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Allerheiligen

von

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Allerheiligen - Aya

Disclaimer: Weiß Kreuz gehört mir nicht und ich verdiene mit dieser Geschichte auch kein Geld.
 

A/N: Die Story passt vom Thema her ja eher nicht in die Jahreszeit, aber ich hab‘ keine Lust mit der Veröffentlichung bis zum nächsten Allerheiligen zu warten. Entstanden ist das ganze zu Allerheiligen als mein PC kaputt war, allerdings bin ich erst jetzt zum Abtippen gekommen. Ein Dankeschön geht an meine Betaleserin Julia, die sich mit meinen langen Sätzen und seltsamen selbstaufgestellten Kommaregeln rumgeschlagen hat und an Tesla, deren „Graue Vorzeit“ mich teilweise dazu inspiriert hat. Lest die Story bei Gelegenheit mal, sie ist toll.

Ja, ich weiß, dass Allerheiligen wahrscheinlich in Japan nicht bekannt ist und deshalb da auch niemand Gräber besuchen würde, aber der künstlerischen Freiheit und meiner Idee zuliebe ignorier ich das mal.

Viel Vergnügen, ich hoffe es gefällt und vielleicht lasst ihr mir ja sogar ein Review da. ^.~
 

Allerheiligen – Aya
 

Der kleine Friedhof war still und leer, als Aya zielstrebig auf das Grab seiner Eltern zu schritt. Auf den Gräbern, die sich links und rechts seines Weges befanden, brannten Kerzen, kleine flackernde Lichter in der sich langsam herab senkenden Dämmerung. Vor der Steinplatte ihres Grabes hielt er inne und ließ sich auf seine Knie sinken. Die Kühle des Bodens drang durch den dünnen Stoff seiner Hose, während Aya hochkonzentriert zwei Räucherstäbchen entzündete und auf dem Grab seiner Eltern niederlegte. Er senkte seinen Blick und faltete die Hände, sprach dabei ein stummes Gebet.
 

Er hatte gehofft, dass es dieses Jahr anders sein würde, dass er jetzt wo Takatori tot war, vielleicht ein bisschen Frieden an diesem Ort finden könnte. Doch es gab keinen Frieden, nicht für ihn. Zu sehr waren seine Hände mit Blut befleckt und zu tief saß die Reue darüber, dass er seiner Schwester nicht helfen konnte. Noch immer lag sie stumm und regungslos in ihrem Krankenbett und selbst wenn er Takatori noch hundert Mal töten könnte, würde sie davon nicht aufwachen.
 

Die Räucherstäbchen waren mittlerweile verloschen und so zündete Aya eine einzelne Kerze an, ein schwaches, flackerndes Licht in der Dunkelheit. Für ihn war seine Schwester auch ein solches Licht, das Einzige was ihn noch weitermachen ließ, was ihn dazu antrieb diesen Weg noch weiter zu gehen. War es das eigentlich noch wert?
 

Selbst wenn sie irgendwann wieder erwachen würde, wach geküsst durch die teure medizinische Pflege, die er mit dem blutbesudelten Geld Kritikers bezahlte, würde er ihr auf keinen Fall mehr in die Augen sehen können. Zu groß war die Angst, dass sie mit einem einzigen Blick in sein Gesicht wissen würde, zu was er geworden war. Zu Abyssinian, zu einem eiskalten Killer. War es das also wert? Waren die ganze Schuld und die Reue nicht umsonst?
 

Ein leichtes Lächeln legte sich auf Ayas Züge, als er seine Finger noch einmal über die Namen seiner Eltern streifen ließ und sich dann erhob. Natürlich war es das wert. Und wenn nötig würde er noch viel mehr riskieren als jetzt, um das kleine Fünkchen Hoffnung, dass seine Schwester irgendwann erwachen würde, am Leben zu erhalten. Er hatte seine Eltern verloren, doch der Kampf um seine Schwester war noch nicht vorbei. Kurz bevor er in seinen Porsche einstieg, warf Aya noch einen letzten Blick in Richtung des Friedhofes, ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht. Dann stieg er ein und fuhr in Richtung des Krankenhauses davon.

Allerheiligen - Brad

Allerheiligen – Brad
 

Mehr als zwei Stunden war er schon unterwegs, hatte die hellen, stets präsenten Lichter Tokios hinter sich gelassen und das alles nur um zu diesem ganz speziellen Ort zu gelangen. Es war die reinste Zeitverschwendung. Brad seufzte, als er aus seinem Wagen stieg, seine Krawatte ein wenig lockerte und dem verschlungenen Pfad folgte. Vielleicht hätte er doch einfach einen Flug buchen und ihre Gräber besuchen sollen, aber noch vor einer Woche war ihm das wie die reinste Geld- und Zeitverschwendung vorgekommen.
 

Er hätte es besser wissen sollen, es war schließlich nicht das erste Mal, dass er es sich erlaubte sich an diesem Tag an sie zu erinnern und sich für einen kurzen Moment eingestand, dass er doch nicht so perfekt gefühllos war, wie er seine Umwelt so gerne glauben machte. Brad seufzte noch einmal, als er sich auf der alten, morschen Bank niederließ und seinen Blick über die vor ihm abfallenden Klippen und das Meer streifen ließ. Das Meer erinnerte ihn immer an sie, seine kleine, geliebte, fröhliche Schwester. Nie war sie glücklicher als damals, als sie alle zusammen am Strand waren und auch er konnte sich daran erinnern, in diesen Momenten glücklich gewesen zu sein.
 

Das Feuerzeug klackte leise, als Brad es aufklappte und die weiße Kerze, die er in der Hand hielt, damit entzündete. Nachdenklich verlor sich sein Blick in der Flamme, als er wieder an jene Tage zurückdachte. Sie waren baden gewesen, an dem Tag bevor seine Eltern und seine Schwester starben waren sie baden gewesen.
 

Es war ein heißer Sommer, der die meisten Kinder dazu brachte verträumt aus den Fenstern ihrer Klassenzimmer zu blicken und sich nach der Freiheit zu sehnen. Brad war eines dieser Kinder gewesen, doch noch während er aus dem Fenster gesehen hatte, hatte eine Vision ihn überfallen, ihn völlig aus der Bahn geworfen. Der Rest der Klasse hatte ihn seltsam angesehen, als er aufgesprungen und nach draußen gestürzt war, nur noch ein verzweifelter Gedanke in seinem Kopf. Er musste seine Eltern warnen.
 

Er war gerannt bis seine Lungen brannten, getrieben von der Hoffnung, dass er schnell genug sein würde und doch wissend, dass er es nicht schaffen konnte. Und er hatte es nicht geschafft. Als er ankam waren sie alle tot, kleine, runde Einschusslöcher im süßen Gesicht seiner Schwester, die gütigen Augen seiner Mutter vor Angst weit aufgerissen, die Hände seines Vaters im blutigen Hemd verkrallt.
 

Brad schüttelte seinen Kopf und blickte in die Ferne, versuchte sich von den schlimmen Erinnerungen zu lösen. Er hatte Jahre gebraucht um herauszufinden, wer die Mörder seiner Eltern waren und als er es endlich verstand, war er schon viel zu tief in ihr Netz verstrickt, als dass er noch hätte daraus entkommen können. Nun ja, er hätte gehen können. Doch er hatte den Fehler gemacht, einige derer, mit denen er zusammenarbeitete, zu mögen und er wusste mit absoluter Sicherheit, mit der gleichen Sicherheit, mit der er auch wusste, dass seine Aktien morgen 2,35 Prozent an Wert gewinnen würden, dass es für sie das Todesurteil bedeutet hätte.
 

Doch jetzt spielte das alles keine Rolle mehr. SZ war vernichtet und damit hatte er seine Familie gerächt. Und für den Moment waren sie, Schwarz, frei. Brad machte sich keine Illusionen darüber, dass das auch weiterhin so bleiben würde. Es war schließlich nur eine Frage der Zeit, bis irgendeine Organisation die Akten SZs in die Finger bekam und anfing sich für sie zu interessieren. Dann würden sie wieder für ihre Freiheit kämpfen müssen. Aber er würde wissen wann es soweit war und bis dahin brachte es nichts, sich Gedanken zu machen.
 

Brad ließ seinen Blick noch einmal über das Meer streifen, bevor er die Kerze neben die wächsernen Überreste der letzten Jahre stellte und sich auf den Heimweg machte.

Allerheiligen - Ken

Allerheiligen – Ken
 

Kens Schritte waren zögerlich, als er in Richtung des schlichten Grabsteins ging. Wie lang war es jetzt her, dass Kaze gestorben war, dass er ihn getötet hatte? Er wusste es nicht, hatte mittlerweile aufgehört die Monate und Tage zu zählen. Und dennoch schmerzte jeder Gedanke an ihn und den Verrat, den er begangen hatte.
 

Mittlerweile war Ken an dem Grabstein angelangt und hatte eine Kerze angezündet. Die Flamme flackerte in einem leichten Windhauch und er hielt schützend die Hand davor, damit sie nicht wieder ausging. Das kleine Licht beruhigte sich wieder und so hatte er die Hand frei, um über den Namen auf dem Grabstein zu streifen.
 

Wie oft war in der Vergangenheit dieser Name über seine Lippen gekommen, in fröhlichen Momenten, in glücklichen Momenten und schlussendlich auch in traurigen Momenten. Seit er sich erinnern konnte, war Kaze immer da gewesen, ein guter Freund, der mit ihm Fußball spielte, mit ihm in die gleiche Klasse ging, praktisch seine gesamte Kindheit teilte. Kaze war für ihn da gewesen, als seine Karriere zu Scherben zerfallen war und wenn er jetzt daran zurück dachte, jetzt wo er wusste, dass das alles nur Heuchelei war, hätte er am liebsten geheult.
 

Jetzt wo er wusste was Kaze wirklich getan hatte, konnte er nicht anders als sich zu fragen, ob alles andere was in der Vergangenheit zwischen ihnen geschehen war auch nur eine Lüge war. Er wollte das nicht glauben, hatte es nie glauben wollen und das hatte ihn in der Vergangenheit fast das Leben gekostet. Wenn er an diesem Tag keine schusssichere Weste getragen hätte, dann wäre es jetzt er, der hier unter diesem kalten Stein liegen würde. Ob Kaze wohl sein Grab besucht hätte? Wahrscheinlich nicht. Nicht der Kaze, den er am Ende kennen gelernt hatte, dieser skrupellose, eiskalte Verräter. Aber war nicht auch er ein Verräter? Schließlich waren es seine Krallen, die das Leben seines ehemaligen Freundes beendet hatten. Und diese Schuld würde er niemals loswerden, sie kochte immer wieder in ihm hoch, wann immer er an Kaze dachte und wann immer wieder einmal frisches Blut die metallenen Schneiden seiner Krallen entlang rann. Vielleicht würde er eines Tages auch für seine Taten gerichtet werden und vielleicht würde auch sein Mörder sein Grab besuchen. Vielleicht.
 

Die Kerze war schon fast herunter gebrannt, ihr weißes Wachs auf den grauen Stein tropfend. Ken sah noch für einen kurzen Moment in die tanzende Flamme, bevor er aufstand und davonging.

Allerheiligen - Farfarello

Allerheiligen – Farfarello
 

Die kleine Kirche war dunkel und still, als Farfarello die leise knarrende Tür auf schob und hinein ging. Zielsicher ging er zu der langen Reihe von Kerzen, die neben dem kleinen Altar stand, und fing an sie zu entzünden. Die Flammen tanzten und warfen Schatten, erfüllten den kleinen Raum mit orange-gelbem Flackern. Das Licht wurde vom Messingkreuz auf dem Altar gespiegelt, tauchte auch den hölzernen Gekreuzigten in blassen Schein.
 

Farfarello fiel vor dem Altar auf die Knie und sah nach oben zu dem Wandbild, welches in der Dämmerung nur schwach zu erkennen war. Die Engel auf dem Bild sahen beinahe so aus wie die auf dem Wandbehang, den Schwester Rutz damals seiner Schwester geschenkt hatte. Seine Schwester, die Gott ihm so grausam genommen hatte, genau wie seine Eltern.
 

An diesem heiligen Tag wäre er gerne zu ihren Gräbern gegangen, doch sie lagen auf einem kleinen Friedhof nahe des irischen Dorfes in dem er aufgewachsen war. Deshalb kniete er jetzt in dieser kleinen Kirche, dem Haus des Gottes, den er so sehr hasste und dachte an seine geliebte Familie. Gott hatte sie ihm weggenommen und egal wie sehr er auch versuchte Gott zu verletzen, es brachte sie ihm nicht zurück.
 

Aber das war ja gar nicht wahr. Gott hatte nichts damit zu tun. Er selbst war es gewesen, der sie getötet hatte, nicht Gott. In seiner rasenden Wut hatte er ein Blutbad angerichtet und sie aus dem Leben gerissen, hatte seine Schwester in den blutgetränkten Engelswandbehang eingewickelt. Und warum? Weil Schwester Rutz ihm die Wahrheit gesagt hatte, eine Wahrheit, die er nicht ertragen konnte. Und wegen dieser Wahrheit war auch sie gestorben.
 

Farfarello sah auf seine Hände. Ihr Blut- das Blut seines Vaters, das Blut seiner Mutter und das Blut seiner Schwester. Jetzt sah man es nicht mehr, aber er konnte sich noch genau an das warme, klebrige Gefühl an seinen Fingern erinnern. Ein schönes Gefühl. Ein Gefühl, das er immer wieder erleben wollte. Beinahe gedankenverloren zog er einen Dolch aus der an seinem Gürtel befestigten Scheide. Er glänzte im Kerzenschein, bis Farfarello ihn über seinen Unterarm zog und helles Blut zum vorquellen brachte.
 

Es tropfte auf den Boden, ein Blutopfer für die Toten aus seiner Vergangenheit. Ein Grinsen breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Klinge über seine Zunge zog und das rote Leben davon ableckte. Er steckte die mittlerweile wieder blitzblanke Klinge weg und stand vom Boden auf.
 

Dann ging er zu der Reihe von Kerzen hinüber und pustete sie nacheinander aus. Ein Lebenslicht für seinen Vater, eins für seine Mutter, eins für seine Schwester und eins für Schwester Rutz. Nachdem er das getan hatte, verließ er die Kirche, ohne noch einen letzten Blick zurück zu werfen.

Allerheiligen - Omi

Allerheiligen – Omi
 

Es war ein seltsames Gefühl, so ganz allein über den Friedhof zu wandern, während rings um ihn herum überall Kerzen die Dämmerung erhellten. Omi war zwar schon auf Beerdigungen gewesen, aber noch nie zuvor hatte er an Allerheiligen Gräber besucht. Es hatte einfach niemanden gegeben, den er hätte besuchen können. Doch jetzt waren es gleich vier, ihre Steine fein säuberlich nebeneinander aufgereiht. Seine Familie.
 

Vor gar nicht so langer Zeit hatte er sich noch nicht mal mehr an sie erinnern können. Und jetzt lagen sie unter kaltem, grauen Stein in der Erde. Sein Vater, seine Brüder und Ouka. Sein Vater, Masafumi und Hirofumi hatten den Tod wirklich verdient, aber Ouka war unschuldig gewesen, ein sinnloses Opfer in ihrem Kampf gegen das Verbrechen.
 

Ihr Grab war das Erste in der Viererreihe und Omi legte mit gesenktem Blick eine einzelne weiße Lilie auf den Stein, bevor er eine Kerze daneben stellte und sie anzündete. Er hatte sie wirklich gemocht, auch wenn ihr arrogantes, aufdringliches Wesen ihm manchmal ziemlich auf die Nerven gegangen war. Hätte er nur eher gewusst, dass sie seine Schwester war, dann hätte er vielleicht die Chance gehabt sie zu beschützen. Omi blinzelte die einzelne Träne fort, die sich aus seinem Auge hatte schleichen wollen, bevor er sich dem zweiten Grab zuwandte.
 

Es war das Grab Masafumis und obwohl dieser sein Bruder gewesen war, fühlte Omi nichts. Er konnte sich noch immer nur schwach an seine Kindheit erinnern, doch die Erinnerungen, in denen Masafumi vorkam, waren nicht unbedingt die Besten. Vor seinem inneren Auge konnte er noch genau sehen, wie sein Bruder einem Frosch ein Bein abschnitt und ob des gequälten Quakens des Tieres laut lachte. Omi schüttelte seinen Kopf, verwarf so die Bilder der Vergangenheit. Masafumi hatte den Tod verdient, genau wie Hirofumi, der im Grab neben ihm lag. Sie waren beide schlechte Menschen gewesen, nicht mehr als gemeine Mörder, auch wenn er sich wohl daran erinnern konnte, dass er Hirofumi, als er noch klein war, sehr geliebt hatte. Sein Bruder hatte immer mit ihm gespielt und war lieb zu ihm gewesen und genau aus diesem Grund hatte er ihn damals in der Hütte auch beschützt, obwohl er das bis heute bereute. Hirofumi hatte ihm später sein wahres Gesicht gezeigt und wenn er jetzt in sich schaute, konnte er keine Gefühle mehr für ihn finden.
 

Omi schritt an den Gräbern seiner Brüder vorbei, zum letzten Stein in der Reihe. Reiji Takatori, sein Vater. Wenn er ehrlich war, hatte er keinerlei Erinnerungen aus seiner Kindheit, die sich mit ihm befassten, und das war wahrscheinlich auch besser so. Sein Vater, oder sollte er nicht doch besser sein Erzeuger sagen, denn welcher Vater ließ schon sein Kind einfach in den Händen von Kidnappern, hatte ihn ja sowieso nie geliebt. Mit ihm war auch der Name Takatori gestorben und das Einzige, was davon noch übrig war, waren sorgfältig in Stein gemeißelte Linien auf den Grabplatten. Vier Gräber und doch fehlte noch eines.
 

Auch Mamoru war tot, war in dem Moment gestorben, als er sich für Weiß und gegen seine Familie entschieden hatte. Weiß war jetzt seine neue Familie und sie bedeutete ihm mindestens genauso viel, wie ihm seine leibliche Familie vor seiner Entführung bedeutet hatte. Omi sah noch einmal zu den vier Gräbern, bevor er seine Hände in den Taschen seiner Hose vergrub und den Friedhof verließ. Seine leibliche Familie war tot, aber seine wirkliche Familie lebte. Am Ende war das das Einzige, was von Bedeutung war.

Allerheiligen - Nagi

Allerheiligen – Nagi
 

Nagi war zu Fuß von ihrer Villa aus durch die halbe Stadt gewandert, bis er endlich den kleinen Friedhof, der sein Ziel war, erreicht hatte. Als er losgelaufen war, war es draußen noch hell gewesen, doch mittlerweile hatte sich die Schwärze der Nacht über die Stadt gesenkt und so war er auch völlig allein, als er den Friedhof betrat. Keine Menschenseele weit und breit, nur ein paar vereinzelte, flackernde Kerzen, die die Grabsteine schmückten. Nagi war es so ganz lieb, denn andere Menschen, mit Ausnahme seiner drei Teamkollegen, bereiteten ihm Unbehagen. In der Vergangenheit hatte er zu viel Schlechtes von seinen Mitmenschen erfahren, als dass er noch etwas für sie empfinden könnte, auch wenn es die eine oder andere Ausnahme gegeben hatte.
 

Und genau vor dem Grab einer solchen Ausnahme blieb er jetzt stehen und zündete eine Kerze an. Langsam schwebte sie aus seiner Hand hinunter zum Grab, während er gedankenversunken die Worte auf dem Stein betrachtete. Hier lag er nun, sein Adoptivbruder, sein erster wirklicher Freund. Der einzige Mensch, der sich in seiner Kindheit nicht vor seinen Fähigkeiten gefürchtet hatte. Diese fehlende Furcht war ihm damals zum Verhängnis geworden und Nagi bereute seinen Kontrollverlust noch immer.
 

Er konnte sich an diesen Tag erinnern, als wäre es gerade erst gestern geschehen. Er war noch nicht lange in seiner neuen Adoptivfamilie gewesen und dennoch hatte ihn sein neuer Adoptivbruder zu seinem Freund erkoren. Und er war auch sein Freund geblieben, nachdem Nagi einmal versehentlich ihr Spielzeug zum Schweben gebracht hatte. Anstatt sich zu fürchten wie die meisten Menschen, war er fasziniert gewesen und hatte Nagi immer wieder darum gebeten verschiedenste Dinge zum Schweben zu bringen. Doch nicht an jenem Tag.
 

An jenem Tag hatten sie gestritten, warum wusste er auch nicht mehr so genau, und er war wütend geworden, wütender als er je zuvor auf seinen Adoptivbruder gewesen war. In seiner blinden Wut hatte er die Kontrolle über seine Fähigkeiten verloren und ihn gegen die Wand geschmissen, immer und immer wieder. Nagi liefen Schauer über den Rücken, als er sich an den Moment erinnerte, an dem er die Kontrolle wiedererlangt hatte und verstanden hatte, was passiert war.
 

Der Schwarzjüngste seufzte, bevor ihn das Knarren des Friedhofstores aus seinen Gedanken riss. Eine alte Frau betrat den Friedhof und ging langsamen, schweren Schrittes zu einem Grab, das ein paar Reihen von ihm entfernt war. Jetzt, da er nicht mehr allein war, ließ Nagi die Kerze, die er die ganze Zeit in der Schwebe gehalten hatte, auf den Grabstein niedersinken. Er verabschiedete sich stumm von seinem geliebten Adoptivbruder, bevor er den Friedhof ohne einen einzigen Blick zurück verließ.

Allerheiligen - Yohji

Allerheiligen – Yohji
 

Es war bereits dunkel, als Yohji endlich Gelegenheit hatte den Friedhof zu besuchen. Den Nachmittag hatte er mit einer seiner zahlreichen Verabredungen verbracht, die sich dummerweise als sehr schwatzhaft und vor allem als sehr langweilig entpuppt hatte. Er seufzte, als er aus seinem Wagen ausstieg und den Friedhof betrat. Wenn er ehrlich war, dann langweilten ihn die meisten seiner Dates. Sie waren bestenfalls eine momentane Ablenkung von seinem Leben und schlimmstenfalls erinnerten sie ihn an Asuka, an die einzige Frau, die es je geschafft hatte, ihn wirklich zu faszinieren. Die Einzige, die er je wirklich geliebt hatte und deren Verlust ihn noch immer schmerzte.
 

Ihr Grab war in einer ruhigen, etwas abgelegenen Ecke des Friedhofes, so dass Yohji völlig allein war, als er sich vor ihrem Stein hinhockte. Es war schon länger her, seit er sie das letzte Mal besucht hatte. Keine einzige Blume schmückte den schlichten Stein, so dass die einzelne blutrote Rose, die Yohji darauf ablegte, ziemlich verloren aussah. Asuka hatte Rosen immer gemocht und er bereute noch bis zu diesem Tag, dass er ihr, während sie noch gelebt hatte, nie eine Rose geschenkt hatte. Aber damals waren sie Partner gewesen und er hatte nie wirklich verstanden, wie viel sie ihm bedeutete, bis er sie verloren hatte.
 

Es war noch gar nicht so lange her, da hatte er noch die Hoffnung gehegt, eine zweite Chance zu bekommen. Neu war Asuka so ähnlich gewesen und sofort waren die alten Gefühle wieder in ihm aufgeflammt. Auch jetzt konnte er noch nicht mit Sicherheit sagen, ob Neu Asuka gewesen war, die ihr komplettes Gedächtnis verloren hatte und dann zu einem anderen Menschen gemacht worden war, oder ob die Beiden sich nur verdammt ähnlich gewesen waren, aber doch zwei verschiedene Menschen.
 

Was zerbrach er sich überhaupt den Kopf darüber? Es spielte keine Rolle mehr. Sowohl Asuka als auch Neu waren tot und mit ihnen war auch ein Teil von ihm gestorben. Er flirtete zwar noch immer mit jedem weiblichen Wesen, das ihm unter die Augen kam, aber sein Herz war nicht mehr dabei. Es war einfach nur eine Routine, mit der er seinen Ruf aufrecht erhielt und über seine wahren Gefühle hinwegtäuschte. Nur vor sich selbst konnte er diese nicht verleugnen.
 

Schnell sah er sich kurz auf dem Friedhof um. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er allein war, beugte er sich zu ihrem Grabstein vor und küsste die kalte Oberfläche genau dort, wo ihr Name stand. Dann stand er auf, zündete sich hinter vorgehaltener Hand eine Zigarette an und ging in Richtung seines Seven davon.
 

Am Friedhofstor blickte er noch einmal zurück, bevor er sein Handy aus der Tasche zog und durch das Namensverzeichnis blätterte. Ah, da war sie ja, die kühle Brünette, die er vor drei Tagen in einem Cafe kennengelernt hatte. Genau der Typ Frau, der perfekt war um die Geister seiner Vergangenheit für einen Abend fernzuhalten.

Allerheiligen - Schuldig

Allerheiligen – Schuldig
 

Schuldig schüttelte genervt den Kopf, als er durch die Straßen Tokios schlenderte. Rings um ihn herum dachten die Menschen nur an den Tod, an Trauer und an die geliebten Menschen, die sie verloren hatten. Es ging ihm auf die Nerven.
 

Diese ganzen traurigen, bedrückten Gedanken gingen ihm auf die Nerven und verdarben ihm die Laune. Gab es denn hier niemanden der fröhlich war und ihn ein bisschen ablenken konnte? Nicht einmal seine sonst anderen Menschen gegenüber so gleichgültigen Teamkollegen waren ihm eine Hilfe, denn auch sie gedachten ihrer Toten. Er wollte nicht an seine Vergangenheit denken, wollte nicht daran denken, wie er sich seinen Namen verdient hatte.
 

Schuldig. So hatte er sich seit ihrem Tod genannt. Selbst wenn er sich hätte an sie erinnern wollen, wäre das nicht so einfach gewesen. Schließlich war ihr Grab in Deutschland und der Besuch desselben sowieso unmöglich. Nicht dass er sie hätte besuchen wollen. Mit ihr waren zu viele schlechte Erinnerungen verknüpft. Erinnerungen an eine verhasste Kindheit und die schreckliche Zeit bei Rosenkreuz. Eigentlich hatte sie verdammtes Glück gehabt, dass er sie getötet hatte, sonst hätte sie das Gleiche durchmachen müssen wie er. Doch so sehr er es auch wollte, der Gedanke wollte einfach nicht so recht tröstlich wirken.
 

Sie war tot und er war schuld, auch wenn er sie nicht aus freien Stücken getötet hatte. Es war einer dieser verdammten Tests gewesen, die Rosenkreuz so gern mit ihnen veranstaltete. Er hatte gewusst, dass er stärker war als seine Zwillingsschwester, deshalb hatte er sich zurückgehalten, als sie sich auf Geheiß von Rosenkreuz telepathisch bekämpft hatten. Er hatte sich solange zurückgehalten, bis seine Schwester die Oberhand hatte und er zufällig aus den Gedanken eines der sie beobachtenden Aufseher aufgeschnappt hatte, dass der Verlierer ihrer kleinen Auseinandersetzung ausgemustert werden würde.
 

Ausgemustert zu werden bedeutete bei Rosenkreuz den Tod und so hatte er sich gewehrt, hatte seine Schwester mit der vollen Wucht seiner telepathischen Fähigkeiten getroffen. Zuerst war sie wahnsinnig geworden, dann war ein Blutgefäß in ihrem völlig überlasteten Gehirn geborsten und sie war tot umgefallen. Nie würde er den Ausdruck auf ihrem Gesicht vergessen, die Angst vor ihm. Rosenkreuz war von seiner kleinen Demonstration begeistert gewesen und hatte ihn zu SZ geschickt. Und mit diesem Tag hatte er seinen wirklichen Namen vergessen und war zu Schuldig geworden.
 

Das genervte Hupen eines Autos riss ihn aus seinen Gedanken und er ging über die Straße. Ohne dass er sich dessen bewusst gewesen war, hatten ihn seine Schritte direkt vor eine Kirche geführt. Schuldig rang einen kurzen Moment mit sich selbst, bevor er hineinging und eine der Kerzen, die man in Erinnerung an einen geliebten Menschen anzünden konnte, mit einer zuckenden Flamme versah. Ein irgendwie zufriedener Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus, als er die Kirche verließ und seine Hände in den Taschen seines Gehrocks versenkte.
 

Jetzt war es aber wirklich Zeit, dass er etwas Amüsantes unternahm. Mit einem Grinsen auf den Lippen klinkte er sich in den erstbesten vorbeikommenden Geist ein und ließ sich von den wirbelnden Gedanken davontragen.



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