Timeline von ZerosWolf (Reise in die Vergangenheit) ================================================================================ Kapitel 32: Bittere Wahrheit ---------------------------- Die Nadeln knirschten unter ihren Füßen. Das Licht erschien unwirklich, kaum unterbrochen von den schlanken Ästen der Kiefern, deren Äste über den schmalen Waldweg hinweg ragten. Die fernen Gesänge eines Choreogel mischten sich mit den Schwarmrufen der Melo und Galoan. „Richtig idyllisch hier“, bemerkte Misty, „wenn wir uns nicht verlaufen hätten.“ „Wir haben uns nicht verlaufen“, stritt Ash ab, „wir machen nur einen ungeplanten Umweg.“ „Also haben wir uns verlaufen“, seufzte Misty. „Oder auch nicht“, widersprach Jaze, der sich links von ihnen befand. „Seid mal still.“ Die Gruppe schwieg und lauschte. Tock, tock, machte es irgendwo in der Ferne. Sie bewegten sich auf die Quelle der Geräusche zu. Tock-tock, tock, erklang es wieder. „Spitzhacken auf Stein“, vermutete Rocko. „Das muss die Mine sein!“, rief Ash begeistert und rannte los. „Ash, warte!“, forderte Misty ihn auf, während sie versuchte, mit ihm Schritt zu halten. Ash hörte ihre Aufforderung gar nicht, während er auf das Geräusch zueilte. Der Wald lichtete sich vor ihm, doch kaum hatte er die Baumlinie passiert brach der Boden unter ihm weg. Er kannte das Gefühl von unzähligen Fallgruben, doch dieser Fall war länger. Plötzlich packte seine Kleidung etwas im Nacken und er hing in der Luft. Er sah den noch gute fünf Meter entfernten Boden unter sich und über sich den angestrengt roten Kopf Shios. Es waren Bruchteile einer Sekunde, dann fiel er wieder, bis er mit Shio im Rücken auf der harten Erde aufkam. Diese rollte von ihm runter und rieb sich auf dem Rücken liegend die Schläfen. „Das war noch zu viel“, murrte sie. „Danke für die Rettung“, sagte Ash ernst und blickt den Steilhang hinauf. Es mochten gute dreißig Meter sein. „Ich wäre dankbar, wenn ich dich nicht hätte retten müssen“, schnaubte Shio und setzte sich auf. „Ich werde besser aufpassen“, versprach Ash und half seiner zukünftigen Tochter auf. „Ich bitte darum. Um meines und Aces Willen“, seufzte sie und nahm die Hilfe an. Ash antwortete ihr nicht. Wozu auch, sie kannte die Antwort, dass er so weit noch nicht gedacht hatte, eh schon. Es wäre zu gefährlich gewesen, zu zweit nach oben zu teleportieren, sodass sie den anderen zeigten, dass sie okay waren und dass sie weiter Richtung Mine gehen würden. Shio ließ sich dabei von ihrem Ponita tragen, weil sie angeblich noch immer Kopfschmerzen hatte. „Nein, ich habe normalerweise keine Kopfschmerzen, nachdem ich meine Fähigkeiten eingesetzt habe“, merkte Shio zu Ashs Überlegungen an. „Aber du meintest doch, dass du von manchen Fähigkeiten müde wirst“, überlegte Ash. „Müde, ja“, bestätigte Shio, „aber keine Kopfschmerzen. Das ist erst seit ich schweben kann so.“ „Ob es eine Art Fähigkeiten Limit gibt?“, wunderte sich Ash. „Wie bei den Attacken der Pokémon.“ „Oder Teleport und Schweben sind nicht kompatibel“, vermutete Shio. „Es ist zu wenig zu Espern bekannt, um Genaueres sagen zu können.“ „Vielleicht sollte wir Sabrina kontaktieren“, schlug Ash vor. „Sie hat selbst viele Fähigkeiten und erforscht diese.“ „Nein!“, widersprach Shio entschieden. „Sie kommt in der Zukunft noch auf ihre Kosten.“ Es war das erste, was Misty getan hatte, nachdem ihre dreijährige Tochter sie gefragt hatte, warum sie manchmal den Mund aufmachte und ganz andere Sachen sagte als vorher mit geschlossenem. Damals konnte Shio noch nicht zwischen Gedanken und Worten unterscheiden. Sabrina hatte sie etlichen Tests und Torturen ausgesetzt. Noch heute fehlten Shio Erinnerungen aus dieser Zeit, die ihr kindliches Hirn scheinbar weggeschlossen hatte. Zum Glück hatte Sabrina sie nie berührt, denn sonst hätte sie schon viel früher viel mehr anrichten können. „Welche war deine erste Fähigkeit?“, wollte Ash wissen. „Gedankenlesen“, antwortete Shio. „Ich kann das, so weit ich mich zurückerinnern kann. Bestimmt hat mich so eine „Guchi-Guchi-Gu“-Oma im Kinderwagen angefasst.“ Ash lachte, während er es sich vorstellte. „Mit fünf habe ich alle Türen und Fenster im Haus telekinetisch rausgesprengt, weil Mama mir keinen zweiten Nachtisch geben wollte“, erinnerte Shio sich. „Da ich ein sehr trotziges und eigensinniges Kind war, muss ich kurz davor diese Fähigkeit erhalten haben.“ „Das kann ich mir ja gar nicht vorstellen“, grinste Ash ironisch. „Sagen wir, Mama hatte es nicht leicht“, gab Shio selbstreflektierend zu und wollte schnell das Thema ändern. „Das mit der Erinnerungsmanipulation ist etwas kniffliger. Das habe ich erst mit vierzehn entdeckt, als ich versucht habe, meinen ersten Schwarm vergessen zu lassen, dass ich Fähigkeiten habe.“ „Hat es funktioniert?“, wollte Ash wissen. „Ja und nein“, sagte Shio bedrückt. „Er hat es vergessen. Leider alles andere auch.“ „Shio...“, begann Ash, doch er wusste nicht, was er sagen sollte. „Ist schon okay“, behauptete Shio mit einem sichtlich falschen Lächeln, das ihre feuchten Augen überblenden sollte, doch das konnte Ash nicht täuschen. „Niemand weiß, was wirklich geschehen ist und es geht ihm gut. Er hat nur eine neue Karriere eingeschlagen, das ist alles. Vom Asstrainer zum Floristen.“ Ihr versagte die Stimme und sie schwieg. Sie hatte ein Leben aus einer Laune heraus zerstört. „Dann bin ich beruhigt, dass es dir bei uns gelungen ist“, gab Ash zu. „Ich habe es trainiert“, erwähnte Shio trocken. „Ich musste.“ „Wie meinst du das?“, hakte Ash nach. „Ace hat mach dazu überredet“, erklärte diese. „Als ich ihm gebeichtet habe was passiert ist, hat er mich förmlich dazu gezwungen. Wir haben mit Babys geübt, da kann nicht viel passieren. Ich habe sie vergessen lassen, dass Ihre Windel voll war oder das sie hungrig waren. Es dauerte nie lange, bis sie es wieder wussten.“ Die Erinnerung brachte Shio zum Schmunzeln. Sie beließ ihre Erzählung dabei, denn sie und Ash erreichten den Mineneingang. Was es noch zu erzählen gab, konnte sie auch niemals erzählen. Es war ihr Geheimnis und ihres allein. Ace hatte sie nicht ohne Eigennutz trainiert, das wusste sie von Anfang an. Doch was er von ihr wollte, was er vergessen wollte, erzählte er Ihr erst als Abschlussprüfung: Die Wahrheit über seine Erblindung. Er hatte nie gegen ein Tuska gekämpft, wie er ihrer Mutter gegenüber behauptete. Er war in Kalos, weit weg von zu Hause. Dort hatte er seinen Vater gesehen, doch es war kein freudiges Wiedersehen. Der erwachsene Ash war mit einer Frau unterwegs gewesen und trug einen kleinen Jungen von vielleicht vier Jahren auf den Schultern. Ace hatte nicht gewagt, ihn anzusprechen. Für ihn ging an diesem Tag seine Welt unter. Es sah für ihn aus, als hätte sein Vater eine neue Familie und seine vergessen. Dies stürzte ihn in eine tiefe Depression und er versuchte sich das Leben zu nehmen, doch das einzige das er sich nahm war seine Sehfähigkeit und damit seine Zukunft als Arenaleiter von Azuria City. Diese Erinnerung nahm Shio ihm auf seinen Wunsch hin. Wenn man Ace fragte, war er seinem Vater nach dessen Abreise nie begegnet, dafür aber einem angriffslustigen Tuska. Es tat Shio in der Seele weh, dass sie nun wusste, dass alles ein riesiges Missverständnis war. Ihr Vater hatte ihr von sich aus erzählt, dass er eine alte Freundin namens Serena in Kalos hatte, deren kleiner Sohn ihn so sehr an Ace erinnert hatte, dass er fast nach Hause gekommen wäre. Doch geplagt von Schuldgefühlen hatte er nicht mehr als einen Brief voller väterlicher Liebe zu Stande gebracht, den Ace niemals lesen konnte und niemals vorgelesen bekommen wollte. Hosted by Animexx e.V. (http://www.animexx.de)