holen, was mein ist? Du beleidigst meine Macht." giftete er. Raffael ignorierte den Elfen, der mit zerrissener Kleidung vor ihm stand. >>Wie viele Mäntel habe ich ihn jetzt schon gekostet?<< fragte sich der Hexer. Truxes röchelte und keuchte noch immer in Raffaels Armen. Der Hexer sah in sein Schmerz verzerrtes Gesicht und schloss seine Arme enger um ihn. "Hab keine Angst." sagte er mit freundlichem Lächeln. Seine Augen füllten sich langsam mit Tränen. Der Schelm hob seine Hand, drehte Raffael eine lange Nase und streckte ihm dabei die Zunge heraus. Raffael lachte leise. Tränen liefen ihm die Wangen hinunter und perlten von seiner Nasenspitze. Truxes Augen wurden ausdruckslos und leer. Seine Hand sank zurück auf seine Brust. Sein Kopf rollte zur Seite und sein Atem verebbte. Raffael sah zur Krähe hinüber. Sie bewegte sich nicht mehr. Boron hatte ihren Lebensfaden durchschnitten. "Und, bist du nun zufrieden?" fragte Farvirol kalt. Die Krähe in seiner Hand kämpfte immer noch gegen den erbarmungslosen Griff des Elfen. Er lies sie mit einer wüsten Beschimpfung los. Benommen und unter lautem Gekrächze flog sie davon. Raffael legte Truxes Körper behutsam zu Boden und stand auf. Er blickte auf den äußerlich völlig intakten Körper. Der Schelm hatte nicht die kleinste Wunde. Raffael hatte von diesem Zauber schon einmal gehört. Die Elfen benutzten ihn zur Jagd. Es war die schnellste Methode ein Tier so zu verletzten, dass es nicht mehr fliehen konnte, aber nicht gleich starb. Bei Truxes musste Farviriol allerdings viel seiner astralen Macht benutzt haben, um ihn mit nur einem Spruch zu töten. Raffael betrachtete den Elfen eingehend. Seine weißen Haare hatten sich an etlichen Stellen rot gefärbt. Farviriol trat Raffael gegenüber. "Und, bist du nun zufrieden?" wiederholte er. "Ich hatte dich für klüger gehalten. Meine Männer werden die Frauen wieder einfangen. Und glaub mir, diesmal werde ich sie nicht zurück halten, wenn sie sich eine von ihnen ausgesucht haben." versicherte er. "Droh mir nicht! Wir werden sehen, ob sie überhaupt eine von ihnen finden!" erwiderte der Hexer kalt. Raffael wischte sich noch einmal sein Blut aus dem Gesicht. Der Schmerz, den der Peitschenhieb verursachte, kehrte zurück. Während des Kampfes hatte er nicht darüber nachgedacht. Dafür war der Schmerz jetzt um so schlimmer. Es würde eine hässliche Narbe bleiben. Aber selbst das war Raffael jetzt gleich. Er hoffte, dass Meshuha mit den anderen entkam. Dann wäre Truxes´ Tod nicht ganz umsonst gewesen. "Du weißt, dass du dafür heute Nacht einen hohen Preis bezahlen wirst, junger Hexer." Farviriol packte Raffael am Arm und stieß ihn grob in Richtung seines Zeltes. Raffael lies es ohne Widerwillen geschehen. Es war ihm egal, was jetzt passierte. Er glaubte ohnehin nicht mehr daran, dass er den Elfen loswerden würde, bevor dieser nicht hatte, was er wollte. Aber er würde diesen Preis bezahlen, denn diesmal war der Lohn angemessen. Ein Teil seiner Familie konnte mit Sicherheit fliehen. Die Frauen waren zu neunt und verfolgt wurden sie nur von zwei Reitern. Raffael wurde in das Zelt hinein gestoßen und knallte zu Boden. Jeder einzelne Teil seines Körpers wog Tonnen. Er hatte nicht mehr die Kraft sich gegen Farviriols Wut zu stellen. Ganz gleich, was er diese Nacht noch mit ihm machen würde, er würde es über sich ergehen lassen und hoffen, das der Elf sein Leben schnell beendete. Raffael richtete sich mühsam wieder auf. Er schaute durch den großen Raum. Das Innere des Zeltes war reich ausgestattet mit Teppichen, Brokat und Samt. Bunte Kissen und Tücher schmückten das weiche Lager. Daneben stand ein silbernes Tablett, auf dem sich eine Karaffe mit rotem Wein und Kristallgläser befanden. Im ganzen Zelt waren langstielige, dunkle Rosen mit blutrot geäderten Blüten verstreut. An ihren Stielen wuchsen lange, messerscharfe Dornen. Raffael erblickte auch etwas bekanntes in dem Raum. Seinen Stab! Er lehnte an eine der Stützstangen. Farviriol ging zu den dem silbernen Tablett, nahm sich eines der Gläser und füllte es halbvoll mit Wein. Er setzte sich auf sein Lager, führte das Glas zu seinem Mund und betrachtet Raffael von oben bis unten. "Zieh dich aus!" forderte der Elf. "Nein" erwiderte Raffael bestimmt. Farviriol trank aus dem Glas, stellte es beiseite und stand mit einem tiefen Seufzen auf. Innerhalb eines Schrittes war er bei Raffael. Mit der flachen Hand schlug er ihn ins Gesicht. Raffaels Lippe platzte auf. Der metallische Geschmack seines Blutes füllte seinen Mund. Seine Lippe tat weh, doch er gab keinen Laut von sich. Raffael hob den Blick und sah Farviriol fest in die grünen Elfenaugen. "Nun gut, dann mache ich es für dich" Farviriol streckte seine Hand aus, legte sie auf Raffaels Schulter und lies den Hemdstoff durch seine schlanken Finger gleiten. Raffael erschauerte. "Es gefällt mir ohnehin besser, wenn ich dich zwingen muss" sagte der Elf erfreut. Mit einem Ruck riss er problemlos den Stoff von Raffaels Oberkörper. Der Hexer stand erstarrt da. Das rote Hemd hing in Fetzen an seinen Hüften herunter. Farviriol trat noch näher an Raffael heran. Er konnte erneut die Wärme des Elfen spüren und auch der Rosenduft war wieder da. >>Ob sein Geruch von diesen Rosen hier kommt?<< fragte er sich. Farviriol begann den Verband von Raffaels Rippen zu wickeln. Unter dem Stoff traten tellergroße, blaue Flecken hervor. Der Elf fuhr mit seiner Hand die Verletzungen ab. Raffael zuckte reflexartig unter der Berührung zusammen. Selbst diese leichte Berührung tat ihm weh. Farviriol kicherte. "Schmerzt dich ein Peitschenhieb quer durchs Gesicht etwa weniger, als eine sanfte, liebevolle Berührung?" fragte Farviriol. Raffael konnte die Erregung in seiner Stimme hören. Der Elf schlang seine Arme um Raffaels Hüften, fuhr mit seinen Händen die Linie seines Rückgrats nach und verweilte in seinem langen, schwarzen Haar. Der Hexer ballte seine Hände zu Fäusten, bis das Knacken seiner Knöchel zu hören war. "Das kommt darauf an, von wem diese Berührung kommt" antwortete er eisig. "Verstehe" sagte der Weißhaarige lächelnd. "Wäre es denn so schlimm, wenn du für eine Weile mein Gefährte werden würdest?" Farviriol presste Raffael noch stärker an sich, als ob er ihn in sich aufnehmen wollte. Raffael stemmte seine Hände mit aller Kraft gegen die Brust des Elfen. Gegen die übernatürliche Kraft des Weißhaarigen konnte er aber nicht ankommen. Farviriol griff mit einer Hand in Raffaels Nacken und zwang seinen Kopf, sich nach oben zu richten. Mit der anderen hielt er ihn immer noch an sich gepresst, gefangen. Raffael war gezwungen in die schönen Augen des Elfen zu schauen. Farviriol begehrte ihn, das konnte er deutlich erkennen. Nie war er von einem Mann so angesehen worden. Es widerstrebte Raffael zutiefst, länger in dieser Position zu verharren. Aber je länger er in diese tiefen, grünen Augen sah, die den grünen Weiden Maraskans, seiner Heimat, auf so furchterregende Weise glichen, desto weniger wurde seine Abscheu vor diesem Mann. Seine Gedanken über den Tod seiner Familie und der vergangen zwei Tage wurden beiseite gewischt, hatten keine Bedeutung mehr. Er wollte nur noch in diesen Augen versinken. Erinnerungen von seiner Mutter erschienen in seinem Verstand. Nicht von Oruha, nein, seiner richtigen Mutter. Eine bezaubernde Frauengestalt, mit fein geschnittenen Gesichtszügen, gütigen grünen Augen und dunklen Locken stand vor ihm. Sie lächelte freundlich, streckte ihre Arme weit nach ihm aus. Ihr blaues, einfaches Kleid, in das er oft sein Gesicht geborgen hatte, wenn er nachts schlecht geträumt hatte, wiegte um ihren Körper. Raffael stand inmitten grüner Weiden. Er sah zu dem kleinen Haus, mit der selbst gebauten Holzbank an der Seite, die er als Kind mit ziegelroter Farbe bemalt hatte. Er hatte seine Familie darauf festgehalten, mit lachenden Gesichtern und sich an den Händen haltend. Neben dem Haus erblickte er die Kornfelder, auf denen das Getreide in voller Blüte stand. Abseits plätscherte ein kleiner Bach, indem er mit seinen beiden Schwestern immer gespielt hatte. Raffael sah sie im Wasser herum tollen und hörte ihr glockenhelles Lachen. Sein Blick wanderte zurück zu den Feldern. Er sah einen Mann in bäuerlicher Tracht. Der Mann mit dem einfachen Strohhut pflügte mit zwei großen Trallopper Riesen (Pferde) den ertragreichen Boden. Das frohe, heitere Pfeifen seines Vaters erfüllte die nach Herbst riechende Luft. Dies war sein zu Hause. Die Frau in dem blauen Kleid kam auf ihn zu. Sie breitete abermals die Arme aus, nannte seinen Namen. "Komm mein Kind. Du bist daheim." sie reichte ihm ihre Hand. Raffael wollte nichts mehr, als mit dieser Frau gehen. "Mutter" sagte er. "Ja, mein liebes Kind. Du bist endlich wieder daheim." sagte sie glücklich. Raffael streckte die Hand nach ihr aus. Seine Fingerspitzen konnten schon fast ihre Handfläche berühren. Die Frau mit den smaragdgrünen Augen lächelte liebevoll und wollte seine Hand ergreifen. Da grollte der Himmel und eine Frauenstimme schrie: "NEIN!!!" Raffael kannte diese Stimme. Irgend etwas in seinem Unterbewusstsein regte sich, wollte sich erinnern. Bilder von brennenden Zelten drangen in seinen Verstand. Und auch die Silhouette einer Frau, die ihr Gesicht in seine Verbände barg. Er erinnerte sich an ihre Worte: >>"Geh nicht mit ihm!"<< Die junge Frau in dem blauen Kleid mit ihren grünen Augen und den schwarzen Locken verzerrte sich. Durch ihren Körper schimmerte eine andere Gestalt hindurch. Er erkannte eine schlanke, hochgewachsene Männerfigur mit langen weißen Haaren und boshaften, smaragdgrünen Augen. "Nein..." sagte Raffael, "NEIN!" wiederholte er schreiend. Der Hexer schlug die Augen auf. Raffael starrte in das Gesicht Farviriols. Er hatte die Augen geschlossen. Raffael spürte wie sich Farviriols heißer Mund auf den seinen gelegt hatte. Es war ein süßer und fordernder Kuss, aber der Bann, der auf Raffael gelegen hatte, war verflogen. Mit seiner ganzen Kraft riss er sich aus der Umarmung los und taumelte zurück. Raffael fühlte sich schwach, als hätte etwas versucht seine Lebensenergie zu rauben. Was immer es auch gewesen war, es hatte noch nicht vollenden können, was es wollte. Wie ein Raubtier, das um seine Beute gebracht worden war, hörte er das Wesen in seinem Innersten toben. Es hatte versucht ihn zu besudeln, seine Seele zu vergiften. "Das ist völlig unmöglich!" schrie der Elf fassungslos. "Keiner kann sich einem Lamijah widersetzten." Farviriol starrte ungläubig auf den zitternden Hexer. "Was hast du gemacht?" brachte Raffael zitternd hervor. "Was hast du mit mir gemacht?" kreischte er ängstlich. Seine Knie begannen weich zu werden. Er kroch in die hinterste Ecke des Zeltes und kauerte sich zusammen. Raffael konnte in seiner Verfassung nicht einmal mehr davon laufen. Etwas hatte an seiner Seele gerissen, ihn bis ins Innerste erschüttert. Farviriol erkämpfte sich seine Fassung nur langsam zurück. Zu erstaunt war er über den Willen des Hexers. Er blickte auf die zusammen gekauerte Gestalt in der Ecke seines Zeltes. "Das ist einfach unmöglich! Kein Mensch kann sich gegen den Sikhariyanraub zur Wehr setzten." versuchte der Elf sich erneut zu überzeugen. Dann drehte er sich um und stürmte aus dem Zelt. Raffael rollte sich zusammen und legte sich auf die Seite. Er fror. Er hatte noch nie in seinem Leben eine solche Kälte verspürt, wie in diesem Moment. Zu einem klaren Gedanken war er nicht mehr fähig. Sein Körper hatte die Grenzen der Belastbarkeit in diesen zwei Tagen mehrere Male bei weitem überschritten. Raffael war verletzt und die Wunde in seinem Gesicht würde sich ohne Behandlung entzünden. Hinzu kam, dass sie nicht aufhören wollte zu bluten. Und dennoch spürte er keinen Schmerz mehr. Seine Kraft war restlos aufgezehrt. Raffael starrte ausdruckslos vor sich hin. Er bewegte sich nicht mehr. Aus der Ferne konnte er Hufschläge hören. Farviriols Männer waren zurück. Sie erstatteten ihrem Herrn Bericht, über die misslungene Jagd auf die Frauen. Raffael konnte den Elfen toben hören. >>Sein Zorn wird jetzt ins Unermessliche steigen<< dachte er. Er versuchte zu lächeln, doch es gelang ihm nicht. Trotzdem war er glücklich, denn seine Familie war frei! Raffael schloss die Augen. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)