Fesseln des Verrats - Fortführung nach Kapitel 13 von Aleye85 ================================================================================ Prolog: Bald, schon bald ------------------------ Ein Kribbeln breitete sich in seinem Körper aus und ließ seine eingezogenen Flügel in freudiger Erwartung zucken. Es würde nicht mehr lange dauern, dann wäre er endlich frei. Luzifer konnte es spüren. Es lag in der Luft. Es war nur noch eine Frage der Zeit, wie viele Tage er in dem stinkenden Verlies noch aushalten musste. Ein diabolisches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er stand auf und streckte seine müden Glieder. Mit eleganten Schritten ging er auf den Sockel zu, über dem das durchsichtige Kristallgefäß in Form eines Flügels schwebte. Fast andächtig streichelte er mit seinen Fingerspitzen darüber und brachte die Seele darin in Aufruhr. Ein herrliches Farbspiel aus Goldtönen wirbelte ängstlich durcheinander, sodass der Behälter vibrierte. Er genoss den Klang gleich einer lieblichen Musik, den sie dabei verursachte. Er hatte mit der Seele wahrlich einen Schatz ergattert. Die Bemühungen hatten sich damals redlich gelohnt. Und nun würde sie sogar sein Ticket auf die Erde und in die Freiheit sein. Luzifer konnte es kaum erwarten, endlich die dunkle Unterwelt, sein Verlies, zu verlassen. Viel zu lange hatte er hier unten ausharren müssen. "Du kannst es spüren, nicht wahr, Yomi? Die Veränderung ist ganz nah. Ihnen fehlt nur noch 1 Grimoire, dann sind wir beide frei." Er streichelte erneut über das Gefäß und erfreute sich an der Angst der Seele. Fast schon bereute er es, dass er sie hergeben musste. Aber musste er wirklich? Immerhin war er Luzifer. Herrscher über die Unterwelt und bald Herrscher über die gesamte Erde. Sein gehässiges Lachen erfüllte den Raum. "Mal schauen, ob ich überhaupt auf dich verzichten möchte, Yomi. Lassen wir uns überraschen." Kapitel 1: Richtig oder Falsch? ------------------------------- Nachdenklich starrte Sairi aus dem Fenster. Der Regen prasselte erbarmungslos auf den kalten Asphalt nieder und tauchte die Umgebung in ein melancholisches Grau. Eine Woche war nun vergangen, seit er aus der Zelle entkommen war, nur um in Takashiros Fängen zu landen. Er schloss seine schweren Lider und lauschte dem Trommeln des Regens. Die beruhigende Wirkung blieb allerdings aus. Hatte er sich richtig entschieden? Hatte er überhaupt eine andere Wahl gehabt? Natürlich hätte er kämpfen können ... Sairi öffnete seine Augen und schielte nach rechts, wo Takashiro und Suzaku saßen, um ihre weiteren Schritte zu planen. Der Angriff würde direkt auf das Hauptquartier des Giou-Clans stattfinden. Ihm graute davor, gegen seine Freunde zu kämpfen. Doch Reiga hatte sich ausgerechnet dort verkriechen müssen - zusammen mit dem letzten Grimmoire ... Sairi seufzte schwer. Das Leben - dieser verdammte Kreislauf der Wiedergeburt und des Kampfes gegen die Duras, das angeblich Böse ... Wer stand letztendlich auf der richtigen Seite? Er konnte Takashiro seinen Seitenwechsel nicht übel nehmen. Allerdings war es fraglich, ob Luzifer tatsächlich Yomis Seele freigeben würde. Man konnte Duras einfach nicht trauen. Was würde passieren, wenn sie das letzte Grimmoire tatsächlich beschaffen konnten? Was würde geschehen, wenn Luzifer sein Ziel erreichte und auf die Erde beschworen wurde? Wie viele mussten bei dem sinnlosen Kampf noch ihr Leben lassen? Würde er tatsächlich gegen Yuki und die anderen kämpfen können. Gegen Ria? Sairi fuhr sich mit der Hand resigniert durch sein Haar und stand auf. Ganz gleich, ob seine Entscheidung richtig oder falsch war, er hatte keine andere Wahl. Wenn er nicht an Masamunes Seite stand, wer dann? Er konnte und wollte seinen Cousin nicht aufgeben. Es müsste einen Weg geben, seinen Körper und Geist von Suzaku zu befreien. sind er würde ihn finden - kostete es, was es wollte. Jetzt blieb ihm fürs erste nichts anderes übrig, als ihren Befehlen zu folgen, das letzte Grimmoire zu beschaffen und Luzifer zu beschwören. Er trat zu Takashiro und Suzaku an den Tisch und schob seine erdrückenden Gedanken beiseite. Konzentrieren - er musste sich konzentrieren. Alles andere würde später folgen. Was war schon richtig oder falsch? Kapitel 2: Kampf um das letzte Grimmoire - Teil 1 ------------------------------------------------- Sodom zuckte angsterfüllt zusammen, als ein greller Blitz den Nachthimmel erleuchtete. Unruhe lag in der Luft, doch die anderen schienen es nicht zu bemerken. Die Wächter saßen gemeinsam auf der Couch und versuchten, die trübsinnige Atmosphäre durch belanglose Gespräche aufzuheitern, jedoch ohne Erfolg. Allen von ihnen war klar, dass ein Angriff von Takashiro früher oder später erfolgen würde. Die Frage war nur wann und wie der Kampf ausgehen würde. Abermals erleuchtete ein krachender Blitz den Himmel und das Zimmer. Sodom klammerte sich bibbernd an Luca, der seinem Zwilling Luze böse dreinschauend beobachtete. Yuki saß in der Mitte der beiden, neigte sich zu Sodom und streichelte ihm beruhigend über den Kopf. "Hab keine Angst, das ist nur ein harmloses Gewitter." Sodom liebte Yukis ehrliches Lächeln und die Wärme, die von ihm ausging. Das Licht der Götter war wahrhaftig magisch. "Ich hasse Gewitter", gab er zurück und klang quänglicher als beabsichtigt. Hotsuma beugte sich über den Tisch und tippte unsanft gegen seine Stirn, sodass Sodom die Augen zusammen kniff. "Ein flennender Drache, der sich vor Gewitter fürchtet. Tzz ..." "Sei nicht so gemein zu ihm. Du tust ihn weh!", mischte sich Touko ein und warf ihm einen ermahnenden Blick zu. Hotsuma verdrehte genervt die Augen und setzte zur Widerrede an, als die Tür aufging. Sodom sprang freudig auf, als Katsumi den Raum mit einem vollen Tablett betrat. Mit einem freudigen Strahlen lief er auf den jungen Koch zu und begutachtete neugierig das Fingerfood. "Was hast du diesmal für uns gezaubert, Katsumi? Das sieht superlecker aus." Katsumi Tooma errötete leicht und erklärte im Feuereifer die ganzen Köstlichkeiten. Yuki gesellte sich dazu, dicht gefolgt von Luca und Luze. Erfreut fuhr Katsumi mit seiner Erklärung fort, als ein Knall, dicht gefolgt von einem fürchterlichen Erdbeben, die Luft zerriss. Sofort stoben die Wächter in alle Richtungen auseinander, um sich auf ihre Positionen zu begeben. Yuki wurde von Luze und Luca begleitet. Sodom schloss zu ihnen auf. Sie brachten Yuki zu Kanata in den Keller. Ein erneutes Beben ließ die Erde erzittern und Yuki wurde von den Zwillingen aufgefangen. Dankbar nickte er ihnen zu, doch bevor er den Mund öffnen konnte, flutete ohrenbetäubendes Heulen die Gänge. Sodom schluckte schwer und versuchte, ein Zähneklappern zu unterdrücken. Er spürte etwas. Etwas das ihm bekannt vorkam und er doch nicht kannte. Etwas Gewaltiges. Großes. Unaufhaltsames. "Es geht los", erklang Kanatas ernste Stimme, dann drangen dir ersten Dämonen in das Hauptquartier ein. Kapitel 3: Kampf um das letzte Grimmoire - Teil 2 ------------------------------------------------- Ein boshaftes Grinsen zierte Elegys Gesicht. Viel zu lange hatte sie sich in Geduld üben müssen, während Takashiro mit den anderen den Angriff geplant hatte. Endlich konnten sie sich austoben. Das Eindringen in das Hauptgebäude war kein großes Problem gewesen - dank Takashiros Fähigkeiten. Nun stürmte sie mit einer Horde rangniedriger und mittlerer Duras den Sitz des Giou Clans. Um sie herum ertönten die Schreie kämpfender Wächter und sterbender Duras. Es roch verheißungsvoll nach Blut. Sie glaubte im Gewimmel Cadenza auszumachen, der Kuroto, Senshiro und Ria gegenüberstand und den Kampf sichtlich genoss. Gerade noch rechtzeitig wich sie dem niedersausenden Breitschwert von Touko aus und zückte ihre Peitsche zum Gegenangriff. Missmutig rümpfte sie die Nase, denn sie hatte keine Lust, gegen eine Frau zu kämpfen. Männer litten einfach schöner. Viel lieber würde sie gegen Luca kämpfen und ihm ihre Liebe beweisen. Ihre Laune besserte sich allerdings, als sie Tsukomo erspähte, der alle Hände voll zu tun hatte, um die hereinbrechende Duraflut mit Hotsuma und Sushei zurückzudrängen. Allerdings gelang ihnen das nicht ganz. Immer wieder brachen vereinzelte Dämonen durch und verschwanden in den Fluren. "Geh mir aus dem Weg, damit ich mit richtigen Gegnern kämpfen kann. Eine unreife Göre wie du bereitet mir keinen Spaß." Toukos Augen formten sich zu zwei schmalen Schlitzen, während sie zum nächsten Angriff ansetzte. "Tut mir leid, wenn ich nicht zu deiner Belustigung beitrage, doch du wirst mit mir vorlieb nehmen müssen!" Mit schnellen Sätzen sprang sie auf Elegy zu, die ihren Angriff mühelos zu blocken schien. Sie parierte die Attacken, bis sie sich zu langweilen begann. Schnell wie der Wind hob sie ihre Peitsche und ließ sie durch die Lüfte gleiten. Touko entrann ein qualvoller Schmerzensschrei, als die Angriffe einen roten Faden auf ihrer Haut hinterließen. Sie biss sich auf die Lippen und hielt sich den Arm. Aus den Augenwinkeln erkannte sie, dass es bei den anderen genauso schlecht aussah. Lange würden sie nicht mehr durchhalten. War es wirklich klug gewesen, hier zu bleiben? Doch davonzulaufen wäre keine Lösung gewesen. Der Kampf musste irgendwann geführt und beendet werden. Hoffentlich sah es bei Yuki und Reiga anders aus ... Und wo steckte Takashiro? Sie konnte sich kaum vorstellen, dass er und Suzaku sich fernhalten würden. Ein Feuerstrahl zischte an ihr vorbei und ließ Elegy zurückweichen, die gerade zu einem wichtigen Schlag gegen die Wächterin ausgeholt hatte. Touko nickte Hotsuma dankbar zu. In diesem Moment zerriss ein angstverzerrter Schrei die Luft und Touko gefror das Blut in den Adern. Elegy lachte amüsiert auf. "Ihr Wächter und eure Bequemlichkeit! Nur nicht auf eure Angestellten und den Service verzichten müssen, egal wie schwierig die Lage ist. Aber keine Sorge, wir helfen euch beim Entledigen der überflüssigen Bediensteten!" Touko schluckte. Natürlich hatten sie Isuzu, Ibuki und die anderen wegschicken wollen, allerdings hatten diese sich geweigert. Mehr noch: Tsubaki, Shizuka und Fuyutoki wollten ihnen beistehen und Yuki beschützen und waren ebenfalls hier. Sie hoffte nur, dass es ihnen gut ging, auch wenn Ibukis Schrei etwas ganz anderes bezeugte ... Kapitel 4: Kampf um das letzte Grimmoire - Teil 3 ------------------------------------------------- Voller Entsetzen starrte Shizuka auf Ibuki, deren lebloser Körper mit weit aufgerissenen Augen und schmerzverzerrtem Gesicht zu Boden fiel. Den Gegner hatte keiner von ihnen kommen sehen. Sie hatten alle Hände voll zu tun, die vereinzelten Duras, die sich zu ihnen verirrten, unter Kontrolle zu halten. Tachibana zog blitzschnell sein Schwert und drängte gemeinsam mit Fuyutoki den gackernden Duras zurück. Schnell sprang Shizuka zu ihnen, um ihnen zu helfen. Tsubaki, Isuzu, Ria und Katsumi rannten zu Ibuki, während sich Aya geschockt die Hände vor den Mund hielt, um einen Schrei zu unterdrücken. "Ibuki, bitte, sag etwas ... das darf nicht passieren, bitte", stotterte Tsubaki mit zitternder Unterlippe und strich ihrer Schwester über die Wange. Isuzu überprüfte den Puls und Herzschlag, obwohl er das Ergebnis bereits erahnte. Er schüttelte langsam den Kopf. "Es tut mir leid." Tsubaki kämpfte gegen ihre Tränen an, konnte ein Schluchzen allerdings nicht unterdrücken. Katsumi wollte sie tröstend in den Arm nehmen, doch er kam nicht dazu. Ein lauter Knall ertönte und der Duras, den Tachibana und Fuyutoki in Schach hielten, zerriss es in der Luft aus scheinbar unsichtbarer Hand in zwei Teile. Warmes Blut spritze im Raum umher und bescherte den Anwesenden eine ungewollte Dusche. Aya stieß einen angeekelten Schrei aus, während Ibuki wie hypnotisiert auf den Leichnam von Ibuki starrte. Tachibana befiel ein ungutes Gefühl, das seinen Magen auf die Größe einer runzligen Rosine zusammenzog. Blitzschnell drehte er sich um und erstarrte. Die anderen folgten seiner Bewegung, als ein schauriges Lachen erklang. "Ich kann einfach nicht zulassen, dass jeder Anwesende mehr Spaß hat als ich", meinte Suzaku und schüttelte spielerisch den Kopf. "Ibuki sollte sich schämen, sich von so einem kleinen Duras töten zu lassen. Der war doch ein Kinderspiel." Er deutete auf die größte Blutlache und ein wölfisches Grinsen legte sich auf sein Gesicht. Es war kein Fehler gewesen, einen Abstecher zu machen und nicht nur schnurstracks zu Yuki zu preschen. Jetzt konnte er sich noch ein bisschen austoben und Takashiro würde die paar Minuten schon allein zurecht kommen. "Gib Masamune frei, Suzaku. Wie erbärmlich muss man sein, um seinen eigenen Sohn zu besetzen. Das ist selbst unter deiner Würde", knurrte Tachibana und setzte einen Schritt auf ihn zu. Ria sprang sofort an seine Seite. Suzaku zog eine Braue in die Höhe und seine Augen funkelten amüsiert. "Der pflichtbewusste Tachibana. Noch immer mit einem falschen Dauerlächeln im Gesicht unterwegs? Leider habe ich keine Zeit, um mit dir zu plaudern. Ich hab noch was Wichtiges vor, das letzte Grimmoire wartet auf mich. Könnt ihr es fühlen? Das Ende der Welt steht kurz bevor!" Mit einer flinken Handbewegung wehrte er Shizukas Angriff ab und verzog wütend sein Gesicht. "Das wird nicht passieren!", schrie Shizuka und setzte zum erneuten Angriff an, dem Suzaku flink auswich. Ein boshaftes Grinsen umspielte seine Mundwinkel. "Du hast recht. Zumindest teils ... denn für dich wird das nicht passieren. Du erlebst das nicht mehr - lass mich dir und deinen törichten und unbedeutenden Freunden dabei helfen!" Blitzschnell formten sich aus den Schatten Kreaturen der Nacht, die auf die Anwesenden losgingen. Doch Shizuka wollte Suzaku für sich. Er schoss auf ihn zu, parierte seinen Schlag und leitete ihn um. Shizukas Augen weiteten sich vor Schmerz und Suzakus geckendes Lachen drang an sein Ohr, als er ihm zuflüsterte: "Wird Zeit, dass du zu deinem Kumpel Rou kommst, findest du nicht? Lass mich euch wieder vereinen! Ich bin eben doch ein Guter, nicht wahr?" Er stieß Shizukas Kurzschwert noch tiefer in den Körper. Shizuka versuchte sich zu wehren, aber er war zu schwach - es war bereits zu spät. Kraftlos sank er zu Boden und spuckte Blut, während Suzaku über ihm stand und sich köstlich amüsierte. Er versuchte sich zu konzentrieren, zu fokussieren, seine Kräfte zu bündeln, doch vergebens. Den Kampf konnte er nicht gewinnen. Nur wenige Sekunden später war er tot. Suzaku streckte sich und sah sich belustigt um. Er genoss den Anblick, der durch ihn Todgeweihten. Wer brauchte schon Luzifer? Er konnte hochrangige und unzählige untere und mittelklasse Duras beschwören. Letzteres sogar schon ohne Buch und Ritual. An Ort und Stelle. Wenn er erst das letzte Grimmoire in seinen Händen halten würde, konnte er die mächtigsten Duras befehligen und rufen, die es gab. Doch er hatte Takashiro versprochen, Luzifer zu befreien, damit Yomis Seele freigegeben würde. Suzaku seufzte und wandte sich von den Kämpfenden ab, blieb noch ein letztes Mal kurz stehen und lauschte den Schmerzens- und Entsetzensschreien, dann machte er sich zum Licht der Götter und zum Verräter Reiga auf. Sollte Takashiro doch Luzifer beschwören ... Luzifer, wer war schon Luzifer? Auch diesen würde er beherrschen können. Nichts und niemand würde ihn noch aufhalten können. Kapitel 5: Kampf um das letzte Grimmoire - Teil 4 ------------------------------------------------- "Sie kommen. Macht euch bereit", befahl Reiga und nickte den Zwillingen zu. Luze drehte sich auf dem Absatz um und tat, wie ihm geheißen. Luca wandte sich zu Yuki und sah ihm beschwörend in die Augen. "Bist du bereit Yuki?" Sorge schwang in seiner Stimme mit und das Licht der Götter zwang sich ein Lächeln auf's Gesicht. "Ja, lass uns gehen." Sodom nahm seine Drachengestalt an und begleitete Yuki und seinen Master zu Luze, als ein lauter Knall, gefolgt von dämonischen Schreien die Gänge flutete. Es begann. Eine Horde Duras stürmte den Korridor und direkt auf sie zu. Luze und Luca stellten sich schützend vor Yuki, den sie in den vorbereiteten Schutzkreis gebracht hatten. Sie konnten nur hoffen, dass Tachibanas Plan aufging. Ein zurück gab es nicht mehr. Jetzt ging es um alles oder nichts. Sie würden das Licht der Götter mit ihrem Leben verteidigen - auf keinen Fall wollte Luca Yuki noch einmal verlieren. Nie wieder ... Sodom ließ ein donnerndes Brüllen von sich und stürzte auf die Meute zu. Auch Luze und Luca zogen ihre Waffen und bedienten sich ihrer Magie. Der Kampf hatte begonnen. Mit zitternden Händen stand Yuki im Jahrhunderte alten Bannkreis und beobachtete hilflos das unübersichtliche Kampfgewirr. Er fühlte sich wehrlos und schwach. Wie gerne würde er etwas tun, doch Tachibanas Anweisungen waren unmissverständlich gewesen. Keiner von ihnen hatte von dem Bannkreis gewusst, der vor vielen Jahren als letzte Schutzinstanz mit magischen Ritualen errichtet worden war. Abgesehen von Kanata, der bei der Entstehung dabei gewesen war. Er war ein Teil des Rituals gewesen, genauso wie Yomi und Takashiro. Nun konnten sie nur hoffen, dass Takashiro nicht wusste, wie man den Schutz auflöste. Yuki betete inständig, dass er nicht auftauchen würde, dass seine Befürchtungen umsonst sein würden, doch genau in dem Moment entdeckte er Takashiro mit Salamons Schlüssel in der Hand und sein Herz drohte, für einen Moment auszusetzen. Takashiros Gesichtszüge wirkten versteinert. Seine Augen strahlten eine trostlose Kälte aus. Und auf seiner Wange hatte sich ein Geschwür mit Augen gebildet - ein trauriges Zeugnis, dass der Dämon in ihm stärker wurde und die Kontrolle zu übernehmen drohte. Yuki schluckte. War das wirklich der Mann, der ihn als großen Bruder aus dem Waisenhaus geholt und aufgenommen hatte? Den er als Teil seiner Familie gesehen, auf den er gehofft und zu dem er aufgeschaut hatte? Ein unsichtbarer Strick legte sich um Yukis Kehle und drückte erbarmungslos zu. Zielstrebig bahnte sich Takashiro seinen Weg im Schutz der beschworenen Duras zu Reiga. Ein Durchdringen zu ihm war für Luca und Luze fast unmöglich. Wütend fluchten beide zeitgleich auf, aber sie gaben nicht auf. Stück für Stück kamen sie ihm näher. Das störte Takashiro allerdings nicht weiter. Er hatte sein Ziel klar vor Augen und das war Reiga, der auf ihn wartete. Als er nah genug war, beschwor er Nidhögg und ließ ihn auf seinen Widersacher los. Reiga zögerte nicht lange, hatte er doch damit gerechnet. In Windeseile beschwor er einen der stärksten Dämonen, die er an sich gebunden hatte: Zu, die Personifikation des Windes - ein Sturmvogeldämon. Reiga benötigte all seine Konzentration und Aufmerksamkeit für den Kampf und Takashiro erging es gleich. Yuki schluckte. Eine Horde von Duras klebte förmlich an der unsichtbaren, magischen Barriere und lechzen nach seinem Blut. Unzählige Augenpaare starrten ihn mordlüstern an und die scharfen Pranken der Duras versuchten, den Magieschutz zu durchbrechen. Wo waren die anderen? Ging es Kanata, Luca, Luze und Sodom gut? Er schreckte auf, als die Dämonen brutal zerrissen und weggeschleudert wurden. Vor ihm erschienen zwei leuchtende Drachenaugen und er atmete erleichtert auf. "Sodom, danke." Kaum hatten die Worte seine Lippen verlassen, als er erstarrte. Suzaku hatte das Gewölbe betreten und kam mit einem bösen Lächeln auf ihn zu. Sofort machten Luca und Luze kehrt. Auf keinen Fall durfte Suzaku Yuki erreichen. Sodom wollte angreifen, doch Suzaku reagierte geistesgegenwärtig und beschwor Zipacna, einen mächtigen Erdbebendämon, der sich sofort auf Yukis Beschützter stürzte. In ihm hatte er einen würdigen Gegner gefunden. Ein paar Meter vor dem Bannkreis blieb Suzaku stehen. Yuki versuchte in seinen Augen einen Funken von Masamune zu entdecken, doch vergebens. "Sieh an ... Das Licht der Götter versteckt sich feige in einem Schutzkreis. Manche Dinge ändern sich einfach nie, nicht wahr? Immer unter Verschluss, so hilflos, so allein, während alle anderen um dich herum mit ihren Partnern kämpfen und sterben. Sag mir, Licht der Götter, wie willst du so deine Aufgabe erfüllen und die Wächter heilen?" Yuki zuckte zusammen. Er wusste, dass Suzaku recht hatte, doch er hätte es Tachibana und den anderen versprochen. Er würde den Bannkreis während des Kampfes nicht verlassen. So schwer es ihn auch fiel. Suzaku lachte belustigt auf und ließ Yuki nicht aus den Augen. "Keine Widerrede? Wir sind heute nicht gesprächig, am Tag der Entscheidung. Doch das macht nichts. Sag mir, Licht der Götter, wie fühlt es sich an, im goldenen Käfig zu sitzen, wenn alle anderen um dich herum sterben? Wenn du deine Augen schließt, kannst du sie dann auch hören? Die Todesschreie der Wächter und euren schwachen Bediensteten?" Lucas Schwert sauste vor Suzaku herunter und zwang diesen, mehr Abstand zum Licht der Götter zu nehmen. Nur wenige Sekunden später stand sein Bruder an seiner Seite. "Lass Yuki in Ruhe!", zischte Luca, worauf Suzaku ein amüsiertes Kichern entwich. "Gut, dann lässt uns spielen, bevor ich euch zu Luzifer zurückschicke!" Yuki starrte wie in Trance auf Luca und Luze, die gegen Suzaku und seine beschworenen Duras kämpften. Langsam wandte er sich nach links. Sodom war in Zipacna verkeilt und bei beiden klafften böse Wunden. Ein Schmerz durchfuhr seinen Körper. Er drehte sich nach rechts. Takashiro und Reiga lenkten noch immer ihre beschworenen Dämonen. Keiner von beiden schien unterlegen. Beide kämpften unerbittlich. Yukis Kopf begann beim Anblick der beiden Kontrahenten zu dröhnen, die weiterkämpfen würden - bis zum Tod. Ihm wurde schwindelig und plötzlich sah er die Wächter vor seinem geistigen Auge. Tsukomo und Touko, am Ende ihrer Kräfte. Shuusei und Hotsuma, beide schwer verletzt. Kuroto ohnmächtig am Boden liegend, während Senshiro alles gab, um ihn vor Cadenza zu schützen, allerdings chancenlos. Yuki schloss die Augen und suchte mit den Händen nach Halt, doch er fand keinen. Ein eisiger Schmerz schüttelte seinen Körper und ließ ihn vor Kälte zittern. Die Bilder begannen immer schneller in seinem Kopf herumzuwirbeln, fuhren Achterbahn und spielten Autoscooter. Plötzlich erkannte er Tsubaki, die weinend vor ihrer toten Schwester kniete. Katsumi, der von einem Duras mühelos mit einer Pranke um die Kehle nach oben gehoben wurde. Aya, die bei ihrem schwer verletzten Bruder kauerte. Tachibana und Ria, die gemeinsam gegen zwei Duras kämpften, um den bewusstlosen Isuzu zu schützen. Shizukas zerfetzten Körper auf dem Boden ... Yukis Herz krampfte sich zu einer runzligen Rosine zusammen. Das dürfte nicht passieren. Er wollte das nicht. Den vielen Schmerz. Das Leid. Der Kampf. Der Tod. Ein Schrei bahnte sich aus seinem tiefsten Innern aus seiner Kehle. Seine Hände krallten sich in seine Oberarme und er sank auf die Knie. Etwas in ihm brach aus, dann verlor er sich in der Dunkelheit der Bewusstlosigkeit. Weißes Licht flutete das gesamte Gebäude und blendete die Wächter. Gleichzeitig heilten ihre Wunden, während die Dämonen unter brennendem Schmerz aufschrien. Takashiro und Reiga wurden bei ihrem Kampf unterbrochen und konnten ebenfalls außer weißem Licht nichts mehr sehen. Alle waren betroffen, bis auf einen. Sairi preschte ungesehen durch die Reihen und entriss Reiga das Grimmoire. "Ich hab's!" Suzaku begann zu Grinsen und gab den Rückzugsbefehl. Noch bevor das Licht zu schwinden anfing, waren Takashiro, Sairi, Suzaku, Elegy und Cadenza mit Raziels Schlüssel verschwunden. Kapitel 6: Kein Zurück mehr --------------------------- "Ha ha, das war das reinste Kinderspiel!", rief Suzaku und lachte schallend auf. "Das Licht der Götter hat uns durch seine intuitive Rettungsaktion direkt in die Arme gespielt!" Er blickte Takashiro auffordernd an, doch es erfolgte keine Reaktion. Der ehemalige Anführer des Giou Clans schien nur noch eine Rache gesteuerte Puppe zu sein. Suzaku seufzte gespielt auf. "Hätt ich mir ja denken können. Da ist selbst ne Kuh auf der Weide unterhaltsamer!" Abermals lachte er gehässig auf und Sairi verzog genervt das Gesicht. Vor ein paar Wochen hatte er noch gegen die Duras gekämpft und nun lief er mit Elegy und Cadenza an einer Seite ... Ihm fröstelte. Suzakus Stimme bereitete ihm Kopfschmerzen. Die pure Anwesenheit seiner Begleiter ließ ihm übel werden. Mit zusammen gekniffenen Augen beobachtete er Suzaku, der mit seiner übermütigen Art Elegy erheiterte und Cadenza zur Weißglut trieb. Es war kaum sichtbar, doch er war sich sicher, dass Masamunes Seele noch lebte und nicht verloren war, sondern nur durch die gewaltsame Übernahme schlummerte. Die anderen sahen es nicht, aber er nahm es wahr: die dünne zerbrechliche Aura, die durch Suzakus Adern floss. Es musste ihm gelingen, sie aufzuwecken und zum Vorschein zu bringen. Masamune würde kämpfen - er musste einfach. Suzaku drehte sich zu ihm um und griente ihn breit an. Saiki war sich sicher, dass er wusste, was in ihm vorging. Seine Miene verfinsterte sich augenblicklich. "Jetzt mach nicht so ein Gesicht, immerhin haben wir es dir zu verdanken, dass das letzte Grimmoire endlich in unserem Besitz ist, Sairilein!" Er zuckte kaum merklich zusammen, während er seine Maske aufrecht erhielt. Natürlich wusste er, dass Suzaku recht hatte, doch die Gedanken und Erkenntnis bereiteten ihm einen Brechreiz. Gemäß des Plans war er später zum Kampf dazugekommen und hatte den hinteren Eingang genommen, um nicht auf Ria und die anderen zu treffen. Zielstrebig hatte er sich seinen Weg in den Keller gebahnt, wo er Reiga und Raziels Schlüssel wahrgenommen hatte. Yukis Reaktion war nicht eingeplant gewesen, hatte ihnen aber dummerweise wunderbar in die Hände gespielt. Er wollte gar nicht an die Folgen denken. Takashiro wollte Luzifer beschwören, um Yomis Seele zurückzuholen, aber was genau wollte Susaku? Trafen sich ihre Ziele tatsächlich? "Nenn mich gefälligst nicht so!", zischte er Suzaku entgegen, der amüsiert auf ihn zuschlenderte und einen Arm um ihn legte. Ekel durchfuhr Sairi und ließ ihn würgen. "Sag mir, wie fühlt es sich an, seine Freunde und seinen Clan verraten zu haben?" Für einen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. Er stieß ihn von sich und funkelte ihn wütend an. Cadenza und Elegy beobachteten sie mit erwartungsvollen Blicken, doch Takashiro stellte sich zwischen die beiden und sah ermahnend auf sie herab. "Dafür haben wir keine Zeit." Suzaku hob abwehrend die Hände nach oben. "Schon gut, schon gut. Die Beschwörung Luzifers, ich weiß. Abgesehen davon mach ich nur Spaß. Für Sairilein gibt es eh kein Zurück mehr!" Mit einem geckernden Lachen, das die Nacht zerriss, lief er nach vorne, gefolgt von Takashiro, Elegy und Cadenza, der ihm ein verhöhnendes Lächeln beim Vorbeigehen zuwarf. Sairi ballte die Hände zu Fäusten und folgte ihnen widerwillig. Dunkle Zweifel fraßen ihn von innen auf. Er hatte seine Kameraden verraten. Das Licht der Götter. Ria ... doch egal, ob sein Entschluss richtig oder falsch gewesen war - egal, ob noch ein Lebensfunke von Masamune in Susaku steckte: Suzaku hatte recht. Für ihn gab es kein Zurück mehr. Er würde mit Takashiro Lucifer beschwören und damit den schlimmsten Verrat an der Menschheit und am Leben begehen. Kapitel 7: Vorbereitungen ------------------------- Sein Blick verfinsterte sich schlagartig. Sie hatten es also tatsächlich geschafft - sie hatten das letzte Grimmoire an sich gebracht. Es würde wirklich passieren: Luzifers Beschwörung. Um ihn herum ertönten johlende Jubelschreie und hüllten ihn ein. Alles würde sich ändern. Schon stürmten die ersten los, um sich vorzubereiten. Jeder wollte dabei sein und sich am Untergang der Menschheit beteiligen. Ihr Umzug von der Unterwelt auf die Erde stand kurz bevor. Er glaubte nicht an eine Ausrottung der dummen Erdenbewohner. Vielmehr würden Luzifer und seine Untertanen die Erde als Spiel- und Schauplatz zu ihrem Vergnügen nutzen. So auch er. Ihm waren die Menschen egal. Was war schon der Mensch in Gottes Schöpfungsplan? Niederträchtig, faul und gemein. Egoistisch und brutal. Jedes Mittel war ihm recht, um seinen Willen durchzusetzen. Sie, die Dämonen, wussten wenigstens, was Treue, Loyalität und Ehre bedeutete. Worte, die den Menschen fremd waren. Wenn ein Dämon sein eisiges Herz verschenkte, dann für immer... Zoltan seufzte auf, schloss seine Lider und versuchte, den Schmerz zu verdrängen. Er hatte keinen Platz für die Vergangenheit. Sie war vorbei. Fort. Für immer genommen. Alles was zählte, war das hier und jetzt. Er öffnete seine orange schimmernden Augen. Es war Zeit, die notwendigen Schritte für die Eroberung einzuleiten. Zielstrebig lief er durch die dunklen Gänge des imposanten Höllenschlosses. Je näher er den privaten Gemächern kam, desto leerer wurden die Korridore. Er wurde ohne Probleme in den Empfangssaal eingelassen, denn man kannte ihn bereits. Zepar, Zagan und Zaebos waren schon da und warteten auf Luzifer. Zaebos nickte ihm zu, während Zagan und Zepar hochnäsig geradeaus starrten und ihn keines Blickes würdigten. Das störte ihn nicht weiter. Geduldig stellte er sich an seinen Platz, das Ende der Schlange, und wartete auf die Ankunft des gefallenen Engels, ihres Herrn. Nur wenige Minuten später öffnete sich das pompöse Tor und Luzifer trat elegant ein. Sie verbeugten sich fast zeitgleich vor ihrem Herrn und warteten darauf, dass er das Gespräch eröffnen würde. Anmutig strich sich Luzifer durch sein Haar und schritt ein paar mal andächtig auf und ab. "Es ist nur noch eine Frage von ein paar Tagen, dann werden wir frei sein. Die Erde gehört uns. Sobald sie mich beschworen haben, werde ich die Pforte zwischen Hölle und Erde öffnen." "Ich werde meine Legionen bereit halten", antwortete Zagan ergeben und Zepar nickte ebenfalls. "Gibt es neue Instruktionen?" Zaebos blickte ihren Herrn lauernd an, der schüttelte leicht den Kopf. Selbst diese Geste wirkte an ihm erhaben. "Nein, vorerst nicht. Wir verfahren wie besprochen. Wir werden in Japan beschworen. Das Land machen wir als erstes Untertan. Macht mit den Menschen, was ihr wollt, doch bringt mir die Wächter lebend. Und vor allen Dingen: keiner rührt das Licht der Götter und die Bloody Cross Brüder an - die gehören mir!" "Wie Ihr wünscht, Meister." Die Höllenfürsten verneigten sich abermals. "Was ist mit Yomis Seele? Werdet Ihr sie freigeben?", fragte Zoltan und Luzifer strich sich nachdenklich über sein schmales Kinn. "Kommt drauf an, ob sie uns noch nützlich sein kann ... Takashiro ist durch sie wie Wachs in meinen Händen, zumal er einen Teil von mir in sich trägt." Ein diabolisches Grinsen zierte sein Gesicht und bescherte Zoltan eine Gänsehaut. "Takashiro ist nicht das Problem, was ist mit diesem Suzaku? Er wird über uns Befehlen wollen", gab Zagan mit knirschenden Zähnen zu bedenken und ballte seine Hände zu Fäusten. Luzifer winkte, noch immer mit einem Lächeln auf dem Gesicht, ab. "Soll er das doch erstmal glauben. Solange sich unsere Pläne gleichen. Er wird schon bald feststellen, wer hier wen befehligt. Die Menschen waren schon immer arrogant, überheblich und hochmütig. Und wie immer werden sie am Ende fallen. Auch ein Nekromant, dessen Seele und Bewusstsein sich im Körper seines Sohnes eingenistet und versteckt hat. Und nun geht und bereitet eure Legionen vor!" Zagan, Zepar und Zaebos verneigten sich vor ihm. Zoltan tat es ihnen gleich, wurde jedoch beim Vorbeigehen von dem gefallenen Engel am Handgelenk ergriffen. "Du nicht, du bleibst hier!" Zoltan nickte ergeben und konnte die stechenden und hasserfüllten Blicke der anderen in seinem Rücken spüren. Seine Muskeln verhärteten sich automatisch und die Anspannung ließ erst nach, als die Opast den Raum verlassen hatten. "Wie kommt es, dass du die alten Tattergreise mehr fürchtest, als mich?", säuselte Luzifer und umrundete ihn wie ein Raubtier. "Das tue ich nicht, Herr." Der gefallene Engel zog argwöhnisch eine Braue in die Höhe und seine goldschimmernden Augen schienen ihn zu durchbohren. "Fürchtest du mich?" "Natürlich, Herr." "Gut." Er nickte zufrieden und strich ihm über den Oberkörper. Zoltan stand reglos da und wartete seine nächsten Schritte ab. Luzifer liebte es zu spielen, doch auf ein Näherkommen brauchte Zoltan nicht zu hoffen oder zu fürchten. Die Position stand ihm nicht zu. Er war weder ein Höllenkönig wie Zagan, noch ein Herzog oder Graf wie Zepar und Zaebos. Er war nur ein einfacher Diener und Laufbursche, der zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten vom Herrn selbst ausgesucht worden war. Nicht mehr und nicht weniger. Anscheinend erledigte er die Aufgaben zur Zufriedenheit des Engels. Denn was das Austauschen von Dienern anging, war er nicht zimperlich. "Sag, weisst du eigentlich, warum ich dir mehr anvertraue, als allen anderen?", flüsterte Luzifer in sein Ohr und verursachte eine Gänsehaut auf seiner Haut. "Nein, Herr." Ihre Gesichter waren so nah, dass nur noch zwei Zentimeter sie trennten. Zoltan verspürte ein Kribbeln und er konnte nicht sagen, ob er es als angenehm oder störend empfinden sollte. Luzifer strich ihm sachte über die Wange, bevor sich seine Fingernägel scharf in seine Haut bohrten und ein Rinnsal Blut sich seinen Weg nach unten bahnte. Kein Laut entwich Zoltans Lippen. Er verzog nicht einmal seine Miene, sondern starrte seinen Herrn wartend an. Der griente zufrieden übers ganze Gesicht, leckte sich das Blut von den Fingerspitzen und beugte sich vor, sodass er seinem Untergebenen ins Ohr flüstern konnte. "Weil du, im Gegensatz zu den alten Tattergreisen, nicht scharf auf meinen Thron und meine Macht bist. Alles, was du hattest, wurde dir genommen. Dein Körper ist nichts weiter, als eine willenlose Hülle. Du würdest mich niemals hintergehen, hab ich recht?" "Ihr könnt euch auf mich verlassen, Herr " Kapitel 8: Der bessere Koch --------------------------- Katsumi hüpfte ungeduldig von einem Bein auf das andere und versuchte mit aller Kraft, sich zurückzuhalten. Doch mit jeder weiter verstreichenden Minute, fiel ihm das schwerer. Schließlich konnte er nicht mehr länger an sich halten. "Senshiro, bitte, Verlass die Küche. Ich mache den Rest." Der Wächter schüttelte leicht den Kopf und stellte den Topf auf den Herd. "Auf keinen Fall. Überlass das Abendessen ruhig mir, ich bin gut. Es wird allen schmecken, vertrau mir." Mit einem Lächeln begann er, die Zutaten für den Nachtisch zu richten. Katsumi begann leicht zu zittern und krallte die Finger in den Stoff seiner weißen Schürze. "Daran hab ich keine Zweifel, aber ... ich bin der Koch, das ist meine Aufgabe." Noch immer verweilte das Lächeln auf seinem Gesicht und er fuhr unbeirrt mit der Arbeit fort. Katsumis Verzweiflung wuchs, doch der Wächter ignorierte seinen Einwand. Er gab seinem Drang nach und hielt ihn am Ärmel fest. In seinen Augen spiegelten sich Tränen und flehend schaute er ihn an. "Senshiro, bitte lass mich meine Arbeit machen. Wozu soll ich denn sonst gut sein? Die anderen sind erschöpft von den letzten Ereignissen. Umso wichtiger ist, dass sie nun bei Kräften bleiben und gut essen. Jetzt, wo auch noch die Sorge um Yuki an allen nagt ..." Senshiro legte fürsorglich eine Hand auf seine Schulter und schenkte ihm ein aufmunterndes und mitfühlendes Lächeln. "Das weiß ich doch. Katsumi, du bist ein guter Kerl und bestimmt auch ein Spitzenkoch, aber auch du hast viel ab- und mitbekommen. Solltest du dich nicht auch ausruhen und erholen?" Katsumi schluckte schwer. Natürlich hatte der Wächter recht. Die Bilder von Shizukas und Ibukis Tod hatten sich tief in seine Seele gebrannt. Und jedes Mal, wenn er zurück dachte, kam sie erneut aus den dunklen Ecken gekrochen um nach ihm mit gierigen Krallen zu greifen: die Furcht. Schnell schüttelte er den Kopf und sah Senshiro entschieden an. "Das stimmt ... es ist schlimm, doch ... das Kochen lenkt mich ab und ich weiß dann, dass ich etwas gutes tue und nützlich bin, wenn ich sonst nichts anderes tun kann." "Das ist sehr lieb von dir." Katsumi atmete erleichtert auf und sein Körper entkrampfte sich. "Danke dir. Ich bin froh, dass du mich verstehst. Dann könntest du raus zu den anderen gehen und ..." "Nein, das geht nicht", unterbrach ihn der Wächter mit einem zuckersüßen und dennoch unnachgiebigen Lächeln. Katsumis Gesichtszüge entgleisten. "Was? Aber wieso nicht?!" "Es ist eine besonders schwere Zeit. Kuroto braucht unbedingt seine Lieblingsspeisen." "Die kann ich doch zubereiten. Du musst mir nur sagen, was es ist und ..." "Auf gar keinen Fall." Katsumi war fassungslos, während Senshiro ihn weiterhin anlächelte. Er fing an zu zittern wie Gelatine. Ihm fehlten die Worte und er verstand den Wächter einfach nicht. Der schien sein Unverständnis zu bemerken und nickte ihm leicht zu. "Du möchtest, dass Kuroto dich mag?" "Ja, aber natürlich!" "Du möchtest, dass er dein Essen liebt?" "Sicher, wieso ....?" Senshiro behielt sein Lächeln bei, allerdings verfinsterte sich seine Miene Unheil verkündend. Katsumi wich erschrocken einen Schritt zurück. "Er soll dich also mehr mögen, als alle anderen? Nicht wahr? Wenn du sein Lieblingsgericht kochst, würdest du in seiner Gunst aufsteigen und mich womöglich von meiner hart und jahrelang erarbeiteten Position verdrängen." Senshiro tippte nachdenklich mit dem Zeigefinger gegen sein Kinn und auf Katsumis Stirn bildeten sich Schweißperlen. Abwehrend wedelte er mit seinen Händen in der Luft. "Du verstehst das falsch! Ich will nur für alle kochen!" Senshiro griente übers ganze Gesicht. "Das kann ich nicht zulassen. Verlass bitte die Küche." In Katsumi wechselte Verzweiflung mit Wut und wirbelte durcheinander. Wollte ihm der Wächter tatsächlich das einzige nehmen, das er konnte und für das er da war? Was blieb dann für ihn, wenn er nicht mehr kochen konnte? Nein, dann wäre er nutzlos, ein Klotz am Bein. Entschlossen ballte er seine Hände zu Fäusten. Auf keinen Fall würde er nachgeben. Die Küche war sein Gebiet. Mit festem Blick startete er die Diskussion. Er durfte nicht verlieren. Tachibana stand mit verschränkten Armen vor der offenen Küchentür und lauschte amüsiert eine zeitlang dem Wortgefecht um die Oberhand in der Küche. Es tat gut, nach den schrecklichen Ereignissen der letzten Tage, abgelenkt zu werden Dennoch sollte er langsam einschreiten, wenn es heute noch ein Abendessen geben sollte. Immerhin war er der Herbergsvater und musste sich um seine Schäfchen kümmern, nachdem Takashiro sie verraten hatte. Yuki war nach dem Kampf nicht mehr aufgewacht. Tachibana seufzte betrübt und rückte seinen zylinderartigen Hut zurecht. Yukis Fähigkeiten waren um ein Vielfaches in so kurzer Zeit gewachsen. Das Licht der Götter hatte das Haus regelrecht mit heiligen Licht geflutet. Fast alle feindlichen Duras waren zu Staub zerfallen, die es nicht rechtzeitig hinaus geschafft hatten. Und das waren wahrlich nicht wenig gewesen. Allerdings befürchtete er, dass Cadenca und Elegy nicht dabei gewesen waren... Yuki hatte sie gerettet. Sogar die Wächter, die während des Kampfes tödlich verletzt worden waren, hatten nur noch ein paar Kratzer als Andenken. Das Licht hatte nicht nur ihre Gegner vernichtet, sondern sie gleichzeitig geheilt. Was steckte noch alles in Yuki? Welche Kräfte würde er weiterhin entwickeln? Das weckte Hoffnung. Trotzdem: Yuki hatte sich völlig verausgabt und es war ungewiss, wann er wieder aufwachen würde. Er würde aufwachen - er musste einfach. Nur wann? Er wischte seine Sorgen beiseite und sprang beschwingt und auf leisen Sohlen in die Küche. Wie erwartet bemerkten ihn keiner. Er war und blieb eben der Meister im Heranpirschen. "Ha ja, na na. Wer wird denn in solchen Zeiten streiten?", trällerte er beherzt neben Katsumi und Senshiro, wobei ersterer einen erschrockenen Aufschrei von sich gab, sich an die Brust fasste und nach Luft japste. Senshiro verzog nur leicht die Mundwinkel, ansonsten behielt er seine freundliche Miene aufrecht. "Wie lange stehst du da schon?", hackte Katsumi nach und nahm etwas Abstand von Tachibana. Er hatte keine Angst vor ihm, doch es war kein Geheimnis, dass der selbsternannte Herbergsvater etwas seltsam war. Er wettete darauf, dass Tachibana ein Mann mit vielen Geheimnissen war. Schon allein die ausgefallenen Hüte, hatten in der Vergangenen für viel Rätsel und Gesprächsstoff gesorgt. Er konnte sich nicht erinnern, ihn jemals ohne Kopfbedeckung gesehen zu haben. "Ha ha, wer weiß das schon. Noch nicht lange, doch lange genug, die Zeit - sie vergeht einfach wie im Flug." Tachibana zuckte belustigt mit seinen Schultern und kicherte weiter. Katsumi bekam eine Gänsehaut. Senshiro hingegen verstärkte sein Lächeln und wandte sich Tachibana zu. "Wir streiten nicht. Wir diskutieren lediglich nur." "Sooo?" Tachibana wiegte seinen Oberkörper emsig hin und her. "Um was geht es denn? Vielleicht kann ich helfen? In Zeiten wie diesen sollte zwischen uns kein Missmut herrschen. Meint ihr nicht auch?" Katsumi schielte einsichtig zu dem Wächter, der ebenfalls nachdenklich wurde, und nickte. "Wir sind uns nicht einig, wer das Essen für heute Abend kochen soll", beantwortete Senshiro die Frage. "Kuroto ist immerhin mein Partner - er ist nur das Beste gewohnt. Ich sollte kochen." "Aber ich bin der Koch! Meine Gerichte sind von exzellenter Qualität!" "Ahaha, verstehe", unterbrach Tachibana die beiden Streithähne und zwinkerte ihnen nacheinander zu. "Dann solltet ihr vielleicht gemeinsam kochen. Meint ihr nicht?" Sowohl Katsumi als auch Senshiro ließen seine Worte sacken und nickten schließlich. Ihre Mienen erhellten sich und Tachibana lobte sich innerlich selbst für seinen Schlichtungserfolg. Allerdings erschien ihm die Lösung irgendwie zu schnell und zu einfach. Hatte er etwas vergessen? "Wobei ..." Nachdenklich strich er sich mit der Hand über das Kinn und blickte an die Decke. "Es wäre noch zu klären, wer genau die Anweisungen in der Küche gibt. Am besten erledigt das der bessere Koch ..." "Ich!", riefen Katsumi und Senshiro zeitgleich und starrten sich empört an. Die Luft begann unangenehm zu knistern. Nur Tachibanas Kichern unterbrach die angespannte Stille. "Das schreit nach einem Schiedsrichter und wer wäre da besser geeignet als ich? Allerdings ..." "Was?!", fuhren ihn Katsumi und Senshiro fast zeitgleich an, darum bemüht, einen freundlichen Tonfall beizubehalten. Tachibana lachte abermals und zuckte bedauernd mit den Schultern. "Es fehlt der direkte Vergleich." "Er hat recht. Lass uns den Wettstreit sofort austragen und zwar mit einem 3 Gänge Menü. Die anderen sollen entscheiden, wer von uns gewinnt!", schlug Katsumi vor und Senshiro nickte eifrig. "Einverstanden. Möge der Wettstreit beginnen - Kurotos Stimme ist mir bereits gewiss." "Das werden wie ja sehen!" Tachibana beobachtete, wie beide sich voller Tatendrang an die Arbeit machten und schlich mit flinken Sohlen aus der Küche. Ein breites und zufriedenes Grinsen breitete sich in seinem Gesicht aus. Er hatte sich mal wieder selbst übertroffen. Zwar hatte er die Auseinandersetzung nicht geschlichtet, doch dafür durften sich nun alle auf ein reichhaltiges Festmahl der beiden freuen. Er hatte es noch immer eindeutig drauf. Wenn das Takashiro gesehen hätte... Seine Miene wurde schlagartig ernst. Takashiro hatte nach all den Jahren die Seiten gewechselt. Er konnte es ihm nicht einmal verübeln. Doch war Takashiro wirklich in der Lage, Yuki etwas anzutun? War er noch Herr seiner Sinne? Besaß er hinter seinen Rachegelüsten und seiner Sehnsucht nach Yomi tatsächlich einen letzten Funken an Vernunft? War seine Seele noch zu retten oder hatte er seinen langjährigen Freund endgültig verloren? Tachibana schluckte. Falls es noch nicht zu spät war, gab es nur einen, der ihn retten konnte. "Yuki, bitte, wach endlich auf." Kapitel 9: Rias Rat ------------------- Besorgt musterte Touko Ria, die gedankenversunken und trübsinnig ins Leere starrte. Sairis Wechsel auf die gegnerische Seite, musste sie hart getroffen haben. Wenn Tsukomo sie verraten würde ... nicht auszudenken. Mitfühlend stellte sie die zweite Tasse Tee vor ihrer Freundin ab, und setzte sich ihr gegenüber auf die Couch. Ria bekam das jedoch nicht mit. Keine einzige Regung spiegelte sich in ihrem Gesicht wider und Touko fröstelte. Schnell suchte sie nach einem Thema, etwas, das helfen würde, um von der Situation abzulenken. "Kurze Haare stehen dir wirklich gut", begann sie mit einem zögernden Lächeln das Gespräch und klang nervöser als sie gedacht hatte. Ria blickte auf. Ihr Mund verzog sich zu einem Schmunzeln, doch ihre Augen lächelten nicht mit. "Danke, das ist lieb." Touko wartete, aber umsonst. Warum mochte ihr kein Thema einfallen? Das konnte doch nicht so schwer sein. Sie musste ihre Freundin aufheitern, egal wie. "Das Kochbattle war lustig, meinst du nicht auch? Der arme Katsumi war ganz verzweifelt und Senshiro ging es letztendlich nur um Kurotos Meinung." Ria nickte und der Schleier der Teilnahmslosigkeit begann sich vor ihren Augen zu lichten, verschwand allerdings nicht ganz. Trotzdem ließ das Hoffnung in Touko erwachen. Eilig fuhr sie fort. "Ich fand es nett, dass Aya und ihr Bruder auf Katsumis Seite waren, das ..." "Es wäre sicherer für sie, wenn sie das Anwesen verlassen würden", unterbrach Ria sie traurig. Touko zuckte kurz zusammen und dachte über ihre Worte nach. Schließlich nickte sie. "Vermutlich hast du recht, auch wenn ich sie alle vermissen würde." "Darum geht es nicht - du hast gesehen, was mit Ibuki und Shizuka passiert ist. So ein ... Das haben sie einfach nicht verdient!" In Rias Augen stiegen Tränen auf und auch Touko spürte das Wasser in ihren Augen aufsteigen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten und versuchte, die schrecklichen Bilder wieder aus ihrem Kopf zu vertreiben. Für einige Minuten schwiegen sie. Jede kämpfte mit ihren eigenen Gefühlen. Dann sah Ria schließlich auf. Ein melancholisches Lächeln bildete sich um ihre Mundwinkel und im ihrem Blick lag tiefer Schmerz. "Ich kann einfach nicht glauben, dass uns Sairi verraten hat und gegen uns kämpft!" Ihre Stimme zitterte und sie konnte den Damm nicht mehr aufrecht erhalten. Schillernde Tränen rannen über ihre Wangen und hinterließen eine glitzernde Spur auf der Haut. "Ria ...", flüsterte ihre Freundin mitfühlend und hilflos zu gleich, da sie befürchtete, nicht die richtigen Worte zu finden. "Wieso tut er das?! Durch ihn wird Luzifer beschworen werden! Was wird nur mit den Menschen, mit uns und Yuki werden?" Sie schluchzte und wischte sich mit dem Arm über das Gesicht. "Er hatte bestimmt keine Wahl ..." "Man hat immer eine Wahl!", entfuhr es ihr energischer als beabsichtigt. "Es tut mir leid. Ich ... Ich wollte dich nicht anschnauzen. Es ist nur .... hätte ich ihm gesagt, was ich für ihn fühle, wäre er dann auch gegangen? Hätte ich ihn befreien sollen, ihn ... Ich weiß auch nicht! Das schlimmste ist, dass ich es nie erfahren werde. Denn wenn wir uns das nächste mal gegenüberstehen, dann werde ich ... Ich werde ..." Ria schluchzte abermals. Touko stand auf, setze sich neben sie und zog sie in ihre Arme. Wie gerne würde sie widersprechen und ihr Mut machen. doch alle Worte, die ihr in den Sinn kamen, hörten sich falsch an. Solange das Licht der Götter ohne Bewusstsein war, gab es keine Hoffnung ... Ria beruhigte sich etwas und befreite sich aus der Umarmung. Sie atmete tief durch, bevor sie ihrer Freundin mit festem Blick in die Augen sah. "Was ist eigentlich mit dir und Tsukomo?" Verwundert zog Touko eine Braue hoch. "Was meinst du? Was soll sein?" "Touko, es ist kein Geheimnis, das wir Wächter zu unseren Partnern eine enge Bindung haben. Bei dir und Tsukomo ist es gleich. Ihr gehört zusammen!" Touko wurde rot. So direkt kannte sie ihre Freundin nicht. Unsicher lachte sie auf und fuhr sich durch ihr langes Haar. "Ja, natürlich, doch wir werden immer als Geschwister geboren und ..." "Und was?" "Es ist wahr. Ich fühle mich zu Tsukomo mehr hingezogen, als zu allen anderen. Doch es soll einfach nicht sein. Es gibt bestimmt einen Grund, warum das Schicksal uns immer als Blutsverwandte zur Welt kommen lässt, auch wenn es schmerzt und ich es nicht verstehe." Touko senkte befangen ihren Kopf, doch Ria winkte ab. "Das glaube ich nicht. Touko, denk doch mal nach: die Welt ... Das Leben geht zu Ende. Die Lage sieht schlecht aus. Du kannst nie wissen, wann es den nächsten von uns erwischt." "Ria!", rief Touko entsetzt auf, die mit dem Pessimismus und der Offenheit ihrer Freundin nicht zurecht kam. Wenn man es dachte, war es das eine, doch es auszusprechen ... "Touko, ich weiß, das Thema ist dir unangenehm, ich werde es deshalb gleich beenden, aber hör mir ein letztes Mal gut zu." Sie ergriff behutsam die zitternden Hände ihrer Freundin und drückte sie aufmunternd, bevor sie mit eindringlicher Stimme fortfuhr. "Rede mit Tsukomo, halte deine Gefühle nicht zurück, egal, für wie unangebracht du oder andere sie halten. Es ist dein Leben und keiner kann dir sagen, wie lange wir noch hier sind. Mach nicht den selben Fehler wie ich. Denn wenn du zu lange wartest, verpasst du den Moment. Er wird nicht mehr zurück kommen und du wirst es ewig bereuen, doch dann ist es zu spät - ich weiß, wovon ich rede." Ria stand auf und wollte den Raum verlassen, aber Touko ergriff das Wort. "Wir Wächterinnen sind dazu da, um das Licht der Götter zu beschützen und Kinder zu bekommen. Das weißt du genauso gut wie ich. Auch wenn wir im Moment nichts tun können ... wir ... wir", sie stockte und versuchte, den dicken Kloß herunterzuschlucken, der sich in ihrer Kehle festgesetzt hatte. "Wir konnten Yuki nicht beschützen und jetzt? Wir sind so nutzlos ... Tolle Wächter sind wir. Es gibt nichts, was wir tun können." "Doch das gibt es!" Erschrocken fuhren Ria und Touko herum und starrten in Reigas Gesicht, der durch das Fenster sprang, es schnell verschloss und sich mit verschränkten Armen an die Wand lehnte. "Was ... Wieso kommst du durch das Fenster?", rief Touko entsetzt und auch Ria sah fragend drein. Bevor er seine Lippen öffnen konnte, um zu antworten, ertönte draußen Hotsumas wütendes Fluchen. Rias Mimik entgleiste und sie musste leise Kichern. "Da ist wohl jemand nicht damit einverstanden, dass du frei herum läufst." Reiga seufzte und schloss für einen kurzen Moment seine Augen. Touko musste zugeben, dass er sehr attraktiv war. Kaum zu glauben, dass sie vor einigen Wochen noch gegeneinander gekämpft hatten und nun zusammen wohnten. "Dabei kann ich ohne Grimmoire nocht viel ausrichten. Ich werde Yuki schon nicht im Schlaf ersticken." "Da sind sich einige hier nicht wirklich sicher", entgegnete Ria gelassen und beäugte ihn misstrauisch. Reiga erwiderte ihren Blick. Ein elektrisierendes Knistern lag in der Luft und Touko rutschte nervös auf ihrem Platz hin und her. "Ria meint es nicht so, stimmt doch, Ria?" Touko lachte nervös auf, doch Reiga winkte ab. "Nein, sie hat recht. Und die anderen auch. Ihr solltet euer Misstrauen beibehalten und vor allen Dingen aufmerksam sein, um Yuki vor ihm zu schützen." "Was oder wen genau meinst du?", hakte Ria mit zusammengekniffenen Augen nach, allerdings erahnte sie die Antwort bereits. Reigas Blick wurde messerscharf und seine Miene verhärtete sich. "Vor Luzifer. Es gibt niemand, den er lieber in die Finger bekommen möchte, als das Licht der Götter. Es wird nicht mehr lange dauern und er wird kommen, um Yuki zu holen..." "Aber ich dachte, er wird von Takashiro und Suzaku befehligt werden", gab Touko zu bedenken. "Vielleicht ... kann Takashiro ..." Reiga schüttelte entschieden den Kopf. "Selbst wenn das so wäre ... Er wird Yuki für sich fordern." "Was macht dich da so sicher?" , meinte Ria und Reigas Augen starrten finster ins Leere. "Weil das Licht der Götter ihm seinen liebsten Lakai und Spielzeug weggenommen hat." "Luca ...", flüsterten Touko und Ria zeitgleich. Ihnen wurde schlagartig eiskalt. Kapitel 10: Stille Geständnisse ------------------------------- Deprimiert starrte Katsumi auf das dreckige Geschirr. Der Ausgang der Challenge nagte hart an ihm. Zwar hatte technisch gesehen keiner von ihnen verloren, doch der Gleichstand fühlte sich wie eine Niederlage an. Sicher, Senshiro konnte kochen und das stand auch außer Frage. Natürlich gönnte er ihm sein Talent, sowie die Freude am Zubereiten und die strahlenden Gesichter der anderen, aber all seine harten Jahre der Ausbildung erschienen ihm auf einmal nichtig. Seit er klein war, hatte er gewusst, dass er für andere kochen wollte. Die Freude und Bewunderung, die ein gelungenes Gericht bescherte, der Moment des völligen Glücks ... Seit er das bei seinen Eltern damals gesehen hatte, wollte er derjenige sein, der den Menschen um sich herum diesen einzigartigen Moment schenkte. Die meisten hatten sich zurückgehalten und keine Stimme abgegeben. Lediglich Aya und Fuyutoki hatten für ihn gestimmt. Tsubaki und Kuroto waren für Senshiro gewesen. Katsumi seufzte. Kurotos Augen hatten schon beim bloßen Anblick von Senshiros Menü geglänzt. Wie gern wäre er der Grund dafür gewesen. Senshiro hatte nicht einmal eine Ausbildung zum Koch. Katsumi fühlte sich auf ganzer Linie als Versager und er war sich nicht einmal sicher, ob Aya und Fuyutoki ihm ihre Stimme nicht nur aus Mitleid gegeben hatten. War er derart unfähig? Er schluckte die Tränen hinunter und schüttelte leicht den Kopf. Er durfte nicht darüber nachdenken und schon gar nicht in Selbstmitleid zerfließen. Mit einer flinken Handbewegung öffnete er die Spülmaschine, um das schmutzige Geschirr einzuräumen, doch zu seinem Entsetzen hatte er vergessen, sie heute morgen laufen zu lassen. "Das auch noch? Es ist einfach nicht mein Tag ....", flüsterte Katsumi mit einem langen Seufzen und kratzte sich am Hinterkopf, bevor er die Maschine anschaltete. "Dann eben auf die altmodische Art." Gedankenversunken ließ er heißes Wasser ins Becken und machte sich an die Arbeit, als plötzlich eine Hand das Handtuch neben ihm ergriff. Überrascht sah er auf und direkt in Ayas freundlich lächelndes Gesicht. "Es geht schneller, wenn ich dir dabei helfe." Katsumi spürte die Röte seine Wangen fluten. Abwehrend fuchtelte er mit seinen Händen in der Luft herum. "Ah ... das musst du nicht, wirklich! Du hast bestimmt genug Arbeit." "Ich bin soweit durch und habe Zeit, um dir zu helfen", antwortete sie und griff nach dem ersten Teller. "A... aber...", stotterte Katsumi und bekam keinen anständigen Satz heraus. Aya fuhr mit dem Abtrocknen fort und ihre Augen nahmen einen warmen Glanz an. "Ich mache es gern. Nicht nur, um dir für das leckere Festmahl zu danken. Du gibst dir immer so viel Mühe, damit auch für jeden etwas dabei ist und die anderen können es nicht wirklich zeigen, aber auch sie freuen sich immer auf dein Essen. Meistens sind die Wächter nur so beschäftigt und ... es liegt nicht an dir oder an deinem Essen ...", Aya brach mitten im Satz ab und schaute Katsumi aus großen Augen an. Sorge und Unsicherheit spiegelten sich darin wider. "Oder ist es dir nicht recht? Wenn ich störe, dann ... dann ..." Katsumi schluckte und kratzte sich verlegen am Hinterkopf. "Nein, nicht doch ... du störst mich nicht ... Ich würde mich freuen, wenn du mir hilfst. Heute ist nur einfach nicht mein Tag und ... danke. Danke für alles." Er blickte sie aufrichtig an und Aya lächelte verlegen zurück. Schnell wandte er sich von ihr ab und fing an zu spülen, als er spürte, wie die Hitze seine Wangen flutete. War Aya schon immer dermaßen süß gewesen? Wieso fiel ihm das jetzt erst auf? Er schüttelte leicht den Kopf und versuchte, die Gedanken abzuschütteln. Allerdings konnte er sein wild schlagendes Herz nicht mehr beruhigen. Aya knabberte nervös an ihrer Unterlippe. Hatte sie zu viel gesagt? Katsumi hatte es nicht leicht und es tat ihr wirklich leid, dass die anderen seinem Essen nicht viel Beachtung schenkten, auch wenn sie es nicht böse meinten. Sie war sich sicher, dass es Katsumi schmerzlich traf, wo er doch so viel Mühe und Liebe in seine Arbeit investierte, um alle um sich herum glücklich zu machen, doch was machte ihn glücklich? Sie würde ihm gerne etwas gutes tun, aber alles was ihr einfiel, war, ihm beim abtrocknen zu helfen. Sie kam sich völlig einfallslos vor. Ein Seitenblick zu ihm genügte allerdings, um ihr zu verraten, dass er sich offensichtlich freute. Oder irrte sie sich? Sie traute sich nicht, noch mal genauer hinzusehen, denn das war unhöflich und er sollte auf keinen Fall schlecht von ihr denken. Nicht Katsumi .... Unter verlegenen Schweigen verrichteten beide ihre Arbeit, ohne auch nur einmal aufzusehen. Kuroto war genervt und das sichtlich. Ratlos tappte ihm Senshiro hinter her. Warum war sein Partner nur dermaßen verstimmt? Er hatte sein Lieblingsessen gekocht und hatte sich dabei selbst übertroffen. Er hatte gesehen, - nein, sogar gefühlt - dass es ihm geschmeckt hatte. Wieso also diese schlechte Laune? Was hatte er falsch gemacht? Da kam Senshiro eine Idee. "Hey, Kuroto! Soll ich noch ein paar Knabbereien zum krönenden Abschluss zubereiten, um den Abend perfekt zu machen?" Er rannte fast in seinen Partner, als der abrupt stehen blieb. Er wirbelte zu ihm herum und sein Gesicht war wutverzerrt. "Perfekt? Du willst diesen dämlichen Abend perfekt machen? Dann geh gefälligst zu Katsumi und entschuldige dich!" Senshiros Gesichtszüge entgleisten. Ungläubig blickte er Kuroto an, der es durchaus ernst zu meinen schien. "Aber wieso sollte ich das tun?", gab er mit einem zaghaften Lächeln zurück und zuckte unbeholfen mit den Schultern. Die Miene seines Partners verfinsterte sich. "Du weißt nicht wieso? Weil dein Verhalten peinlich und völlig Fehl am Platz war! Du kannst mich nicht vor allen zwingen, deinen bescheuerten Wettstreit zu unterstützen! Das war unpassend! Abgesehen davon hast du Katsumi damit voll niedergemacht. Was hat er dir denn getan? Werd endlich mal erwachsen!" Senshiro schaute wie ein getretener Hund drein und dachte über die Worte nach. Jedoch verstand er Kuroto nicht ganz. Er hatte ihm etwas gutes tun und ihn nicht gegen sich aufbringen wollen. "Verdammt, noch mal! Jetzt sag doch was und starr nicht nur Löcher in die Luft!" forderte sein Partner und auf Senshiros Gesicht breitete sich ein unsicheres und zögerndes Lächeln aus. "Wenn ich mich bei Katsumi entschuldige, bist du dann nicht mehr sauer?" "Was ist das denn jetzt für eine Frage? Ich kann meine Laune nicht einfach umschalten wie ein Fernsehprogramm!" "Es tut mir leid." Senshiro senkte leicht den Kopf und sah betroffen zu Boden. Kuroto seufzte genervt und ergeben zugleich auf. "Jetzt schau doch nicht gleich so betroffen und niedergeschlagen drein. Geh dich einfach bei Katsumi ernsthaft entschuldigen." "Bist dann wieder besser drauf?" Kuroto verzog leicht sein Gesicht und fuhr sich durch sein Haar. Dass sein Partner aber auch dermaßen anstrengend sein musste. Wie ein Welpe, der unablässig um Aufmerksamkeit buhlte. "Es würde helfen, meine Laune zu bessern." Senshiros Miene erhellte sich schlagartig. Vor Kurotos Augen erschien für einen Moment das Bild eines stürmischen Hundes, der gelobt wurde und eine Belohnung erwartete. "Bloß nicht ...", murmelte er vor sich hin und versuchte, denn seltsamen Gedanken seines Partners als Hund zu vertreiben. "Mh? Ja?" Senshiro strahlte ihn regelrecht an - Es fehlten nur noch die Tierohren und der wedelnde Schwanz. Missmutig und mit leicht geröteten Wangen wandte sich Kuroto schnell ab. "Und ne Knabberei wäre danach auch toll." Beschwingt folgte Senshiro seinem Partner. "Für dich tue ich alles, was du verlangst, solange es dich glücklich macht - Jetzt und für immer, denn du bist wichtiger als alles andere für mich", dachte er - doch das Geständnis behielt er lieber für sich. Kapitel 11: Stummer Hilfeschrei ------------------------------- Ihm war kalt. Um ihn herum war nichts als die alles verschlingende Dunkelheit. Masamune konnte nicht einmal die eigene Hand vor Augen sehen. Und was war mit seinem Körper los? Er konnte ihn nicht spüren. Alles was er wahrnahm, war eine unglaubliche Schwere, die ihn zu begraben drohte. Und da war noch etwas: Ein stechender Schmerz, der ihm langsam aber sicher den Atem raubte. Wo waren Yuki und die anderen? Waren sie auch hier? Was war das für ein Ort? Er musste sich erinnern. Was war als letztes passiert? Die Ermittlungen ... er war gemeinsam mit dem Licht der Götter unterwegs gewesen. Doch wieso? Shoppen? Urlaub?Spazieren - Nein, zu einfach, zu unbeschwert. Besorgungen, Ermittlungen - das musste es sein! Takashiro musste sie geschickt haben. Er konnte sich allerdings nicht an die Details erinnern. Nur ein asphaltierter Weg, die Schule seines kleinen Bruders. Ein Junge in Not und da - Seine Mutter ... Etwas in Masamune schrie vor Schmerz auf oder war es die Dunkelheit um ihn herum? Er konnte es nicht sagen, doch es tat so unglaublich weh. Seine Mutter hatte den falschen Weg gewählt. Er konnte es noch immer nicht fassen. War das wirklich passiert? War es real? Masamune wusste es nicht. Es durfte einfach nicht wahr sein. Seine Mutter würde so etwas nie tun - dazu war sie nicht fähig, oder etwa doch? Dennoch ... was war danach passiert? Ein Bild von Yuki kreuzte seine Gedanken, wie er ein Schwert herbeizauberte und auf seine Mutter zustürmte. Dann war es schwarz um ihn geworden. Etwas war mit Gewalt in ihm ausgebrochen. Etwas, was schon viele Jahre im Verborgenen versteckt gelauert hatte. Verborgen. Wartend. Und diese Macht hielt ihn nun gefangen. Da war er sich sicher. Doch wo war er? Warum konnte er nichts sehen? Masamune fühlte sich körperlos. Schwebend. Unsichtbar. Es war so falsch. Er fror - ihm war unglaublich kalt. Es fühlte sich wie sterben an ... Er wollte noch nicht sterben. Er durfte nicht! Was sollte aus Yuki und den anderen werden? Wie ging es ihnen? Was sollte er tun? Er musste hier raus. Doch wo war der Ausgang? Hilfe, er brauchte dringend Hilfe. Masamune spürte, wie die Kraft ihn verließ. Er musste sich beeilen. Ziellos irrte er in der kalten Dunkelheit umher. Kapitel 12: Wenn zwei sich streiten ... --------------------------------------- Wie ein allmächtiger Schutzgott baute sich Luca vor Reiga auf und warf ihm einen messerscharfen Blick zu. "Dreh um, du hast hier nichts zu suchen." Reiga zog überrascht, wenngleich auch unbeeindruckt, eine Braue nach oben und blieb in der Mitte des Flurs stehen. "Sollte es nicht mittlerweile klar sein, dass wir auf derselben Seite stehen? Ich möchte Yuki nur kurz sehen." "Sein Zustand ist unverändert. Es gibt keinen Grund für deinen Besuch", gab Luca ruhig, aber bestimmt zurück. "Ich finde es gut, dass du Yuki beschützt, doch das hast du nicht zu bestimmen. Lass mich durch." "Du auch nicht. Was möchtest du von ihm?" "Ich möchte ihn lediglich sehen. Wir waren in der gemeinsamen Zeit, die wir im Waisenheim verbracht haben, wie Brüder. Ich möchte zu ihm." "Er wird dich nicht hören ..." "Das ist mir bewusst." "Gut, dann geh jetzt endlich", zischte Luca und pirschte wie eine Raubkatze auf ihn zu. Reigas Augen verformten sich zu zwei schmalen Schlitzen. So sehr er Lucas Loyalität gegenüber seinem Herrn schätzte, so sehr nervte diese ihn in diesem Moment. "Das solltest du sein lassen! Treib es nicht zu weit!" "Dasselbe gilt für dich. Das ist die letzte Warnung: kehr endlich um!" Reiga reichte es endgültig. Der Dämon nahm sich eindeutig zu viel heraus. Mit einem schnellen Satz griff er Luca an, um ihn auf seinen Platz zu verweisen. Neugierig beobachtete Luze, wie sein ehemaliger Meister und sein Bruder miteinander um die Oberhand rangen. Er konnte beide Seiten verstehen. Letztendlich war ihm egal, wer von beiden gewinnen würde. Er war sich sicher, dass niemand ernsthaft verletzt werden würde, denn derart dumm waren weder Reiga noch Luca. Sie würden ihre Kräfte und jeden Kämpfer im anstehenden Kampf gebrauchen können. Das war jedem im Anwesen bewusst, was das derzeitige Zusammenleben mit den Wächtern zwar nicht angenehm, aber erträglich und möglich machte. Ein Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. Dass sein Bruder mit Reiga beschäftigt war, kam ihm gerade recht. Leise wie eine Raubkatze, bahnte er sich seinen Weg in Yukis Zimmer, und schlich zu dessen Bett. Fast andächtig blieb er davor stehen und betrachtete sich das schlafende Licht der Götter. Sein Blick wanderte von Yukis glänzendem Haar über dessen helle Haut, über die Wangen und den dünnen Lippen. Er wirkte unglaublich blass und zerbrechlich ... so schön. Er konnte die Faszination seines Bruders nachvollziehen. Noch vor ein paar Wochen hatte er ihn für seinen Verrat gehasst. Jetzt begann er ihn zu verstehen. Wie in Trance streckte er seine Hand aus und berührte Yukis Wange, die zu seiner Freude genauso weich war, wie sie aussah. Vorsichtig fuhren seine Fingerspitzen zu seinen Lippen, die verheißungsvoll auf seine Berührung zu warten schienen. Sollte er es wagen? Yuki selbst würde es nicht mitbekommen ... niemand würde ihn dabei stören. Mit klopfendem Herzen beugte er sich hinunter. Dies wäre sein persönlicher und ganz eigener Schwur, Yuki als seinen neuen Meister zu akzeptieren. Reiga hatte ihn ohnehin an Yuki zu dessen Schutz abgegeben. Ob das seinem Bruder passte oder nicht. Luze schloss seine Lider und näherte sich Yukis Lippen. Sie waren nur noch wenige Millimeter voneinander entfernt, als er ruckartig zurück gerissen wurde. Er seufzte genervt. Wusste er doch, um wen es sich bei dem Störenfried handelte, noch bevor er die Augen öffnete. "Versuch das nicht nochmal und halt dich von Yuki fern!" , fauchte ihn Luca an und seine Augen funkelten gefährlich. Luze konnte spüren, dass sein Bruder Magie anstaute, um sie gegen ihn einzusetzen, falls er sich nicht zurückziehen würde. Das hatte Luze allerdings nicht vor. Er schlug die Hand des anderen fort und hielt seinem Blick mit ernster Miene stand. "Ich habe die Erlaubnis, hier zu sein. Du bist nicht mehr der einzige, der Yuki als Meister hat. Nun ist er auch meiner." "Reigas Worte und Befehle bedeuten mir nichts. Verlass sofort das Zimmer." "Verlass du es doch. Ich bleibe bei Yuki, um ihn zu beschützen", entgegnete Luze gelassen, aber bestimmt. "Du musst ihn nicht beschützen. Das mache ic! Vor ein paar Wochen wolltest du ihn noch töten." "Weil es mir befohlen würde, doch nun nicht mehr." "Glaubst du wirklich, ich hätte nicht gesehen, was du vorhattest?!" "Pfh ... und wenn schon ..." "Das versuchst du nicht noch einmal, verstanden?!" Luze legte kurz seinen Kopf schief und dachte nach. "Okay." Sein Bruder betrachtete ihn misstrauisch. Da stimmte doch etwas nicht. Das war viel zu einfach gewesen. Noch während er nach den richtigen Worten suchte, blitzte es in den Augen seines Gegenübers voller Tatendrang auf. "Dann lege ich mich jetzt zu ihm!" Lucas Gesichtszüge entgleisten für einen flüchtigen Moment. In der nächsten Sekunde fasste er sich wieder und griff nach seinem Bruder. "Das wirst du nicht!", herrschte er ihn an, aber Luze schüttelte energisch seinen Kopf. "Doch, Yuki braucht mich jetzt - meine Nähe, damit er weiß, dass er nicht allein ist." "Wenn sich jemand zu ihm legt, dann ja wohl ich!" Beide starrten sich herausfordernd an. Im nächsten Moment, als hätte jemand einen Startschuss abgefeuert, wirbelten sie gleichzeitig herum und sprangen Richtung Bett. Jedoch blieben sie nach drei stolpernden Schritten stehen und blickten entgeistert und fassungslos auf Sodom, der sich schlafend an Yuki geklammert hatte. Sie wirkten dermaßen harmonisch, das weder Luze noch Luca sich trauten, den Drachen in seiner Menschengestalt wegzuziehen, wenngleich ihnen der Missmut ins Gesicht geschrieben stand. Wie zwei bestrafte Hunde blieben sie vor dem Bett stehen und beäugten die friedlich schlafenden. Wenn sich zwei streiten, freut sich nun mal bekanntlich der Dritte. Kapitel 13: Yukis Traum ----------------------- "Yuki ... hörst du mich? Steh auf, Yuki. Es ist an der Zeit ..." Ein Pochen malträtierte seinen müden Körper, der sich viel zu schwer anfühlte. Mühevoll hob er die Hand an seine schmerzende Schläfe. Wo war er und wer rief da nach ihm? Er versuchte, seine Augen zu öffnen, doch vergebens. Es schien fast so, als wären seine Lider festgeklebt. "Licht der Götter, steh auf. Nicht mehr lange ... du darfst nicht länger schlafen. Bitte, steh auf." Wieder die leise, gedämpfte Stimme. Wer sprach zu ihm? Er konnte sie nicht zuordnen. Yuki öffnete seine trockenen Lippen, doch nur ein qualvolles Stöhnen drang aus seinem Mund. Noch einmal versuchte er, mit aller Kraft seine Augen zu öffnen. Millimeter für Millimeter erhaschte er Erfolge. Sein Körper schrie vor Anstrengung gepeinigt auf, doch er kämpfte weiter. Langsam kehrte die Erinnerung wieder. Die vielen Duras, Sodom kämpfend, ebenso Luca und die anderen ... Yuki schluckte den Schmerz hinunter. Er musste herausfinden, wo er war. Was war passiert in der Zeit seines Black Outs? Wie ging es den anderen? Er musste all seine Konzentration und Kraft zusammen nehmen und die Antworten finden. Seine starke Willenskraft half ihm, seine Lider vollständig zu öffnen. Es dauerte eine Weile, bis er begriff, dass er auf dem Rücken lag und auf eine weiße, antike Decke aus Gestein sah, die in der Mitte kegelförmig zulief. Erst jetzt realisierte er das fröhliche Vogelgezwitscher. Er wandte leicht seinen Kopf und blickte auf eine blühende Wiese mit bunten Wildblumen, die von dichten grünen Büschen eingerahmt wurde, wie ein Schatz. "Yuki, schön. Du bist endlich wach." Ein paar Füße näherte sich ihm. Yuki war noch zu schwach, um den Kopf zu heben. Erschöpft ließ er es bei einem Versuch bewenden. "Überanstrenge dich nicht. Lass mich dir helfen, Licht der Götter." Jemand kniete sich zu ihm nieder und hielt einen einfachen Kelch vor seine Nase. Der Fremde stand ungünstig, denn durch die Sonne in dessen Rücken, wurde Yuki geblendet und konnte das Gesicht des jungen Mannes nicht erkennen. "Trink das und es wird dir schnell besser gehen", forderte er ihn freundlich auf und Yuki gehorchte. Ein Gefühl in seinem Innern verriet ihm, dass sein Gegenüber nichts Böses im Sinn hatte. Dafür war seine Stimme zu warm und zu herzlich. Tatsächlich hatte er das Gefühl, dass sein Körper mit jedem weiteren Schluck an Kraft gewann. Nach nur zwei weiteren Minuten schaffte, sich aufzurichten und schaute einem blonden Mann ins aufmunternd lächelnde Gesicht. Seine Haut hatte einen braunen Teint und erinnerte Yuki an Mandeln. Seinen hellblauen Augen schimmerten mystisch. Jegliches Misstrauen fiel von Yuki ab. "Wo bin ich und wo sind die anderen?" Der Blonde lächelte noch immer freundlich. "Welche anderen meinst du?" "Die Wächter .... Luca ...." "Ah, verstehe." Der Fremde starrte für einen kurzen Moment an die Decke und Yuki blickte sich flüchtig um. Die vielen weißen Säulen des Pavillon artigen Unterschlupfs wirkten fast wie ein Tempel. "Du schläfst, sie sind wach." Sein Kopf ruckte herum als der Sinn der Worte ihn erreichte. "Ich schlafe?", wiederholte Yuki ungläubig und seine Augen wurden vor Verwunderung, im nächsten Moment vor Entsetzen, groß. Die Miene seines Gegenübers strahlte Unruhe und Besorgnis aus. "Ja, so ist es. Du hast dich im letzten Kampf vollständig verausgabt, um deine Freunde zu retten." "Und ... konnte ich sie alle retten?" Der Blonde schüttelte traurig den Kopf. "Nicht die, die zu dem Zeitpunkt schon tot waren." "Ibuki ... Shizuka ..." Yuki ballte seine Hände zu Fäusten und begann zu zittern. Er konnte seine Tränen nicht zurückhalten. Die Erinnerung kehrte schlagartig zurück. Er hatte versagt. Schon wieder. Zu was war er eigentlich zu gebrauchen? Allen war er nur ein Klotz am Bein. Wenn er nicht ... "Sei bitte nicht so hart zu dir, Licht der Götter", unterbrach der andere seine selbstzerstörerischen Gedanken. "Du kannst nicht immer alle retten. Das kann niemand." Er strich ihm tröstend über den Rücken und schenkte ihm ein aufmunterndes Lächeln. "Luca und den anderen geht es gut, dank dir, aber sie machen sich große Sorgen um dich." Yuki nickte und wischte sich mit dem Arm die Tränen aus dem Gesicht. "Wer bist du?" Der Blonde stand auf und reichte ihm die Hand. Mit einem sanften, aber starken Ruck wurde er auf die Beine gezogen. Er strauchelte einige Sekunden und wurde von dem Unbekannten gestützt. "Nenn mich einfach .... Danny. Das ist ein schöner Name. Der gefällt mir, was meinst du? Oder zu amerikanisch?" Nachdenklich blickte er in den strahlend blauen Himmel. Yuki beobachtete ihn irritiert und wusste nichts darauf zu antworten, bis ihn der Blonde besorgt anblickte. "Ich ... ähm, nein, er klingt nicht zu amerikanisch. Danny ist ein wirklich schöner Name." Dannys Gesicht erhellte sich. Glücklich strahlte er Yuki an und verbeugte sich vor ihm. "Nun dann, Yuki, das Licht der Götter. Es freut mich, dich kennenzulernen." "Ja, ich freue mich auch!" Danny wich im letzten Moment aus, sodass ihre Köpfe nicht bei der erneuten Vorbeugung zusammenknallten. Für ein paar flüchtige Sekunden musste Yuki an sein erstes Treffen mit Senshiro denken. Ein peinlich berührtes Schmunzeln breitete sich um seine Mundwinkel aus. Er setzte sofort zu einer Entschuldigung an, doch Danny winkte lächelnd ab. "Das ist nicht nötig. Du möchtest bestimmt aufwachen ... das musst du sogar, um deinen Freunden zu helfen." Überrascht blickte Yuki den anderen an und nickte. Für einen Moment hatte er tatsächlich alle Sorgen vergessen. Wie hatte das nur passieren können? Die Wächter und Kanata brauchten ihn jetzt sicherlich. Und Luca ... "Ich kann dir sagen, was du dazu tun musst, aber bevor du dich entscheidest, solltest du wirklich hundertprozentig sicher sein. Denn hast du deine Wahl erst einmal getroffen, dann gibt es kein Zurück." "Aber ... was muss ich dazu tun?" Ihre ernsten Blicke trafen sich. für einige Minuten schwiegen sie. Dann zeigte Danny auf einen der blühenden Büsche. Yuki musste genau hinsehen, um das Tor dahinter zu entdecken. "Durchschreite die Schwellen zu deinem Unterbewusstsein. Dort wirst du die ganze Wahrheit erfahren und stärker werden. Aber geh nur soweit, wie du sie ertragen kannst. Die Türen mit dem Messingknauf sind die, die notwendig sind, damit du aufwachst. Die mit dem goldenen Griff musst du nicht öffnen. Das obliegt deiner freien Entscheidung, doch bedenke: die Wahrheit ist nicht immer schön und oftmals grausam." Yuki ließ seine Worte sacken. Hatte er eine andere Wahl? Er wollte Luca und die anderen unbedingt wiedersehen. Auf keinen Fall konnte er sie nun im Stich lassen. Egal wie schmerzhaft die Wahrheit und die Erinnerungen an sein vorheriges Leben waren, er würde es ertragen. "Ich werde mich an alles erinnern können? Aus diesem und meinem vorherigen Leben?" "Ja, höchstwahrscheinlich." "... auch daran, was für Magie und Techniken ich einsetzen kann, um den anderen im Kampf gegen die Duras zu helfen?" Danny nickte abermals. "Ja, das wirst du. Doch sei dir bewusst, dass der Kampf gegen die Duras und vor allen Dingen Luzifer nicht leicht werden wird. Ich befürchte, dass dir viel Leid und Schmerz bevorstehen werden." "Luzifer? Dann haben wir das letzte Grimmoire verloren?" "Leider ja ..." Yuki schluckte und blickte entschlossen auf. "Es ist lieb, dass du dich um mich sorgst, doch ich muss es tun. Was wird sonst aus meinen Freunden und der Menschheit?" "Luzifer und die Dämonenfürsten werden alle und alles vernichten." Yuki nickte tapfer und wollte gerade gehen, als Danny ihn zu sich zog und von hinten fest umarmte. Hitze schoss in seine Wangen und raubte ihm die Worte. "Pass auf dich auf, Yuki. Du bist wahrlich warmherzig, Licht der Götter. Ich werde dir helfen und beistehen, wo ich nur kann. Auch dann, wenn du mich nicht sehen kannst. Denk immer daran, egal was du siehst und erfährst, wenn du die Schwelle überschreitest: du bist nicht allein. Die Wächter, Luca und ich werden immer bei dir sein." Danny ließ ihn los und Yuki verbeugte sich dankbar vor ihm. Dann lief er entschlossen zum Tor und bahnte sich seinen Weg durch die Büsche. Er streckte die Hand mit klopfenden Herzen aus und berührte die Klinke. Allerdings hielt er inne und drehte sich noch einmal um. "Danny, wer genau bist ...." Er brach mitten im Satz ab und schaute sich um, doch Danny war verschwunden. Ein letztes Mal schloss er die Augen, atmete tief ein. Dann öffnete er mit bangem Herz das Tor und trat über die Schwelle. Kapitel 14: Geständnisse ------------------------ "Ich fass es einfach nicht!", schrie Hotsuma und trat wütend gegen den Türpfosten. "Wieso darf dieser Typ hier frei rumlaufen?! Wer versichert uns, dass er uns nicht verrät? Hier scheint ja eh jeder die Seiten zu wechseln, wie es ihm gerade passt!" "Yuki vertraut ihm. Dann sollten wir das auch", erwiderte Shuusei gelassen und beobachtete seinen Partner, der genervt die Luft ausstieß. "Als ob das Yuki bei Reiga beurteilen kann. Er sieht in ihm noch immer diesen Kanata! Abgesehen davon - findest du es nicht auch seltsam, dass er das letzte Grimmoire im Kampf verloren hat? Was für ein außergewöhnlicher Zufall!" Er schlug mir der Faust hart gegen die Wand, verharrte in der Bewegung und schloss die Lider. Shuusei ließ ihn nicht aus den Augen, während er sich langsam auf ihn zubewegte. Dicht vor ihm blieb er stehen, zog ein Taschentuch aus seiner Hosentasche, und tupfte vorsichtig das Rinnsal Blut von Hotsumas Hand. "Was regst du dich eigentlich wieder so auf? Yuki liegt momentan im Koma. Anstatt die Einrichtung zu demolieren und mit Reiga Fangen zu spielen, solltest du dich lieber für den bevorstehenden Kampf rüsten." "In dem ich deiner Meinung nach was tue? Ich kann nicht einfach nur rumsitzen und Däumchen drehen. Genauso wenig wie du." Hotsuma seufzte und betrachtete sich Shuusei. Er wusste, dass es seinem Partner ähnlich wie ihm erging. Nur trug Shuusei es nach innen, mit sich selbst und allein, aus. Sein Blick verfinsterte sich für einen kurzen Moment. Wie er das hasste. War ihm nicht klar, dass er es für sich nur umso schwerer machte? Hotsumas Wutausbrüche waren seine Art, damit klar zu kommen. Doch sein Partner war anders. Er wollte ihn nicht mehr leiden sehen. Der Schmerz in seinen Augen. Nicht schon wieder - nie mehr. "Erfolglos hinter Reiga herzujagen hilft niemanden und am wenigsten Yuki. Denk an unsere Aufgabe. Noch ist es nicht vorbei." "Was heißt hier erfolglos?! Ich krieg ihn schon noch! Und würden die anderen und du mir dabei helfen, wäre er bereits längst hinter Gitter!" Shuusei ließ seine Hand los und verstaute das Taschentuch. Ohne Aufzusehen, antwortete er scheinbar kühl: "Ich helfe dir doch. Wer läuft dir denn die ganze Zeit hinterher und passt auf, dass du es nicht übertreibst?" Hotsumas Gesichtszüge entgleisten. Es dauerte eine Weile, bis die Worte seines Partners ihn erreichten. Zornig und entsetzt zugleich versetzte er Shuusei einen Stoß. "Lass den Scheiß! Ich meine es ernst!" Um Shuuseis Mundwinkel bildete sich ein unscheinbares Schmunzeln. "Ich auch." "Argh! Verdammt nochmal, hör auf mich zu bemuttern und lass deinen Gefühlen freien Lauf! Hör endlich auf, alles in dich reinzufressen! Ich bin dein Partner - sollten wir nicht alles miteinander teilen?!" Shuusei verzog leicht sein Gesicht. "Alles teilen? Du meinst, die Freuden? Das Leid?" "Ja, verdammt!" "Gemeinsam lachen und weinen?" Hotsuma blickte ihn misstrauisch an. Worauf wollte er hinaus? "... Verarscht du mich? Ja!" "Auch die Zahnbürste?" "Ja ... was?! Shuusei!" Belustigt lächelte ihn sein Partner an, während die Wut in ihm wuchs. Er tat es schon wieder. Er lenkte von Thema ab, um nicht über seine Gefühle sprechen zu müssen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und stieß aus zusammengepressten Zähnen hervor: "Das ist nicht lustig, Shuusei! Ich meine es ernst. Hör endlich auf, dich drum rum zu reden. Ich seh, nein, ich spüre doch, dass es dir ähnlich geht wie mir! Wieso kannst du nicht offen zu mir sein und mit mir darüber sprechen?! Wir sind schon so lange Freunde und Partner. Keiner kennt mich so gut wie du. Wieso kannst du dich mir nicht öffnen?" Hotsuma schaute seinen Freund wartend an, doch vergebens. Es erfolgte keine Antwort. Scheinbar gleichgültig erwiderte Shuusei seinen Blick. Trotzdem: Hotsuma sah ihm an, dass seine äußerliche Ruhe nur Fassade war. Wieso diese Maske? Und vor allen Dingen: wieso ihm gegenüber? Ein stechender Schmerz durchfuhr sein Herz und ließ ihn zusammenzucken. Er spürte die Enttäuschung aufsteigen und sich in seinen Augen sammeln. Auf keinen Fall wollte er Schwäche zeigen. Nicht hier. Nicht jetzt. "Scheiße Shuusei, jetzt steh doch nicht einfach nur hier rum wie ein Ochse vorm Berg, wenn es blitzt! Sag was. Tu endlich was!" Shuusei sah auf und zog eine Braue in die Höhe. "Heute machst du aber ein Drama draus. Du möchtest, das ich was tue?" "Ja, verdammt!" "Egal was es auch ist?" "Wenn es dir hilft, ja. Außer jetzt abzuhauen, das lasse ich nicht zu." Hotsuma konnte nicht verhindern, dass er ihn anblaffte. Er wusste selbst nicht, warum er heute dermaßen gereizt auf seinen Partner reagierte. Wahrscheinlich lag es an der angespannten Gesamtsituation. "Vielleicht wäre es besser für dich, wenn du mich gehen lässt." "Sonst was? Was willst du tun, Shuusei? Ach, weißt du was? Bevor jetzt wieder keine Antwort erfolgt, dann tu es doch einfach! Ich hab echt keinen Nerv mehr." In Shuuseis Augen funkelte es gefährlich auf. Hotsuma beobachtete ihn verwirrt, wie er langsam einen Schritt auf ihn zupirschte wie eine Raubkatze und dicht vor ihm zum Stehen kam. "Ich soll also handeln und machen, was ich möchte?" Hotsuma schluckte. Irgendwie entwickelte sich die Situation seltsam. "J... ja, sag ich doch. Hörst du mit überhaupt zu?!", fuhr er ihn unsicher an und wollte einen Schritt zurückweichen, aber Shuuseis Hand schoss blitzschnell vor und hielt ihn bestimmt fest. "Ok, dann Lauf DU jetzt nicht weg!" "Weglaufen? Wieso sollte ich ..." Weiter kam Hotsuma nicht, denn Shuusei versiegelte seine Lippen mit den seinen. Im ersten Moment wollte er ihn von sich stoßen, ihn anbrüllen und fragen, was der Mist sollte, doch als er ansetzte, agierte sein Körper ganz von selbst. Anstatt ihn von sich zu schubsen, krallte er seine Finger in den Stoff von Shuuseis T-Shirt und erwiderte den Kuss. Seine Zunge verlangte Einlass und Shuusei tat ihm den Gefallen. Eine unglaubliche Hitzewille flutete seinen Körper und riss ihn mit sich fort. Seine Gedanken wirbelten durcheinander und er konnte keinen einzigen von ihnen fassen. Shuuseis Lippen waren so weich und zärtlich. Er bekam einfach nicht genug davon. Nie hätte er daran gedacht, dass es derart schön sein könnte, einen Mann zu küssen. Das war nicht richtig ... doch wen Interessierte das schon? Und Shuusei war nicht nur irgendein Mann. Nein. Solange es nur Shuusei war, war es in Ordnung. Shuusei war hin- und hergerissen. Wusste Hotsuma, was er da tat? Natürlich war seine Aktion riskant und provokant gewesen, aber wer konnte ihm sagen, ob er jemals noch eine Chance haben würde, seinem Partner mitzuteilen, was er für ihn empfand? Das Ende war nah, dessen war er sich bewusst. Auch der glimmende Funke Hoffnung vermochte die Tatsache nicht zu erhellen... Er hatte damit gerechnet, dass Hotsuma ihn wütend von sich stoßen, ihm sogar einen Schlag verpassen würde - aber nichts davon war geschehen. Im Gegenteil: er erwiderte seine Liebkosungen und fing an, mit seinen Fingern erkundend unter sein T-Shirt zu fahren und über seinem Oberkörper zu streicheln. Seine Berührungen elektrisierten seine Haut, beschworen wohltuende Schauer herauf und verlangten nach mehr. Er musste ihn stoppen, wenn er nicht ganz die Kontrolle über sich verlieren wollte. Er sollte es tun. Er musste es sogar - doch er konnte es nicht. Viel zu schön war das Kribbeln unter seiner Haut und das Gefühl, seinem Partner näher denn je zu sein. Auf keinen Fall wollte er den Moment zerstören, sondern ihn genießen und auskosten. Seine Gedanken setzten aus und er steuerte unter Küssen, die mit jedem Schritt leidenschaftlicher wurden, das Bett an. Hotsuma ließ sich von den Wogen der Leidenschaft treiben, bis er die Bettkante hinter sich spürte und von Shuusei auf die Matratze befördert wurde. Irritiert blinzelte er seinen Partner an, der sich gerade vom T-Shirt befreite und sich über ihn beugte, sein Oberteil Stück für Stück nach oben streifte und jede neu freigegebene Haut mit seinen sanften Küssen benetzte. Hotsuma seufzte auf und schloss seine Augen. Hatten sie sich im Raum bewegt? Wo kam auf einmal das Bett her? Wie weit hatte Shuusei vor zu gehen? Als sein Partner sich über seinen Oberkörper zu seinem Mund vorgearbeitet hatte, und ihn erneut küssen wollte, umschloss er sein Gesicht behutsam mit seinen Händen. Ihre Augen trafen sich und Shuuseis fordernder Blick ließ Hotsuma erschauern. So süß, verführerisch und sexy. Dieser Ausdruck in seinen Augen raubte ihn fast den Verstand. Was hatte er noch mal sagen wollen? Er wusste es nicht mehr. Sushei musterte ihn noch immer durchdringend und wartete darauf, dass er etwas tat. Hotsuma seufzte leise auf und noch während er in Gedanken nach den richtigen Worten suchte, machte sich sein Mund selbstständig. "Ich liebe dich mehr als alles andere auf der Welt." Im selben Moment wurde er rot. Hatte er das gerade tatsächlich gesagt? Wie peinlich war das denn? Sein Herz schlug wie wild, während die kurze Verblüffung auf Shuuseis Gesicht verschwand und sich zu tiefer Hingabe verwandelte. Tränen der Freude stiegen in ihm auf, ließen seine Augen glasig und sein Blick leicht verschwommen werden. Shuusei konnte sein Glück kaum fassen. Zärtlich strich er Hotsuma über die Wangen und zwang ihn, ihn anzusehen. Ihre Blicke trafen sich abermals und Shuusei wäre gerne in Hotsumas wunderschönen Augen ertrunken. Er öffnete seine Lippen, doch noch während er darüber nachdachte, ob er seine wahren Gefühle preisgeben oder seinen Partner necken sollte, erschütterte ein furchtbarer Knall die Luft. Zeitgleich sprangen beide auf. Ein weiterer Knall dicht gefolgt von einem Beben erfolgte. Sie ahnten bereits, was vor sich ging, schauten allerdings dennoch aus dem Fenster.Der Himmel verfärbte sich zu einem dunklen Lila. Die Erde war vor lauter Duras nicht mehr zu sehen. Und die bösartige Aura, die zu ihnen hinüber drang, schien sein Maul zu öffnen, um alles zu verschlingen. Kapitel 15: Der Anfang vom Ende ------------------------------- Zufrieden beobachtete Suzaku im Hintergrund, wie die Durascharr die magische Schitzbarriere des Giou Anwesens zügig zu Fall brachte. Es war unglaublich, welche Macht die Dämonenfürsten und Legionen besaßen. Fast schon bedauerte er es, dass er nichts zu tun hatte und alles wie von selbst lief. Allerdings wusste er auch, dass Luzifers Beschwörung ihn kräftemäßig gänzlich ausgesaugt hatte. Es waren nicht mehr viel Reserven übrig. Wie gerne hätte er mitgemischt und einen Wächter nach dem anderen erledigt. Trotzdem: die Zuschauerfunktion war nicht schlecht. Neben ihm stand Takashiro und betrachtete sich ausdruckslos das Geschehen. Ließ es ihn wirklich kalt, was mit dem Hauptsitz und den Wächtern passierte? Wahrscheinlich, denn sein einziger Gedanke schien dieser Yomi zu gelten. Suzaku hatte noch nie verstanden, wie man einem Menschen sein Herz schenken konnte. Diese unnötige Liebesduselei machte einen doch nur schwach und zum Affen. Takashiro war das beste Beispiel. Einst ein Führer und die Person, die durch sie Regelung der Wiedergeburt der Wächter alles aufrechterhalten und zu dem alle aufgeblickt hatten ... nun war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Der große Takashiro war nichts weiter als eine bedauernswerte Marionette. Suzaku kicherte und sah zu, wie die Barriere nun ganz brach und die Dämonen das Anwesen fluteten. Die Wächter hatten nicht die geringste Chance. Seine Gedanken schweiften zu Sairi. Er brauchte ihn nicht mehr. Es wurde Zeit, ihn zu beseitigen und den letzte Funken Bewusstsein seines Sohnes gleich mit. Ein Donnergrollen erfüllte die Landschaft, dicht gefolgt von einem Lichtermeer von grellen Blitzen, die unbarmherzig auf die Erde aufschlugen. Die Erde begann zu zittern und zu schreien. Ein bedrohliches Knistern lag in der Luft. Suzaku griente siegessicher und genoss den Moment. Er wusste, was nun folgte. Seine Präsenz war umwerfend. Diese atemberaubende Macht ... Ein Schauer durchlief seinen Körper und schüttelte ihn. Die Blitze und der Donner verstummten schlagartig und der Tod lag in der Luft. Er war endlich da: Luzifer. Mit einer natürlichen Anmut bewegte er sich blitzschnell vorwärts. Zielstrebig steuerte er das Anwesen an. Die Duras stellten den Kampf ein, wichen sofort zurück und verneigten sich vor ihm. Suzaku nickte Takashiro zu und klopfte ihm auffordernd auf die Schulter. Wenn er den Sieg nicht verpassen wollte, musste er dem Dämonenherrscher folgen. "Komm, lass uns gehen. Den Spaß dürfen wir uns doch nicht entgehen lassen!" Er lachte gehässig auf und Takashiro folgte ihm schweigend ins Innere des Gebäudes, das Luzifer gerade betrat. Auch hier wichen sowohl die Duras als auch die Dämonenführer ihm aus und verneigten sich ehrfurchtsvoll vor ihm. Der Anblick war einfach fantastisch. Ängstlich und dennoch zum Kampf bis auf den Tod bereit, stellten sich die Wächter ihnen in den Weg. Hotsuma wollte sofort angreifen, ebenso Kuroto, doch sie kamen nicht dazu. Eine flinke und dennoch majestätische Handbewegung von Luzifer genügte und die Wächter flogen durch die Luft, schlugen hart gegen die Hauswand auf, sodass der Putz von den Wänden bröckelte und einen mahnenden Abdruck hinterließ. Trotzdem: die Wächter gaben nicht auf und ein amüsiertes Grinsen breitete sich auf Luzifers Gesicht aus. Ein zweites Mal ließ er sie nacheinander durch die Luft wirbeln. Ein drittes Mal. Viertes Mal ... Suzaku konnte den Tod förmlich riechen und rieb erregt die Hände aneinander, während Takashiro weiterhin ausdruckslos zusah, als würde ihn das Ganze nichts angehen. Der Boden wurde langsam mit Blut bedeckt, als zu Suzakus Bedauern Luzifers Schoßhündchen eingriff. "Herr, nicht. Ihr wollt doch noch mit ihnen spielen. So macht ihr sie kaputt." Ein wütendes Funkeln sprühte aus Luzifers Augen. Seine Hand schoss hervor und umschloss Zoltans Kehle. Für einen flüchtigen Moment drückte er zu. Sein Lakai begann leise zu röcheln und schloss die Augen, bereit zu sterben. Da ließ Luzifer los und tätschelte ihm die Wange. "Du hast recht ... doch sag mir nie wieder, was ich zu tun und zu lassen habe. Sonst muss ich mir einen neuen Laufduras suchen, das verstehst du doch?" Bei diesen Worten fixierte er seinen Untergebenen mit einem vielsagenden Blick. Zoltan hielt ihm stand, während Luzifer seine Krallen in die Haut bohrte und damit einen dünnen Blutfaden herauf beschwor. "Natürlich, Herr." "Fein." Luzifer ließ augenblicklich von ihm ab und wandte sich einigen der Dämonenfürsten zu. "Ihr! Sammelt die Wächter und ihre Freunde ein und bannt sie in den vorbereiteten Magiezellen. Krümmt keinen von ihnen ein Haar ... noch nicht." "Sollen wir sie ins Infermos bringen?", fragte einer seiner vielen Untergebenen. "Nein ... Ich hab eine bessere Idee. Im Infermos waren wir lange genug gefangen. Wir verfrachten sie in meinem zukünftigen, neuen Schloss." "Aber wo ....?" Der Opast stoppte, als er dem Blick seines breit grinsenden Herrn auf den Hauptsitz folgte. "Zu Befehl." "Und du, Exwächterlein, hilfst dabei." Sairi trat zwischen den Duras hervor. Er nickte nur stumm, verlor kein Wort. Er schämte sich maßlos. Verloren. Versagt. Auf ganzer Linie Er hatte nichts bewirkt. Er konnte Masamune nicht erreichen, konnte seine Präsenz kaum noch spüren und nun das ... den Verrat, den er an Yuki und den anderen begangen hatte, würde er niemals mehr gutmachen können. Seine Augen wanderten zu Ria, die furchtbar zugerichtet war und bewusstlos am Boden lag. Ein Stich zerriss ihm das Herz. Er fühlte sich nicht nur wie Abschaum, er war es. Er war Schuld, dass es begonnen hatte - der Anfang vom Ende ... Zoltan gab ihn einen unsanften Stoß in Richtung der geschlagenen Wächter. Widerwillig machte er sich gemeinsam mit den Dämonen an die Arbeit, während Suzaku unzufrieden von einem Fuß auf den anderen hüpfte. So hatte er sich das nicht vorgestellt. Mürrisch knirschte er mit den Zähnen. Wie gerne würde er Luzifer in die Schranken weisen. Er musste das Licht der Götter und diese lästigen Wächter endlich vernichten! Doch was sollte er tun? Er konnte Luzifer nicht bestrafen und in Fesseln legen. Dazu war er zu schwach. Noch. Sollte Luzifer etwas spielen und sich wie ein Herrscher aufführen. Am Ende würde er als Sieger und Gott hervorgehen. "Hast du ein Problem mit meinen Anweisungen?" Suzaku schreckte aus seinen Gedanken auf und starrte Luzifer direkt in sein zuckersüß böse lächelndes Gesicht. Hatte er seine Gedanken gelesen? Nein, unmöglich. Das konnte niemand. Nicht einmal der gefallene Engel. "Nein, natürlich nicht", entgegnete er schnell. "Ich habe mich nur gefragt, wo Zess, Reiga und das Licht der Götter sind..." "Keine Sorge. Die hole ich mir jetzt. Und du, Takashiro, Cadenza, Zoltan und Elegie werden mich begleiten. Und denkt daran: Ich will alle Schäflein lebend." Er wandte sich von ihnen ab und bahnte sich seinen Weg nach oben, wo Luca, Luze, Reiga und Sodom bereits auf ihn warteten. Voller Vorfreude folgte Elegie ihm. Ihre Haut prickelt erregt, ihr Glück könnte nicht größer sein. Sie hatten den Sie über das Licht der Götter so gut wie errungen. Luca würde bald wieder zu ihnen gehören. Dafür würde Luzifer schon Sorgen. Die Welt und die Menschen waren nun ihr Spielplatz. Und Luzifer selbst .... Sie leckte sich hungrig über die Lippen. "Pfh ... das du dich nicht mal jetzt beherrschen kannst und an deine Triebe denkst ...", stieß Cadenza mit verachtender Stimme hervor und Elegie zuckte mit den Schultern. "Wieso auch nicht? Er ist heiß und wo wir gerade von Gefühlen sprechen - du kannst deine offensichtliche Schadenfreude auch nicht verbergen." Cadenza grinste in sich hinein. Er wusste genau, auf was Elegie anspielte. Seine Aufmerksamkeit wanderte zu Suzaku, der seinen Unmut über den Verlauf zu überspielen versuchte, darin allerdings nicht sonderlich gut war. Das versprach noch spannend zu werden. Er war sich sicher, dass Luzifer ihm noch seinen vorlauten Mund stopfen würde. Und er konnte es kaum abwarten, diesen überheblichen Nekromanten leiden zu sehen. Zoltan ignorierte die Gespräche der anderen. Was interessierte ihn schon deren belangloses Geschwätz? Er hatte die Treppe schon fast erreicht, als die ersten Magiezellen in Form von Kristallen herauf beschworen und mit den Gefangenen besetzt wurden. Da spürte er ihn. Sein Herzschlag beschleunigte sich um ein Vielfaches, holperte und stolperte. Sein Atem setzte aus. Für einen kurzen Moment bekam er keine Luft. Er musste sich irren - unmöglich konnte das sein! Niemals - er konnte nicht hier sein und doch ... Vorsichtig schielte er aus den Augenwinkeln rüber. Ganz unauffällig. Unbemerkt. Es konnte unmöglich sein, aber falls doch die geringste Chance bestand, durfte sein Interesse auf keinen Fall bemerkt werden. Sein Herz durchfuhr ein brennender Schmerz, der es versuchte, entzwei zu reißen. Schnell zwang er sich, wegzusehen und seinem Herrn zu folgen. Es konnte unmöglich real sein und doch war er hier: der Grund, warum es sich lohnen würde, zu leben. Kapitel 16: Erinnerungen werden langsam wach -------------------------------------------- Entschlossen öffnete Yuki die Tür. Helle Lichtstrahlen fielen ihm entgegen, sodass. er nicht erkennen konnte, was ihn dahinter erwartete. Egal was jetzt folgen, egal was er sehen würde - es musste sein. Er würde es ertragen, denn er war bereit. Als er die Schwelle überschritt, befiel ihn sofort ein beklemmendes Gefühl. Es war, als ob sich eine unsichtbare Schlinge um seinen Brustkorb legte und erbarmungslos zudrückte. Yuki griff sich an die Brust und rang nach Atem. Wo war er? Er kannte diesen Ort, da war er sich sicher. Er spürte Schmerzen, Einsamkeit und eine übermächtige Traurigkeit. Er blinzelte ein paarmal schnell hintereinander, dann konnte er endlich seine Augen ganz öffnen. Er stand im Flur des ehemaligen Hauptsitzes der alten Zeit. Unsicher ging er weiter. Seine Füße trugen ihn durch den menschenleeren Flur. Es war mucksmäuschenstill. Nur seine Schritte hallten unangenehm wider. Die Wände schienen ihn zu beobachten, doch er konnte nichts ungewöhnliches entdecken. Sein Unterbewusstsein leitete ihm den Weg und führte ihn zu einer geschlossenen Tür. Zögernd streckte er die Hand danach aus. Er wusste, was dahinter verborgen war: sein ehemaliges Zimmer. Langsam drückte er die Klinke nach unten und trat ein. Sein Atem stockte für einen Moment und sein Herz hämmerte hart gegen seine Brust. Er erstarrte. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Erschrocken zuckte er bei dem lauten Klacken zusammen. Er wollte sich für den Lärm entschuldigen, öffnete seine Lippen, aber brachte keinen Ton heraus. Der Anblick fesselte ihn zu sehr. In der Mitte des runden und überschaubaren Raumes saß eine Frau mit langen Haaren, zusammengekauert auf dem Boden. Ihr zierlicher Körper zuckte unaufhörlich und sie schluchzte schmerzerfüllt in die Stille. Yuki schluckte, aber ein dicker Kloß in seiner Kehle machte ihm das fast unmöglich. Er wusste, wer die Frau war, auch wenn er nur ihren bebenden, schmalen Rücken und ihr helles Haar sehen konnte. Er ballte seine Händen zu Fäusten und bekämpfte den Drang, umzukehren und wegzurennen. Er durfte jetzt keinen Rückzieher machen - er durfte nicht schwach werden. Vorsichtig setzte er einen Schritt nach dem anderen und bewegte sich auf die zu. Dicht hinter ihr blieb er stehen und streckte seine Hand nach ihr aus. Warum zitterte er so? Wieso hatte er so große Angst davor, ihr Gesicht zu sehen, wo er doch wusste, dass die junge Frau er selbst war? Seine Hand berührte sie schon fast, als sie plötzlich anfing zu wimmern. "Er ist tot ... ich konnte nichts tun. Wo liegt der Sinn in all den Kämpfen, das Leid und dem Schmerz? Wann ist es endlich zu Ende? Ich will ... Ich kann nicht mehr. So allein ..." Yuki erstarrte. Die Verzweiflung seines damaligen Ich sprang auf ihn über und drohte ihn wie eine Lawine zu begraben. Ihr Schluchzen hüllte ihn ein und er konnte spüren, wie sie litt. Furcht. Trauer. Einsamkeit. Sie ertrank darin und er drohte, sich ebenfalls von der mächtigen Gefühlswelle und dem Chaos mitreißen zu lassen. Panik stieg in ihm auf. Er fühlte sich zurückversetzt. Die Hilflosigkeit holte ihn ein. Yuki begann zu zittern. Er hatte unglaubliche Angst. Sein Herz schrie mit ihrem gleichsam auf und drohte, entzwei zu brechen. "Zu viel ... es ist zu viel. Ich kann nicht noch mehr ertragen. Es tut mir so leid. Ich bin schwach - überhaupt keine Hilfe. Luca ... Takashiro ... irgendwer ... Hilfe, bitte..." Yukis Seele schrie auf. Er fühlte sich gefangen. Im Zimmer. Im Körper. In seinem Leben. Waren es seine oder ihre Gefühle? Er wusste es nicht mehr zu sagen. Die Grenzen der Gegenwart und der Vergangenheit verschwammen miteinander. Ein schmerzerfülltes Schluchzen bahnte sich aus seiner Kehle. "Wäre ich ein Mann, wäre ich dann stärker? Wenn ich all das Leid vergessen könnte, all die Erinnerungen vernichten, von vorne anfangen ... würde es dann einfacher werden?" Da spürte Yuki es ganz deutlich. Den Wunsch, alles und jeden zu vergessen. Der Wunsch, als Mann wiedergeboren zu werden. Durfte er sich überhaupt erinnern? Er war sich plötzlich nicht mehr so sicher, ob er das noch wollte oder ob er gar die Wahrheit ertragen konnte. Das Chaos riss ihn mit sich. Sein früheres Ich hörte nicht auf zu weinen. Ihre Schmerzen und Ängste waren die seinen. Panik erfasste ihn. Er musste hier raus, musste sofort hier weg. Er wollte nichts mehr hören, sehen und spüren ... Er zog seine Hand zurück und setzte einen Schritt rückwärts. Feige. Erbärmlich. Schwach. Yuki schämte sich in derselben Sekunde, doch er konnte nicht anders. "Freunde, Luca, bitte vergebt mir ... es tut mir leid, ich kann nicht mehr. Nicht so ... vergebt mir, ich will nicht mehr allein den Schmerz tragen!" Abrupt blieb Yuki stehen. Bilder und Erinnerungen des letzten Jahres wirbelten durch seinen Kopf. Die gemeinsame Zeit im Onsen, die vielen Prüfungen, die sie zusammen bestanden hatten, Kanata, der zu ihm zurückgekehrt war, Touko mit ihrer herzlichen Art, Tachibana und seine seltsamen Hüte, das leckere Essen von Katsumi, Sodom, der sich durch seine Tolpatschigkeit oft in Schwierigkeiten brachte, das gemeinsame Spiel mit Kuroto, Luca, der immer für ihn da war. Egal wann, egal wo - er war immer für ihn da ... Er war nicht allein, war es nie gewesen. Hatte er es damals nicht erkannt? Ruhe kehrte in seinem Körper ein und vertrieb Stück für Stück die erdrückenden Sorgen. Als sein weibliches Ich vor Schmerzen und selbstzerstörerischen Gedanken aufschrie, schnellte er nach vorne, fiel hinter ihr auf die Knie und schlang seine Arme um ihren bebenden Körper. Er drückte sie fest und entschlossen an sich, bevor er ihr ins Ohr flüsterte: "Wir sind nicht allein! Wir waren es nie und werden es nie sein. Luca und die Wächter werden immer an unserer Seite sein. Doch sie sind in Gefahr. Ich muss mich erinnern, bitte, gib mir die Erinnerungen zurück. Ich bin bereit. Egal was es ist: Ich werde es dieses Mal ertragen!" Mit einem lauten Klirren zersprang sein damaliges Ich. Licht flutete den Raum und seinen Körper, drang in jede Faser seiner Haut und mit ihm die Erinnerungen. Ängste, Sorgen, Selbstzerstörung, aber auch Hoffnung, Hingabe und Freundschaft, weckten schlafende Erinnerungen und Momente. Doch ein Ereignis überschattete alle Bilder: er hatte sich damals bewusst geopfert, um alles zu vergessen und als Mann wiedergeboren zu werden. Takashiro hatte dabei zugesehen und gewartet. Kapitel 17: Tauschhandel ------------------------ Gelangweilt sah sich Luzifer in seinem Gefangenenzoo, wie er es nannte, um. Es waren bereits wenige Tage vergangen, seit sie den Sieg über das Licht der Götter errungen hatten. Doch irgendwie stellte ihn das nicht zufrieden. Er hatte mittlerweile schon jeden einzelnen Wächter gefoltert und ließ nun sogar seine Untergebenen zur Belohnung und Unterhaltung die Wächter quälen. Dies war anfangs auch sehr amüsant gewesen, aber nun holte ihn die Langeweile wieder ein und streckte grausam ihre Krallen nach ihm aus. Die Wächter waren im Grunde genommen auch nur Menschen, wenngleich auch mit etwas mehr Ausdauer als die Normalsterblichen. Doch waren ihre Kraftreserven erst einmal aufgebraucht, dauerte es ebenso lange, bis man wieder etwas mit ihnen anfangen konnte. Luzifer seufzte genervt und ließ seine Augen von Zelle zu Zelle schweifen. Die Wächter waren zwar bei Bewusstsein, aber noch lange nicht für die nächste Runde bereit. Sogar Zess hatte er vorerst genug ausgekostet. Er hatte nicht gedacht, dass er so schnell die Lust an allem verlieren würde. Die Erde war im Grunde auch nichts anderes als das Infernos. Klar, er hatte mehr Menschen zum Spielen, doch mit der Zeit wurde alles langweilig. Was sollte er nur als nächstes tun? Vielleicht den kleinen Drachen weiter quälen? Da war noch viel Potenzial vorhanden. Er wollte sich gerade umdrehen, um den Zoo zu verlassen, als ihn ein schmerzerfülltes Stöhnen nochmal umstimmte. Luzifer drehte sich auf dem Absatz zur Ursache des Geräuschs um. "Jetzt habe ich dich glatt vergessen, Menschlein." Beschwingt pirschte er auf Isuzu zu, der noch vom Spiel angekettet recht mittig im Raum hing und nicht genug Kraft hatte, um sich auf den Beinen zu halten. Nur die zwei schweren Eisenketten, die an einem Ende an der Decke angebracht waren und am anderen Ende fest die Handgelenke des Arztes umfingen, verhinderten, dass er auf den Boden aufschlug. "Da ist wohl nicht mehr viel zu machen ...." Dicht vor ihm blieb er stehen und strich über Isuzus geschundenen Oberkörper. "Sag mir: Hast du Schmerzen?" Als Antwort erfolgte ein weiteres qualvolles Stöhnen. In gespieltem Bedauern zog Luzifer eine Augenbraue in die Höhe. Er spürte die ängstlichen und hasserfüllten Blicke der Wächter und ihrer Kameraden. Ein verheißungsvolles Kribbeln befiel seine Haut und ließ den gefallenen Engel erschauern. "Dabei hatte ich so gehofft, dass dir unser Spiel gefallen würde, wo du doch vorher Arzt warst ... hast du es nicht geliebt, Leute und vor allen Dingen Duras zu inspizieren, Herr Doktor?" Er schritt theatralisch um ihn herum, doch von Isuzu erfolgte keine Reaktion. Er konnte nicht einmal mehr den Kopf heben. Aus seinen offenen Wunden, die seinen Körper wie ein Mahnmal überzogen, tropfte noch immer Blut und bildete einen roten See unter seinen Füßen. "Tut es sehr weh, Doktorlein? Ich mag es nicht, wenn man mir nicht antwortet. Wolltest du nicht Zess ausführlich untersuchen? Ja, hast du nicht schon unzählige Duras auf dem Gewissen und ihre Hüllen entweiht, als du sie auseinander genommen hast?" Isuzu versuchte mit letzter Kraft zu antworten, doch nur ein jämmerliches Krächzen entrann seiner Kehle. Luzifer schüttelte den Kopf. Dann schoss seine Hand nach vorne, krallte sich in die Haare seines Opfers und riss dessen Kopf brutal in die Höhe, sodass sie sich ansahen, sofern das mit Isuzus geschwollenen und wunden Augen noch möglich war. "Du musst mir nicht antworten. Ich habe heute meinen gnädigen Tag! Ich sag dir, was du denkst!", zischte Luzifer ihm entgegen. Aya und Katsumi schlossen ihre Lider. Sie konnten nicht hinsehen. Zu groß war die Angst vor dem, was folgen würde. "Du hast nur noch einen Wunsch, Menschlein. Du willst erlöst werden. Ich dürfte dir den Wunsch nicht erfüllen, denn du hast den Dämonen unrecht angetan, aber weißt du was? Ich bin einfach ein zu Guter!" Luzifers Hand fuhr von Isuzus Haaren zu dessen Nacken und zug ihn brutal zu sich. Er presste seinen Mund auf den seines ausgedienten Spielzeugs. Der Arzt zuckte schmerzerfüllt zusammen, er kam nicht zur Gegenwehr. Leid ergriffen riss er seine Augen auf. Aus seinem Mund lief ein Gemisch aus Speichel und Blut als ihm der gefallene Engel genüsslich die Zunge abbiss, von ihm abließ und sie hinunter schluckte, sich die Lippen leckend den Anblick des Sterbenden genoss. Ein gepeinigter Schrei bahnte sich aus Tsubakis Kehle und die Wächter hielten für einen Moment geschockt die Luft an. "Du verdammtes Monster! Ich mach dich kalt! An Hilflosen vergreifen, das kannst du!", schrie Hotsuma hasserfüllt und versuchte zum unzähligen Mal, aus seiner Magiezelle zu auszubrechen, doch vergebens. Luzifer wandte sich ihm kurz zu. Ein boshaftes Lächeln zierte seine Miene. "So? Und was willst du in deiner Position tun? Bist du schon wieder fit? Kein Grund zur Eifersucht, jeder von euch kommt dran. Das solltest du bereits wissen." "Hotsuma, bitte sei still", bat Shuusei ruhig aber bestimmt. Sein Partner warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu und setzte zur Erwiderung an, doch als er Shuuseis bettelnde Augen sah, verstummte er auf der Stelle. "Er leidet ... er leidet so furchtbar - stopp das!", schrie Ria, doch Luzifer lachte auf. Ein kaltes, hoffnungsraubendes Lachen, das kalt von den Wänden widerhallte. "Wieso? Gefällt euch die Show nicht? Er stirbt doch sowieso, wieso sollte ich weiter nachhelfen?" Er warf einen prüfenden Blick zu dem Sterbenden und ein belustigtes Schmunzeln umspielte seine Lippen. "Genießt es, solange sein Kampf noch andauert. Ich schätze mal ungefähr 70 bis 80 Minuten." "Du verdammter Mistkerl!" Kuroto trat kraftlos nach dem Gitter. Luzifer würdigte ihn keines Blickes. Stattdessen wandte er sich Zoltan zu, der gerade durch die Tür kam, dicht gefolgt von Takashiro. Der Lakai ging auf die Knie und senkte demutsvoll den Kopf. Takashiro hingegen blieb stehen und verzog keine Miene. Fordernd starrte er Luzifer an. "Verzeiht mir, Herr. Er hat sich nicht aufhalten lassen und darauf bestanden, sofort mit euch zu sprechen." "Ist das so?" Luzifer zog neugierig eine Augenbraue in die Höhe. Das versprach interessant zu werden. "Lass ihn vortreten." "Ja, Meister." Zoltan erhob sich, verneigte sich und setzte ein paar Schritte zurück, sodass er in den Hintergrund rückte. Er spürte die bettelnden, hoffnungsvollen und zugleich wütenden Blicke der Gefangenen, die auf ihrem ehemaligen Oberhaupt und Kameraden ruhten. Nur ein Augenpaar war auf ihn gerichtet. Fixierte, fesselte ihn. Zoltan musste sich beherrschen, um nicht hinzusehen. Auch ohne dass er sich ihm zuwandte, wusste er, um wen es sich handelte. Die ganze Zeit über hatte er den Raum gemieden. Er wollte seine Aufmerksamkeit nicht auf sich ziehen, auch wenn eine Sehnsucht in ihm erwacht war, die ihn schier zerriss und den Verstand zu rauben drohte. Nicht etwa, weil er Angst um sich hatte. Nein, die Zeiten hatte er lange hinter sich gelassen. Doch wenn Luzifer etwas bemerkte, dann wäre er verloren - der eine, sein Licht in der Dunkelheit. Verstand dieser Dummkopf das denn nicht? Warum schaute er nicht endlich weg? Wollte er unbedingt durch Luzifers Hand sterben? Jetzt, wo er ihn endlich wiedergefunden hatte ... wo er doch geglaubt hatte, ihn für immer verloren zu haben... Allerdings war seine Sorge unbegründet, denn die Aufmerksamkeit seines Herrn lag einzig allein auf Takashiro, der selbstbewusst vor ihn schritt. Ein angespanntes Schweigen lag in der Luft, das kurz darauf gebrochen wurde. "Na gut, nun sag: Was willst du?" Takashiro hielt dem Blick des Dämonenherrschers eisern stand. "Yomi. Du hast mir Yomis Seele versprochen, wenn du frei bist." "Hört hört. Normalerweise mag ich es nicht, wenn man mich mit Forderungen belästigt, aber dir steht deine Hartnäckigkeit gut. Das liegt wahrscheinlich daran, dass du einen Teil von mir in dir trägst, nicht wahr?" Takashiro schwieg und starrte ihn weiterhin unnachgiebig an. Luzifer lachte leise auf. "Na gut, ich möchte mein Versprechen halten, wo wir uns doch so nahe stehen. Außerdem bin ich dir wirklich dankbar dafür, dass du mich befreit hast." Mit einer eleganten Bewegung drehte sich der Dämon zu Zoltan. "Bring sie her. Bring mir Yomis Seele." "Wie Ihr wünscht." Der Lakai verneigte sich tief und eilte davon, um den Befehl seines Herrn auszuführen. "Takashiro! Bitte, nimm endlich wieder Vernunft an! Glaubst du wirklich, er gibt dir do einfach ihre Seele?", flehte Tachibana und zog sich am Gitter seiner magischen Zelle hoch. Sein Körper zitterte vor Erschöpfung, doch er hielt sich aufrecht. "Ha ha, wie herrlich. Dein guter alter Freund und Berater versucht, dich zu bekehren." Luzifer lachte auf. "Magst du ihm denn nicht antworten?" Takashiro reagierte nicht, wandte sich den Gefangenen nicht einmal zu. Er beachtete sie nicht weiter. Tachibana durchfuhr ein stechender Schmerz. Obwohl er es geahnt hatte, hatte er es nicht wahrhaben wollen - tat es noch immer nicht. War Takashiro wirklich verloren? Die Hoffnung gab er nicht auf. Zu viel hing von seinem Handeln ab. "Ich bitte dich, sieh dir an, wie Isuzu leidet! Er war immer an deiner Seite und hat dich unterstützt, wo er konnte. Das kann dich nicht unberührt lassen! Das glaub ich einfach nicht. Takashiro!" Weiterhin schwieg das ehemalige Oberhaupt und regte sich nicht. In Tachibana stieg leichte Panik auf, umhüllt von einer erdrückenden Traurigkeit. "Wieso gibst du es nicht auf? Er hat endlich begriffen, dass er nur benutzt wurde. Das, wofür er gekämpft hatte, ist nichts weiter, als eine fein gesponnene Lüge und Intrige. Nur die Wächter sind zu dumm, um es zu erkennen", schaltete sich Luzifer ein. "Lügen und betrügen, das macht die Menschheit aus." "Das ist nicht wahr!", japste Touko, doch Luzifer wedelte nur abwehrend mit der Hand. Er kam jedoch nicht dazu, zu antworten, da Zoltan wieder die Halle betrat. Reiga beobachtete die Szene misstrauisch. Er kannte Luzifer nicht besonders gut, aber dass er Takashiro Yomis Seele einfach ausliefern würde, daran glaubte er nicht. Der gefallene Engel nahm das durchsichtige Gefäß vorsichtig in die Hand und hob es prüfend in die Höhe. Yomis goldschimmernde Seele wirbelte unruhig umher. Für ein paar flüchtige Sekunden spiegelten sich in Takashiros Gesicht Erleichterung und Zuneigung, gefolgt von tiefer Sehnsucht. Luzifer hob ihm das Gefäß entgegen, nur um sogleich wieder die Hand zurückzuziehen. Er neigte leicht den Kopf und betrachtete sich Takashiro. "Ich könnte dir die Seele jetzt natürlich geben, aber versteh mich nicht falsch: Kannst du ohne ihren Körper überhaupt etwas damit anfangen?" Takashiro ballte seine Hände zu Fäusten und versteifte. Luzifer verzog leicht sein Gesicht, bevor er mit zuckersüßer Stimme fortfuhr: "Tz tz tz ... wer wird denn gleich an Angriff denken? Hast du noch immer nicht begriffen, dass ich es gut mit dir meine? Ich habe natürlich vorgesorgt und ihren Körper ohne Blessuren aufbewahrt. Allerdings verlange ich eine kleine Gegenleistung. Ich bin nicht gerade gut darin, Leben zu geben anstatt sie zu nehmen. Doch wenn du mir beweist, dass ich dir vertrauen kann ..." "Was verlangst du von mir?" Luzifer begann böse zu grinsen. Er deutete auf eine der Zellen. "Nicht viel ... nur dieses Leben im Austausch gegen Yomis Körper und Seele." Takashiro drehte sich um und ein ängstliches Wimmern drang aus einigen der umliegenden Zellen. Für einen Moment schien Takashiro mit sich zu hadern und Aya schöpfte Hoffnung, doch dann kämpfte sich ihr Bruder auf seine wackeligen Beine und stolperte zum Gitter. In den Augen des Butlers spiegelten sich Tränen wider. "Es ist in Ordnung. Ich diene euch bis zum Schluss und werde euch nicht verraten. Wenn es euer sehnlichster Wunsch ist, dann tötet mich. Denn ich wünsche mir für euch von ganzem Herzen, dass ihr endlich glücklich werdet. Auch wenn das meinen Tod bedeutet. Takashiro ... ich werde euch nicht verraten, auch jetzt nicht, wo ihr offensichtlich euren Verstand verloren habt." Entsetzte Rufe der Wächter und übrigen Angestellten hallte durch das Zimmer. Luzifer beobachtete belustigt das Schauspiel. Wie theatralisch die ganze Szene doch wirkte. Fast schon kitschig. "Und, wie entscheidest du dich? Sein Leben für Yomis." Takashiro wandte sich ihm mit entschlossener Miene zu. "Einverstanden." Entrüstete Schreie hallten durch den Raum und ließen ihn vibrieren. In Aya schien etwas zu zersplittern, als ihr Bruder von Takashiro selbst aus der Zelle geholt wurde. Die Rufe und Beschimpfungen, das Flehen, Bitten und Jammern der anderen hüllten sie ein und nahmen ihr die Luft zum atmen. Das Ganze musste ein Albtraum sein, das durfte einfach nicht passieren! Warum konnte sie nicht erwachen? Brennender Schmerz schüttelte ihren Körper, als sich Fuyutoki hinkniete und Takashiro ein Schwert erscheinen ließ. Sie verstand nicht, was ihr Bruder noch zu ihm sagte, bevor er von der Klinge aufgeschlitzt wurde. Ein tiefschwarzer Strudel tat sich vor ihr auf, raubte ihr die Sinne, streckte seine gierigen Krallen nach ihr aus und verschlang sie. Dann war alles still. Kapitel 18: Die größte Sünde ---------------------------- Sie fühlte sich zerrissen. Zweigeteilt. Unschlüssig. Takashiro war so nah. Wie lange hatte sie sich nach ihm gesehnt. Nach seiner Nähe. Seinem Lachen. Sein ganzes Wesen. Doch nun ... War das noch ihr Geliebter, dem sie damals durch die Oberhäupter entrissen worden war? Er musste es sein, aber sie erkannte ihn kaum wieder. Natürlich wusste sie um sein Leiden, um den dämonischen Wirt in seinem Körper. Ihre Mörder hatten es ihr damals verraten, bevor sie ihrem ungeborenen Kind und ihr das Leben geraubt hatten. Yomi spürte, wie Hitze sie überrollte. Freude und Trauer wechselten sich im Sekundentakt ab. Die Zeremonie war fast abgeschlossen. Gleich würde ihre Seele sich wieder mit ihrem Körper vereinen. Glücklich - sie müsste überglücklich sein und doch war ihr zum Schreien zumute. Ihr blieb keine Zeit mehr, um darüber nachzudenken, den in wenigen Sekunden war die Zeremonie abgeschlossen. Ihre Hülle fühlte sich unheimlich schwer an, als wollte sie sie unter die Erde ziehen und dort begraben. Die Geräusche um sie herum, erschienen ihr viel zu laut und verursachten migräneartige Schmerzensschübe. Sie stöhnte leise auf. Warum war es so dunkel um sie herum? Hatte es nicht funktioniert? "Die Zeremonie ist abgeschlossen. Du hast deine Prinzessin zurück", ertönte Luzifers Stimme und sie zuckte kaum merklich zusammen. "Sie rührt sich nicht", gab Takashiro misstrauisch zurück "Eine Rückführung der Seele ist nicht nur für mich kräfteraubend, sondern auch für die Seele und deren Körper. Lass deiner Prinzessin etwas Zeit", knirschte der Dämon gereizt und schritt zur Tür. Dem Wiedersehen der beiden wollte er auf keinem Fall beiwohnen. Er hatte Schnulzen noch nie leiden können. Schnell verließ er Takashiros Zimmer und schlug ungehalten die Tür hinter sich zu. Takashiro ignorierte seinen Abgang. Seine Aufmerksamkeit galt einzig allein Yomi, die noch immer reglos vor ihm lag. War es wahr? Nach all den Jahren voller Sehnsucht und Bangen ... Vorsichtig näherte er sich ihr. Bei jedem Schritt schlug sein Herz höher. Direkt vor ihr blieb er stehen und seine Augen musterten jede Kontur ihres Körpers. Sie sah genauso aus wie damals. Anmutig. Freundlich. Warmherzig und wunderschön. Er streckte zaghaft seine Hand nach ihr aus und strich ihr zärtlich über die Wange. Ihre Lider flatterten, doch öffneten sich nicht. Sein Herz schlug höher. "Yomi, bitte, wach auf." Seine Stimme zitterte und er erkannte sich selbst nicht wieder. Vor ihm lag seine Geliebte und sie lebte. Sein Herz überschlug sich, als ihre Lider abermals flatterten, nun mehr als zuvor, und sich ihre Augen endlich öffneten. Langsam kniete er sich zu ihr nieder, sodass sie auf gleicher Höhe waren. Yomi fühlte sich benommen. Ihre Sicht war leicht verschwommen, doch wurde mit jedem Wimpernschlag schärfer. "Liebste, ich bin hier. Wir sind endlich wieder vereint." Takashiro ergriff behutsam ihre Hand und zuckte gleichsam zusammen, denn der dämonische Teil in ihm begann sich zu bewegen und wollte raus, forderte wieder mehr Kontrolle. "Nicht jetzt, nicht vor Yomi", flüsterte er zu sich selbst und hoffte, seine andere Hälfte zu beruhigen - mit Erfolg. Yomi drehte den Kopf in seine Richtung und ihre Augen wurden groß. Freude und Sehnsucht lagen in ihnen, aber auch Bestürzung und Furcht. "Yomi, hab keine Angst. Alles wird nun gut. Ich bin bei dir", redete er ihr zu, aber sie schreckte auf, sprang auf ihre zitternden Beine und riss ihre Hand aus seiner. Jedoch war sie noch zu geschwächt, sodass sie auf ihre Knie stürzte. Takashiro eilte zu ihr, wollte ihr helfen, doch sie kroch vor ihm zurück. Geschockt stand Takashiro da. Was war mit ihr los? Er hatte sich all die Jahre nach ihr gesehnt, verzehrte sich noch immer nach ihr .... wieso war sie derart abweisend? Fühlte sie nicht dasselbe? Das konnte nicht sein. Das durfte es einfach nicht. "Bitte, beruhige dich. Erkennst du mich nicht mehr?" Sie schluckte. Ihr Körper zitterte unablässig. Yomi traute sich kaum, ihm in die Augen zu sehen - es schmerzte so sehr. Sie zog sich mit den Armen zur Wand, um sich daran hochzuziehen. Takashiro folgte ihr im sicheren Abstand. Sie spürte seine Enttäuschung und Trauer. Er verstand sie nicht. "Yomi, bitte ... lass mich dir helfen." Er setzte einen Schritt auf die zu und ihr Kopf schwang zu ihm herum. Ihre Augen waren mit Tränen gefüllt, die sie mühevoll zurückhielt. Grausam. Das Schicksal war einfach zu grausam. "Und wer hilft dir?!", fuhr sie ihn an und war selbst über ihren scharfen Tonfall überrascht. Perplex sah er ihr dabei zu, wie sie sich ein Stück nach dem anderen auf ihre wackligen Beine kämpfte. Als sie jedoch einen Schritt setzen wollte, verlor sie den Halt. Sofort sprang er auf die zu und fing sie auf. Liebevoll drückte er sie an sich und strich ihr über den schmalen Rücken. "Ich bereue nichts, solange dir nur bei mir bist", flüsterte er ihr zärtlich ins Ohr. Yomi schluckte und geriet ins schwanken. Vorsichtig erwiderte sie den Druck seiner Umarmung. "Wie kann ich deinen Worten denn noch vertrauen?", wisperte sie traurig in seine Brust. "Wieso solltest du nicht?", fragte er irritiert. Yomi schob ihn leicht von sich und sah ihm in die Augen. Ihr Blick war entschlossen, wenngleich von Melancholie getrübt. "Verstehst du denn nicht? Du hast alles verraten, woran wir geglaubt und wofür wir gekämpft hatten. Die Wächter, unsere Freunde ... das Licht der Götter!" Takashiros Miene verfinsterte sich. "Nein, Du verstehst nicht, Yomi! Wir wurden reingelegt. Sie haben mich damals weggeschickt, damit sie dich töten konnten!" Ihre Augen nahmen einen mitfühlenden Ausdruck an. Behutsam strich sie ihm über die Wange. "Ich weiß, doch die Wächter und das Licht der Götter hatten damit nichts zu tun." "Die Menschen sind schuld daran, dass wir auseinander gerissen wurden - dass du ermordet wurdest!" Yomi ließ ihren Arm sinken und schüttelte traurig den Kopf. "Nein, du kannst nicht die gesamte Menschheit dafür bestrafen, weil uns etwas vor Ewigkeiten angetan wurde." "Findest du das überhaupt nicht grausam und ungerecht? Hast du mich denn gar nicht vermisst?!", schrie er sie ungehalten an. Der Dämon in seinem Innern rebellierte und verlangte nach der Oberhand. Sie wich ein paar Schritte zurück und war erleichtert, dass ihre Beine sie trugen. "Natürlich habe ich dich vermisst. Du ahnst ja gar nicht, wie sehr." "Dann lass uns endlich zusammen sein!" "Nein, das geht nicht. Nicht so. Nicht unter diesen Bedingungen und zu diesem Preis. Takashiro sieh dich an: du bist nicht mehr du selbst." Eine glitzernde Träne lief ihr über die Wange, gefolgt von einer weiteren. Takashiro schluckte und ballte seine Hände zu Fäusten. Er versuchte erst gar nicht, das Zittern zu unterdrücken. Es wäre ohnehin zwecklos. Ihre Worte hatten ihn zu tief getroffen. Nach all den Jahren der Sehnsucht und des Verzehrens entzog sie sich ihm ... "Ich kann das in den Griff bekommen", murmelte er leise, doch sie schüttelte abermals den Kopf und wandte sich von ihn ab. Vorsichtig setzte sie einen Schritt nach dem anderen in Richtung Tür. "Selbst wenn", Yomi blieb um Türrahmen stehen und holte kurz Luft. "Glaubst du wirklich, ich könnte zu dem Preis weiterleben und glücklich werden?" "Wo willst du hin?" "Das Richtige tun - ich werde das Licht der Götter und die Wächter befreien, bevor Luzifer alle tötet und mit den anderen Dämonen jeden lebenden Menschen auf der Erde vernichtet." Sie drehte sich noch ein letztes Mal zu ihm um. Auf ihrem Gesicht zeichnete sich ein liebevolles Lächeln ab. "Ich kann nicht zulassen, dass derjenige, der mir am meisten bedeutet, die größte Sünde begangen hat und sich irgendwann in alle Ewigkeit dafür verantworten und büßen muss." Dann wandte sie sich endgültig von ihm ab und verließ den Raum. Kapitel 19: Versteckte Ziele und Abschied ----------------------------------------- Yomi konnte seine Verwirrung spüren, noch bevor sie den Raum verließ. Ihr Herz schmerzte, doch es gab kein Zurück. Das hier war nicht richtig. Es durfte nicht passieren. Irgendwann würde Takashiro sie verstehen, falls nicht der Dämon in ihm schneller die Oberhand gewann. Viel war von Takashiros alten Ich nicht mehr übrig... Yomi schüttelte schnell ihren Kopf und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Konzentrieren. Sie musste sich auf ihr Ziel konzentrieren. Nachdenklich sah sie sich um. Wenn sie sich richtig erinnerte, dann befand sie sich im Flur der ersten Etage. Der Gefangenenzoo konnte nicht weit entfernt sein. Unsicher schlich sie sich durch die Korridore. Warum begegnete sie niemand? Wieso schien der Flur sich zu ziehen und nicht zu enden? Sie atmete schwer. Schweiß tropfte von ihrer Stirn. Jeder Schritt war ein Kräfteakt für sie. Trotzdem: Yomi war fest entschlossen. Selbst als ihre Beine unkontrolliert zu zittern begannen und sie sich an der Wand entlang hangeln musste. Ein ungutes Gefühl beschlich sie. Irgendetwas stimmte nicht und nur eine Minute später, wurde ihre Vorahnung bestätigt. "Du bist aber ein zähes, stures Ding, Yomi", hallte Suzakus säuselnde Stimme durch den Gang. "Wo wollen wir denn hin, Prinzessin? Doch nicht etwa zu den Wächtern und dem Licht der Götter?" Yomi zuckte zusammen. Natürlich, sie kam tatsächlich nicht vorwärts. Suzaku hielt sie gefangen. Grinsend trat er vor sie und verschränkte die Arme vor der Brust. Yomi beäugte ihn misstrauisch aus zusammengekniffenen Augen. "Was denn? Sprichst du nicht mit mir?" Er begann schallend zu lachen. "Weißt du eigentlich, dass du eiskalt bist? Der arme Takashiro hat so lange auf dich gewartet und du? Du lässt ihn einfach stehen. Wie er sich wohl fühlen muss..." Sie versuchte, ihn zu ignorieren und hangelte sich ihren Weg nach vorne. Suzaku zog amüsiert eine Braue nach oben. "Du weißt schon, dass dein Unterfangen völlig sinnlos ist? Abgesehen davon, kann ich nicht zulassen, dass du damit durchkommst, auch wenn es interessant wäre. Lange Rede, kurzer Sinn: noch einen Schritt weiter und ich werde deine jämmerliche Seele hier und jetzt vernichten!" Yomi schluckte, doch ihr Blick war fest geradeaus gerichtet. Unbeirrt setzte sie ihren Weg fort. Suzaku schüttelte kichernd seinen Kopf und zuckte ein Grimmoire. Luzifer hatte Beschwörungen verboten, doch wer war er, dass er sich an eine solch lächerliche Anweisung hielt? Ohne ein weiteres Wort an sie zu verlieren, begann er seine Beschwörung. "Du großer mächtiger Geist Vritra, ich beschwöre dich an diesem Tag und zu dieser Stunde hier, um dir bestimmte Angelegenheiten aufzutragen. Bevor ich aber damit fortfahren kann, ist es notwendig, dass Du Dich gut sichtbar vor mir zeigst. Und höre, solltest Du unter irgendeinem Bann stehen, oder anderswo beschäftigt sein, Dich dennoch nichts befähigen wird, der Kraft meiner fürchterlichen Beschwörung zu widerstehen; Ich kommandiere Dich, und solltest meinen Worten nicht gehorchen oder unwillig sein zu kommen, dann verfluche ich Dich auf die schrecklichste Art und Weise, dann ich werde Dir Deine Macht nehmen und Dich in den schauerlichen Ort verbannen! Vritra erscheine!" Mit vor Schreck geweiteten Augen sah Yomi dabei zu, wie er den Drachen beschwor und ihm befahl, die zu zerreißen. Sie wollte wegrennen, doch ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie knallte hart auf den kalten Boden auf. Vritra schoss blitzschnell auf sie zu. Ihr Schicksal schien besiegelt. Sie hatte versagt. Ängstlich schloss sie ihre Augen und wartete auf den tödlichen Schmerz, doch der blieb aus. Stattdessen ertönte ein lauter Knall. Sie öffnete verwundert ihre Lider. Vor ihr kämpften zwei beschworene Drachen in der Luft. Vritra mit dem Ziel, sie zu zerfetzen und der andere, um sie zu schützen. Mit pochendem Herzen wandte sie sich um und erspähte Takashiro, der den schützenden Duras lenkte. Er war ihr nachgegangen, um sie zu schützen ... Wärme flutete ihr Herz. Trotz ihrer harten Worte und abweisenden Art gab er sie noch immer nicht auf. Tränen bahnten sich in ihre Augen, brachen aus und flossen ungehindert über ihre Wangen. Langsam und mühevoll kroch sie auf ihn zu. Jeder Zentimeter lieferte ihr ein Kampf. Takashiro hielt sich tapfer, aber der dämonische Teil in ihm tobte und brodelte mehr denn je. Er konnte seine volle Aufmerksamkeit nicht Suzaku widmen, denn sonst würde er den Zweikampf mit dem Duras in seinem Innern verlieren und dann ... dann hätte er Yomi für immer verloren. Schweißperlen tropften von seiner Stirn. Seine Stimme zitterte. Wie lange würde er noch durchstehen? Er durfte nicht verlieren. Er musste gewinnen. Für Yomi. Ihre Liebe. Ihre Zukunft. Suzaku griente siegessicher, während er Vritra unerbittlich immer und immer wieder angreifen ließ. Es war einfach zu lustig. Wie oft wollte dieser Trottel noch die Seiten wechseln? Unwichtig. Er würde ihn hier und jetzt zerstören. Yomi hatte Takashiro erreicht und krallte sich in den Stoff seiner Hose. Er reichte ihr eine Hand und zog sie vorsichtig auf die Beine, während er seine Augen nicht von Suzaku und den kämpfenden Drachen ließ. Sie schmiegte sich an ihn und er legte den Arm un sie, genoss die Vertrautheit und ihre Nähe. Das gab ihm Zuversicht und Kraft. Allerdings saß der nächste Treffer von Vritra zu gut. Sein Drache schwankte, stieß gegen die Säule und ließ einen Teil der Decke einstürzen. Takashiro warf sich schützend über Yomi, doch er konnte nicht verhindern, dass sie beide von dem herabstürzenden Geröll hart getroffen wurden. Für einen Moment blieb ihm die Luft weg. Ein Schmerz schien seine Lungen zum Zerbersten zu bringen. Er japste nach Luft und suchte mit seiner freien Hand nach Yomi. In der anderen hielt er noch immer fest das Grimmoire umklammert. Erleichtert atmete er auf, als er ihre Wärme spürte, ihre zarte Hand, die die seine suchte und leicht drückte. Suzakus Lachen hallte triumphierend durch den Flur. Das war leichter gewesen, als er gedacht hatte. Liebe machte schwach und blind. Siegessicher gab er Vritra den Befehl zum Todesschlag, doch seine Konzentration wurde jäh gestört, als Erinnerungen seinen Körper fluteten. Erinnerungen an seine Frau und seine Kinder. Woher kam das jetzt? Irgendetwas stimmte dabei nicht. Auch die Erinnerungen waren so nicht ganz korrekt. Er kämpfte mit seinem Verstand um die Oberhand, denn seine Gedanken pfiffen Vritra gegen seinen Willen zurück. Aus seinen Augenwinkeln erspähte er Sairi und um seine Mundwinkel bildete sich ein verbittertes Lächeln. Der Böse Blick ... natürlich. Er war zu unaufmerksam gewesen und hatte den ehemaligen Wächter nicht kommen hören. Ein Funke von Masamunes Bewusstsein erwachte und schrie auf. Schmerz erfüllte seinen Körper und füllte ihn aus. Suzaku fluchte leise vor sich hin. Seine Augen glitten zu Takashiro und Yomi, die versuchten, aufzustehen. So leicht würde er sich nicht geschlagen geben! Mit all seiner Kraft, die er aufbringen konnte, ließ er Vritra abermals auf das Paar zu schießen und bevor es Sairi verhindern konnte, gab er den Befehl zur Explosion. Grelles Licht flutete den Raum, gepaart mit einem ohrenbetäubendem Knall. Takashiro und Yomi sahen sich tief und innig in die Augen. "Ich liebe dich", flüsterte Yomi. Takashiro zog sie zu sich und ihre Lippen vereinigten sich zu einem zärtlichen Kuss. Dann wurden sie gemeinsam von der Explosion erfasst und zerfetzt. Mit Schrecken beobachtete Sairi, wie der Duras explodierte und das Paar zerriss. Er hatte es nicht verhindern können. Suzaku war zu schnell gewesen. Sein Widersacher war durch die Explosionswucht selbst hart gegen die Wand geschleudert worden und lag fast reglos auf dem Boden. Seine Fingerspitzen suchten nach dem Grimmoire. Schnell ging Sairi auf ihn zu, trat ihm fest auf die Hand, sodass es knackte, und kickte das Buch auf die Seite. Suzaku keuchte. "Gib ihn frei! Lass Masamune gehen!", forderte Sairi trocken und verstärkte den Druck auf die Hand. Suzakus Körper zuckte und der Wächter konnte nicht deuten, ob er Schmerzen hatte oder sich über ihn lustig machte. Vermutlich beides. "Khhh ... gern." Sairi zog eine Braue nach oben. Das war viel zu einfach gewesen. Im nächsten Moment spürte er Masamunes Seele vor Pein aufschreien. Panik stieg in ihm hoch. Verzweifelt riss er den Schwerverletzten nach oben und schüttelte ihn unkontrolliert. "Hör auf! Du bringst ihn um, du Scheißkerl!" schrie er Suzaku an, der seine Lider kaum noch aufhalten konnte. "Wenn ich schon verliere ....", er hustete Blut und seine Stimme war nicht mehr als ein Flüstern, "dann nicht allein." Wieder erlitt Masamunes Seele enormen Schaden. Lange würde er nicht mehr durchhalten. Was sollte er nur tun? Wenn er Suzaku tötete, dann würde ebenso Masamune sterben. Doch auch jetzt war Suzaku im Begriff, den letzten Rest von Masamunes Bewusstsein endgültig zu zerstören. Seine Lage schien ausweglos. Er begann zu zittern. Er musste es zu Ende bringen, egal wie. Suzaku kicherte und hustete gleichzeitig. Auf seiner sterbenden Miene spiegelte sich Arroganz und Triumph. "Armer, dummer Junge. Luzifer wird ..." "Nichts davon erfahren", beendete Zoltan den Satz und betrat das Schlachtfeld. Sowohl Sairi als auch Suzaku blickten ihn misstrauisch an. "Luzifers ausgedientes Schmusekätzchen. Was ... für eine Wende ... haha." Zoltan ignorierte Suzaku und fixierte Sairi. "Na los, tue es oder du wirst ihn für immer verlieren." "Was ...?", fragte der Wächter lauernd. Die Situation gefiel ihm nicht. Was hatte Luzifers Lakai hier zu suchen. Was hatte er alles mitbekommen? "Wie lange ..." Zoltans Augen verformten sich zu zwei schmalen Schlitzen. "Hör auf, mich mit belanglosen Fragen zu löchern. Wenn du Masamune retten möchtest, fang endlich an!" "Was soll ich tun?" "Trenne Masamunes Bewusstsein von Suzakus." Sairi stieß gereizt die Luft aus. "Das kann ich nicht! Ich kann nicht exorzieren" "Du bist der Wächter mit dem bösen Blick, wenn du es nicht kannst, dann keiner!" Sairi zog die Stirn in Falten. Sein böser Blick machte es ihm möglich, die Gedanken und Erinnerungen zu beeinflussen. Wie sollte er das Bewusstsein von Masamune trennen? War er dazu wirklich in der Lage? Vielleicht ... in dem Moment schrie Masamunes Seele gepeinigter denn je auf. Suzaku hatte es eilig, ihn zu beseitigen. Schnell stieß Sairi ihn zu Boden und kniete sich über ihn, mit der einen Hand abstützend und die andere auf die Stirn des zuckenden Körpers gelegt. Seine ganze Konzentration galt Masamune. Er musste seine Seele finden. Sofort. Zoltan stand mit verschränkten Armen da und sah sich um. Das Gebäude hatte einen enormen Schaden erlitten. Es würde ihn viel Energie kosten, alle Spuren zu beseitigen, bevor sein Herr zurückkam. Da spürte er die Abspaltung der Seelen. Flink wie eine Raubkatze sprang er vor, stieß Sairi schwungvoll auf die Seite und griff nach Suzakus Seele, die gerade austrat, um einen neuen Wirt zu besetzen. Mit einer geschickten Handbewegung beschwor er eine schwarze Flamme, die Suzakus Wesen knisternd vernichtete. Suzaku schrie auf, doch schon nach ein paar Sekunden war sein Leben endgültig beendet. Zoltan stand auf und klopfte sich den Staub von den Klamotten. Sairi sprang auf Masamune zu und fühlte nach dessen Puls. "Er atmet nur noch schwach!", rief er entsetzt zu Luzifers Lakai, aber der blieb kühl. "Nicht nur seine Seele, sondern auch seine sterbliche Hülle hat Schaden genommen. Du kannst jetzt nichts mehr für ihn tun. Den Rest muss er allein bestehen." Er warf dem Wächter einen eingerollten Plan entgegen, den dieser auffing. "Nimm deinen Verwandten und bring ihn zum markierten Versteck. Verbarrikadiere es und warte, bis ihr gerufen werdet. Wenn euch andere Dämonen oder Luzifer finden, kann ich nichts mehr für euch tun. Beeil dich, ich weiß nicht, wann Luzifer und die anderen wieder zurück sein werden. So unbesetzt wirst du das Anwesen nicht mehr vorfinden. Wenn du verschwinden willst, dann jetzt." Sairi verzog sein Gesicht. Das passte ihm nicht. Er vertraute dem Lakei nicht. Was würde mit den Wächtern und dem Licht der Götter geschehen? Welche Ziele verfolgte der Dämon? Duras taten nie etwas uneigennütziges. Seine Augen wanderten hinunter zu Masamune, dessen Körper unter Schmerzen geschüttelt wurde. Seine Lider flatterten unaufhörlich, doch er wachte nicht auf. Er hatte keine Wahl, er musste Zoltans Anweisungen befolgen, wenn er ihn retten wollte. Vorsichtig hob er Masamune hoch und schaute Zoltan missmutig an. "Was hast du vor? Wieso hilfst du uns?" Seine Frage blieb allerdings unbeantwortet, denn der Dämon kümmerte sich konzentriert um die Spuren- und Schadenbeseitigung. Er beachtete ihn nicht mehr. Sairi schluckte, doch er wollte keine Zeit mehr verlieren. Ein letztes Mal blickte er zu der Stelle, an dem Takashiro und Yomi eng umschlungen gestorben waren, verabschiedete sich im Stillen vom ehemaligen Oberhaupt und seiner Geliebten, und folgte dann der Beschreibung auf der Karte, in der Hoffnung, unentdeckt zu bleiben. Jetzt zählte nur noch eins: Masamune. "Bitte, halt durch. Lass mich nicht allein ..." Kapitel 20: Yukis letzte Tür ---------------------------- Mit Tränen in den Augen beobachtete Yuki sein damaliges Ich. So zerbrechlich. Verletzlich. Leidend. Kurz vor der Selbstzerstörung. Er schluckte. Langsam aber sicher wuchs in ihm eine Ahnung, warum er sich nicht mehr hatte erinnern wollen. Doch war das wirklich der richtige Weg gewesen? Denn mit seinen Erinnerungen hatte er auch viele nützliche Fähigkeiten vergessen. Er vermutete, bisher nur einen Bruchteil von dem was er noch konnte, wiedergefunden zu haben - aber blieb ihm noch genug Zeit, weiter seine Vergangenheit zu erforschen? Nicht, dass er sich nicht davor fürchtete, doch er würde alles ertragen - ganz bestimmt. Doch wie ging es den anderen? Bei dem Gedanken, sie noch länger allein zu lassen, bekam er stechende Bauchschmerzen. Er hatte ohnehin bereits ein ungutes Gefühl. Jedoch hegte er tiefe Zweifel, dass er schon stark genug war. Yuki seufzte und kratzte sich nachdenklich am Hinterkopf. Obwohl er bereits sehr viel von seiner Vergangenheit und den Schmerzen erfahren hatte, war ihm Lukas Rolle noch nicht ganz bewusst. Klar, er war immer für ihn da gewesen, doch tief im Innern spürte er, dass sie noch mehr verbinden musste. Auch in dieser Erinnerung erschien der wunderschöne Dämon und nahm seinem weiblichen Ich die Angst. Seine Umarmung wirkte wie Medizin. Sie war magisch. Yuki musste sich kurz setzen und ließ die vergangenen Stunden Revue passieren. Manche Erinnerungen ließen ihm die Röte ins Gesicht schießen Er hatte Touko und Ria nackt gesehen ... sie hatten zusammen gebadet. Klar, er war damals eine Frau gewesen, aber es fühlte sich seltsam an und er konnte sich kaum vorstellen, dass den Wächterinnen die Erinnerung recht wäre. Zumindest nicht ins kleinste Detail, was ihre Körper anging. Yuki griff sich schnell an die Schläfe und versuchte, die Gedanken und Bilder aus seinem Kopf zu vertreiben. Wie lange schlief er eigentlich schon? "Ein paar Tage", bekam er zur Antwort. Yuki schaute auf, doch er konnte niemand sehen. Die Stimme kannte er allerdings. "Danny?" "Ja, ich bin es. Ich kann nicht in den Raum, weil ich nicht Teil deiner Erinnerungen und Vergangenheit bin. Deswegen kannst du mich nur hören, jedoch nicht sehen. Hab bitte keine Angst." Yuki schüttelte den Kopf und lächelte, während seine Augen auf dem Bild seines damaligen Ichs und Luca ruhten, die eng umschlungen am Fenster des Turms standen. Selbst als Dritter nur zuzusehen, bereitete ihm eine unglaubliche Zuversicht und Ruhe. "Hast du Antworten gefunden?" "Ja, viele. Ich kann mich sogar wieder an Kurotos ursprünglichen Partner erinnern..." "Wie fühlst du dich?" Er dachte kurz nach. "Ich fühle mich erschöpft, aber auch stärker. Die Erinnerungen machen mich traurig, doch auch zuversichtlich. Ich hatte damals ... es waren andere Umstände ... wie alles begann ... In meinem jetzigen Leben war ich von Liebe umgeben, auch wenn ich es nicht immer wahrgenommen habe. Das Waisenhaus, die Erzieher und Kinder ... sie alle waren meine Familie. Und Luca war von Anfang an bei mir, auch wenn ich ihn nicht sehen konnte. Ich habe seine Präsenz gespürt. Ich war nie allein..." "Und das wirst du auch nie sein, Licht der Götter." "Ja", bestätige Yuki und spürte, wie eine angenehme Wärme sein Herz einschloss und sich in seinem Körper ausbreitete. Ein wohliges Kribbeln durchfuhr seine Haut. Er vermisste die Wächter, Sodom, Kanata und Luca mehr denn je. "Es sind nicht mehr viele Türen übrig", vernahm er Dannys aufmunternde Stimme und stand auf. Noch während er zurück in den Flur trat, sprach Danny weiter. "Du hast alle notwendigen Türen gemeistert. Die restlichen sind die Zusatztore, die du betreten kannst, aber nicht musst." Yukis Miene erhellte sich. "Heißt das, ich kann zurück?" "Ja, so ist es. Du kannst jederzeit wieder aufwachen. Bist du bereit?" Yuki ballte seine Hände zu Fäusten und atmete tief durch, bevor er entschlossen antwortete. "Ja, das bin ich." "Dann folge dem silbernen Muster auf dem Boden. Es führt dich aus dem Schlaf hinaus, doch mach dich auf das Schlimmste gefasst. Eure Lage ist ernst." Wieder meldete sich das Unheil verkündende Gefühl in ihm. Er legte seine Hand auf den krampfenden Magen und nickte abermals. In Gedanken vertieft, folgte er der silberfarbenen Spur und ließ die anderen Türen verschlossen hinter sich. Was würde ihn erwarten? Ob es allen gutging? Angespannt blieb er stehen, als das Muster plötzlich endete. Direkt vor ihm erstreckte sich ein weißes Licht. Danny musste ihm nichts erklären, denn er wusste instinktiv, dass dies der Ausgang aus seinem Bewusstsein sein musste. Yuki setzte einen Schritt nach vorne, war schon bereit, ganz in das Strahlen hinein zu tauchen, als er inne hielt. "Licht der Götter, auf was wartest du?", hörte er Dannys irritierte Stimme. Yuki öffnete seine Lippen, während er gebannt auf das mit Rosen und Efeu umrandete Tor blickte. "Diese Tür ... welchen Teil meiner Erinnerung verbirgt sie?" Er wollte zu seinen Freunden, war sich der Dringlichkeit wohl bewusst, doch irgendetwas an dem Tor zog ihn magisch an. "Das ist eine Zusatztür ... hinter ihr sind tiefgreifende Erinnerungen von dir ... mit Luca." Yukis Herz begann schneller zu schlagen. Die ganze Zeit über, die er mit den Wächtern und dem Dämon verbracht hatte, hatte er das Gefühl gehabt, etwas sehr wichtiges vergessen zu haben. Etwas, das alles verändern würde. Doch was? Er konnte seinen Blick nicht von der Tür nehmen. Es zog ihn mehr und mehr dorthin, aber wollte er das wirklich? Was war, wenn ihm die Erinnerung nicht gefallen würde? Er würde sie nicht ein zweites Mal vergessen können. Und sein Verhältnis zu Luca war doch sehr gut, oder etwa nicht? Sollte er es wirklich riskieren? "Yuki?", rief Danny ihn unsicher. "Habe ich noch etwas Zeit?", fragte Yuki zaudernd. Innerlich hatte er sich jedoch bereits entschieden. Danny zögerte. Yuki glaubte, ein Seufzen zu hören. "Ja, ich denke schon, sicher bin ich mir allerdings nicht..." "Gut, nur noch eine Tür", antwortete er und setzte sich zeitgleich in Bewegung. Er hörte nicht mehr, ob Danny etwas erwiderte. All seine Aufmerksamkeit galt der rosenumschlungenen Tor. Wie in Trance schritt er darauf zu, streckte seine Hand aus und drückte die Klinke hinunter. Wieso nur wollte er nicht aufhören zu zittern? Er hatte das Gefühl, dass er etwas unglaublich Wichtiges erfahren würde. Er schalt sich in Gedanken für seine Furcht einen Narren und schob vorsichtig die Tür auf. Sein Atem stockte und seine Augen weiteten sich überrascht. Er spürte, wie Hitze seine Wangen flutete. Er wollte sich von dem Bild abwenden, doch er konnte es nicht. Sein Kötper streikte und schien nicht mehr fähig, eine Bewegung zu tätigen. Peinlich berührt und von Sehnsucht ergriffen zugleich, beobachtete er, wie Luca und sein weibliches Ich sich gegenseitig liebevoll über die nackte Haut streichelten. Ihre Lippen vereinigten sich zu einem innigen Kuss. Mit einer leichten und eleganten Bewegung hob Luca sie in die Höhe, trug sie zum Bett und ließ sie sanft hinab gleiten. Sie blieb nicht lange allein, denn er beugte sich über sie, um ihre Lippen erneut mit einem Kuss zu versiegeln. Sein weibliches Ich zog Luca zu sich in die Laken. Sie schlang ihre Arme um ihn wie eine Ertrinkende, die sich an die letzte Hoffnung klammerte. Yukis Haut begann seltsam zu Prickeln. In ihm tobte ein Gefühlschaos, das er nicht fähig war, zu ordnen. Stattdessen sah er mit laut pochendem Herz dabei zu, wie die bebenden Körper des Paares unter etlich gewisperten Liebesbekundungen miteinander zu einer Einheit verschmolzen. Kapitel 21: Gefährliche Langeweile ---------------------------------- Luzifer gähnte und betrat die Halle. Die Eroberungen hatten ihn nicht lange Freude bereitet. Zu einfach ... es war alles viel zu leicht. Ihm fehlte der Kick, eine Herausforderung. Irgendwie hatte er sich das Leben auf der Erde aufregender und befriedigender vorgestellt. Er blickte sich um. Seine Gefolgschaft brachte die Gefangenen unter oder amüsierte sich noch mit ihnen. Jeder schien zufrieden. Alle, bis auf ihn. Verärgert schnalzte er mit der Zunge. Er musste sich ablenken. "Takashiro!", rief er donnernd durch die Halle, sodass seine Stimme von den Wänden widerhallte. Er wartete, zeigte sich geduldig, doch das ehemalige Oberhaupt erschien nicht. War es ein Fehler gewesen, ihm Yomis Seele so schnell zu überlassen? Vielleicht würde er sie ihm wieder entreißen. Das versprach Abwechslung. Erst einmal wollte er aber die Entwicklung der beiden beobachten. Ein belustigte Grinsen huschte über sein Gesicht, dass allerdings gleich wieder verschwand, denn noch immer fehlte von seinem Untertan jede Spur. "Takashiro!", schrie er wütend und seine Lakaien machten eilig einen großen Bogen um ihn. Zornig ballte er seine Hände zu Fäusten. Wo war dieser Nichtsnutz? Überhaupt: wieso nahm er seine Präsenz nicht wahr? "Suzaku?!" Auch dieser Versuch blieb unbeantwortet. Was stimmte hier nicht? Wo hatten sich diese mickrigen Maden versteckt? Luzifer öffnete seine Lippen, um erneut zu rufen, doch Zoltan kam ihm zuvor. Mit einem schnellen Sprung kniete er sich vor seinen Herrn und verbeugte sich. "Gebieter." Luzifer zog eine Braue in die Höhe. Immerhin auf einen war Verlass. Verärgert schritt er auf ihn zu, griff mit seiner Hand in dessen Haare und zog ihn drakonischen hoch. "Wo sind diese Möchtegern Nekromanten?", zischte er ihm erbost entgegen. Zoltan rührte sich nicht. Seine Mimik blieb gefühllos. "Es tut mir leid Herr. Takashiro ist mit Yomi geflohen. Suzaku hat gemeinsam mit Sairi die Verfolgung aufgenommen." "Und du? Was hast du gemacht?", presste Luzifer zwischen seinen Zähnen hervor. "Ich habe auf Sie gewartet, Herr. So lautete Ihr Befehl." Die Miene seines Herrn verzog sich zu einer aus Zorn rasenden Maske. Mit einem Ruck schleuderte er seinen Lakai gegen die Wand. "Cadenza!" Mit einem geräuschvollen Zischen erschien der Gerufene vor ihm und verbeugte sich tief. "Such Takashiro und Suzaku. Schaff sie mir ran - egal wie!" "Ja, Herr. Sehr gern sogar", antwortete der Oberst mit einem freudigen Grinsen. Endlich durfte er Suzaku sein vorlautes Maul stopfen. Er entfernte sich beschwingt und machte sich sofort auf die Suche. Luzifer schnaufte aus, versuchte, sich etwas zu beruhigen und nahm dann auf seinem Thron in der Halle Platz. Um ihn herum waren seine Untergebenen noch immer dabei, die neuen Gefangenen zu sortieren, aufzuteilen und in den Zellen unterzubringen. Zoltan kämpfte sich zittrig auf seine wackeligen Beine. Luzifer verzog unzufrieden sein Gesicht. "Ihr seht gelangweilt aus", säuselte eine weibliche Stimme schräg vor ihm. Elegy pirschte sich in einem eleganten Abendkleid wie eine rollige Raubkatze auf ihn zu. "Das bin ich auch", gab Luzifer ungerührt zurück. "Bedauerlich", flötete Elegy und ging vor ihm in die Hocke, sodass ihr tief geschnittener Ausschnitt verführerisch verrutschte. "Lasst mich euch aufmuntern." Ihre Fingerspitzen fuhren ihm spielerisch über den Oberkörper hinab zu seinem Schritt. Allerdings verweilte ihre Hand nur wenige Sekunden dort, denn Luzifer umklammerte eisern ihr Handgelenk. "Jetzt nicht. Ich bin nicht in Stimmung." Sie verzog missmutig ihr Gesicht und richtete sich beleidigt auf. Wie selbstverständlich setzte sie sich auf seine freie Armlehne und verschränkte die Arme vor der Brust. Luzifer ignorierte sie. Seine Augen beobachteten Zoltan, der sich inzwischen aufgerichtet hatte und nach Luft schnappte. "Ich hatte Jahrtausende lang große Pläne, fantastische Ziele, die so viel Spaß und Genugtuung versprachen. Und nun, da ich sie erreicht habe ... ist alles enttäuschend einfach und langweilig. Soll es das wirklich gewesen sein? Die legendäre Kampfkraft der Wächter ... das Licht der Götter flieht sich in seine süßen Träume, um mir zu entfliehen ... nicht einmal Zess' seine Anwesenheit vermag mich zu unterhalten. Das Licht der Götter hat ihn verändert. Widerlich, einfach widerlich ... " Luzifer vollführte mit der Hand eine federnde Bewegung. Sofort ging ein vorbei eilender Duras schreiend in Flammen auf. "Und wessen Schuld ist das? Alles nur wegen eines kleinen, dummen und unbeholfenen Jungens ... dieses verfluchte Licht der Götter!" Ein paar Fenster gingen klirrend zu Bruch und Elegy erschauerte. Sie konnte seine Macht spüren. Die pure Energie bereitete ihr eine erregende Gänsehaut. "Habe ich nicht genug Geduld bewiesen? Und für was? Es schläft noch immer!" Plötzlich änderte sich seine Stimmung schlagartig. Ein bitterböse Lächeln umspielte seine Mundwinkel und Vorfreude nahm seine Mimik in Besitz. "Ja, war ich nicht überaus geduldig? Wird es nicht Zeit, alte Gewohnheiten anzunehmen und an mich zu reißen, was ich so sehr begehre, anstatt mich durch einen kleinen Jungen an der Nase herumführen zu lassen?" Luzifer wandte sich Zoltan zu, der sich gleich darauf vor seinem Meister verneigte. "Nimm dir ein paar Leute und bring das Licht der Götter mit den Wächtern, Zess, Reiga, Luze und seinen Freunden hier herunter!" Zoltan verbeugte sich und machte sich sofort an die Arbeit, während Elegy den Dämonenherrscher neugierig ansah. "Was habt ihr vor?", gurrte sie und ihre Finger wanderten abermals sehnsüchtig über seine Brust. Flink fing er ihre Hand auf, zog sie zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. Seine goldenen Augen blitzten triumphierend und voller Vorfreude auf. "Gleich, meine liebe Elegy, werde ich das Licht der Götter vor seinen Wächtern und Freunden, Stück für Stück auseinandernehmen!" Kapitel 22: Blutgelüste ----------------------- Mit pochenden Herzen sahen sie dabei zu, wie Yuki an eine Art Opferpfahl in der Mitte des Raumes festgebunden wurde. Das war nicht gut. Alle Augenpaare hafteten ängstlich und entsetzt am schlafenden Licht der Götter. Alle, bis auf eines, das beobachtete Zoltan bei jedem Handgriff und jedem Schritt. Dies blieb auch dem Dämonenherrscher nicht verborgen. "Gefällt dir mein Lakai, Freund der Wächter?", fragte Luzifer zuckersüß und die Bosheit tanzte regelrecht auf seinem Gesicht. Zoltan zog die letzte Handfessel zu und trat auf die Seite. Sein Blick traf den von Tachibana. Was machte dieser Idiot nur? Reichte die ausweglose Lage nicht aus in der er sich befand oder wollte er ihn gar dafür büßen sehen? "Vielleicht ... ich bin mir nicht sicher, tja ... haha." Tachibana lachte unsicher. Die anderen Gefangenen starrten ihn entsetzt an. Luzifers Miene hingegen erhellte sich. Was konnte er damit nicht noch alles anfangen und machen?! "Nun, darauf komme ich später zurück. Wollen wir doch das eigentliche Vorhaben nicht aus den Augen verlieren. Dann ... oho!" Der Dämonenkönig schloss genießen die Lider, als die Panik einer einzigen Person zu ihm herüber sprang wie ein Tier auf der Flucht. Natürlich konnte er all ihre Emotionen spüren. Angst, Wut, Hass, doch eine Person stand mit dem Fuß am Abgrund der Verzweiflung. Er atmete die Atmosphäre tief ein, genoss jede wertvolle Sekunde, bevor im ein Einfall kam. "Elegy, hol das Dienstmädchen aus seiner Zelle und töte es! Aber mach langsam - der Unterhaltungsfaktor muss gegeben sein." Die Dämonin griente und lief beschwingt zur Zelle, wobei ihre Hüfte verführerisch wippte. Aya verkroch sich ängstlich in eine Ecke und klammerte sich bibbernd an das Gitter. Katsumi gefror das Blut in den Adern. "Nicht ... nicht Aya," murmelte er, unfähig aus seiner Starre zu erwachen, die ihn gefangen hielt. Gierig griff Elegy nach dem schreienden Dienstmädchen und riss sie brutal aus der Zelle. Das Mädchen war kein Gegner und der Mühe nicht wert, doch wenn es Luzifer glücklich machte, so würde sie es tun. Mit einem Ruck stieß sie Aya in die Mitte vor das schlafende Licht der Götter, wo sie wimmernd vor der Dämonin zurückwich. Um sie herum schrien die Wächter und versuchten, sich aus den magischen Zellen zu befreien. Das dämonische Publikum jubelte, während Katsumi so schlecht wurde, dass der saure Geschmack von Erbrochenem sich in seinem Mund und seiner Kehle festsetzte. "Aufhören", murmelte er verloren vor sich hin. Dann hob er seinen Kopf und seine Stimme schwoll an. Aufhören! Hört sofort auf!" Er wiederholte sich und wurde jedes mal lauter. Elegy versetzte Aya eine schallende Ohrfeige, als Luzifer die Hand hob und die Szene unterbrach. Auch die Zuschauer wurden still und starrten gebannt auf ihren Herrscher und dann zu Katsumi, der nicht mehr aufhörte zu schreien. "Sieh mal an. Und was willst du, kleiner Wurm?" Der Koch schluckte und krallte seine Hände in den Stoff seines Hemdes. "Verschone Aya!" Luzifer zog amüsiert eine Braue in die Höhe. "Und warum sollte ich das deiner Meinung nach tun, Würmchen?" Ayas und Katsumis Blicke trafen sich. Das Dienstmädchen war gerührt, doch gleichzeitig gesellte sich eine neue Angst zur bestehenden hinzu. Sie flehte innerlich darum, dass er aufhören und still sein würde. "Sie .. sie hat das nicht verdient ... und sie hat bereits mehr als genug durchstehen müssen..." Katsumis Stimme brach und in den dämonischen Reihen ertönte vereinzelt ein hämisches Kichern. "So? Hat sie das?" "Ja ..." "Dann hast du bestimmt nichts dagegen, ihren Platz einzunehmen?" Luzifer schlug elegant seine langen Beine übereinander und stützte sein Gesicht auf den Händen ab. Katsumi schluckte den dicken Kloß in seinem Hals hinunter, doch sofort bildete sich ein neuer. Dennoch nahm er all seinen Mut zusammen und antworte entschlossen. "Ja, das werde ich." Aya entfuhr ein entsetzter Schrei. "Nein, nein, tu das nicht!" Luzifer gähnte gelangweilt. Wie vorhersehbar. Unspektakulär. Rein gar nicht unterhaltsam. Viel zu einfach. "Widerlich kitschig, findet ihr nicht auch?" Es ertönte ein zustimmendes Gemurmel und Katsumi überkam ein ungutes Gefühl. "Holt ihn aus der Zelle", befahl der gefallene Engel und sein Mund verzog sich zu einem süffisanten Grinsen. "Wenn er unbedingt sterben möchte, dann können sie das doch gemeinsam, findet ihr nicht? Wer von den beiden ist wohl zäher?" Tosendes Gejohle ertönte und tauchte die Halle in ein grausiges Dröhnen. Die Wächter in den Zellen begehrten auf und Luzifer schleuderte sie mit einer magischen Luftwelle brutal gegen das Gitter. Die Dämonen schlossen eifrig ihre Wetten ab. Katsumi wurde von Zoltan aus der Zelle und in die Mitte des Raumes zu Aya geführt. Er spürte Tachibanas Augen auf sich ruhen. Er wusste, was er ihm sagen wollte, doch er musste den Befehl befolgen. Aya flog Katsumi in die Arme, nur um im demselben Moment wieder von ihm weggerissen zu werden. Elegy schüttelte böse grinsend den Kopf. "Genug gekuschelt. Jetzt ist es Zeit zum Spielen!" Ihr bösartiges Lachen hallte kalt in den Wänden wieder. Sie schlang ihre Hand um Ayas dünnen Hals und drückte erbarmungslos zu. Katsumi entrang ein Schrei. Entsetzt sprang er auf die Beine und stürzte sich auf die Widersacherin. Die schmiss das Dienstmädchen achtlos auf die Seite, wo es röchelnd liegenblieb. Dann befreite sie sich mühelos von ihrem Angreifer und stieß ihn hart zu Boden. "Wollen wir doch sehen, wer von euch Lämmchen am längsten durchhält. Nicht wahr?" Sie blickte fragend zu Luzifer, welcher zufrieden nickte. In ihrer Hand erschien eine Peitsche. Wuchtig holte sie aus und schlug auf die am Boden liegenden ein. Die Duras zählten bei jedem Schlag belustigt mit. Katsumi wurde am Kopf getroffen. Dumpfer Schmerz übermannte ihn, füllte ihn aus und wollte explodieren. Blut rann über seine Stirn und ins Auge. Seine Sicht verschwamm und seine Lider wurden schwer. Aya regte sich nicht mehr und eine furchtbare Angst überfiel ihn. "Yuki, bitte, wach auf", flüsterte er lautlos, eingehüllt vom scheußlichen Jubel und Gegröle der Dämonen. Luzifer seufzte genervt. Natürlich, was hatte er sich davon versprochen? In den ersten Sekunden war er tatsächlich abgelenkt gewesen. Doch nun? Nun hatte die Langeweile und Monotonie wieder ihre Pranken nach ihm ausgestreckt. Die beiden Bediensteten waren zwar noch nicht tot, aber den Rest durften die anderen erledigen. Ihn dürstete es nach göttlichem Blut. Es war Zeit für das Licht der Götter! "Das reicht!" Elegys Lachen verstarb und ihre Hand verharrte erstarrt in der Luft. Sie hatte sich gerade so schön in Rage geschlagen und nun war schon Schluss? Luzifer war wahrlich schwer bei Laune zu halten. Enttäuscht ließ sie ihre Hand sinken "Du darfst sie später töten, wenn sie bis dahin noch leben." "Genug!" "Was?" Luzifer sah sich um und suchte nach demjenigen, dem die Stimme gehörte, aber auch die Dämonen schienen verwirrt. Wer hatte da gesprochen? Wer wagte es ... Elegy schritt schnell zurück. "Ich war es nicht!", beteuerte sie eilig. "Genug, es ist genug!" Alle Blicke richteten sich mit einem Mal auf Yuki, der den Kopf hob. In seinen trüben Augen spiegelten sich Melancholie, Wut und Entschlossenheit, bevor er den Raum in gleißendes Licht hüllte. Kapitel 23: Die Wende - Teil 1 ------------------------------ Wärme drang in sie ein, heilte auf wundervolle Art und Weise ihre Wunden. Erleichterung, Hoffnung und Freude erwachte in den Wächtern und Yukis Freunde. Das Licht der Götter war endlich erwacht! Gerade noch rechtzeitig. Hotsuma sprang auf die Beine, als er neue Kraftreserven in sich spürte, die er bereits geglaubt hatte, für immer verloren zu haben. Er sah sich nicht um, doch er wusste, dass es seinen Kameraden genauso erging. Sie mussten irgendwie aus den Zellen entkommen, um Yuki zu schützen. Er nahm all seine Konzentration zusammen, um auszubrechen, doch das magische Gitter war sehr stabil. "Nicht aufgeben! Wir müssen zu Yuki!", schrie Hotsuma in die Halle, die vom Lärm der aufgeregten Dämonen und den Ausbrechversuchen der Wächter geflutet wurde. Luzifer zog überrascht eine Braue in die Höhe. Die Wende hatte er nicht kommen sehen. Überaus interessant, allerdings zu spät, denn es würde ihnen nicht viel nützen. Zumindest den Wächtern nicht. Er selbst konnte seinem Volk endlich Abwechslung bieten. Genüsslich würden sie einen Wächter nach dem anderen vor den Augen des Lichts der Götter auseinandernehmen. Yuki war zwar erwacht, aber noch nicht vollständig genesen. Er hatte seine Wächterlein heilen können, aber mehr würde nun nicht drin sein und er, Luzifer, würde ihm keine Zeit gewähren, sich noch mehr zu regenerieren. Unnötiges Risiko wollte er trotz des vielversprechenden Nervenkitzels vermeiden. Der Aufschrei eines zu Asche zerfallenden Untertans ließ ihn aufschrecken. Dann noch einer und noch einer. Es hörte gar nicht mehr auf. Was ging hier vor sich? Der gefallene Engel blickte zum Licht der Götter, das mit den auf sich genommenen Schmerzen und Wunden der Wächter zu kämpfen hatte. Faszinierend, dass er das Bewusstsein behielt. Luzifers Lippen umspielte ein vorfreudiges Lächeln. Sie würden noch ihren Spaß haben. Ganz sicher. "Herr!" Elegys schrille Stimme riss ihn abermals in die Gegenwart zurück. Er verfolgte mit den Augen ihre ausgestreckte Hand und seine Miene verfinsterte sich. Wie waren die Zessbrüder und Sodom ihren Zellen entflohen? Er brauchte nicht lange nach der Antwort zu suchen, denn er erspähte Zoltan, der blitzschnell zum Käfig von Ria sprang und die Wächterin heraus ließ. Sein wütendes Brummen durchdrang den Raum wie Donnergrollen. Wie hatte er sich in all den Jahrhunderten derart in ihm täuschen können? Sein Lakei war eine tote, gefühlslose Hülle. Nichts weiter. Wie kam es zu diesem Verrat? Sein Blick streifte die Zelle von Tachibana, der ihn triumphierend angriente. "Du?!", zischte er und Tachibana winkte. Seine Lippen formten ein "Schach Matt", dann wurde auch er aus seinem Gefängnis befreit. Die Lage spitzte sich für den gefallenen Engel von Sekunde zu Sekunde mehr zu. Er musste handeln und zwar sofort. "Tötet sie! Tötet sie alle!", befahl er schreiend seinen Untertanen, die sogleich zu kämpfen begannen. Zoltan hatte währenddessen fast alle Gefangenen befreit. Um ihn würde er sich später kümmern. Sein Kopf schnellte in Richtung von Yuki. Es war ein Jammer, dass er sich keine Zeit nehmen konnte und ihn schnellst möglich beseitigen musste, aber die Lage hatte eine schlechte und unvorhersehbare Wendung für ihn genommen. Zielsicher schritt er auf das Licht der Götter zu. Flink wich er dem scharf geschossenen Magiestrahl von Zess aus. "Geht mir aus dem Weg. Ich habe keine Zeit, um mit euch zu spielen!", befahl er den Brüdern, doch diese rührten sich nicht vom Fleck. Stattdessen zogen sie ihre Waffen und sammelten ihre magische Energie. Sodom sprang knurrend hervor, bereit zum Angriff. Luzifer seufzte genervt. "Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass ihr mich besiegen könnt? Na schön, dann mache ich euch zuerst fertig, bis ihr um Gnade winselt. Und glaubt mir: ihr werdet mich auf Knien anflehen, aufzuhören, und eurem erbärmlichen Dasein ein Ende zu bereiten!" Eine silberschwarze Flamme loderte aus seiner Hand und er setzte auf seine drei Gegner zu. Touko und Tsukomo konnten ihr Glück kaum fassen. Yuki war erwacht und hatte ihnen mehr Kraft als zuvor verliehen. Sie durften ihn auf keinen Fall enttäuschen und mussten ihn hier raus bringen! Mit großen Sprüngen bahnten sie sich ihren Weg durch die Duras. Leider kamen sie nicht zum Ziel. Ein lauter Peitschenschlag erklang und Tsukomo konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen. Elegy stellte sich ihnen böse grinsend in den Weg. "Dieses Mal entkommt ihr mir nicht!" Die Geschwister ersparten sich ein Kommentar, nickten sich zu und griffen sofort an. Sie mussten die Dämonin besiegen - sie hatten gar keine andere Wahl. Auf keinen Fall durften sie diesmal unterliegen. Der Duras ging schreiend in Flammen auf, aber zum Aufatmen hatte Hotsuma keine Zeit. Sie waren vom Bösen umzingelt. Ihre Gegner waren in der Überzahl und doch spürte er, dass sie es schaffen würden. Er zuckte zusammen, als Shuusei ein Schutzschild um ihn erschuf und somit die Attacke des auf ihn zuschießenden Dämons vereitelte. "Hotsuma, pass gefälligst auf!", schrie er seinem Partner ermahnend zu und der nickte. Mit einer Handbewegung rief er sein Schwert Master Stroke. Gemeinsam mit Shuusei hielten sie die Dämonen in Schach, vernichteten einen Duras nach dem anderen. Da erblickte Shuusei in dem Gewühl Touko und Tsukomo, die von Elegy hart rangenommen wurden. Hotsuma folgte seinem Blick und schüttelte den Kopf. "Wir müssen zu Yuki!" "Luze, Sodom und Luca sind bei ihm. Lass uns erst unseren Kameraden helfen und diesen lästigen Opast endlich dahin schicken, wo er hingehört! Dann helfen wir Luca und den anderen! Gemeinsam!" Hotsuma wollte widersprechen, während er einen Duras nach dem anderen in Flammen aufgehen ließ. Er schwitzte furchtbar und die Belastung war enorm, doch warum hielten seine Kräfte so lange an? Lag das an Yuki? Doch sein Partner hatte recht. Zu viert hatten sie bessere Chancen. Er musste Luca, Luze und Sodom vertrauen, dass sie Luzifer so lange hinhalten konnten. "Einverstanden. Los geht's!" Zu zweit begannen sie, sich einen Weg zu ihren Kameraden freizukämpfen. Katsumi hatte Aya schützend in den Arm genommen. Vor ihnen hatten sich Senshiro und Kuroto positioniert und gaben ihr bestes, um sie zu schützen. Er versuchte die anderen durch die Dämonenmasse ausfindig zu machen. Doch vergebens. Es waren einfach zu viele. Er konnte nicht einmal mehr Yuki sehen. Beim Versuch, Aya in Sicherheit zu bringen, hatte er die Orientierung verloren. Katsumi betete darum, dass sie es schaffen würden. Alle und zwar lebend. "Schau an, wer uns hintergangen hat!", knirschte Zagan und stellte sich Zoltan in den Weg. Sofort gesellte sich Zepar mit einem bösen Grinsen im Gesicht an seine Seite. "Ja, haben wir es nicht geahnt? Wie nett, dass du uns einen Grund gibst, dich endlich zu beseitigen, du widerlicher Speichellecker!" Zoltan verzog keine Miene und wägte seine Chancen ab. Groß waren sie nicht gerade. Die beiden waren stark, auch ohne Legionen. Im Doppelpack war er gegen sie eindeutig unterlegen. Dennoch musste er es versuchen. Er durfte nicht sterben. Nicht jetzt, wo er Tachibana endlich wiedergefunden hatte. Entschlossen rief er seine Angel Tears heraus, zwei große, grünlich schimmernde Sicheln, die ihn bereits oft aus der Klemme geholfen und in Kampf beigestanden hatten. Zagan zog seine Brauen in die Höhe und fackelte nicht lange. Schnell zauberte er seinen Endzeitspeer herbei, wohingegen Zepar noch amüsiert lachte. "Wie töricht! Glaubst du wirklich, du könntest uns mit deinen Gemüseschneidern besiegen? Lächerlich!" Zoltan zuckte mit den Schultern und griff mit einem "Und wenn schon" an. Zepar wich geschickt aus und Zagan parierte seinen Angriff gekonnt. Ohne sich abzusprechen griffen sie von zwei Seiten an, kesselten den ehemaligen Lakai Luzifers ein. Zoltan schluckte. Lange würde er das Tempo nicht durchstehen. Er wirbelte blitzschnell von einer Seite zur anderen, blockte und konterte die Attacken, so gut es ihm möglich war. Er hielt sich gut, doch den letzten Schlag sah er nicht kommen. Dumpfer Schmerz flutete seinen Körper und ließ ihn straucheln. Schon setzte Zepar zur nächsten Attacke an, da erschien Ria an seiner Seite und leitete den Angriff geschickt um. Zoltan sah sie überrascht an. "Bilde dir nichts darauf ein, Dämon. Ich begleiche nur meine Schuld." Er nickte und konzentrierte sich wieder auf den Kampf. Gemeinsam mit der Wächterin gewann er langsam die Oberhand. Reiga fluchte. Weder war es ihm gelungen, zu Yuki zu gelangen, noch war er ohne Grimmoire in der Lage, Tsubaki ausreichend zu schützen, die bewusstlos am Boden lag. Er blockte gerade die nächste Attacke, vernichtete sein Gegner, als fünf neue auftauchten. Die Lage war ernst. Wenn nicht bald ein Wunder passierte. dann würde er ... Da zersplitterte ein Duras vor ihn in Stücke und Tachibana tauchte hinter ihm auf. "Ha ja, du sahst fast so aus, als würdest du beten", kommentierte dieser kichernd und Reiga verzog empört das Gesicht, bevor er sich wieder auf den Kampf konzentrierte. Tachibana hielt einen großen Stab in der Hand. Auf der Spitze thronte ein leuchtendes Geflecht aus Edelsteinen. Reiga zog eine Braue in die Höhe, während er einen Gegner nach dem anderen mit dem bisschen Magie vernichtete, das ihm geblieben war. "Sag mal, ist das etwa ...?" "Jetzt nicht, nach dem Kampf", wehrte Tachibana ab und vernichtete mit einem Lichtstrahl einen weiteren Dämon, der gerade auf sie zuschoss. Reiga nickte. "Ich wusste schon immer, dass mit dir was gewaltig nicht stimmt." "Ha ja, das verletzt mich jetzt aber schon ein bisschen", antwortete Tachibana mit einem verschmitzten Grinsen. Gemeinsam kämpften sie Seite an Seite gegen die Dämonenflut. Touko fuhr entsetzt herum, als sie Tsukomo schreien hörte. Sie war von Dämonen eingekesselt und hatte ihren Partner aus den Augen verloren. Ein schlimmer Fehler, den sich Elegy zu Nutze gemacht hatte. Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete Touko, wie ihr Bruder am Boden kniete und verzweifelt versuchte, sich von der Peitsche zu befreien, die sich immer fester um seine Kehle schnürte. Verbissen kämpfte sie gegen die im Weg stehenden Duras, versuchte, zu Tsukomo zu gelangen, doch sie war zu langsam. Ein Laut des Entsetzens entwich ihrem Mund, als die Augenlider ihres Partners schwerer wurden und gleichsam mit seinen Händen Richtung Boden sanken. Ihr Herz setzte für einen Schlag aus und Rias Worte hallten unschön in ihrem Kopf wider. "Sag es ihm, bevor es zu spät ist - tust du es nicht, wirst du es für immer bereuen " Tränen fluteten ihre Augen und sie schrie seinen Namen. In dem Moment tanzten kleine, blaue Kugeln um Elegy und bannten sie blitzschnell in einen Käfig. Der Dämonin entwich noch ein entsetztes "Das glaube ich nicht", als Hotsumas Feuer sie endgültig vernichtete. Hotsuma rannte sofort zu Tsukomo, während Shuusei sich verbissen zu ihr durch kämpfte. "Er lebt!", rief Hotsuma die Entwarnung und versuchte, Tsukomo aufzuwecken. Touko atmete erleichtert auf, doch viel Zeit zum erholen blieb ihr nicht. Sie waren noch immer von Dämonen umzingelt. "Bist du bereit?", fragte Shuusei und sie blickte ihn fragend an. "Wir müssen zu Yuki " Ihre Miene erhellte sich und sie nickte eifrig. Shuusei gab seinem Partner, der es gerade geschafft hatte, Tsukomo zu wecken, ein Zeichen. Schnell half er ihm auf die Beine, dann bahnten sie sich zu viert einen Weg zum Licht der Götter Kapitel 24: Die Wende - Teil 2 ------------------------------ Luzifer keuchte. Der Kampf gegen die Zessbrüder und den Drachen war anstrengender als gedacht. Erregt leckte er sich mit der Zunge über die Lippen. Die Zwillinge waren einfach wunderschön. Ihre Augen funkelten vor Kampfeseifer. In ihren Gesichtern spiegelten sich Stolz und der Wille, für das Licht der Götter zu sterben, falls es notwendig sei. Wenn dieser Kampf vorbei war, würde er seinen Hunger an den beiden stillen. Luzifer erschauerte vor prickelnde Vorfreude. Das einzige, was störte, war dieser lästige Drache. Wurde Zeit, dass er ihn endlich erledigte. Doch immer wenn er ihm gefährlich nahe kam, waren die Zessbrüder zur Stelle. Er schnalzte amüsiert mit der Zunge. Knifflige Angelegenheit. Da witterte er im nächsten Augenblick seine Chance. Blitzschnell wehrte er Lucas Angriff ab und schickte den Brüdern eine Luftwelle, die sie hart zurückschleuderte. Im nächsten Moment schoss er herum und zauberte ein elektrisch funkelndes Magienetz vor sich. Sodom erkannte seine Absicht zu spät, versuchte noch zu bremsen, doch zu vergebens. Er stürzte in das Netz und verhedderte sich kläglich. Er stieß ein wütendes Brüllen aus, während Luzifer auf ihn zusprang und zum Todesschlag ausholte. Sodoms Herz setzte für einen Schlag aus. Das letzte, was er sah, bevor er die Augen schloss, war die rot aufblitzende Klinge von Luzifers Zweihänderschwert ... Vorsichtig blickte er sich um. Die Dämonen hatten zwar deutlich an der Zahl abgenommen, dennoch würde es den Wächtern nichts nützen, denn Yukis Reserven waren fast aufgebraucht. Er konnte den Schmerz des Lichts der Götter spüren. Erstaunlich, wozu dieser zierliche, junge Mann alles fähig war und noch sein würde, falls er es überlebte und er würde es überstehen, da war sich Danny sicher. Er durfte sich nicht einmischen - nicht noch mehr, als er es bereits ohnehin getan hatte. Die Konsequenzen wären für ihn mehr als nur groß. Er erstarrte, als Luzifer in die Luft wirbelte und dem kleinen Drachen den Todesstoß versetzen wollte. Ein Blick zu Yuki genügte, um zu wissen, dass sich das Licht der Götter es nicht verzeihen würde, wenn Sodom hier sterben sollte. Danny nickte. Eine leichte Traurigkeit lag in seinen Augen, doch er wusste, dass er das richtige tat, und das war alle Opfer wert. Es ging alles viel zu schnell. Mit einem ängstlichen Knurren sah er Luzifer auf sich zu schießen. Er wollte nicht sterben, sondern Yuki weiterhin beschützen, aber sein Schicksal schien besiegelt zu sein. Ein "es tut mir leid" huschte durch seinen Kopf, als plötzlich ein greller Lichtstrudel an ihm vorbei zischte und den gefallenen Engel auf die andere Seite des Raumes beförderte. Überrascht sprang Sodom auf und schielte zu Yuki. Seine Brauen schossen erstaunt in die Höhe, als er einen jungen Mann neben dem gefesselten Licht der Götter erblickte, der gerade eine funkelnde Lichterwand als Trennung zwischen den Wächtern und Dämonen zauberte. Für einige Sekunden blickten alle erstarrt zur Barriere und dann zu ihm. Zoltan sprang als erstes mit Ria an Dannys Seite und befreiten den fast entkräfteten Yuki von seinen Fesseln. Die Wächter beeilten sich, zu ihnen zu kommen und gemeinsam verließen sie flüchtend das Anwesen. Luzifer sah ihnen verbittert nach. Diese übermächtige Magie ... das konnte nur eines bedeuten. "Engel ...", knurrte er hasserfüllt und starrte ihnen verbittert nach. "Ich werde dich kriegen und dann reiß ich dir deine verfluchten Flügel aus!" Kapitel 25: Ein Funken Normalität --------------------------------- Sie saßen in der Falle. Sairi schluckte schwer und schielte zu seinem Cousin, der noch immer um sein Leben rang. Es war nur eine Frage der Zeit, bis ihr Versteck auffliegen würde. "Kommt raus, kommt raus, wo immer ihr seid", frohlockte Cadenza mit einem mordlüsternen Grinsen. Er hatte zwar Takashiro und Yomi nicht ausfindig machen können, allerdings hatte er dafür den ausgerissenen Wächter gefunden. Er verstand nicht, was genau vor sich ging, aber es interessierte ihn auch nicht großartig. Er wollte seinen Spaß haben und er würde ihn bekommen. Luzifer hatte ihm freie Hand gegeben und er würde jede Sekunde davon auskosten. Mit einem festen Tritt beförderte er den Esstisch des winzigen Hauses in die andere Ecke. Wo versteckte sich dieser Lump? Die Baracke war nicht groß, dementsprechend auch die Möglichkeiten seiner Opfer. "Sairi, magst du nicht rauskommen, bevor ich dich rausholen muss? Wir könnten uns sicherlich einigen ... vielleicht." Cadenzas Lachen hallte in der kleinen Hütte kalt wider. Sairi fröstelte. Hatte Zoltan ihn reingelegt? Selbst schuld, was hatte er auch einem verfluchten Dämon vertraut! Sairi erstarrte im nächsten Moment, als der Opast direkt über ihnen zum Stehen kam. In den schmalen Ritzen der Holzfalltür, sah er die Breitschwertklinge seines Gegners gefährlich aufblitzen. Sairi warf noch einen flüchtigen Blick zu Masamune. Seine Entscheidung stand fest. Entschlossen bereitete er sich auf den Kampf vor, der nun folgen musste - doch er erfolgte nicht. Cadenza fluchte ärgerlich auf. Er war ganz nah, konnte seine Opfer geradezu spüren und zwar unter sich, als Luzifer ihn zurückrief. Er versuchte, sich dem Befehl zu widersetzen, etwas Zeit hinaus zu ziehen, um seine Tat zu vollenden, aber der gefallene Engel ließ es nicht zu. Mehr noch: Cadenza fühlte, dass er, wenn er noch länger brauchen würde, sein Leben verwirkte. Ergeben knirschte er mit den Zähnen und schielte auf die Falltür am Boden. "Das nächste Mal wirst du sterben!" Sairis Blick traf den von Cadenza, bevor dieser in einen magischen Strudel gezogen wurde und verschwand. Was war das? Besaß Luzifer die Kraft, seine Untertanen, egal welchen Rang sie hatten, zurückzurufen wie Schoßhunde? Beängstigend und doch in dieser Minute seine Rettung. Er spuckte auf den Boden und kämpfte die Übelkeit hinunter. Warum hatte er Cadenza ausgerechnet jetzt zurück geholt? Was war mit Yuki, Ria und den anderen? Das war wahrlich ein schlechtes Zeichen ... "Was nun? Wo gehen wir hin?", fragte Touko und schielte besorgt zum Licht der Götter. "Wir brauchen einen sicheren Ort, wo sich Yuki ausruhen kann " "Wer bist du überhaupt?", knirschte Hotsuma unwirsch in Dannys Richtung, der Luca gerade Yuki zum Tragen überreichte und die Frage geflissentlich ignorierte. "Keine Sorge. Er wird schon wieder. Er ist zäh." "Hallo? Ich rede mit dir, verdammt! Ignorier mich nicht!", brauste der Wächter temperamentvoll auf und wurde im selben Moment von seinem Partner an der Schulter zurückgehalten. Tachibana gesellte sich kurz an seine Seite und lächelte ihn beseelt an. "Haha, ein anderer Ton, wenn ich bitten darf. Immerhin handelt es sich um hohen Besuch, nicht wahr?" Danny winkte leicht ab und wandte sich Zoltan zu, der es mied, in Tachibanas Nähe zu kommen. Er fühlte sich hilflos und unbeholfenen. Die ganze Zeit hätte er alles gegeben, ihn wiederzusehen und jetzt, wo es endlich soweit war ... "Hast du sie zum vereinbarten Treffpunkt geschickt?" "Ja, sicher. Ich führe euch hin." "Sehr gut. Dort können wir uns auch etwas ausruhen." "Es wäre trotzdem nett zu erfahren, wer uns aus der Klemme geholfen hat. Vielen Dank für deine Hilfe", schaltete sich Senshiro ein und schloss zu dem Blonden auf. Beide lächelten sich herzlich an. Hotsuma legte seine Hand auf die Stirn. "Jetzt bekomm ich gleich Augenkrebs. Kaum auszuhalten, diese ekelhaften Strahlemänner" "Ich stimme dir ausnahmsweise zu, aber halt dich trotzdem zurück", fordere Kuroto und musterte die Szene mit verzogenen Gesicht. "Ach und wieso?" "Weil du mir auch auf die Nerven gehst." Hotsuma explodierte förmlich bei Kurotos Antwort, aber Shuusei hielt ihn am Kragen fest und schüttelte den Kopf. Schweigend ließ er die lautstarke Schimpftirade seines Partners über sich ergehen. Touko verzog verärgert das Gesicht. "Also wirklich. Unsere Jungs benehmen sich einfach unmöglich. Selbst in so einer Situation können die sich einfach nicht zusammenreißen!" "Da hast du recht. Manche werden eben nie erwachsen", schlussfolgerte Ria und nickte ihrer Freundin zu. "Aber kehr nicht alle Männer über einen Haufen." "Stimmt, Yuki ist ganz anders. Nicht zu vergessen, mein Tsukomo." Ria schmunzelte. "Hast du gerade mein Tsukomo gesagt?" Touko wurde leicht rot und ruderte schnell mit den Händen. "Nein ... ja ... vielleicht, aber er ist doch mein Bruder!" Sie drehte sich nach ihm um und erschrak. Er wirkte, als würde er großes Leid ertragen. War er doch schwerer verletzt, als angenommen? "Tsukomo, ist alles in Ordnung?" Besorgt für sie mit ihrer Hand über seinen Rücken. Langsam hob er den Kopf. Seine Augen waren glasig. "Nein, leider nicht." Ihr Herz krampfte bei seiner Antwort. "Hast du Schmerzen?" "Ja, ganz arg." Touko wurde blass und hob ihn fest. Ria hingegen runzelte die Stirn. So verletzt sah er gar nicht aus. "Was fehlt dir denn?" "Ich ... ich habe soooo Hunger", antwortete ihr Bruder kläglich und schaute dabei derart belämmert drein, dass sie gar nicht anders konnte, als ihn zu bemitleiden und zu knuddeln. Peinlich berührt stand Ria daneben. "Ja, manche werden eben nie erwachsen, egal ob Mann oder Frau .... und von wegen nur mein Bruder", murmelte sie vor sich hin und beobachtete die beiden. In dem Moment fing ihr Magen an zu knurren. Schnell hob sie sich die Hände auf den Bauch. Etwas zu essen wäre nun wirklich nicht schlecht, denn das letzte Essen war einige Tage her. "Wirklich schön", flüsterte Tsubaki und ein trauriges Lächeln umspielte ihre Lippen. Aya und Katsumi schauten sie fragend an. Sie bildeten zu dritt das Schlusslicht der Karawane. "Findet ihr nicht auch? Die Wächter wirken fast wieder unbekümmert, als wäre alles in Ordnung. Zumindest zum Teil ..." "Ja, ein Stück Normalität", nuschelte Aya zustimmend und nun verstand auch Katsumi. Die entspannte Stimmung der Wächter färbte etwas auf sie ab. Er hoffte nur, dass sich die Lage nicht wieder allzu schnell änderte, bedachte man, dass es für sie eigentlich nicht gerade gut aussah. Er traute sich kaum, sich während des Laufens umzusehen, den die Landschaft wies deutliche Spuren der Zerstörung der Duras auf. Schnell wandte er sich wieder ab und beobachtete stattdessen, wie Tachibana versuchte, sich an Zoltan heranzuschleichen. Zoltan fluchte innerlich vor sich hin. Was veranstaltete dieser Idiot da eigentlich? Er war noch nicht bereit, sich ihm zu stellen und mit ihm zu sprechen. Wieso konnte er ihm nicht etwas Zeit geben? "Schau nicht so ernst drein. Das gibt mit der Zeit böse Falten. Haha." Der Dämon machte einen Sprung auf die Seite, als Tachibana plötzlich neben ihm auftauchte. Wie machte dieser Kerl das nur?! Erschrocken fauchte er ihn an und floh ein paar Meter nach vorne. Tachibana griente in sich hinein. Sein Herz vollführte aufgeregte Freudensprünge. Das Schicksal konnte so grausam und gleichzeitig so schön sein. Beherzt setzte er Zoltan hinterher. Ihm war klar, dass er in Ruhe mit ihm reden musste. Womöglich musste er nochmal ganz von vorne anfangen, denn das Herz des Dämons schien von einer dichten Mauer umschlossen. Es musste einiges in den Jahrhunderten passiert sein ... Zum Glück war er in allem gut. Von daher würde es ihm auch gelingen, diese Barriere einzureißen. Nun genoss er es erstmal in vollen Zügen, Zoltan in Verlegenheit zu bringen und ihn zu sticheln. Er hatte immerhin viele Jahre nachzuholen. Grinsend sprang er vor den Dämon und versperrte ihm den Weg, sodass dieser beinahe gegen ihn prallte. "Ha ha, du bist aber schnell geworden mit der Zeit. Ha ha." Zoltans Gesichtszüge entgleisten. Das durfte doch nicht wahr sein! Tachibana schien sich von Herzen zu amüsieren! Dummerweise fehlten ihm die Worte. Sein Gegenüber machte ihn ganz konfus. Mit einem unverständlichen Murren, schlängelte er sich an ihm vorbei und ergriff erneut die Flucht. Grinsend und lachend sprang Tachibana hinterher. "Yuki ...", flüsterte Sodom traurig, zog seine kleinen Flügel fest an seinen Körper und schmiegte sich an die Wange des Schlafenden. In nur wenigen Sekunden war er eingeschlummert. "Sehr süß", bemerkte Danny lächelnd und strich dem Licht der Götter durch die Haare und Sodom über seinen bepelzten Kopf. "Du bist also tatsächlich ein Engel?" Luca betrachtete ihn misstrauisch von der Seite, während er Yuki trug. Der Blonde nickte darauf nur. Zu wenig an Reaktion für all die offenen Fragen, die in Lucas Kopf umher schwirrten. "Warum hilfst du uns? Ist es in Himmel zu langweilig geworden oder haben die Götter beschlossen, Luzifer Einhalt zu gebieten?" Dannys Lächeln nahm melancholische Züge an, aber er behielt es eisern bei. "Weder das eine, noch leider das andere." "Das heißt, wir haben keine andere Hilfe zu erwarten, richtig?", schlussfolgerte Reiga und der Engel nickte. "So ist es." "Ein Alleingang also ...", murmelte Luca und starrte finster vor sich hin, bis ihn Zoltans Fauchen und vergebliche Fluchtversuche aus den Gedanken riss. "Und er? Was spielt er dabei für eine Rolle? Ein Dämon, der mit einem Engel gemeinsame Sache macht?" "Wer weiß das schon?", lautete die zuckersüß klingende Antwort des Blonden. Luca schnalzte verärgert mit der Zunge. "Du weißt, was für dich auf dem Spiel steht, wenn du noch mehr intervenierst?", gab Reiga in ernsten Tonfall zu Bedenken und Danny lächelte weiterhin. "Ja, in der Tat." "Hast du dir das gut überlegt? Deine Position scheint nicht gerade rangniedrig zu sein." Der Engel zog überrascht eine Augenbraue in die Höhe. "Woher weißt du das?" "Ich spüre und sehe das einfach", meinte Reiga und zuckte kaum merklich mir den Schultern. "Ach, so ist das ... sehr gutes Gespür", lobte Danny gedankenverloren. "Aber ja, meine Entscheidung steht fest. Auch wenn ich ein Himmelsbewohner bin, heiße ich nicht alles gut, was passiert. Deswegen habe ich beschlossen, einzugreifen. Viel zu lange habe ich nur stumm zugesehen. Ich stehe hinter meinem Handeln und werde alle Konsequenzen tragen. Ausnahmslos." Danny nickte Luca und Reiga zu. Sie stellten ihm keine weiteren Fragen, denn seine Miene verriet, dass er nicht mehr gewillt war, zu sprechen. Schweigend hörte Luze zu und lief schräg hinter seinem Bruder hinterher. Ein Engel also. Er wirkte so erhaben. Freundlich. Warmherzig. Stark. Verführerisch ... Der Dämon kniff kurz die Augen zusammen, doch er konnte seinen Blick nicht von Danny lösen. Danny ... das war bestimmt nicht sein richtiger Name. Wie gern würde er mehr über ihn wissen. Viel mehr. Alles. Yuki war schon anziehend. Er konnte gut nachvollziehen, was sein Zwilling an ihm fand. Vor wenigen Wochen hätte er alles getan, um ihm Yuki zu entreißen, doch nun ... Nie hätte er gedacht, dass jemand ihn derart in den Bann ziehen konnte und würde. Und dann auch noch ein Engel... Er hasste die Himmelsbewohner für gewöhnlich. Sie waren hochnäsig, arrogant und überheblich. Doch der hier war anders. Luzes Herz schlug höher, bis zum Anschlag. Nur mir Mühe und Not konnte er seine Gier zurückhalten. Egal was noch kommen würde: er würde Danny verschlingen - auf die eine oder die andere Art. Kapitel 26: Das Wiedersehen --------------------------- Zoltan atmete erleichtert auf, als die kleine Hütte - eine ehemalige Herberge - in Sicht kam. Vielleicht würde Tachibana nun endlich Ruhe geben und schlafen. "Wir sind da." Er deutete auf die Holzbaracke am Waldrand und sowohl Aya als auch Tsubaki seufzten erleichtert auf. Ihre Beine fühlten sich bleischwer an und ihre Körper verlangten unablässig nach einer Pause. "Den Göttern sei Dank! Ich kann keinen Schritt mehr setzen!" Katsumi schloss für einen kurzen Moment die Augen. Allerdings blieb die Erleichterung aus. Etwas fehlte. Etwas Natürliches. Schönes. Kuroto sprach seine Gedanken aus. "Hört ihr das auch?" "Mmh? Was meinst du? Ich höre nichts", gab Senshiro zurück und auch die anderen begannen nun zu lauschen. "Eben. Das meine ich. Wo ist das Vogelgezwitscher? Das Zirpen von Grillen und Insekten? Wir befinden uns an einem Waldrand, doch es ist gespenstisch still." "Das ist nicht weiter schlimm", antwortete Luca und die anderen blickten ihn skeptisch an. Luze kam ihm mit der Antwort zuvor. "Wir sind noch zu nah bei Luzifer und seinem Gefolge. Im gesamten Gebiet werden keine Tiere zu sehen und zu hören sein." "Ein Wunder, dass überhaupt noch was blüht", fügte Zoltan ernst hinzu und schaute sich um. Danny strahlte über das ganze Gesicht und klatschte aufmunternd in die Hände. "Also ein gutes Zeichen! Dann auf ins Haus und Kräfte sammeln. Wir haben noch viel vor und können leider nicht lange bleiben." Nicht jeder stimmte zu, doch als Reiga und Luca mit Yuki voraus liefen, setzten die anderen hinterher. Ein paar Meter vor der Haustür blieben sie allerdings alarmiert stehen. Sairi lief im Zimmer unschlüssig auf und ab. Was sollte er tun? Er konnte Masamume nicht allein lassen, aber viel länger warten konnte er auch nicht. Sein Cousin würde sterben, wenn nicht bald etwas passieren würde. Auf was er eigentlich wartete, wusste er auch nicht. "Dieser verfluchte Dämon!" Er trat nach dem Tischbein aus und hielt plötzlich in seiner Bewegung inne. Konnte das wirklich sein? Täuschte ihn sein Gefühl oder handelte es sich gar um eine Flinte von Luzifer? Sairi schluckte und sein Herzschlag nahm an Geschwindigkeit zu. Nein, er spürte es ganz deutlich und klar: Yuki war in der Nähe. Und nicht nur das Licht der Götter. "Ria", flüsterte er mit zitternder Stimme. Wie in Trance lief er die knarzende Treppe ins Erdgeschoss hinunter und hinaus ins Freie. Dort blieb er wie vom Blitz getroffen stehen. Vor ihm standen in nur wenigen Metern Entfernung seine einstigen Kameraden. Sairi wurde von tausend Gedanken und Gefühle geschüttelt. Sie waren am Leben. Er kam allerdings nicht dazu, ihnen entgegen zu treten, denn Hotsuma stürmte mit einem wütenden Schrei auf ihn zu. Tachibana und Shuusei sahen das Unglück kommen. Der ehemalige, selbsternannte Herbergsvater nickte dem jungen Wächter zu, der sofort begann, einen schützenden Bannkreis um die Herberge zu ziehen. Touko und Tsukomo kamen ihm dabei geistesgegenwärtig zur Hilfe. Gerade noch rechtzeitig, denn Sairi wich Hotsumas flammenden Attacken aus und ein Feuerstrahl schoss geradewegs auf das Gebäude zu. Luca, Reiga und Luze brachten Yuki in Sicherheit, während Senshiro und Kuroto sich um Tsubaki, Aya und Katsumi kümmerten. "Dass dieser Idiot immer gleich übertreiben muss!", murmelte Kuroto wütend, aber auch ihm juckte es in den Fingern, dem Verräter eine Abreibung zu verpassen. Für eine Weile beobachtete Ria den Kampf mit versteinerte Miene. Sairi lebte also. Sollte sie sich freuen? Entsetzt sein? Sie wusste es nicht. In ihr rangen die unterschiedlichsten Gefühle um die Oberhand. So stand sie eine Weile da und betrachtete ebenso wie ihre Gefährten den fast ausgeglichenen Kampf. Sairi hielt sich gut. Das musste sie ihm lassen, doch gegen Hotsuma hatte er auf Dauer keine Chance. Sie war sich sicher zu wissen, wie der Kampf ausging. Und sie sollte recht behalten. Ihr ehemaliger Partner wich der Feuermagie seines Gegners aus, parierte seine Schwertattacke, doch sah den blitzschnellen Faustschlag seines Gegners nicht kommen. Hart traf ihn Hotsumas Faust ins Gesicht. Sairi strauchelte, wehrte gerade noch rechtzeitig den nächsten Schlag aus, doch wurde von dem darauffolgenden Kick erfasst. Mit einem Röcheln stürzte er zu Boden und Hotsuma setzte zur nächsten Attacke an. Allerdings kam er nicht so weit, denn Tachibana und Shuusei waren in Windeseile an seiner Seite und hielten den Tobenden fest. "Lasst mich los! Ich bin noch nicht fertig!", schrie er aufgebracht, woraufhin sein Partner nur den Kopf schüttelte und Tachibana vor sich hin kicherte. "Beruhige dich. Du hast unseren Standpunkt mehr als deutlich gemacht", meinte Shuusei, aber seine Worte konnten Hotsuma nicht beruhigen. "Von wegen! Ich habe gerade erst angefangen! Dieser elende Verräter!" "Ich verstehe deinen, nein, euren Unmut, aber glaubt ihr wirklich, Yuki würde das wollen?", schaltete sich Tsubaki mit trauriger Miene ein und schielte zum schlafenden Licht der Götter. Ihre Worte nahmen Hotsuma etwas den Wind aus den Segeln. Er ballte seine Hände zu Fäusten, schielte zu Yuki und wandte sich dann wieder Sairi zu, der sich gerade aufrichtete. "Bild dir bloß nichts darauf ein. Ich verschone dich nur für Yuki", presste Hotsuma aus zusammengebissenen Zähnen hervor und funkelte Sairi zornig an. Der spuckte verachtend auf den Boden. "Als ob! Du hast nur nicht den Mut dazu. Und statt das zuzugeben, schiebst du alles schön auf das schlafende Dornröschen. Einfach, wenn man ständig die Prinzessin als Ausrede hat, nicht wahr?" "Du!" Hotsuma setzte abermals einen Schritt auf ihn zu, aber Ria war schneller. Sie verpasste Sairi eine schallende Ohrfeige und ihr vorwurfsvollen Blick nagelte ihn an Ort und Stelle fest. "Ria, ich ...", flüsterte Sairi, als ihn eine erneute Ohrfeige traf. "Die erste war für dein Verschwinden. Das hier ist dafür, dass du uns alle im Stich gelassen hast. Und die hier", sie holte abermals aus und er ließ es widerstandslos geschehen, "ist für mich!" Sie schluchzte. Um sie herum wurde es still. Zoltan sah die anderen fragend an und Reiga gab ihnen ein Zeichen. Gemeinsam betraten sie die Hütte und ließen das ehemalige Pärchen allein. Ria schluchzte und senkte ihren Kopf. Sie ertrug es nicht, ihn noch weiter anzusehen. Ihre unterdrückten Gefühle überrollten sie gnadenlos. Sairi stand für einige Sekunden reglos da. Das hatte er verdient. "Ria, kannst du mir verzeihen?" Er klang gefasst, doch innerlich fühlte er sich zerrissen. Sie blickte noch immer nicht auf, brachte es nicht über sich. "Du hattest bestimmt deine Gründe, zumindest möchte ich daran glauben ... doch ich kann nicht." Sie brach in Tränen aus und hob schnell ihre Hände vor ihr Gesicht. Sairi durchfuhr ein Stich. Er biss sich auf die Lippen, um seine eigenen aufsteigenden Tränen zu unterdrücken. Vorsichtig zog er sie in seine Arme. Zuerst versuchte sie, ihn wegzuschieben, doch er hielt sie sanft aber bestimmt fest. "Es tut mir leid, Ria. Ich musste es tun ... würde es auch wieder tun. Ich weiß, ich werde meine Tat nicht mehr gutmachen können, doch ich werde es mein Leben lang versuchen." Sie schluchzte verbittert auf und vergrub ihr Gesicht in seinen Oberkörper. Mit der Faust schlug sie immer wieder gegen seine Brust, mit jedem Schlag verließ sie ihre Kraft mehr und mehr. "Idiot!", nuschelte sie unter Tränen, doch Sairi ließ sie nicht los. "Ich weiß", flüsterte er tonlos zurück. "Du blöder Idiot!" Touko beobachtete die beiden besorgt aus dem Fenster, während die anderen sich auf die Zimmer verteilten, um sich auszuruhen. Tsukomo trat an ihre Seite und lehnte seinen Kopf an den ihren. "Du machst dir Sorgen." "Ja, ein bisschen." "Das musst du nicht." "Ich hoffe, du hast recht." "Lass uns schlafen gehen. Du bist sicherlich auch müde." Er griff nach ihrer Hand und zog sie hinter sich her. Touko schielte nochmals aus dem Fenster. Hatte Ria damals recht gehabt? Sollte sie mit Tsukomo über ihre Gefühle sprechen, ja ihre Gefühle gar zulassen und ihnen eine Chance geben ungeachtet der Konsequenzen? Die letzten Tage hatten bewiesen, dass ihr Leben jederzeit enden konnte ... "Tsukomo...", setzte sie unsicher an und blieb stehen. Ihr Bruder drehte sich zu ihr um und sah sie irritiert und fürsorglich an. Ihr Herz schlug immer schneller, sodass sie schon fast Angst hatte, es würde sich überschlagen. "Ich ..." "Ja?" "..." "Mmh?" "Danke." Sie lächelte ihn verzagt an und er nahm sie kurz in seine Arme. Sie konnte es nicht. Es war nicht richtig. Verbittert biss sie sich auf die Unterlippe. Touko bewunderte ihre Freundin und wünschte sich für sie, dass sie Sairi verzeihen können würde. Nach einigen Sekunden ließ Tsukomo sie los und sie suchten sich ein freies Zimmer, um zu rasten. Kapitel 27: Das Leiden eines Kochs ---------------------------------- "So ... was haben wir denn da?" Beschwingt öffnete Danny die Tür des Vorratsschrankes und nickte zufrieden. Da war bestimmt was zu machen. "Können wir das hier auch gebrauchen?" Luze reichte ihm die Döschen, die er im Hängeschrank vorgefunden hatte. Auf dem Gesicht des Engels zeichnete sich ein sanftes Lächeln. "Super, du hast die Gewürze gefunden. Sehr gut gemacht, Luze." Der Dämon errötete kaum merklich und seine Haut fing an zu glühen. Dennoch hielt er dem Blick des anderen Stand. Seine Miene wirkte kühl - wie eingemeißelt -, doch seine Augen leuchteten voller Tatendrang. Noch mehr. Er wollte noch mehr Anerkennung. Reiga betrat die Küche und zog verwundert seine Brauen nach oben. "Ich habe Katsumi hier erwartet ... das überrascht mich jetzt schon." Seine Augen verharrten auf Luze, der dies jedoch nicht weiter beachtete. „Und was treibt dich in die Küche?“, fragte Danny freundlich, worauf Reiga eintrat. „Ich wollte nachsehen, ob ich für Yuki was zu essen auftreiben kann, bevor wir weiter gehen.“ „Das ist sehr umsichtig von dir. Aus dem gleichen Grund sind Luze und ich auch hier. Bevor wir die Reise antreten, sollen sich alle satt essen.“ Die drei nickten sich im stummen Einverständnis zu. Für ein paar Minuten standen sie unschlüssig und schweigend da. Dann unterbrach Reiga die Stille. „Und? Kann jemand von euch kochen?“ Luze verzog sein Gesicht und Danny lachte auf. „Nein, aber so schwer wird das schon nicht sein. Also, lasst uns unser Glück versuchen!“ Klatsch. Eine Hand landete hart auf seinem Gesicht. Katsumi stöhnte, wischte ihre Hand beiseite und hielt sich seine schmerzende Nase. Er schielte vorwurfsvoll nach links, wo Tsubaki auf dem Rücken lag, alle Arme und Beine von sich gestreckt, und scheinbar zufrieden vor sich hin schnarchte. Eins musste er Yukis Tante lassen – sie hatte wirklich einen harten Schlag. Er seufzte und schloss abermals seine Lider. Die Müdigkeit lag noch immer wie ein Schleier über seinen erschöpften Gliedern. Gerade als er dabei war, ins Land der Träume einzutauchen, traf ihn Ayas Fuß am Schienbein. Er verkniff sich einen leisen Aufschrei und drehte sich auf die Seite, sodass er sich das unruhig schlafende Dienstmädchen betrachten konnte. Es waren nicht genug Zimmer mehr frei gewesen, sodass er im Flur hätte schlafen müssen. Die beiden Frauen waren so nett gewesen und hatten ihn mit zu sich genommen. Nun lag er in der Mitte, was sich leider als nicht ganz so angenehm entpuppte, wie man denken sollte. Katsumi seufzte. Ayas Lider flatterten unruhig. Er schluckte. Wie gern würde er ihr helfen und ein Teil ihrer Sorgen auf sich nehmen. Sie musste so viel ertragen. Der Tod ihres Bruders ließ sie nicht los. In Katsumis Augen stiegen Tränen auf und das nicht nur, weil er von Tsubaki einen weiteren Schlag in den Rücken bekam. Seine Wirbelsäule heulte gepeinigt auf. Mit einem schiefen Grinsen stand er auf. Zwar nagte die Erschöpfung unerbittlich an ihm, doch er würde hier keinen Schlaf finden, das war sicher. Für einige Minuten stand er vor dem Bett und sah auf die Frauen herab. Kaum zu glauben, dass Yuki mit Tsubaki verwandt war, denn sehr ähnlich waren sie sich nicht. Weder äußerlich, noch charakterlich. Seine Augen ruhten auf Aya. Selbst jetzt, wo sie entkräftet und ausgezehrt vor ihm da lag, war sie wunderschön. Anmutig. Gütig. Liebevoll. Er schüttelte schnell seinen Kopf. Es gehörte sich nicht, Frauen derart anzustarren. Schon gar nicht, wenn sie schliefen. Flink zog er seine Schuhe an und schlich hinaus. Katsumi streckte sich ausführlich, sodass sein verspannter Rücken und Nacken krachte und machte sich dann auf den Weg zur Küche. Wenn er schon nicht schlafen und sich ausruhen konnte, wollte er die Zeit wenigstens damit verbringen, den anderen etwas Gutes zu tun und zu helfen. Und wie könnte er das besser, als beim Kochen? Der Gedanke beschwingte ihn. Mit einem leisen Summen auf den Lippen schritt er durch den Flur und die Treppe hinunter. Wie vom Blitz getroffen blieb Katsumi stehen. Noch bevor er den dicken, schwarzen Rauch sah, roch er es schon. Das war nicht gut. Entsetzt sprang er in die Küche, wo Reiga gerade die Fenster aufriss. Luze und Danny husteten und sahen prüfend in die Töpfe und Pfannen. „Was … was macht ihr denn da?“ Die Augen des gelernten Kochs füllten sich mit Tränen. Fassungslos starrte er auf die sich ihm darbietende Misere. Der Engel lächelte ihn verzagt, aber voller Stolz an. „Wir kochen!“ Luze nickte und Katsumis Gesichtszüge entgleisten nun völlig. „Wir versuchen es“, korrigierte Reiga, der nicht daran glaubte, dass noch etwas davon zu retten war. „Es ist nur ein bisschen schwarz …“, meinte Danny verunsichert und kratzte mit dem Kochlöffel in einem der Töpfe herum. „Röstaroma“, meinte Luze überzeugt, der ihm nicht von der Seite wich. Katsumi zitterte. Er war fassungslos. Warum meinte hier jeder kochen zu müssen? War sein Essen nicht gut genug? Irgendwie kratzte die Situation an seinem Ego. Ein ekelhaftes Gefühl. Er ballte seine Hände zu Fäusten und senkte entmutigt seinen Kopf. Bestürzt stellte Danny den Topf ab und eilte auf den Koch zu. Das hatte er nicht gewollt. Klar, das Ergebnis war nicht zufriedenstellend, aber so schlimm auch wieder nicht, oder etwa doch? Vorsichtig legte er eine Hand auf Katsumis Rücken und streichelte beruhigend darüber. „Sorry, es tut uns leid. Wir wollten nur helfen. Ihr habt alle so viel mitgemacht und da dachten wir, wir zaubern euch was Schönes“, versuchte er, ihn zu beschwichtigen. Zaubern? Was Schönes? Wohl kaum. Er hob leicht seinen Kopf und die anderen schreckten zurück. Das schiefe, aufgezwungene Grinsen verhieß nichts Gutes. „Ich weiß … ihr meint es bestimmt gut … aber die Küche ist mein Territorium!“ Luze zog verwundert eine Braue in die Höhe. „Wir haben nur geholfen.“ „Geholfen? Seht euch um – schaut, was ihr der Küche und dem Essen angetan habt!“ Katsumis Stimme überschlug sich. „Das grenzt an Misshandlung!“ Die drei sahen betreten zu Boden und murmelten eine Entschuldigung. Der Koch holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen. Er musste dringend was unternehmen. So ging das nicht weiter. „Okay, hört zu. Bitte verlasst die Küche und lasst mich retten, was noch zu retten ist.“ Betroffen blickten die Übeltäter sich an. Reiga wagte als erster zu sprechen. „Aber wir wollen helfen.“ „Das könnt ihr“, antwortete Katsumi und eine seltsame Ruhe hatte sich in seine Tonlage eingeschlichen. „Fein, wie?“ Danny strahlte ihn geradezu an. „In dem ihr die Küche sofort verlasst!“ „Nein“, widersprach Luze entschieden, worauf Katsumi von der Wut der Verzweiflung übermannt wurde und sich ein großes Küchenmesser schnappte. „Raus und zwar sofort! Alle!“ Der Dämon wollte abermals widersprechen, doch sowohl Danny als auch Reiga hielten ihm den Mund zu und manövrierten ihn hinaus. „Tut uns leid. Ruf uns, wenn du Hilfe brauchst“, flötete der Blonde, bevor sie endlich den Raum verließen. Der Koch schloss die Tür und blickte sich um. Das hinterlassene Chaos war verheerend. Zuerst musste er für Ordnung sorgen. Danach musste er prüfen, was noch an Zutaten übrig und zu verwerten war. Zum Schluss kam das Kochen. Er krempelte entschlossen seine Ärmel nach oben und machte sich voller Tatendrang an die Arbeit. Er hatte viel zu tun. Als Koch hatte man es wahrlich nicht leicht. Kapitel 28: Liebesgeflüster --------------------------- Wohlig räkelte sich Zoltan im Bett. Es schien ihm nach den Anstrengungen der letzten Stunden wie die reinste Wohltat, obwohl er schon bequemer gelegen hatte. Nie hätte er gedacht, dass ein Wiedersehen mit Tachibana dermaßen anstrengend sein würde. Wobei … damals hatte er sich nicht zu hoffen gewagt, ihm jemals wieder zu begegnen. Die Trennungsstrafe war resolut gewesen. Er hatte sich nicht einmal von ihm verabschieden können. Etwas in ihm schmerzte. Wahrscheinlich hätte er sich ohnehin nicht verabschiedet. Er hätte alles versucht, um das Schicksal zu verhindern. „Du ziehst ja schon wieder die Stirn in Falten. Man kann dich aber auch wirklich nicht allein lassen, ha ha.“ Zoltan schlug erschrocken die Augen auf. Das durfte doch nicht wahr sein. Er wollte sich zu Tachibana umdrehen, doch bevor er die Möglichkeit dazu hatte, schlüpfte dieser auch schon zu ihm unter die Bettdecke, zog ihn fest an sich und legte von hinten seine Arme um ihn. „Du bist so schön warm“, flüsterte Tachibana und vergrub sein Gesicht in den Haaren des Dämons. „Und du – du bist nackt!“, beschwerte sich Zoltan und versuchte sich vergebens zu befreien. Der andere lachte belustigt auf, ließ allerdings kein bisschen locker. „Unsinn. Ich habe doch noch Boxershorts an“, belehrte er ihn mit einem Kichern. „Das ist fast dasselbe! Raus aus meinem Bett!“ „Erstens ist Körperwärme die beste Wärme. Zweitens gibt es nichts an deinem Körper, was ich nicht eh schon gesehen hätte und drittens bist du ziemlich unfair. Wo soll ich denn hin? Alle Zimmer und Betten sind belegt.“ Er seufzte gespielt leidend auf und Zoltan knirschte mit den Zähnen. „Dann schlaf im Flur!“ „Oh, jetzt wirst du aber grausam.“ „Das Leben ist hart …“ Tachibanas Gesichtszüge wurden mit einem Mal ernst. Zärtlich streichelte er über Zoltans Arm und hauchte ihm einen Kuss in den Nacken. Mit Entzücken stellte er fest, dass seine Liebkosung den Dämon nicht kalt ließ. Zoltan erschauerte. Tachibanas Berührungen und Nähe verursachten bei ihm ein völliges Gefühlschaos, das er nicht mehr kontrollieren konnte. Wie konnte dieser Idiot vom Spaß und Piesacken derart schnell auf Ernst umsteigen? Damit war er noch nie sonderlich gut zurechtgekommen. Seine Mauer, die er all die Jahre mühevoll aufgebaut hatte, drohte zu brechen und bröckelte bereits langsam vor sich hin. Er biss sich mahnend auf die Unterlippe, denn er wollte seine Deckung nicht aufgeben. „Du hast bestimmt viel durchgemacht, seitdem wir getrennt wurden“, flüsterte Tachibana leise in sein Ohr und verursachte damit einen erneutes Kribbeln in Zoltans Körper. „Magst du mir davon erzählen?“ Der Dämon schluckte. „Nein.“ „Sicher?“ „Ja.“ „Okay, vielleicht in ein paar Minuten?“ „Nein!“ „Am Abend nach dem Essen?“ „Verflucht nochmal – ich habe NEIN gesagt!“ Tachibana kicherte in sich hinein und bekam als Antwort einen Ellenbogenstoß in die Rippen. Er keuchte auf und zwickte den anderen ins Ohr. „Dass du immer dermaßen brutal sein musst, ha ha.“ „Das du immer derart nerven musst.“ „Aber genau das liebst du doch so an mir?“ Zoltan zog argwöhnisch eine Braue nach oben. „Wie kommst du denn darauf? Und wer hat hier etwas von lieben gesagt?“ „Früher hat sich das anders angehört und dein Körper verrät es mir“, wisperte Tachibana und drückte den Dämon noch fester an sich. Zoltan schluckte. Tränen schossen in seine Augen. Das hier war wirklich die reinste Folter. Dummerweise hatte dieser Trottel mit allem Recht, was er sagte. Seine Stimme drohte zu versagen und Sehnsucht erwachte in ihm, als hätte sein einstmals Geliebter ein Feuer entfacht, dessen Flammen sich rasend schnell in seinen Körper ausbreiteten und nach mehr verlangten. „Kann sein“, entgegnete er daher nur flüchtig und so leise, dass er sich selbst kaum verstand. Tachibana lächelte zufrieden. Er konnte es noch immer. Dennoch musste er etwas Abstand nehmen, wenn er nicht gleich über ihn herfallen wollte. Dabei war seine Sturm und Drang Zeit schon längst vorbei, doch sein Körper zeigte ihm deutlich, dass er Jahre lang hatte hungern müssen. Verstohlen lachte er in sich hinein. Dazu war es noch zu früh. Er wollte das wiedergefundene Glück nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. „Und du bist noch genauso stoffelig und liebenswert wie damals“, flüsterte er. „Deswegen wolltest du mich bei unserer ersten Begegnung auch töten.“ „Das hätte ich nie getan.“ Zoltan wollte etwas entgegnen, öffnete seinen Mund, doch er brachte keinen Ton heraus. Er atmete tief ein und aus. Langsam fing er an, sich zu entspannen. Für einige Minuten legte sich eine angenehme Stille über sie wie eine schwere und kuschelige Wolldecke. Tachibana döste leicht vor sich hin und genoss die Nähe und Wärme seines Freundes. „Mach das nie wieder, hörst du?“ Zoltans leise Stimme riss ihn aus seinen schläfrigen Gedanken. „Mmh?“ „Lass mich nie wieder allein.“ Und in Gedanken fügte er hinzu, „Ein zweites Mal würde ich nicht überleben.“ Tachibanas Herz machte einen verzagten Sprung. Ein glückseliges Lächeln umspielte seine Mundwinkel. „Versprochen. Ich werde nicht zulassen, dass uns nochmal jemand trennt.“ Abermals schwiegen sie und dieses Mal ließen sich beide, eng umschlungen, von den Fäden des Schlafes ins Land der Träume entführen. Warme Finger streichelten zärtlich über seine Wange und versuchten, ihn aus den Wogen des Schlafes zu locken. Yukis Lider flatterten leicht. Was war alles passiert? Wo war er? Richtig – Luzifer! Ruckartig riss er seine Augen auf, doch bevor er sich aufrichten konnte, wurde er sanft, aber mit Bestimmtheit nach unten gedrückt. Luca und Sodom schauten besorgt sauf ihn herab. Luca strich ihm behutsam eine Strähne aus dem Gesicht. „Es ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit.“ Yuki seufzte beruhigt auf, doch noch konnte er sich nicht entspannen. „Was ist mit den Wächtern und den anderen?“ „Es geht ihnen gut. Sie schlafen in den Nebenzimmern.“ Das Licht der Götter spürte die Anspannung von sich abfallen und ließ sich zurück ins Kissen sinken. „Yuki, geht’s dir auch gut?“, wollte Sodom wissen und klammerte sich an ihn. „Ja, danke dir, Sodom. Aber was ist denn überhaupt passiert?“ Luca nickte und klärte ihn über ihre Flucht bis hin zum Wiedersehen von Sairi auf. Yuki hörte ihm geduldig zu, auch wenn es ihm schwer fiel, sich zu konzentrieren. Immer wieder erwischte er sich dabei, wie er an die Vergangenheit dachte, als er noch eine Frau gewesen war und Luca … Röte eroberte seine Wangen und er schloss eilig die Augen, um den Dämon nicht weiter anzustarren. „Danny scheint mehr zu wissen und wird nachher beim Essen mit uns sprechen“, schloss Luca seinen Bericht. „Alles okay?“ „Ah … ja, warum?“ Yukis Herz pochte unkontrolliert in seiner Brust, sodass es schmerzte. Luca verzog nachdenklich sein Antlitz. „Du hast so seltsam drein geschaut. Ist wirklich alles in Ordnung? Du hast dich beim Kampf gegen Luzifer wieder verausgabt …“ „Bitte mach dir keine Sorgen. Ich bin nur noch etwas müde.“ Im nächsten Moment fing Yuki an zu lachen. Sodom und Luca blickten irritiert drein. „Ist es nicht lustig? Die meiste Zeit über bin ich nur am Schlafen. Ein schönes Licht der Götter bin ich.“ Er fuhr sich erschöpft mit seiner Hand über die Stirn. Wegen Schlafmangel durfte er sich wohl wirklich nicht beschweren. Sodoms Augen weiteten sich entsetzt. „Yuki traurig?“ „Nein, ich …“ „Du bist weder nutzlos, noch schwach“, unterbrach Luca ihn mitfühlend. „Wärst du nicht gewesen, wäre unser aller Schicksal endgültig besiegelt. Ohne dich, hätten wir nicht fliehen können. Selbst Danny meinte, dass von dir eine unheimlich mächtige Kraft ausgeht.“ Ein trauriger Schleier legte sich auf Lucas Augen nieder und ließ das Licht der Götter schlucken. „Yuki, wieso siehst du nicht, wie wundervoll und stark du bist?“ Für einen Moment schien die Zeit still zu stehen. Sie sahen sich tief in die Augen und Hitzewellen fluteten Yukis Haut. Er fühlte sich mit Luca verbunden, wie zu jener Zeit. Der Wunsch, den Dämon zu berühren und in seinen Armen zu versinken wurde wach und wuchs mit jeder verstreichenden Sekunde. Doch fühlte Luca noch so wie damals? Und konnte er diese Gefühle überhaupt zulassen? Waren sie echt oder nur ein verblassendes Überbleibsel aus vergangener Zeit? Es hatte sich viel verändert. Er war nun ein Mann … In ihm tobte ein Sturm aus Gefühlen. Was sollte er tun? Wie sollte er Luca weiterhin unter die Augen treten? Er hatte sich vorgenommen, sich normal zu verhalten und die Vergangenheit hinter sich zu lassen, aber jetzt, wo Luca direkt vor ihm saß, war er sich nicht mehr sicher, ob er das auch konnte. „Yuki?“, wiederholte der Dämon bedrückt und legte liebevoll die Hand auf seine Wange. Ein Kribbeln ließ ihn erschauern und Luca hielt verwundert inne. Das Licht der Götter verfluchte sich innerlich selbst. Seine Reaktionen und sein Zwiespalt waren viel zu offensichtlich. So würde er sich noch verraten … Sodom starrte verwundert von einem zum anderen. Die Gebären der Menschen waren für ihn nicht einfach zu verstehen. Was hatten die beiden denn auf einmal? Er setzte an, um nachzuhaken, als ein verführerischer Duft seine Stupsnase kitzelte. Sodom hob seinen Kopf und schnüffelte eifrig. „Taiyaki!“, rief er erfreut und seine Augen begannen zu funkeln. „Katsumi kocht uns lecker Taiyaki!“ Mit einem Satz sprang er auf und aus dem Zimmer. Luca und Yuki schauten ihm verdattert hinterher, bis das Licht der Götter amüsiert zu lachen begann. „Ich glaube, du solltest hinterher.“ „Was ist mit dir?“ „Keine Sorge, ich komme gleich nach. Ich muss nur kurz meinen Kopf frei machen.“ Besorgt blickte der Dämon ihn an, doch Yuki nickte ihm aufmunternd zu. Daraufhin erhob sich Luca mit einem lautlosen Seufzen und schritt zur Tür. Bevor er das Zimmer verließ, wandte er sich noch einmal um. „Du rufst mich, wenn du was brauchst?“ „Natürlich“, gab Yuki mit einem ehrlichen Lächeln zurück, worauf er nickte und Sodom folgte. Das Licht der Götter blickte ihm noch lange nach. Selbst dann, als die Tür ins Schloss fiel, konnte er sich nicht abwenden. Die wiedergefundenen Erinnerungen ließen ihn nicht los und tanzten in seinem Schädel einen Ringelrein. Vor seinem geistigen Auge bildete sich ein kleines von Kerzen beschienenes Turmzimmer, zwei warme Körper in einer innigen Umarmung und das süße Versprechen, das ihm Luca zugeflüstert hatte, fesselte ihn. „Nur ich kenne deinen Schmerz. Deine Unsicherheit. Deine Einsamkeit. Wenn wir nur für immer zusammen sein könnten ... Ich werde es so oft sagen, wie du willst: Ich werde dich nicht verraten. Niemals.“ Kapitel 29: Aufbruchsstimmung ----------------------------- "Yuki!" Die Wächter und Freunde sprangen sofort auf, als das Licht der Götter den Speiseraum betrat und drängten zu ihm. Tsubaki stieß Kuroto auf die Seite und umarmte ihn stürmisch. "Geht es dir gut? Ach bin ich froh!" Eine Flut aus freudigen Kundgebungenund besorgten Fragen prasselte auf ihn ein. Yuki lächelte verlegen und versuchte, so viel wie möglich davon zu beantworten. Sairi stand in einer Ecke und beobachtete das Geschehen mit gemischten Gefühlen. Ebenso Luca, der noch immer versuchte, sich aus Yukis kürzlichen Verhalten einen Reim zu machen. Tachibana kam gemeinsam mit Zoltan in das Zimmer und unterbrach den Trubel. "Schön, schön. Ihr habt Yuki alle begrüßt, nun setzt euch bitte wieder hin und überrollt ihn nicht gleich." Mit Murren und empörten Kommentaren nahmen alle Platz und auch das Licht der Götter setzte sich. Seine Augen weiteten sich, als er Sairi erblickte. Sofort sprang er wieder auf und eilte auf den Wächter zu, der ihn misstrauisch und schuldbewusst zugleich ansah. Er öffnete seinen Mund, um etwas zu sagen, aber Yuki kam ihm zuvor. Freudestrahlend umschloss er Sairis Hände mit den seinen. "Ich bin so erleichtert, dass es dir gutgeht." In seinen Augen sammelten sich Tränen und der abtrünnige Wächter verspürte eine tiefe, schmerzende Reue. Er senkte den Kopf, konnte Yuki nicht länger in die Augen schauen. "Es tut mir leid", presste der Wächter knirschend hervor und Yuki schüttelte den Kopf. "Schon vergessen, solange du nun an unserer Seite bleibst." Er nickte Sairi zu und sie setzten sich zu den anderen an den Tisch. Danny betrat mit Luze und Katsumi den Raum und tischte das Essen auf. "Greift zu und lasst es euch schmecken", eröffnete Katsumi das Buffet. Ein zweites Mal musste er das nicht sagen. Beherzt und hungrig griffen alle ausnahmslos zu. Der Koch strahlte. Kein einziger Krümmel war mehr übrig geblieben. Seine Augen glänzten verträumt. Das hatte er sich immer gewünscht. Dass sein Traum ausgerechnet jetzt wahr werden sollte ... sogar Tsukomo hatte reichlich zugelangt. Sein Herz machte frohlockende Freudensprünge. "Vielen Dank, Katsumi. Das war wirklich köstlich", meinte Danny und lächelte dem Koch herzlich zu. "Es tut mir leid, dass wir dir nicht helfen konnten." "Hauptsache, es hat euch geschmeckt." "Danke, sehr sogar." Alle nickten zustimmend. "Aya und ich werden ihm beim Saubermachen helfen", bot Tsubaki an und das Dienstmädchen stimmte eifrig zu. "Das wäre nett. Bitte prüft auch gleich, was an Vorräten übrig ist und packt es ein. Wir werden eine ganze Weile unterwegs sein und es ist fraglich, was von den Städten und Dörfern übrig ist", ordnete Danny an. "Unterwegs sein? Aber wohin?" Sodom und die anderen richteten ihre fragenden Blicke auf Danny. Der lächelte unbeirrt. "Unser erster Stopp ist ein Tempel, ungefähr 3 Tagesreisen von hier. Dort befindet sich das erste Himmelsportal oder wie ihr es vielleicht kennt: Das Portal der Götter." Ratloses Gemurmel füllte den Raum. Nur Yuki, Tachibana, Reiga, Zoltan und die Zessbrüder schienen zu verstehen. "Dann willst du, dass wir mit dem göttlichen Portal reisen? Aber wohin? Und ist dies für alle möglich?" Reiga musterte ihn mit kritischem Blick. "Keine Sorge. Durch Yukis Kraft und meiner Hilfe werden alle die Reise antreten können. Wir werden die 5 Kristallsäulen des Ursprungs aufsuchen. Das ist unsere einzige Chance, Die Welt und die Menschheit zu retten." "Was genau müssen wir dort tun? Ich habe noch nie davon gehört", widersprach Ria unsicher, doch Danny winkte ab. "Das werde ich euch auf der Reise erklären. Bereitet euch bitte auf den Aufbruch vor. Yuki, Ruhe dich noch etwas aus." Das Licht der Götter schüttelte entschieden den Kopf. "Ich möchte vorher nach Masamune sehen. Wie geht es ihm?" Er wandte sich Sairi zu. "Unverändert ... Suzaku ist tot, aber er wacht einfach nicht auf." Yuki schaute besorgt drein. Was konnte er tun? Vielleicht ... Luca stand plötzlich an seiner Seite und legte eine Hand auf seine Schulter. "Darum musst du dich nicht kümmern." "Aber ..." "Es gibt da jemand anderes, der das erledigen sollte." Alle Anwesenden folgten seinem Blick und Hotsuma erstarrte für einen Moment. "Warum sollte ich diesem Verräter helfen? Und abgesehen davon: Was soll ich bitteschön schon tun?!" "Du besitzt die Stimme der Götter. Klingelts da bei dir?", mischte sich Ria ein und Touko klatschte begeistert in die Hände. "Natürlich! Du kannst ihm bestimmt helfen, aufzuwachen!" Hotsuma verzog widerwillig sein Gesicht. "Ich kann es versuchen. Yuki zu Liebe und für Masamune, aber versprechen kann ich nichts." Er stand auf, rempelte Sairi beim Vorbeigehen an und verließ den Raum. Shuusei nickte den anderen zu, wartete auf Yuki und gemeinsam folgten sie seinem Partner. "Magst du nicht auch hingehen?", fragte Ria und blickte Sairi auffordernd an. Der schüttelte allerdings den Kopf. "Nein ... ich möchte Hotsuma nicht ablenken. Seine Konzentration ist ohnehin nicht sehr hoch." "Haha, ja, da hast du wohl recht!" Tachibana lachte vergnügt und sah in die Runde. "Wer hilft Zoltan und mir, Decken und sonstiges nützliches Zeug von hier für die Reise zu verstauen?" "Wer hat gesagt, dass ich dir helfe?", knirschte der Dämon, doch der Herbergsvater ignorierte ihn. "Das machen wir", meldete sich Ria freiwillig und zog Sairi hinter sich her. "Schön, ich muss noch etwas erledigen. Wir treffen uns dann in drei Stunden unten am Empfang." Danny stand auf, lächelte ihnen zu und verließ ebenfalls das Zimmer. Tsukomo starrte ihnen mit einem mulmigen Gefühl hinterher. Die anstehende Reise versprach nicht einfach zu werden. Er war sich ganz sicher, dass Danny, Tachibana, Reiga und die Dämonen etwas vor ihnen verheimlichen. Kapitel 30: Das Erwachen ------------------------ Kalt. Ihm war so furchtbar kalt. Er hatte keine Kraft mehr. Masamune wollte kämpfen, doch er konnte es nicht mehr. Viel zu lange hatte er vergebens versucht, aufzuwachen. Er spürte zwar, dass sein Vater seinen Körper nicht mehr besetzte, allerdings war sein Bewusstsein noch immer von quälender Dunkelheit umhüllt. Er war gefangen, in einem Labyrinth der Finsternis. Wie lange schon? Wieso konnte er den Ausgang nicht finden? Yuki. Sairi … er brauchte Hilfe. Wo waren seine Freunde? Seine Familie? Seine Hoffnung? Masamune bat sie im Stillen um Verzeihung. Dafür, dass er zu schwach gewesen war, sich gegen seinen Vater zu wehren – dass er sich von ihm hatte überrumpeln lassen. Dafür, dass seine Familie so viel Leid verursacht hatte. Dafür, dass er es nicht schaffte, zu erwachen und dass er nun aufgab. Er schloss die Augen, ließ zu, dass die Schwere seinen Körper besetzte wie eine unbemannte Festung und wartete. Sein Atem wurde schwächer. Masamune war bereit, da hörte er sie. Anfangs ganz leise. Was war das für eine Stimme? Er kannte sie. Was wollte sie von ihm? Wem gehörte sie? „Masamune! Masamune, du musst aufwachen!“ Diese Vertrautheit. Der forsche, fast unverschämte Ton. War das etwa … Hotsuma? Wieso erreichte er ihn? Mit letzter Kraft, die er kaum noch aufbrachte, rappelte er sich in der Finsternis auf. Noch immer hüllte ihn die Dunkelheit ein, schien ihn regelrecht aufgefressen zu haben. „Masamune, erwache! Du musst aufwachen, Masamune!“ Ja, ganz sicher. Es musste sich um Hotsuma handeln. Er musste seiner Stimme folgen. Vielleicht gab es doch einen Ausweg. Er musste es versuchen, unbedingt! Das war seine einzige und seine letzte Chance. Eine weitere würde es nicht mehr geben. Dazu fehlte ihm die Kraft. Blindlings tastete er sich vorwärts. Immer weiter dem Klang von Hotsumas Stimme folgend. Masamune konnte nicht sagen, wie lange er bereits lief, als er es endlich sah. Entfernt und doch so nah. Sein Herz begann aufgeregt zu pochen. Er biss die Zähne zusammen und wankte ins Licht, das er sich so lange herbeigesehnt hatte. Langsam begann der Wächter wieder zu zweifeln. Natürlich hatte er die Stimme der Götter und es stimmte auch, dass er Shuusei damals durch seine Fähigkeit aufgeweckt und vor dem sicheren Tod bewahrt hatte, doch Shuusei war sein Partner. Sie waren miteinander auf besondere Art und Weise verbunden. Das war mit Masamune nicht der Fall. Wie lange versuchte er nun schon, den Bewusstlosen ins Leben zurückzurufen? Eine halbe Stunde? Vierzig Minuten? Es ging an seine Substanz und ein Erfolg war nicht in Sicht. Er kniete vor Masamune, hinter ihm standen Shuusei, Yuki und Luca. Er spürte Yukis flehenden Blick in seinem Rücken. Voller Hoffnung, voller Erwartung. Er wollte ihn nicht enttäuschen. Verdammt, was musste die auch hinter ihm stehen?! Hotsuma versuchte sich abermals, auf seine Aufgabe zu konzentrieren. Warum funktionierte es nicht? Dieser verfluchte Idiot musste doch endlich aufwachen! Der Wächter ballte seine Hände zu Fäusten, verstärkte seine Bemühungen. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Für einen kurzen Moment wurde ihm schwarz vor Augen. „Masamune!“ Yukis freudiger Ausruf bewahrte ihn, sich von den Wogen des Schlafes davontragen zu lassen. Das Licht der Götter stürmte an ihm vorbei und flog regelrecht auf das Bett. Irritiert schlug Hotsuma die Augen auf. Masamune war wach! Er hatte es tatsächlich geschafft. Ein schiefes Grinsen umspielte seine Mundwinkel. Shuusei legte seine Hand auf die Schulter seines knienden Partners. Stolz spiegelte sich in seiner Miene wider. „Das war großartig. Komm, wir lassen die drei erst mal allein und du ruhst dich noch etwas aus.“ Er half Hotsuma auf die Beine, doch der schüttelte den Kopf. „Nein, es geht mir gut. Ich muss mich nicht ausruhen.“ Shuusei zog eine Braue in die Höhe. Typisch sein Partner. Dieser elende Sturkopf, doch gerade seine Sturheit war eine der vielen Eigenschaft, die er so an ihm liebte. Aber Ausruhen musste er sich. Ob er wollte oder nicht. „Sicher? Glaub ja nicht, dass ich dich unterwegs trage, wenn du vor Erschöpfung zusammenbrichst.“ „Das werde ich schon nicht!“ Shuusei schmunzelte. „Was grienst du so dämlich?!“, fauchte ihn Hotsuma an. Kurzer Hand entschlossen blieb der Wächter stehen, gab seinem Partner einen Stoß, sodass dieser im Flur gegen die Wand taumelte und stützte sich mit beiden Händen vor ihm ab. Hotsuma schluckte. Shuusei war ihm ganz nah. Er konnte sogar seinen warmen Atem spüren. „Was soll das nun wieder“, murmelte er leise, klang aber noch lange nicht so selbstbewusst, wie er es gerne gehabt hätte. Shuusei grinste ihn süffisant an, doch der leidenschaftliche Ausdruck in seinen Augen bereitete Hotsuma eine Gänsehaut. „Wenn du dich nicht ausruhen musst, fällt mir da durchaus noch ein weiterer Zeitvertreib ein.“ Für einen Moment stockte Hotsuma der Atem und er war nicht fähig, etwas zu erwidern. Er erinnerte sich an den Tag, kurz bevor Luzifer sie mit seiner Dämonenschar angegriffen hatte. Sie waren sich so nah gewesen. Leidenschaftliche Küsse. Shuuseis Geschmack. Seine Wärme … „Anscheinend bist du so müde, dass du nicht einmal mehr sprechen kannst. Ich bringe dich ins Bett und du schläfst. Ende der Diskussion.“ Entgeistert blickte er seinen Partner an, aber der stieß sich von der Wand ab und ging entschlossen voraus. Mit gemischten Gefühlen folgte er ihm. War es doch nur ein Scherz gewesen? Dabei hätte er … „Shuusei, du verdammter Idiot!“, flüsterte er leise und enttäuscht vor sich hin, während sie über den Flur liefen. Sehnsucht flammte in ihm auf, doch jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt dafür. Kapitel 31: Die Reise beginnt ----------------------------- Sairi fühlte sich das erste Mal seit langer Zeit wieder glücklich. Er konnte sein Glück kaum glauben. Yuki ging es gut und er hatte ihm verziehen. Ebenso Ria. Mit den anderen würde er schon klar kommen. Sie waren frei. Zwar waren Luzifer und seine Dämonenscharen ihnen auf den Fersen, doch gab es wieder Hoffnung und niemand schien in Frage zu stellen, dass sie siegen würden. Und das allerwichtigste: Masamune war endlich wieder erwacht. „Ich bin zu schwer“, murmelte sein Cousin in sein Ohr, der von ihm beim Laufen gestützt, fast getragen wurde. Sairi lief unbeirrt weiter. „Unsinn. Du hast verdammt viel abgenommen.“ „Das hat es so an sich, wenn man nur schläft. Vielleicht sollte ich das auch mal ausprobieren“, meinte Ria und zwinkerte Masamune aufmunternd zu, der leicht zu lächeln begann. Dann sah sie ihren Partner abwartend an, doch der reagierte nicht. „Hallo?“ „Was ist denn, Ria?“, gab Sairi etwas pampig zurück, ohne dabei anzuhalten. „Ich warte.“ „Auf was?“ „Darauf, dass du meine Aussage widerlegst“, gab sie verärgert zurück, aber er blickte stur geradeaus. „Warum sollte ich das tun? Ich widerspreche dir nur ungern. Ich dachte, Frauen wollen immer, dass man ihnen zustimmt.“ „Normalerweise schon, aber hier doch nicht!“ „Was hätte ich deiner Meinung nach sagen sollen?“ Ria wurde rot. Er hatte sich kein bisschen verändert. „Frauen wollen so etwas nicht hören. Du bist charmant wie eh und je“, wisperte Masamune und lachte leise auf. Sairi verzog kurz sein Gesicht. „Ria ist aber nicht wie gewöhnliche Frauen.“ „Wie bitte?!“ Ihr verschlug es fast die Sprache. Da hatten sie sich erst wiedergefunden und sie hatte ihm seinen großen, eigentlich unentschuldbaren Fehler verziehen und dann das. Touko trat zu ihr und strich ihr aufmunternd über den Rücken. „Und wie ist Ria dann?“, gab sie schnippisch zurück. Sairi blickte weiter geradeaus, während er seinen Cousin auf dem Rücken trug. Mit unveränderter ernster Miene antwortete er: „Sie ist etwas Besonderes.“ Ria sah schnell auf die Seite. Abermals benetzte ein zartes Rot ihre Wangen, doch dieses Mal nicht aus Verärgerung. Touko schaute abwechselnd von Sairi zu ihrer Freundin und lächelte. Sie freute sich für die beiden. In ihr erwachte wieder die Sehnsucht wie ein Eichhörnchen aus dem Winterschlaf. Verstohlen schielte sie zu Tsukomo, der sich mit Hotsuma und Shuusei unterhielt und von dem ganzen Gespräch nichts mitbekommen hatte. Wenn es bei ihnen doch nur auch so einfach wäre … Schnell verwarf sie den Gedanken wieder. Die Götter hatten das nicht für sie vorgesehen. Sonst wären sie nicht immer als Geschwister oder Gleichgeschlechtlich auf die Welt gekommen. Bitterkeit stieg in ihr auf und sammelte sich hinter ihren Augen in Form von Tränen. Masamune lächelte glücklich. Er war erschöpft, aber dennoch heilfroh, wieder bei seinen Freunden zu sein. Egal was alles geschehen war – es musste nun ein Happy End folgen, kein Zweifel. Mit diesem Wunsch tauchte er zufrieden ins Reich der Träume und sammelte Kraft während des erholsamen Schlafs. Luca versuchte sich angestrengt auf seine Umgebung zu konzentrieren, doch zweierlei erschwerte ihm das ungemein. Sein Zwilling Luze verhielt sich äußerst seltsam. Nicht nur, dass er nach dem spontanen Seitenwechsel mit Reiga zu den Wächtern völlig an Yuki geklebt und er alle Hände damit zu tun gehabt hatte, ihn von ihm fernzuhalten. Nein. Nun ließ er das Licht der Götter in Ruhe, was Luca eigentlich recht sein sollte, doch warum scharwenzelte er nun derart um den dubiosen Engel herum? Irgendwie war ihm das auch nicht geheuer. Er war zwar ein Opast, aber das empfand selbst er als unheimlich. Und dann war da noch das veränderte Verhalten von Yuki, seit er aufgewacht war. Danny hatte irgendetwas davon geredet, dass Yuki eine Reise in die Vergangenheit gemacht hatte, um seine Kräfte zurückzuerlangen und stärker zu werden. Was hatte er dort alles erlebt? Wie sah so eine Reise aus? Und konnte es sein, dass nicht nur schlummernde Kräfte erwacht und zurückgekehrt waren? Lucas Herz schlug schneller und drohte, sich zu überschlagen. Wenn das der Fall war, was ging dann nun in ihm vor? Er musste unbedingt mit ihm sprechen … „Alles okay, Meister?“ Sodoms besorgte Stimme riss ihn aus seinen Gedankenwirrwarr. „Ja, es ist alles gut.“ „Macht ihr euch Sorgen um Yuki?“ „Ein bisschen“, bestätigte Luca und schielt dann wieder in Richtung seines Bruders, der wie ein hungriger Wolf neben Danny herschlenderte. Er konnte nur hoffen, dass Luze sich an seinem Leckerbissen nicht verschlucken würde. Ob der Engel seine Begierde spürte, wusste Luca nicht zu deuten, denn eine dichte, schützende Mauer umgab Danny und ließ nicht die kleinste Gefühlsregung durchblitzen. Zufrieden beobachtete Tsubaki den Koch und Aya wie sie schüchtern nebeneinander herliefen. Die zwei gaben ein süßes Pärchen ab und sie bedauerte, dass sich Katsumi und Aya ihrer Gefühle nicht schon früher bewusst gewesen waren. Die Zeit war mehr als ungünstig und grausam obendrein. Wenn sie nur an all die letzten Ereignisse dachte … Tsubaki fröstelte und sie schlang wärmend ihre Arme um ihren zitternden Körper. Da wurde ihr eine dünne Wolldecke über die Schultern gelegt. Sie nahm sie dankbar an und neigte den Kopf zur Seite, erwartete Senshiro und weitete überrascht und schockiert zugleich ihre Augen. „Du?!“ Fassungslos starrte sie Reiga an und riss sich in der nächsten Sekunde die Decke von den Schultern, um sie ihm zurückzugeben. Er erwiderte ihren Blick gefasst, machte jedoch keine Anstalten, das Vlies wieder anzunehmen. „Was?“, fragte er stattdessen nur mit ruhiger Stimme, während sie versuchte, ihren Ärger im Zaum zu halten. „Das brauche ich nicht!“ „Wirklich? Sah aber eben ganz danach aus.“ „Ich brauche sie nicht.“ „Aha, und warum klapperst du dann mit den Zähnen?“ „Argh! Okay, ich möchte sie nicht – nicht von dir!“ „So so, und warum nicht?“ „Weil du ein Mann bist und ich kann Männer nun mal nicht ausstehen!“ „Und wenn ich eine Frau gewesen wäre, hättest du sie genommen?“ „Ja!“ „Nicht dass es mich sonderlich interessiert, doch außer Laufen gibt es gerade nicht viel zu tun und ich langweile mich: was hast du eigentlich gegen Männer?“ Tsubaki musterte Reiga eindringlich von oben bis unten. Sie vertraute ihm nicht, auch wenn er scheinbar auf ihrer Seite kämpfte. Das wollte sie ihm jedoch nicht unter die Nase reiben. Stattdessen beschloss sie, ihre Abneigung allgemein zu halten. „Das kann ich dir sagen! Sie sind skrupellos, hinterhältig, brutal und egoistisch.“ „Du kehrst also alle Männer über einen Kamm?“ „Und wenn dem so wäre?“ „Warst du nicht mit Senshiro verlobt?“ „Das tut hier nichts zur Sache! Senshiro ist eine Ausnahme.“ „Wieso?“ „Das geht dich nichts an!“ „Und Yuki?“ „Was ist mit Yuki?“ „Er ist schließlich auch ein Mann.“ „Er ist das Licht der Götter, das ist was anderes“, fauchte Tsubaki. Ihr Puls raste inzwischen so schnell, dass sie nicht mehr fror. „Außerdem war er vorher eine Frau. Deswegen ist er einfühlsamer und hat ein sanftes Wesen.“ „Und wo ist dein sanftes Wesen als Frau?“ Sie wurde feuerrot und ballte ihre Hände zu Fäusten. Derart wütend war sie schon lange nicht mehr gewesen. Was bildete sich dieser Reiga überhaupt ein?! „Du bist nicht nur ein Mann, sondern ein Blinder dazu!“ Um Reigas Mundwinkel bildete sich ein belustigtes Schmunzeln. „Und?“ „Was und? Könntest du mal in ganzen Sätzen mit mir sprechen?“ „Bedankst du dich nun bei mir?“ „Wie bitte?“ Ungläubig starrte sie ihn an. „Es gibt nichts, wofür ich mich bei dir bedanken müsste!“ „Doch das gibt es“, antwortete Reiga selbstgefällig. „Und das wäre?“ „Immerhin frierst du nicht mehr, oder?“ Er wartete kein Gegenargument ab, sondern wandte sich lässig um und schritt voraus zum Licht der Götter. Tsubaki knirschte mit den Zähnen. Dieser Reiga war ein ganz ungehobelter Kerl, auch wenn sein Hintern in der Hose noch so knackig aussah. Senshiro ließ sich etwas zurückfallen und beobachtete schweigend die anderen. Kuroto unterhielt sich mit Yuki, Danny, Luze und Reiga. Noch vor ein paar Monaten wäre das unvorstellbar gewesen. Eigentlich sollte er sich freuen, dass Kuroto mehr aus sich heraus kam und sich mit den anderen verstand. Ja, eigentlich … Seine Augen streiften zu Tachibana, der Zoltan die gesamte Zeit über neckte und ärgerte. Allerdings nur scheinbar, denn Senshiro entging bei genauerem Hinsehen nicht, dass die beiden sich ständig flüchtig berührten. Sei es ein kurzes Händchen halten oder Streicheln über den Rücken und Oberarm. Ein gequältes Lächeln rann über sein Gesicht und er schielte wieder in Richtung von Kuroto. Ob sein Partner fühlte, wie sehr er ihn mochte? Manchmal fühlte es sich durchaus so an, andererseits … Senshiro wusste, dass er Kurotos damaligen Partner nicht ersetzen konnte und diese Gewissheit belastete und schmerzte ihn furchtbar. Er schüttelte leicht seinen Kopf. Sich jetzt in solch einer Situation Gedanken darüber zu machen, war völliger Blödsinn. Es würde nicht mehr lange dauern und sie würden das Reiseportal erreichen, von dem Danny gesprochen hatte. Falls sie Glück hatten, würde Luzifer bis dahin nicht entdecken, doch davon war nicht auszugehen. Er musste wachsam bleiben und seine Kräfte bewahren. Sie alle mussten das. Nur so waren sie in der Lage, Yuki zu schützen und zu retten, was noch von der Menschheit und der Erde zu retten war. Kapitel 32: In Sachen Teamwork ------------------------------ Tsukomo war müde und sein Magen knurrte. Den anderen erging es gleich. Wie lange würden sie noch zum Portal brauchen? Ihre Verfolger schienen stetig näher zu kommen. Sie waren wie eine Schlinge, die sich um sie zu zog. Wenn sie nicht bald ihr Ziel erreichen würden, war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sie entdeckten. Da brachte auch Dannys Schutzzauber nichts. „Ist es noch weit?“, quengelte Sodom und blickte mit großen, wässrigen Augen den Engel an, der aufmunternd lächelte und den Kopf des personifizierten Drachens streichelte. „Nein, in nicht mal zehn Minuten haben wir es geschafft.“ „Wie sieht denn das Portal aus?“, erkundigte sich Yuki und Tachibana kam Danny mit der Antwort zuvor. „Es handelt sich um eine kleine, steinerne Empore mit einem Altar und mit einer Pfauenskulptur.“ „Also gar nicht wie ein Tor im eigentlichen Sinne?“, schlussfolgerte Luze und Danny nickte bestätigend, während Reiga Tachibana betrachtete. Woher wusste der Kerl so viel? Er hatte da eine Vermutung. Wenn der Gedanke nur nicht so absurd wäre … „Nein, es sollte nicht offensichtlich sein“, antwortete Danny, woraufhin Yuki fragte: „Und warum ausgerechnet ein Pfau?“ „Oh, das hat einen guten Grund“, meinte Tachibana und hob belehrend seinen Zeigefinger. „Der wäre?“, hakte Hotsuma nach, dem alles zu lange dauerte. „Ha ha, das liegt doch auf der Hand! Ein Pfau ist einfach ein schönes Tier. Ha ha.“ Sie starrten ihren selbsternannten Herbergsvater entgeistert an. Das war mal wieder typisch. Tsukomo seufzte, als er plötzlich ein verräterisches Geräusch vernahm. Sein Kopf schoss in die Höhe und er sah sich lauernd um. Da war es noch einmal. Ganz klar und deutlich. Ihre Verfolger kamen näher und hatten sie so gut wie eingeholt. „Eine Horde Duras ist in wenigen Minuten bei uns!“ Es brauchte nur einen kurzen Blickaustausch und sie rannten alle gemeinsam los. Yuki hoffte darauf, dass sie Glück hatten und vor den Dämonen beim Portal ankommen würden. Dann könnten sie der Konfrontation entgehen. Das steinerne Gebilde war bereits in Sicht, seine Hoffnung wuchs, nur um jäh zerstört zu werden. Die Dämonen kamen von allen Seiten, ein Kampf war unausweichlich. Sofort bildeten die Wächter, die Zess Brüder, Tachibana und Zoltan einen Kreis um Tsubaki, Aya, Katsumi, Reiga, Masamune und das Licht der Götter. Sodom blieb auf Lucas Geheiß bei Yuki, um ihn und die anderen aus nächster Nähe zu schützen. Reiga seufzte. Er fühlte sich nutzlos ohne Grimmoire. Konnte er wirklich nichts tun? Unschöne Sache. Er vernahm einen Pfiff, hob den Kopf und fing das schwere Buch gerade noch rechtzeitig, bevor es gegen sein Gesicht klatschte. Zoltan nickte ihm zu und begab sich wieder auf seine Position. Andächtig fuhr Reiga über den bekannten Einband. Wo hatte der ehemalige Lakai Luzifers das Grimmoire her? Er schüttelte den Kopf. Das war nun unwichtig. Schnell schlug er das Buch auf und machte sich an die Arbeit. Routiniert beschworen die Wächter einen riesigen Bannkreis herbei. Keine Minute zu spät, denn schon fluteten ihre Gegner das Gebiet wie eine riesige Welle. Der Himmel flammte in schwarz und lila auf, als Luze und Luca die Dämonenschar mit mächtigen Zaubern in Empfang nahmen und ihnen ordentlich einheizten. Auch die Wächter waren in ihrem Element. Trotz der tagelangen Reise waren sie im Besitz ihrer vollen Kräfte. Yukis Anwesenheit und Zuversicht schienen ihnen zusätzliche Kräfte zu verleihen. Kaum einem ihrer Widersacher gelang es, zum Licht der Götter vorzudringen und diejenigen, denen es gelang, wurden von Sodom und Danny vernichtet. Doch etwas stimmte nicht. Kurz darauf durchzog ein grausiges Brüllen den Wald. Die Erde erbebte und teilte den Boden entzwei. Sie hatten alle Mühe, das Gleichgewicht zu halten und gleichzeitig die morddurstigen Duras abzuwehren. Sekunden zogen sich zu Stunden, dann war die schreckliche Erschütterung vorbei. Mit einer schlimmen Vorahnung erfüllt sah sich Yuki um, doch alle schienen das Beben heil überstanden zu haben. Allerdings hatte die Erschütterung eine riesige Spalte zwischen den Zessbrüdern, Zoltan und ihnen verursacht. Bevor die drei zu ihnen gelangen konnten, stürmte eine erneute Dämonenflut auf sie zu. Sie warfen sich einen flüchtigen Blick zu und waren sich einig: es steckte eine Taktik dahinter. Was hatte der Feind vor? Wo waren die Opast und Generäle? Ganz sicher mussten höhere Dämonen beim Kampf dabei sein – zumindest einer –, um die Duras zu befehligen, doch schienen sie sich versteckt zu halten. Gekonnt setzten sich alle zur Wehr als erneut ein schauriges Brüllen die Luft zerschnitt. Inmitten der Duras erschien ein gigantischer Hydra Dämon und schoss auf die drei separierten Dämonen zu. Die niederen Duras wichen zur Seite, ließen von ihnen ab und schlossen sich ihren Kameraden an, die auf die Wächter und das Licht der Götter zuströmten. Zoltan rief seine Sicheln Angel Tears herbei und griff sofort an. Ebenso Luze, der seinen Gegner mit lilafarbenen Energiekugeln beschoss. Luca hingegen blieb stehen. Sein Widersacher kam ihm bekannt vor, doch er konnte sich nicht entsinnen, um wen es sich handelte. Er hatte ein seltsames Gefühl bei der Sache. Nach nur wenigen Minuten sollte er wissen, warum dies so war. Zoltan schlug verbissen auf den Schlangendämon ein, der jede seiner Attacken vorauszusehen schien und abblockte. Luze selbst kam mit seinen magischen Angriffen nicht weit. Verbittert stellte er fest, dass ihr Gegner von einer Art Bannschild umgeben war. Er konnte es drehen und wenden, so viel er wollte. Wenn er ihm Schaden zufügen wollte, dann musste er auf sein Breitschwert zurückgreifen. Tsubaki verfolgte das Geschehen mit bangem Herzen. Sie machte sich Sorgen um Yuki. Auf keinen Fall wollte sie ihn verlieren. Wann durfte er endlich glücklich sein? Immer dieser Stress, die Kämpfe, die Erschöpfung. Sie beobachtete ihn, wie er eifrig kämpfte und zeitgleich die Wächter heilte. Er war unglaublich stark und sie spürte Stolz in sich aufsteigen. Wenn das nur seine Mutter sehen könnte … Die Hydra brüllte bedrohlich laut und Tsubaki fuhr ängstlich herum. Luze und Zoltan schlugen unermüdlich auf das Biest ein, während Luca das Ganze nur zu beobachten schien. Sie schüttelte den Kopf. Jeder kämpfte für sich allein. Von Teamgeist war unter den Dämonen nichts zu spüren. Wenn das nur mal gut ging. Tsubaki schaute auf, als Luze einen Treffer landete und der Riesenschlange mit einem wuchtigen Schlag köpfte. Der Körper des Monsters fiel zuckend zu Boden, bevor er reglos liegen blieb. Okay, vielleicht hatte sie sich geirrt und es herrschte doch eine kleine Absprache zwischen den drei. Gerade als sie dabei war, ihre Meinung zu revidieren, leuchtete und richtete sich der geteilte Körper der Hydra Unheil verheißend auf. Dort wo vorher der Rumpf des Dämons gesessen hatte, bildeten sich nun zwei Köpfe. Tsubakis Augen wurden vor Entsetzen groß. „Na warte!“, schrie Zoltan und zerschnitt mit seinen Angel Tears einen weiteren der beiden Häupter vom Leib ihres Widersachers. Sofort verdoppelte sich die Anzahl des verlorenen Kopfes und er schluckte. Wie sollten sie das Ding besiegen? Doch für ihn blieb keine Zeit zum Nachdenken, wenn er den schnellen Attacken des Ungeheuers ausweichen wollte. Gedankenlos kämpfte er weiter. „Nicht mehr angreifen!“, befahl Luca seinem Bruder und Zoltan, die ihm allerdings, vertieft in den Kampf, keine Beachtung schenkten. Schon fällte Luze den nächsten Kopf, was eine wiederholte Verdopplung zur Folge hatte. Luca schlug die Hand vor die Stirn. „Diese Idioten“, knirschte er aus zusammengebissenen Zähnen hervor. Mittlerweile besaß die Hydra schon vier Köpfe und weitere drohten zu folgen, da sowohl Luze auch als Zoltan nichts von ihren Fehlern dazu gelernt hatten. Er selbst versuchte es abermals mit Magie, doch ohne Erfolg. Seine Elektrokugel wurde dicht vorm Ziel von einem aufflackernden Bannkreis zunichte gemacht. Luca war sich sicher, dass dieser nicht von dem Schlangendämon selbst aufrecht erhalten wurde. Nein, irgendwo in unmittelbarer Nähe musste ein Oberst sitzen und das Geschehen lenken. Er selbst war nicht fähig, den Platz zu verlassen. Denn sowohl Zoltan als auch sein Bruder und er selbst waren mit der Hydra mit einem Zauber im Areal gebunden. Ob das Luze und Zoltan überhaupt bemerkten, wusste er nicht zu sagen. Luca warf einen prüfenden Blick zu Yuki. Erleichtert stellte er fest, dass die anderen alles unter Kontrolle hatten. Und auch Yuki erschien ihm umso viel stärker. Fasziniert betrachtete er sich das Licht der Götter – er war wunderschön. Schnell besann er sich wieder ihrer Lage und befahl Sodom, seinen Platz zu verlassen, den Oberst zu suchen und auf schnellsten Weg zu vernichten. Er war sich sicher, dass Yuki und die anderen so lange durchhalten würden und er den kleinen Drachen abziehen konnte. Sodom sah unsicher von seinem Herrn zu Yuki. Nur ungern verließ er seinen Posten, doch der Wille seines Meisters war Befehl und er hegte keinen Zweifel, dass dieser wusste, was er tat. Mit einem lauten Brüllen setzte er sich in Bewegung und sprang durch die dichte Masse der lästigen Duras. Diejenigen, die sich ihm in den Weg stellten, vernichtete er mit Leichtigkeit. Sodom hob seine Schnauze in die Höhe, schnüffelte, lauschte und nutzte jeden seiner Sinne, um die Zielperson ausfindig zu machen. Es dauerte nicht lange, bis er gefunden hatte, was er suchte. Mit schnellen Sprüngen raste er auf den Dämon zu, der ihn zu spät bemerkte. Erschrocken riss er die Augen auf, versuchte noch Sodoms Feuerstrahl auszuweichen, doch es war zu spät. Mit einem erbärmlichen Schreien zerfiel der Oberst zu Staub und Sodom beeilte sich, zu Yuki zurückzukehren. Luca kommunizierte mit Sodom im Geiste. Zufrieden stellte er fest, dass der Drache seine Arbeit erledigt hatte. Nun war es an der Zeit, seine These zu prüfen. Da Zoltan und Luze noch immer blindlings auf die Hydra einschlugen, die inzwischen mehr als zehn Köpfe besaß, nahm er sich die Zeit, einen mächtigen Feuergeist zu beschwören. Konzentriert murmelte er die Formel vor sich hin, eingehüllt vom schrillen Kampfgebell der Duras. Der Himmel verfärbte sich rot und sowohl Zoltan als auch Luze hielten für einen Moment in ihrer Attacke inne und sahen mit aufgerissenen Augen nach oben. Dann schoss der Feuergeist nach vorne und umhüllte den Schlangendämon mit einem lauten Knistern. Ein erneutes Beben durchzog die Erde, das mit dem Fall der Hydra endete. „Euer Spiel ist beendet“, wandte er sich den anderen beiden zu, die ihn missmutig beäugten, da sie um ihren Fehler zu wissen schienen, dies allerdings nicht zugeben wollten. „Nun lasst uns endlich die Duras restlos beseitigen.“ Kapitel 33: Die Weiterreise --------------------------- Senshiro vervollständigte den Satz mit seinem Pinsel und fesselte die letzten Duras mitten im Sprung. Mit einem Satz war Kuroto bei ihnen und ließ sie durch sein schwarzes Katana zu Staub zerfallen. „Das war’s dann.“ Tachibana klatschte begeistert in die Hände. „Ha ha, großartig. Ihr habt eine super Leistung geliefert. Na ja, alle bis auf drei. Ha ha.“ Er drehte den Kopf zu Zoltan und den Zessbrüdern, die ihn verärgert anfunkelten. „Und was genau hast du im Kampf beigetragen?“, fauchte Zoltan und Luze nickte zustimmend, während Luca beschloss, die Diskussion zu ignorieren und zu Yuki eilte. Erleichtert stellte er fest, dass es dem Licht der Götter gut ging, wenngleich er auch etwas erschöpft war. „Viel. Sehr viel.“ „Und was, bitteschön?!“ „Ha ha, ich möchte nicht mit meiner Leistung prahlen und schweige.“ Mit einem erbosten Fauchen schnellte Zoltan auf Tachibana zu und begann, ihn zu würgen. Der ließ es kichernd über sich ergehen. Luze ließ die beiden ebenso allein und gesellte sich unauffällig in Dannys Nähe. „Woher hast du das Grimmoire?“, unterbrach Reiga das Handgemenge und sah ihn auffordernd an. „Ich hatte es ihm abgenommen“, Zoltan ließ von Tachibana ab und deutete auf Sairi, „nachdem Takashiro und Yomi im Kampf gegen Suzaku gestorben sind.“ „Was machen wir damit? Können wir es vernichten, damit es nicht noch mehr Unheil anrichtet?“, fragte Ria, doch Danny schüttelte milde lächelnd den Kopf. „Nein, die Grimmoire können nicht einfach so zerstört werden. Nur durch Luzifers Tod, können auch sie beseitigt werden. Ich schlage vor, Reiga sollte es bis dahin behalten. Was meinst du, Licht der Götter?“ „Ich stimme zu. Kanata hat uns im Kampf sehr geholfen.“ „Aber…!“ „Ich bin mir sicher, dass wir ihm vertrauen können“, erstickte Yuki Hotsumas Protest im Keim, worauf der nur grimmig vor sich hin murmelte. Auch Touko und Sairi schienen von der Idee nicht sonderlich überzeugt, hielten sich allerdings mit ihrer Meinung zurück. „Das könnt ihr. Danke, Yuki.“ Reiga lächelte seinem Kindheitsfreund verbunden zu. Es fühlte sich für einen kurzen Moment wie damals im Waisenheim an – Die vollkommene Vertrautheit zweier Menschen. „Gut, dann wäre das geklärt. Yuki, fühlst du dich stark genug, uns durch das Portal zu teleportieren? Ich weiß, du bist müde, doch eine zweite Angriffswelle überstehen wir nicht mehr so leicht …“ Luca warf dem Engel einen vorwurfsvollen Blick zu. Das Licht der Götter hatte im Kampf Großartiges geleistet. Er hatte nicht nur die Wunden der Wächter geheilt, sondern auch noch an deren Seite gekämpft. Er brauchte dringend eine Pause, auch wenn er das selbst nie zugeben würde. Lucas Befürchtung bestätigte sich im nächsten Moment, als Yuki zur Antwort ansetzte. „Ja, nur weiß ich gar nicht, was ich eigentlich genau machen soll.“ „Keine Sorge, du wirst es wissen, wenn du davor stehst und den Sockel berührst“, versicherte ihm Danny aufmunternd. Dann wandte er sich zu Luca. „Es ehrt dich, dass du dich so um ihn kümmerst, doch sorge dich nicht, ich traue ihm wirklich nur das zu, wozu er in der Lage ist. Keinesfalls möchte ich ihn überfordern. Du kannst mir vertrauen.“ Luca verzog seine Miene. Der Engel hatte die Worte nicht ausgesprochen, sondern ihn per Gedankenwellen übermittelt. Er nickte ihm misstrauisch zu, wollte sich gerade von ihm abwenden, als sich sein Bruder dazwischen stellte und ihn böse anfunkelte. Anscheinend fürchtete er, dass die beiden gedanklich miteinander diskutierten. „Mach dich nicht lächerlich, Luze“, murmelte er und begab sich an Yukis Seite, der ihm ein schüchternes Lächeln schenkte, das sein Herz höher schlagen ließ. Sie kamen am Portal an und das Licht der Götter ging auf den Sockel zu, wie Danny es ihm gesagt hatte. Tatsächlich spürte er ein vertrautes Gefühl in sich aufsteigen, gleich einer Erinnerung. Mit einem Mal wusste er, was er zu tun hatte, obwohl er noch nie – nicht einmal in seinem vorherigen Leben –ein Portal genutzt hatte. Seine Reisegefährten hielten den Atem an, als er den steinernen, fast unscheinbaren Sockel berührte und die Umgebung in schillerndes Licht tauchte. Danny trat an seine freie Seite und legte ihm die Hand auf seine Schulter, um seine eigene Kraft ebenfalls durch den Magiestrom fließen zu lassen und Yuki gleichzeitig vor völligem Energieverlust zu schützen. Die Anwesenden schlossen die Augen und ließen sich vom Lichterwall davontragen. Als das Prickeln aufhörte, öffnete Luca sofort die Augen und stützte Yuki, der erschöpft zusammenzubrechen drohte. Dankbar sah das Licht der Götter auf. Ein mildes Lächeln umspielte seine Mundwinkel und machte sein Gesicht in dem Moment fast unerträglich schön. „Ich habe es geschafft, oder?“ „Ja, das hast du. Ich bin stolz auf dich“, bestätigte der Dämon und setzte an, Yuki zu tragen. Der wehrte sich jedoch. „Nicht Luca. Ich möchte dir nicht noch mehr Umstände bereiten.“ „Das sind keine Umstände“, entgegnete er mit ernstem Blick. „Du bist müde und ich möchte dich tragen.“ „Aber …“ Er legte seinen Zeigefinger auf Yukis Lippen und schüttelte bestimmt seinen Kopf. „Bitte, lass mich dich tragen. Ich möchte es so.“ Yukis Herz schlug höher. Er konnte sich Lucas Blick nicht entziehen. Zwar wollte er widersprechen, doch die intensive Bitte seines Gegenübers, die elektrisierende Berührung und seine Erschöpfung, die unmissverständlich mit jeder verstreichenden Sekunde mehr an seinem Körper nagte, ließen keinen Widerspruch zu. Er nickte verlegen und ließ sich dann von seinem Begleiter auf den Rücken nehmen. Das Licht der Götter seufzte. Lucas Körper war herrlich warm und roch so vertraut. Er fühlte sich geborgen und bemerkte nicht, dass er sich wohlig ankuschelte. Er hörte die anderen reden und spürte, dass sie sich in Bewegung setzten. Die Wogen des Schlafes spannten ihre Fäden um ihn, sodass er sich nicht befreien konnte. Für einen flüchtigen Moment kämpfte er dagegen an, öffnete seine Lider auf Halbmast. Direkt vor ihnen liefen Aya und Katsumi. Röte flutete Yukis Wangen, als er sah, dass die beiden Händchen hielten. Sie waren ein süßes Paar. Ob er und Luca in seinem vorherigen Leben auch so auf andere gewirkt hatten? Verträumt fuhren seine Fingerspitzen über den Oberarm des Dämons und er vergrub seinen Kopf in seiner Schulter. Er musste das Dienstmädchen und den Koch in Sicherheit bringen. Auf keinen Fall wollte er sie noch mehr Gefahren aussetzen. Und nicht nur sie. Auch seine Tante, Kanata, Tachibana und Masamune sollten nicht mehr bangen müssen. Doch wie konnte er das bewerkstelligen? Seine Gedanken gingen auf die Reise. Er konnte sich nicht mehr konzentrieren. Der Schlaf, der an die Tür seines Bewusstseins klopfte, war zu hartnäckig und einnehmend. Mit einem Lächeln auf den Lippen schloss er seine Augen. Und noch während er ins Reich der Träume eintauchte, fragte er sich, ob Luca eigentlich wusste, wie gut er duftete? Kapitel 34: Auf nach Gargarenzia -------------------------------- „Schon wieder laufen?!“ Hotsuma fluchte erbost vor sich hin. „Wenn es schon solch göttliche Portale gibt, wieso können sie einen dann nicht gleich dorthin teleportieren, wo man letztendlich hin möchte?!“ Danny ließ sich nicht aus der Ruhe bringen, auch dann nicht, als der Wächter einen Schritt auf ihn zusetzte. Bedauernd zuckte er mit den Schultern. „Leider ist das nicht steuerbar. Es handelt sich um eine Art Schutzmechanismus. Abgesehen davon ist es ohnehin nicht weit. In ein bis zwei Tagen sind wir da.“ Die Gesichtszüge der Wächter entgleisten. Auch Yuki tat sich schwer, bei der Aussage zu lächeln. Der einzige, der amüsiert vor sich hin gluckerte, war Tachibana, der verärgerte Seitenblicke von Zoltan erntete. Luze beobachtete das Geschehen misstrauisch und behielt den aufbrausenden Wächter im Auge. Das gefiel ihm nicht. Noch einen Schritt weiter und er würde … „Das ist ja wohl ein schlechter Scherz!“, fauchte Hotsuma und griff nach Danny, doch bevor er diesen zu fassen bekam, schnellte Luze nach vorne und gab ihm einen kräftigen Stoß. „Pass auf, was du sagst und tust!“, fauchte er den Wächter an, der ihn im ersten Moment perplex anstarrte. Überrascht musterte Danny den Dämon. Konnte es wirklich sein …? Er hatte zwar bereits davon gehört, dass Duras sich verlieben konnten, doch in ihn? Lustig und traurig zugleich, aber auch … aufregend. Wärme flutete seinen Körper und er strauchelte kurz ein paar Schritte zurück. „Was mischst du dich ein, du Spinner? Und überhaupt: seit wann hat dich Reiga eigentlich von der Leine gelassen?!“ „Leine?“ „Ja, so was braucht jemand wie du doch. Alle Duras sollten an der Leine gehalten werden!“, entfuhr es Hotsuma wütend und sowohl sein Partner, als auch Ria legten die Hand auf ihre Stirn. Es war doch immer wieder dasselbe. „Kann sein“, entgegnete Luze gelassen und zog damit die Blicke aller auf sich. „Doch du brauchst definitiv einen Maulkorb.“ Hotsuma lief feuerrot an und holte zum Schlag aus, aber der Dämon wich geschickt aus. „Willst du nicht eingreifen?“, wandte sich Tachibana fragend an Danny, der allerdings den Kopf schüttelte. Seine Augen ruhten weiterhin auf Luze, dessen geschmeidiger Körper ihn plötzlich magisch in den Bann zog. Es stimmte, was man sich erzählte: die Zessbrüder waren wunderschön und stark zugleich. „Ha ha, du solltest aufpassen. Er wird dich womöglich verschlingen.“ „Kann sein“, murmelte Danny und wandte sich noch immer nicht von den Kämpfenden ab. Tachibana grinste. Er konnte die Gefühle des anderen nur allzu gut nachempfinden. „Diese Sünde wird man dir da oben nicht vergeben.“ Der Engel lachte leise auf und sparte sich seine Antwort. Was hatte er noch zu verlieren? Kam es wirklich noch auf einen weiteren Regelbruch an? Sein Schicksal war sowieso besiegelt. „Er ist ein Dämon“, wiederholte Tachibana abermals und nun löste Danny seine Augen von den Streithähnen und blickte seinem Gesprächspartner direkt ins Gesicht. Mit einem Lächeln fragte er: „Worauf möchtest du hinaus?“ „Ha ha, auf nichts. Ich wollte es dir nur noch einmal ins Gedächtnis rufen. Ha ha, denn Dämonen ticken anders. Sehe es als guten Rat.“ Dannys Lächeln verwandelte sich zu einem amüsierten Grinsen. Er schielte zu Zoltan und antwortete: „Das hat bei dir auch nichts geholfen.“ „Ich wette um ein Abendessen von Senshiro, dass Luze dieses Mal den Kürzeren zieht“, begann Kuroto, während er dem Kampf interessiert beobachtete. Tsukomo und Zoltan standen neben ihm, ebenfalls das Geschehen im Blick behaltend. „Ich bin mir nicht sicher, sie sind beide sehr stark“, murmelte Tsukomo, woraufhin Zoltan eine abwehrende Geste mit seiner Hand vollführte. „Auf keinen Fall. Luze wird gewinnen.“ Kuroto blickte den ehemaligen Lakai Luzifers herausfordernd an. „Okay, die Wette gilt.“ Senshiro stand sprachlos dahinter und wusste nicht, ob er sich darüber freuen oder ärgern sollte, Bestandteil der Wette zu sein. Aber was tat er nicht alles für Kuroto. Wenn es seinen Partner glücklich machte … „Aber nicht doch. Bitte, hört auf“, flehte Yuki verdattert, der nicht verstand, warum die Situation dermaßen eskaliert war. Jedoch waren sowohl Luze als auch Hotsuma viel zu sehr in ihren Zweikampf vertieft, sodass sie nicht auf ihn hörten. Luca sah, wie Yuki entmutigt von einem zum anderen schaute. Er gab Sodom ein kurzen Zeichen, worauf sich das Fellknäuel von seiner Schulter erhob und in die Lüfte zu seinem Bruder und dem Wächter flog. Sodom konzentrierte sich, atmete tief durch, was von unten betrachtet aussah, als würde er Niesen müssen, und sandte einen kleinen, aber effektiven Feuerhauch auf die beiden herab, die fluchend auseinander sprangen. Entrüstet starrten sie Luca an. Dieser nickte und blickte ermahnend dreinschauend zurück. Sodom hatte ganze Arbeit geleistet. Beide waren rußgeschwärzt und dünne Rauchschwaden stiegen von ihnen hoch. Ein schöner Anblick, der sein Herz gehässig auflachen ließ. Äußerlich behielt er jedoch seine Fassade bei und meinte rau: „Schön, ihr seid fertig. Dann können wir unseren Weg endlich fortsetzen!“ Luze und Hotsuma öffneten ihre Lippen, um etwas zu erwidern, als Ria, Aya und Touko beherzt anfingen zu lachen. Ergeben seufzten beide zeitgleich auf und die Gruppe setzte ihren Weg fort. Das Licht der Götter wich direkten Blickkontakt aus. Nicht mit allen, sondern nur mit ihm. Luca grübelte finster vor sich hin. Etwas stimmte nicht. Was war mit Yuki los? Diese Veränderung hatte begonnen, seit er von seinem langen Schlaf erwacht und sie vor Luzifer geflohen waren. Danny hatte gesagt, er hätte das Potential und seine Fähigkeiten von früher zurückerlangt. Er würde sich wieder daran erinnern. Wenn dies der Fall war – und es erschien Luca so – wer konnte ihm dann versichern, dass Yuki sich nicht noch an mehr erinnerte? Zum Beispiel an ihre damalige, gemeinsame Zeit … Verstohlen blickte er zum Licht der Götter und ihre Augen trafen sich. Allerdings nur für ein paar flüchtige Sekunden, denn Yuki wandte sich sofort von ihm ab. Röte benetzte seine Wangen und da wusste Luca es. Eindeutig: er erinnerte sich an sie. Womöglich an alles! „Yuki, du …“, setzte er an, doch weiter kam er nicht, denn genau in diesem Moment erklangen, nicht weit von ihnen entfernt, panische Schreie. Jeder einzelne von ihnen hob alarmiert den Kopf. „Was geht da vor sich?“, fragte Tsubaki besorgt, während sich Aya ängstlich an Katsumis Arm klammerte. Dannys Miene wurde ernst. Noch bevor jemand anderes was sagen konnte, beantwortete er die Frage: „Gargarenzia wird von Dämonen angegriffen.“ Er wandte sich zum Licht der Götter. „Was nun, Yuki? Wir müssen nicht direkt durch das Dorf hindurch und könnten einem Kampf aus dem Weg gehen.“ Yukis Augen wurden groß vor Entsetzen. „Auf keinen Fall! Wir müssen den Menschen helfen!“ Er blickte fragend in die Runde und auch die Wächter schienen entschlossen, den Bewohnern zu helfen. „Gut, dann lasst uns losgehen. Aya, Tsubaki, Masamune und Katsumi, ihr bleibt dicht hinter mir, Tachibana, Zoltan und Danny“, schaltete sich Reiga ein. Es erfolgte keine Widerrede. Mit bangen Herzen eilten sie in die Richtung, aus der die Hilfe- und Kampfschreie erfolgten. Kapitel 35: Zwillinge bleiben Zwillinge --------------------------------------- Wie erstarrt blieb Masamune im ersten Moment stehen. „Das nenne ich mal riesig …“, murmelte entsetzt vor sich hin und starrte auf den einäugigen Dämon, der mindestens drei Meter Höhe aufwies, während die anderen sich auf den Kampf vorbereiteten und blitzschnell eine Strategie zurechtlegten. Sairi zog seinen Cousin zu sich, denn während die Wächter das Licht der Götter, sowie die nicht Kämpfenden zum Schutz in die Mitte nahmen und sich ihren Weg durch die Duras zu den eingekesselten Dorfbewohnern erkämpften, begaben sich Reiga, Zoltan, Tachibana, Sodom und die Zessbrüder direkt zum Zyklop. Zumindest versuchten sie es. Ihr Plan ging fast auf. Neunzig Prozent der Duras strömte zu Yuri, als sie das Licht der Götter wahrnahmen und wurden von den Wächtern erfolgreich in Schach gehalten und vernichtet. Doch ein paar stellten sich ihnen in den Weg und schienen den Zyklop mit aller Macht zu schützen, der gerade dabei war, sich ein schreiendes Kind einzuverleiben. „Widerlich“, meinte Tachibana tonlos und bestürzt, aber Zoltan zuckte mit den Achseln. „Wenn man Hunger hat, hat man Hunger.“ Ein entgleistes Lächeln legte sich über das Gesicht des ehemaligen Herbergsvaters. „Wie immer liebe ich deinen Sinn für Humor.“ Gemeinsam preschten sie nach vorne und Tachibana war gerade noch schnell genug, um eine Lichtkugel in Richtung des Dämons abzufeuern, die ihn an der Hand traf, bevor er das zappelnde Mädchen verschlingen konnte. Mit einem grellen Schrei stürzte das Mädchen in die Tiefe und Zoltan warf seinem Partner einen entgeisterten Blick zu. „Gut gemacht“, nuschelte er mit deutlicher Ironie in der Stimme und Tachibana fluchte vor sich hin. Geistesgegenwärtig gab Luca Sodom den Befehl der Rettung. Der kleine Drache sprang blitzschnell auf seinen vier Pfoten nach vorne und fing das Kind noch während des Falls ab. Mit großen Augen, in den noch deutlich der Schock zu lesen war, krallte sich das Mädchen in das weiche Fell des Drachen, der es in Sicherheit brachte. Obwohl sie zuvor so lange getrennt waren und seit ihrem Wiedersehen eine große Kluft zwischen ihnen herrschte, arbeiteten die Zessbrüder perfekt zusammen. Gemeinsam nutzten sie ihre Magie, um die flinken Duras zu beseitigen, die sie partout nicht zum Ziel durchließen. Während Luze seine Gegner beseitigte hatte er stets ein Auge auf den Engel. Zwar zweifelte er nicht daran, dass Danny sich verteidigen und gut austeilen konnte, doch sicher war sicher. Er schielte kurz zu seinem ehemaligen Meister, der noch immer dabei war, die Beschwörungsformel zu sprechen. Sie selbst hatten Probleme zum Zyklop durchzukommen, doch Reiga sollte es mit seiner Magie schaffen. Und so war es. Kaum hatte der Nekromant die Worte zu Ende gesprochen, erschien ein riesiger Löwe. Mit einem lauten, markerschütternden Grollen sprintete er auf den Dämon zu und griff gemäß Reigas Anweisungen an. Immer wieder holte er mit seinen großen Pranken aus, biss zu und wich flink den Attacken des Riesen aus. Nach nur zehn Minuten gelang es ihm, das Ungetüm zu Fall zu bringen und sein Dasein ein für alle Mal zu beenden. Sofort wollten sich die restlichen Duras zurückziehen, doch das ließen die Wächter nicht zu. Keinen einzigen von ihnen ließen sie entkommen. Zu groß war die Gefahr, dass Luzifer in nur wenigen Minuten hier aufkreuzen würde, falls es einer der Gegner schaffte, zu entwischen. Wenn sie Pech hatten, würde er ohnehin davon erfahren. Die der Dorfbewohner kamen vorsichtig aus ihren Verstecken heraus und schlichen misstrauisch auf ihre Retter zu. Das gerettete Mädchen krallte sich noch immer ins Sodoms weiches Fell und vergrub ihr Gesicht in seinen Rücken, was der Drache schwanzwedelnd hinnahm. Ein alter Mann, der sich Halt suchend auf einen Stock stützte, traute sich als erster zu den Fremden nach vorne. Sein Gesicht gleich einem Faltenmeer, doch seine schmalen Augen funkelten vor Wachsamkeit und Neugier. „Ihr habt uns gerettet. Habt großen Dank, Fremde. Doch sagt, ihr seid keine gewöhnliche Menschen, nicht wahr?“ Die Freunde sahen sich uneinig an. Schließlich ergriff Danny das Wort. „Mehr oder weniger. Was ist hier geschehen?“ Der Alte nickte verständnisvoll und hakte nicht weiter nach. Während er den Wächtern und Kameraden berichtete, trauten sich immer mehr Dorfbewohner, sich zu ihnen zu gesellen. Reiga wurde regelrecht von kichernden, jungen Frauen belagert. „Wenn die wüssten, an was sie sich da ranschmeißen“, nuschelte Tsubaki verdrossen und verschränkte ihre Arme, während sie das Ganze misstrauisch beäugte. Masamune beobachtete wiederum sie mit einem amüsierten Grinsen. „Seit sich die Erde aufgetan hat, sprudeln immer mehr Dämonen hervor, vernichten und versklaven ganze Städte und Dörfer. Nicht einmal vor Gargarenzia machen sie halt. Bei uns gibt es nicht viel. Was wollen sie von uns? Seit Wochen überfallen sie unser Dorf in regelmäßigen Abständen. So viele Männer und Frauen wurden bereits getötet oder entführt. Nicht einmal vor Kindern und Säuglingen machen sie halt.“ Besorgt folgte Yuki dem Lagebericht des Ortsansässigen. Er konnte sich nicht vorstellen, dass es in den anderen Orten anders aussah. Sein Blick fiel auf das gerettete Mädchen, das ausgelassen mit Sodom spielte und ihm ein sanftes Lächeln entlockte. „Es tut mir Leid, dass ihr so viel Leid ertragen müsst. Doch dürfte ich euch trotzdem um einen Gefallen für uns bitten?“, fragte Danny freundlich, als der alte Mann geendet hatte. „Natürlich, bitte sagt, wie können wir euch helfen?“ „Wir sind alle ziemlich erschöpft. Hättet ihr etwas zu Trinken und vielleicht eine Kleinigkeit zu Essen für uns?“ Die Augen des betagten Mannes, der sich als Ian vorstellte, wurden groß. Er schlug peinlich berührt seine freie Hand über den Kopf. „Wo bleiben nur meine Manieren?! Bitte verzeiht, das ist mir jetzt aber unangenehm. Wir bestehen sogar darauf, dass ihr bei uns rastet! Das ist das Mindeste, was wir tun können.“ Mit präzisen Anweisungen bat er seine Leute, alles vorzubereiten, führte die Reisenden in ein ehemaliges Hotel, das noch recht gut erhalten war und zeigte ihnen die getrennten Duschen für Männer und Frauen. Dankbar nahmen sie die Handtücher entgegen, die ihnen von den Bewohnern gereicht wurden. Sodom nahm seine menschliche Gestalt an, klammerte sich müde, doch fröhlich an Yukis Arm und begab sich mit den anderen zu den Duschen. „Und dass du ja nicht wieder auf die Idee kommst, zu spannen!“, rief Touko Hotsuma drohend hinterher, der verärgert aufschnaubte. „Ich habe nicht gespannt!“ „Oh doch, das hast du!“ „Als ob es bei euch was zu spannen gäbe!“ Shuusei und Senshiro ergriffen den zappelnden Hotsuma und zogen ihn wortlos mit sich. Ria stupste ihre Freundin grienend in die Seit und Tsubaki klopfte ihr zustimmend auf die Schulter, während Aya etwas peinlich berührt dahinter stand. Gemeinsam betraten sie die Frauenduschen und ließen es sich nicht nehmen, das schüchterne Dienstmädchen zu ihrer Beziehung zu Katsumi zu löchern. „Ich hab nicht gespannt!“, verteidigte sich Hotsuma, worauf Yuki lachte. „Ja, ich weiß. Ich war doch damals dabei.“ „Sicher?“, hakte Sairi skeptisch nach und beäugte den anderen Wächter misstrauisch. „Was heißt hier sicher?!“, schrie Hotsuma und sein Gegenüber zuckte mit den Schultern. „Zuzutrauen wäre es dir auf jeden Fall.“ Bevor Hotsuma widersprechen konnte, schaltete sich nun Kuroto ein. „Zuzutrauen wäre es euch beiden.“ Entgeistert starrten die zwei Streithähne ihn an und Senshiro begann zu lachen. „Ist er nicht wunderbar? Mit einem Satz hat er euer nerviges Geplänkel beendet.“ „Senshiro?“ „Ja?“ „Ich habe Hunger.“ Sofort wollte Senshiro aus dem Raum rennen und sich an die Arbeit machen, doch Katsumi hielt ihn eisern fest. „Das machen die Dorfbewohner. Wenn ich nicht kochen darf, dann darfst du das auch nicht!“ Herausfordernd funkelten sich die beiden an. „Ha ha, wollen wir nicht ein Dreierbattle der Kochkünste veranstalten? Die Dorfbewohner gegen Katsumi und gegen Senshiro?“, schlug Tachibana vor und erntete sofort missgünstige Blicke. Sowohl Reiga, Masamune, Tsukumo, Shuusei als auch Zoltan war das aufgeweckte Treiben zu viel. Sie ließen die anderen ihren Spaß und begannen zu duschen. Danny legte sanft die Hand auf Yukis Rücken und führte ihn ebenfalls zu den Brausen. „Mach dir um sie keine Sorgen. Die brauchen das.“ „Ja, wahrscheinlich hast du recht.“ „Sodom auch duschen!“, rief der kleine Drache und sprang beherzt nach vorne. Luze und Luca hielten sich zurück. Sie würden als letztes duschen. Noch fast ganz bekleidet standen sie in der Ecke. „Fang jetzt bloß nicht an zu sabbern“, ermahnte Luca seinen Zwilling, der fasziniert Danny beobachtete, sich jeden Millimeter von seiner Haut und Kontur einprägte. Luze schnaufte auf das Kommentar seines Bruders hin genervt auf. „Als ob …“ Dennoch konnte und wollte er seine Augen nicht von dem samtenen Körper des Engels abwenden. Die cappuccinofarbene Haut lud gerade dazu ein, gekostet zu werden. Wie er wohl schmeckte? In Luze begann sich etwas zu regen, wie ein kleines Tier, dessen Existenz er sich vorher nicht bewusst gewesen war. „Du sabberst,“ schlussfolgerte Luca und schüttelte leicht den Kopf. Luze wandte sich schnell zu ihm um. Im Gegensatz zu ihm schien sein Bruder die Gelassenheit selbst zu sein. Dabei wusste er, dass Luca Yuki mehr als alles andere begehrte. Wie konnte er also dermaßen gelassen bleiben? Er sah nicht einmal hin oder etwa doch? Luze kniff die Augen zusammen und nahm die Aura seines Zwillings wahr. Doch, eindeutig. Auch Luca genoss die Aussicht, was ihm aufgeregte Schwingungen verdeutlichten. Er folgte dem Blick seines Bruders, der geradeaus auf den Spiegel schaute, wo er bestens auf die Duschenden sehen konnte. Ein Schmunzeln umspielte seine Mundwinkel. Trotz ihrer Vergangenheit und aller Differenzen: sie waren und blieben Zwillinge. Kapitel 36: Tachibanas Geheimnis -------------------------------- „Ich habe eine Bitte.“ Die anderen verstummten augenblicklich, als Yuki das Wort ergriff. Er lächelte zwar, doch seine Miene war von Ernst und Sorge durchzogen. Sie hatten gerade ihr Essen zu sich genommen, das die Dorfbewohner als Dank mit viel Liebe für sie zubereitet hatten. Yuki hatte zuvor unter vier Augen mit Ian gesprochen und sich nun entschlossen. „Wir alle haben in den letzten Wochen viel durchgemacht und die Reise wird nicht einfacher werden. Im Gegenteil. Ich könnte es nicht verkraften, wenn noch mehr Menschen um mich herum sterben, ohne dass ich etwas dagegen tun kann.“ Das Licht der Götter holte tief Luft und Luca griff unter dem Tisch vorsichtig nach seiner Hand und streichelte mit dem Daumen über seinen Handrücken. Er schenkte dem Dämon ein dankbares Lächeln. Lucas bloße Anwesenheit gab ihm Kraft. So war es immer gewesen und Yuki spürte die tiefe Verbundenheit zwischen ihnen. Er wusste, dass er noch mit ihm sprechen musste, doch nun musste er erst einmal etwas anderes klären. Etwas, das ihm ebenso viel bedeutete. „Tsubaki, Masamune, Aya und Katsumi, ich möchte, dass ihr hier in Gagarenzia bleibt und den Bewohnern zur Hand geht.“ Seine Tante stand empört auf, während die anderen drei stumm und peinlich berührt auf den Tisch hinunter sahen. „Auf keinen Fall! Yuki, ich lass dich doch jetzt nicht allein!“ „Ich danke dir, dass du mir helfen möchtest, doch ich bin nicht allein. Die Wächter, Sodom, Luca … sie sind alle bei mir, um den endgültigen Kampf zu schlagen. Ihr könnt nicht mitkämpfen und ich möchte euch in Sicherheit wiegen.“ In Tsubakis Augen spiegelten sich Tränen. Zwar konnte sie seine Entscheidung nachvollziehen, sie wollte auch kein Klotz am Bein sein, dennoch schmerzte sie der Gedanke, sich von Yuki trennen zu müssen und ihn womöglich nie wieder zu sehen. „Yuki, bitte. Ich verstehe dich, aber bitte, nimm mich mit. Ich werde auch nicht im Weg stehen und … wer sagt denn, dass wir hier sicherer sind? Gagarenzia wird immerhin auch regelmäßig attackiert wie wir gehört haben. Und zudem können wir die Gastfreundschaft der Leute nicht überstrapazieren." Das Licht der Götter schüttelte leicht seinen Kopf. „Letzteres habe ich bereits mit Ian bereits abgesprochen. Das wäre kein Problem.“ „Ganz und gar nicht“, schaltete sich nun der Dorfälteste ein und trat zu ihnen an den Tisch. „Wir würden uns viel sicherer fühlen, wenn ihr bliebet.“ „Abgesehen davon könnt ihr ihnen unter die Arme greifen, was den Wiederaufbau betrifft“, ergänzte Yuki etwas traurig lächelnd, denn er spürte die Enttäuschung und den Frust seiner Verwandten. Er wollte sich nicht vor den Kopf stoßen, doch es war zu gefährlich, sie weiterhin den Gefahren der Reise auszusetzen. Die Konfrontation mit Luzifer und seinem Gefolge war unvermeidlich. Er durfte nicht zulassen, dass dieser Krieg noch mehr Menschenleben forderte als unbedingt notwendig. Tsubaki wandte sich verbittert an Ian. „Sie würden sich sicherer fühlen, wenn wir bleiben würden?“ „Ja, so ist es.“ Der alte Mann nickte bestätigend. „Aber wir können rein gar nichts gegen die Dämonen ausrichten. Im Kampf sind wir genauso ausgeliefert, wie der Rest von Ihnen.“ „Das stimmt“, meine Yuki und wandte leicht den Kopf. „Deswegen möchte ich, dass du, Kanata, auch bleibst und das Dorf mitsamt den Bewohnern schützt. Mit dem Grimmoire solltest du durchaus in der Lage sein.“ Reiga zog erstaunt eine Braue in die Höhe. Für eine flüchtige Sekunde spiegelte sich der Widerwillen in seiner Mimik, bevor sich seine Maske wieder verhärtete. „Möchtest du das wirklich?“ „Ja, niemand Besserem könnte ich meine Familie, Freunde und die Bewohner anvertrauen“, antwortete Yuki und schaute ihm tief in die Augen. Reigas Herz machte einen verzagten Sprung. Er seufzte. Es fiel ihm schwer, Yukis Bitte nachzukommen, doch war die Sorge und Angst seinen Augen deutlich abzulesen. Reiga sah, wie Yuki unter der Furcht litt und er wollte sie ihm nehmen. Dem Licht der Götter stand ein schwerer Kampf bevor. Zusätzliche Furcht würde ihn nur unnötig schwächen. „Dann bleibe ich hier.“ Yuki fiel ein schwerer Stein vom Herzen. Erleichtert atmete er auf und sowohl Katsumi als auch Aya nickten. Die Bediensteten wussten, dass sie beim folgenden Kampf keine große Hilfe sein würden. „Wir bleiben gerne“, pflichtete Aya aufmunternd lächelnd bei. „Ja, auch wenn sich dann keiner um eure Ernährung kümmert …“, meinte Katsumi und warf einen besorgten Blick in die Runde, wobei seine Augen bei Tsukomo hängen blieben. Der zuckte mit den Schultern. „Ich esse immer gut. Shuusei ist das Sorgenkind.“ „Du isst meistens nur ungesunde Knabbereien! Eine Tüte Krabbenchips kann man nicht als vollständige Mahlzeit bezeichnen!“, beschwerte sich der Koch, woraufhin Touko lachte. „Keine Sorge. Ich verspreche aufzupassen, dass er ordentlich isst.“ „Dasselbe gilt für mich mit Shuusei“, schaltete sich Hotsuma ein und erntete einen kräftigen Stoß in der Seite von seinem Partner. „Auch ich werde bleiben.“ Masamune schaute Yuki traurig an. „Ich habe schon genug Unheil angerichtet und in meiner momentanen Verfassung, werde ich ohnehin nur ein Hindernis sein.“ „Sag das bitte nicht! Für das, was dein Vater dir angetan hat, kannst du nichts!“, widersprach Yuki vehement und die anderen stimmten ihm alle ausnahmslos zu. Masamune nickte zwar, trotzdem wirkte er mehr als niedergeschlagen. Die Ereignisse der letzten Monate machten ihm schwer zu schaffen. Er hatte den Tod seiner Mutter und den Kampf gegen seinen Vater noch nicht verarbeitet. Sairi klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. Er konnte den Schmerz seines Cousins deutlich spüren. Tsubaki seufzte gereizt. Es widerstrebte ihr sichtlich, sich Yukis Wunsch zu beugen. Der Gedanke, ihn allein ziehen zu lassen, ihn und die anderen vielleicht nie mehr wiederzusehen, brach ihr fast das Herz. Dennoch wollte sie nicht die einzige sein, die sich quer stellte und es Yuki somit noch schwerer machen, als er es ohnehin schon hatte. „Na gut. Wenn es sein muss, dann bleibe auch ich hier …“ „Danke dir …“ „Ja, ja, schon gut. Gerne mach ich das aber nicht“, erwiderte Tsubaki und winkte ab, woraufhin Yuki ihr um den Hals flog und Sodom gleich hinterher. „Vielen Dank, Tsubaki. Du tust mir damit einen großen Gefallen und wir werden uns beeilen, damit wir so schnell wie möglich wieder zurück kommen.“ „Sodom auch! Sodom wird Yuki und den anderen helfen!“ Ein kleiner Schatten huschte über Dannys Gesicht, dennoch blieb er still und beobachtete die Szene weiterhin. Ein Wiedersehen klang schön, doch war es wirklich möglich? „Wenn wir schon Leute zurück lassen, sollte dann nicht auch Tachibana hier bleiben?“, schaltete sich Hotsuma ein und die anderen Wächter nickten zustimmend. Der Herbergsvater begann leise zu kichern. „Wie süß, dass ihr um mich besorgt seid.“ „Besorgt?“ Hotsuma zog zweifelnd eine Braue in die Höhe, doch Touko war schneller und hob ihm schnell den Mund zu. „So kann man das auch nennen“, erwiderte sie und grinste den Herbergsvater breit an. Das Licht der Götter legte seinen Kopf schief und grübelte. Er hatte zuvor nicht damit gerechnet, dass Tachibana sich im Kampf so gut schlagen würde, doch womöglich hatten die anderen recht und es wäre besser, wenn auch er in Gagarenzia bliebe. „Ha ha, das ist nicht nötig. Abgesehen davon, wenn ich nicht mitgehe, wer passt denn dann auf meine Schäfchen auf? Ha ha.“ „Welche Schäfchen?“, fragte Kuroto misstrauisch und ahnte die Antwort bereits. „Na euch, he he.“ Zoltan trat vorsorglich einen Schritt bei Seite. Gerade noch rechtzeitig, bevor er von der wütend protestierenden Meute umgerannt wurde, die auf Tachibana empört eintrommelte. Yuki überlegte einzugreifen, doch sowohl Danny als auch Zoltan winkten ab. Sie warteten eine Weile, bis sich das Treiben beruhigt hatte und die Wächter vom Herbergsvater abließen. Dann wandte sich das Licht der Götter noch einmal zu ihm um. „Tachibana, die anderen haben recht. Es wäre besser, wen du nicht mit uns kommen würdest …“ Der Herbergsvater schmunzelte. Es rührte ihn wirklich, dass Yuki sich derart um ihn sorgte. Dennoch lag er falsch. Er musste mit und war alles andere als hilflos. Als er jedoch die Lippen öffnete, um etwas zu erwidern, kam ihm Danny zuvor. „Du musst dir um ihn keine Sorgen machen, glaube mir“, entgegnete er mit sanfter Stimme und schenkte ihm ein beruhigendes Lächeln. „Das ist unfair! Wenn Tachibana mit darf, dann möchte ich auch!“, protestierte Tsubaki entrüstet. Der Engel wandte sich zu der aufgebrachten Frau und schüttelte leicht den Kopf. „Tut mir leid, aber das sind zwei verschiedene Dinge.“ „Und wieso das?!“ „Ganz einfach“, er warf Tachibana ein verschwörerisches Lächeln zu und der nickte bejahend. Es war Zeit, mit der Wahrheit herauszurücken und eins seiner Geheimnisse zu offenbaren. „Weil er in meinem Team mitspielt.“ „Moment mal, soll das etwa heißen …?“, platzte es aus Ria heraus und auch die anderen Wächter sahen ungläubig drein. „Ja, Tachibana war … ist ein Engel.“ Kapitel 37: Nächtliche Auseinandersetzungen ------------------------------------------- Gedankenverloren streifte Touko über den Flur. Sie konnte kaum glauben, dass Tachibana ein Engel sein sollte. Ausgerechnet ihr selbsternannter Herbergsvater? Der Tachibana, der allen mit seiner schrägen Art den letzten Geduldsfaden kostete? Kaum vorstellbar. Kopfschüttelnd schlenderte sie weiter. Der Mond stand mittlerweile hell am Himmel und zeichnete mit seinem Schein, der durch das Fenster fiel, feine Linien auf den Holzfußboden. Sie seufzte abwesend. Wie würde es weitergehen? Würden sie es schaffen, Luzifer zu besiegen oder würde der Kampf noch ewig andauern? Wenn das so wäre, dann … Die Wächterin biss sich auf ihre Unterlippe und ertappte sich dabei, wie sie vor Shuuseis Tür zum Stehen kam. Es erschien ihr wie ein Wink des Schicksals. Ja, so musste es sein. Vorsichtig klopfte sie an. Der Schlag ihres Herzens war überlaut und schien alles zu übertönen. Es war richtig. Bestimmt war es das. Es dauerte eine Weile, bis Shuusei sich zur Tür geschlichen hatte und öffnete. Überrascht starrte er seine Kameradin an, die schüchtern mit dem Fuß unsichtbare Kreise über den Boden zeichnete. „Touko?“ „Hi Shuusei, ist Hotsuma da?“ „Er schläft“, flüsterte Shuusei und nickte in Richtung des Bettes, wo sein Partner sich in die Decke gekuschelt hatte. Auf ihrem Gesicht breitete sich Erleichterung aus und sie atmete hörbar aus. Nachdenklich beobachtete er sie. Er konnte deutlich erkennen, dass sie etwas belastete. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Sie lächelte. Seine ehrliche Fürsorge in der Stimme, wärmte ihr Körper von innen. „Um ehrlich zu sein, mache ich mir momentan viele Gedanken.“ „Verständlich. Ich schätze mal, das tun wir alle. Selbst unser immer witziger und seltsamer Tachibana.“ Ein schiefes Grinsen glitt ihr bei der Vorstellung über das Gesicht und schüttelte schnellt den Kopf, um das Bild zu vertreiben. „Kannst du dich noch an die Sache damals mit dem Vampir auf dem Schulausflug erinnern?“, begann sie zögernd das eigentliche Thema anzusprechen. Seine Augen verengten sich leicht. „Natürlich. Wie könnte ich das vergessen.“ Hätte Hotsuma ihn damals nicht gefunden, dann wäre er jetzt nicht mehr hier. Mehr noch: sie würden sich nie wieder sehen, seine Seele wäre erloschen. „Kannst du dich auch an unser Gespräch erinnern, bevor er aufgetaucht ist?“ Shuusei runzelte die Stirn. Stutzig zog er seine Brauen in die Höhe. Natürlich konnte er sich daran erinnern, doch für ihn war das Thema erledigt gewesen. Machte sie sich darüber noch immer Gedanken? Offensichtlich. „Touko, der Kampf wird enden. Auf die eine oder andere Art. Du musst dir über solche Dinge keine Gedanken mehr machen,“ redete er gut auf sie ein, doch sie schüttelte entschieden den Kopf. „Wie kannst du dir da so sicher sein? Was ist, wenn wir Luzifer nicht gleich besiegen können und sich der Kampf wieder über etliche Jahre, wenn nicht gar über Jahrhunderte erstreckt?“ „Das wird nicht passieren, glaube mir.“ Sie seufzte und für einen Moment war es still. „Ich versuche und ich hoffe es zutiefst, aber für den Fall, dass es nicht enden wird – würdest du es in Betracht ziehen, mir ein Kind zu schenken?“ „Touko …“ „Du musst auch nicht sofort antworten, doch bitte mach dir darüber Gedanken. Versprich es mir.“ Shuuseis Blick wanderte kurz zu Hotsuma, der noch immer scheinbar schlafend auf dem Bett lag. „Es tut mir leid, das kann ich nicht.“ „Aber …“ „Versteh mich bitte nicht falsch. Dein Angebot und die Tatsache, dass du mich als potentiellen Vater ausgesucht hast, ehrt mich. Dennoch muss ich es ablehnen. Es liegt nicht an dir …“ Touko hielt ihm schnell die Hand auf den Mund und kämpfte gegen ihre Tränen an. Schmerz und Enttäuschung war in ihren Augen zu lesen. „Bitte, sprich nicht weiter. Danke, dass du mir zugehört hast.“ Sie schenkte ihm ein verzagtes Lächeln und eilte durch den Flur davon. Shuusei sah ihr zwiegespalten hinterher. Zwar hatte er Mitgefühl mit seiner Kameradin, doch konnte er unmöglich ihrer Bitte nachkommen. Hinter ihm raschelte es. Er drehte sich nicht um, selbst dann nicht, als er Hotsumas warmen Atem auf seinem Nacken spüren konnte. „Wieso hast du nicht zugesagt?“, fragte Hotsuma flüsternd mit düsterer Miene und ein Stich durchfuhr noch im selben Moment sein Herz. Er stand so dicht hinter seinem Partner, dass er die Arme um ihn legen konnte, doch er traute sich nicht. Eine unsichtbare Macht schien ihn davon abzuhalten. Die Verführung, seinen Kopf auf Shuuseis Schulterblätter zu legen und seinen Duft tief einzuatmen war groß. Trotzdem stand er wie versteinert da und konnte sich nicht rühren. „Das weißt du ganz genau.“ „Sie wäre eine gute Partie.“ „Hotsuma!“ Shuusei wirbelte herum und verpasste seinem Partner einen Stoß, sodass dieser gegen die Wand strauchelte. Bevor er sich rühren konnte, war er auch bereits bei ihm und drückte ihn unerbittlich dagegen. Hotsuma konnte die Wut, aber auch den Enttäuschung in seinen Augen lesen. Er neigte seinen Kopf beschämt zur Seite und murmelte: „Es tut mir leid. Ich hätte das nicht sagen sollen, doch ich dachte …“ „Was dachtest du? Dass ich unbedingt mal ein Kind haben möchte?! Dass ich lieber mit einer Frau zusammen wäre, als mit dir? Dass meine Worte nicht ernst gemeint waren? Verdammt, Hotsuma, wie deutlich soll ich es dir denn noch sagen, bis du mich endlich verstehst?!“ Er zuckte zusammen. So ein Gefühlsausbruch war bei Shuusei sehr selten. „Wann kapierst du endlich, dass ich dich mehr als alles andere auf der Welt liebe?“ Röte überzog seine Wangen und sein Körper wurde von Wärme und Zuneigung geflutet. Er hatte diese Wort zum letzten Mal im vorherigen Leben von ihm gehört. Wie sehr er sich danach gesehnt hatte, sie abermals zu vernehmen, das wurde ihm nun schmerzlich bewusst. Er hatte wirklich eine verdammt lange Leitung. Das hatte sich seit Beginn seines Daseins nie geändert. Er war wirklich ein Idiot. Das, was er am meisten begehrte und wollte, war direkt vor ihm. Wieso tat er sich dabei so schwer? Vorsichtig blickte er auf und seinem Partner direkt in die Augen. Hotsuma umfasste mit den Händen behutsam sein Gesicht und zog Shuusei zu sich. „Ich liebe dich auch.“ Ihre Lippen trafen sich und entfachten in seinem Innern ein Feuerwerk. Eilig und mit zittrigen Händen schob er seinen Partner in Richtung des Bettes. Sie hatten etwas nachzuholen und dieses Mal würde sie keiner dabei unterbrechen. Touko bog um die nächst gelegene Ecke und lehnte sich niedergeschlagen an die Wand. Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen und schalt sich selbst eine Närrin. Eine deutlichere Abfuhr hätte sie nicht bekommen können, auch wenn er es nett rübergebracht hatte. Sie hatte es bereits geahnt, dennoch hatte sie die Absage wie ein harter Schlag getroffen. Ihr Puls raste und sie kämpfte gegen die Tränen an. „Du wirst dich doch jetzt nicht selbst bedauern, oder? Was hast du denn anderes erwartet? Die beiden sind dermaßen in einander verliebt, das sieht selbst ein Blinder.“ Sie zuckte zusammen, als sie Zoltans Stimme direkt neben sich vernahm. Verlegen strich sie sich durch die Haare und zwang sich ein Lächeln auf. „Wieviel hast du mitbekommen?“ Er zuckte gelassen mit den Schultern. „Ich schätze, alles.“ „Oh…“ Für eine Weile standen sie schweigend nebeneinander und ihr wurde die Stille schon unangenehm, als er meinte: „Ich versteh euch nicht.“ Irritiert blinzelte sie ihn an. „Was?“ „Ihr Wächter – ich versteh euch nicht. Ich dachte, ihr wärt mit eurem Partner durch eine Art Seelenband auf ewig verbunden.“ „Das stimmt auch. Tsukomo ist mir das Wichtigste auf der Welt, neben Yuki natürlich.“ Zoltan runzelte nachdenklich seine Stirn. „Wenn das so ist, warum willst du dann ein Kind von einem anderen?“ Touko grübelte. Sollte sie wirklich mit einem Dämon über das Thema sprechen? Er würde sie ohnehin nicht verstehen. Abgesehen davon ging es ihn nichts an. Trotzdem: etwas an seiner Haltung und Tonlage gefiel ihr nicht, sodass sie das Gefühl hatte, sich rechtfertigen zu müssen. Sie holte tief Luft, bevor sie in ihrer Erklärung ansetzte. „Ich denke, ich habe keine andere Wahl. Neue Wächter können nur entstehen, wenn ein Wächterpärchen ein Kind miteinander zeugt. Ich liebe Tsukomo, doch in jedem Leben werden wir entweder als Bruder und Schwester oder als gleichgeschlechtlich geboren. Ich fühle mich, als würde ich meinen Zweck nicht gänzlich erfüllen, wenn ich kein Kind gebären kann, das den Kampf für das Gute weiterführt.“ Zoltan zog eine Braue in die Höhe und Verachtung spiegelte sich in seinen orangefarbenen Augen wider. Er musterte sie mit einem Blick, der sie in den Boden zu rammen drohte. „Findest du das nicht verdammt hartherzig und egoistisch?“ Ihre Kinnlade klappte nach unten. Fassungslos starrte sie ihn an. Was bildete er sich ein?! „Nein, was … wieso …?“ „Zum einen würdest du Tsukomo hintergehen. Er kann einem echt leidtun. Hat er denn schon einmal den Gedanken oder Wunsch geäußert? Nein? Dachte ich mir. Erzähl mir nicht, er bedeutet dir alles, wenn du nichts desto trotz mit einem anderen in die Kiste steigen kannst. Zum anderen bist du bereit, die Beziehung zwischen Hotsuma und Shuusei damit zu belasten. Der letzte und schlimmste Punkt: du möchtest ein Kind auf die Welt zu setzen, das für sein Leben lang verflucht ist, diesen dämlichen Krieg auf ewig weiter zu führen.“ „So ist das nicht!“, schrie ihn Touko an und kämpfte erneut mit ihren Tränen. „Ich liebe Tsukomo, doch für das Wohl der Menschheit …“ „Quack mich nicht voll von wegen höhere Ziele, Gerechtigkeit und so ein Müll! Ihr Wächter haltet uns Dämonen vor, wir seien grausam? Was unterscheidet uns denn von euch?“ „Das kann man nicht vergleichen – Ihr tötet Unschuldige!“ Sie rang mit ihrer Fassung, aber sie konnte nicht verhindern, dass ihre Stimme immer schriller wurde. Ihr Körper begann unkontrolliert zu zittern und sie ballte ihre Hände zu Fäusten. „Ach? Und was tust du? Du versklavst ein unschuldiges Leben, um deinen Kampf fortzuführen und rechtfertigst dein Gewissen, es sei deine Pflicht und du hättest etwas Gutes getan. Das ist auch eine Art, das Dasein eines anderen zu zerstören und das nicht nur in einem Leben, sondern für immer.“ Ihre Hand schnellte nach vorne und sie verpasste ihm eine schallende Ohrfeige. Sie wollte ihn anbrüllen, ihn verfluchen, doch sie konnte es nicht. Stattdessen fraß sich ein riesiger Zweifel in ihr Herz. Mit tränenüberströmten Wangen wirbelte sie herum und rannte zurück in ihr Zimmer. Dort sprang sie ihrem Partner in die Arme und drückte sich schluchzend an ihn. Verdutzt und mitfühlend sah Tsukomo an ihr herunter und zog sie fest an sich. Tröstend strich er über den Rücken. Es tat ihm in seiner Seele weh, sie derart leiden zu sehen. Was immer auch passiert war, es musste sehr hart und qualvoll für sie sein. „Bitte weine nicht, Touko. Ich verspreche dir, alles wird gut werden“, flüsterte er ihr stärkend ins Ohr, woraufhin sie schluchzte. Wie hatte Zoltan nur so etwas Grausames behaupten können? Ein Dämon verstand so etwas einfach nicht und Tsukomo war ihr ein und alles. Nichts und niemand würde daran etwas ändern. „Diese Härte war nun wirklich nicht nötig“, meldete sich Tachibana hinter Zoltan zu Wort, der gerade um die Ecke trat. Der Dämon zuckte gelassen mit den Schultern. „Das musste mal gesagt werden. Ich konnte mich nicht zurückhalten. Warum auch?“ Tachibana kicherte leise. „So gemein wie eh und je.“ Zoltan verzog sein Gesicht, bevor er mit einem provokanten Schmunzeln antwortete: „Ach, bin ich das? Dann sollte ich vielleicht auch überlegen, mit einem weiblichen Duras ein Kind zu zeugen, um den Kampf gegen euch fortzuführen?“ „Ha ha, touché, doch du kämpfst auf unserer Seite, mein Lieber.“ „Wäre nicht das erste Mal, dass ich die Seite wechsle. Also, was soll‘s?“ „Aber das Wichtigste fehlt dir bei den Dämonen.“ „Und das wäre?“ Tachibana grinste breit und überlegen. „Ich, natürlich.“ „Pfh … du bist wie immer maßlos von dir überzeugt“, entgegnete Zoltan und wich seinem Blick aus. Der Gedanke, noch einmal von dem Engel getrennt zu sein, ließ sein Innerstes verkrampfen. Allerdings wollte er das auch nicht vor ihm zugeben. Mit einem scheinbar gleichgültigen Schulterzucken drehte er sich um und lief zurück zu ihrem Zimmer. Tachibana sah ihm grienend hinterher. Zoltan glaubte ihm nicht? Nun gut, es waren bereits genug nächtliche Auseinandersetzungen im Flur ausgetragen worden. Dann würde er ihn eben in ihrem Zimmer von seinen Argumenten und Qualitäten überzeugen. Ein vorfreudiges Prickeln überzog seine Haut. Beschwingt setzte er seinem Geliebten hinterher. Kapitel 38: Der Höhlenpalast ---------------------------- Sairi seufzte. Es war nun bereits drei Tage her, dass sie Gagarenzia verlassen hatten und er Masamune das letzte Mal gesehen hatte. Er hoffte nur, dass sein Cousin genug Ruhe fand, um sich von den ganzen Strapazen zu erholen. Sowohl körperlich als auch seelisch, denn die Ereignisse hatten tiefe Spuren bei ihm hinterlassen. Er selbst schwor sich, alles dafür zu tun, um Luzifer und sein Gefolge dorthin zurückzuschicken, wo sie hingehörten. Ria musterte ihren Partner aus den Augenwinkeln. Seine Gedanken und Gefühle waren ihm aus dem Gesicht abzulesen. Vielleicht nicht für die anderen, doch für sie schon. Vorsichtig griff sie nach seiner Hand und drückte sie aufmunternd. Sie rechnete damit, dass er sich losreißen oder sie abschütteln würde, doch nichts dergleichen passierte. Er ließ die Berührung zu und zog sie etwas näher zu sich, sodass sich ihre Körper beim Laufen ab und an zufällig aneinander streiften. Mit geröteten Wangen lief sie schweigend neben ihm her und genoss die Wärme, die von ihm ausging. „Hört mal bitte alle zu“, meldete sich Danny zu Wort und zog die Aufmerksamkeit der anderen auf sich. „Ich denke, es wird Zeit, euch endlich darüber zu informieren, wie es weitergeht. Wir werden in wenigen Minuten die Höhle erreichen, wo sich eins der Portale der Götter befindet. Wenn wir dieses gefunden haben, wird uns Yuki durch seine Kraft in die Nähe der ersten Kristallsäule des Ursprungs teleportieren. Die Kristallsäulen suchen sich ihre Wächter aus. Die entsprechenden Paare müssen bei den Säulen bleiben, bis wir für alle die Säulen gefunden haben. Luca, Tachibana, Zoltan, Sodom, Luze und ich werden das Licht der Götter zur letzten Säule begleiten.“ Empörtes Gemurmel wurde laut. Der Gedanke, Yuki nicht bis zum Schluss zu begleiten, widerstrebte den Wächtern. Doch der Engel fuhr unbeirrt fort. „Ich weiß, es ist schwer für euch, doch durchaus notwendig. Nur wenn alle an ihrer Position stehen, können alle Säulen zeitgleich aktiviert werden und Yuki kann die Erde von den nicht erwünschten Duras und von Luzifer säubern, denn dann wird die volle Magie der Säulen betätigt.“ „Hört sich für mich alles nach einem schlechten Film an“, murmelte Hotsuma und bekam einen leichten Stoß von Shuusei in die Seite. Erwartungsvolle Blicke richteten sich auf das Licht der Götter und Yuki nickte. „Ich glaube fest daran, dass es funktioniert. Gemeinsam können wir es schaffen und beenden ein für alle Mal diesen fürchterlichen Kampf. Lasst uns, unseren Traum verwirklichen.“ „Au ja, Sodom wird Yuki helfen!“ Der kleine Drache kuschelte sich an Yuki, der ihm liebevoll den Kopf tätschelte. „Wie könnten wir eine Bitte von dir abschlagen“, entgegnete Senshiro lächelnd. „Wenn es dein Wunsch ist, werden wir dir folgen.“ Ria sah entschlossen in die Runde und erntete zustimmende Worte. Yuki wandte sich Luca zu und sein Blick bekam etwas wehmütiges, sodass der Dämon unweigerlich erschauerte. „Und du, Luca? Wirst du an meiner Seite bleiben?“ Luca trat auf ihn zu, sank auf die Knie und schloss die Augen. „So lange, wie du es wünschst.“ Er öffnete seine Lider und ihre Blicke trafen sich, verschmolzen zu einem Augenblick voll von unausgesprochener Zärtlichkeit, Sehnsucht und Zuneigung. Die Zeit schien still zu stehen und Yuki hatte das Gefühl, zu schmelzen. „Schön, schön, he he. Dann ist ja alles geklärt. Lasst uns weiter gehen oder möchte noch jemand ein Liebesgeständnis machen?“ Tachibana schaute kichernd von einem zum anderen und sein Blick blieb an Kuroto hängen. „Du vielleicht?“ Die Miene des Wächters verfinsterte sich. Er ballte seine Hände zu Fäusten und stierte Tachibana unheilverkündend an. „Ich töte dich.“ „He he. Auch das kann ein Liebesbekenntnis sein, doch ich hoffe, Senshiro hat nichts dagegen.“ Die anderen Wächter versuchten, Kuroto und Senshiro von Tachibana wegzuziehen, die im nächsten Moment sofort auf den Herbergsvater zusprangen. Luze gesellte sich zu Zoltan, schielte immer wieder zu Danny und dann zu der chaotischen Szene, bis er schließlich fragte: „Wie hältst du das bloß aus?“ Zoltan zuckte stumm mit den Schultern. „Er nervt.“ „Meistens.“ „Doch du liebst ihn?“ „Mehr als alles andere auf der Welt“, bestätigte Zoltan und ließ Tachibana nicht aus den Augen. „Willst du ihm nicht helfen?“ „Der geht schon nicht kaputt.“ „Stimmt wohl.“ Luze schielte abermals zu dem blonden Mann. Es war kaum zu glauben, dass sowohl Tachibana als auch Danny Engel sein sollten. Sie waren so unterschiedlich. Nicht nur äußerlich, sondern vor allem charakterlich. Ob es sich nicht doch um einen Irrtum handelte? Luca feuerte einen lilafarbenen Magiestrahl zwischen die zankende Meute, die ihn daraufhin böse anfunkelte. „Wir gehen weiter“, meinte er unbeeindruckt und lief mit Yuki und Sodom voraus. Suchend tasteten sie seit über einer Stunde die große Felssteinwand ab. Die Frustration unter den Wächtern wuchs stetig, doch keiner von ihnen dachte daran, aufzugeben. „Und keiner von euch beiden weiß, wo sich der Eingang befindet?“, seufzte Sairi gereizt, aber sowohl Danny als auch Tachibana schüttelten den Kopf. „Leider nein. Es war zuvor nie … wichtig“, antwortete der Blonde und der Wächter verdrehte die Augen. Ria klopfte ihrem Partner aufmunternd auf die Schulter. „Ich glaube, ich habe was“, meldete sich Shuusei zu Wort und zog damit sofort die Aufmerksamkeit aller auf sich. Hoffnungsvoll scharrten sie sich um ihn. Allerdings konnten sie nichts entdecken. „Ich sehe nichts“, äußerte sich Tsukomo, legte den Kopf leicht schräg und sprach damit aus, was alle dachten. „Ha ha, ihr müsst genauer hinschauen“, riet Tachibana und grinste amüsiert in die Runde. „Macht eure Äuglein auf, du auch, Luca.“ Lucas Augen verformten sich zu zwei schmalen Schlitzen und blitzten gefährlich auf. Er wusste, dass der Hausvorsteher gerne seine Scherze trieb und versuchte, es einfach abzutun. Doch das ständige Gekicher hörte nicht auf und trieb ihn zur Weißglut. Wie von selbst schoss seine Hand nach vorne, ergriff den lachenden Mann und schleuderte ihn gegen die Mauer. Zumindest hatte er dies bezweckt, denn Tachibana wurde von dem Gestein regelrecht verschlungen und fiel hindurch. Fassungslos starrten die anderen auf die Sinnestäuschung. Zoltan war der erste, der sich rührte. „War das wirklich notwendig?“, fragte er Luca scheinbar gelangweilt, wartete allerdings nicht auf seine Antwort, sondern trat ebenfalls durch die Illusion hindurch. Luze trat neben seinen Bruder und meinte: „Ich hätte es auch getan. Dummerweise warst du schneller als ich.“ „Sodom und Yuki auch!“ Der kleine Drache schlang sich um Yukis Arm und sah auffordernd in die Runde. Das Licht der Götter lächelte und streichelte ihm behutsam den Kopf. „Seid ihr soweit?“, wandte er sich an die Zess Brüder, die zeitgleich nickten. Gemeinsam betraten sie einem nach dem anderen die Höhle. „Wow, das ist unglaublich!“, murmelte Touko mit glänzenden Augen und sah sich in dem riesigen Höhlenpalast um. „Wie alt ist der Bau? Und was sind das für Zeichen?“ „Da! Schau! Das da hinten sind Abbildungen unserer Vorfahren!“ Ria deutete nach rechts auf die gezierte Wand. Danny wartete ein paar Minuten, bis sich die Aufregung gelegt hatte, bevor er zu erklären begann. „Ihr findet hier den Einfluss aller Welt. Direkt neben mir habt ihr die griechische Antike. Ria hat schon die japanischen Epochen gefunden, die hier Vorherrschend ist, da das Licht der Götter und auch die Wächter vorzugsweise in Japan wiedergeboren werden und es auch stets Japan ist oder war, wo die Kämpfe ausgetragen wurden.“ „Wieso das?“ Yuki sah den Engel fragend an. Danny lachte verlegen auf. „Ihr scheint das Land besonders zu lieben. Eure Seelen zieht es stets auf die Insel.“ „Wäre es denn auch möglich, dass wir in einem anderen Land und getrennt voneinander geboren werden?“ „Grundsätzlich ja, zumindest was dich, das Licht der Götter, betrifft. Die Seelen der Wächter zieht es allerdings immer in deine Nähe.“ Yuki spürte die Blicke seiner Freunde auf ihn ruhen und Geborgenheit flutete seine Körper. Wärme schoss in seine Wangen und er nickte dankbar in die Runde. „Ich danke euch. Durch jeden einzelnen von euch weiß ich, dass ich niemals allein sein werde. Ich danke euch von Herzen. Lasst uns gemeinsam dem Grauen ein Ende setzen und für Friede sorgen.“ „Oh ja, und wenn der Kampf vorbei ist, dann gehen wir alle gemeinsam wieder in einen Onsen!“ Ria strahlte regelrecht, sodass ihr keiner den Wunsch abschlagen konnte. Fröhlich Pläne schmiedend bahnten sie sich ihren Weg durch den göttlichen Palast. Keiner von ihnen ahnte, dass sie in diesem Leben nie wieder gemeinsam zu einem Onsen fahren würden. Kapitel 39: Überraschung ------------------------ „Da! Der Eingang!“ Sodom streckte seine Hand aus und hüpfte aufgeregt von einem Bein auf das andere. Sowohl Danny als auch Yuki schenkten ihm ein herzliches Lächeln und wurden von den Zessbrüdern mit einem Schmunzeln beobachtet. „Die Szene ist fast noch gruseliger als du“, murmelte Zoltan Tachibana zu und erntete einen ermahnenden Knuff in die Seite. Voller Tatendrang bewegten sich die Freunde auf das große, reich verzierte Tor zu, das sie zu dem ersten Portal der Götter bringen würde. Alle waren frohen Mutes bis auf Danny, der sich angespannt umsah. Etwas stimmte nicht, allerdings war er nicht in der Lage zu bestimmen, was es war. Luze trat an seine Seite. Die Unruhe des blonden, jungen Mannes war ihm aufgefallen und er machte sich Sorgen. „Was ist los? Stimmt etwas nicht?“ „Ich … ich bin mir nicht sicher“, gab der Angesprochene ehrlich zu. „Ich habe ein sehr beunruhigendes Gefühl.“ Luze griff reflexartig nach Dannys Hand und streichelte mit seinem Daumen beruhigend über dessen Handrücken. Erstaunt blickte der Engel auf, wollte sich im ersten Moment der Berührung entwinden, entschied sich dann jedoch anders. Der Dämon meinte es nicht böse. Ja, es war falsch, doch es fühlte sich irgendwie richtig an. Wenn die Sache beendet sein würde, könnte er ohnehin nicht mehr zurückkehren. Was also sollte ihn davon abhalten, Luzes Zärtlichkeiten anzunehmen? Statt sich zu entziehen blickte er ihm tief in die violettfarbenen Augen, in denen er am liebsten versinken würde, und nickte ihm dankbar zu. Mit großen Erwartungen öffneten die Wächter das Tor und traten in einen riesigen Rundraum, dessen Wände und Säulen prachtvoll verziert waren. Das ersehnte Portal befand sich in weniger als 500 Meter direkt vor ihnen. Eilig bewegten sie sich darauf zu, doch noch bevor sie es erreichten, schlug ihnen die dämonische Anwesenheit brutal entgegen. „Luzifer!“, hauchten Danny, Zoltan, Luze, Luca und Tachibana gleichzeitig. Sofort bildeten die Wächter einen schützenden Kreis um Yuki. Keine Sekunde zu spät, denn das frostige Lachen des Dämonenkönigs hallte verhöhnend von den Wänden wider. „Überraschung!“ Mit einem Funken sprühenden Zischen erschien er direkt vor dem Portal, umgeben von seinen Lakaien. „Ich konnte euren abrupten Aufbruch nicht einfach hinnehmen … wir sind noch nicht fertig miteinander. Und dir“, er wandte sich mit aufblitzenden Augen zu Danny, „dir werde ich deine Flügel einzeln ausreißen!“ Bevor der Engel, noch das Licht der Götter und seine Freunde etwas erwidern konnten, stürmte die Dämonenbrut mit lautem Geheul auf sie zu. Aschfahl und mit schreckgeweiteten Augen, sah Yuki dabei zu, wie sich die Szenerie erneut zu einem Albtraum verwandelte. Um ihn herum flogen Magiegeschosse und Waffen umher. Das Schreien der kämpfenden Wächter, sowie dem Rest seiner Freunde und den sterbenden Dämonen, lullte ihn in einen dichten Nebel. Er heilte die Wunden der Wächter, doch fühlte sich abermals unnütz und hilflos. Woher kamen stets diese Zweifel? Wieso holte ihn das Gefühl der Nutzlosigkeit und die Traurigkeit seiner Vergangenheit immer wieder ein? Mit verschleiertem Blick sah er in das Kampfgemenge. Cadenza hatte es offensichtlich auf Senshiro und Kuruto abgesehen. Unerbittlich nahm er sie ins Kreuzfeuer. Der Rest kämpfte gegen die vielen Duras und Opasts, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Die Angriffswelle flaute nicht ab, egal wieviele Gegner sie auch vernichteten. Sodom traf es besonders schlimm, denn er war von einer Vielzahl hungriger Höllenhunde eingekesselt und kämpfte ums pure Überleben. Yuki wurde schwindelig. Er musste doch noch etwas tun können?! Sie waren so weit gekommen, hatten so viel durchgemacht … doch nicht nur, um jetzt kläglich zu scheitern? Das war nicht fair. Seine Augen wanderten suchend über den kämpfenden Mob zu Danny, der mit Luzifer alle Hände voll zu tun hatte. Yuki schluckte. Es war fraglich, wer den Sieg davon tragen würde. Er schüttelte vehement seinen Kopf. Nicht auszudenken. Unmöglich. Er durfte nicht zulassen, dass die Hoffnungslosigkeit von damals wieder in ihm breit machte. Er musste kämpfen! Noch war nicht alles verloren. Er würde nicht einfach nur dastehen und zusehen, wie seine Freunde, die er mehr als alles andere auf der Welt liebte, wieder verletzt oder gar getötet würden. Niemals! Entschlossen setzte sich das Licht der Götter in Bewegung. Mit großen Schritten preschte er durch die rangelnde Meute, vernichtete auf seinem Weg jeden Duras, der sich ihm in den Weg stellte. Er erreichte in Sekundenschnelle das Portal. Ohne weiter darüber nachzudenken, legte er seine Hände auf die Schriftzeichen übersäte Säule, bündelte seine Gedanken und konzentrierte sich auf sein Ziel. Er spürte, wie Wärme das Götterportal flutete und auf ihn übersprang. Als Yuki sein Ziel erreichte, schrie Luzifer wütend auf. Danny nutzte den Moment der Ablenkung und schlug den Dämonenkönig mit wuchtigen Angriffen zurück. Aus den Augenwinkeln erspähte er Yuki, der dabei war, das Götterportal zu öffnen. Unglaublich. Das Licht der Götter war wahrhaft mächtig. Allerdings mussten sie alle bei ihm sein, anderenfalls würden sie nicht mitreisen können. Er schielte in die kämpfende Masse und biss sich auf seine Unterlippe. Wie sollte er das anstellen? Die Wächter waren zu verteilt. Es gab nur eine Möglichkeit, doch würde er das schaffen? Er sah abermals zu Yuki, der das Portal zum leuchten brachte und langsam öffnete. Danny hatte keine andere Wahl. Er musste alles auf eine Karte setzen, ungeachtet der Konsequenzen. Er sammelte seine Kraft und stieß sie gezielt auf die Gegner im Raum in Form einer riesigen Druckwelle hinaus. Er bekam noch mit, wie Luzifer und seine Scherken in Richtung des Ausgangs geschleudert wurden, dann wurde ihm schwarz vor Augen. Er spürte, wie er den Halt verlor und fiel. Dann vernahm er nichts mehr. Blitzschnell stieß Luze zu dem Engel nach vorne, der ohnmächtig zu Boden fiel, und fing ihn im letzten Moment auf. Für einige Sekunden standen die Wächter verwirrt da, doch Tachibana riss sie augenblicklich aus ihrer Starre. „Zu Yuki, sofort!“ Ohne weiter zu zögern rannten die Freunde zum Licht der Götter. Ihre Gegner richteten sich wieder auf und setzten ihnen blutdürstig hinterher. Nur noch wenige Meter, und sie würden sie wie mickrige Fliegen zerquetschen. Tachibana schaute besorgt zu Yuki. Wieso dauerte das so lange? Was tat er da? Wieso betätigte er nicht endlich das Götterportal? Auf was wartete er noch? Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch Luca warf ihm einen ermahnenden Blick zu. Yuki wollte die Reise abkürzen. Zwar war es nicht der reguläre Weg, doch sie hatten keine Zeit. Sie mussten diesen Kampf so schnell wie möglich beenden. Wieso eine Säule nach der anderen aufsuchen, sich immer wieder der Gefahr aussetzen, dass Luzifer sie einholen und es verhindern würde? Das Risiko war zu groß. Nein, er würde die Wächter sofort an ihre Bestimmungssäule schicken. Es musste möglich sein. Er war das Licht der Götter. Wenn es ihm nicht gelang, wem denn dann? Yuki nahm all seinen Mut und seine Entschlossenheit zusammen. Er würde es schaffen! Auf jeden Fall. Er musste nur an sich glauben und herausfinden, wo jede sich jede einzelne Säule befand, sich auf alle gemeinsam konzentrieren, den Ruf der Wächterpaare annehmen und dann … Er hatte es! Schlagartig riss er die Augen auf und löste das Portal aus. Glitzerndes Licht flutete den Raum wie Feenstaub, hüllte sie ein und trug sie hinfort. Ein frustriertes Raunen ging durch die Höhle, doch Luzifer schien die Ruhe selbst. Ein Zungenschnalzen war seine einzige Reaktion auf das Verschwinden seiner Beute. Cadenza trat neben ihn und sah ihn verärgert an. „Sie sind uns entwischt. Wie kann es sein, dass du so ruhig bleibst?“ „Es stört mich nicht sonderlich.“ „Wieso?!“ Mit einem diabolischen Grinsen wandte er sich zu ihm um. „Ganz einfach. Du vergisst, dass auch ich einmal ein Himmelswächter war.“ „Und?“ Cadenza verstand nicht ganz. „Jeder ist bestechlich, auch unter den selbstgerechten Engeln.“ Die Miene des Opasts erhellte sich. „Du meinst, du hast Mittelsmänner?“ „Ganz recht und deswegen weiß ich auch, wo unser Spielzeug hin ist!“ Kapitel 40: Säule des Ursprungs – Sairi und Ria, Teil 1 ------------------------------------------------------- Benommen schlug Sairi die Augen auf und blinzelte in den bewölkten Himmel. Er blickte sich um und fand Ria, die sich an einen Baum abstützte. Sie befanden sich inmitten eines Waldes. Nichts kam ihm bekannt vor. „Ria, wo sind wir?“, nuschelte Sairi und richtete sich vorsichtig auf. Sofort ergriff Schwindel von ihm Besitz und er schloss für ein paar Sekunden seine Lider. „Ich weiß es nicht. Wahrscheinlich sind wir in der Nähe von einer der Säulen des Ursrprungs.“ „Du hast nicht zufällig unser Licht der Götter und den Rest gesehen?“ Seine Partnerin schüttelte verneinend den Kopf. „Leider nicht.“ Er schnalzte verärgert mit der Zunge und massierte sich seine Schläfe. „Sollten wir nicht alle zusammen dorthin und eine nach der anderen abklappern?“ „So habe ich das auch verstanden, doch vielleicht hat sich Danny geirrt und wir sind alle bereits in der Nähe unseres Zielortes.“ „Oder es ist etwas schief gegangen“, entgegnete Sairi missmutig und rappelte sich auf die Beine. „Das glaube ich nicht. Ich bin fest der Meinung, dass Yuki in der Not unseren Weg und Kampf erleichtern wollte, und uns gleich paarweise zu den jeweiligen Orten geschickt hat.“ „Hoffen wir, dass du recht hast“, brummelte Sairi und lief auf seine Partnerin zu, der es mittlerweile gelang, sich von allein aufrecht zu halten. Sie zwinkerte ihm betörend zu. „Natürlich habe ich recht. Du solltest anfangen, an deinem Optimismus zu arbeiten.“ Er erwiderte nichts, sondern schaute sich stattdessen orientierend um. „Davon ausgehend, dass du recht hast – wo müssen wir hin? Außer Bäumen gibt es hier nichts. Uns fehlt ein Anhaltspunkt oder Wegweiser.“ Ria schloss ihre Augen, atmete die frische, feuchte Luft tief ein und lauschte dem Gezwitscher der Vögel. „Ria?“ „Wir müssen da lang“, meinte sie und deutete nach rechts. Sairi zog verwundert eine Braue in die Höhe. „Woher weißt du das?“ „Weibliche Intuition.“ „Oh, ihr Götter!“ „Hey, vertrau mir einfach!“ Er seufzte ergeben auf und lief an ihr vorbei. Als er jedoch nach ein paar Minuten merkte, dass sie Mühe hatte, das Gleichgewicht zu halten, wartete er auf sie und bot ihr seinen Arm an. Rias Augen weiteten sich überrascht. Dankbar nahm sie sein Angebot an. Für eine Weile schlenderten sie schweigend nebeneinander her. Er war zwar ein Macho, aber durchaus ein lieber. Wenn sie daran dachte, dass sie ihn beinahe verloren hätte … nicht auszudenken. Sie hatte noch immer nicht ganz den Tod ihres Partners im vorherigen Leben verkraftet. Konnte man so etwas überhaupt verkraften? Einen weiteren Verlust hätte sie jedenfalls nicht überlebt … Sie schüttelte schnell ihren Kopf und versuchte, die bedrückenden Gedanken hinaus zu schmeißen. Stattdessen genoss sie die Ruhe. Fast konnte sie sogar vergessen, warum sie hier waren und in welcher Lage sie sich befanden. Es fühlte sich an, als wären sie in Urlaub, um Erholung zu tanken. Zu zweit. Irgendwie romantisch. Sie wurde leicht rot und hoffte, dass er es nicht bemerkte. „An was denkst du gerade?“, riss sie Sairis Frage zurück in die Gegenwart. Hatte er etwas bemerkt? Sie hielt es für besser, nicht nachzufragen. Stattdessen zuckte sie mit den Schultern und antwortete: „Ich dachte nur gerade, dass es schön hier ist.“ „Mh … ja, kann sein. Ein bisschen viel Bäume.“ Er grinste schief und bekam von ihr einen leichten Stoß. „Sieh mal, ein Schild!“ „Loch Ness … jetzt wissen wir wenigstens, wo wir sind. Aber was sollen wir in Schottland?“ „Unsere Säule suchen.“ „Ja ja, ich weiß. Dann also Richtung See?“ „Ja, Richtung Loch Ness.“ Er legte seinen Arm um ihre Schulter. Nun konnte sie ihre Röte nicht mehr verbergen, doch auf keinen Fall wollte sie die Stimmung ruinieren. Jeder Moment war kostbar und sie würde jede Sekunde des Glücks auskosten. Mit klopfenden Herzen lehnte sie sich an ihn, während sie durch den Wald spazierten und nach der Säule des Ursprungs Ausschau hielten. „Der See ist wunderschön, findest du nicht?“, schwärmte Ria und sah sich glücklich um. „Ob die anderen auch an so wundervollen Orten sind?“ „Wie auch immer. Mir wäre nur lieber, wenn wir endlich diese verdammte Säule finden würden. Immerhin laufen wir jetzt schon seit Stunden drum herum und es nimmt einfach kein Ende.“ Ria verzog ihren Mund zu einem gespielten Schmollen und stemmte ihre Hände in die Hüften. „Das du immer so unsensibel und unromantisch sein musst!“ Sairi öffnete seinen Mund zum Widerspruch, stattdessen schloss er ihn unverrichteter Dinge wieder. Wärme flutete seinen Körper. Etwas rief nach ihnen. Ria spürte es ebenfalls. Gleichzeitig wandten sie sich in Richtung Süden, wo ein Holzpfahl am Ufer prangerte. Mit einem mulmigen Gefühl eilten beide darauf zu. Ratlos blieben sie davor stehen und besahen sich den brusthohen Pfahl, an dem ein paar Eisenketten angebracht waren. „Ich glaube nicht, dass das unser Ziel ist …“, gab Ria zweifelnd zu Bedenken und auch ihr Partner schüttelte entschieden den Kopf. „Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Unsere Säule liegt wohl eher dort.“ Er deutete inmitten auf den nebelverhangenen See und Ria seufzte. „Ich spüre es auch. Dennoch habe ich nicht die Absicht, zu schwimmen. Gibt es keinen anderen Weg?“ Sairi sah alarmiert auf. Etwas Unheilvolles durchzog die Luft und ließ sie knistern. Seinem Instinkt folgend stellte er sich schützend vor seine Partnerin. Sie öffnete den Mund zum Protest, da begann das Wasser wie verrückt zu sprudeln. Beide setzten seinen Sprung zurück und gingen in Kampfposition. Direkt vor ihnen schoss ein riesiges Seeungeheuer aus den Wellen und brüllte sie gierig an. „Ist das etwa Nessi aus der Legende?“, hauchte Ria verwundert und kämpfte um einen sicheren Stand, da das Monster mit seinem Schrei nicht nur die Erde zum beben brachte, sondern zeitgleich viel Luft ausstieß, gleich einer starken Windböe. „Wenn, dann dämonischer Natur. Ich denke, es wurde beschworen. Fakt ist, dass es Mundgeruch hat.“ Ria lachte kurz auf und wich sogleich dem ersten Angriff des Biestes aus. Der nächste ließ nicht lange auf sich warten. Immer wieder stieß das Ungeheuer mit seinem Maul nach unten, schnappte nach ihnen und hinterließ große Krater in der Erde. „Verdammt, bei der Geschwindigkeit kann ich unmöglich kontern!“, rief Ria und warf einen Blick zu ihrem Partner, dem es gleich erging. „Ich kann nichts mit meinem bösen Blick ausrichten. Es scheint immun!“, fluchte Sairi und sprang von einer Stelle zur anderen. Was konnten sie tun? Wo war der Schwachpunkt der überdimensionalen Seeschlange? Wenn er doch nur … In dem Moment stürzte Ria über den unebenen Boden. Mit einem Schrei schlug sie auf der Erde auf. Die Augen des Monstrums funkelten gefährlich. Blitzschnell schoss es auf sein Opfer zu. Sairi handelte sofort. So schnell ihn seine Beine trugen eilte er zu seiner Partnerin und umfing sie mit einer schützenden Umarmung. Das Biest öffnete sein riesiges Maul und schluckte beide hinunter, bevor es wieder unter der Wasseroberfläche verschwand und in die Tiefen von Loch Ness hinab tauchte. Kapitel 41: Säule des Ursprungs – Sairi und Ria, Teil 2 ------------------------------------------------------- Er ließ sie nicht los, als sie den langen Weg hinab in den Magen des Ungetüms schlitterten. Fast erinnerte ihn das Ganze an eine Rutschpartie in einem Schwimmbad, wären da nicht der ekelerregende Gestank und die stickige Luft. Ria klammerte sich schreiend an Sairi. Erst als sie mit einem lauten Platschen ins nasse Innere des Monsters ankamen, ließ sie los. Sie tauchte aus der dreckigen Brühe hervor und schnappte hastig nach Luft. Erleichtert atmete sie auf, als auch ihr Partner neben ihr hoch kam. Sie sah ihn nicht, denn es war stockfinster, doch sie spürte, dass er es war. Höchste Zeit, Licht in die Sache zu bringen. Sie konzentrierte sich kurz, dann erleuchtete ihre Magie das Innere des Dämons. Hunderte von kleinen Lichtschmetterlingen flogen durch den Magen und fast wünschte sie sich, die Helligkeit wieder verebben zu lassen, denn der Anblick war alles andere, als appetitanregend. Ria konnte ihre Magie nicht allzu oft einsetzen. Oft schon hatte sie bedauert, nicht mit etwas anderem gesegnet worden zu sein, aber nun war sie froh, dass sie diese Gabe besaß. „Verfluchter Mist, hat uns dieses Ding tatsächlich gefressen!“ „Nicht nur uns …“ Ria sah sich um und bekam eine Gänsehaut. Bei dem Anblick, was noch alles im Wasser mit ihnen trieb, wurde ihr speiübel. Tierkadaver und undefinierbare Skelette trieben ziellos umher. Schnell wandte sie sich ab und ihrem Partner zu. „Wir müssen hier raus“, murmelte Sairi und blickte sich suchend um. „Ich habe keine Lust, diesen Ausgang als verdautes Knäuel zu benutzen.“ Er deutete auf eine pulsierende Öffnung am anderen Ende, bei der es sich ganz offensichtlich um den Darmausgang des Wesens handeln musste. Ria verzog angewidert ihr Gesicht. „Ganz deiner Meinung. Hast du eine Idee? Mir kommt diese Seeschlange noch immer suspekt vor …“ „Mir auch. Wahrscheinlich wurde sie heraufbeschworen und von einem Opast oder Oberst gelenkt.“ „So viel zum romantischen Spaziergang“, murmelte sie verdrossen vor sich hin, woraufhin er eine Braue in die Höhe zog. „Was bitteschön?“ Sie winkte ab. Es ihm zu erklären hatte keinen Zweck. Macho war und blieb einfach Macho. „Lass uns lieber einen Weg hier raus finden.“ Er konnte die Enttäuschung regelrecht von ihrer Miene ablesen. Vorsichtig griff er nach ihrer Taille, als sie an ihm vorbei schwimmen wollte, und schloss sie von hinten in seine Arme. Ihr Herz schlug bis zum Hals und sie hatte das Gefühl, zu verglühen. Was hatte er vor? Jetzt war wohl kaum der richtige Zeitpunkt und schon gar nicht der richtige Ort dafür. Sein Atem streichelte sanft ihr Ohr, als er ihr zuflüsterte: „Sobald wir die ganze Sache überstanden haben, machen wir so viele romantische Spaziergänge wie du möchtest.“ „Sairi!“ Verdattert sah er auf, als sie seinen Namen rief. Eigentlich hatte er eine andere Reaktion erwartet, doch im nächsten Moment wurde ihm klar, warum. Irgendetwas raste unter Wasser direkt auf sie zu. Anscheinend waren sie nicht die einzige Beute des Ungeheuers, das lebendig verschluckt worden war. Schnell stoben die Wächter auseinander und das versteckte Etwas schoss durch ihre Mitte. Es machte kehrt und erwählte sich Sairi als Opfer. Der bekam es kurz zu fassen, doch es war zu glitschig, um es festzuhalten. Abermals rauschte es von ihnen davon, nur um zu drehen und von erneutem anzugreifen. „Ria, zum Ufer! Schnell!“ Sie folgte seinem Blick und erspähte ein unverdautes Knäuel aus Holz, Schlamm und anderen Dingen, die sie lieber nicht definieren wollte. Ufer konnte man das wohl kaum nennen, doch er hatte recht. Im Wasser konnten sie unmöglich kämpfen. Sie brauchten festen Boden unter den Füßen. Dennoch schwamm sie zuerst auf ihn zu. Entsetzt blickte er sie an. „Verdammt, was tust du da?! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?!“, rief Sairi wütend aus und blockte das sich windende Wesen gemeinsam mit Ria ab. „Doch, das habe ich. Wir werden uns gemeinsam den Weg dorthin bahnen.“ Er setzte zum Protest an, doch sie schüttelte vehement den Kopf. Eine Widerrede duldete sie nicht. „Ich habe dich schon einmal verloren … Zwing mich nicht, dass nochmal durchzustehen.“ Ihr Blick war auf ihren Gegner fokussiert, doch auch wenn sie ihn nicht direkt ansah, der Schmerz in ihren Augen, versetzte ihm einen tiefen Stich. Er nickte stumm und konzentrierte sich ebenfalls darauf, das Wesen abzuwehren und gleichzeitig mit ihr zum rettenden Land zu gelangen. Flink zogen sie sich auf die weiche Masse. Ihre Kleider hingen schwer und nass an ihren Körpern. Ihm wurde bewusst, wie müde er war, dennoch blieb keine Zeit zum Rasten. Mit einem ohrenbetäubenden Knall prallte ihr Angreifer gegen den großen Klumpen. Vereinzelte Luftblasen drangen nach oben, dann zeigte sich ihr Widersacher endlich. „Ernsthaft?“, presste Sairi genervt hervor und richtete seinen Blick auf die kleine, fauchende Miniaturausgabe des Seeungeheuers, das sie selbst gefressen hatte. „Viel Einfallsreichtum scheint der Beschwörer jedenfalls nicht zu besitzen“, kommentierte Ria. „Wie auch immer. Entledigen wir uns des Problems und widmen uns dann wieder der Ausgangssuche.“ „Einverstanden.“ Sie zogen ihre Waffen und setzten auf das Biest zu. Ihre Zusammenarbeit funktionierte trotz der Zwischenfälle und der langen Trennung sehr gut, sodass sie der Seeschlange ordentlich einheizten. Nach nur wenigen Minuten gelang es ihnen, sich des nervigen Monsters zu entledigen. Ein wohliges Empfinden übermannte Ria. Es fühlte sich fast so an, als wären sie nie getrennt gewesen. Ein schönes Gefühl. „Verflucht! Es muss doch noch einen anderen Ausweg außer dem da geben!“ Sairi deutete übelgelaunt auf den Durchgang zum Darm. Und den Weg, wie wir rein gekommen sind, werden wir nicht schaffen.“ „Stimmt, es sei denn, dass wir Nessi von Innen heraus erledigen“, entgegnete Ria nachdenklich. „Dazu müssten wir seine Organe oder am besten gleich sein Herz finden. Es ist fraglich, ob es so etwas besitzt.“ Sie wiegte grübelnd mit dem Kopf hin und her. „Falls nicht, müsste es dennoch eine Art Zentrale besitzen, wo die Nervenstränge zusammenfließen.“ „Okay, wo sollen wir mit der Suche beginnen?“, gab Sairi seufzend zurück, schloss für ein paar Minuten die Lider und wartete auf eine Antwort seiner Partnerin. Als jedoch keine erfolgte, öffnete er die Augen und schaute Ria fragend an. Die starrte entschlossen nach oben. Ohne sich abzuwenden fragte sie: „Wie gut sind deine Kletterkünste?“ Sairi folgte ihrem Blick und nickte. „Ausreichend.“ „Dann lass uns aufsteigen.“ „Bist du sicher? Willst du nicht lieber hier warten und …?“ Etwas verärgert sah sie ihn an, doch gleich darauf verschwand die Empörung aus ihrem Gesicht und ein provokantes Lächeln ließ sich darauf nieder. „Wieso? Hast du Angst, gegen mich beim Klettern abzustinken und dich zu blamieren?“ Sairi lachte leise auf und nickte. „Genau das liebe ich an dir. Dann lass uns starten, bevor wir anfangen, verdaut zu werden.“ Kapitel 42: Säule des Ursprungs – Senshiro und Kuroto, Teil 1 ------------------------------------------------------------- „Geh von mir runter! Du bist schwer, verdammt!“ Kuroto fluchte und versuchte, seinen Partner von sich runter zu schieben. Senshiro grinste ihn wölfisch an. „Können wir nicht noch ein bisschen liegen bleiben? Es ist so schön gemütlich …“ „Für mich nicht!“ Kuroto funkelte ihn empört an. Senshiro machte jedoch keinerlei Anstalten, sich zu bewegen. „Hör endlich auf zu grinsen und steig von mir runter!“ „Och menno, Kuroto. Da haben wir schon einmal eine derart schöne Kulisse mit Strand und Meer …“ „Wir sind nicht zum Spaß hier!“ Seufzend rappelte sich der Wächter langsam auf. Für das Empfinden seines Partners allerdings viel zu gemächlich. Mit einem schwungvollen Tritt beschleunigte er den Vorgang und beförderte ihn in den Sand. Verärgert rappelte er sich auf und klopfte sich den Sand von seinen Kleidern. „Das mit der Landung sollte Yuki unbedingt üben!“ „Ich fand‘s bis auf den Schluss ganz schön“, murmelte Senshiro und starrte verträumt auf das Meer, das sich rauschend immer wieder auf die Landzunge kämpfte. Es hatte etwas melancholisches, das zum Nachdenken anregte. „Wo sind Yuki und die anderen überhaupt?!“ Senshiro schreckte aus seinen Gedanken auf. Richtig. Ihre Aufgabe. Suchend blickte er sich um, doch von seinen Freunden fehlte jede Spur. „Ob was schiefgelaufen ist?“ „Ich weiß nicht … irgendwie habe ich dennoch das Gefühl, dass wir richtig sind“, antwortete Kuroto zögernd und sein Partner nickte. „Geht mir genauso. Als wären wir ganz nah am Ziel.“ Sie drehten sich zeitgleich in dieselbe Richtung um und entdeckten es gemeinsam: Ein großes Schloss, das am höchsten Punkt des einzigen Hügels auf der Insel thronte. Kurotos Augen brannten sich regelrecht in die Mauern fest. „Da drinnen befindet sich unsere Säule des Ursprungs. Ganz sicher.“ „Dann sollten wir uns auf den Weg machen. Wir brauchen dafür bestimmt einen Tag.“ „Ja, lass uns gehen. Ich möchte nicht der Grund sein, weswegen wir den Kampf verlieren“, meinte Kuroto und setzte sich sogleich in Bewegung. Abermals seufzte Senshiro bedauernd und lief seinem Partner eilig hinterher. Wie gerne hätte er noch ein bisschen Zeit mit ihm am Strand verbracht. Plötzlich keimten Zweifel in ihm auf. War die Säule des Ursprungs auch seine Bestimmung? Immerhin war er nicht von Anfang an Wächter und Kurotos Partner gewesen. Was war, wenn es nicht funktionierte? Hatte Sairi dann dasselbe Problem? Was war, wenn er nicht anerkannt wurde? Senshiro biss sich leicht auf die Zunge. Verdammt, woher kam die Unsicherheit? Er dachte eigentlich, dass er diese Phase hinter sich gelassen hatte. „Autsch!“ Er lief hart in Kuroto, als dieser plötzlich einfach stehen blieb. „Was soll das schon wieder, du Schwachkopf?“ „Kuroto, warum bist du denn sauer auf mich? Hab ich dir weh getan? Das tut mir schrecklich leid. Soll ich irgendwo blasen?“ Kuroto lief knallrot an, bevor er Senshiro einen heftigen Tritt gegen sein Schienbein versetzte. Mit einem schmerzverzerrten Lächeln hob er sich sein Bein und sprang hin und her. „Ich blase dir auch gleich was!“ „Aber das sagt man doch so. Ich habe es nicht böse gemeint. Kuroto!“ „Schon gut, das bringt jetzt alles nichts.“ „Lass mich es wieder gut machen. Ich mach alles, egal was.“ Mit großen, Tränen gefüllten Augen bettelte Senshiro ihn an. Wie sollte er da sauer auf ihn sein? Allerdings konnte es nicht schaden, die Situation zu seinen Gunsten auszunutzen, wenn sie sich ihm schon bot. „Ich möchte mein Lieblingsgericht plus Nachspeise, wenn das Ganze hier vorbei ist.“ Senshiros Miene erhellte sich augenblicklich. „Kuroto, natürlich! Du bist einfach zu süß!“ Er riss seinen Partner stürmisch in die Arme und gab dem Drang nach, ihn ordentlich durch zu schmusen. Das Zappeln des anderen ignorierte er geflissentlich. „Senshiro, es reicht jetzt.“ „Nein.“ Kurotos Gesichtszüge entgleisten. „Was zum …? Du benimmst dich kindisch!“ „Das ist mir egal. Wer weiß, wann oder ob ich dich nochmal knuddeln kann.“ Sein Partner holte tief Luft und versuchte, sich zu beruhigen, was ihm jedoch nicht ganz gelang. „Zweifelst du etwa an unserem Sieg? Vertraust du unseren Fähigkeiten und Yuki nicht? Dann …“ Senshiro schüttelte den Kopf. „Nein, das ist es nicht.“ „Was ist es denn dann?“ „Die Säule des Ursprungs … ist es wirklich unsere Säule? Es ist deine, doch ich war nicht von Beginn an dein Partner …“ Als Senshiros zitternde Stimme brach, schob ihn Kuroto von sich, nahm das Gesicht seines Partners zwischen die Hände und streichelte ihm vorsichtig mit den Daumen über die Wangen. Mit einem beschwörenden Blick sah er ihm in die Augen. Sein Partner war überrumpelt von dem plötzlichen Umschwung und der Entschlossenheit in seiner Miene. Gebannt starrte er Kuroto an. Er war schon immer etwas Besonderes und schön gewesen, doch in diesem Moment wirkte er wie ein junger Gott. „Du bist seit diesem Leben mein Partner und musstest hart dafür kämpfen. Ich akzeptiere dich und deshalb wird es die Säule auch tun, verstanden? Es wird alles funktionieren. Wir werden gewinnen.“ Senshiro nickte. Er fühlte sich wie in Trance und konnte sich einfach nicht vom Anblick seines Partners lösen. Erhaben. Mutig. Stolz – einfach anbetungswürdig. „He … warum guckst du so?“, fragte Kuroto verunsichert, worauf Senshiro sein Lächeln wiederfand. „Ich hab mich gerade nur gefragt, ob deine Lippen so süß schmecken, wie sie aussehen.“ Kuroto wurde knallrot. Was war nur mit seinem Partner los? Als sich der dann noch langsam zu ihm runter beugte und sein Mund nur noch wenige Zentimeter von seinem entfernt war, zog sich Kuroto abrupt zurück. Seine Handfläche landete unsanft in Senshiros Gesicht, als er ihn bestimmt von sich schob. „Wir sollten uns beeilen, bevor du nicht nur wirr im Kopf bist, sondern noch völlig durchdrehst mit deinem Süßholzgerasple. Ich bin doch kein Mädchen.“ Mit großen Schritten eilte er voraus und Senshiro schaute ihm ein paar Sekunden mit einem schiefen, wenngleich auch etwas enttäuschten Lächeln nach, während er seine Brille zurecht rückte. „Da habe ich mich wohl etwas zu weit vorgewagt“, murmelte er, bevor er seinem Partner folgte. „Dabei hätte ich dich endlich so gerne einmal geküsst …“ Cadenza stand auf der Schlossmauer und überblickte die gesamte Insel. Luzifer hatte recht behalten. Seine auserwählten Wächter waren bereits auf dem Weg hierher. Grinsend wandte er sich zum Innern des Schlosshofes, wo sich etliche Duras auf den Kampf vorbereiteten. Zwar hatte er Luzifer davon versucht zu überzeugen, dass er es durchaus allein schaffte, doch der gefallene Engel hatte sich nicht davon abbringen lassen, ihm eine kleine Armee zur Verfügung zu stellen. Lächerlich, doch dem Herrscher der Hölle widersprach man nicht. Sei es drum. Er würde sich eben beeilen müssen, damit er beide Wächter zerquetschen konnte. Sollten die Duras ruhig ein bisschen spielen. Den Endschlag, würde er sich sichern. Endlich würde er sein Werk vollenden und auch Kuroto töten. Natürlich erst, nachdem er seinen neuen Partner vor dessen Augen abgeschlachtet hatte. Süße Vorfreude breitete sich in ihm aus. Der nächste Tag würde das reinste Fest werden – das Fest des Blutes. Kapitel 43: Säule des Ursprungs – Sairi und Ria, Teil 3 ------------------------------------------------------- Sairi kletterte flink hinter Ria her und ließ sie nicht aus den Augen, für den Fall, dass sie den Halt verlieren würde. Zwar war ihr Können was das Erklimmen betraf sehr gut – sie überraschte ihn immer wieder – doch sicher war sicher. Immerhin waren sie beide geschwächt und anstrengend war es allemal. Auf einmal stoppte seine Partnerin und sah sich nachdenklich um. „Alles okay?“ Besorgt sah er zu ihr auf. Vielleicht brauchte sie eine Pause. Mittlerweile hatten sie zwischen dreißig und vierzig Meter Höhe hinter sich gelassen und ein Ende war nicht in Sicht. „Ja, nur … gib mir mal deinen Dolch.“ „Warum?“, hakte er nach, reichte ihr aber dennoch die Klinge. Dankbar nahm sie die Waffe entgegen. „Wir müssen da durch.“ Entschlossen durchbrach sie die dünne Zwischenhaut und riss sie auf. Das Ungeheuer schrie vor Schmerz auf. Ein Beben schüttelte den Körper und Ria verlor fast den Halt. Sairi erkannte ihre Notlage im rechten Moment und hielt sie fest. Dankbar nickte sie ihm zu, verlor keine Zeit und schnitt weiter bis das Loch groß genug war, um sich hindurch zu zwängen. Sie gab ihrem Partner den Dolch zurück und wollte sich schon hindurch zwängen, als Sairi sie zurückhielt. „Bist du dir sicher? Sollen wir nicht lieber versuchen, den Rachen des Monsters hinauf zu klettern und durch den Mund zu brechen?“ „Nein, ich glaube nicht, dass das funktionieren wird. Das Biest wird uns nicht freiwillig heraus lassen.“ „Wir können ihm in die Zunge oder den Gaumen stechen …“ Ria schüttelte den Kopf. „Ich denke, da steckt mehr dahinter. Mich zieht es dort hinauf. Da ist irgendetwas. Bitte vertrau mir.“ Sairi nickte. Sie war derart entschlossen, dass er nicht an ihrem Urteil zweifelte. Ria hatte schon immer ein gutes Gespür und eine ausgesprochen gute Intuition besessen. „Gut, Ladies first.“ Sie verzog leicht das Gesicht. „Wie überaus freundlich von dir.“ Mit unterdrücktem Ekel quetschte sie sich durch die klebrige Öffnung hindurch, dicht gefolgt von ihrem Partner. Der unterdrückte seinen Widerwillen jedoch nicht. Demonstrativ fluchend folgte er ihr. Noch nie zuvor hatte er sich so sehr nach einem Bad gesehnt wie in diesem Moment. Tapfer kämpften sie sich durch die engen und glitschigen Zellen des Dämons. Das Atmen fiel ihnen schwer. Die Luft war unangenehm stickig und es war viel zu warm. Die Kleider klebten an ihrer Haut und schienen sie zusätzlich runter ziehen zu wollen. Ria wurde schwindelig. Sie fühlte sich der Erschöpfung nahe, dennoch war sie nicht gewillt, inne zu halten oder gar aufzugeben. Sie hielt sich ihr Ziel fest vor Augen und zog sich Stück für Stück hoch. Allerdings kamen ihr langsam Zweifel, ob es nicht doch ein Fehler gewesen war, sich durch die Hautzellen zu bewegen. Gerade als ihr die Sicht schwand, spürte sie eine unheimliche Präsenz. Alarmiert blickte sie zu ihrem Partner, der ihr bestätigend zunickte. Sairi spürte es auch. Sie brachen mit Hilfe der Klinge erneut durch eine Hautwand und purzelten hintereinander in eine große Zelle, die wie ein skurriler Raum wirkte und tatsächlich die Mitte des Monsters bildete. Viele Organe pulsierten hier in regelmäßigen Takt nebeneinander und inmitten unter ihnen das Herz. Entschlossen tauschten die beiden Blicke miteinander aus und liefen darauf zu, doch bevor sie es erreichten stellte sich ihnen ein Dämon in den Weg. Schnell sprangen beide einen Schritt zurück und wappneten sich für den Angriff. „Sieh an, sieh an. Ihr Wächterlein habt es tatsächlich bis hier her geschafft. Nicht einmal so dumm.“ „Und wer bist du? Hast du dieses Monster beschworen?“ Ria besah den Dämon mit zusammengekniffenen Augen. Es war nicht schwer zu erkennen, dass es sich dabei um einen Opast der unteren Ränge handelte. Den sollten sie besiegen können – hoffte sie zumindest. Ihr Körper fühlte sich an wie Blei und schrie nach Schlaf. „Ja, ein Prachtexemplar, nicht wahr? Ich bin …“ „Lass stecken. Ist auch egal“, unterbrach Sairi ihren Gegner wirsch. „Wir machen dich ohnehin jetzt platt.“ „Ihr Wächter seid wirklich an Arroganz und Überheblichkeit nicht zu übertreffen!“, schrie der Opast, zog ein leuchtendes Kurzschwert und stürmte wutentbrannt auf sie zu. Sairi wich seinen Schlägen gekonnt aus. Ihr Widersacher war zwar schnell und ausgeruht, dennoch ließen sich seine Attacken leicht voraussehen. Eine Tatsache, die dem Wächter zum Konter verhalf. Sairi verpasste ihm einen Schwinger mit der Linken und schlug ihm sein Kurzschwert aus der Hand. Ria warf sich wie auf Kommando auf den Boden, fegte ihn mit einem Tritt von den Fü0en und platzierte als Nächstes von unten einen Aufwärtshaken zwischen die Beine des Dämons. Dieser taumelte stöhnend zurück, woraufhin Sairi ihn zu sich herum wirbelte und ihm mit voller Wucht einen Kopfstoß versetzte. Er holte mit seiner Klinge aus, doch der Opast teleportierte sich ein Stück weiter nach hinten auf seine wackligen Beine, um den Todesstoß erfolgreich zu entkommen. Ria war in Windeseile bei ihm und verpasste ihm einen wuchtigen Schlag, der ihn auf seine Knie beförderte. Er wollte sich sogleich wieder aufrichten, empfing stattdessen einen Tritt von ihr in sein Gesicht. Abermals teleportierte sich der Dämon vorerst außer Reichweite und hielt plötzlich eine Schusswaffe in den Händen. Sairi ließ sich fallen, rollte auf ihn zu und schlug ihm mit der enormen Kraft , die er aus der Rolle mitnahm, die Automatik aus der Hand. Der zweite Schlag brach ihm das Nasenbein und der dritte war schließlich sein Todesurteil, als der Dolch sich durch sein pechschwarzes Herz bohrte. Fassungslos zerfiel er zu Staub. Im selben Moment ging ein kräftiger Ruck durch das Ungeheuer. Sowohl Sairi als auch Ria fielen durch die Wucht gegen die Hautwand. „Was zur Hölle?!“, fluchte der Wächter und sah sich verwirrt um. „Ich glaube, wir brauchen gar nicht das Herz zu vernichten. Wir haben seinen Antrieb wohl schon mit dem Opast zerstört.“ „Dann sollten wir schleunigst hier raus, bevor wir mit ihm auf dem Grund liegen!“ Er griff nach Rias Hand und zog sie eilig hinter sich her. Sie beeilten sich, den Weg zurück in den Magen zu nehmen. Von da kletterten sie hastig den Hals der Bestie nach oben, was sich als Herausforderung herausstellte, da Wasserströme regelrecht in das Monster hinab schossen. In die Mundhöhle zu gelangen, entpuppte sich als richtiger Kampf. Der Druck des hereinschießenden Wassers war enorm. Sairi zog Ria eng an sich. Gemeinsam erzeugten sie eine magische Barriere als Schutz und kämpften sich in die Mundhöhle des Monsters. Das Maul des Untiers stand sperrangelweit offen und ließ sie entkommen. Sie konnte kaum noch die Luft anhalten, als sie endlich die Wasseroberfläche erreichten. Schnell tauchten sie gemeinsam auf und japsten gierig nach Luft. Sairi sichtete als erster die Insel und gab seiner Partnerin ein Zeichen. Bei jedem Schwimmzug spürte er seine schweren Knochen mehr und mehr. Als sie das Ufer endlich erreichten, ließ er sich erleichtert in den Sand fallen. Müdigkeit hielt Einzug und der einkehrende Schlaf entführte ihn in sekundenschnelle ins Reich der Träume. Ria war kurz davor, dem Drang nachzugeben und ihre Augen ebenfalls zu schließen, als sie das Gefühl hatte, gerufen zu werden. Vorsichtig, um Sairi nicht zu wecken, stand sie auf und drehte sich vom Wasser weg. Ihre Augen wurden groß und begannen zu strahlen, als sie die Kristallsäule in fast zweihundert Metern vor sich erspähte. Sie hatten es geschafft! Sie waren tatsächlich am Ziel. Aufatmend ließ sie sich neben ihren Partner nieder, kuschelte sich an ihn und ließ sich von den Wogen des Schlafes entführen. Kapitel 44: Säule des Ursprungs – Senshiro und Kuroto, Teil 2 ------------------------------------------------------------- „Ich habe ein ungutes Gefühl bei der Sache“, gab Senshiro zu bedenken. Kuroto stand neben ihm und starrte ebenfalls auf die Mauern des Schlosses, die zweifelsohne ihre Säule des Ursprungs beherbergte. „Wir werden erwartet …“, stimmte Kuroto zu und nickte. „Wieviele Gegner schätzt du?“ „Schwer zu sagen. Vierzig. Fünfzig.“ „Das befürchte ich auch.“ Kuroto winkte ab. „Die schaffen wir.“ „Ha ha, wir müssen. Eine andere Wahl haben wir nicht.“ „Glaub nur fest an unseren Sieg und an Yuki. Wir werden den Kampf ein für alle Mal beenden.“ „Du hast Recht.“ Senshiro schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Kuroto, ich …“ Schnell legte sein Partner ihm den Finger auf die Lippen und sah ihn beschwörend an. „Heb dir das für nach dem Kampf auf, wenn wir gesiegt haben.“ Ohne eine Antwort abzuwarten trat er auf das große Tor zu. Senshiro setzte ihm nach und betete im Stillen, dass sie tatsächlich gewinnen würden und er Gelegenheit hatte, ihm endlich seine Gefühle zu gestehen. Er hatte ein ungutes Gefühl bei der Sache. Doch sein Partner war so entschlossen und zuversichtlich – unmöglich konnte er ihm widersprechen. Vielleicht hatte Kuroto auch Recht und er machte sich einfach zu viele Sorgen. Sie hatten extrem viel durchgemacht und waren so weit gekommen. Sie mussten es schaffen. Als sie näher traten öffnete sich das Tor wie aus Geisterhand. Mit klopfenden Herzen traten sie angespannt in den Innenhof. Steinskulpturen zierten den großen Innenhof, der ansonsten wie leergefegt war. Wo waren ihre Gegner? Wo hielten sie sich versteckt? Ihre mordlustige Präsenz war deutlich zu spüren. „Wir werden beobachtet.“ „Mit Sicherheit“, stimmte Kuroto ihm zu. Lauernd schauten sie sich um, als sich plötzlich das Tor mit einem lauten Knall schloss. Dann legte sich abermals die Stille auf sie nieder wie eine mit Wasser vollgesogene, schwere Decke. „Auf was warten die denn?“, fluchte Kuroto, der die Spannung fast nicht mehr aushielt. „Wir sind hier!“, rief Senshiro laut in die Leere und drehte sich im Kreis. „Kommt raus und kämpft oder sind diese kargen Wände unsere einzigen Gegner?“ Sein Partner öffnete den Mund, um ihn zu tadeln, als ohrenbetäubender Lärm die Luft zerriss. Von allen Seiten sprangen Duras hervor und umkreisten sie gierig. Allerdings griffen sie nicht an, sondern warteten auf einen Befehl. Der ließ nicht lange auf sich warten. „Willkommen, Wächter. Das wurde ja auch langsam Zeit. Die Warterei war die reinste Geduldsprobe. Dafür, dass du die Beine der Götter besitzt, seid ihr ziemlich geschlichen.“ Wie vom Blitz getroffen wirbelten die Wächter herum. Ihre Blicke trafen die von Cadenza, der erhöht auf einem Balkon stand und hämisch grinsend auf sie hinab blickte. „Wir wollten nur unsere Kräfte für dich aufheben oder lässt du für dich kämpfen, anstatt selbst Hand anzulegen?“, entgegnete Kuroto und seine Augen funkelten den Opast voller Hass an. „Oh, wie süß. Eins muss man euch Wächtern lassen, ihr gebt wohl niemals auf, egal wie oft man euch nieder macht. Nun gut, mehr Spaß für mich. Ich liebe es, euch leiden zu sehen – leidet für mich!“ Das war das Signal, auf das die Duras gewartet hatten. Mit gellenden Schreien stoben sie auf die Wächter zu. Kuroto zog sofort sein schwarzes Katana, während Senshiro seine lange Sense beschwor. Sie würden sich erst einiger Gegner entledigen müssen, bevor er seinen Pinsel benutzen können würde. Eingespielt vernichteten sie einen Dämon nach dem anderen. Cadenza stand mit verschränkten Armen auf dem Balkon und schaute gelassen auf sie herab. Sein Plan funktionierte ganz hervorragend. Wie die Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank. Sollten sie sich ruhig kräftemäßig verausgaben. Er hatte Zeit. Und Vorfreude war bekanntlich die schönste Freude. Er leckte sich mit der Zunge über die Lippen und beobachtete weiterhin das Kampfgeschehen, während er sich für sein erstes Opfer entschied. Mittlerweile hatten die Wächter die Anzahl der Duras erheblich reduziert, sodass Senshiro seinen magischen Pinsel einsetzen konnte. Mit eleganten Handbewegungen schrieb er vereinzelt Sätze in die Luft und lähmte ihre Gegner. Kuroto schoss blitzschnell hervor, nutzte die Schwäche ihrer Kontrahenten und vernichtete sie mit gezielten Schlägen. So langsam lichteten sich die Reihen, doch die Erleichterung wollte sich bei Senshiro nicht einstellen. Ihr eigentlicher Gegner kam erst noch. Sein Blick glitt nach oben zu dem Opast, der ihn provokant angriente. Etwas stimmte nicht – er konnte sich ihm nicht entziehen. Was war das? Es fühlte sich an, als würde etwas Besitz von seinem Körper ergreifen. Ihre Blicke trafen sich in dem Moment. Bilder der Vergangenheit schossen dem Wächter durch den Kopf. Er sah seinen Großvater noch einmal vor sich. Wie er die Tür schloss und sein Leben opferte, um das von Kuroto und ihm zu retten. Die vielen Toten, die Cadenza hinterlassen hatte. Und mitten unter ihnen, sein Großvater. Das Lachen des Opasts hallte in seinen Ohren wider. Senshiro war in dem Moment wie hypnotisiert. Der Dämon wandte sich von ihm ab und betrat das Innere des Schlosses. Er hörte Cadenzas Stimme, die ihn verführerisch rief. Nichts anderes nahm er wahr, als er sich von dem Kampfgeschehen entfernte und in das Schloss vordrang, auf der Suche nach ihren Peiniger. „Senshiro, nicht!“, rief Kuroto, doch sein Partner hört ihn nicht. Er wollte ihm hinterher rennen, ihn zurückholen, doch die übrigen Duras stellten sich ihnen in den Weg. Fluchend stellte er sich ihnen zum Kampf, aber das Konzentrieren fiel ihm schwer. „Senshiro, du blöder Idiot!“, schimpfte er leise vor sich her und betete darum, dass sein Partner nicht ohne ihn auf Cadenza treffen würde. Tränen schossen in seine Augen und trübten seine Sicht. Was dachte er sich nur dabei? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich. Etwas stimmte nicht und es hatte definitiv mit dem Opast zu tun. Er musste sich beeilen. Allein hatte Senshiro keine Chance. Er würde es nicht überleben, auch noch ihn zu verlieren ... Kapitel 45: Säule des Ursprungs – Hotsuma und Shuusei, Teil 1 ------------------------------------------------------------- Verwundert blickten sich die Wächter in dem dichten Wald um. Von den anderen war nichts zu sehen und zu hören. „Wo ist Yuki? Er wird doch nicht …?“ „Sieht ganz danach aus“, entgegnete Shuusei und klopfte sich das Laub von der Kleidung. Hotsuma stieß die Luft hörbar aus. „Pfh… dieser Leichtsinn! Und das in der Situation!“ „Was regst du dich auf? So unvernünftig finde ich das nicht. So kommen wir dem Ende des Kampfes erheblich schneller näher.“ „Er ist allein! Wie sollen wir ihn da schützen?!“ „Nein, das ist er nicht. Luca und Sodom sind garantiert bei ihm und werden ihn mit ihren Leben beschützen. Außerdem sind da noch Zoltan, Tachibana, Luze und Danny.“ „Wie kannst du nur derart gelassen bleiben?“, stöhnte Hotsuma und raufte sich die Haare. Sein Partner schmunzelte. „Ich vertraue Yuki und seinen Entscheidungen. Solltest du auch …“ „Das tue ich!“ „Sicher?“ „Hör auf zu sticheln! Ich würde nur lieber auf Nummer sicher gehen, dass Yuki wohl auf ist. Warum soll ich den anderen vertrauen? Drei Dämonen und zwei angebliche Engel – einer davon Tachibana … beunruhigt dich das denn kein bisschen?“ Shuusei zuckte gelassen mit den Schultern. „Vielleicht etwas.“ „Du treibst mich in den Wahnsinn!“ Hotsuma sprang vor, um ihm einen Stoß zu versetzen, doch sein Partner war darauf vorbereitet. Flink wie eine Raubkatze wich er aus, ergriff im Gegenzug die Handgelenke des anderen, und und stieß ihn gegen einen der vielen Baumstämme. Dabei ließ er ihn nicht los. „Was zum …?!“ Hotsuma lief feuerrot an. Shuusei beugte sich zu ihm, drückte seinen Körper provokant an den seines Partners. Ihre Gesichter waren so nah beisammen, dass Hotsuma seinen warmen Atem auf seiner Haut spüren konnte. „Ich werde dich noch ganz anders in den Wahnsinn treiben.“ „Shuusei, du Idiot!“ „Bedauerlicher Weise haben wir dafür keine Zeit. Es muss warten, bis wir die Ursrpungssäule gefunden haben.“ Er ließ ihn abrupt los und wandte sich ab. Entgeistert starrte Hotsuma auf seinen Rücken. Verdammt. Er konnte nicht leugnen, dass Shuusei heiß war. Und trotz, dass sie bereits eine Nacht zusammen verbracht und sich ihre Gefühle gestanden hatten, brachte er ihn immer noch aus dem Konzept und das immer wieder. Er schluckte seinen Frust herunter und stieß sich schwungvoll vom Baumstamm ab. „Okay. Ne Idee, wo dieses Säulendingens sein könnte?“ „Säule des Ursprungs und ja, ich denke, ich weiß wo wir hinmüssen.“ „Mh?“ „Vergiss nicht, dass ich die Augen der Götter besitze.“ „Kannst du sie sehen?“ „Ja … doch da ist noch was anderes, etwas dämonisches.“ Hotsuma runzelte die Stirn. „Ich dachte, Luzifer weiß nicht, wo sich die Säulen befinden …“ „Vielleicht ist es Zufall. Wir müssen auf jeden Fall da lang.“ Shuusei deutete nach rechts und lief voraus. Sein Partner stand für einen kurzen Moment reglos am Fleck. Ein Schauer schüttelte seinen Körper. „Ich hoffe, dass du recht hast“, murmelte er besorgt vor sich hin, bevor er seinem Geliebten eilig nachsetzte. „Bist du sicher?“ Nachdenklich starrte Hotsuma auf die Höhle, deren schmalen Gänge nach unten in die Erde führten. Sehr einladend war das Ganze nicht gerade. Dazu noch die dämonische Präsenz, die selbst er wahrnehmen konnte. Das schrie eindeutig nach einer Falle. „Leider ja.“ Auch Shuusei war nicht begeistert. Dennoch blieb ihnen nichts anderes übrig, denn er war sich zu Hundert Prozent sicher, dass sich in der Höhle ihr Ziel befand. „Bist du bereit?“ „Da fragst du noch?“, entgegnete Hotsuma und ließ seine Finger knacken. „Lass uns das Loch von den Duras säubern.“ Er griff nach einer Fackel, die am Eingang angebracht war und entzündete sie mit seiner Magie. Sein Partner nickte zustimmend und folgte ihm hinab in das dunkle Verlies aus engen, gewundenen Pfaden. Die Luft wurde stickiger, je tiefer sie vordrangen. Ebenso stieg die Hitze an. „Was ist hier unten versteckt? Ne Sauna oder ein verdammter Feuerdämon?“ „Ich seh nur einen Feuerdämon“, antwortete Shuusei und grinste. Hotsuma schnalzte kurz mit der Zunge, kümmerte sich dann allerdings nicht weiter drum. Vielmehr errege ein Lichtkegel am Ende des Ganges seine Aufmerksamkeit, der in einen großen Raum führte. Die Wächter nickten sich im stillen Einverständnis zu und betraten wachsam das felsige Zimmer. „Was zum …?!“, murmelte Hotsuma und sah sich mit einem mulmigen Gefühl in der Kammer um. In der Mitte befand sich ein großer Kupferkessel, dessen Inhalt durch ein Feuer erhitzt wurde. Dampf stieg auf und ein ungleichmäßiges Blubbern erfüllte den Raum. In der einen Ecke stand ein Bett und ein kleiner Nachttisch. Ebenso war ein Tisch und ein Stuhl hier untergebracht. „Sieht fast so aus, als hätte sich hier jemand eingerichtet.“ „Und dieser jemand hat eine besonders seltsame Sammelleidenschaft“, fügte Shuusei hinzu und deutete auf ein Regal, auf dem etliche gläserne Behälter standen, die mit verschiedenen Organen, eingelegt in einer flüssigen Substanz, gefüllt waren. „Reizend …“, murmelte Hotsuma mit gerümpfter Nase. „Und wo ist unser drolliger Höhlenfreund?“ „Mich würde eher interessieren, wo die Säule des Ursprungs versteckt ist“, gab Shuusei suchend zurück. „Das würde mich auch interessieren.“ Die fremde Stimme ließ sie herumwirbeln. Vor ihnen stand ein grinsender Dämon, der ihnen irgendwie bekannt vorkam, doch sie konnten ihn nicht zuordnen. „Du musst wohl der Sammler dieser reizenden Stücke sein“, knirschte Hotsuma und deutete auf die gefüllten Gläser. Er war bereit zum Angriff, doch der Opast schien gelassen und noch nicht gewillt, zu kämpfen. „Ja, das bin ich. Ich hatte noch etwas Zeit, bevor ihr gekommen seid und musste sie füllen. Wie schön, dass es ein kleines Dorf in der Nähe mit ein paar Bewohnern gab.“ „Du?!“ Hotsuma sprang vor, aber sein Partner hielt ihn fest. „Woher wusstest du, dass wir kommen würden?“ „Ich wusste nicht, dass genau ihr hier her gelangen würdet, doch dass ein Wächterpaar kommt, war mir bewusst.“ „Woher?“, hakte Shuusei abermals nach und ihr Gegenüber lachte schadenfroh auf. „Das darf ich euch nicht sagen, auch wenn ihr ohnehin nicht mehr dazu kommen werdet, es weiterzuerzählen. Ich hätte ja gerne ein Mädchen gehabt, aber da kann man wohl nichts machen. Dann werde ich mich wohl mit euch zufrieden geben müssen, Hotsuma und Shuusei.“ Ein diabolisches Grinsen entstellte seine Miene „Kennen wir uns?“ Der Opast verzog sein Gesicht in gespieltem Bedauern. „Shuusei, ich muss zugeben, dass mich das verletzt. Aber ja, wir kennen uns. Gestatten, mein Name ist Zaebos.“ „Pfh, sagt mir einen Scheissdreck“, fauchte Hotsuma und funkelte den Dämon wütend an. Dessen Miene verfinsterte sich. „Achtet auf euren Ton.“ „Warum? Du bist nichts weiter, als ein weiterer, unbedeutender Duras, von dem wir die Erde befreien werden.“ „Erstens, bin ich kein gewöhnlicher Duras – vergleiche mich nicht mit dem Kanonenfutter! Zweitens, Hotsuma, werdet ihr das nicht tun. Denn genau in dem Moment, spielt mein Herr Luzifer mit eurem kleinen Licht der Götter und zermalmt es.“ „Genug gequakt! Zeit, dass du endlich nen Abgang machst! Shuusei und ich werden dir dabei helfen!“ Entschlossen griffen die beiden Wächter Zaebos an, der sie grinsend erwartete. Kapitel 46: Säule des Ursprungs – Senshiro und Kuroto, Teil 3 ------------------------------------------------------------- Zielstrebig rannte Senshiro durch die vielen Gänge des Schlosses. Obwohl er zum ersten Mal hier war, wusste er genau, wo er langgehen musste, um auf die Schlossmauern zu gelangen, auf denen sich Cadenza aufhielt. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn, denn auf seinem Weg begegnete ihm kein einziger Duras. Der Wächter hielt kurz inne. Er hätte seinen Partner mitnehmen sollen. Sollte der Opast das geplant haben, dann … Er schüttelte den Kopf. Nun war es ohnehin zu spät. Er musste es tun. Es gab kein Zurück mehr. Entschlossen eilte er weiter. Kuroto verpasste gerade einem Duras einen Haken und zerschmetterte dabei seine Nase zu scharlachroter Masse. Der Dämon ging zu Boden und der Wächter verpasste ihm den Todesstoß, sodass er in Sekundenschnelle zu Staub zerfiel. Er sah seine Chance und rannte blitzschnell zum Eingang, in dem sein Partner verschwunden war. Er war schon fast am Ziel, als vor ihm ein weiterer Duras auftauchte und den Weg versperrte. Mit einem hässlichen Grinsen schoss er Magiekugeln auf ihn ab. Kuroto konnte geschickt ausweichen, war plötzlich direkt vor ihm und versenkte seinen Fuß zwischen seinen Beinen. Als ob er mit dem Wind konkurrieren wollte, blies der Duras vor Schmerz unter Heulen all seine Luft aus. Er sackte zusammen und landete auf einem Knie, als ob er den Wächter anbeten wollte und versuchte dann, seine Balance mit einer Hand zu halten. Zu langsam für Kuroto, der ihn im nächsten Moment mit seinem Katana ebenfalls zu Staub zerfallen ließ. Mit großen Schritten eilte er in das Innere des Schlosses und suchte seinen Partner. „Senshiro? Antworte mir!“ Seine verzweifelten Rufe hallten in den kalten Mauern wider und sollten seine einzige Antwort bleiben. Die Angst fraß ihn von innen auf. Sekunden kamen ihm vor wie Stunden. Als er endlich die Treppen nach oben in den verwirrenden Räumlichkeiten gefunden hatte, stellte sich ihm abermals ein Duras in den Weg. „Wie Unkraut …“, fluchte der Wächter erbost. „Ich habe für euch keine Zeit!“ Als sein stämmiger Gegner seine Schwertattacken blockte, krallte er sich den Dämon und verpasste ihm eine Linke, dann zwei schnell aufeinander folgende Rechte. Der schwankende Duras ließ beide Arme nach unten fallen, als ob er Kuroto zu einem erneuten Schlag auffordern wollte., was dieser sich natürlich nicht zweimal sagen ließ. Er sprang hoch und verpasste ihm einen Kick in die Brust. Sein Widersacher flog nach hinten, donnerte mit dem Schädel gegen die Steinwand neben der Treppe und sank entkräftet auf den Boden. Beim Vorbeirennen köpfte der Wächter den Duras und sprang die Treppenstufen nach oben. Er betete darum, dass es noch nicht zu spät war und es seinem Partner gutging. „Bitte, Senshiro, halte durch!“ „Cadenza!“ Der Opast lachte auf. Ein hässliches, arrogantes Lachen. Dann drehte er sich zu ihm um. Direkt hinter ihm thronte die Säule des Ursprungs und schien auf seinen Partner und ihn zu warten. „Da bist du ja endlich, mein kleiner Wächter. Du hast mich lange warten lassen.“ „Keine Sorge“, entgegnete Senshiro mit zusammen gekniffenen Augen. „Ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder mehr warten musst!“ Mit diesen Worten zückte der Wächter seinen magischen Pinsel, allerdings ließ ihn sein Gegner nicht zum Schreiben kommen. In Windeseile war er bei ihm und Senshiro konnte den Schlag seiner Klaue gerade noch rechtzeitig blocken. „So einfach bekommst du mich nicht, Wächterlein. Mach dich bereit, zu sterben.“ „Von wegen!“ Mit schnellen Hieben seiner Sense setzte sich der Wächter zur Wehr. Doch egal wie er es probierte, egal wie geschickt und schnell er vorging, Cadenza schien sein Handeln vorauszusehen. Es war frustrierend. Er konnte keinen einzigen Treffer verzeichnen. Trotzdem: er durfte nicht aufgeben. Er würde siegen und den verfluchten Oberst ein für alle Mal von der Erde tilgen. Er würde seinen Großvater rächen, Kurotos ersten Partner und all die anderen, vielen Opfer, die dieses Monster auf dem Gewissen hatte. Gemeinsam würden sie die Säule aktivieren, damit das Licht der Götter Luzifer den Gar aus machen konnte. Und dann … dann würde er Kuroto endlich seine Liebe gestehen. Mit sich überschlagendem Herzen nahm Kuroto die letzten Stufen zur Schlossmauer hinauf. Sein Atem stockte für einige Sekunden, als er seinen Partner gegen den Oberst kämpfen sah. Senshiro war angeschlagen. Keine Frage. Was dachte sich dieser Trottel dabei, ohne ihn gegen Cadenza zu kämpfen? Hatten sie diese Phase nicht hinter sich gebracht, in der sie von purem Hass und Rachegelüsten geleitet worden waren? Ein schmerzlicher Stich durchfuhr seinen Körper. Schnell schob er die Enttäuschung und die negativen Gefühle bei Seite. Er musste seinem Partner helfen und zwar sofort. Entschieden sprintete er auf die Kämpfenden zu. Auf dem Weg sah sich Kuroto plötzlich einem weiteren Paar überdimensionierter Duras gegenüber, die nicht gewillt waren, ihn durchzulassen. Wütend knirschte der Wächter mit den Zähnen, während der eine Gegner hinter ihn sprang. Kuroto stand zwischen den beiden Dämonen und hielt sie mit seinem Katana von sich fern. Kaum hatte er sich seiner Gegner entledigt und wollte seinen Weg fortsetzen, um endlich seinem Partner zur Seite zu stehen, tauchten zwei weitere Duras auf. Der Wächter machte einen Flip nach hinten und setzte mit je einem Fußkick auch je einen der beiden Dämonen außer Betrieb. Er sprang auf und machte sich auf den Weg Richtung Senshiro, doch der schlaksige Duras war wieder erwacht, grapschte nach seinem Knöchel und brachte ihn hart zu Fall. Kuroto war bei weitem mehr davon angepisst, als dass es ihm Schmerzen bereitete. Wie bei einer Turnübung kickte er nach hinten, traf voll sein Gesicht, brach praktisch seine Nase samt Kiefer – ein kleines Krachen gefolgt von einem großen – und er ging schlafen wie ein kleiner Junge. Ein gezielter Schlag mit seinem Katana sorgte dafür, dass er nicht mehr aufwachen würde. Kurotos Kopf ruckte in die Höhe, als Senshiros Schrei die Luft zerriss. Kälte fraß sich in sein Körper und ließ ihn von innen erfrieren. Sein Partner wurde von dem Oberst brutal zu Boden gedrückt. In seiner Mitte klaffte ein großes Loch. Mit tränenüberfluteten Augen stürmte er nach vorne und durchbohrte Cadenza mit seiner Waffe, bevor dieser sich zu ihm umwendenden konnte. Mit einem „So habe ich mir das aber nicht vorgestellt“ zerfiel der Dämon zu Staub. Geschwind ließ sich Kuroto auf die Knie fallen und zog Senshiro zu sich, der zitternd versuchte, kein Blut zu spucken. Mit verschleiertem Blick sah er seinen Partner an und schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Kuroto … es tut … mir leid. Ich hätte … nicht allein …“ „Schon gut, sprich nicht. Du darfst dich nicht anstrengen. Bitte, halte durch. Yuki wird dich heilen. Ganz bestimmt. Du musst nur durchhalten.“ Er schluchzte verzweifelt und hielt seinen Partner in seinen Armen. Für einen Moment schwieg dieser tatsächlich und schloss die Lider, sodass der Wächter schon befürchtete, ihn für immer verloren zu haben. Sein Herz setzte für einen Schlag aus und sein Körper versteifte sich. „Das ist … schön“, flüsterte Senshiro und seine Stimme war dabei so leise und schwach, dass Kuroto ihn kaum verstand. Verwirrt blickte er ihn an und wischte sich die Tränen mit der freien Hand aus dem Gesicht. „Was?“ „In deinen Armen zu liegen.“ „Du blöder Idiot!“ Kuroto schniefte, ließ ihn jedoch nicht los. „Warm … du bist so … schön warm.“ „Du sollst nicht sprechen.“ „Nur noch … eins, bitte …“ Kuroto nickte. Tränen verschleierten seinen Blick. „Aber nur, wenn du durchhältst, bis Yuki dich heilt.“ Ein verzagtes Lächeln kreuzte Senshiros Gesicht. „Ja ….“ „Versprich es mir.“ „Versprochen.“ Sein Partner nickte abermals und hoffte im Stillen, dass das Licht der Götter bei Kräften war, um ihn von seiner tödlichen Wunde zu heilen. Er wusste, dass Senshiro eine starke Willenskraft besaß und dass er um sein Leben wie ein Verbissener kämpfte, doch er brauchte unbedingt Yukis Hilfe, wenn er den Kampf gewinnen sollte. Zweifel schlichen sich bei ihm ein. Wieso passierte nichts? Konnte ihnen das Licht der Götter womöglich gerade gar nicht helfen? War Yuki selbst vielleicht gar nicht mehr am Leben? Er schluckte und verdrängte die aufkommende Furcht wieder aus seinem Kopf. Er musste an den Sieg glauben. An Yuki. An seine Kameraden und an seinen Partner. „Ich … ich … liebe dich.“ Kuroto lachte traurig und leise auf. Er beugte sich zu dem anderen Wächter hinunter und hauchte ihn einen Kuss auf die Stirn. „Ich liebe dich auch, Senshiro.“ Kapitel 47: Säule des Ursprungs – Hotsuma und Shuusei, Teil 2 ------------------------------------------------------------- Hotsuma und Shuusei kämpften verbissen gegen den Oberst. Zu ihrem Ärgernis beschwor dieser fünf weitere Duras herbei, die ihnen zusätzlich einheizten. Sie kamen kaum zu ihrem Hauptgegner durch. Immer wieder errichtete Shuusei Schutzschilde, die sie vor dem größten Schaden schützten. „Verdammt, was soll der Scheiß!“, fluchte Hotsuma laut, als zum x-ten Mal ein neuer Duras erschien, wo er gerade einen durch seine Flammen vernichtet hatte. „Wieso erscheinen da immer wieder neue von den Dingern?!“ „Kümmer dich nicht um sie. Die übernehme ich. Erledige du Zaebos!“, rief sein Partner, schnellte nach vorne und entledigte sich gleich zwei ihrer Gegner, die im Nu durch zwei andere ersetzt wurden. „Geht klar!“ Während Hotsuma versuchte, zu Zaebos vorzudringen, schoss Shuusei nach vorne, schnappte sich einen seiner beleibten Widersacher und versetzte ihm einen harten Schlag in das Genick. Der sackte zusammen wie ein fetter Klapptisch und schlug ungeschickt auf dem Boden auf. Der Wächter machte sich nicht die Mühe, den Dämon zu Staub zerfallen zu lassen, da er davon ausging, dass dieser dann sofort wieder ersetzt würde. Deswegen hielt er es für klüger, seine Gegner vorerst auszuschalten, indem er sie bewusstlos schlug. Entschlossen wandte er sich an die restlichen Vier. Hotsuma preschte nach vorne und attackierte Zaebos mit einer Reihe von Schlägen, Tritten und Feuerzaubern. Der Dämon wehrte ihn offensichtlich etwas gelangweilt ab, doch dann gelang es dem Wächter, ihm seine Faust unter die Nase zu schieben. Der Schlag war so hart, dass der Opast schwankte, allerdings sein Gleichgewicht behielt und sofort zum Gegenangriff ansetzte, als sei nichts gewesen. Für einen kurzen Moment zog Hotsuma verwundert seine Augenbraue in die Höhe. Trotzdem hielt er es für möglich, immerhin war Zaebos ein hochrangiger Dämon. Als jedoch auch sein Feuerzauber an ihm abzuprallen schien, wusste er, dass etwas nicht stimmte. Nun war es an seinem Gegner, eine Angrifffolge zu starten. Geschickt wich Hotsuma aus und blockte fast jeden seiner Schläge. Er wartete eine günstige Gelegenheit ab, dann beugte er sich blitzschnell nach vorne und rammte ihm mit einer leichten Drehung einen Ellenbogen an die Schläfe. Auch dieser Treffer ließ den hochrangigen Dämon kalt. Der Wächter gab nicht auf. Es folgte eine Pirouette, dann ein Tritt in die Magengegend und zum Abschluss ein Flammenstrahl – doch nichts. Keine Reaktion des Opasts. Auch ein pfeilschneller Tritt zwischen seine Beine, verfehlte seine Wirkung. Hotsumas Bein schnellte nach oben und verpasste Zaebos, der auf etwas zu warten schien, einen Tritt gegen sein Kinn. Fassungslos stand der Wächter da, als der Dämon zu lachen begann. „Okay, du hattest deine Chance. Schluss mit den Spielchen. Jetzt bin ich dran.“ Geschockt musste Hotsuma feststellen, dass der Opast vorher nur mit halber Kraft gekämpft hatte. Seine Attacken waren doppelt so stark und seine Geschwindigkeit war extrem. Der Wächter konnte mit Mühe und Not die ersten Angriffe abwehren, doch je länger Zaebos am Zug war, desto schwieriger wurde es, ihm standzuhalten. Und dann geschah es: Hotsuma kassierte eine brutale Trittfolge in seinen Magen und noch ehe er auf die Knie sinken konnte, sprang ihn der Dämon an wie ein tollwütiges Raubtier und drückte ihn zu Boden. Zaebos Pranken krallten sich um seinen Hals und drückten gnadenlos zu. Röchelnd versuchte er sich zu wehren, schlug mit der Faust zu und traf seinen Widersacher im Gesicht. Der zuckte zwar zusammen, zeigte ansonsten keinerlei Reaktion. Unaufhörlich drückte er zu und um Hotsuma begann sich alles zu drehen. Shuusei verpasste seinem letzten aufrecht stehenden Gegner gerade eine saubere Rechts-Links-Kombination und brach ihm die Nase. Kurz darauf schickte er ihn mit einem krachenden Schlag auf den Kiefer zum Regal, gegen das dieser krachend aufschlug, bevor er zu Boden ging. Das Holz begann gefährlich zu schwanken. Die gefüllten Gläser fielen klirrend hinab und zersplitterten. Ihr Inhalt verteilte sich über die Erde und wirkte irgendwie verloren. Voller Abscheu beobachtete Shuusei für einen Moment ein Herz, das noch immer unnatürlich pulsierte als wäre es noch intakt. Doch er nahm noch etwas anderes wahr. Etwas von außerordentlicher Wichtigkeit: In dem Moment, als die Glasbehälter auf dem Boden zersplitterten, zuckte Zaebos gepeinigt zusammen. Konnte es tatsächlich sein …? Er sah seinen Partner in Gefahr und wollte ihm helfen, aber wieder stand einer der Duras auf und ließ ihn nicht durch. Shuusei erhaschte noch einen Blick zu seinem Partner, dessen Gegenwehr schwächer wurde. Er musste sich beeilen, durfte keine Zeit mehr verlieren. Während er mit seinen Schwertern seinen Kontrahenten abwehrte, schoss er eine blaue Kugel auf den Opast ab. Das Magiegeschoss traf ihn an der Brust und riss sein Hemd entzwei. Wie erwartet, zeigte der Dämon ansonsten keine Reaktion. Dafür gab der zerrissene Stoff die Lösung preis. Eine hässliche und riesige Narbe in Form eines Kreuzes zierte die Brust, genau an der Stelle, wo das Herz sitzen musste. „Hotsuma, entzünde die am Boden liegenden Sammelstücke!“, schrie er seinem Partner zu, während er selbst versuchte, zu den Innereien vorzudringen, allerdings ohne Erfolg, denn der Duras ließ sich nicht abwimmeln und entwickelte sich zu einer echten Plage. Sein Partner verstand nicht ganz. Orientierungslos blickte er sich um und begann, hektisch zu blinzeln. Seine Sicht wurde von einem dichten Nebel verdunkelt. Er konnte kaum noch etwas erkennen. Er sah die Silhouette von Shuusei, der ihm versuchte, rudernd mit dem Arm die Richtung zu weisen. Mit schwindender Kraft beschwor Hotsuma ein regelrechtes Flammenmeer und setzte den Boden mitsamt den Sammelstücken in Brand. Sein Peiniger ließ augenblicklich mit einem schrillen Schreien von ihm ab. Er sprang auf und wirbelte mit aufgerissenen Augen panisch durch den Raum. Der Wächter japste nach Luft und versuchte, sich auf die Beine zu kämpfen. Zur selben Zeit lösten sich die Duras in Rauch auf. Shuusei stürmte zu seinem Partner und half ihn auf, während Zaebos zu Boden fiel und begann, in Staub zu zerfallen. Mit letzter Kraft murmelte der Sterbende ein paar magische Worte, dessen Bedeutung den Wächtern nur in wenigen Sekunden erschreckend bewusst werden sollte. Kapitel 48: Säule des Ursprungs – Tsukomo und Touko, Teil 1 ----------------------------------------------------------- Fröstelnd schlang Touko die Arme um ihren Körper. Ein eisiger Wind schlug ihnen entgegen und hüllte die trostlose Umgebung unbarmherzig ein. Ihr Partner wollte seine Jacke ausziehen und ihr reichen, doch sie schüttelte entschieden den Kopf. „Auf keinen Fall, sonst holst du dir den Tod. Wo sind wir hier nur gelandet? Es schneit …“ „Ich bin mir nicht sicher, aber Japan ist es nicht …“, gab Tsukomo nachdenklich zurück. „Wo sind Yuki und die anderen?“ Touko verzog bange ihr Gesicht. „Das gefällt mir nicht …“ Unsicher sahen sich beide um. In dreihundert Meter Entfernung entdeckten sie einen riesigen Berg. Ansonsten war die felsige Gegend karg und leer. „Was nun?“, fragte sie und rieb sich mit den Händen emsig über ihre Arme. Ihr Partner schloss kurz die Augen. Sie schaute ihn besorgt an. „Tsukomo, was hast du?“ „Ich glaube, ich höre etwas.“ „Etwas schlechtes?“ „Ich bin mir nicht sicher. Es kommt von der Spitze des Berges.“ Sie hob ihren Kopf und versuchte zum höchsten Punkt zu sehen, jedoch ohne Erfolg. „Denkst du dasselbe wie ich?“ Er nickte entschlossen, schaute sie dann aber im nächsten Moment besorgt an. „Meinst du, du schaffst das? Es scheint keinen offiziellen Weg zu geben. Wahrscheinlich müssen wir klettern und ich weiß nicht, wie hoch der Berg ist.“ Sie schenkte ihm ein sanftes Lächeln. „Mach dir um mich keine Sorgen. Abgesehen davon haben wir keine andere Wahl.“ „Okay, aber lass uns erst mal außen rumgehen. Vielleicht haben wir Glück.“ „Einverstanden.“ Touko nickte, hakte sich bei ihm ein und sie machten sich gemeinsam auf den Weg. Nach ungefähr zwanzig Minuten vergeblichen Suchens, begann ihr Herz aufgeregt zu schlagen. Sie musste an Rias Worte denken. Sollte sie den Rat ihrer Freundin befolgen und mit ihrem Partner sprechen? Darüber, was er ihr bedeutete? Was sie für ihn empfand? Wie sehr es sie schmerzte, dass es ihnen bisher immer vergönnt gewesen war, ein gemeinsames Kind auf die Welt zu setzen …? Nervös knabberte sie an ihrer Lippe. So sehr sie es auch wollte, sie konnte es nicht. Das war nicht richtig. Es gehörte sich nicht … Der Streit mit Zoltan quetschte sich brutal in ihre Erinnerung zurück. Das war das Letzte, an das sie jetzt denken wollte. Dieser verfluchte Dämon. Sie biss sich auf ihre Zunge und versuchte, mit dem aufkommenden Schmerz ihre Tränen zu unterdrücken. Tsukomo bemerkte, dass seine Schwester sich mit etwas quälte. Warum sprach sie nicht mit ihm? Es schmerzte ihn, sie so traurig zu sehen. Er wollte ihr beistehen und ihren Kummer lindern. „Ist alles in Ordnung bei dir?“ Seine Frage riss sie aus ihren trüben Gedanken. Verwundert blickte sie auf und verfluchte sich, als sie sein besorgtes Gesicht sah. Sie waren derart tief miteinander verbunden, dass er natürlich spürte, wenn es ihr nicht gut ging. Trotzdem: Sie konnte einfach nicht mit ihm darüber sprechen. Abgesehen davon mussten sie sich auf ihre Aufgabe und ihr Ziel konzentrieren. Jegliche Ablenkung war tabu. Egal wie sehr sie das Thema quälte, sie musste es vergessen. Ihr aller Leben stand auf dem Spiel. Für Persönliches war kein Platz. Sie war eine der Wächterinnen und würde ihre Aufgabe erfüllen. Touko atmete tief durch, begann zu lächeln und schüttelte den Kopf. „Nein, es ist nichts. Ich bin wohl nur etwas aufgeregt, wie es jetzt weitergeht. Ob es Yuki wohl gut geht? Hoffentlich ist er nicht allein.“ „Bestimmt nicht. Luca wird auf jeden Fall bei ihm sein“, versuchte ihr Bruder sie zu beruhigen. Ihre Miene erhellte sich wieder und sie klatschte begeistert in die Hände. „Ja, wahrscheinlich hast du recht. Doch ich fürchte, wir werden wohl nicht drum herum kommen.“ Irritiert blickte er sie an und legte seinen Kopf schräg. „Was meinst du?“ „Der Berg. Es scheint keinen leichteren Aufstieg zu geben. Lass uns klettern.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja. Es wird nicht einfach, aber wann war es das schon, nicht wahr?“ Sie zwinkerte ihm zu und beide mussten gleichzeitig lachen. Voller Tatendrang machten sie sich an die mühsame Kletterpartie. Kapitel 49: Säule des Ursprungs – Hotsuma und Shuusei, Teil 3 ------------------------------------------------------------- „Was ist das?!“ Hotsuma fuhr suchend herum. Ein lautes Blubbern hatte eingesetzt und ließ Böses erahnen. Shuusei fand als erster die Ursache. „Es kommt von da“, antwortete er und zeigte auf ein großes steinernes Becken, das gut versteckt in der Ecke untergebracht war. Misstrauisch traten beide näher. „Was ist das? Wasser?“ „Wenn es das ist, dann ist es kein Gewöhnliches. Wie kann es anfangen zu kochen? Hier ist doch nichts“, murmelte Shuusei nachdenklich. Genau in dem Moment knallte der Durchgang zu, durch den sie hereingekommen waren. „Shit!“ Fluchend rannte Hotsuma zum versperrten Ausgang, während sein Partner weiterhin den Blasen schlagenden Inhalt in dem Höhlenbecken beobachtete. Hotsuma versuchte erfolglos mit aller Kraft, den Gesteinswand zu bewegen, die sich vor den Durchgang geschoben hatte. „Hotsuma …?“ „Shuusei, könntest du mir mal bitte helfen?!“ „Hotsuma?“ „Was denn?!“ Schnaufend drehte sich der Wächter um und erstarrte in der nächsten Sekunde. Die kochende Substanz stieg an und schwappte blubbernd auf den Boden. Dampf stieg zischend auf. Shuusei sprang gerade noch rechtzeitig zur Seite, bevor er getroffen wurde. „Verdammt!“ Hotsuma rüttelte abermals am Gestein, jedoch ohne Erfolg. Sein Partner fuhr hektisch herum, als die ätzende Brühe die spärlichen Möbel des Raums erreichte und diese knarzend, Zentimeter für Zentimeter verschwanden. „Hotsuma das wird nicht funktionieren!“ „Wie sollen wir dann hier raus?“ „Pass auf, das Zeug ist ätzend!“, rief er seinem Partner zu, der sich bisher noch nicht zu ihm umgewandt hatte. Nun sprang auch er alarmiert herum und erkannte den Ernst der Lage. Schnell sprintete er zu Shuusei, der ihn auf höher gelegene Felsen dirigierte. Sie bahnten sich ihren Weg auf immer höher hinauf, um ihren Tod zu entgehen. „Was nun?“, fragte Hotsuma und sah sich verzweifelt um, als das Klettern immer mühsamer wurde und kein rettender Felsblock mehr in Sicht war. Shuuseis Gedanken überschlugen sich. Trotz der Falle, war er sich noch immer sicher, dass sie hier richtig waren. Sein Gespür besagte es ihm. Die Kristallsäule des Ursprungs musste hier irgendwo sein. Was übersahen sie? Sein Blick scannte die Gegend ab und blieb an der Decke hängen. Natürlich! Wieso hatte er das nicht gleich gesehen?! „Hotsuma, sieh nach oben. Kannst du die Holzplatte beseitigen?“ „Das sollte kein Problem sein“, antwortete sein Partner mit neuer Zuversicht. Mit einem breiten Grinsen ließ er seine Finger knacken, bevor er mit seinem Feuerzauber, das morsche Holz in Rauch aufgehen ließ. Mühevoll hangelten sie sich ihren Weg zum rettenden Ausgang, was sich als schwieriger erwies, wie sie gedacht hatten, denn die Wände ließen kaum Halt zu. Immer wieder rutschten sie ab und suchten nach Halt, während die kochende Brühe stets anstieg. Der heiße Dampf und die Anstrengung trieb ihnen die Schweißperlen auf die Stirn. Jeder Fehler konnte ihr Aus bedeuten. Die Hitze, die sich in dem Raum ausbreitete, wurde immer stärker und drohte, ihnen die Sinne zu rauben. Trotzdem: die Wächter gaben nicht auf und erreichten gerade noch rechtzeitig den erschaffenen Ausgang. Allerdings blieb ihnen keine Zeit zum Ausruhen, denn die ätzende Flüssigkeit hörte einfach nicht auf zu steigen. Shuusei handelte sofort. Er zog sich nach Hotsuma durch die Öffnung, kniete sich nieder und versiegelte das Loch mit einem Bannzauber. Nachdem er fertig war, half ihm sein Partner auf die Beine. „Bist du okay?“ Shuusei nickte. „Ja, das sollte eine Weile reichen.“ „Eine Weile?“ „Ich bin mir nicht sicher, ob es hält“, antwortete er ehrlich und zuckte scheinbar gleichgültig mit den Schultern. Hotsuma verzog seufzend sein Gesicht. „Das sind ja tolle Aussichten.“ „Wo sind wir hier?“ Shuusei sah sich suchend um. Sie befanden sich in einem schmalen Gang, der schräg nach oben führte. „Vielleicht kommen wir hier raus“, mutmaßte Hotsuma. „Lass es uns probieren.“ Sein Partner nickte ihm zu und folgte ihm auf dem Pfad nach oben. Je weiter sie vordrangen, desto klarer schien die Luft zu werden. Zu ihrem Erstaunen führte der Pfad nicht ins Freie, sondern in einen weiteren Höhlenraum, doch noch mehr zog sie die kristallene Säule des Ursprungs in den Bann, die inmitten der Szenerie thronte. „Shuusei … ist das etwa?“ „Ja, wir haben es geschafft.“ „Yes!“ Der Wächter sprang ausgelassen in die Luft, fing sich im nächsten Moment jedoch wieder und schaute seinen Partner fragend an. „Und was jetzt? Wie funktioniert das Ding? Ist fast wie in ‘nem Game aus meiner Konsole.“ Shuusei schmunzelte. Das sah Hotsuma ähnlich. Er schritt auf die Säule zu und ließ seine Finger andächtig über die vielen Schriftzeichen gleiten. „Ich bin mir nicht sicher. Hat Danny nicht gesagt, dass wir alle gleichzeitig die Ursprungssäulen berühren müssen, um Yuki beizustehen und im unsere Kraft zu leihen?“ „Kann sein … doch wann ist der richtige Zeitpunkt?“ „Keine Ahnung. Ich denke, Yuki. Luca oder Danny werden uns ein Zeichen geben.“ Der Wächter lief zum Eingang und versiegelte diesen vorsichtshalber auch mit einem Bannzauber. Dann ließ er sich tief durchatmend auf den Erdboden nieder und schloss seine Augen. „Wah …! Was machst du da?“ „Ausruhen und Kraft tanken.“ „Ja, aber … was ist, wenn wir das Zeichen verpassen?!“ „Ich bin sicher, dass werden wir nicht.“ Hotsuma schnalzte verdrossen mit der Zunge. „Verdammt, wie kannst du nur so ruhig bleiben. Ich dreh noch durch.“ Seufzend ließ auch er sich nun auf die Erde neben ihn fallen. „Ich merk‘s.“ „Shuusei, jetzt mal ehrlich. Macht es dich nicht verrückt, nur hier rumliegen und nichts tun zu können? Wir sollten jetzt bei Yuki sein und ihn beschützen.“ „Dir ist also langweilig?“ „Das nicht … schon ein bisschen.“ Mit einem schelmischen Grinsen rollte sich Shuusei halb über seinen Partner, der ihn irritiert anstarrte. „Was …?“ „Also ich wüsste schon, wie wir uns die Zeit bis zum Einsatz vertreiben können.“ Hotsumas Augen weiteten sich verdutzt. Er öffnete seinen Mund, um zu protestieren, doch sein Partner versiegelte seine Lippen mit den eigenen. Der süße Geschmack des anderen und die Hitze des Verlangens ließen seine Gegenwehr schwinden. Als dann auch noch Shuuseis Zunge Einlass forderte, gab er auf. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass die Zeit des Wartens anstrengender werden würde, als ihre Aufgabe mit der Ursprungssäule. Kapitel 50: Säule des Ursprungs – Tsukomo und Touko, Teil 2 ----------------------------------------------------------- Touko klammerte sich verzweifelt an den Felsvorsprung. Sie konnte nicht sagen, wie viele Stunden sie bereits den Berg erklommen, doch ihr Körper schrie vor Erschöpfung, Muskelschmerz und Kälte. Je näher sie der Spitze kamen, desto schärfer blies der Wind, als versuchte er, sie wieder hinunter zu schmeißen. Die Wächterin traute sich nicht, nach unten zu sehen, aus Angst, vom Schwindel erfasst zu werden. Ihr Kreislauf war ohnehin nicht in bester Verfassung. Besorgt blickte Tsukomo zu seiner Schwester. Es war nicht zu übersehen, dass sie am Ende ihrer Kräfte angelangt war. Suchend schaute er sich um und entdeckte in der Nähe eine etwa drei Quadratmeter große Fläche, die einigermaßen windgeschützt war. „Touko, wir machen eine Pause. Folge mir.“ Sie nickte ihm zu. Gemeinsam hangelten sie sich ihren Weg zum ausgesuchten Rastplatz. Es waren nur wenige Minuten, doch ihr kam es vor wie Stunden. Als sie es endlich geschafft hatte, sank Touko erschöpft nieder. Ihr Bruder setzte sich neben sie und zog sie in seine Arme. Sie genoss seine Körperwärme und bemerkte erst jetzt, wie stark ihr Körper vor Kälte schlotterte. „Halte durch, wir haben es bald geschafft. Es ist nicht mehr weit“, flüsterte Tsukomo ihr beschwörend zu und sie ertappte sich dabei, fast eingeschlummert zu sein. Auf keinen Fall durfte sie einschlafen – wer wusste, ob sie bei der Kälte nochmal aufwachen würde. Abgesehen davon zählten Yuki und die anderen auf sie. Sie durften nicht versagen. Sie würden nicht versagen. Auf keinen Fall. „Danke dir, Tsukomo. Sollen wir weiter?“ „Bist du denn schon bereit?“ Sie lachte auf. Ein leises, zaghaftes Lachen. „Nein, doch ich habe Angst, dass ich nicht mehr aufstehe, wenn wir nicht gleich weiter klettern. Ich bin so furchtbar müde …“ „Ja, ich auch. Lass uns noch ein bisschen ausruhen. Ich stelle meine Armbanduhr auf eine Viertelstunde.“ „Das klingt gut.“ Sie kuschelte sich noch enger an ihren Bruder und vernahm den beruhigenden Schlag seines Herzens. Dicht aneinandergeschmiegt dösten beide vor sich hin und tankten etwas Kraft, bevor sie sich an das letzte Drittel des Aufstiegs machten. Zum letzten Mal zog er sich hoch und über den Rand der Klippe. Eiskalter Wind und Schnee klatschte ihm entgegen wie eine Ohrfeige. Dennoch freute er sich. Sie hatten es geschafft – sie hatten die Bergspitze erreicht. Er reichte seiner Schwester, die noch mit den letzten Stück zu kämpfen hatte, eine helfende Hand und zog sie zu sich hinauf. Touko nickte ihrem Bruder keuchend und dankbar zu, der versuchte, sie vor den heftigen Windböen zu schützen. Für einen Moment fiel alle Anspannung von ihr ab. Endlich: sie waren oben! Doch noch waren sie nicht am Ziel. So bald sie etwas durch geschnauft hatten, drehten sie sich um. Sie mussten nicht lange suchen. Vor ihnen ragte ein großes, tempelartiges Gebäude in die Höhe. Toukos Herz schlug in ihrem Brustkorb schneller. Sie spürte es eindeutig: hinter dem Tor verbarg sich ihre Säule des Ursprungs. Langsam liefen sie auf das Gebäude zu. „Spürst du es auch?“ „Ja, doch da ist noch was anderes“, antwortete Tsukomo und lauschte angestrengt gegen den heulenden Wind. „Duras … mindestens fünfzehn Stück.“ Sie runzelte die Stirn. „Das ist kein gutes Zeichen. Sie dürften gar nicht wissen, wo die Säulen sind, oder?“ „Nein, ich denke nicht. Das schreit nach Verrat im Himmelsreich …“ „Vielleicht ist es auch nur ein Zufall … Hoffentlich geht es Yuki dann gut …“ Touko schaute betrübt drein. Nicht auszudenken, wenn Luzifer ihn in die Finger bekommen sollte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken und ließ sie erzittern. Tsukomo bemerkte ihren Kummer, griff nach ihrer Hand und drückte sie aufmunternd. „Luca, Sodom, Tachibana, Zoltan und Danny sind bei ihm. Sie werden ihn beschützen.“ Sie holte tief Luft und blickte ihn entschlossen an. „Du hast Recht. Und Yuki ist stark. Sehr stark. Wir müssen ihm vertrauen.“ „Das können und machen wir.“ Sie nickten sich zuversichtlich zu, bevor sie kampfbereit auf die massive Holztür zutraten. „Bereit?“, fragte Tsukomo und seine Schwester nickte abermals. „Lass uns unsere Säule erobern.“ Sie zückten ihre Waffen und drückten voller Tatendrang die Klinke nach unten. Mit einem lauten Quietschen, das allerdings im Lärm des brausenden Windes unterging, schwang die Pforte auf. Verlockende Wärme der vielen angebrachten Fackeln strömte ihnen vom Tempel entgegen. Da niemand zu sehen war, traten sie vorsichtig ein. Von irgendwoher vernahmen sie die leise Melodie von Klangschalen. Alles wirkte friedlich. Sie konnten nirgends einen Duras entdecken. „Es ist still … zu still“, flüsterte Touko ihrem Bruder zu, der lauernd zur Mitte schlenderte, wo ein großes Gebilde zweier kämpfender Drachen stand. Darüber war ein mehrstöckiges Gerüst angebracht, um das antike Stück zu restaurieren. Die Wächter konnten die böse Präsenz der Duras deutlich spüren. Wo hatten sie sich versteckt? „Tsukomo, schau! Die Säule des Ursprungs!“ Touko deutete aufgeregt auf das schillernde Kristallgebilde. Gerade als sie sich darauf zubewegten, zerriss ein gehässiges Lachen die Luft. „Gratuliere, ihr bedauernswürdigen Maden. Ihr seid eurem Ziel so nah, dennoch endet eure Reise hier. Tja, was für ein Jammer.“ Sie schnellten zeitgleich herum und erblickten Zepar, der grienend und mit verschränkten Armen auf dem Gerüst stand wie auf einer göttlichen Empore. „Ich glaube eher, deine Reise endet hier!“, widersprach die Wächterin bissig. Der Dämon lachte amüsiert auf. „Wir sind ganz schön frech, seit wir nicht mehr hinter Gittern sind, nicht wahr? Doch keine Sorge, ich werde euch Manieren beibringen.“ Der Oberst schnippte mit den Fingern, woraufhin seine Untergebenen aus allen Ecken hervor gekrochen kamen. Tsukomo schluckte. Das waren ein bisschen mehr Gegner, als er erwartet hatte. „Lass dich nicht einschüchtern. Ihre Anzahl ist egal. Gegen uns kommen sie nicht an. Wir schaffen das“, munterte Touko ihn auf. Er schenkte ihr ein sanftes Lächeln und nickte. Sie hatte recht. So kurz vorm Ziel würden sie nicht scheitern. Das waren sie nicht nur sich, Yuki und den anderen schuldig, sondern der gesamten Menschheit. Sie würden diesen bitteren Krieg ein für alle Mal beenden – gemeinsam mit ihren Freunden. Mit einem lauten Tosen stürmten die Duras von allen Seiten auf sie zu. „Gut, lass uns aufräumen“, forderte er seine Schwester auf und sie begannen gemeinsam zu kämpfen. Kapitel 51: Säule des Ursprungs – das Licht der Götter, Dämonen und Engel ------------------------------------------------------------------------- Seine Sicht war leicht verschwommen. Er hatte sich ziemlich verausgabt, um herauszufinden, wo er die Wächterpaare hatte hinschicken müssen. Und dann noch das gleichzeitige Teleportieren an die verschiedenen Ziele – Yuki war sichtlich erschöpft. „Willst du dich nicht etwas ausruhen? Die Reise hat dich immense Kraft gekostet. Ich könnte dich tragen“, schlug Luca vor und wollte ihn schon hochheben, doch Yuki winkte ab. „Das klingt verlockend, aber wir haben keine Zeit zu verlieren. Je schneller wir unseren Bestimmungsort erreichen, desto schneller können wir …“ „Das werden wir, aber Luca hat Recht“, unterbrach Danny lächelnd das Licht der Götter. „Mach dir keine Sorgen. Ich denke, wenn er dich trägt, kommen wir sogar schneller voran.“ „Und du kannst dich ausruhen und somit die Wächter bei Bedarf besser heilen“, fügte Tachibana frohlockend hinzu. „Es wäre für alle vom Vorteil“, meinte Zoltan trocken und zuckte mit den Schultern. „Au ja, Yuki ausruhen! Sodom auch!“, jubelte der kleine Drache und nahm darauf gleich seine handliche, pelzige Form an, um sich auf Yukis Schulter zu platzieren. Das Licht der Götter sah noch etwas nachdenklich drein. Die Argumente der anderen wiegten schwer, doch war das Luca gegenüber nicht unfair? Er konnte doch nicht ständig auf seine Hilfe angewiesen sein und … „Es macht mir nichts aus“, meinte Luca, der seine Gedanken zu erraten schien. Yuki fühlte sich ertappt und seine Wangen röteten sich. „Außerdem würdest du meinem Bruder damit einen Gefallen tun, wenn er dich tragen darf“, argumentierte Luze und vertrieb damit den letzten Funken Zweifel aus seinem Gemüt. Luca warf seinem Zwilling einen ermahnenden Blick zu, der grinste jedoch nur süffisant. Mit hochrotem Kopf stimmte Yuki zu und ließ sich von Luca auf den Armen tragen. Sodom fiepte erfreut und döste bereits im nächsten Moment ein. Yuki konnte nicht sagen, was es genau war. Der kleine Drache, der tief und fest auf seiner Schulter schlief; die Vertrautheit, die Lucas Berührung auslöste; seine Wärme; der Schlag seines Herzens oder die Zuneigung, die zwischen ihnen hin und her wechselte. Vielleicht war es auch alles zusammen, was ihn nur in wenigen Sekunden in einen erholsamen Schlaf geleitete. „Das hat sich echt nicht geändert. Er war, ist und bleibt ein kleiner Sturkopf.“ Tachibana lachte beherzt auf. „Ich dachte nicht, dass er in der Lage ist, alle Wächter sofort in die Nähe ihrer Bestimmungssäule zu bringen. Das ist eine beachtliche Leistung.“ Danny musterte das schlafende Licht der Götter und Zoltan sprach seine Gedanken aus. „Hoffentlich hat er sich mit der Aktion nicht zu sehr verausgabt.“ „Er ist stark. Er wird es schaffen“, entgegnete Luze zuversichtlich, worauf sein Bruder ihm einen skeptischen Blick zuwarf. „Ja, das ist er“, murmelte Danny mit einem sanften Lächeln. Ein Stich durchfuhr ihn bei dem Gedanken, dass das Licht der Götter bereits so viel hatte durchstehen müssen. Nicht nur in diesem Leben, sondern auch in dem davor. Das war einfach nicht gerecht. „Du wirst doch jetzt nicht anfangen zu flennen“, flüsterte ihm Tachibana mit einem fiesen Grinsen zu, während sie ihren Weg fortsetzten. Der Blonde lachte leise auf. „Du hast dich auch kein Stück geändert, Tachibana. Noch immer glänzt du vor Arroganz und Provokation.“ „Du schmeichelst mir, Danny. Wann verrätst du den anderen deinen richtigen Namen?“ „Gar nicht. Wozu auch? Gefällt dir der Name nicht?“ „Ha ha, und du nennst mich arrogant.“ „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.“ Tachibana winkte entschieden ab. „Reden wir nicht weiter darüber. Meinst du, Yuki wird es schaffen? Er muss die anderen Wächter heilen und gleichzeitig die Energie der Ursprungssäulen bündeln und lenken …“ „Er wird es schaffen. Bestimmt.“ „So zuversichtlich? Wäre es so einfach, dann hätte er es bereits Jahrhunderte vorher getan.“ „Seit wann zweifelst du so viel? Ist das der Einfluss, deines kleinen dämonischen Toy Boys?“ Tachibana lachte auf Dannys spitzen Kommentar hin. „Punkt für dich, mein Lieber. Und wann hast du vor, mit Luze anzubändeln? Dir bleibt nicht mehr viel Zeit …“ Die Miene des Engels wurde für einen Moment ernst. Er schaute zu dem Zessbruder, der ihn wiederum nicht aus den Augen ließ. Ihre Blicke trafen sich und schienen miteinander zu verschmelzen. Schnell wandte sich Danny wieder ab, sichtlich verlegen. „Das weiß ich selbst …“ „Mach nicht denselben Fehler wie ich. Warte nicht zu lange, denn das Schicksal kann grausamer sein, als man denkt. Und schneller, als du dich versiehst, wird dir das Liebste entrissen, das du hast.“ Tachibanas Blick wanderte zu Zoltan, der stillschweigend neben Luca lief und die Gegend wachsam beäugte. „Du hast nichts falsch gemacht …“ „Das sieht der alte Herr auf seiner Himmelswolke aber anders.“ „Du weißt, was ich meine.“ „Nein, du hast unrecht. Ich habe mich falsch entschieden. Das war mein Fehler.“ Danny zog verwundert eine Braue in die Höhe. „Ich glaube kaum, dass du bei eurer Trennung und Verbannung ein Mitspracherecht hattest.“ „Das meine ich nicht.“ Tachibanas Gesichtszüge nahmen für ein paar flüchtige Minuten einen schmerzlichen Ausdruck an. „Ein paar Wochen bevor das Tribunal davon erfahren hat, fragte mich Zoltan, ob wir nicht abhauen, untertauchen und ein gemeinsames Leben beginnen wollten. Und ich … ich habe es die gesamte Zeit hinaus gezögert. Ein böser Fehler.“ „Warum hast du nicht eingewilligt?“ Tachibana zuckte mit den Schultern. „Bequemlichkeit. Gewohnheit. Ich wollte meine Stellung nicht verlieren. Es klappte doch gut, so glaubte ich. Abgesehen davon hatte die verbotene Beziehung eindeutig ihren Reiz.“ „Zoltan ist wirklich zu bedauern.“ „He, jetzt wirst du aber gemein.“ „Tut mir leid, deine Art steckt so langsam an.“ Danny schenkte Tachibana ein süffisantes Grinsen. Der lachte auf und schloss zu Zoltan auf, während Luze sich zu Danny gesellte. „Alles in Ordnung?“ Die Besorgnis in der Stimme des Dämons entging ihm nicht. Er riskierte einen Blick zu ihm und ein Schauer lief ihm über den Rücken. Seine Haut begann zu kribbeln und er fragte sich, warum er derart auf ihn reagierte. Danny war es nicht gewohnt, umgarnt zu werden. Dergleichen war im Himmelsreich tabu. Er hatte es auch nie vermisst – hatte er zumindest bisher gedacht. War es die Intensität, mit der Luze vorging? Oder etwa sein schönes Antlitz, das verführerisch in der untergehenden Sonne glänzte? Konnte es gar sein, dass er selbst … „Danny?“ „Oh, ich …“, der Engel schreckte auf und begann zu Lächeln, „ja, danke dir.“ Luze Augen verengten sich misstrauisch. Eine Weile liefen sie schweigend nebeneinander her. „Okay, verstehe. Und wie geht's dir wirklich?“ Erstaunt sah Danny auf und in das Gesicht des Zessbruders. Sein Herz machte einen verzagten Sprung. Ja, Luze war nicht nur irgendein schöner Dämon. Er war wirklich besonders. In dem Moment fasste er einen Entschluss. „Kommt ganz darauf an.“ Jetzt war es Luze, dessen Augen sich in Erstaunen weiteten. „Auf was?“ „Auf dich.“ „Mich?“ Er zog verwundert eine Braue in die Höhe. „Ja.“ Danny grinste breit und musste sich ein Lachen verkneifen. Luze sah gerade einfach zu goldig aus. Der trat näher an ihm heran und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich verstehe nicht. Auf was genau?“ „Bleibst du und leistest mir Gesellschaft?“ Luze stockte für einen Moment der Atem. Dannys Augen bohrten sich in die seinen und was er in ihnen lesen konnte, ließ sein Verlangen gierig aufflackern. Er schluckte, nickte und kämpfte mit seiner Selbstbeherrschung. „Natürlich …“ Danny wandte sich wieder nach vorne, als er zuckersüß antwortete: „Dann ist alles gut.“ Kapitel 52: Säule des Ursprungs – Tsukomo und Touko, Teil 3 ----------------------------------------------------------- Mit einem gellenden Schrei zersplitterte der letzte Dämon vor ihr in Fetzen. Toukos Atem raste. Ihrem Bruder erging es ähnlich. Sie hatten es tatsächlich geschafft und jeden einzelnen von ihnen vernichtet. Zumindest fast, denn Zepar sprang Zähneknirschend von dem Gerüst. „Gar nicht mal so schwach, dafür dass ihr nur das Ohr der Götter seid. Dann muss ich mir eben selbst die Hände an euch elenden Maden dreckig machen.“ „Was heißt hier nur?“ „Und von wegen Maden!“, beschwerte sich Touko angewidert. Sie gab ihrem Bruder ein kurzes Zeichen, der sofort einen Schusshagel auf den Dämonenfürst abfeuerte. Während Zepar damit beschäftigt war, Tsukomos Angriffen auszuweichen, schnellte sie mit ihrem Breitschwert nach vorne. Allerdings war der Opast nicht so leicht unter Kontrolle zu halten. Er wich nicht nur geschickt den Schüssen aus, sondern fand gleichzeitig noch Zeit, scharfe Magiekugeln auf beide Wächter zurück zu feuern. Es war fast unmöglich, an ihn ran zu kommen. Es entfachte ein unerbittlicher Kampf. Jede kleine Unaufmerksamkeit, konnte ihr Leben kosten. Zepar nutzte jede kleine Schwäche und jeden Fehler sofort aus. Die Wächter hielten sich tapfer, doch die Zeit arbeitete gegen sie, denn der Oberst hatte einen entscheidenden Vorteil: er war ausgeruht und im Besitz seiner vollen Kräfte. Im Gegensatz zu ihnen hatte er weder einen Berg in eisiger Kälte erklimmen, noch gegen eine Legion kämpfen müssen. „Was denn? Werdet ihr schon müde, ihr mickrigen Larven? Dann lasst mich euch zu Bett bringen!“ Mit flinken Bewegungen gleich einer Raubkatze sprang der Dämon nach vorne zu Tsukomo. Der blockte gerade noch rechtzeitig die vor peitschende Pranke, aber für den Tritt, war er zu spät. Mit einem lauten Knall wurde er gegen das Gerüst geschleudert, dass bedrohlich zu schwanken begann. Toukos Angriff ging zeitgleich ins Leere. Zepar grinste sie an und schnippte mit dem Finger. „Kabumm!“, spuckte er gehässig hervor und die Holzkonstruktion brach krachend auseinander. Tsukomo sprang auf seine Beine, allerdings zu langsam. Er wurde unter den Trümmern und Einzelteilen begraben. Die Augen seiner Partnerin weiteten sich vor Entsetzen. Ein Schrei bahnte sich aus ihrer Kehle, als sie vergeblich versuchte, mit ihm telepathisch zu kommunizieren. „Oh… wein doch nicht. Spielzeug geht eben ab und an kaputt.“ Zepars bösartiges Lachen hallte kalt durch den Tempel wider. Touko erstarrte. Unmöglich. Tsukomo konnte nicht tot sein. Nicht jetzt, so kurz vorm Ziel. Yuki würde ihn heilen. Ganz sicher. Sie hatten bereits so viel durchgemacht. Zu viel, um hier einfach zu scheitern. Sie schickte ein stummes Gebet zum Licht der Götter. Dann wandte sie sich wieder ihrem Gegner zu. Sie würde es schaffen. Für Tsukomo. Für ihre Freunde. Und für sich. Sie war keineswegs schwach. Genau das sollte dieser vermaledeite Opast nun zu spüren bekommen. „Das wirst du büßen.“ Sie hob entschlossen ihren Kopf und funkelte ihn wütend an. Der Dämon fing an zu prusten. „Kh kh, wirklich?“ „Du wirst schon sehen! Ihr Dämonen habt lange genug mit der Erde und der Menschheit gespielt und sie gequält. Damit ist nun endgültig Schluss.“ Sie rannte auf ihn zu und holte mit ihrem Breitschwert aus. Zepar sprang flink zurück und blockte ihre Klinge mit seiner Pranke. Die Wächterin gab nicht auf. Immer wieder holte sie aus und schlug auf ihren Gegner ein. Der wehrte ihre Attacken wütend ab. Ihre Energie und Ehrgeiz nervte ihn. Der Kampf wurde langsam lästig. Er hatte seinen Spaß gehabt, doch nun zog es sich entschieden zu lange für seinen Geschmack. Es wurde Zeit, dem Ganzen ein Ende zu bereiten. Es war ein Jammer. Er hätte lieber eins der beiden männlichen Wächterpaare erwischt. Ärgerlich, aber er konnte es nicht ändern. Während er die wuchtigen Angriffe seiner Gegnerin blockte, beschwor er in seiner freien Hand eine zischende Energiekugel. Als diese die Größe eines Basketballs erreicht hatte, schoss er nach vorne, entwendete Touko das Breitschwert und schlug ihr die magische Energie in den Magen. Alle Luft wich aus ihrem Körper und machte dem Schmerz Platz. Für einige schreckliche Sekunden wurde ihr schwarz vor Augen. Ihre Beine verloren ihre Kraft und sie klappte ungelenk auf den Boden zusammen. Mit einem Ruck wurde sie an den Haaren wieder hochgezogen. Träge öffnete sie ihre Lider und starrte in Zepars diabolisch grinsende Fratze. Sie öffnete ihre Lippen, doch außer einem erbärmlichen Krächzen brachte sie keinen Ton heraus. „Du hattest Recht, Menschlein. Jetzt ist Schluss – genug gespielt. Ihr habt ausgedient, dein langweiliger Partner und du. Du kannst dich geehrt fühlen, dass ich gegen euch gekämpft habe. Eigentlich kämpfe ich nur gegen würdige Gegner. Doch ihr … sprechen wir nicht weiter darüber. Ich habe noch was vor, das meine Laune hoffentlich wieder hebt. Dann zeig mir mal, ob du wenigstens schmeckst.“ Brennender Schmerz peinigte ihren Körper, als der Opast seine Krallen in ihre Seite bohrte und genüsslich darin herum fischte wie in einem Baukasten. Quälend langsam zog er seine Klauen wieder zurück und führte sie an seinen Lippen, um das Blut herunter zu lecken. „Nicht schlecht. Vielleicht nasch ich noch ein bisschen. Jungfrauenblut fand ich schon immer äußerst stimulierend“, flüsterte er ihr zischend ins Ohr und leckte ihr obszön eine Träne von der Wange. Touko schluchzte. Ekel, Schmerz und Panik lähmten ihren Körper. Die Hilflosigkeit raubte ihr die letzte Hoffnung. Zepar lachte hämisch auf. Er sog ihre Angst und Verzweiflung tief ein. Ein berauschendes Gefühl. Vielleicht waren die beiden Wächter doch kein so schlechter Fang gewesen. Er würde sich an der wimmernden Wächterin richtig satt essen. Ein freudiges Knurren entwich seinem Mund. Er wollte gerade seine Zähne in ihre Schulter schlagen, als ein Schuss die Luft zerriss. Dann folgte ein zweiter. Danach ein dritter. Zepars Augen waren so weit aufgerissen, dass sie fast aus den Höhlen zu fallen schienen. Mit einem erstickenden Laut ließ er sein Opfer auf den Boden fallen. Langsam, wie in Zeitlupe, starrte er an sich herab. Drei große Schusswunden zeichneten seinen Körper, der rauchte und zu verblassen begann. Tsukomo wartete, bis der Opast sich in Luft aufgelöst hatte. Dann taumelte er schnell zu seiner Schwester, die zitternd und keuchend am Boden lag. Er ließ sich neben ihr nieder und streichelte ihr vorsichtig über den Rücken. „Touko, bist du okay?“ Schniefend drehte sie den Kopf zu ihm. Tränen der Erleichterung liefen über ihre Wangen. Sie konnte ihr Glück kaum fassen. „Du lebst …“ „Ja, aber natürlich.“ Sie wollte ihre Hand heben und ihm über seine Wange streichen, doch sie war zu schwach. Tsukomo war sichtlich lädiert. Seine Kleider waren zerrissen und sein Körper mit blauen Flecken, Blutergüssen und offenen Wunden übersät. Er konnte die Besorgnis in ihren Augen lesen und schüttelte leicht seinen Kopf. „Es geht mir gut. Dich hat es viel schlimmer erwischt. Lass uns ausruhen, okay.“ Sie nickte und er legte sich neben sie nieder und zog sie behutsam in seine Arme. Eine Zeitlang lagen sie schweigend nebeneinander und kamen zur Ruhe. Der Schrecken wich mit jeder weiteren Sekunde aus ihren Körpern und ließ der Müdigkeit Platz. „Touko, kannst du das spüren?“ Sie blinzelte müde und wollte widersprechen, als sie es auch wahrnahm: ihre Körper begannen zu heilen. Langsam, kaum merklich, aber dennoch deutlich spürbar. Ein Lächeln umschmeichelte ihre Lippen. Yuki lebte. Es ging ihm gut und noch immer passte er auf sie auf. Ein großer Stein fiel ihr vom Herzen. Sie würden es schaffen. Bestimmt. Sie würden den Kampf ein für allemal beenden. Touko kuschelte sich eng an ihren Partner und schlief in sekundenschnelle ein. Kapitel 53: Nächtliche Trennung ------------------------------- Luca starrte in den wolkenverhangenen Sternenhimmel, der ihren Pfad beleuchtete. Seit Stunden waren sie schon unterwegs und Yuki war kein einziges Mal aufgewacht, seit er eingeschlafen war. Er machte sich Sorgen. Wie sollte sich Yuki erholen, wenn er bereits jetzt im Schlaf die Wächter heilen musste? Er konnte es deutlich spüren, wie das Licht der Götter unaufhörlich zusammenzuckte und heilende Wärme ausstrahlte. Kein Zweifel: die Wächter hatten Feindkontakt und Yuki war ihre Kraft- und Heilquelle. Luca biss die Zähne zusammen. Wie er das hasste. Yuki litt, fand keine Zeit und Ruhe, um sich auszuruhen und er selbst konnte nicht das geringste tun. Frustrierend. Würde Yuki tatsächlich genug Kraft besitzen, um die Energien der Ursprungssäulen zu bündeln und zu lenken? Keine einfache Aufgabe. „Ha ha, starrst du wieder finster drein. Wenn der arme Yuki aufwacht, wird er einen Schreck erleiden.“ Tachibana lachte neben ihm auf und der Dämon funkelte ihn böse an. „Du solltest mal versuchen zu lächeln.“ „Du grinst doch für uns alle. Das muss reichen“, entgegnete er bissig und konzentrierte sich weiterhin auf ihren Weg, der plötzlich in ein gepflastertes Stück überging. Die Gruppe blieb kurz stehen und betrachtete sich den Pfad. „Seltsam, daran kann ich mich nicht erinnern“, murmelte Danny nachdenklich, woraufhin Tachibana abermals zu lachen begann. „Du bist eben auch nicht mehr der Jüngste, mein Lieber.“ „Nein, das ist es nicht. Diese großen, runden Pflaster … irgendetwas stimmt nicht.“ „Hauptsache, es erleichtert unsere Reise, oder etwa nicht?“, gab Zoltan schulterzuckend zurück und betrat den weiß schimmernden Weg. „Die Steine fühlen sich angenehm glatt unter den Füßen an.“ „Nur dass es keine Steine sind“, entgegnete Luca mit gelassener Miene. „Was denn dann?“ Zoltan starrte nach unten und noch bevor Luze ihm antwortete, wusste er die Lösung bereits. „Es sind Schädelknochen von Menschen.“ „Oh … wie geschmacklos.“ Tachibana hob seine Hände an die Wangen. „Das dürfte ein Problem werden“, meinte Danny missmutig und strich sich durch sein blondes Haar. Eine Geste, die Luzes Herz höher springen ließ. „Gibt es denn einen anderen Weg?“, hakte Luca sachlich nach, doch Danny schüttelte den Kopf. „Das wäre ein enormer Umweg.“ „Worauf warten wir denn noch? Lasst uns weiter gehen und die Augen offen halten.“ Entschlossen ging Luca voraus. Sodom erwachte auf Yukis Schulter und räkelte sich gähnend, bevor er sich in die Luft erhob und nach Bedrohungen Ausschau hielt. „Na dann … ihm nach, würde ich sagen.“ Tachibana ließ den anderen den Vortritt und bildete mit Zoltan das Schlusslicht. Der beäugte ihn misstrauisch. „Was hast du vor?“ „Mh …? Was meinst du?“ „Tz“, Zoltan stieß genervt die Luft aus. „Ich kenne dich bereits so lange. Mach mir nichts vor.“ Tachibana stierte grienend in den Sternenhimmel. „Ah … ist das nicht schön?“ „Was?!“ „Die frische Luft. Ein Spaziergang unter Sternen. Romantisch findest du nicht?“ Er drehte seinen Kopf, um von Zoltan einen Kuss zu erhaschen, stattdessen schob dieser seine flache Hand gegen sein Gesicht. „Lenk jetzt nicht vom Thema ab! Du …!“ Sein Fauchen wurde jäh unterbrochen, als es hinter ihnen verräterisch zu Rascheln begann. Alle wirbelten zeitgleich herum und sahen mit an, wie sich Geäst, Erde und Steine auf dem Boden zusammenzogen und ein zwei Meter großen Organismus bildeten. Bedrohlich wankte das Ding auf sie zu und knurrte. „Was zur Hölle ist das denn?“ Luze machte sich sofort kampfbereit und blickte seinen Bruder fragend an, der jedoch nur mit den Achseln zuckte. „Ich bin Mattheus. Und ihr seid tot!“, schrie das Ungetüm und holte aus. Geschickt wichen die anderen seinem wuchtigen Schlag aus. Danny und Luze wollten sofort zum Gegenangriff übergehen, doch Tachibana schaltete sich schnell ein. „Den übernehmen Zoltan und ich. Geht ihr schon einmal vor!“ „Bist du dir sicher?“, fragte Danny unsicher, aber der selbsternannte Herbergsvater nickte. „Ja, geht nur! Das kostet nur unnötig Zeit. Das Licht der Götter muss so schnell wie möglich zum Tempel der Götter und Gezeiten. Das ist doch dein Ziel, nicht wahr? Zoltan und ich erledigen dieses Ding und kommen nach.“ Danny öffnete den Mund, um zu widersprechen, doch Luca kam ihm zuvor. „In Ordnung. Gehen wir.“ „Aber ...?“ „Deine Sorge in Ehren, aber die Nervensäge hat Recht. Wir sollten Yuki so schnell wie möglich in Sicherheit bringen und unnötiges Risiko meiden.“ Der Engel warf einen Blick auf das schlafende Licht der Götter in Lucas Armen und nickte schließlich. „Jetzt verschwindet schon!“, rief Zoltan, der verbissen mit seinen Sicheln auf das Gestrüpp einschlug und von Tachibana geschützt wurde. Danny nickte und warf ein letztes Mal einen Blick auf die beiden. „Kommt bloß heil nach.“ „Bestimmt“, antwortete Tachibana mit einem breiten Grinsen und wandte sich dann Mattheus zu. Luze griff vorsichtig, aber bestimmt nach der Hand des Engels und zog ihn mit sich hinter Luca und Sodom her. Zielgerichtet rannten sie gerade aus und ließen Tachibana und Zoltan mit dem Riesen zurück. Danny konnte sich nicht helfen, doch sein Innerstes besagte ihm, dass weder Tachibana noch Zoltan nachkommen würden. Kapitel 54: Mattheus, der Riese ------------------------------- „Du könntest ruhig mal mehr mit anfassen!“, fauchte Zoltan erbost, während er damit beschäftigt war, den kraftvollen Schlägen von Mattheus auszuweichen. Tachibana lehnte gegen einen Baum und starrte seinem Freund dabei zu, wie er er sich gegen den Riesen zur Wehr setzte. „Wieso? Du machst das doch prima. Ich denke, du brauchst mich nicht“, antwortete er mit gespieltem Bedauern und bewunderte das Schauspiel, das sich ihm bot. Zoltan hatte seine Kampfkünste extrem verbessert in all den Jahrhunderten. Kaum zu glauben, dass sie so lange voneinander getrennt gewesen waren. Der Dämon holte mit seiner Sense aus und zerteilte das Gebilde mit einem schwungvollen und gezielten Hieb. Krachend zerfiel Mattheus in seine Einzelteile. Als Tachibana zu Klatschen begann, wirbelte er erbost herum. Seine Augen rammten ihn unbarmherzig durch den Boden. „Ha ha, ich sehe schon, du bist wirklich sauer.“ „Sauer ist gar kein Ausdruck!“, keifte Zoltan und stapfte auf ihn zu. „Na na, das hat doch wunderbar geklappt.“ „Verstehst du das unter „wir kümmern uns um ihn“? Das nächste Mal …!“ Tachibana ließ ihn nicht ausreden, sondern ergriff sein Handgelenk und zog ihn in seine Arme. Zoltan versuchte sich vergeblich zu befreien. „Je mehr du dich wehrst, desto fester drücke ich dich an mich“, flüsterte Tachibana ihm neckisch ins Ohr und sein Partner seufzte genervt. „Was soll der Mist?“ „Darf ich dich denn nicht halten?“ „Du weißt, was ich meine.“ „Ich dachte nicht, dass es dich derart ärgert. Dabei hast du so gut gekämpft. Du bist verdammt stark geworden in all den Jahren. Kannst du mir da meine Faszination verübeln?“ „Deine Faszination nicht, jedoch deine Faulheit“, zischte Zoltan und versuchte, sich abermals zu befreien, doch Tachibana ließ ihn nicht los. „Mir kommt es fast so vor, als wäre es gestern gewesen, als du noch ein kleiner, pelziger und Kuscheltier großer Duras warst, der nach Blut gesucht hatte, um stärker zu werden und sich zu entwickeln.“ „Erinner mich nicht daran!“ „Du warst so knuffig und süß, dass ich einfach nicht widerstehen konnte. Ich musste dich behalten. Dabei hätte ich nie gedacht, dass du derart groß , stark und attraktiv werden würdest.“ Zoltan verdrehte gereizt die Augen. „Ja, ich bin ein wahres Entwicklungswunder und eine seltene Ausnahme. Erspar mir die alten und unangenehmen Kamellen.“ „Ich erinnere mich gern daran.“ Tachibana lächelte gedankenversunken und schob das Gesicht seines Freundes zu ihm hoch, so dass sie sich ansahen. „Immerhin bin ich dir seit damals vollkommen verfallen.“ „Idiot“, murmelte Zoltan und wollte sich wegdrehen, doch Tachibana ließ es nicht zu. „Kann sein“, flüsterte dieser, bevor sich ihre Lippen zu einem innigen Kuss vereinten. Lange hielt der Moment allerdings nicht an, denn ein unheilverkündendes und bekanntes Knacken erklang hinter ihnen. „Nicht dein Ernst …“ Zoltan stöhnte und drehte sich um. Wie bereits befürchtet zog sich das Geäst und Gestein zusammen, sodass in Sekundenschnelle Mattheus wieder vor ihnen stand. „Ha ha, okay. Dieses Mal helfe ich dir.“ „Wie außerordentlich gnädig.“ Sowohl Tachibana als auch Zoltan zückten ihre Waffen und machten sich daran, den Riesen von zwei Seiten zu zerlegen. Sie schafften es innerhalb von zehn Minuten, doch es blieb keine Zeit, um durchzuatmen. Schon kurz nachdem er zersplittert war, geschah es erneut: Mattheus erstand in nur wenigen Sekunden wieder auf. „Verdammt, wie vernichtet man das Ding?!“, fluchte Zoltan und machte sich erneut zum Angriff bereit. „Ha ha, das wüsste ich auch gerne. He, Monstrum. Wie nennst du dich nochmal?“, rief Tachibana grinsend, worauf das klumpige Gebilde grölend antwortete: „Ich bin Mattheus, der Riese! Und ihr seid tot!“ Tachibana vollführte gerade noch rechtzeitig eine Flugrolle und wich somit dem Schlag seines Gegners aus, der stattdessen einen Baumstamm traf, der krachend auseinander brach. „Was soll die Namensfrage! Konzentriere dich lieber. Ich werde deine Überreste gewiss nicht vom Boden aufkratzen!“, beschwerte sich Zoltan ungehalten und setzte ihren Widersacher mit einer Schlag-Tritt-Kombination unter Druck. Tachibana richtete sich auf und starrte gedankenverloren ins Leere. Nachdenklich strich er sich mit seinen Fingern über das Kinn. „Mattheus … das sagt mir was. Den kenne ich doch. Wer war das nur?“ „Hallo? Hattest du nicht gesagt, du würdest mir dieses Mal helfen?!“, keifte sein Partner, der gerade einem Schlag nach dem nächsten ausweichen musste. „Ja, gleich … Mattheus …“ Tachibana schloss kurz seine Augen, als ihn sein Gedächtnis endlich auf die Sprünge half. „Mattheus der Riese – natürlich! Das ist es! Zoltan, hör her, das ist Mattheus der Riese!“ „Ach wirklich? Was du nicht sagst!“, zischte Zoltan verärgert und steckte einen wuchtigen Schlag des Monsters ein, der seinen Körper vor Schmerz gepeinigt aufschreien ließ. „Nein, du verstehst nicht. Mattheus bekommt die Kraft von seiner Mutter.“ „Wie schön für ihn! Hilf mir gefälligst!“ Zoltan sprang schnell auf die Seite, sodass der Riese ein kolossales Loch in die Erde schlug, wo er gerade noch gestanden hatte. Tachibana seufzte und sah sich suchend um. Zuhören war noch nie Zoltans Stärke gewesen, ebenso wenig wie Geduld. Seine Miene erhellte sich, als er einen spitzen Pfahl entdeckte, der mit Totenköpfen übersät war. Schnell sprang er nach vorne und stellte sich schützend vor Zoltan, der ungeschickt zu Boden gestürzt war. „Hilf mir, des Ding zu pfählen, sodass es nicht mehr den Boden berührt.“ „Okay, aber warum?“ Sein Partner stand sofort auf und attackierte das klobige Gebilde ebenfalls. „Seine Mutter ist die Erde. Solange er den Boden berührt, können wir ihn nicht besiegen.“ Zoltans Augen weiteten sich in Erkenntnis. Er nickte und schlug weiterhin auf den Riesen ein. Gemeinsam lenkten sie ihn langsam aber sicher zu dem auserwählten Pfahl. Tachibana gab seinem Gefährten ein Zeichen. Mit vereinter Magie gelang es ihnen, Mattheus in die Luft zu schleudern und schließlich zu pfählen. Vergeblich versuchte das Gestrüpp unter lautem Brüllen die Erde zu berühren. Fast schon, tat es Tachibana irgendwie leid, wie es hilflos in der Luft ruderte und unter Grölen zusehends zerfiel, bis nichts mehr übrig war. „Sieht so aus, als ist es endlich erledigt.“ Zoltan streckte sich und wollte gehen, als ihn sein Partner entschieden festhielt. „Nicht da lang.“ „Aber das Licht der Götter …“ Tachibana schüttelte den Kopf. „Nein, wir gehen dort lang.“ Zoltans Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. „Warum?“ Tachibanas Gesicht schimmerte geheimnisvoll im silbernen Licht des Mondes. „Wir nehmen eine Abkürzung.“ Mit einem rätselhaften Lächeln wandte sich Tachibana von ihm ab und lief voraus. Kapitel 55: Zweifel ------------------- Immer wieder blickte Danny nach hinten, in der Hoffnung, Zoltan und Tachibana zu erspähen. Sie waren bereits die gesamte Nacht durchgelaufen, hatten den Wald hinter sich gelassen und ein felsiges Gebiet passiert. Wenn alles gut ging, würden sie morgen den Tempel der Götter auf dem Berg Ethion erreichen. „Du machst dir Sorgen.“ Luze lief plötzlich neben ihm und musterte ihn besorgt. Ein Lächeln legte sich auf Dannys Gesicht und er wollte schon abwinken, doch der Dämon kam ihm zuvor. „Bitte hör auf zu Lächeln, wenn dir gar nicht danach ist. Das ist irgendwie … traurig.“ Erstaunt blickte der Engel ihn an, schloss kurz seine Augen und nickte. „Ja, tut mir leid. Eine Jahrhunderte lang antrainierte Angewohnheit. So schnell werde ich die wohl nicht los. Aber für dich werde ich es versuchen.“ Luze Herz überschlug sich vor Aufregung. Hatte er das gerade wirklich gesagt? Bildete er sich das nicht nur ein? Als er jedoch in Dannys leuchtende Augen sah, wusste er, dass es sich nicht nur um Wunschdenken handelte. Eindeutig: der Engel machte ihm gerade Avancen. Diese Situation musste er unbedingt für sich nutzen. Seine Hand schnellte nach vorne, um die des blonden Mannes zu ergreifen und ihn zu sich zu ziehen, aber sein Bruder unterbrach gelassen die Szene. „Wenn ihr mit Flirten fertig seid, solltet ihr euch besser auf den Weg konzentrieren. Da vorne beginnt der Bergpfad, der nicht gerade breit und ungefährlich ist.“ Sofort galt Dannys Aufmerksamkeit ihrer Reise und Luze knirschte verärgert mit den Zähnen. „Schaffst du es, Yuki weiterhin zu tragen, oder sollen wir dich mal ablösen?“ „Nein, das macht mir nichts. Ich trage ihn weiterhin“, antwortete Luca und wandte sich dann an Sodom, der in seiner menschlichen Gestalt neben ihm und Yuki hersprang. „Sodom, du verwandelst dich besser.“ Der kleine Drache blickte besorgt auf das schlummernde Licht der Götter. „Du kannst dich dann auf Yukis Schulter setzen“, fügte Luca hinzu, dem seine Reaktion nicht entging. „Au ja! Sodom zu Yuki!“ Mit einem kleinen Puff nahm der Drache seine handliche Form an und platzierte sich wieder auf dem Licht der Götter, wo er sich wohlig räkelte und an ihn kuschelte. „Immerhin einer bekommt, was er möchte“, nuschelte Luze bissig vor sich hin, jedoch so leise, dass es die anderen nicht verstanden. „Yuki ist noch immer nicht aufgewacht, oder?“ Danny schaute besorgt auf Yuki. „Nein, leider nicht.“ „Aber er wirkt ruhiger. Scheinbar haben die Kämpfe der Wächter aufgehört. Er sieht nicht aus, als würde er sie gerade heilen. Vielleicht schafft er es jetzt, selbst wieder zu Kräften zu kommen.“ Luca nickte und hoffte inständig, dass Danny recht behalten sollte. Ein letztes Mal warf der Engel einen Blick zurück. „Du machst dir Sorgen um Tachibana und Zoltan, nicht wahr?“, Luze streifte vorsichtig Dannys Arm. Allein diese kleine Berührung reichte aus, um seine Haut aufregend Prickeln zu lassen. Die Sehnsucht verzehrte ihn regelrecht. „Etwas … ich bin mir nicht sicher, aber die beiden sollten uns längst eingeholt haben.“ „Mattheus wird sie länger aufgehalten haben, wie gedacht. Doch ich bin mir sicher, dass es den beiden gutgeht. Unkraut vergeht nun mal nicht …“ Dannys Augen weiteten sich verblüfft bei seiner Aussage. Für einen Moment starrte er ihn verdutzt an, dann brach er in schallendes Gelächter aus. „Tachibana als Unkraut zu bezeichnen … er wurde schon vieles genannt, aber das ist neu.“ Luze Herz machte einen verzagten Sprung. Wenn er lachte, sah er noch viel schöner aus, denn er strahlte heller als das Licht. „Die beiden verstehen sich wirklich gut, oder?“ „Mh, wie man es nimmt …“ Wie vom Blitz getroffen blieb Luca stehen und blickte hinab in Yukis müde lächelndes Gesicht. „Yuki, du bist wach?!“ Das Licht der Götter nickte und Sodom hüpfte freudig fiepsend auf seiner Schulter auf und ab. „Ja, tut mir leid, dass ihr euch Sorgen machen musstet.“ „Hauptsache, dir geht es gut. Wie fühlst du dich?“ „Noch etwas schläfrig und erschöpft. Ansonsten geht es mir gut. Wie lange habe ich geschlafen?“ „Ungefähr 27 Stunden“, antwortete Danny und trat mit Luze auf sie zu. „Oh … oh, tut mir leid.“ Luca schüttelte vehement seinen Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen.“ „Aber du hast mich die ganze Zeit tragen müssen.“ „Ich musste es nicht, doch ich tat es gern.“ Yuki erschauerte, als er in die klaren und ehrlichen Augen von Luca sah. „Ich danke dir …“ „Fühlst du dich fit zur Weiterreise?“, fragte Danny und reichte ihm etwas zu trinken. „Ja, auf jeden Fall.“ Yuki nahm einen großen Schluck und wollte ihm die Flasche zurückgeben, doch der Engel schüttelte entschieden den Kopf. „Trink das aus. Wir haben auch noch ein bisschen Proviant für dich. Lass uns hier rasten und iss etwas. Du musst zu Kräften kommen und auch uns tut eine kleine Pause gut.“ Ja, danke.“ Für eine Weile schwiegen sie, bis Luze das Wort ergriff. „Musstest du die Wächter heilen?“ Das Licht der Götter nickte und für einen Moment durchzog Traurigkeit seine Miene. „Ja, sie hatten sehr starken Feindkontakt. Senshiro … er wäre fast gestorben und ich … ich konnte ihn nicht ganz heilen. Er ist noch immer verwundet.“ „Aber sie sind alle am Leben?“ Danny blickte ihn aufmunternd an. „Ja, ich denke, er ist vorerst außer Lebensgefahr. Die Kämpfe sind vorüber. Sie sind an ihren Ursprungssäulen.“ „Dann mach dir keine Sorgen mehr. Sie sind stark. Es geht ihnen gut.“ Yuki nickte Luca dankbar zu. Er hatte recht. Sie waren nah am Ziel. Jetzt mussten nur noch sie ankommen und dann würden sie gemeinsam den Krieg ein für alle mal beenden. Als Yuki aufgegessen hatte schaute er auffordernd in die Runde. „Okay, ich fühle mich ausgeruht. Wir können weiter.“ „Bist du dir sicher?“ „Ja, nur ich habe eine Bitte, Luca. Lass mich selber laufen. Ich muss mir dringend die Beine vertreten.“ „Natürlich.“ Der Dämon seufzte erleichtert. Typisch Yuki. Er war noch wackelig auf den Beinen, doch sein Stolz und Ehrgeiz waren nicht zu brechen. „Doch wenn es dir zu viel wird, gibst du mir Bescheid. Es macht mir nichts aus, dich zu tragen.“ „Danke.“ Yuki schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, das Luca verführte, ihn in seine Arme zu ziehen und zu küssen. Stattdessen schluckte er seine Begierde hinunter, stand auf und reichte Yuki eine helfende Hand, die dieser nur allzu gerne ergriff. Danny und Luze folgten den beiden. Die Stimmung war fröhlich und voller Hoffnung, nun da das Licht der Götter erwacht und in gutem Zustand war. Dennoch überkamen den Engel Zweifel. Was hielt Tachibana und Zoltan ab, ihnen zu folgen? Und warum hatten die Wächter alle Feindkontakt gehabt? Woher wussten die Dämonen, wo sie hinwollten? Oder handelte es sich hierbei um einen Zufall, da sich die Höllenbewohner wie eine Seuche ausgebreitet hatten? Falls es sich jedoch um keinen Zufall handelte, bedeutete dies, das es mindestens einen Verräter im Himmelreich gab und dann würde sie auf dem Berg Ethion eine böse Überraschung namens Luzifer erwarten ... Kapitel 56: Nahe am Ziel ------------------------ Yuki hielt sich tapfer. Sie waren bereits seit einigen Stunden unterwegs. Der Weg wurde immer schmaler und beschwerlicher. Schon bald erreichten sie einen hölzernen Pfad, der über Schluchten führte. Das Holz war morsch und knackte verräterisch unter ihren Füßen. Mit mulmigen Gefühl hielten sie sich am Sicherungsgeländer zur Felsseite fest, das lediglich aus einem alten Seil bestand. Die Seite zum Abgrund war nicht gesichert. Das Licht der Götter zwang sich, nicht nach unten zu sehen. Er hielt sein Blick starr geradeaus gerichtet und orientierte sich an Lucas Rücken. „Bist du sicher, dass du selber weiterlaufen möchtest?“, fragte Danny besorgt, der direkt hinter ihm war. „J-ja, kein Problem. Solange ich mich am Seil fest halte ist das in Ordnung.“ Danny seufzte. Recht war ihm das Ganze nicht, doch er wollte Yuki auch nicht zwingen. Er hoffte nur, dass er es nicht übertrieb. Selbst ihm schlackerten so langsam die Knie. Er war es nicht gewohnt, so lange zu Fuß unterwegs zu sein. Normalerweise würde er fliegen oder Portale benutzen, falls eine längere Reise notwendig war. Jedoch waren Sodom und er die einzigen, die des Fliegens mächtig waren. Falls er es noch war. Beim Kampf gegen Luzifer hatte es ihn stark am Flügel erwischt. Seitdem schmerzte dieser. Danny hatte sich noch nicht getraut, nachzusehen. Für einen Moment war er unaufmerksam und merkte zu spät, dass das morsche Holz unter seinen Füßen nachgab und brach. Er riss die Augen erschrocken auf, als er den Halt verlor und fiel, doch in der nächsten Sekunde wurde er aufgefangen und hochgezogen. „Alles in Ordnung?“ Luze Atem kitzelte in seinem Nacken und jagte Danny einen Schauer über den Rücken. Er hatte nichts dagegen, dass der Dämon ihn noch fest in den Armen hielt, bis sein Herzschlag sich wieder beruhigt hatte. „Ha ha, ja danke. Ich sollte besser aufpassen.“ „Damit ist es wohl nicht getan“, schaltete sich Luca von der Spitze ein. „Die Brücke ist kaputt.“ Mit ernster Miene starrte er in ein klaffendes Loch. Die Tiefe war beängstigend. Ein Sturz würde keiner von ihnen überleben. „Wie weit ist der Abstand zur anderen Seite?“, hakte Danny nach, der von seiner Position aus das Hindernis nicht sehen konnte. „Ungefähr sieben bis acht Meter.“ „Das ist ein Problem …“, murmelte der Engel nachdenklich. „Ist das Seil an der Felswand auch unterbrochen?“, fragte Luze seinen Bruder, der daraufhin den Kopf schüttelte. „Nein, das Seil ist befestigt.“ Er zog und zerrte prüfend an der Vorrichtung. „Es scheint stabil zu sein.“ „Gut, dann müssen wir uns rüber hangeln“, meinte Danny und sah besorgt zu Yuki, dessen Beine einem Wackelpudding glichen. „Yuki, hast du genug Kraft, um dich an mir festzuhalten, während ich rüber klettere?“ Luca drehte sich zu ihm um und musterte ihn fürsorglich. „Ja, das schaffe ich, doch bin ich dir nicht zu schwer?“ „Nein, überhaupt nicht. Mach dir keine Sorgen und verlass dich auf mich.“ „Gut … danke.“ Luca nickte und drehte sich wieder um. „Okay, steig auf meinen Rückten und halte dich gut fest.“ Yuki tat, wie ihm geheißen und Luca begann, sich über die Schlucht zu hangeln. Da das Seil sehr dicht an der kantigen Felswand angebracht war, erwies sich das Unterfangen schwerer als gedacht. Das Licht der Götter war zwar nicht schwer, doch er konnte seine Angst durch seinen zitternden Körper spüren. Panisch klammerte sich Yuki an ihn, nachdem er den Fehler begangenen hatte, nach unten in die Tiefe zu sehen. „Yuki, beruhige dich. Wir haben die Hälfte geschafft“, flüsterte Luca angespannt, jedoch liebevoll. Der bloße Klang seiner Stimme und die Zuversicht, die darin verborgen war, reichten aus, um einen Teil der Furcht vom Licht der Götter zu nehmen. Er atmete tief durch und nickte. Unbeschadet kamen sie auf der anderen Seite an. Vorsichtig stieg Yuki von Luca ab und ließ sich auf den Holzpfad nieder. Er schloss seine Lider und atmete die frische Bergluft tief ein. „Yuki?“ „Alles okay, mir ist nur etwas schwindelig. Danke, Luca. Für alles.“ „Dafür bin ich da“, antwortete der Dämon und gab seinem Drang nach, Yuki durch seine Haare und über seine Wange zu streichen. Dann machte sich Danny an das Hindernis. Geschickt und konzentriert hangelte er sich über die Schlucht und gesellte sich zum Licht der Götter und zu Luca. Luze war der Letzte. Mit schnellen und flinken Zügen begann er die Kletterpartie. Er hatte bereits dreiviertel der Strecke hinter sich gebracht, als das Seil hinter ihm ohne Vorwarnung riss. „Luze!“, schrie Yuki geschockte, während Dannys Herz einen Schlag aussetzte. Er war wie am Fleck gebannt, unfähig, sich zu bewegen. Was war das nur? Dieses Gefühl, dass ihn übermannte? Diese Schwärze, die ihn plötzlich drohte, zu umfangen? Für einige Sekunden wurde es dunkel um ihn herum und er musste sich an die Gesteinswand lehnen. Luze prallte hart gegen die Felswand auf und stöhnte. „Mir geht es gut.“ Er kletterte rasch das Seil hoch und ergriff sowohl Dannys als auch Lucas Hand, die sich ihm helfend entgegenstreckten. „Was für ein Schock.“ Yuki fuhr sich zitternd durch seine Haare. „Du hast ihn erschreckt. Entschuldige dich gefälligst“, ermahnte Luca seinen Bruder, der ihn mit einem provokanten Blick betrachtete. „Ich habe es nicht mit Absicht getan. Wieso sollte ich mich entschuldigen?“ „Hab ich doch gesagt: weil du ihn erschreckt hast.“ „Entschuldige dich selbst.“ „Niemand muss sich entschuldigen. Hört bitte auf zu Streiten und lasst uns weitergehen, bevor es dunkel wird. Wie weit ist es überhaupt noch?“ Fragend blickte er Danny an, der ihm ein leichtes Lächeln schenkte. „Es sind nur noch ein paar Stunden. Dann müssten wir an eine Herberge kommen, in der wir die Nacht verbringen werden. Morgen geht es dann zum Berg Ethion und zum Palast der Götter.“ Yukis Miene erhellte sich. „Dann haben wir es ja wirklich bald geschafft!“ Seine Augen begannen verträumt zu Glänzen. „Endlich werden wir den Krieg beenden und für Frieden sorgen. Ich freue mich ja so. Lasst uns schnell weitergehen!“ Vorsichtig stand er auf und sie machten sich motiviert an die Weiterreise. Während sich Yuki angeregt mit den Zessbrüdern und Sodom unterhielt, hüllte sich Danny in gedankenschweres Schweigen und starrte verdrossen auf den Weg. Kapitel 57: Nächtliches Versprechen ----------------------------------- Zoltan schnalzte verärgert mit der Zunge, als es heftig zu regnen begann. Das hatte ihnen gerade noch gefehlt. Tachibana hatte für das Wetter nur ein Lachen übrig und störte sich nicht weiter daran. „Willst du mich nicht endlich aufklären?!“ „Mh?“ „Wir sind jetzt schon fast sechsunddreißig Stunden unterwegs und entfernen uns immer mehr vom Berg Ethion.“ „Bist du sicher? Ha ha.“ Jetzt platzte dem Dämon die Geduld. Er griff nach Tachibanas Arm und riss ihn zu sich herum. Erbost funkelte er ihn an. „So schlecht ist meine Orientierung keinesfalls! Hör auf mich zu verarschen und für dumm zu verkaufen!“ „Ha ha, ja, du hast wohl recht.“ „Wenn du nicht möchtest, dass ich dir dein dämliches Grinsen aus dem Gesicht prügle, dann klär mich jetzt endlich auf! Ich bin dir lang genug wie ein Schoßhündchen hinterher getrottet!“, fauchte Zoltan und meinte es durchaus ernst. Tachibana hörte auf zu Lachen. Sein Gesicht nahm einen ernsten Ausdruck an. Er wollte sich aus seinem Griff befreien, doch Zoltan ließ nicht locker. Deswegen beließ er es dabei und setzte stattdessen einen Schritt auf ihn zu, sodass sie nur noch wenige Zentimeter trennten. „Ich fand es bisher immer süß, wenn du mir gefolgt bist.“ „Idiot! Lass die alten Kamellen und hör auf, vom Thema abzulenken.“ „Früher hast du mir voll und ganz vertraut …“ „Ich vertraue dir immer noch.“ Zoltan stöhnte genervt auf. „Wirklich?“ Tachibana schmunzelte amüsiert. „Warum folge ich dir denn sonst seit bereits über dreißig Stunden, doch ich finde, so langsam könntest du mich jetzt wirklich aufklären.“ „Okay.“ Er strich dem Dämon über die Wange und Zoltan hauchte ihm einen Kuss auf die Handfläche. Gerne hätte Tachibana das Reden noch raus gezögert, doch er wollte die Geduld seines Partners nicht überstrapazieren. Außerdem hatte er recht. Er hatte es nicht verdient, noch länger in Unwissenheit gelassen zu werden. „Du hattest nie vor, Yuki und die anderen einzuholen.“ „Nein, hatte ich nicht.“ „Du willst auch nicht zum Berg Ethion.“ „Richtig.“ „Tachibana, was hast du vor?“ „Hast du Angst, dass ich die Seite wechsle?“ „Ich würde es nicht verstehen, aber selbst dann würde ich mit dir gehen. Allerdings möchte ich wissen, was Sache ist und wie es weitergeht.“ „Du würdest mich überall hin begleiten?“ „Ja, du Idiot! Was tut das denn jetzt zur Sache?“ „Nichts, aber ich freue mich sehr darüber.“ Tachibana wollte ihn küssen, doch Zoltan schob ihn bestimmt von sich. Ein bedauerndes Lachen entwich der Kehle des selbsternannten Herbergsvaters. „Erst antwortest du mir“, forderte Zoltan und blickte ihn unnachgiebig an. „Stur wie eh und jäh.“ „Dito.“ Tachibana seufzte und nicke. Da kam er wohl wirklich nicht drum herum. „Wir sollten uns dabei jedoch irgendwo unterstellen, bevor wir völlig durchnässt sind.“ „Wie wäre es mit da hinten?“ Zoltan deutete auf einen umgestürzten Baum, der mitsamt seiner Wurzel und einen gro0en Erdbrocken aus dem Boden gerissen war. Sie kauerten sich unter das schützende Geäst, das wie eine kleine Höhle wirkte und Tachibana nutzte die Gelegenheit, Zoltan zu sich und in seine Arme zu ziehen. „Dein Herz schlägt ganz wild …“ „Ja, ich bin wohl etwas nervös“, gab Tachibana zu und grinste schief. „Und das in deinem Alter.“ „Du bist fast genauso alt wie ich.“ „Mitnichten.“ „He he.“ „Hast du nicht was vergessen?“ „Mh?“ Tachibana lächelte ihn unschuldig an und erntete dafür einen ermahnenden Knuff in die Seite. „Wo gehen wir hin? Was hast du vor?!“ „Ach diese Sache. Du hast es nicht vergessen … ha ha.“ Er kratzte sich kurz am Hinterkopf und suchte nach den richtigen Worten. „Unser Weg führt uns zur Quelle des Lebens. Eine Ader von ihr fließt hier ganz in der Nähe.“ Zoltan runzelte die Stirn. „Aber warum? Was willst du dort?“ „Wenn das Licht der Götter die Energie der Ursprungssäulen bündelt, die die Wächter aktivieren, dann … weißt du, was dann passiert?“ „Nein, nicht wirklich. Hat mich nie interessiert. Luzifer wird zurück geschickt?“ „Zurück geschickt? Ha ha … wohl kaum. Er wird ausgelöscht. Luzifer wird nicht mehr existieren. Ebenso die anderen Dämonen, die gerade auf der Erde sind.“ „Dann gibt es keine Dämonen mehr? Das Böse wird vollständig vernichtet?“ „Nein, nur die Duras, die gerade auf der Erdoberfläche sind. Diejenigen, die sich noch in der Hölle befinden, überleben. Zwar sind diese wieder gefangen, dennoch wird das Böse nie aussterben. Aber das ist nicht das Problem.“ Tachibana bedachte Zoltan mit einem durchdringenden Blick. „Ausnahmslos alle mit dämonischem Blut, die gerade hier sind?“ „Ja.“ „Egal auf welcher Seite sie kämpfen?“ „Ja.“ Zoltans Augen verformten sich zu zwei schmalen Schlitzen und er senkte leicht den Kopf. „Verstehe. Sowohl Luca, als auch Luze und ich werden ausradiert. Wissen die Zessbrüder und Yuki das?“ Tachibana schüttelte den Kopf. „Der einzige, der noch davon weiß, ist Danny. Achso … und Luzifer wahrscheinlich.“ „Und was passiert mit den Wächtern und dem Licht der Götter?“ „Sie werden ihre gesamte Lebensenergie und ihr gesamtes Sein der Reinigung der Erde opfern.“ Zoltans Augen wurden groß. „Sie sterben ebenfalls?!“ „Ja, ebenso wie Danny, wenn er Glück hat. Er hat gegen eines der höchsten Gebote des Himmels verstoßen: er hat sich eingemischt und Partei ergriffen.“ „Das … das ist doch Scheiße!“ Wütend schlug er gegen das Geäst, das bedrohlich knackte und sowohl Laub als Erdreste herab hageln ließ. „Tja … wir haben die Regeln nicht gemacht …“ Für einen Moment schwiegen beide und lauschten dem strömenden Regen und dem Geheul des Windes. Zoltan zog seine Knie an seinen Körper und dachte über das Gesagte und Tachibanas Handeln nach. „Was genau machen wir dann an der Ader dieser Lebensquelle?“ „Ich werde dafür sorgen, dass … wir von der heiligen Macht der Säulen und des Lichts der Götter nicht berührt werden, indem ich sie als einen schützenden Bannkreis für uns benutze. Mit Hilfe vom heiligen Siegel.“ „Was für ein Siegel.“ „Das, dass ich damals gefunden und aufbewahrt habe.“ „Aber wo … wie?“ Tachibana begann schelmisch zu lachen und setzte ein lausbubenhaftes Grinsen auf. „Das, dass ich seit je her mit mir trage. Der einzige, der davon wusste, war Takashiro.“ Er zog sich seine Mütze vom Kopf und lockerte ein münzgroßes Artefakt vom Stoff. „Hast du dich nie gefragt, warum ich auf einmal immer eine Kopfbedeckung trage?“ „Du hattest schon immer Phasen mit gewissen Ticks und temporären Sammelleidenschaften. Ich dachte, das wäre einer davon.“ „Ha ha, ja, das stimmt. Und sie stehen mir alle so gut.“ Zoltan seufzte. Von seiner Selbstverliebtheit hatte Tachibana in all den Jahren nichts verloren. „Du bist von der Wirkung der Aktivierung der Ursprungssäulen nicht betroffen, oder?“ Es erfolgte Schweigen, dass ihm zur Antwort genügte. Also doch. Tachibana tat das für ihn. Zoltan war zugleich bestürzt als auch gerührt. Er öffnete seinen Mund, doch brachte kein Ton heraus. Seine Gefühle überwältigten ihn und machten das Sprechen in dem Moment unmöglich. Tachibana bemerkte seine zaghaften Versuche, drückte ihn fest an sich und küsste seine Stirn. Dabei atmete er seinen Moschusduft tief ein. „Es tut mir so leid.“ „Was ...?“, brachte Zoltan mühsam hervor. „Dass ich damals nicht mit dir weggegangen bin.“ „Das … ist schon okay. Vergiss es einfach. Vorbei ist vorbei. Alles was wichtig ist, ist die Gegenwart.“ „Dieses Mal, werde ich dich nicht loslassen. Ich verspreche dir, alles wird gut.“ „Jetzt wirst du ekelhaft schnulzig.“ „Ha ha, lass mich doch. Aber es ist ein Versprechen: wenn das alles vorbei ist, dann … lass uns irgendwo hin gehen und gemeinsam ein neues Leben anfangen. Was hältst du davon?“ Zoltans Gefühle stauten sich und sammelten sich in seinen Augen als Tränen an. Ein ehrliches Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Zwar spürte er, dass Tachibana noch nicht alles offenbart hatte, doch das war für ihn in dem Moment nicht wichtig. „Das fände ich sehr schön.“ Tachibana zog ihn zu sich und ihre Lippen trafen sich zu einem leidenschaftlichen Kuss. Die Hitze der Leidenschaft flutete ihre Körper und vertrieb die Kälte. Umgeben von dem Rauschen des Regens und benetzt von dem Licht der Sterne, vereinigten sich ihre Körper und verschmolzen im Rausch der Lust zu einem Ganzen. Der Mond schaute stumm auf sie herab und war Zeuge ihrer innigen Liebe. Kapitel 58: Doppelzimmer und verletzte Gefühle ---------------------------------------------- „Da seht!“ Sodom hüpfe freudig von einem Bein auf das andere. Aufgeregt zeigte er auf die hell erleuchtete Herberge, die sich deutlich vom dämmrigen Licht des Nachthimmels abhob. „Sind wir da?“, fragte Yuki hoffnungsvoll, dem die Erschöpfung deutlich anzusehen war. Die Heilung der Wächter und die Strapazen der langen Reise saßen ihm deutlich in den Knochen. Dazu kam der heftige Regen, der sie vor einer Stunde überrascht hatte. Sie waren von oben bis unten durchnässt und durchgefroren. „Ja, das ist die Herberge.“ Danny nickte. Auf seinem Gesicht zeichnete sich ein erleichtertes Lächeln ab. „Dahinter könnt ihr schon den Berg Ethion sehen. Es ist der größte in der Mitte.“ „Dann lasst uns schnell einchecken und uns aufwärmen“, meinte Luca und reichte Yuki eine stützende Hand. Gemeinsam legten sie die letzten Meter zur Unterkunft zurück und traten ein. Wärme umfing sie und verstärkte die Müdigkeit. Danny und Luze gingen auf den Empfang zu, während Luca Sodom und das Licht der Götter in den Aufenthaltsraum für die Herbergsgäste lotste, wo ein großer, offener Kamin in der Mitte des Raumes die Quelle der Wärme bildete. „Au ja, wie toll!“ jauchzte der kleine Drache und sprang vergnügt auf einen der freien Heuballen. Luca und Yuki folgten ihm und setzten sich daneben. Sie schlossen für einen Moment die Augen und genossen die erholsame Atmosphäre. Am Empfang trat ein freundlich dreinschauender, älterer Mann auf sie zu und begrüßte sie herzlich. „Seid willkommen, Reisende. Wie darf ich euch behilflich sein?“ „Wir bräuchten Zimmer für eine Nacht und etwas zum Essen“, antwortete Danny und Luze nickte. „Gerne, gerne. Wobei unsere Küche heute Abend schon geschlossen hat, doch ich könnte ihnen Suppe und Brot anbieten.“ „Das ist völlig ausreichend“, entgegnete Danny und der Angestellte klatschte erfreut in die Hände und wies seinen Koch an. Dann wandte er sich wieder seinen Gästen zu. „Für das Frühstück wird ein Buffet im Zimmer hinter dem Aufenthaltsraum ab sechs Uhr aufgebaut. Darf ich für fünf Leute buchen?“ „Ja, bitte.“ „Wir haben sowohl noch Einzelzimmer als auch Doppelzimmer frei. Was darf ich ihnen anbieten?“ Danny zögerte. Unsicher warf er einen Blick zu Luze und dann in Richtung von den restlichen Gruppenmitgliedern. „Doppelzimmer“, meldete sich Luze mit leuchtenden Augen voller Tatendrang zu Wort und der alte Mann wollte gerade zu den Schlüsseln greifen, als Danny sich schnell einschaltete. „Einzelzimmer, bitte.“ Er ignorierte den enttäuschten Blick des Zessbruders und nahm die Schlüssel dankend entgegen. Der Angestellte erklärte ihnen den Weg zu ihren Räumlichkeiten und bat sie, am Kamin platz zu nehmen und sich aufzuwärmen, während sie auf das Essen warteten. Nur allzu gerne gingen beide der Bitte nach und gesellten sich zu den anderen. Während sie sich aufwärmten, brachte ihnen der Angestellte heißen Kräutertee und dicke Wolldecken. „Vielen Dank. Das ist sehr freundlich von ihnen“, meinte Yuki und lächelte den alten Mann glückselig an. Er strahlte Erleichterung aus und endlich gelang es ihm, sich zu entspannen. Er konnte es kaum glauben, dass sie es fast geschafft hatten. Ein Funken Melancholie kreuzte allerdings seine Gedanken, als er an Takashiro dachte. Wie gerne hätte er ihn dabei gehabt … Nur wenige Minuten später wurde ihnen eine dampfende Gemüsebrühe und frisch aufgebackenes Brot serviert. Genüsslich stärkten sich die Freunde am Feuer. Danach machten sie sich auf, um ihre Zimmer zu beziehen. Sodoms Augen wurden groß und er strahlte Luca ehrfürchtig an, als er ihm den Schlüssel überreichte. „Ein Zimmer ganz für mich ganz allein?“ „Ja, oder magst du das nicht?“ „Doch, sehr, aber …“ Unsicher wiegte er von eine Seite auf die andere. „Du hast es dir verdient.“ Luca wuschelte ihm durch die Haare und er begann erfreut zu quieken. „Schlaf gut, Sodom. Wir holen dich morgen früh zum Frühstück ab, ja?“ Yuki nahm ihn kurz in den Arm und drückte ihn an sich. „Dir auch gute Nacht! Euch allen!“ Aufgeregt winkte er allen zu, drehte er sich um und verschwand in das kleine Zimmer, um es zu inspizieren. „Da freut sich einer aber richtig.“ Danny lachte leise auf. „Sehr süß.“ Luze durchfuhr in dem Moment ein Stich. Er wusste, dass es doof war, dennoch konnte er es nicht vermeiden. Er war eifersüchtig auf Sodom und auf die Reaktion, die er bei Danny auslöste. Abgesehen davon fühlte er sich zurückgewiesen. Klar war er forsch gewesen, Doppelzimmer zu fordern, doch hatte er die Reaktionen des Engels wirklich völlig falsch eingeordnet? Hatte er sich so stark geirrt? Anscheinend. Die Enttäuschung saß tief. „Dann sehen wir uns morgen um vereinbarte Zeit zum Frühstück?“ Yuki sah fragend in die Runde und erntete einvernehmliches Nicken. „Okay, dann schlaft gut.“ „Ja, du auch.“ Danny strich ihm aufmunternd über den Arm und nickte den Zessbrüdern zu. Luze Reaktion verunsicherte ihn, denn dieser wich seinem Blick aus und begab sich ohne ein weiteres Kommentar in sein Zimmer. Yuki zögerte kurz, doch begab sich dann ebenfalls in sein Schlafgemach. Luca blickte dem Licht der Götter sehnsüchtig hinterher, bis sich die Tür schloss. Dann wandte er sich zu Danny, der nachdenklich und bedrückt ins Leere starrte. „Mach dir nicht so viel Gedanken. Luze kann manchmal sehr stur sein.“ Er legte dem Engel eine Hand auf die Schulter. „Auch er kriegt sich wieder ein.“ Er nickte ihm zu und verließ ebenfalls den Flur. Danny seufzte und schüttelte seinen Kopf. Er brauchte dringend Schlaf. Morgen würde ein sehr anstrengender Tag werden – der Tag der Entscheidung. Etwas unschlüssig betrat auch er sein Zimmer. Kapitel 59: Die Versöhnung -------------------------- Luze stand unter der Dusche und ließ das heiße Wasser auf sich niederprasseln. Er schloss die Augen und dachte über die vergangene Stunde nach. Hatte er überreagiert? Wahrscheinlich, doch es war einfach zu frustrierend. Er wurde aus Danny einfach nicht schlau. Verärgert schlug er mit der Faust gegen die Wand. Es stimmte, was man sagte: lass die Finger von Engeln. Dabei kam nie etwas Gutes raus. Wobei … wenn er an Tachibana und Zoltan dachte, schien das nicht zuzutreffen. Wie hatten die beiden das bloß hinbekommen? Und wo steckten sie überhaupt? Er fuhr sich mit den Händen durch die nassen Haare und seufzte. Sie würden doch nichts dummes tun? Was war, wenn Zoltan noch immer Luzifer diente? Und Tachibana ihm nun folgte? Ob die beiden sie verraten hatten? Doch auch wenn sie nicht die Verräter waren: Luzifer schien zu wissen, was sie vorhatten und würde sie höchstwahrscheinlich morgen empfangen. Wer wusste schon, ob sie das überleben würden? „Verdammt!“, fluchte er leise vor sich hin. Noch ein Grund, warum er nicht Zorn auf Danny schieben sollte. Das Quietschen seiner Zimmertür ließ ihn aufhorchen. Er spürte eine bekannte Anwesenheit. Konnte das wirklich sein? Luze traute sich nicht, die Lider zu öffnen und wartete mit wild klopfendem Herzen ab. Spielten ihm seine Sinne wieder einen Streich? Oder träumte er gar schon? „Darf ich zu dir?“ Dannys geflüsterten Worte jagten ihm einen Schauer über den Rücken. Falls er träumte, wollte er jetzt auf keinen Fall aufwachen. Vorsichtig öffnete er die Augen und der Anblick des Engels, der entkleidet vor ihm stand, ließ ihm schwindelig werden. Er kämpfte gegen seine aufsteigende Begierde, die mit einem Schlag in seinem Körper erwachte wie ein hungriges Tier. Er nickte stumm und trat einen Schritt auf die Seite, unfähig den Blick von ihm abzuwenden. Danny trat zaghaft lächelnd ein und zuckte leicht zusammen, als der Strahl des warmen Wassers seine Haut benetzte. Als er daraufhin die Lider schloss und leise seufzte, hielt es Luze nicht mehr länger aus. Er zog ihn mit einem Ruck in seine Arme und drückte ihn fest an sich. Für einen Moment standen sie beide einfach nur da. Fest umschlungen. Den Herzschlag des jeweils anderen lauschend. Umgeben vom Rauschen des warmen und herab prasselnden Wassers der Dusche. „Es tut mir so leid“, wisperte Danny und schmiegte sich noch enger an den Dämon, der ihm momentan vorkam wie das süßeste und berauschendste Gift auf der Welt. Luze strich ihm vorsichtig über die Wangen und ließ seine Hände dort ruhen, sodass er Dannys Gesicht behutsam umschloss. „Schon okay“, antwortete er leise und tatsächlich fühlte es sich jetzt auch so an. „Nein“, Danny schüttelte leicht den Kopf und legte seine Hände behutsam auf die von Luze. „Ich habe dich verletzt. Das wollte ich nicht. Verzeihst du mir? Bitte?“ Luzes Verlangen kämpfte sich gefährlich nach oben und verlangte nach mehr. Er musste stark mit sich ringen, um die Kontrolle zu behalten. War sich der Engel bewusst, was er da tat? Er konnte doch nicht einfach nackt zu ihm in die Dusche steigen und sich mit süßen Worten an ihn klammern? Wie sollte er sich da noch beherrschen? Er schluckte schwer und küsste Danny sanft auf die Stirn. „Natürlich. Wie könnte ich nicht?“ In Dannys Augen schimmerten Tränen. Erleichtert lächelte er ihn an. „Ich wollte auf keinen Fall morgen in den Endkampf gehen, ohne dass wir das aus dem Weg geräumt haben.“ Luze nickte. Ihm erging es gleich. Er konnte seine Erleichterung nicht in Worte fassen. Doch etwas anderes machte ihm enorm zu schaffen. Seine Begierde wuchs mit jeder verstreichenden Minute und er wusste nicht, wie lange er sein Verlangen noch zurück halten konnte. Sein Körper schrie vor Erregung unaufhörlich nach mehr. Er glaubte nicht, dass sich Danny dessen im Klaren war. Und auch nicht, welche Konsequenzen das mit sich zog. Auf keinen Fall wollte er unkontrolliert über ihn herfallen, auch wenn die Vorstellung prickelnde Schauer in seine Lendengegend sandte. „Du solltest jetzt besser schlafen gehen.“ Danny sah überrascht zu ihm auf. „Nein.“ Vorsichtig versuchte der Dämon, ihn von sich zu schieben, doch der Engel klammerte sich umso fester an ihn. „Ich meine es durchaus ernst: du solltest wirklich besser gehen. Es ist nur zu deinem besten …“ „Nein, das glaube ich nicht.“ „Danny“, brummte Luze und war kurz davor, seinen Verstand zu verlieren. „Du weißt ja gar nicht …“ „Doch, ich denke schon“, unterbrach in der blonde Mann und drückte seine Hüfte fest an die seine, sodass dem Dämon ein sehnsüchtiges Seufzen entrann. „Merkst du denn nicht, dass ich es auch möchte? Ich möchte dich in mir spüren. Sei mein erster und letzter.“ Das war zu viel für Luze. Seine Vernunft konnte den Kampf nicht mehr gewinnen und die Lust errang endgültig die Oberhand. Mit einem leisen knurren ließ er seiner Begierde und seinem Verlangen freien Lauf, um sich endlich mit Danny zu vereinen. Kapitel 60: Unveränderte Gefühle -------------------------------- Yuki wälzte sich ruhelos von einer Seite auf die andere. Er war todmüde und doch fand er einfach keinen Schlaf. Die Aufregung vor dem morgigen Tag ließ ihn keine Ruhe finden. Seine Gedanken überschlugen sich regelrecht. Sorge, Hoffnung, Angst, Optimismus für den Sieg – das alles wirbelte durcheinander in seinen Kopf. Er seufzte und rieb sich die Augen mit seinen Händen. Ob es den anderen genauso erging? Danny, Sodom, Luze und vor allen Dingen Luca? Yuki biss sich leicht auf die Unterlippe. Es gab so viel, worüber sie reden mussten, doch er konnte es nicht. Es war zu peinlich. Abgesehen davon war er in diesem Leben ein Mann … Grausam. Er hatte sich damals wirklich kopflos entschieden. Wobei, kopflos war nicht das richtige Wort. Yuki schloss die Lider und dachte über die Vergangenheit nach. Er war so verletzt gewesen und hatte sich derart schwach gefühlt. Ein großer und schwerwiegender Punkt, warum er als Mann wiedergeboren werden wollte. Zum anderen hatte er alles anderes machen wollen. Er hatte geglaubt, dass wenn er als Mann wiedergeboren werden würde, stärker und selbstbewusster wäre. Unantastbarer. Doch da war noch was anderes. Er hatte in sein damaliges Leben das Gefühl gehabt, Luca einzuengen. Luca hatte alles für ihn aufgegeben und war immer an seiner Seite gewesen. Natürlich hatte er das genossen – mehr noch: Luca war seine Stütze und sein Anker gewesen. Und dennoch wollte er nicht, dass Luca, ebenso wie er selbst, weiter in einem Käfig leben musste. Das hatte er nicht verdient. Er hatte ihn freigeben wollen … Jetzt, wo er sich wieder vollständig erinnerte, konnte er sich ein Leben ohne ihn jedoch nicht mehr vorstellen. War das egoistisch? Wahrscheinlich. Trotzdem: er konnte und wollte Luca nicht hergeben. „Ich bin doch wirklich erbärmlich“, flüsterte Yuki, lachte leise und verzweifelt auf. Ein Klopfen an seiner Tür ließ ihn aufhorchen. „Yuki, bist du wach?“ Sein Herz setzte für einen Schlag aus. Reglos lag er auf dem Bett und traute sich nicht, sich zu bewegen. „Ja …“ „Kann ich reinkommen?“ Vorsichtig setzte sich das Licht der Götter im Bett auf. „Gerne.“ Quietschend öffnete sich die Tür und Luca trat ein. Er musterte ihn mit einem besorgten Blick, als er auf ihn zutrat. Das Mondlicht fiel hell durch das Fenster und verliehen seinen wunderschönen Augen einen mystischen Glanz, sodass Yuki am liebsten in ihnen versinken würde. Ein Schauer ließ ihn erzittern. „Ist alles in Ordnung?“ „Ja, ich denke schon. Ich kann nur nicht schlafen.“ Er lächelte zaghaft, aber Luca durchschaute ihn sofort. „Du fürchtest dich vor morgen.“ „Du hast mich durchschaut …“ Luca streichelte Yuki liebevoll über die Wange. Dieser zuckte bei der Berührung zusammen, sodass der Dämon seine Hand unsicher wieder zurück ziehen wollte. Als das Licht der Götter seine Absicht allerdings erkannte, ergriff er seine Hand und hielt sie an seiner Wange fest. „Wirst du bei mir bleiben?“ „Natürlich. Ich bleibe immer an deiner Seite, versprochen“, antwortete Luca und schaute Yuki tief in die Augen, sodass dieser erschauerte. Er wollte sich reflexartig abwenden, doch zwang sich dann, seinen Blick standzuhalten. Seine Lippen formten sich zu einem verbitterten Lächeln. „Auch, wenn ich jetzt ein Mann und keine Frau mehr bin?“ Lucas Augen weiteten sich überrascht. „Das ändert nichts an meiner Loyalität.“ „So ist das ….“ Yuki senkte leicht den Kopf. Aufsteigende Tränen ließen seine Augen brennen. Er wollte seine Schwäche Luca nicht zeigen, doch der Stich, der sein Herz durchfuhr, schmerzte zu sehr. Der Dämon runzelte die Stirn. Das Licht der Götter musste seine Worte missverstanden haben. Er hatte sich absichtlich vorsichtig ausgedrückt, um ihn nicht zu verschrecken, doch konnte es sein, dass Yuki das Gegenteil forderte? Machte er sich etwas vor oder durfte er tatsächlich darauf hoffen … Er schüttelte kaum merklich seinen Kopf. Unmöglich. Er sollte sich nichts vormachen, doch als er ihn wieder ansah, vollführte sein Herz aufgeregte Sprünge. „Ich danke dir“, unterbrach Yuki lächelnd seine Gedanken und Luca spürte, dass die prickelnde Situation sich aufzulösen drohte. Vielleicht war es selbstsüchtig – höchstwahrscheinlich war es das – doch er musste jetzt handeln. Er kniete sich vor das Bett und zog Yukis Hand zu seinen Lippen. „Es ändert weder etwas an meiner Loyalität, noch an meinen Gefühlen zu dir.“ Wieder durchbohrte sein Blick Yuki. Dieses Mal gab es kein zurück mehr. „Yuki, an was aus deinem vorherigen Leben kannst du dich alles erinnern?“ Das Licht der Götter schluckte schwer. Dann lächelte er schüchtern. „An alles.“ „Dann …“ „Ja, ich kann mich erinnern, daran, wie du bei mir warst. Näher, als jeder andere und …“ Yuki stockte kurz und strich sich verlegen eine Strähne aus dem Gesicht. „an alles.“ „Und was denkst du darüber?“ „Ich … es tut mir leid.“ Yuki wischte sich die Tränen von seiner Wange und blickte Luca an. „Es tut mir so leid, dass ich mich dafür entschieden habe, als Mann wiedergeboren zu werden. Dass ich dich allein gelassen habe. Dass …“ Luca legte besänftigend sein Zeigefinger auf seine Lippen, setzte sich zu ihm auf das Bett und zog ihn zu sich. Mit dieser Wende hatte er nicht gerechnet. Der Moment überrollte ihn, auch wenn er bittersüß war. „Ich trage dir nichts nach. Du hast nichts falsch gemacht.“ „Aber ich …“ „Psst, es ist alles gut.“ Yuki lachte leise auf. „Du bist immer so lieb, Luca. Und dass trotz, dass ich völlig anders bin.“ „In meinen Augen bist du nicht anders.“ „Aber ich bin keine Frau mehr …“ „Du bist immer noch du. Nichts hat sich für mich und meinen Gefühlen für dich verändert.“ Yukis Herz schlug bis zum Anschlag. Er schlängelte sich aus Lucas Armen, um ihn ins Gesicht sehen zu können. „Gar nichts?“, hakte er flüsternd nach und ließ seine Hand über Lucas Wange gleiten. „Gar nichts“, bestätigte Luca und schaute ihn voller Aufrichtigkeit an. Das Licht der Götter nahm all seinen Mut zusammen und beugte sich langsam zu Luca. Der zögerte keine Sekunde und kam ihm entgegen. Ihre Lippen vereinigten sich zu einem zaghaften Kuss. Vorsichtig kosteten sie den Geschmack des jeweiligen anderen, bis ihre Küsse schließlich sicherer und fordernder wurden. Lucas Zunge verlangte nach Einlass und Yuki ließ ihn gerne gewähren. Ihre Zungen vollführten einen leidenschaftlichen Tanz und Luca spürte die Begierde, die er die ganzen Jahre zurückgehalten hatte, in sich aufbegehren. Yuki schmeckte so süß und sein Körper verlange nach mehr. Die Sehnsucht sprang hervor und fraß ihn auf. Er wollte nicht die Kontrolle verlieren und schob Yuki mit dem letzten Rest Selbstbeherrschung von sich. „Yuki, nicht so schnell, sonst …“ „Es stört dich doch?“ Luca schluckte. Die Stimme seines Geliebten klang verletzt und unsicher. „Nein, doch ich möchte nicht, dass du etwas überstürzt. Wenn wir so weitermachen, dann …“ Nun war es das Licht der Götter, das ihm den Zeigefinger auf den Mund legte, und ihn somit unterbrach. „Wenn wir die Zeit jetzt nicht nutzen, wann dann?“ „Yuki …“, flüsterte Luca, den die Entschlossenheit und das bestätigende Lächeln des anderen, tief rührten. „Luca, ich will dir gehören. Bitte, mach mich zu deinem Eigen.“ „Nichts wünsche ich mir sehnlicher.“ Luca drückte Yuki sanft auf die Laken und begann, seinen Körper zu liebkosen. Sie wussten nicht, was der morgige Tag ihnen bringen würde, doch diese Nacht gehörte nur ihnen beiden. Kapitel 61: Der finale Kampf, Teil 1 ------------------------------------ Sodom starrte belämmert von Luca und Yuki zu Luze und Danny. Irgendwie verhielten sich alle seltsam. Er wurde das Gefühl nicht los, dass er etwas verpasst hatte. Er wurde aus ihrem Verhalten nicht schlau, doch irgendwie gefiel ihm die Atmosphäre – sie schienen alle sehr glücklich zu sein und hatten ein seltsames Glänzen in den Augen. Es gab noch viel, was er lernen musste. Sie waren nun schon seit über zwei Stunden unterwegs und kämpften sich durch die Kälte. Bis zum Berg war es nicht mehr weit. Bisher war ihre Reise ohne Zwischenfälle verlaufen, doch das konnte sich jeden Moment ändern. Danny war nicht der einzige, der bei der Sache ein ungutes Gefühl hatte. Auch Tachibana und Zoltan waren nicht mehr aufgetaucht. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Als sie nach einer weiteren Stunde eine kurze Rast in den Bergen einlegten, wehte ihnen der eisige Schneewind erbarmungslos entgegen. Sie mussten ihre Kräfte schonen und auf alles vorbereitet sein. Eine weitere Stunde verging, ohne dass sie auf Feinde trafen. Alles erschien normal und friedlich. Konnte es sein, dass sie sich irrten? Immer wieder sahen sie sich lauernd um. „Es ist nicht mehr weit, oder?“, fragte Yuki und Danny nickte. „Richtig, in ungefähr zehn Minuten sind wir da. Kannst du es spüren?“ „Ja, es ist, als würde mich der Ort rufen …“ Der Engel lächelte. Ein gutes Zeichen. Das Licht der Götter wurde von der heiligen Stätte anerkannt. Im nächsten Moment blieben sie alarmiert stehen. „Er ist da“, sprach Luca ihrer aller Gedanken aus. Sie beschworen ihre magischen Waffen und blickten Yuki fragend an. „Bist du bereit?“ Danny schaute ihn besorgt an, doch Yuki nickte entschlossen. „Ja, sie werden uns nicht aufhalten. Wir werden dem jetzt ein für alle Mal ein Ende setzen.“ Sie setzten ihren Weg fort und spürten die mordgierigen Blicke ihrer Gegner, die in ihren Verstecken auf sie lauerten. Als die heilige Stätte in Sichtweite kam, verließen sie gackernd ihre Löcher und umrundeten sie von allen Seiten. Inmitten von ihnen erschien Luzifer in einer glänzenden Rüstung und griente sie diabolisch an. „Willkommen zum letzten Tanz. Habt ihr es also endlich geschafft. Ich muss sagen, ihr habt uns wahrlich lange warten lassen.“ „Wie ich sehe, hast du dich reichlich auf unseren Empfang vorbereitet“, entgegnete Danny gelassen und der gefallene Engel lachte als Antwort gehässig auf. „Wer ist es?“ Dannys Augen durchbohrten Luzifer regelrecht, der nahm es jedoch gelassen. „Wer ist was, mein guter, alter Freund?“ „Der Verräter. Wer hat dir gesagt, wo sich die Kristallsäulen des Ursprungs und der heilige Ort befindet?“ Der gefallene Engel kicherte vor sich hin. „Was tut das jetzt noch zur Sache? Ich verrate meine Informanten nicht. Wo kämen wir denn da hin. Abgesehen davon gibt es genug gefällige und unzufriedene Engel dort oben, die nur darauf warten, mir einen Gefallen zu tun.“ „Das ist nicht wahr.“ „Nicht? Ich bin nicht der einzige, der es satt hat, dass diese Krankheit namens Menschheit sich ungehindert ausbreitet, machen darf, was sie möchte, sündigt, was das Zeug hält und der alte Herr da oben sieht zu, verzeiht ihnen alles und liebt sie. Und was dürfen seine engsten Diener? Richtig – sie dürfen nichts, außer die Drecksarbeit erledigen und bekommen dafür nicht einmal ein Dankeschön. Ungerecht, findest du nicht?“ „Du hast dich wirklich nicht verändert. Aber was habe ich auch anderes von dir erwartet. Doch du liegst falsch.“ „Ach, tu ich das?“ Luzifer zog verachtend eine Braue in die Höhe. „Sag mir, was passiert mit dir, falls ihr gewinnen solltet – was nicht passieren wird? Bekommst du eine Belohnung? Ein paar Dankesworte? Oder wirst du verbannt oder im ewigen Feuer verbrannt werden?“ „Mein Schicksal hat dich nicht zu interessieren“, entgegnete Danny und machte sich zum Angriff bereit. „Das stimmt natürlich. Dabei war ich so freundlich und wollte dir die Chance geben, den richtigen Pfad einzuschlagen. Ich bin halt doch ein Guter … doch Undank ist der Welten Lohn, nicht wahr?“ Er warf Luca einen vernichtenden Blick zu. „Tragisch, nur eins meiner treulosen Spielzeuge ist hier. Nun gut, dann werde ich erst Zess und dann Zoltan bestrafen.“ Er vollführte eine winkende Bewegung in der Luft und seine Untergebenen setzten sich in Bewegung. Luca, Luze, Sodom und Danny waren sofort zur Stelle und verteidigten das Licht der Götter. Um Yuki brach ein erbitterter Kampf aus. Er versuchte, den Überblick zu behalten, was in dem Meer aus angreifenden Duras nicht einfach war. Luca und Luze kämpften verbittert gegen ihre dämonischen Widersacher. Sodom blieb direkt an seiner Seite, um die durchbrechenden Feinde zu vernichten. Mit Schrecken sah er dabei zu, wie Luzifer sich auf Danny stürzte. Am Anfang schien der Kampf der beiden noch ausgeglichen, doch schon nach wenigen Minuten war ersichtlich, dass der gefallene Engel klar überlegen war. Als Danny brutal zu Boden geschleudert wurde, wollte Luze zu ihm durchpreschen, um ihm zu helfen. Jedoch schaffte er es nicht. Seine Augen weiteten sich panisch, als Luzifer Danny die Kleider zerriss, ihn zwang die verletzten Flügel auszufahren und diese brutal herausriss. Yuki taumelte. Der Anblick ließ ihm schwindelig werden. Luzifer würde Danny töten. Und nicht nur Danny. Er würde sie alle vernichten, wenn er nicht bald etwas unternehmen würde. Sein Blick wanderte sehnsüchtig zur heiligen Stätte, die förmlich nach ihm schrie. Er musste unbedingt dort hingelangen, bevor seine Freunde, einer nach dem anderen vor seinen Augen vernichtet würden. Seine Gedanken wirbelten durcheinander. Er versuchte, seinen pochenden Herzschlag zu beruhigen. Er war nicht schwach. Die Lage schien ausweglos, doch er würde es schaffen, weil er es musste. Er durfte nicht zulassen, dass sie verloren. Nie wieder. Das Licht der Götter schloss die Augen und wühlte in seinen Erinnerungen. Tatsächlich fand er die Lösung. Wie von selbst öffneten sich seine Lippen und er murmelte eine Beschwörungsformel. Unter hellem Glitzern formte sich ein prachtvolles Kurzschwert in seiner Hand. „Sodom!“ Der Drache wirbelte zu ihm herum und verstand sofort. Er zerriss den Gegner vor sich und sprang zu Yuki, der sofort auf seinen Rücken sprang. „Sodom, bring mich zur Stätte der Götter. Schnell!“ Mit lautem Gebrüll setzte sich der Drache in Bewegung. Kapitel 62: Der finale Kampf, Teil 2 ------------------------------------ Yuki schlug sich auf Sodoms Rücken sitzend einen Weg frei. Er hoffte, schnell genug zu sein, um Danny zu retten, doch er traute sich nicht, sich umzudrehen – der Anblick würde ihm sonst den gesamten Mut rauben. Er musste sich auf sein Ziel fokussieren und das war die heilige Stätte. In Windeseile flitzte Sodom nach vorne. Das Licht der Götter sprang von ihm ab und rannte zum säulenartigen Gebilde, während der Drache die Duras vernichtete, die hinterher wollten. Obwohl sie nicht miteinander gesprochen hatten, was er genau zu tun hatte, wusste er es. Es war, als würde der Ort es ihm verraten – mehr noch, ihn leiten. Er schloss seine Augen und stellte die Kampfgeräusche und gepeinigten Schreie um sich herum aus. Stattdessen konzentrierte er sich auf die Energie, die von der Stätte ausging und auf die Wächter, bis er seine Freunde mit jedem Herzschlag tatsächlich sehen, hören und sogar spüren konnte. Sairi und Ria sprangen zeitgleich auf, als sie Yukis Stimme vernahmen. Ein kurzer Blickaustausch genügte und sie rannten zur Ursprungssäule „Bereit?“, fragte Ria und sah ihren Partner auffordernd an. „Aber so was von.“ Er nickte ihr zu und reichte ihr die Hände, die Säule zwischen ihnen in der Mitte. Sie schlossen ihre Lider und lauschten der Stimme des Lichts der Götter, die ihnen Trost und Zuversicht schenkte. Sie hatten es geschafft. Jetzt würden sie den Kampf ein für alle Mal beenden. Mit diesen Gedanken und dem Wunsch, das ganze Leid der vergangenen Jahre zu vergessen, sandten sie ihre Energie und Lebenskraft in die Säule und direkt zu Yuki. Kuroto verweilte verzweifelt bei Senshiro und hielt seinen schlafenden Partner in den Armen. Das Licht der Götter hatte ihn gerade noch im rechten Moment geheilt. Es hatte nicht mehr viel gefehlt und … Der Wächter schluckte und schüttelte vehement seinen Kopf. Er wollte nicht daran denken. Einen weiteren Partner direkt vor seinen Augen sterben zu sehen, das hätte er nicht überstanden. Er streichelte Senshiro durch das Haar, als er Yukis Ruf vernahm. Alarmiert blickte er auf und sein Partner begann sich zu regen. „Ist das Yuki?“ „Ja, ich glaube schon“, antwortete Kuroto und blickte unsicher zur Säule. „Hilfst du mir, aufzustehen und hinzugehen?“ „Na… natürlich.“ Verwundert schaute Senshiro ihn an. Er hatte mit einem Protest gerechnet. Die fehlende Widerspruch irritierte ihn. Kuroto wich seinem Blick aus, als er zu erröten begann. „Jetzt glotz doch nicht so, du Trottel! Soll ich dir jetzt helfen oder nicht?“ „Schon gut“, Senshiro lächelte. Sein Partner war einfach zu knuffig. Er ergriff seine Hand und nahm seine Stütze beim Laufen gerne an. Das Licht der Götter hatte ihn zwar geheilt, jedoch nicht vollständig. Er fühlte sich müde und matt. Gemeinsam erreichten sie die Kristallsäule. Mit der einen Hand hielt sich Senshiro an dem Gebilde fest, während seine andere die von Kuroto umschlossen hielt. „Schaffst du das?“ „Mach dir keine Sorgen. Ich bin okay. Lass uns Yuki helfen und Luzifer vernichten.“ Sie nickten sich zu, schlossen dann ihre Lider und konzentrierten sich auf ihre Aufgabe. „Hotsuma, wach auf. Es ist so weit.“ Shuuseis zärtlich flüsternde Stimme drang an sein Ohr und kitzelte verführerisch seine Haut. „Mh … nicht jetzt. Nur noch eine Minute“, murmelte Hotsuma verschlafen und kuschelte sich enger an seinen Partner, der ihn daraufhin ermahnend am Ohrläppchen zog. „Au! Was denn!“ Hotsuma stieß sich ab und richtete sich auf. Müde wischte er sich die letzten Fäden des Schlafes aus seinem Gesicht und schenkte Shuusei einen vorwurfsvollen Blick. „Hörst du das denn nicht? Yuki ruft uns. Es ist soweit.“ Hotsuma setzte zum Widerspruch an, als er den Ruf des Lichts der Götter auch vernahm. Seine Augen weiteten sich überrascht. „Es ist tatsächlich so weit …“ Er streifte sich schnell seine Hose über und begab sich zur Ursprungssäule. Sein Partner beobachtete ihn schmunzelnd dabei, bevor er es ihm gleichtat. Dann trat er flink zu ihm und schlang seine Arme von hinten um ihn und das kristallene Gebilde. „Wa… was tust du da?!“, rief Hotsuma und bekam einen knallroten Kopf. „Du stellst wieder fragen. Ich sende meine Energie zur Säule und Yuki.“ „Ja, aber …“ „Mensch Hotsuma, jetzt lass mich dir doch im entscheidenden Moment nahe sein.“ Er wandte seinen Kopf zu ihm um und gab ihm einen innigen Kuss. „Dann sag das auch …“ Shuusei zwickte ihn neckisch ins Ohr und erntete einen liebevollen Knuff. Dann konzentrierten sie sich auf Yuki und ihr Ziel. Tsukomo hörte Yukis Ruf zuerst. Vorsichtig weckte er seine Schwester, die er fest in den Armen hielt. „He, Toukolein, wach auf. Die Zeit ist gekommen“, flüsterte er ihr ins Ohr und strich ihr eine widerspenstige Strähne aus dem Gesicht. Touko blinzelte verschlafen, während sie von ihrem Bruder sanft aus dem Schlummer geholt wurde. Sie lächelte ihn dankbar an und beeilte sich, aufzustehen. Ihr Herz klopfte aufgeregt in ihrem Brustkorb hin und her. „Alles okay?!“, fragte Tsukomo, der sie aufmerksam beobachtete, während sie sich um die Kristallsäule platzierten. „Glaubst du, dass wir es schaffen? Dass unser Jahrhundert lang andauernder Kampf tatsächlich beendet sein wird?“ „Ja, das glaube ich ganz fest. Unser Yuki wird das schaffen und wir helfen ihm dabei.“ Er schenkte ihr ein zuversichtliches Lächeln und sie nickte. Wärme flutete ihren Körper – ihr Bruder war einfach toll. Er schaffte es immer wieder, ihre Sorgen zu vertreiben und dass sie sich besser fühlte. „Du hast Recht. Lass uns Yuki unterstützen.“ Sie nahmen sich an den Händen und spürten, wie ihre Energie in die Säule stieg. Als sie ihre Augen schloss, dachte sie im Stillen: Tsukomo, ich liebe dich. „Es beginnt. Bist du bereit?“ Tachibana blickte zuerst in den Himmel und dann zu seinem Freund, der wie besprochen in Position ging. „Ja …“ „Was ist los?“ „Bist du sicher, dass es funktioniert?“ „Ha ha, ich hoffe es doch.“ „Was habe ich überhaupt gefragt“, murmelte Zoltan und verdrehte leicht seine Augen. „Du hast mir noch immer nicht alles verraten.“ Als Antwort erntete er lediglich ein schelmisches Grinsen. Er seufzte und schüttelte leicht seinen Kopf. „Du änderst dich wirklich nie.“ „Möchtest du, dass ich mich ändere?“ Zoltan dachte kurz nach. „Nein, ich denke nicht.“ Tachibana zwinkerte ihm zu und hauchte ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen. Dann begab auch er sich auf seinen Posten. „Vertraust du mir?“ „Das hatten wir schon mal.“ „Ha ha, das werte ich mal als ja. Sag mal, was hältst du von einer großen Familie?“ Zoltans Gesichtszüge entgleisten. „Was soll die Frage?“ „Weil ich gern eine mit dir gründen würde, wenn das ganze vorbei ist.“ Für einen Moment war der Dämon zu verblüfft, um zu antworten. In der nächsten Sekunde begann er jedoch leicht zu lachen. Typisch Tachibana und seine verrückten Einfälle. „Mit dir würde ich mich sogar darauf einlassen.“ „Ich nehm dich beim Wort“, antwortete der Herbergsvater grinsend und konzentrierte sich dann auf die schwere Aufgabe. Luca und Luze gingen gepeinigt zeitgleich mit den anderen Dämonen in die Knie. Der Schmerz, der ihre Körper folterte, schien sie von innen heraus zu zerreißen. Luca sah zu Yuki, der heller strahlte, als das Licht. Er würde es schaffen – mit Sicherheit. Stolz wechselte sich ab mit Wehmut, denn er spürte, dass er ihn nie wiedersehen würde. Luze starrte entsetzt zu Danny. Er hatte das, was ihm am meisten wichtig war, nicht beschützen können. Danny lag auf dem Bauch, beide Flügel herausgerissen, in einem Meer von Blut. Luzifer holte zum Endschlag aus, doch auch er konnte sich dem gleißenden Licht nicht erwehren. Mit einem Grollen der Qual sackte er zusammen und drohte sich aufzulösen. Yuki spürte, dass die Reinigung begann und wirkte. Doch etwas stimmte nicht. Etwas entscheidendes. Er schielte zur Seite und suchte nach seinen Freunden, während seine Energie aus dem Körper gezogen wurde. Er hauchte entsetzt auf, als er Luca zu Boden gehen sah. Als im nächsten Moment sich Sodom mit einem leisen Winseln auflöste, fing er an zu begreifen. Das wollte er nicht! Panik überrannte ihn. Er wollte den Prozess stoppen oder zumindest mildern, doch es war zu spät. Die heilige Stätte übernahm die Kontrolle über seinen Körper. Er blinzelte. War es wirklich der Ort? Er glaubte Silhouetten von Göttern erkennen zu können. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Er wollte nicht versagen, doch um keinen Preis wollte er Luca verlieren. Hektisch nagelte sich sein Blick an dem Dämon fest, der mit letzter Kraft den Kopf hob und zu ihm sah. Ihre Blicke trafen sich und Luca lächelte ihm zu. Seine Lippen formten sich zu einem „Gut gemacht. Alles wird gut. Du schaffst das. Ich liebe dich.“ „Ich liebe dich auch …“ Yuki spürte, wie sich alles um ihn herum veränderte. Sein Körper überfiel ein seltsames Prickeln, als die letzte Kraft aus ihm entwich. Dann gaben seine Beine nach und seine Sicht verdunkelte sich. Er hörte die summenden Stimmen der Götter und spürte, das wärmende Licht der Reinigung, das ihn von innen ausfüllte und ihn zum Schmelzen brachte. Ein letztes Mal dachte er an seine Freunde und an Luca, bevor sein Körper sich auflöste und den letzten Rest des dämonischen Einflusses auf Erden beseitigte. Kapitel 63: Fast ein Jahrhundert später --------------------------------------- „Schatz, wie weit bist du mit den Snacks?“, frohlockte Tachibana, der gerade die Säfte und den Tee richtete. Zoltan fluchte leise vor sich hin. So hatte er sich die Sache mit der Großfamilie damals nicht gedacht. Abgesehen davon war inzwischen viel Zeit vergangen und er hatte geglaubt, dass sein Partner ihn an der heiligen Quelle nur hatte necken wollen. Tja, er hatte sich geirrt … „Schatz?“, wiederholte Tachibana, als keine Antwort erklang. „Ich hab dir schon x-mal gesagt, dass du mich so nicht nennen sollst!“ „Ha ha, hab ich vergessen – aber du bist doch eben auch mein …“ Zoltan stellte das Tablett schnell auf dem Tisch ab und hielt seinem Gefährten den Mund zu. Der griente ihn provozierend und glückselig an. „Wenn ihr weiterhin so herum trödelt, wird das Essen nie fertig! Wie gut, dass wir euch helfen.“ Zoltan schnalzte verärgert mit der Zunge, drehte sich jedoch nicht zu den Knirpsen um. Das tat Tachibana für ihn, der vor Stolz nur so strahlte. „Ah, Katsumi und Aya. Vielen Dank! Was würden wir nur ohne euch machen?“ Der vierjährige lief rot an und nickte verlegen. Dann sprangen er und Aya in die Küche, um den Nachtisch vorzubereiten. „Ha ha, sind sie nicht niedlich?“ „Wie man‘s nimmt“, nuschelte Zoltan wenig überzeugt. Er konnte mit Kindern einfach nichts anfangen. „Jetzt sei doch nicht so. Ich finde, wir leisten gute Arbeit.“ Zoltan kam nicht dazu, zu antworten. Laute Schreie von Sodom drangen aus dem Spielraum zu ihnen rüber. „Herbergsvater! Herbergsvater! Hotsuma, Sairi, Masamune, Senshiro, Tsukomo und Shuusei prügeln sich schon wieder!“ „Ha ha, gehst du oder ich?“ „Der Herbergsvater bist wohl du, also wälze es nicht auf mich ab“, murrte Zoltan und befreite sich aus Tachibanas Umarmung. „Wohl wahr – sammelst du dann die anderen Kinder zum Essen ein? Und pass auf, dass sie sich die Hände waschen.“ Zoltan verdrehte genervt die Augen, trat schweigend in den großen Garten und hielt nach den üblichen Kandidaten Ausschau. Lange musste er nicht suchen. Ria und Touko saßen auf dem saftig grünem Rasen und pflückten Blumen, um Ketten daraus zu basteln. Er trat näher, doch beide machten keine Anstalten, aufzustehen. „Na los, auf nach drinnen, Hände waschen. Es gibt gleich essen.“ „Aber wir sind noch nicht fertig“, beschwerte sich Touko und schenkte ihm einen schmollenden Blick. Zoltans Augen verformten sich zu zwei schmalen Schlitzen. „Jetzt schau doch nicht gleich wieder so böse, Onkel Zoso“, schaltete sich Ria ein und Zoltan seufzte. „Das gibt Falten, sagt Papa Shizuka. Und Mama hat gesagt, dass du gut aussiehst, manchmal.“ Seine Gesichtszüge entgleisten. Die Kleine brachte ihn aus dem Konzept. Was hatte er nochmal gewollt? Er atmete tief durch und fuhr sich durch seine Haare. „Fertig!“, riefen die Mädchen zeitgleich und sprangen auf. Fröhlich hoben sie ihre Blumenketten in die Höhe. „Wem schenkst du deine?“ Ria begann zu lächeln. „Sairi, natürlich.“ „Mh …“ „Touko, was ist?“ „Ich wollte meine eigentlich Tsukomo schenken.“ „Aber?“ „Er hat sich geprügelt.“ Ria zuckte mit den Schultern. „Das sind halt Jungs. Die können nicht anders.“ „Aber das ist blöd.“ „Ja, Jungs halt, sagt meine Mama immer.“ Touko schüttelte entschieden den Kopf. Ihr Bruder sollte sich nicht prügeln, sonst würde ihre Mutter Yomi bestimmt traurig sein und ihr Papa Takashiro wäre enttäuscht. Da kam ihr eine Idee. Sie drehte sich entschlossen zu Zoltan um, schaute zu ihm auf und hob ihm die geflochtene Kette entgegen. „Für dich.“ „Nein, danke.“ Der Kleinen klappte die Kinnlade nach unten. „Warum denn nicht?!“ „Weil Männer keine Blumenketten tragen.“ „Du bist gemein! Das verrate ich Tachilein!“ „Das heißt Tachibana und …“ Zoltan stockte. Stritt er gerade wirklich mit einer Vierjährigen? Blödsinn. So weit war es also schon um ihn bestellt. Abermals Seufzend ging er auf die Knie. „Na gut. Dann hüh und rein mit euch zum Hände waschen.“ Touko und Ria gaben ein quietschendes Jubeln von sich und legten ihm Erzieher die Blumenkette um den Hals, bevor sie beschwingt ins Gebäude und ins Bad sprangen. Zoltan erhob sich und ließ seinen Blick weiter durch den Garten schweifen. In der Ecke unter den Trauerweiden wurde er fündig, wo die Zwillinge Yuki und Danny neckten. Es war irgendwie ironisch, dass ausgerechnet der wiedergeborene Reiga der Vater von Luca und Luze geworden war. Yuki hingegen war der Sohn von Ibuki und Tsubaki durfte sich mit Danny herum plagen. Er schüttelte leicht den Kopf. Seltsam, wie sich alles entwickelt hatte, nachdem Tachibana an der Zeitgeschichte und dem Schicksal herumgebastelt hatte. Er hatte es tatsächlich geschafft, die Seelen der Verstorben auf den Punkt genau einzufangen, sodass auch Yomi, Tachibana und ihre Bediensteten wiedergeboren worden waren.Er hatte das Jahre geplant, ohne dass jemand davon wusste. So hatten alle Wächter und seine alten Kameraden ein neues Leben, unbeeinflusst von der Vergangenheit und den Sorgen geschenkt bekommen. Er hatte es sogar bewerkstelligen können, dass sie in demselben Zeitabschnitt geboren worden und somit nun alle versammelt waren ... Sein Gefährte war wirklich unglaublich. „Nein, das geht nicht!“, beschwerte sich Yuki und ballte seine kleinen Hände zu Fäuste. Luca stand unbeeindruckt vor ihm. „Warum nicht?“ „Weil … weil das nur Erwachsene machen.“ „Das heißt, später ja?“ Yuki dachte kurz nach und schüttelte emsig seinen Kopf. „Nein.“ „Warum?“ „Weil ich kein Mädchen bin!“ „Man kann auch Jungen küssen“, kam Luze seinem Bruder zu Hilfe, doch Yuki blieb hartnäckig. „Nein, das geht nicht.“ „Doch, ich beweiß es dir!“ Noch bevor die anderen reagierten konnten, griff Luze nach Danny und zog den blonden Jungen zu sich. Ihre Lippen trafen sich zu einem unschuldigen Kuss, den Zoltan gewissenhaft unterbrach. „Hey, Schluss jetzt. Dafür seid ihr noch viel zu jung!“ „Sag ich doch“, flüsterte Yuki beschämt vor sich hin, konnte seinen Blick jedoch nicht von Luca wenden, der ihn hypnotisierend ansah. Danny und Luze lächelten sich ununterbrochen und schüchtern an Zoltan hielt ihn eine kurze Anstandspredigt, die sie gehorsam über sich ergehen ließen, auch wenn keiner von ihnen wirklich hin hörte. Dann schickte er auch sie nach drinnen und folgte ihnen. Sodom kam ihm bereits entgegen gehüpft. „Du bist spät. Der Herbergsvater braucht deine Hilfe.“ „Hach … warum wundert mich das jetzt nicht?“, murmelte Zoltan vor sich hin und bedachte den kleinen Jungen mit einem prüfenden Blick. „Um was geht es dieses Mal bei dem Streit?“ Sodom tippte sich mit dem Zeigefinger eine gefühlte Ewigkeit gegen sein Kinn und überlegte. „Ich bin mir nicht sicher. Zuerst haben nur Hotsuma, Kuroto und Sairi gestritten. Dann hat sich Senshiro eingemischt und Shuusei und Masamune. Die haben gerangelt und dann wurde Tsukomo angerempelt und seine leckeren Chips sind auf den Boden gefallen … ja, so glaube ich.“ Zoltan seufzte. Das bedeutete mal wieder einen Anruf bei den entsprechenden Eltern, unter anderem Rou, Hotsumas Vater, und Isuzu, der in diesem Leben Kurotos Vater war. Ach ja, Senshiro wohnte ja bei seinem Großvater … „Zoso?“, fragte der Knirps mit piepsiger Stimme und riss ihn aus seinen Gedanken. „Zoltan – wie oft muss ich das noch korrigieren?“ Er blickte verärgert nach unten und in die großen, wässrigen Augen von dem Kleinen. „Schon gut, schon gut. Nun rein zu den anderen.“ „Jaha!“, jubelte Sodom und sprang vergnügt voraus in den Speisesaal. Zoltans Schläfe begann zu pochen. Er und Kinder … Erzieher war der letzte Beruf, der für ihn in Frage gekommen wäre. Er massierte seine Schmerzen weg und atmete tief durch. Wer war nochmal der Vater von der kleinen piensigen Nervensäge? Ach ja, er war der kleine Bruder von Aya und Fuyutoki war der Vater der beiden. Er hatte noch immer Probleme, sich die neuen Verhältnisse zu merken. Seltsam wie sehr man doch an alten Gegebenheiten festhing. Nachdenklich betrat er den großen Speisesaal in dem es gespenstisch still war. Hatte Sodom nicht angedeutet, dass Tachibana mit dem Chaos überfordert war? Warum saßen dann alle bereits artig und still am Tisch und starrten ihn an? Unheimlich. Ihm fröstelte. „He he, was machst du denn wieder für ein Gesicht?“ Sein Gefährte lachte und kam strahlend auf ihn zu. Sodom setzte sich zu Yuki, der ihm extra einen Platz freigehalten hatte. „Wie ich sehe, hast du alles im Griff …“ „Ja, sieht so aus. Alle unsere kleinen Schäfchen friedlich versammelt und der Streit geklärt.“ „Gut, dann können wir ja essen.“ Zoltan wandte sich zum Tisch um, doch Tachibana hielt ihn fest und schüttelte lächelnd seinen Kopf. „Nein, es fehlt noch etwas.“ In dem Moment sprang die Tür auf und Aya trat ein. Sie trug in ihren Händen ein blaues Samtkissen, das sie vorsichtig, als würde sie einen Schatz tragen, zu den beiden Männern brachte. Direkt vor den beiden blieb sie stehen und hob schüchtern das Kissen nach oben, auf dem ein Paar verzierter Goldringe lag. Zoltan zog verwundert eine Augenbraue in die Höhe. Was sollte das jetzt? „Vielen Dank, mein Engel“, lobte Tachibana das Mädchen, nahm die Ringe und ging vor Zoltan auf die Knie, der ihn noch immer verdattert anstarrte. Er schien wirklich nichts zu ahnen. Der Herbergsvater kicherte in sich rein. Einfach zu süß, sein kleiner Dämon. „Wir kennen uns bereits mehrere Ewigkeiten und haben beide viel durchgemacht. Viel schönes, aber auch viel grausames. Das Schicksal hat es nicht immer gut mit uns gemeint und doch hat es uns wieder nach vielen Jahrhunderten … ähm ich meine Jahre“, er schielte kurz zu den Kindern, die zum Teil peinlich berührt und zum anderen Teil aufgeregt wartend da saßen und sie beobachteten, „zusammengebracht und nun weiß ich mehr denn je, dass ich nie wieder getrennt von dir sein möchte.“ „Das weißt du erst jetzt?“ „Ha ha, nein schon damals, als wir uns wiedergefunden hatten.“ „Wieso kniest du auf dem Fußboden?“ Tachibanas Gesichtszüge entgleisten. Manchmal war sein Gefährte der reinste Stimmungskiller. Nun, auch das liebte er an ihm. Leise seufzte er auf. „Tja, es ist eben üblich, dass man für einen Heiratsantrag auf die Knie geht.“ Für einige Sekunden sahen sie sich in die Augen. Tachibana kam es vor, wie eine Ewigkeit, bevor Zoltan endlich den Sinn seiner Worte begriff und seine Kinnlade nach unten klappte. „Ein was?“ „Willst du mich heiraten?“ Die Mädchen begannen zu klatschen und zu jubeln. Sogar die Jungs stimmten in den Beifall ein, auch wenn die Begeisterung von Hotsuma, Kuroto, Sairi und den Zwillingen sich in Grenzen hielt. „I… Idiot“, murmelte Zoltan verlegen und wich seinem Blick aus. „He he, doch nicht vor den Kindern. Achte auf deine Ausdrucksweise.“ „Das … das ist so … kitschig.“ „Ist das ein ja?“ Tachibanas Stimme bekam einen leicht unsicheren Unterton. Zoltan schaute ihm ins Antlitz und er wäre am liebsten in seinem zärtlichen Blick versunken. Wie sollte er da noch nein sagen? Gerührt sank er zu ihm auf die und nahm sein Gesicht in die Hände. „Ja, du romantischer Spinner.“ Seine Lippen legten sich auf die seines zukünftigen Mannes und vereinten sich zu einem innigen Kuss. Er hörte den Lärm und die gemischten Ausrufe der Kinder um sich herum, teilweise entsetzt, teilweise gerührt, und schaltete die Geräusche um sich herum aus. Er brauchte kein Ritual, doch für Tachibana würde er es tun. Er würde mit ihm zusammenbleiben. Jetzt. Später. Für immer. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)