Fesseln des Verrats - Fortführung nach Kapitel 13 von Aleye85 ================================================================================ Kapitel 8: Der bessere Koch --------------------------- Katsumi hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere und versuchte mit aller Kraft, sich zurückzuhalten. Doch mit jeder weiter verstreichenden Minute, fiel ihm das schwerer. Schließlich konnte er nicht mehr länger an sich halten. "Senshiro, bitte, Verlass die Küche. Ich mache den Rest." Der Wächter schüttelte leicht den Kopf und stellte den Topf auf den Herd. "Auf keinen Fall. Überlass das Abendessen ruhig mir, ich bin gut. Es wird allen schmecken, vertrau mir." Mit einem Lächeln begann er, die Zutaten für den Nachtisch zu richten. Katsumi begann leicht zu zittern und krallte die Finger in den Stoff seiner weißen Schürze. "Daran hab ich keine Zweifel, aber ... ich bin der Koch, das ist meine Aufgabe." Noch immer verweilte das Lächeln auf seinem Gesicht und er fuhr unbeirrt mit der Arbeit fort. Katsumis Verzweiflung wuchs, doch der Wächter ignorierte seinen Einwand. Er gab seinem Drang nach und hielt ihn am Ärmel fest. In seinen Augen spiegelten sich Tränen und flehend schaute er ihn an. "Senshiro, bitte lass mich meine Arbeit machen. Wozu soll ich denn sonst gut sein? Die anderen sind erschöpft von den letzten Ereignissen. Umso wichtiger ist, dass sie nun bei Kräften bleiben und gut essen. Jetzt, wo auch noch die Sorge um Yuki an allen nagt ..." Senshiro legte fürsorglich eine Hand auf seine Schulter und schenkte ihm ein aufmunterndes und mitfühlendes Lächeln. "Das weiß ich doch. Katsumi, du bist ein guter Kerl und bestimmt auch ein Spitzenkoch, aber auch du hast viel ab- und mitbekommen. Solltest du dich nicht auch ausruhen und erholen?" Katsumi schluckte schwer. Natürlich hatte der Wächter recht. Die Bilder von Shizukas und Ibukis Tod hatten sich tief in seine Seele gebrannt. Und jedes Mal, wenn er zurück dachte, kam sie erneut aus den dunklen Ecken gekrochen um nach ihm mit gierigen Krallen zu greifen: die Furcht. Schnell schüttelte er den Kopf und sah Senshiro entschieden an. "Das stimmt ... es ist schlimm, doch ... das Kochen lenkt mich ab und ich weiß dann, dass ich etwas gutes tue und nützlich bin, wenn ich sonst nichts anderes tun kann." "Das ist sehr lieb von dir." Katsumi atmete erleichtert auf und sein Körper entkrampfte sich. "Danke dir. Ich bin froh, dass du mich verstehst. Dann könntest du raus zu den anderen gehen und ..." "Nein, das geht nicht", unterbrach ihn der Wächter mit einem zuckersüßen und dennoch unnachgiebigen Lächeln. Katsumis Gesichtszüge entgleisten. "Was? Aber wieso nicht?!" "Es ist eine besonders schwere Zeit. Kuroto braucht unbedingt seine Lieblingsspeisen." "Die kann ich doch zubereiten. Du musst mir nur sagen, was es ist und ..." "Auf gar keinen Fall." Katsumi war fassungslos, während Senshiro ihn weiterhin anlächelte. Er fing an zu zittern wie Gelatine. Ihm fehlten die Worte und er verstand den Wächter einfach nicht. Der schien sein Unverständnis zu bemerken und nickte ihm leicht zu. "Du möchtest, dass Kuroto dich mag?" "Ja, aber natürlich!" "Du möchtest, dass er dein Essen liebt?" "Sicher, wieso ....?" Senshiro behielt sein Lächeln bei, allerdings verfinsterte sich seine Miene Unheil verkündend. Katsumi wich erschrocken einen Schritt zurück. "Er soll dich also mehr mögen, als alle anderen? Nicht wahr? Wenn du sein Lieblingsgericht kochst, würdest du in seiner Gunst aufsteigen und mich womöglich von meiner hart und jahrelang erarbeiteten Position verdrängen." Senshiro tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen sein Kinn und auf Katsumis Stirn bildeten sich Schweißperlen. Abwehrend wedelte er mit seinen Händen in der Luft. "Du verstehst das falsch! Ich will nur für alle kochen!" Senshiro griente übers ganze Gesicht. "Das kann ich nicht zulassen. Verlass bitte die Küche." In Katsumi wechselte Verzweiflung mit Wut und wirbelte durcheinander. Wollte ihm der Wächter tatsächlich das einzige nehmen, das er konnte und für das er da war? Was blieb dann für ihn, wenn er nicht mehr kochen konnte? Nein, dann wäre er nutzlos, ein Klotz am Bein. Entschlossen ballte er seine Hände zu Fäusten. Auf keinen Fall würde er nachgeben. Die Küche war sein Gebiet. Mit festem Blick startete er die Diskussion. Er durfte nicht verlieren. Tachibana stand mit verschränkten Armen vor der offenen Küchentür und lauschte amüsiert eine zeitlang dem Wortgefecht um die Oberhand in der Küche. Es tat gut, nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage, abgelenkt zu werden Dennoch sollte er langsam einschreiten, wenn es heute noch ein Abendessen geben sollte. Immerhin war er der Herbergsvater und musste sich um seine Schäfchen kümmern, nachdem Takashiro sie verraten hatte. Yuki war nach dem Kampf nicht mehr aufgewacht. Tachibana seufzte betrübt und rückte seinen zylinderartigen Hut zurecht. Yukis Fähigkeiten waren um ein Vielfaches in so kurzer Zeit gewachsen. Das Licht der Götter hatte das Haus regelrecht mit heiligen Licht geflutet. Fast alle feindlichen Duras waren zu Staub zerfallen, die es nicht rechtzeitig hinaus geschafft hatten. Und das waren wahrlich nicht wenig gewesen. Allerdings befürchtete er, dass Cadenca und Elegy nicht dabei gewesen waren... Yuki hatte sie gerettet. Sogar die Wächter, die während des Kampfes tödlich verletzt worden waren, hatten nur noch ein paar Kratzer als Andenken. Das Licht hatte nicht nur ihre Gegner vernichtet, sondern sie gleichzeitig geheilt. Was steckte noch alles in Yuki? Welche Kräfte würde er weiterhin entwickeln? Das weckte Hoffnung. Trotzdem: Yuki hatte sich völlig verausgabt und es war ungewiss, wann er wieder aufwachen würde. Er würde aufwachen - er musste einfach. Nur wann? Er wischte seine Sorgen beiseite und sprang beschwingt und auf leisen Sohlen in die Küche. Wie erwartet bemerkten ihn keiner. Er war und blieb eben der Meister im Heranpirschen. "Ha ja, na na. Wer wird denn in solchen Zeiten streiten?", trällerte er beherzt neben Katsumi und Senshiro, wobei ersterer einen erschrockenen Aufschrei von sich gab, sich an die Brust fasste und nach Luft japste. Senshiro verzog nur leicht die Mundwinkel, ansonsten behielt er seine freundliche Miene aufrecht. "Wie lange stehst du da schon?", hackte Katsumi nach und nahm etwas Abstand von Tachibana. Er hatte keine Angst vor ihm, doch es war kein Geheimnis, dass der selbsternannte Herbergsvater etwas seltsam war. Er wettete darauf, dass Tachibana ein Mann mit vielen Geheimnissen war. Schon allein die ausgefallenen Hüte, hatten in der Vergangenen für viel Rätsel und Gesprächsstoff gesorgt. Er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals ohne Kopfbedeckung gesehen zu haben. "Ha ha, wer weiß das schon. Noch nicht lange, doch lange genug, die Zeit - sie vergeht einfach wie im Flug." Tachibana zuckte belustigt mit seinen Schultern und kicherte weiter. Katsumi bekam eine Gänsehaut. Senshiro hingegen verstärkte sein Lächeln und wandte sich Tachibana zu. "Wir streiten nicht. Wir diskutieren lediglich nur." "Sooo?" Tachibana wiegte seinen Oberkörper emsig hin und her. "Um was geht es denn? Vielleicht kann ich helfen? In Zeiten wie diesen sollte zwischen uns kein Missmut herrschen. Meint ihr nicht auch?" Katsumi schielte einsichtig zu dem Wächter, der ebenfalls nachdenklich wurde, und nickte. "Wir sind uns nicht einig, wer das Essen für heute Abend kochen soll", beantwortete Senshiro die Frage. "Kuroto ist immerhin mein Partner - er ist nur das Beste gewohnt. Ich sollte kochen." "Aber ich bin der Koch! Meine Gerichte sind von exzellenter Qualität!" "Ahaha, verstehe", unterbrach Tachibana die beiden Streithähne und zwinkerte ihnen nacheinander zu. "Dann solltet ihr vielleicht gemeinsam kochen. Meint ihr nicht?" Sowohl Katsumi als auch Senshiro ließen seine Worte sacken und nickten schließlich. Ihre Mienen erhellten sich und Tachibana lobte sich innerlich selbst für seinen Schlichtungserfolg. Allerdings erschien ihm die Lösung irgendwie zu schnell und zu einfach. Hatte er etwas vergessen? "Wobei ..." Nachdenklich strich er sich mit der Hand über das Kinn und blickte an die Decke. "Es wäre noch zu klären, wer genau die Anweisungen in der Küche gibt. Am besten erledigt das der bessere Koch ..." "Ich!", riefen Katsumi und Senshiro zeitgleich und starrten sich empört an. Die Luft begann unangenehm zu knistern. Nur Tachibanas Kichern unterbrach die angespannte Stille. "Das schreit nach einem Schiedsrichter und wer wäre da besser geeignet als ich? Allerdings ..." "Was?!", fuhren ihn Katsumi und Senshiro fast zeitgleich an, darum bemüht, einen freundlichen Tonfall beizubehalten. Tachibana lachte abermals und zuckte bedauernd mit den Schultern. "Es fehlt der direkte Vergleich." "Er hat recht. Lass uns den Wettstreit sofort austragen und zwar mit einem 3 Gänge Menü. Die anderen sollen entscheiden, wer von uns gewinnt!", schlug Katsumi vor und Senshiro nickte eifrig. "Einverstanden. Möge der Wettstreit beginnen - Kurotos Stimme ist mir bereits gewiss." "Das werden wie ja sehen!" Tachibana beobachtete, wie beide sich voller Tatendrang an die Arbeit machten und schlich mit flinken Sohlen aus der Küche. Ein breites und zufriedenes Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. Er hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Zwar hatte er die Auseinandersetzung nicht geschlichtet, doch dafür durften sich nun alle auf ein reichhaltiges Festmahl der beiden freuen. Er hatte es noch immer eindeutig drauf. Wenn das Takashiro gesehen hätte... Seine Miene wurde schlagartig ernst. Takashiro hatte nach all den Jahren die Seiten gewechselt. Er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Doch war Takashiro wirklich in der Lage, Yuki etwas anzutun? War er noch Herr seiner Sinne? Besaß er hinter seinen Rachegelüsten und seiner Sehnsucht nach Yomi tatsächlich einen letzten Funken an Vernunft? War seine Seele noch zu retten oder hatte er seinen langjährigen Freund endgültig verloren? Tachibana schluckte. Falls es noch nicht zu spät war, gab es nur einen, der ihn retten konnte. "Yuki, bitte, wach endlich auf." Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)