Shattered von BradCrawford ================================================================================ Kapitel 2: Why am I alone? -------------------------- Why am I alone? Joe lief am späten Abend die fast menschenleeren Straßen entlang. Überall roch es nach Beton und Teer, der Regen kühlte die aufgeheizten Straßen ab. Die Gegend, in der er sich gerade aufhielt, war nicht die sicherste in Manhattan, denn die Straßen in diesem Viertel waren dunkel und dreckig und wenn man nicht aufpasste konnte man leicht Opfer eines Raubes oder gar eines Bandeskrieges werden. Da Joe hier aufgewachsen war, kannte er sich aus und hatte keine Angst, alleine im Dunkel durch dieses Viertel zu laufen. Ab und zu konnte man ein paar Obdachlose dabei beobachten, wie sie sich an einer Mülltonne, in der Feuer brannte, aufwärmten; neben ihnen standen die Einkaufswagen mit den wenigen Sachen, ein wenig Kleidung, ein wenig Essen und ein paar Flaschen billigen Fusel, das war alles... Mehr hatte man nicht, wenn man ein Leben auf der Straße führte. Sehnsüchtig sog er die Luft ein. Zwar war es nicht sonderlich schön hier, doch immerhin schaffte dieser Ort, was kein anderer schaffte: Er fühlte sich hier zu Hause. Von dem Platz aus, wo er stand, sah er das Empire State Building. Er konnte sich noch ganz genau daran erinnern, wie er und seine Schulklasse einen Schulausflug dorthin gemacht hatten. Es war wirklich wunderbar gewesen, und er hatte noch alles behalten, was ihnen die Angestellte des Gebäudes erklärt hatte. 443, 2 Meter ragte das Hochhaus über der Stadt. Es war das höchste in New York, es hatte 6.500 Fenster und 103 Stockwerke. An klaren Tagen konnte man 80 Meilen weit in vier andere US-Staaten New Jersey, Pennsylvania, Connecticut und Massachusetts blicken. Als Joe und seine Mitschüler endlich das Dach besichtigen konnten, war etwas passiert, was sie nicht erwartet hätten. Trotz der drei Meter war ein Mann in die Tiefe gesprungen. Die Umstände konnten nie geklärt werden... Bei diesem Gedanken fröstelte es Joe. Joe wartete auf jemanden. Vergeblich, denn er kam einfach nicht. Er wartete auf seinen Cousin Lucas der ihn irgendwas wichtiges mitteilen wollte. Warum kam er nicht? Das sah ihm nicht ähnlich, ihn einfach irgendwo hinzubestellen und dann nicht aufzukreuzen... Joe war ein athletisch gebauter Mann von 24 Jahren, hatte kurze blonde Haare, saphirblauen Augen und war 1.88 Meter groß. Er trug eine helle Sportjacke, dunkle Baseballkappe und eine dunkle Hose. >>Mist, wenn du nicht kommst, kannst du mich dann nicht anrufen?<< dachte er wütend. >>Verdammt noch mal, wo zum Teufel steckst du?<< Missmutig starrte er nach oben. >>Warum muss es ausgerechnet heute regnen?<< Er lief immer weiter bis sein Handy klingelte. Zuerst wollte er gar nicht ran gehen weil er dachte, dass es mal wieder seine Ex-Freundin sein könnte, mit der er erst letzte Woche wegen einer anderen Schluss gemacht hatte. Doch was, wenn es der war, nach dem er sich heute so sehr sehnte und mit dem er unbedingt reden wollte? Also ging er nur zögernd ran. "Ja?.... Was?.... Ohne mich könnt ihr das Problem wohl nicht beheben, oder wie?..... Oooooh, ihr Idioten," seine Stimme bebte vor Wut. "Wozu bezahl ich euch eigentlich?.... Ist ja gut, ich bin gleich da!" Entnervt schaltete er sein Handy ab. >>Okay Lu du musst wohl noch ein wenig warten, ich weiß zwar nicht, was du mir sagen willst, aber ich hoffe, dass es Zeit bis nachher hat.<< dachte er. Mit schnellen Schritten verließ er die Straße und stieg in sein Auto. *~*~*~*~*~*~*~*~*~*~ >>Wer bin ich?<< Doch je mehr der junge Mann nachdachte, der anscheinend sein Gedächtnis verloren hatte, desto mehr schmerzte sein Kopf. >>Was ist bloß passiert? Warum bin ich alleine?>> Dann versuchte er sich aufzurichten, musste aber feststellen, dass seine rechte Seite wie verrückt wehtat. Als er die Bettdecke zurückschlug, um zu sehen was los war, sah er, dass sein Oberkörper bandagiert war. Was er sah, gefiel ihm nicht: Die rechte Seiet der Bandagen hatte sich rot verfärbt. "Verdammt noch mal, was ist denn passiert?", fragte er entsetzt. Genau in diesem Augenblick betrat ein Arzt das Zimmer. Er war ein kleiner Mann von etwa fünfzig Jahren und hatte eine Glatze. Um seinen Hals hing ein Stethoskop. "Was im Gottes Namen machen Sie denn da?" "Äääh, ich wollte nur sehen.........au....." Er stöhnte auf, als der Arzt ihn sanft wieder aufs Bett drückte. "Was Sie jetzt brauchen, ist strengste Bettruhe und wagen Sie es ja nicht, sich noch einmal aufzurichten, sonst könnten Ihre Wunden aufbrechen! Und so leichtsinnig werden Sie ja wohl nicht sein, oder?", fragte der Arzt. "Ich wollte wissen, was los ist und......und.....warum ich alleine bin?" fragte der Kranke mit leiser Stimme. "Mister, ich weiß nicht, was mit Ihnen passiert ist, oder warum Sie alleine sind, ich kann Ihnen nur sagen, welche Verletzungen Sie haben. Wollen Sie das wissen?" fragte der Arzt und als der Verletzte nickte fuhr er fort: "Sie haben unzählige Hämatome und Schlürfwunden, außerdem haben Sie drei Messerstichwunden eine bis zu 7 cm tief. Sie können von Glück sagen, dass es nicht die Lunge oder die Leber getroffen hat. Seien Sie froh, dass Sie einen sehr guten Schutzengel haben und überhaupt noch am Leben sind! Dass Sie alleine sind ist wohl Ihr geringstes Problem." sagte der Arzt schnippisch. "D...Drei Messerstiche?" fragte der junge Mann geschockt. "Woher kommen diese Verletzungen? Zum Teufel noch mal... warum kann ich mich denn nicht erinnern?", fragte er den Arzt halb verängstigt, halb wütend. Soeben hatte er erfahren, dass er nur knapp dem Tod entkommen war. "Sie haben eine Gehirnerschütterung, nur so lässt sich Ihre Amnesie erklären." Der Arzt versuchte den Verletzten zu beruhigen, was ihm aber nicht gelang. Das Gedächtnis zu verlieren, war für den Verwundeten das Schlimmste, was es geben konnte. Und das Allererschreckendste: Er wusste nicht einmal, warum das so schlimm war! "Verdammt Sie wollen mir erklären, dass ich durch eine einfache Gehirnerschütterung mein gesamtes Erinnerungsvermögen verloren habe?" Der Kranke redete unter Schmerzen und wurde misstrauisch. Waren denn die Ärzte hier überhaupt zu etwas fähig? "Beruhigen Sie sich... So was kann durchaus passieren. Ein Schlag auf den Hinterkopf kann mitunter schwere Folgen haben. Das ist medizinisch gesehen denkbar." Setzte der Arzt schnell nach. "Wie lange bin ich denn schon hier?" fragte der junge Mann so forsch, wie es ihm in der Situation möglich war. "Insgesamt waren Sie fünf Tage lang bewusstlos. Eine Frage noch, dann lass ich Sie erst mal in Ruhe. Erinnern Sie sich wenigstens daran, wie Sie heißen?" fragte der Arzt vorsichtig, da er seinen Patienten nicht weiter reizen wollte. "Wenn ich mein gesamtes Erinnerungsvermögen verloren habe, wohl nicht, oder? So sehr ich es auch versuche. Ich kann mich an gar nichts erinnern." Der Kranke war immer noch patzig. "Sie dürfen sich jetzt bloß nicht überanstrengen. Was Sie jetzt brauchen, ist Schlaf und Ruhe. Also ich gebe Ihnen jetzt etwas Schmerzstillendes, damit Sie die Schmerzen nicht mehr spüren und schlafen können." "Ich kann auch so schlafen." gab der junge Mann wütend zurück. "Wenn Sie meinen, aber ich muss Ihnen trotzdem eine Spritze gegen die Schmerzen geben." "Ooooch, muss das sein?", fragte der Patient genervt. Er wollte endlich seine Ruhe haben. Außerdem hatte er Angst vor Spritzen, er wusste nicht woher sie kam, aber es war eine große Angst... "Wollen Sie lieber Schmerzen haben, anstatt sich einmal pieksen zu lassen?" "Na gut!" Der Patient zog eine wehleidige Miene; gab aber dennoch den Arm her. Der Arzt band seinen linken Arm ab und suchte sich eine gut verwendbare Vene heraus. Dann setzte er die Spritze an und injizierte langsam das Schmerzmittel. Sein Patient verzog schmerzhaft das Gesicht. Der Arzt entfernte die Spritze und drückte die Kompresse auf den Einstich, um den Blutfluss zu stoppen. "Na, war doch gar nicht so schlimm, oder?" "Doch." Der Kranke hatte immer noch eine wehleidige Miene. "Ach was, Sie werden sich noch daran gewöhnen, es war ja nicht die letzte Spritze, die Sie bekommen haben." Erschrocken riss der Patient die Augen auf. "An den Tropf haben Sie sich ja auch gewöhnt!" "Der tut auch nicht so doll weh.", fauchte er. Der Arzt lächelte. "Ich wünsche Ihnen noch eine gute Nacht." Mit diesen Worten ging der Arzt aus dem Zimmer. Der junge Mann legte sich hin. Binnen ein paar Minuten war er eingeschlafen. ~* ~*~*~ Joe ging in sein Büro, als er von einem sehr hübschen Mädchen angesprochen wurde. "Hey Joe, was wollte dir Lucas so wichtiges mitteilen?" fragte es. Es hatte schulternlange dunkle Haare, eisblaue Augen, eine Stupsnase, volle Lippen und war an die einsneunundsechzig Meter groß, war seine Schwester, und heute wollte sie ihn ärgern... wie es Schwestern nun mal tun. "Oh Mann, Nami, vor dir bleibt aber auch nichts geheim, was?", fragte Joe genervt. "Nö, ich weiß immer alles.", grinste sie ihn an. "Neugierde tut selten gut.", kommentierte er ihre Antwort. "Ich hab keine Ahnung was Lucas mir sagen wollte, er ist nicht gekommen." "Wie? Er ist einfach nicht gekommen? Wo er doch immer so pünktlich ist? Machst du dir keine Sorgen? Vielleicht hat er ja irgendwas Wichtiges herausgefunden." Nami war ganz erstaunt, denn ihr Cousin würde niemanden versetzen. Lucas war immer pünktlich und wenn er sagte, er käme, dann würde er das auch, oder er würde wenigstens Bescheid geben, dass er das nicht schaffen würde. "Nami, kannst du nicht ein wenig langsamer reden?" Er reagierte immer genervter, denn er hatte jetzt wenig Lust sich mit irgendjemanden zu unterhalten. Nami grinste. Sie wusste, dass sie ihrem Bruder dieses Mal überlegen war. "Ich bin mir sicher, dass ihm nichts zugestoßen ist, er kann ganz gut auf sich selbst aufpassen", meinte er. "Aber es kann ja immerhin sein." "Bitte, sei doch nicht immer so pessimistisch.", sagte Joe mit einer Stimme, die unmissverständlich sagen wollte: "Die Diskussion ist beendet." Und genau das spürte Nami, ließ nicht locker und setzte noch nach: "Bin ich doch überhaupt nicht. Ruf ihn doch an." "Mann, du gibst einfach keine Ruhe, was?", fauchte Joe zurück. "Nö, wenn ich schon hergeschickt werde, will ich auch ein bisschen meinen Spaß haben." Und wieder grinste sie, woraufhin Joe die Augen verdrehte. "Oh Mann, was bin ich froh, dass Mum nur dich hergeschickt hat. Ich würde es mit euch beiden zusammen keine fünf Minuten aushalten." Mit einer Hand wies er ihr die Tür: "Ich versuche es noch mal ihn anzurufen. Stör mich bloß nicht. Ach Nami?" "Ja?" ".....Hör mal, die da hinten haben offenbar ein Problem, könntest DU es vielleicht beheben?", fragte Joe und zeigte auf ein paar Kollegen, die sich verzweifelt um einen Computer berieten. Er war der Chef der kleinen Informatikfirma, die allerlei Software für Windows herstellte. "Wie bitte, ich? Warum sollte ich? So ganz ohne Bezahlung?" Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. "Rrrrgh, was willst du?" Nun war Joe echt wütend. "Ach, weißt du, ich würde mich gerne ein wenig weiter bilden, ich will ein paar Bücher, CDs und Klamotten. Ich hätte da so an 300 Dollar gedacht!" "Bitte? 300 Dollar? Spinnst du? Was will eine 17-jährige mit 300 Dollar?" fragte er fassungslos und misstrauisch. "Okay, dann tue es doch selbst!" Sie drehte sich auf dem Absatz um und wollte gerade zur Tür raus als... ".....Warte! Schon gut! Du kriegst das Geld......Halsabschneiderin...." murmelte Joe so, dass nur er es hören konnte. "Na also, geht doch.", sagte Nami mit einem zuckersüßem Lächeln auf den Lippen und verließ den Raum. >>Mein Gott, dieses Mädchen kriegt immer das was es will, warum habe ich bloß nachgegeben?<< In Gedanken um den Verbleib seines Cousins wählte er Lucas Nummer, doch niemand ging ran. >>Das ist ja seltsam!<< Er versuchte es noch einmal und auch dieses mal ging keiner ran. Den Kopf schüttelnd legte er den Hörer auf und seufzte. >>Wo zum Teufel steckst du?<< *~*~*~* Am nächsten Morgen kam eine Krankenschwester und zog die Gardinen auf, damit die Sonne hereinscheinen konnte. Sogleich erwachte auch ihr Patient aus seinem Schlaf. "Mmmmh, hab ich gut geschlafen!", sagte der junge Mann, der sich nun wesentlich erholter fühlte. Er wollte sich strecken, doch der Tropf und die Schmerzen hinderten ihn daran, worauf er ein leicht zusammenzuckte. "Das glaube ich Ihnen gerne! Aber Sie sollten sich lieber nicht so sehr anstrengen, heute stehen nämlich weitere Untersuchungen an." Die Krankenschwester war klein, um die fünfundvierzig Jahre alt und hatte graue Haare. "Noch mehr? Aber ich dachte dass die Untersuchungen bereits abgeschlossen sind.", fragte er verwundert. Er wollte lieber seine Ruhe haben, denn den ganzen Tag über waren Ärzte und Putzfrauen gekommen und hatten seinen Schlaf gestört, und er wusste, dass das noch eine Weile so weitergehen würde. Und mit jeder Unterbrechung fühlte er sich müder und müder. Er verzog das Gesicht; es roch nach Medikamenten und Desinfektionsmitteln. "Die Untersuchungen sind noch nicht mal zur Hälfte abgeschlossen... Aber wenn Sie brav sind, werden sie schon bald vorbei sein. So, Sie müssen noch Ihre Medikamente einnehmen." "Och, nö, muss das sein?" quengelte er; allerdings mit mater Stimme. "Aber ja, sonst werden sie hier noch länger bleiben als unbedingt notwendig, wollen Sie das?" "Natürlich, wenn ich weiterhin so nett behandelt werde, warum nicht?" Er grinste die Krankenschwester frech an. "Ach, wenn bloß alle Patienten so denken würden, würden wir als letztes unsere Arbeit verlieren." Sie lächelte ihn freundlich an. Der Kranke schaute nach draußen. Es war ein toller Anblick. Er konnte einen Wald sehen und einen See, draußen schien die Sonne, die Vögel zwitscherten, es war herrlich. "Wie sieht es denn aus, können Sie sich inzwischen an etwas erinnern?" "Nein leider nicht. Ich versuche es ja, aber es klappt einfach nicht. Das macht mich fertig. Warum bin ich alleine? Habe ich denn keine Verwandten?" Die Schwester lächelte. "Das kann ich Ihnen leider nicht beantworten." Der Patient seufzte. Ja, warum war er hier allein? Er mochte den Gedanken nicht, dass sich keiner um ihn kümmerte... Entweder er hatte gar keine Verwandten oder eine Familie oder Freunde, oder er war ihnen egal... Weder das eine noch das andere war ein sehr beruhigender Gedanke. Aber da war natürlich noch die dritte Möglichkeit. Wer immer seine Familie oder seine Freunde waren... vielleicht wussten sie ganz einfach nicht, dass er hier war... Aber warum war er hier? Noch so eine Frage... Nichts als Fragen, immer nur Fragen, und keine Antworten. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)