Fesseln des Verrats - Fortführung nach Kapitel 13 von Aleye85 ================================================================================ Kapitel 37: Nächtliche Auseinandersetzungen ------------------------------------------- Gedankenverloren streifte Touko über den Flur. Sie konnte kaum glauben, dass Tachibana ein Engel sein sollte. Ausgerechnet ihr selbsternannter Herbergsvater? Der Tachibana, der allen mit seiner schrägen Art den letzten Geduldsfaden kostete? Kaum vorstellbar. Kopfschüttelnd schlenderte sie weiter. Der Mond stand mittlerweile hell am Himmel und zeichnete mit seinem Schein, der durch das Fenster fiel, feine Linien auf den Holzfußboden. Sie seufzte abwesend. Wie würde es weitergehen? Würden sie es schaffen, Luzifer zu besiegen oder würde der Kampf noch ewig andauern? Wenn das so wäre, dann … Die Wächterin biss sich auf ihre Unterlippe und ertappte sich dabei, wie sie vor Shuuseis Tür zum Stehen kam. Es erschien ihr wie ein Wink des Schicksals. Ja, so musste es sein. Vorsichtig klopfte sie an. Der Schlag ihres Herzens war überlaut und schien alles zu übertönen. Es war richtig. Bestimmt war es das. Es dauerte eine Weile, bis Shuusei sich zur Tür geschlichen hatte und öffnete. Überrascht starrte er seine Kameradin an, die schüchtern mit dem Fuß unsichtbare Kreise über den Boden zeichnete. „Touko?“ „Hi Shuusei, ist Hotsuma da?“ „Er schläft“, flüsterte Shuusei und nickte in Richtung des Bettes, wo sein Partner sich in die Decke gekuschelt hatte. Auf ihrem Gesicht breitete sich Erleichterung aus und sie atmete hörbar aus. Nachdenklich beobachtete er sie. Er konnte deutlich erkennen, dass sie etwas belastete. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Sie lächelte. Seine ehrliche Fürsorge in der Stimme, wärmte ihr Körper von innen. „Um ehrlich zu sein, mache ich mir momentan viele Gedanken.“ „Verständlich. Ich schätze mal, das tun wir alle. Selbst unser immer witziger und seltsamer Tachibana.“ Ein schiefes Grinsen glitt ihr bei der Vorstellung über das Gesicht und schüttelte schnellt den Kopf, um das Bild zu vertreiben. „Kannst du dich noch an die Sache damals mit dem Vampir auf dem Schulausflug erinnern?“, begann sie zögernd das eigentliche Thema anzusprechen. Seine Augen verengten sich leicht. „Natürlich. Wie könnte ich das vergessen.“ Hätte Hotsuma ihn damals nicht gefunden, dann wäre er jetzt nicht mehr hier. Mehr noch: sie würden sich nie wieder sehen, seine Seele wäre erloschen. „Kannst du dich auch an unser Gespräch erinnern, bevor er aufgetaucht ist?“ Shuusei runzelte die Stirn. Stutzig zog er seine Brauen in die Höhe. Natürlich konnte er sich daran erinnern, doch für ihn war das Thema erledigt gewesen. Machte sie sich darüber noch immer Gedanken? Offensichtlich. „Touko, der Kampf wird enden. Auf die eine oder andere Art. Du musst dir über solche Dinge keine Gedanken mehr machen,“ redete er gut auf sie ein, doch sie schüttelte entschieden den Kopf. „Wie kannst du dir da so sicher sein? Was ist, wenn wir Luzifer nicht gleich besiegen können und sich der Kampf wieder über etliche Jahre, wenn nicht gar über Jahrhunderte erstreckt?“ „Das wird nicht passieren, glaube mir.“ Sie seufzte und für einen Moment war es still. „Ich versuche und ich hoffe es zutiefst, aber für den Fall, dass es nicht enden wird – würdest du es in Betracht ziehen, mir ein Kind zu schenken?“ „Touko …“ „Du musst auch nicht sofort antworten, doch bitte mach dir darüber Gedanken. Versprich es mir.“ Shuuseis Blick wanderte kurz zu Hotsuma, der noch immer scheinbar schlafend auf dem Bett lag. „Es tut mir leid, das kann ich nicht.“ „Aber …“ „Versteh mich bitte nicht falsch. Dein Angebot und die Tatsache, dass du mich als potentiellen Vater ausgesucht hast, ehrt mich. Dennoch muss ich es ablehnen. Es liegt nicht an dir …“ Touko hielt ihm schnell die Hand auf den Mund und kämpfte gegen ihre Tränen an. Schmerz und Enttäuschung war in ihren Augen zu lesen. „Bitte, sprich nicht weiter. Danke, dass du mir zugehört hast.“ Sie schenkte ihm ein verzagtes Lächeln und eilte durch den Flur davon. Shuusei sah ihr zwiegespalten hinterher. Zwar hatte er Mitgefühl mit seiner Kameradin, doch konnte er unmöglich ihrer Bitte nachkommen. Hinter ihm raschelte es. Er drehte sich nicht um, selbst dann nicht, als er Hotsumas warmen Atem auf seinem Nacken spüren konnte. „Wieso hast du nicht zugesagt?“, fragte Hotsuma flüsternd mit düsterer Miene und ein Stich durchfuhr noch im selben Moment sein Herz. Er stand so dicht hinter seinem Partner, dass er die Arme um ihn legen konnte, doch er traute sich nicht. Eine unsichtbare Macht schien ihn davon abzuhalten. Die Verführung, seinen Kopf auf Shuuseis Schulterblätter zu legen und seinen Duft tief einzuatmen war groß. Trotzdem stand er wie versteinert da und konnte sich nicht rühren. „Das weißt du ganz genau.“ „Sie wäre eine gute Partie.“ „Hotsuma!“ Shuusei wirbelte herum und verpasste seinem Partner einen Stoß, sodass dieser gegen die Wand strauchelte. Bevor er sich rühren konnte, war er auch bereits bei ihm und drückte ihn unerbittlich dagegen. Hotsuma konnte die Wut, aber auch den Enttäuschung in seinen Augen lesen. Er neigte seinen Kopf beschämt zur Seite und murmelte: „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen, doch ich dachte …“ „Was dachtest du? Dass ich unbedingt mal ein Kind haben möchte?! Dass ich lieber mit einer Frau zusammen wäre, als mit dir? Dass meine Worte nicht ernst gemeint waren? Verdammt, Hotsuma, wie deutlich soll ich es dir denn noch sagen, bis du mich endlich verstehst?!“ Er zuckte zusammen. So ein Gefühlsausbruch war bei Shuusei sehr selten. „Wann kapierst du endlich, dass ich dich mehr als alles andere auf der Welt liebe?“ Röte überzog seine Wangen und sein Körper wurde von Wärme und Zuneigung geflutet. Er hatte diese Wort zum letzten Mal im vorherigen Leben von ihm gehört. Wie sehr er sich danach gesehnt hatte, sie abermals zu vernehmen, das wurde ihm nun schmerzlich bewusst. Er hatte wirklich eine verdammt lange Leitung. Das hatte sich seit Beginn seines Daseins nie geändert. Er war wirklich ein Idiot. Das, was er am meisten begehrte und wollte, war direkt vor ihm. Wieso tat er sich dabei so schwer? Vorsichtig blickte er auf und seinem Partner direkt in die Augen. Hotsuma umfasste mit den Händen behutsam sein Gesicht und zog Shuusei zu sich. „Ich liebe dich auch.“ Ihre Lippen trafen sich und entfachten in seinem Innern ein Feuerwerk. Eilig und mit zittrigen Händen schob er seinen Partner in Richtung des Bettes. Sie hatten etwas nachzuholen und dieses Mal würde sie keiner dabei unterbrechen. Touko bog um die nächst gelegene Ecke und lehnte sich niedergeschlagen an die Wand. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schalt sich selbst eine Närrin. Eine deutlichere Abfuhr hätte sie nicht bekommen können, auch wenn er es nett rübergebracht hatte. Sie hatte es bereits geahnt, dennoch hatte sie die Absage wie ein harter Schlag getroffen. Ihr Puls raste und sie kämpfte gegen die Tränen an. „Du wirst dich doch jetzt nicht selbst bedauern, oder? Was hast du denn anderes erwartet? Die beiden sind dermaßen in einander verliebt, das sieht selbst ein Blinder.“ Sie zuckte zusammen, als sie Zoltans Stimme direkt neben sich vernahm. Verlegen strich sie sich durch die Haare und zwang sich ein Lächeln auf. „Wieviel hast du mitbekommen?“ Er zuckte gelassen mit den Schultern. „Ich schätze, alles.“ „Oh…“ Für eine Weile standen sie schweigend nebeneinander und ihr wurde die Stille schon unangenehm, als er meinte: „Ich versteh euch nicht.“ Irritiert blinzelte sie ihn an. „Was?“ „Ihr Wächter – ich versteh euch nicht. Ich dachte, ihr wärt mit eurem Partner durch eine Art Seelenband auf ewig verbunden.“ „Das stimmt auch. Tsukomo ist mir das Wichtigste auf der Welt, neben Yuki natürlich.“ Zoltan runzelte nachdenklich seine Stirn. „Wenn das so ist, warum willst du dann ein Kind von einem anderen?“ Touko grübelte. Sollte sie wirklich mit einem Dämon über das Thema sprechen? Er würde sie ohnehin nicht verstehen. Abgesehen davon ging es ihn nichts an. Trotzdem: etwas an seiner Haltung und Tonlage gefiel ihr nicht, sodass sie das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. Sie holte tief Luft, bevor sie in ihrer Erklärung ansetzte. „Ich denke, ich habe keine andere Wahl. Neue Wächter können nur entstehen, wenn ein Wächterpärchen ein Kind miteinander zeugt. Ich liebe Tsukomo, doch in jedem Leben werden wir entweder als Bruder und Schwester oder als gleichgeschlechtlich geboren. Ich fühle mich, als würde ich meinen Zweck nicht gänzlich erfüllen, wenn ich kein Kind gebären kann, das den Kampf für das Gute weiterführt.“ Zoltan zog eine Braue in die Höhe und Verachtung spiegelte sich in seinen orangefarbenen Augen wider. Er musterte sie mit einem Blick, der sie in den Boden zu rammen drohte. „Findest du das nicht verdammt hartherzig und egoistisch?“ Ihre Kinnlade klappte nach unten. Fassungslos starrte sie ihn an. Was bildete er sich ein?! „Nein, was … wieso …?“ „Zum einen würdest du Tsukomo hintergehen. Er kann einem echt leidtun. Hat er denn schon einmal den Gedanken oder Wunsch geäußert? Nein? Dachte ich mir. Erzähl mir nicht, er bedeutet dir alles, wenn du nichts desto trotz mit einem anderen in die Kiste steigen kannst. Zum anderen bist du bereit, die Beziehung zwischen Hotsuma und Shuusei damit zu belasten. Der letzte und schlimmste Punkt: du möchtest ein Kind auf die Welt zu setzen, das für sein Leben lang verflucht ist, diesen dämlichen Krieg auf ewig weiter zu führen.“ „So ist das nicht!“, schrie ihn Touko an und kämpfte erneut mit ihren Tränen. „Ich liebe Tsukomo, doch für das Wohl der Menschheit …“ „Quack mich nicht voll von wegen höhere Ziele, Gerechtigkeit und so ein Müll! Ihr Wächter haltet uns Dämonen vor, wir seien grausam? Was unterscheidet uns denn von euch?“ „Das kann man nicht vergleichen – Ihr tötet Unschuldige!“ Sie rang mit ihrer Fassung, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme immer schriller wurde. Ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ach? Und was tust du? Du versklavst ein unschuldiges Leben, um deinen Kampf fortzuführen und rechtfertigst dein Gewissen, es sei deine Pflicht und du hättest etwas Gutes getan. Das ist auch eine Art, das Dasein eines anderen zu zerstören und das nicht nur in einem Leben, sondern für immer.“ Ihre Hand schnellte nach vorne und sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Sie wollte ihn anbrüllen, ihn verfluchen, doch sie konnte es nicht. Stattdessen fraß sich ein riesiger Zweifel in ihr Herz. Mit tränenüberströmten Wangen wirbelte sie herum und rannte zurück in ihr Zimmer. Dort sprang sie ihrem Partner in die Arme und drückte sich schluchzend an ihn. Verdutzt und mitfühlend sah Tsukomo an ihr herunter und zog sie fest an sich. Tröstend strich er über den Rücken. Es tat ihm in seiner Seele weh, sie derart leiden zu sehen. Was immer auch passiert war, es musste sehr hart und qualvoll für sie sein. „Bitte weine nicht, Touko. Ich verspreche dir, alles wird gut werden“, flüsterte er ihr stärkend ins Ohr, woraufhin sie schluchzte. Wie hatte Zoltan nur so etwas Grausames behaupten können? Ein Dämon verstand so etwas einfach nicht und Tsukomo war ihr ein und alles. Nichts und niemand würde daran etwas ändern. „Diese Härte war nun wirklich nicht nötig“, meldete sich Tachibana hinter Zoltan zu Wort, der gerade um die Ecke trat. Der Dämon zuckte gelassen mit den Schultern. „Das musste mal gesagt werden. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Warum auch?“ Tachibana kicherte leise. „So gemein wie eh und je.“ Zoltan verzog sein Gesicht, bevor er mit einem provokanten Schmunzeln antwortete: „Ach, bin ich das? Dann sollte ich vielleicht auch überlegen, mit einem weiblichen Duras ein Kind zu zeugen, um den Kampf gegen euch fortzuführen?“ „Ha ha, touché, doch du kämpfst auf unserer Seite, mein Lieber.“ „Wäre nicht das erste Mal, dass ich die Seite wechsle. Also, was soll‘s?“ „Aber das Wichtigste fehlt dir bei den Dämonen.“ „Und das wäre?“ Tachibana grinste breit und überlegen. „Ich, natürlich.“ „Pfh … du bist wie immer maßlos von dir überzeugt“, entgegnete Zoltan und wich seinem Blick aus. Der Gedanke, noch einmal von dem Engel getrennt zu sein, ließ sein Innerstes verkrampfen. Allerdings wollte er das auch nicht vor ihm zugeben. Mit einem scheinbar gleichgültigen Schulterzucken drehte er sich um und lief zurück zu ihrem Zimmer. Tachibana sah ihm grienend hinterher. Zoltan glaubte ihm nicht? Nun gut, es waren bereits genug nächtliche Auseinandersetzungen im Flur ausgetragen worden. Dann würde er ihn eben in ihrem Zimmer von seinen Argumenten und Qualitäten überzeugen. Ein vorfreudiges Prickeln überzog seine Haut. Beschwingt setzte er seinem Geliebten hinterher. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)