Das Tor von Trollfrau ================================================================================ Kapitel 5 - Senos ----------------- Als die beiden losliefen, stand die Sonne schon recht weit oben am Himmel, dennoch war das Gras noch tauig. Die Nässe an ihren Füßen machte das Gehen etwas schwieriger, weil sie andauernd wegrutschte. Es dauerte auch nicht lange, da konnte Lena schon einen Turm, in der Ferne, zwischen den Bäumen, sehen. Aufgeregt schaute sie zu Laris, doch dieser lief schroff weiter. Lena musste große Schritte machen um auch mithalten zu können. Die Landschaft wurde zusehends steiniger und Lena musste mit den nackten Füßen aufpassen, wo sie hintrat. Loco ließ sich wieder von seinem Herren tragen. Ein bisschen neidisch schaute sie ihn an und genau das war ihr Fehler. Lenas Fuß traf einen ungünstig spitzen Stein und sie blieb mit einem „Autsch“ abrupt stehen. Laris stoppte ebenfalls. Er war einige Schritte vorausgelaufen und kehrte wieder um. Lena lies sich fallen und untersuchte ihren Fuß. Der Stein steckte tief in der Ferse. Auf den ersten Blick hätte es auch ein Glassplitter sein können aber bei genauerem Hinsehen stellte sie fest; dass es doch ein Stein war. Vorsichtig zog sie ihn heraus. Etwas Blut lief ihr über den Finger. Wütend warf sie den Stein weg. „Verdammt“, fluchte sie. Laris hatte sich unterdessen neben sie gehockt und schien zu überlegen. Er schaute in die Richtung des Dorfes und anschießend wieder zu ihr. „Ein Stück würde ich dich ja tragen, aber die Ganze Strecke schaffe ich sicher nicht.“ Lena musste jetzt an seinen überaus empfindlichen Nacken denken. „Ich schätze das ist eine schlechte Idee. Ich schaffe das schon.“ Lena erhob sich wieder und stellte ihren verletzten Fuß auf die Spitze. „Willst du die ganze Strecke auf der Fußspitze laufen?“, fragte er erstaunt. Sie schniefte. Laris schaute wieder in die Ferne und löste dann das liebevoll gebundene Schleifchen aus seinem Haar. Vorsichtig band er den schmalen Stofffetzen um ihren Fuß. Lena beklagte sich nicht ein einziges Mal, trotz das es nicht besonders angenehm war. Sie wollte ihm die Stärke zeigen, die sie eigentlich nicht hatte. Ganz genau beobachtete sie ihn bei der Arbeit. „Ich gebe dir meine Stiefel.“ Bevor Lena etwas antworten konnte, hatte er sie auch schon ausgezogen. „Ich schätze mal die sind etwas reichlich“, fügte er noch hinzu. Lena begutachtete seine Füße. Trotz das sie groß wirkten, waren sie ziemlich schlank. Laris half ihr in die Stiefel und anschließend wieder auf. Sie waren angenehm warm, da sie ja die ganze Zeit schon barfuss war. Das hellbraune Leder fühlte sich sehr weich an. „Wir müssen weiter“, unterbrach er die Stille. „Elya macht sich sicher schon Gedanken.“ „Elya?“, fragte Lena vorsichtig und versuchte gerade zu laufen. „Meine Schwester“, gab er zur Antwort. Nach einigen Schritten schienen die Schmerzen im Fuß nachzulassen. „Ich will nur nicht, dass sie wieder Leute nach mir ausschickt.“ Lena schaute verwundert. „Bist du nicht alt genug, zu wissen was du tust?“, fragte sie zurückhaltend. Schließlich wollte sie ihn nicht wieder aufregen. Laris antwortete abermals nicht. Plötzlich blieb er stehen und Lena lief fast auf. Erschrocken schaute er die Menschenfrau plötzlich an. Angst schien sich jetzt in ihm Breitzumachen. Hatte er vielleicht vergessen, ihr etwas wichtiges mitzuteilen? Lena zog die Augenbrauen nach oben. „Ist mir doch entfallen, dass wir vielleicht gar nicht nach Senos kommen.“ Lena konnte sich denken das damit die Stadt gemeint war. „Warum nicht? Meinst du das Tor wird verschlossen sein?“ Irgendwie musste er doch aber hinausgekommen sein, überlegte sie sich. Verloren schaute sie den Elfen an. Vorsichtig streichelte er ihr übers Gesicht. „Du bist kein Elf“, flüsterte er. „Und? Heißt das für mich, ich darf nicht in eure Stadt?“ Laris schniefte. „Ich weiß es nicht. Das ist das erste mal, das ich einen Menschen mitbringe - Das ich überhaupt einen kennengerlernt habe. Das es hier überhaupt eine Sagengestalt gibt....!“ Lena schaute wieder sehr verängstigt. „Werden sie mich töten?“, fragte sie frei heraus. „Warum sollten sie das denn tun, du hast doch niemandem etwas getan.“ „Das mag vielleicht sein, aber bei uns gibt es auch jede menge Menschen, die einfach nur voreingenommen sind. Sie beurteilen Sachen und Leute, die sie gar nicht kennen, die sie vielleicht gerade das erste mal gesehen haben. In den meisten Fällen ist es die Angst vor dem was anders und neu ist.“ „Ich will nicht das sie dir etwas tun“, brachte er traurig hervor und fasste nach ihren Händen. Lena kam sich jetzt wieder so verloren vor. „Ich werde dich beschützen“, versprach er ihr. „Vielleicht sollte ich einfach wieder in den Wald gehen und warten, bis ich mit dem nächsten Licht wieder von hier verschwinden kann!“ Geschockt schaute er sie an. „Nein, das kann ich nicht zulassen.“ Seine Augen wurden feucht. „Hör doch auf, wir kennen uns doch nicht einmal.“ Lena schüttelte den Kopf und wollte sich losreißen, doch Laris krampfte sich an ihren Händen fest. „Mehr als meinen Namen kennst du doch nicht einmal von mir.“ Die Kraft die in dem Mann steckte, schien doch größer zu sein als Lena anfangs dachte. „Laris, las mich los. Du tust mir weh!“ Entsetzt starrte sie ihm auf die Hände. Sofort ließ er los. Stattdessen nahm er Lena in die Arme und drückte sie an sich. „Bitte, tu das nicht.“ Ihre Stimme zitterte. Gerührt von dieser Geste, hatte sie große Probleme sich zusammenzureißen. Endlich ließ er sie wieder los. Der Elf zog seinen Mantel aus und gab ihn der zierlichen Frau „Zieh den an. Ich hoffe das funktioniert.“ Lena tat wie ihr geheißen. Vorsichtig setzte er ihr noch die Kapuze auf. Da sie keine solchen spitzen Ohren hatte, rutsche ihr diese von alleine tief ins Gesicht. „Ich schätze so geht’s“, meinte er überzeugt. „Und wenn nicht, werde ich kämpfen!“ Dieser Mann überraschte sie von Minute zu Minute mehr. Er würde doch tatsächlich sein Leben für eine unbekannte Frau opfern, dazu kommt, dass sie ein Mensch ist. „Nur sehe ich jetzt nicht mehr wo ich hinlaufe.“ Lena lächelte ihn aus der Kapuze heraus an. Sicherlich konnte er das nicht einmal sehen. „Dann nehme ich deine Hand“, brachte er, trotz seiner Angst, mit einem Lächeln hervor. Lenas Aufregung hatte sich ebenfalls in Angst geändert. Angespannt klammerte sie sich an Laris´ Hand fest. Dieser drückte ihre Hand ebenfalls recht stark. *** Mit zielstrebigen Schritten liefen beide weiter. Vor Aufregung und Angst hatte Lena Mühe gerade zu laufen. Die Schmerzen in ihrem Fuß waren wieder vergessen. Zwischen den Bäumen in der Ferne war nun ein Turm zu erkennen. Lena wand den Blick in Laris´ Richtung, doch dieser reagierte nicht. „Ist das Senos?“, fragte sie nun neugierig. Endlich schien er sie wieder zu beachten. Er drehte den Kopf und versuchte ihr in die Kapuze zu schauen, jedoch vergebens. „Ja“, war seine kurze Antwort. Laris schien wieder irgendwie verschlossen zu sein. Vielleicht versuchte er auch nur gerade den starken Mann zu spielen, so dass sich Lena sicherer fühlte, aber auch dieses Mal funktionierte es nicht. „Vielleicht sollte ich doch besser umkehren“, brachte sie erneut hervor. Laris schüttelte den Kopf ohne sie anzuschauen. Sie schniefte verloren. „Ich gehe nur deinetwegen mit, das sollte dir klar sein.“ Laris schaute sie wieder traurig an und zog die Kapuze soweit zurück, dass er ihr Gesicht sehen konnte. „Das weiß ich und ich bin dir dafür wirklich dankbar.“ Hilflos sah er ihr in die Augen. Beide waren jetzt stehen geblieben. Laris wollte sie wieder küssen doch Lena legte ihre Hand an seine Lippen. „Das solltest du besser lassen!“, meinte sie streng. Er wand sich ab und beide nahmen den Marsch wieder auf. Erneut fing ihr fuß wieder zu schmerzen an. Der Turm in der Ferne war um einiges größer geworden. Zwei weitere Türme, mit fast dem selben Abstand tauchten jetzt ebenfalls auf. Die Türme waren mit einer Mauer verbunden. Lena schauderte es, als ihr der Gedanke kam, dass diese Stadt noch von so einer dicken Mauer umgeben war. Sicherlich gab es da Wachposten, vor dem Laris ausnahmsweise heute einmal Angst zu haben schien. Diese hatte er sicher gemeint, als er sagte, sie würden vielleicht nicht hineingelangen. „Gibt es vielleicht einen geheimen Weg in die Stadt?“, fragte sie aus freien Stücken. Laris bekam große Augen, größer wie sie so schon waren. Er überlegte kurz, hielt aber nicht an. „Ich befürchte nicht. Unsere Vorfahren hatten wohl große Angst von dem angeblichen Monster, dass sie beim Bau der Mauer und des Dorfes ganz genau aufgepasst hatten. Selbst der Bach, der hindurch floss, muss durch ein enges Gitter in der Mauer. Kein Elf würde da hindurch passen.“ Die Beiden waren nur noch wenige Meter von der Mauer entfernt. Lena klammerte sich ängstlich fest. Das große Tor neben dem Turm lies sie unruhig werden. Vorsichtig schaute sie daran empor. Die gesamte Mauer wies keine Schießscharten auf. Loco, der vor einer ganzen Weile von seiner Schulter gesprungen war, hatte sie nun auch eingeholt und saß erwartungsvoll vor dem Tor. Ein eiserner Ring schien daran fürs Klopfen vorgesehen zu sein und Laris klopfte. Er schob Lena leicht hinter sich und sie senkte den Blick, dass die Kapuze noch ein Stück tiefer rutschte. Wenige Sekunden später ging ein kleines Fenster in Augenhöhe auf. Kein Wort viel von der anderen Seite. Sicher wurde Laris bereits erwartet. Der Linke Flügel des Tores ging langsam und laut knarrend auf. Loco schlüpfte sofort hindurch und schien nach Hause zu hasten. Laris fasste sie wieder an der Hand und die andere legte er an seinen Säbel, was Lena erschaudern ließ. Sie hoffte insgeheim das es nicht nötig war, diesen einzusetzen. Der Elf zog sie mehr hinter sich her, als sie selbst lief. Der Mann hinter dem Tor war nicht viel breiter und größer als Laris. Mit ausgestrecktem Arm brachte er die beiden jedoch zum anhalten. Lena spürte wie sie zu zittern begann. „Guten Tag.“ Begrüßte Laris die Wache trocken, dieser hatte jedoch nur Augen für die fremde Person. Er begutachtete Lena eine Weile. „Wen hast du denn da?“, fragte er neugierig und wand Laris erst jetzt den Blick zu. „Lass uns eintreten“, meinte er mit genau der gleichen Trockenheit wie bei der Begrüßung, ohne auf seine Frage einzugehen. Laris wollte sie weiterzerren doch der Wächter fasste jetzt nach Lenas Kapuze und riss sie ihr unsanft vom Kopf. Erschrocken und mit großen Augen wich er ein Stück zurück um den Säbel zu ziehen. „Was denkst du dir eigentlich dabei?“, fauchte er Laris kopfschüttelnd an. Mit der freien Hand griff er jetzt nach Lenas Kinn und drehte ihren Kopf zur Seite. Ihr ängstlicher Blick traf jetzt Laris. „Für wie dumm hältst du mich? Was denkst du dir nur dabei hier so etwas anzuschleppen?“ Lena war den Tränen nahe. Dieser Elf fasste ungemein stark zu das es schmerzte. „Ihr Name ist Lena und sie ist harmlos“, brachte Laris hervor. „Harmlos? Na sicher. Und das gerade von dir.“ Laris umfasste den Säbelgriff. Die Wache schüttelte den Kopf. „Das würde ich an deiner Stelle nicht tun“, entgegnete er streng. Obwohl er nur minimal größer war, beäugte er Lena von oben herab. Jetzt erst hatte Lena den Mut ihr Kinn aus seinem Griff zu befreien. Erschrocken starrte er sie an. So viel Dreistigkeit hatte er sicher nicht erwartet. „Du kannst gehen wenn du willst, aber die Kleine werde ich augenblicklich zu Moros bringen!“ Entsetzt schaute Laris ihn an. „Das kannst du nicht machen, sie hat doch niemanden etwas getan.“ „Noch hat sie nichts gemacht, weil ich sie davon abhalten werde.“ Er grinste gehässig und packte sie schroff am Arm, um sie von Laris loszureißen. „Du zwingst mich zu unschönen Mitteln“, platzte es Laris heraus. „Dann bin ich wohl gezwungen, mich bei deiner Frau aufzuhalten, wenn Das wieder mit mir passiert.“ Erschrocken ließ der Wachmann Lenas Arm los. Sie jedoch hatte keine Ahnung wovon die Beiden sprachen aber es schien zu wirken. Das breite Grinsen war ihm längst vergangen. Angst spiegelte sich jetzt in seinen Augen wieder. Hatte er etwa doch mehr Furcht vor Laris wie er zugeben wollte. Lena wurde stutzig. „Du kannst sie nicht mit ins Dorf nehmen“, meinte er jetzt viel ruhiger. „Moros wird davon erfahren und dann geschieht meiner Frau ganz sicher etwas.“ Beide schauten sich eine Weile schweigend an. „Schön“, brachte Laris hervor. „Dann werde ich sie selbst hinbringen, so kann ich sie wenigstens beschützen.“ Lena zuckte zusammen. Was hatten die Leute hier nur für Sitten. Hier her zu kommen war ganz sicher die schlechteste Idee die sie jemals hatte. Sie hätte sich im Wald verkriechen sollen, als Laris geschlafen hat. Das wäre gewiss der beste Ausweg gewesen. Eine Gestalt näherte sich aus dem Dorf. Laris bemerkte sie auch, sah kurz auf, wand sich dann aber wieder er der Wache zu. „Ich werde deine Frau da nicht mit hineinziehen.“ Der Uniformierte nickte dankend. „Aber tu es heute noch, ich will nur ungern hier weggehen müssen.“ Nervös blickte er sich um. Laris legte ihm die Hand auf die Schulter. „Meine Worte sind aufrichtig“, bestätigte er erneut. Lena schaute auf. Die Gestalt kam näher. Mit einer schnellen Bewegung hatte Laris ihr die Kapuze wieder aufgesetzt und sie an der Hand wieder nachgezogen. Der Wachmann atmete so laut auf, dass Lena das sogar aus einigen Metern Entfernung noch hören konnte. „Na hast du wieder einmal Ärger gemacht, weil er dich nicht hereinlassen wollte?“, scherzte die rothaarige Elfenfrau. Sie war stehen geblieben und stützte die Arme in der Hüfte ab, soweit Lena das aus der Kapuze erkennen konnte. Sie war sich sicher, das dass die Schwester sein musste. „Loco kam allein und das wunderte mich, dass ich dich einfach suchen musste.“ „Es tut mir leid Elya“, brachte er leise und mit gesenktem Kopf hervor. „Willst du mir deine Freundin nicht vorstellen?“, nervte sie weiter. Lena zuckte zusammen. „Mir wäre es lieber wenn ich das zu Hause mache.“ Laris klang furchtbar traurig. „Was hast du denn schon wieder?“ Eine Antwort bekam sie jetzt allerdings nicht. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)