Blind! von Shirokko (HP:DM) ================================================================================ Ein erster, schrecklicher Tag ----------------------------- Titel: Nach Hogwarts zurück Autor: Shirokko Pairing: Harry Potter / Draco Malfoy Disclaimer: nicht meins, nur verwurstet, durch den Fleischwolf gedreht, zusammengemischt und neu verarbeitet. Alle Charas gehören J.K.Rowling, beschwert euch bei ihr, wenn ihr wen nicht mögt. ^^ ... ich verdiene damit also kein Geld, was wirklich schade ist! Kommentare: Diese Geschichte spielt nach dem vierten Band, die beiden zuletzt erschienenen, sowie der noch ausstehende Band werden nicht berücksichtigt. Ansonsten... Vergebt mir meine Schwafelei! Warnungen: Diese Geschichte enthält Shonen-Ai. Wem das nicht gefällt, der soll einfach umdrehen! Andererseits... Man soll immer offen sein für seine Umwelt und neue Dinge kennen lernen... Aber jetzt geht’s los. Viel Spaß beim Lesen. Widmung: Für Viebie, meine kleine, süße, wenn auch verrückte Schwester! Kapitel 5: Ein erster, schrecklicher Tag Im Grunde war der ganze Montag eine Katastrophe. Es begann damit, dass Harry verschlief. Ron versuchte ihn zu wecken, schüttelte ihn heftig, doch er schaffte es nicht, den sich windenden Schwarzhaarigen aus seinen ganz offensichtlich unguten Träumen zu reißen. Bis Harry plötzlich die Augen aufriss und hochfuhr. Sein Atem ging heftig, seine Hände, die die Bettdecke zu meucheln drohten, machten dem bleichen Zittergras Konkurrenz. Sein Gesicht war weiß wie die Wand. „Harry?“ Die besorgte Stimme Rons ließ Harry den Kopf heben und realisieren, dass der Traum vorbei war, dass er in Sicherheit war. Ein zaghaftes, erleichtertes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Hast du schlecht geträumt?“, fragte der Rotschopf beunruhigt. Harrys erste Reaktion war ein entschiedenes Nicken, doch er hielt mitten in der Bewegung inne. War es ein Alptraum gewesen? Er konnte sich überhaupt nicht erinnern. An nichts! Weshalb klopfte sein Herz so schnell, als hätte er einen Hundertmeterlauf hinter sich? Was war in jener seltsamen, nicht definierbaren Traumwelt geschehen? „Ich weiß es nicht…“, flüsterte er leise, ließ den Kopf hängen. Normalerweise wusste er wenigstens im Ansatz, worum es ging. Warum also heute nicht? Ron war sofort beruhigt. „Dann war es nicht wichtig.“, erklärte er gut gelaunt. „Du solltest dich ein wenig beeilen, sonst kommen wir zu spät und müssen das Frühstück ausfallen lassen.“ Harry nickte, grinste und schlug die Decke zurück, um aufzustehen. Das konnte er Ron nicht antun. Er wusste doch, wie gerne der Freund aß. „Wie spät ist es?“ Er trat vom Bett weg, breitete die Arme aus und schloss die Augen. „Kurz vor Sieben.“ Kleidungsstücke hoben sich aus seinem Koffer, ein T-Shirt, eine Hose, Socken, eine dieser scheußlichen rot-goldnen Krawatten, sein Schulumhang. Und alles legte sich wie selbstverständlich an und um seinen schmalen Körper, bis er schließlich, keine Minute später, komplett angezogen im Zimmer stand. Ron klopfte ihm auf die Schulter. „Das ist immer wieder ein verblüffender Anblick.“, sagte er seufzend. „Hier ist deine Schultasche und jetzt komm.“ Der Schwarzhaarige nahm sie lächelnd entgegen und ließ sich dann von seinem Freund durch die Tür hinaus aus dem Schlafraum schieben. Sie ließen einen absolut sprachlosen und schockierten Neville Longbottom zurück, für den es absolut keine Selbstverständlichkeit war, dass jemand solch einen Zauber kannte. Wenn überhaupt taten das starke Zauberer wie Dumbledore, faule oder alte Zauberer. Woher also konnte der fünfzehnjährige Fünftklässler Harry das? Nur langsam löste er sich aus seiner durch Verblüffung entstandenen Erstarrung und musste sich dann wirklich sputen, damit er nicht schon am ersten Schultag zu spät zum Unterricht kam, der zu allem Überfluss ausgerechnet aus seinem Hassfach bestand: Zaubertränke. Das konnte er sich beileibe nicht leisten. Snape hasste ihn eh schon genug. Eilig hetzte der mollige, schwarzhaarige Junge mit dem Mondgesicht durch die Gänge und bekam wahre Panikattacken bei dem Gedanken, dass er es nicht mehr schaffen würde, nur um, wie viele andere ein paar Augenblicke vor ihm, festzustellen, dass er, fünf Minuten nach Stundenbeginn, vor einer geschlossenen Tür stand. Ein Pergament hing an der gefürchteten Kerkertür: „Der Zaubertrankunterricht heute fällt aus. Hausaufgaben zum nächsten Mal: Seite sieben bis zehn im Buch.“ Neville konnte es nicht fassen. Kein Zaubertrankunterricht? Wo dieses Fach sonst nie ausfiel! Wie viel Glück konnte ein Mensch denn haben? „Es ist seltsam…“, ließ sich Hermiones Stimme durch das aufgeregte Geplapper der Vermutungen über den Verbleib des Lehrers anstellenden Schüler vernehmen. „… aber Snape war doch auch schon gestern nicht am Lehrertisch.“ Harrys Kopf fuhr herum. „Wirklich?“ Das hatte er ja gar nicht gewusst. Sie nickte ernst. „Sein Platz war leer.“ Ein entspanntes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. „Was wohl mit ihm ist?“, sinnierte er, die Augen verträumt geschlossen. Er genoss den Umstand, jetzt nicht in dem Kerker zu sitzen. Für dieses Fach hatte er noch nie viel übrig gehabt, genauso wenig wie für den unterrichtenden Lehrer. „Er lässt doch sonst keine Gelegenheit aus, mich zu triezen.“ „Meinst du nicht, dass das ein wenig arrogant klingt, Potter?“, ertönte Malfoys überhebliche Stimme von hinter ihm, erinnerte Harry daran, dass es da ja noch andere gab, die dieses doch recht ungewöhnliche Hobby verfolgten, ließ ihn aufseufzen. „Professor Snape wird schon seine Gründe haben, dass er nicht kommt. Und er hat gewiss Besseres zu tun, als dich zu triezen… Auch wenn ich zugebe, dass das durch seine Position und die damit verbundene Leichtigkeit sicherlich Spaß macht.“ Harrys Lächeln verflog, als er seine Augen direkt auf den Punkt richtete, an dem er Malfoys Gesicht vermutete. Zum ersten Mal legte er es darauf an, dass jemand dieses Unbehagen spürte, welches sich bei den meisten beim Anblick der leeren Seelenspiegel einstellte, doch obwohl es bei den beiden Gorillas hinter seinem platinblonden Widersacher ganz sicher wirkte, Malfoy zeigte keine Reaktion. Verwirrung machte sich in ihm breit. Malfoy sprach ungerührt weiter: „Noch dazu bist du doch selbst Schuld.“ Harry konnte das Grinsen in seinem Gesicht fast körperlich spüren, genau wie die Wut, die unaufhaltsam in ihm hochstieg. Was bitte konnte er denn dafür, dass Snape ihn hasste? „Du gibst ihm wahrlich genug Möglichkeiten dazu, dir eins auszuwischen.“, höhnte Malfoy. „Echt, Potter, ist dir noch nie aufgefallen, dass du ihm nie gewachsen sein wirst?“ Unfähig sich zu rühren, starrte Harry in Richtung seines Widersachers. Er hatte Recht damit! Snape saß am längeren Hebel, konnte ihm so viele Strafarbeiten verpassen, wie es ihm beliebte. Wenn er so weitermachte wie bisher, würde er sich an ihm aufreiben. Und wenn er sich in Zukunft fügte, verlor er sein Gesicht vor seinen Mitschülern. Aber so wie früher konnte es nicht weitergehen. Er würde, ohne sein Augenlicht, diesen Kampf ganz sicher verlieren! Es gab keine Chance für ihn! „Was ist denn, Potter? Hat es dir die Sprache verschlagen? Wirst du nun auch noch stumm?“ Von Ron und Hermione, links und rechts von ihm, hörte Harry wütendes Keuchen und Schnauben, doch er lächelte nur. Ein ehrliches Lächeln, das auf der Stelle das Flüstern seiner Mitschüler, die diesem Zwist begierig folgten, verstummen ließ. „Ich danke dir, Malfoy.“, sagte er, immer noch süß lächelnd. „Du hast Recht. Ich werde versuchen, das zu ändern.“ Sprachlosigkeit war sicherlich nichts, was ein Malfoy gewöhnt war, aber in diesem Moment fehlten dem Blonden die Worte. Was war denn mit Harry los? Er bot doch sonst immer Paroli. Hatte er etwa aufgegeben? Hatte er beschlossen, ihm den Sieg ihres nun vier Jahre andauernden Zweikampfes zu schenken? Wortlos beobachtete er, wie Hermione Harry unterhakte und sie ihn fortführte, doch bevor sie die Abzweigung zum nächsten Gang erreichten, blieb Harry noch einmal stehen und drehte sich zu ihm um. „Was ist los, Malfoy? Ich warte immer noch auf ein Contra!“, lächelte er. Draco Malfoy wurde wütend. Reichte ihm der Sieg von gerade nicht? Musste er ihm das auch noch unter die Nase reiben. Ein böses Grinsen erschien auf seinem Gesicht, war auch mit Sicherheit noch in seiner Stimme zu hören. „Ich freue mich, dass ich dir helfen konnte. Ich muss meinem geprügelten Rivalen doch helfen, damit er nicht nachlässt. Deine Blindheit…“ Harry unterbrach ihn, die Stimme voll Eis, das Gesicht ausdruckslos. „Glaube mir, ich brauche weder dein Mitleid, noch brauche ich deine Hilfe.“, sagte er. Raunen setzte ein, als er verstummte, doch Draco hörte es gar nicht. Wie ein König so stolz stand Harry da, nur zehn Meter von ihm entfernt. Seine grünen Augen blickten leer zu ihm hinüber, ließen ihn schaudern, konnte er doch nicht daraus erschließen, ob sie hasserfüllt oder wütend oder etwas ganz anderes waren. Seine beiden Freunde flankierten ihn wie die Berater eines Kaisers, immer auf sein Wohlergehen bedacht, nicht minder stolz. Es war eindrucksvoll und dennoch konnte er sich die in ihm aufkeimende Idee nicht verkneifen. Er machte eine elegante und spöttisch anmutende Verbeugung. „Sehr wohl, wie Eure Hoheit wünschen!“ Noch ein paar Sekunden stand Harry reglos dort in dem Gang, unter den mächtigen, steinernen Gratgewölben, dann wandte er sich ab und die Drei verschwanden. Malfoy begann zu lachen, steckte viele seiner Hauskameraden damit an, doch in seinem Inneren hasste er sich dafür. Er hatte Harry Schmerzen zugefügt, seelische Schmerzen, das hatte er genau gesehen, hatte ihm dieses süße Lächeln vom Gesicht gewischt. Dabei wollte er doch… Harry und seine Freunde kehrten in den Gemeinschaftsraum der Gryffindors zurück, doch während Ron und Hermione wütend darüber diskutierten, was man mit Malfoy alles anstellen könnte, um ihn dafür büßen zu lassen, schwieg er beharrlich. „Wir sollten seinen Umhang in Flammen setzen, wenn er in Verwandlung nicht aufpasst.“, zischte Ron gerade. „Oder besser noch, du verzauberst seinen Stuhl in ein bissiges Krokodil!“ Hermione knurrte zustimmend, doch beide Jungen wussten, dass sie das nie tun würde, auch wenn ihr die Idee gefiel. Sie war einfach zu verantwortungsbewusst und bei weitem noch nicht wütend genug, um zu solchen Mitteln zu greifen. „Wir könnten auch einen Silenciumzauber über ihn sprechen, dann hört ihn niemand mehr und wenn er noch so sehr schreit!“ Hermione sah ihn erstaun an. „Du wirst ja richtig erfinderisch, Ron!“, sagte sie in gewissem Grade anerkennend. Dieser schwellte stolz die Brust. „Da kannst du mal sehen, Mione, dass ich doch nicht so hirnlos bin, wie immer alle sagen!“ Harry hatte das Gefühl, er wollte mit diesen Worten Eindruck bei ihr schinden, sie hatten so einen provozierenden Unterton… „Das habe ich dir schon hundert Mal gesagt.“, bemerkte das Mädchen spitz. „Du bist nur einfach zu faul zum Lernen!“ Ron schickte ihr einen bösen Blick. „Dann lege eben ich diesen Silenciumzauber über ihn.“, knurrte er wütend. „Lass es.“, mischte sich Harry nun doch ein, denn Ron war dazu auf jeden Fall in der Lage, wurde er doch nicht wie Hermione von Gewissensbissen geplagt. Zwei Köpfe flogen zu ihm herum, zwei ungläubige Blicke trafen ihn. „Harry, der hat dich verarscht und beleidigt!“ Ein Lächeln, wehmütig und ein wenig traurig, schlich sich auf seine Lippen. „Er kommt damit nicht klar.“, sagte er leise. „Er braucht ein wenig mehr Zeit, um zu sehen, dass ich nicht mehr mit ihm kämpfen werde.“ „Du willst nicht mehr…“ Rons Stimme war durchtränkt von Unglauben. „Aber, Harry, dann hat er gewonnen!“ Der Schwarzhaarige schnaubte verächtlich. „Der ganze Feindschaftsquatsch ist doch total albern. Er macht mir das Leben nur unnötig schwer. Ich habe momentan andere Sorgen, als Malfoy zu ärgern!“ Ron verstummte im Ansatz des nächsten Satzes, als sich Hermione einmischte. „Harry, bist du dir sicher? Ich meine, er war immer dein Ansporn, bis zum Äußersten zu gehen! Er war es doch, der dich vorangetrieben hat, deine Fähigkeiten zu verbessern! Damit du ihn schlagen kannst!“ Harry blickte überrascht auf, schloss seine Augen aber schnell wieder, als er das Unbehagen der Freundin spürte. So hatte er das noch nie gesehen. Trieb Malfoy ihn wirklich vorwärts? Er lachte, plötzlich unsicher. „Ich war mir sicher, Mione…“, antwortete er, kratzte sich verlegen am Kopf. „Bis eben.“ „Harry?“ Doch er gab keine Antwort mehr, hatte es nicht einmal gehört. Er starrte gedankenverloren auf einen Punkt zu Rons Füßen. Hermione hatte tatsächlich Recht. Malfoy war es gewesen, der ihn nach Gryffindor getrieben hatte, weil er nicht mit ihm in ein Haus kommen wollte. Malfoy hatte er auf dem Besen kriegen wollen, als er das erste Mal flog. Er hatte sich zum Letzten getrieben, um das Erinnerdich von Neville zu retten. Malfoy hatte ihn bei dem Duell im zweiten Schuljahr dazu gebracht, dass er Parsel sprach, dass er diese außergewöhnliche Fähigkeit entdeckte. Und seine Versuche, ihn, Harry, zu ärgern, indem er Buttons, Lieder oder Sprüche über ihn erfand, hatten das Band Harrys zu seinen Freunden nur noch stärker gemacht, ihn selbst gestärkt. War es also wahr, was Hermione sagte? War es Malfoy, dem er seine Fortschritte verdankte? Er konnte es nicht so recht glauben, aber… wenn nun doch? Das nächste Fach an diesem Morgen war Verwandlung. Und wieder hatten sie zusammen mit den Slytherins Unterricht, die immer noch wegen der vermeintlichen Demütigung zwei Stunden vorher lachten. Doch als Professor McGonagall kam, wurde es sofort still. Sie sprach ein paar einleitende Worte und verteilte dann Federn, die sie in Ratten verwandeln sollten. Es war einfache Wiederholung, um zu sehen, wie viele von ihren Fähigkeiten sie über die Ferien behalten hatten, doch trotzdem gab es ein paar Schüler, die es nicht schafften. Sie erschufen geflügelte Ratten oder (in Rons Fall) verpassten ihren Federn Rattenfüße und einen Schwanz. Hermiones Zauber war perfekt wie eh und je und außer ihr schafften es noch drei andere so gut: Blaise Zabini, Draco Malfoy und Parvati Patil. Harry seufzte. Eigentlich wollte er nicht, hatte ein wenig Bammel vor dem Ergebnis seiner Zauberei, weil er es ja selbst nicht sehen und beurteilen konnte, aber als Schüler konnte man sich nicht ohne weiteres weigern. Leise schwang er den Zauberstab, sprach den Spruch und richtete ihn auf die Stelle, von der er hoffte, dass dort die Feder lag. Lautes Rumpeln, Klirren, Krachen und Quieken ertönte, ein kleiner, erschrockener Schrei von Ron, als plötzlich der Tisch zu schrumpfen begann, zunehmend mehr tierische Ausmaße annahm und schließlich eine verängstigte, kastanienbraune Ratte die Flucht ergriff. Es herrschte tosende Stille im Raum, aller Augen ruhten mit einer Mischung aus Schreck, Entsetzen und Unglauben auf Harry. Dann brach plötzlich Gelächter los, als der Schwarzhaarige verlegen eine leise Entschuldigung murmelte, doch Professor McGonagall brachte alle zum Schweigen. Mit einer kurzen Bewegung ihres Zauberstabes fing sie das possierliche Tierchen ein, ließ es zu Harry und Ron hinüberschweben und verwandelte es in den Tisch zurück, der sie gewesen war. Mit einem zweiten Wink ordnete sie die zerbrochenen Dinge am Boden heile wieder auf dem Tisch an. „Mr Potter!“, bellte sie. „In mein Büro!“ Harry war geknickt. Was sollte er denn machen? War seine Zaubererkarriere etwa vorbei? Nur weil er nicht mehr sehen konnte? Würden sie ihn als unfähig abstempeln? Ihn vom Schulgelände entfernen lassen, weil sie ihm das Zaubern nicht mehr zutrauten, ohne eine Gefahr für alle darzustellen? Und dann blieb da noch die Frage, wie er McGonagalls Büro finden sollte ohne Rons Hilfe. Zumindest das ergab sich schneller als erwartet. „Miss Granger und Mr Weasley, begleiten Sie ihn und warten Sie ebenfalls im Büro.“ Schlimmer hätte sie ihn nicht treffen können. Seine Freunde konnten doch nun wirklich nichts dafür! Warum also sollten sie ebenfalls ins Büro? Wäre es nur Ron, hätte er davon ausgehen können, sie habe nur seinem Handicap Beachtung geschenkt, aber so… Johlendes Gelächter begleitete sie hinaus, wurde schließlich von der sich schließenden Tür verschluckt. Harry seufzte. „Tut mir Leid, Leute.“, sagte er reumütig. „Ich hätte mich nicht so blöd anstellen sollen…“ Doch Ron gab sicher nicht ihm die Schuld. „Sie könnte ruhig etwas nachsichtiger mit dir sein!“, schimpfte er wütend. „Schließlich bist du blind. Es kann doch mal vorkommen, dass du danebenzielst.“ Er nahm Harry am Arm, geladen wie er war, und zog ihn ruppig mit sich. „Außerdem hast du die Aufgabe doch gelöst. Das war eine perfekte Ratte! Sie war besser als Scabbers!“ Hermione beobachtete ihre beiden Freunde schweigend. Ob Harry wirklich nicht wusste, warum McGonagall mit ihm reden wollte? Ihrer Meinung nach lag das klar auf der Hand. Sie verstand nur nicht, warum auch sie aus dem Klassenraum beordert worden war. Sie war sich keines Vergehens bewusst und für die Sache mit dem Tisch konnte die strenge Hauslehrerin der Gryffindors sie auch nicht belangen. Das war nun wirklich unbestreitbar Harry gewesen. Sie war sich nicht einmal sicher, ob sie das auch so ohne Weiters geschafft hätte. Es war eine Sache, eine Feder zu verwandeln, aber gleich einen Tisch, der doch soviel größer war als eine Ratte… Harrys nächste Worte rissen sie aus ihren Überlegungen. „Ich finde es nett, dass sie mir nicht gleich Punkte abgezogen hat.“, sagte er. „Ich meine, wie hätten die Slytherins und Malfoy erst gelacht, wenn es zu der Strafe auch noch Minuspunkte gegeben hätte…“ Er wusste es also nicht. Und das andere hatte er auch nicht mitbekommen. „Malfoy hat gar nicht gelacht.“, bemerkte sie beiläufig. Ihre Stimme war leise, kaum zu hören. Und doch laut genug. „Was?“, rief Ron entsetzt, starrte sie ungläubig an. Sie zuckte abwehrend mit den Schultern. „Ja, er sah eher verblüfft aus, so als könne er es nicht glauben.“ Entschieden schüttelte der Rotschopf den Kopf. „Der Kerl hat wohl nicht gelacht, weil er Angst hatte, den Urteilsspruch zu verpassen!“, knurrte er überzeugt. „Malfoy lässt wie Snape nie eine Gelegenheit aus, Harry zu ärgern!“ Harry selbst nickte zustimmend. Er konnte sich nicht erinnern, dass Malfoy ihn jemals hatte ungeschoren davonkommen lassen, außer es war Dumbledore in der Nähe. „Wir sind da.“, unterbrach Hermione Rons stetig andauernde Antipredigt gegen Malfoy, die Harry schlicht aus seinen Gedanken ausgeschlossen hatte. Sie traten ein und ließen sich jeder auf einem der Stühle nieder, Ron immer noch schimpfend. Es war warm herinnen und es roch nach Rauch. Hatte McGonagall etwa ein Feuer angehabt? Mitten im Sommer? Wie hielt sie das aus? Oder hatte sie am Morgen mit jemandem gesprochen, so wie damals Sirius mit ihnen gesprochen hatte: Kopf in den Flammen? Keine zwei Sekunden, nachdem Harry dies gedacht hatte, kam McGonagall herein und Ron verstummte endlich. Ohne ein Wort rauschte sie an ihnen vorbei und ließ sich dann schwungvoll-elegant in ihren Sessel hinter dem schweren Schreibtisch sinken. Harry erhob das Wort: „Professor, es tut mir Leid. Ehrlich, dass ich…“ „Schweigen Sie.“, unterbrach sie ihn rüde, wandte sich sofort an Hermione. „Sagen Sie, Miss Granger, haben Sie mit Mr Potter diesen Spruch geübt?“ Das Mädchen starrte sie überrascht an, überlegte aber nicht eine Sekunde, bevor sie antwortete. „Ganz sicher nicht!“, sagte sie bestimmt. „Da wir es erst in der letzten Woche vor den Fe…“ „Schon gut, Miss Granger. Mr Potter, haben Sie den Spruch über die Ferien allein geübt?“ „Nein, Professor McGonagall.“ Harry verstand nicht, was sie von ihm wollte. „Wie kommt es dann, dass Sie ihn ganz offensichtlich in fortgeschrittenen Dimensionen anwenden können?“ Der Schwarzhaarige blinkte. „Ich verstehe nicht…“ „Ich meine…“, erklärte sie ungeduldig, „…dass es Ihnen in Ihrem Alter schlicht nicht möglich sein dürfte, einen Gegenstand, groß wie ein Tisch, in etwas so Kleines wie eine Ratte zu verwandeln. In einen Hund, gut, aber in eine Ratte…“ „Mensch, Harry, du…“ „Schweigen Sie, Mr Weasley!“, ging die Lehrerin dazwischen. Augenscheinlich war sie ziemlich aufgewühlt. „Ich möchte, dass Sie das noch einmal versuchen.“, sprach sie nun wieder Harry an. „Verwandeln Sie meinen Tisch in eine Ratte.“ Der Angesprochene zögerte kurz, zückte dann aber seinen Zauberstab und richtete ihn auf den Schreibtisch. Erst die Bewegung, dann der Spruch, wie sie es gelernt hatten. Der massiv hölzerne Tisch wurde weich und zur Ratte, während alles, was darauf stand, zu Bruch ging und das verschreckte Tierchen unter sich begrub. Harry wurde rot. „Es tut mir Leid, ich…“ „Das ist faszinierend.“ McGonagall hörte ihm gar nicht zu, beförderte mit ihrem Zauberstab alles in seinen Urzustand zurück. „Wirklich unglaublich.“ Sie sah kurz zu dem Jungen mit der Blitznarbe hinüber. „Jetzt noch einmal.“ Ein Nicken und Harry tat, was sie verlangte. Abermals ging alles zu Bruch, abermals reparierte sie alles, ihr Gesicht versteinert. „Sie können gehen.“, sagte sie. Ron, Harry und Hermione erhoben sich erleichtert, doch McGonagall hielt sie zurück. „Sie beide brauche ich noch ein wenig.“, ließ sie verlauten. „Mr Potter, warten Sie bitte draußen auf ihre Freunde.“ Der Rotschopf brachte seinen verwirrten Freund vor die Tür und kehrte dann zurück, setzte sich, innerlich angespannt. Was konnte die Lehrerin noch von ihm wollen? „Mr Weasley, ich finde es wirklich außerordentlich nett von Ihnen, wie sehr Sie sich um unseren jungen Mr Potter bemühen, dennoch bitte ich Sie, lassen Sie es… Nun ja, stellen Sie ihn öfter vor Herausforderungen, legen Sie ihm nicht alles in den Schoß. Es ist erstaunlich, wie viel magisches Potential in ihm schlummert, doch wenn er es nicht nutzt und trainiert…“ Sie unterbrach sich. „Achten Sie einfach darauf, dass er sich nach und nach daran gewöhnt, wieder selbstständiger zu werden. Ich brauche Sie als Vertrauensschüler.“ Rons Augen weiteten sich. „Ich soll…“ „Ja, sollen Sie. Hier ist das Abzeichen. Allerdings haben Sie es unter Vorbehalt. Vernachlässigen Sie unseren jungen Harry Potter nicht.“ Mehr als ein Nicken brachte Ron nicht zustande, als er das silberne Emblem von ihr entgegennahm. „Sie können auch gehen.“ Wortlos verließ der Rotschopf das Büro der Lehrerin. Er traf im Flur auf Harry, der, die Kopfhörer im Ohr, an der Wand lehnte und nicht einmal bemerkt zu haben schien, dass Ron auch entlassen war. „Hey, Harry! Sieh mal, ich bin ab heute Vertrauensschüler!“ Harrys Lächeln über Rons Begeisterung war echt. Er freute sich für Ron, der nahezu aus dem Häuschen war wegen der unverhofften Auszeichnung, doch er hatte gelauscht und gehört, was McGonagall gesagt hatte, das mit dem Vorbehalt. Er gefiel ihm nicht. Dass Ron sein Wohlbefinden vor sich selbst stellen sollte, passte ihm nicht. Er fand es nicht fair. Dann trat auch Hermione wieder aus dem Büro der Hauslehrerin. Sie sah verwirrt aus, beinahe zerknirscht. Ron bemerkte es sofort. „Was hast du, Mione?“ Er konnte den glücklichen Unterton nicht aus seiner Stimme verbannen. „Nichts!“, gab sie in frostigem Tonfall zurück, der das genaue Gegenteil bewies. Harry fragte sich, was zwischen ihr und McGonagall vorgefallen war, doch diese Frage laut zu stellen, traute er sich nicht. Er hielt es für klüger, sie nicht darauf anzusprechen. Und auch Ron ließ es dabei bewenden. Sie kehrten zurück in den Raum für Verwandlung. Lachen, als sie die Tür öffneten, als sie sich setzten. Dumme Sprüche aus allen Mündern, Fragen nach der Strafe. Aber keiner der Drei antwortete. Sie hatten sich stumm darauf geeinigt, die anderen dumm bleiben zu lassen. Dann betrat Professor McGonagall wieder den Raum und die Stille kehrte zurück. Die verbliebene Zeit verharrte Harry schweigend auf seinem Platz, lauschte der Musik aus seinem MP3-Player und beachtete weder Ron neben sich, der immer wieder versuchte, ihn anzusprechen, noch Deans neugierige Fragen von vorne, wie denn die Strafe nun ausgefallen war. Im Grunde wollte er nur noch seine Ruhe. Während des Mittagessens verbreitete sich Harrys Missgeschick unter der gesamten Schülerschaft und nun lachten bei weitem mehr. Seltsamerweise blieb dieses selten dämliche Verhalten auf die unteren fünf Klassen beschränkt. Die oberen Stufen lachten nicht, befanden es aber auch nicht für nötig, die Jüngeren über ihre diesbezüglichen Gründe aufzuklären. Aber Fred und George Weasley amüsierten sich dafür umso mehr, wenn auch aus anderen Gründen. „Hey, Harry!“, rief Fred enthusiastisch grinsend, kam zu ihm. „Mach das noch mal. Verwandle den Tisch in eine Fledermaus!“ „Haha.“, murrte der Schwarzhaarige missgelaunt. Mussten ihn nun auch noch die Zwillinge nerven? Er hatte gedacht, dass wenigstens seine Freunde auf seiner Seite sein würden. „Nein, im Ernst jetzt!“, mischte sich George ein und tauchte unvermittelt hinter seinem Bruder auf, legte diesem einen Arm um die Schultern und stütze sich auf ihn. „Wenn du das mit allen vier Tischen auf einmal machst, haben die Lehrer die größten Probleme, sie wieder einzufangen, und wir haben den Tag über frei, weil sie beschäftigt sind!“ „Das funktioniert doch nie!“, ließ sich Hermione mürrisch vernehmen. Sie war seit dem Zwischenfall in McGonagalls Büro schlecht gelaunt und ließ das auch jeden, der in ihren Augen unangenehm auffiel, spüren. Doch sie wurde ignoriert. „Denk doch mal nach, wie unberechenbar die Flugbahnen dieser Viecher sind!“, rief George aufgeregt und seine Stimme überschlug sich fast. Er spannte vor unterdrückter Vorfreude die Muskeln an. Fred ächzte, wurde er doch von seinem übermütigen Bruder gewürgt, und bohrte ihm spielerisch warnend einen Ellenbogen in den Magen. Sofort ließ der Druck nach. „Klar.“, knurrte Harry, das Geplänkel der beiden mühsam ignorierend. Sie nervten ihn. Am liebsten würde er sie auf den Nordturm hexen. Außerdem… „Und ich krieg den Ärger. Macht’s doch selbst, wenn ihr das für so eine geniale Idee haltet.“ Die Zwillinge wechselten einen Blick. „Äh, Harry, dir scheint nicht klar zu sein, dass die meisten Schüler dieser Schule das nicht schaffen würden.“ Harry lächelte gekünstelt. „Natürlich.“ Er glaubte ihnen nicht, soviel stand schon mal fest. Wieder wechselten sie Blicke. „Hör zu, Harry.“, begann George, ließ Fred los und drängte Ron kurzerhand von seinem Platz, als er sich zwischen ihn und Harry quetschte. „Du solltest ein bisschen mehr Selbstvertrauen entwickeln, auch wenn du blind bist. Früher hattest du doch auch keine Minderwertigkeitskomplexe. Die Fähigkeit, in deinem Alter einen so großen Tisch in ein so winziges Viech zu verwandeln, zeugt von großem Talent, also…“ „…nutze es und mache Dinge, die andere nicht können.“ Fred setzte sich auf seine andere Seite, sein Ton wieder unverschämt frech. „Verwandele diese Tische in Fledermäuse.“ „Oder besser noch: In Schnaken! Oder in Fliegen, die sind schneller!“ Hinter Fred wurde es plötzlich ganz still und diese Stille breitete sich allmählich in der ganzen Umgebung aus. Eine düstere Stimmung ließ die Zwillinge verstummen und aufblicken, als sich Hermione drohend langsam erhob. Ihre Augen waren unter ihrem Pony verborgen, blitzen darunter hervor, als sie sich zu den Zwillingen umdrehte. „Wollt ihr Harry etwa anstiften?“, fragte sie ruhig, aber mit einer gehörigen Portion Eis in der Stimme. Freds unsicheres Grinsen war Beweis für sein Unbehagen, als er ihre Hand auf seiner Schulter spürte. „Wo denkst du hin, Mione!“ Dann wurden seine Augen groß, als auch Ron sich erhob, den gleichen ungnädigen, an Wut grenzenden Ausdruck auf dem Gesicht, seine Hand leicht auf Georges Schulter legend. „Es hörte sich aber verdammt danach an.“ Harry grinste in sich hinein, als er die Angst der Zwillinge spürte, ließ sich aber nichts anmerken, sondern aß seelenruhig weiter, als ginge ihn das alles nichts an. Ron und Hermione würden das schon regeln. Da brauchte er sich nun wirklich keine Gedanken zu machen. „Wir würden so etwas doch niemals tun!“, versuchte es diesmal George die beiden abzuschütteln. „Nicht wahr, Harry?“ „Ja, wir kämen niemals auf solche Gedanken!“, sprang Fred seinem Bruder bei, stand von der Bank auf und duckte sich unter Hermione Hand weg. „Das müsst ihr uns glauben!“ Auch George wand sich unter dem Griff der Verantwortung hervor. „Seit wann mischt du dich eigentlich in unsere Angelegenheiten ein, Ronald-Sweathea…“ Ihm blieb das Wort im Halse stecken, als er das Vertrauensschülerabzeichen auf Rons Brust blinken sah. „Oh, oh, da wird Mummy aber stolz sein!“ Er wechselte wieder einen Blick mit Fred und sie grinsten. „Sollen wir ihr sagen, welch einen braven Sohn sie hat?“, fragten sie unisono. „An eurer Stelle würde ich jetzt flüchten.“, ließ sich Lee Jordans Stimme vernehmen und er tauchte neben ihnen auf. „Die beiden sehen echt nicht so spaßig aus, vor allem Ron…“ Die beiden Weasleys befolgten den gut gemeinten, wenn auch etwas gehässig klingenden Rat ihres Freundes auf der Stelle und verdrückten sich mit einem frechen Grinsen und einem bösen Gruß Richtung Ausgang. „Das sind vielleicht zwei Spaßvögel.“, bemerkte Jordan grinsend. „Aber Harry, sag mal…“ Zwei funkelnde Blicke brachten ihn zum Schweigen und er schloss sich mit einem entschuldigenden, nicht minder frechen Schulterklopfen an Hermione seinen beiden Scherzkameraden an. Ron und Hermione setzten sich wieder hin, als wäre nichts geschehen. „Ihr könnt echt Furcht erregend sein.“, grinste Harry. „Aber erst mal danke für die freundliche Unterstützung.“ „Nichts zu danken!“, kam es von Hermione, immer noch ein wenig steif. „Das haben wir doch gerne gemacht!“ Und Ron konnte man es anhören, dass er das wirklich genossen hatte, seine beiden Brüder in ihre Schranken zu verweisen. Harry grinste nur vor sich hin. In diesem Moment eben hätte man die beiden durchaus mit Fluffy, dem dreiköpfigen Hund von Hagrid, der in seinem ersten Schuljahr die Falltüre und damit den Stein der Weisen bewacht hatte, vergleichen können. Scharf, die Zwei! Am Nachmittag hatten sie schließlich Pflanzenkunde bei Professor Sprout mit den Hufflepuffs zusammen. Und im Grunde war ja nichts wirklich Schlechtes an dem Fach, doch für Harry war es ernüchternd. Professor Sprout ließ ihn sich einfach auf einen Stuhl setzen und erwartete von ihm nichts weiter, als dass er zuhörte. Da hatte er den Beweis. Man hielt ihn für untauglich. Um wenigstens nicht ganz untätig zu sein, ließ Harry seine Feder jedes Wort der Lehrerin mitschreiben. Es ging um einen magischen Strauch, den man auf ganz bestimmte Art und Weise beschneiden musste, damit er einem nicht irgendwann um die Ohren flog, weil er sich für die Unfähigkeit des Scherenführers rächen wollte. Es war einfach nur faszinierend. Doch als es ans praktische Arbeiten ging, hatte der Schwarzhaarige endgültig nichts mehr zu tun. Gelangweilt hockte er auf seinem Stuhl und lauschte den Gesprächen der anderen, was ihm schlussendlich dann auch zu blöd wurde. Er holte seinen MP3-Player aus der Tasche und kapselte sich so vollständig von seiner Umwelt ab, während er uralten Liedern von den Beatles und neuerem Heavy Metal lauschte. Bis es plötzlich einen lauten Knall gab, der eindeutig nicht aus dem Rhythmus seiner Musik kam. Er stöpselte die Hörer aus den Ohren und versuchte anhand der Geräusche und dem Chaos um sich herum zu erfassen, was vorgefallen war. Es war nur dämlich. Offensichtlich hatte einer der Hufflepuff-Schüler eine der Pflanzen zu tief geschnitten, wobei die Pflanze aus purem Selbstschutz explodiert und in tausend Teile zerfallen war. Nach dem Knall zu urteilen, war es ein recht großes Exemplar gewesen. Er hörte Professor Sprout schimpfen, auf den Täter und die Welt im Allgemeinen, dann wurde ihre Stimme plötzlich besorgt. „Mr Thomas, können Sie aufstehen?“ Ein leises Stöhnen war Antwort. Es hatte also Dean erwischt. „Miss Granger! Bringen Sie Mr Thomas in den Krankenflügel. Mr Lawrence, folgen Sie den beiden und nehmen Sie unseren Unglücksraben mit. Die anderen arbeiten bitte weiter. Und seien Sie ein wenig vorsichtiger. Sie haben ja gesehen, was passieren kann.“ Danach kehrte Schweigen ein, bedrückendes, ängstliches Schweigen. Und zu Harrys großem Erstaunen war es am Ende Neville Longbottom, der als erster fertig war und dies zaghaft verlauten ließ. Zehn Minuten später waren die Stunden vorbei und Harry verließ zusammen mit Ron das Gewächshaus und sie machten sich auf, zurück zum Schloss. Auf halbem Wege begegnete ihnen Katie Bell, der neue Kapitän des Gryffindor-Quidditch-Teams, die sie ganz offensichtlich schon erwartet hatte. Ihr schlechtes Gewissen war deutlich spürbar, so wie sie herumdruckste, als sie sie ansprach. „Hi… Hallo… Harry…“ Harry nickte nur. Er ahnte, was jetzt kommen würde. „Ich muss… ich… wir…“ Schweigend wartete Harry. Er hatte nicht die Absicht, es Katie einfacher zu machen, indem er selbstlos behauptete, es würde ihm nichts ausmachen, aus der Quidditch-Mannschaft ausgeschlossen zu werden. Wenn sie ihn loshaben wollte, dann sollte sie ihm das auch sagen. Katie Bell holte einmal tief Luft, bevor sie seine innere Mauer überwand und aussprach, weswegen sie gekommen war. „Wir haben wegen deiner Behinderung einen neuen Sucher bestimmt. Es tut mir wirklich Leid, aber ich muss an das Team denken!“ Harry lächelte kühl. „Wer wird fliegen?“ Bell, erleichtert, dass Harry offenbar verstand und nicht sauer auf sie war, lächelte zurück. „Ginny Weasley!“ Der Schwarzhaarige nickte. Er wusste, sie konnte gut fliegen und hatte ein schnelles, scharfes Auge. Es war besser so für das Team, aber… Wieso konnte er sich dann nicht für Ginny freuen? Er lächelte breiter, ein wenig kälter noch. „Auf Wiedersehen, Katie.“, sagte er, ging dann an ihr vorbei, einfach ins Blaue hinein, da Ron noch vor ihr stand und sie mit offenem Mund ansah. „Ginny? Du meinst meine Schwester?“, fragte er ungläubig. Katie nickte bestätigend, fast schon stolz. „Sie ist wirklich gut!“ Ron nickte ebenfalls, verabschiedete sich nachdenklich und schloss dann zu Harry auf, nahm behutsam seinen Arm. „Ist alles okay?“ Er wusste, dass Harry daran schwer zu knabbern haben würde. Doch der Junge, der lebt, lächelte nur und nickte dann. „Natürlich. Das war doch klar. Ich habe damit gerechnet.“ Nach außen hin wirkte er völlig ruhig, doch in seinem Inneren brodelte der Selbsthass. Er wollte doch nur fliegen! Nichts weiter! Nur fliegen! Oh, wie sehr er seine Augen dafür hasste. Wie sehr er seine eigene Schwäche hasste! „Ron, ich will nach oben.“ Der Rotschopf nickte verstehend. War wohl doch nicht alles so okay, wie er sagte. In seinem Zimmer angekommen, ließ sich Harry aufs Bett fallen und schloss erschöpft die Augen. „Harry?“ Ron stand unschlüssig neben dem Himmelbett und sah besorgt auf seinen Freund hinunter. „Es ist alles in Ordnung, Ron, lass mich einfach in Ruhe.“, murmelte der Junge müde. „Versteh mich nicht falsch, aber ich möchte jetzt ein wenig allein sein.“ Ron ging, aber nicht ohne vorher noch einen prüfenden Blick in Harrys blasses Gesicht geworfen zu haben. Dem Schwarzhaarigen ging es offenbar nicht besonders gut. Vielleicht sollte er mal mit Hermione darüber sprechen… Harry zog die Vorhänge seines Himmelbettes zu, kaum dass Ron gegangen war, und sprach den Rest des Abends kein Wort mehr. Das Abendbrot ließ er ausfallen und auch Rons gut gemeintes Mitbringsel ließ er links liegen. Er hasste es. Er hasste es, auf jemanden angewiesen zu sein. Er hasste es, Ron für seine Hilfe nichts wiedergeben zu können. Er hasste sich dafür, den Freund ständig zu behindern, immer an seiner Seite zu kleben. Er hasste sich dafür, nicht mehr fliegen zu können, was ihm sonst in solchen Situationen immer geholfen hatte. Er hasste sich dafür, nichts sehen zu können, ständig Dinge falsch zu machen deshalb, hasste diese ständige Unsicherheit, die Blindheit mit sich brachte, diese unendliche Schwärze, die ihn ständig verfolgte, hasste seine Hilflosigkeit. Die anderen hatten schon Recht damit, wenn sie sagten, dass er nutzlos war. Sie wussten wohl, wovon sie sprachen… Sah man ja auch daran, dass er Cedric Diggory damals nicht hatte retten können --- wie er von manchen hinter seinem Rücken tuschelnden Ravenclaws gehört hatte, war er auch an dessen Tod schuld. Ihrer Meinung nach hatte er diese Strafe des Schicksals verdient und Harry begann das zu glauben. Es passte so wunderbar. Er konnte sich die Schuld geben, musste nicht mehr damit leben, dass es eine Ungerechtigkeit war. Er hatte eine Sünde begangen und die Strafe dafür erhalten… Das, in etwa, waren die Gedanken, die ihn beschäftigten. Und sie sorgten dafür, dass er in Selbsthass versank. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)