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Some Time Ago

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SOME TIME AGO
 

Zur Erinnerung:
 

Gareas Ellid Nr. 37

Ernest Cuore Nr. 39

Rioroute Vilgyna Nr. 41

Yu Hikura Nr. 42
 

Disclaimer: Die Charaktere gehören nicht mir und ich verdiene auch kein Geld damit.
 

1. Kapitel
 

Das Blut lief an seinem Arm hinab, aus den vielen kleinen und großen Schnittwunden, die er sich im Kampf geholt hatte. Mit dem rechten Arm hielt er seinen linken Ellenbogen, um seinen Arm zu stützen, doch die Schmerzen vertrieb das nicht. Oh Gott, was war das wieder für ein Kampf gewesen. Nachdem er seinen Pro-ing verlassen hatte lehnte er sich gleich an das Geländer, denn er hatte das Gefühl, seine Beine trugen ihn nicht mehr.

„Gareas! …Gareas!!!“

Verwirrt schaute der Grünhaarige auf und starrte in das Gesicht seiner Copilotin, die sich besorgt herunter gebeugt hatte.

„Ist alles in Ordnung mit dir?“

Was sollte diese scheiß Frage? Sah er so aus, als ginge es ihm gut? Doch entgegen seiner Gedanken nickte er nur und stieß sich mit einem „Geht schon.“ Vom Geländer ab, um sich auf die Krankenstation zu begeben.

Dort angekommen schlug die Krankenschwester erst einmal die Hände über dem Kopf zusammen.

„Mein Gott, was hast du nun schon wieder angestellt. Das ist schon das zweite Mal diese Woche! So kann das doch nicht weiter gehen!“

Erschüttert schüttelte sie den Kopf. Dann machte sie sich daran, die Wunden zu versorgen. Gareas hielt die ganze Zeit über still und gab keinen Ton von sich. Als sie fertig waren stürmte er sofort aus dem Zimmer und warf nur hastig noch ein Dankeschön über seine Schulter. Kopfschüttelnd sah ihm die Schwester nach.

Eigentlich hatte Gareas ja Hunger, doch er wollte nicht schon wieder auf die anderen Anwärter treffen. Sie würden ihn nur wieder so komisch anschauen und hinter seinem Rücken darüber tuscheln, dass er erneut die Kontrolle über seine EX verloren hätte und dass er gefährlich wäre. Man sollte ihm nicht zu nahe kommen und warum er denn noch nicht herausgeflogen wäre? Seit ihm damals an dem einen verhängnisvollen Tag bei einer der wichtigsten Tests die EX durchgegangen war, schien er sie nicht mehr unter Kontrolle zu haben. Immer wieder passierten Unfälle, allerdings nahm keiner solche Ausmaße an, wie an diesem Tag damals. Seine Mitschüler, die früher seine besten Freunde gewesen waren, mieden ihn nun aus Angst, er könnte sie versehentlich verletzen. Warum er noch nicht die GOA verlassen musste, war auch ihm nicht ganz klar. Lieber wäre er gegangen, denn diese Einsamkeit machte ihn schier wahnsinnig. Dennoch wollte er keine Schwäche zeigen.

Mit trübem Blick starrte er durch eines der riesigen Panoramafenster der GOA hinunter auf Zion. Es war dunkel und der Planet leuchtete wundervoll in dieser Finsternis. Sie wie es dort draußen aussah, so sah es im Moment auch in ihm aus, stellte der Grünhaarige mit einer Spur Ironie fest. Auch in ihm breitete sich zusehends eine gähnende und alles verschlingende Leere aus. Das Einzige, was ihn noch von der völligen Verzweiflung abgehalten hatte waren seine Gedanken an seinen kleineren Bruder, der irgendwo dort auf Zion lebte. Niemand wusste, dass er einen Bruder hatte, er hatte es nie jemandem gesagt. Sie hatten sich auch seit Jahren nicht gesehen und so wusste Gareas nicht, wie es dem Jüngeren ging, doch er wollte Zion beschützen, um ihn zu beschützen. Zion durfte auf keinen Fall von den Victims vernichtet werden!

Ein plötzliches Geräusch neben ihm ließ ihn aus seinen verworrenen Gedanken aufschrecken. Verwunderte blickte er neben sich hoch und sah, dass dort einer der anderen Anwärter stand. Gareas hatte ihn gar nicht bemerkt. Was wollte er? Auch auf ihm herumhacken? Da drehte ihm der Neuankömmling sein Gesicht zu und der Grünhaarige riss die Augen auf. Da stand Ernest. Im Gegensatz zu vielen Anderen hatte er sich den Namen des unauffälligen Anwärters gemerkt.

„Was willst du hier?“, fragte er lustlos.

Ernest lächelte traurig und setzte sich neben ihn. Doch er schwieg. Da auch Gareas keine Lust auf ein Gespräch hatte, blieben sie noch eine ganze Weile so und betrachteten gemeinsam Zion. Doch es war keine belastende Stille die herrschte, stellte Gare erstaunt fest, nein, vielmehr handelte es sich um eine angenehme Stille. Gares fühlte sich ungewöhnlich wohl. Besser als auch nur einmal in den letzten Tagen. Doch abrupt wurde die Stille von dem Blonden unterbrochen.

„Warum tust du das?“, fragte er traurig.

„Mmh?“ Fragend schaute Gareas ihn an. Er verstand seinen Mitschüler nicht. Hatte er dem Anderen irgendetwas angetan? Er konnte sich nicht entsinnen.

„Warum belügst du die Anderen? Und warum belügst du dich selbst?“

Nun riss der Angesprochene die Augen auf und rutschte ein Stück zurück. Verwirrung machte sich in ihm breit. Verwirrung und Angst. Natürlich! Er hatte die Fähigkeit des Blonden vergessen, Gefühle und Gedanken zu spüren. Deshalb war er ja auch immer einsam gewesen. Deshalb wollte nie jemand etwas mit ihm zu tun haben.

„Was … Was willst du?“, flüsterte er leise, kaum hörbar.

Freundlich blickte Ernest ihm in die grünen Augen, die Momentan so viel Leere, Trauer und Unsicherheit wieder spiegelten. Nie hätte der Blonde gedacht, so etwas einmal in den wunderschönen Seen wahrzunehmen, doch er sah es ganz deutlich. Und es passte nicht zu dem einst so aufgeschlossenen und fröhlichen Jungen.

„Ich will dir helfen.“, meinte er ruhig.

Doch anstatt einer Antwort hörte er nur ein heiseres und freudloses Lachen.

„Du? Mir helfen? Und wie, wenn ich fragen darf? Du hast doch keine Ahnung, wie es mir geht, was ich gerade durchmache! Auch mit deiner ach so tollen EX kannst du nicht alles wahrnehmen, wie dir sicher am Besten klar ist. Und davon Mal ganz abgesehen, mit dir will doch auch niemand etwas zu tun haben, stimmt’s? Also sieh’s ein, du kannst mir nicht helfen! Versuch es besser gar nicht erst und kümmere dich um deinen Kram! Verschwinde!“

Ernest verspürte bei diesen Worten einen Stich in seinem Herzen. Sie riefen Erinnerungen an Zeiten auf, die noch gar nicht so lange her waren und sie schmerzten ihn. Allerdings war er sich auch im Klaren darüber, dass er die Worte nicht auf die Goldwaage legen durfte. Sie waren einfach so gekommen, ohne dass sein Gegenüber die Kontrolle gehabt hätte. Es waren solche Worte, die man sagte, wenn man verzweifelt war und nicht mehr weiter wusste. Worte, die man nicht ernst meinte, doch mit denen man versuchte, das letzte was einem geblieben war zu schützen. Und wenn das auch nur noch die geschundene Seele war. So versuchte Ernest sich nicht anmerken zu lassen, was die Worte bei ihm anrichteten, versuchte, sie zu ignorieren.

„Erinnerst du dich noch an unser erstes richtiges Treffen? Wo du mich zum Training gerufen hast? Wo du mich ohne zu zögern berührt hast, obwohl du von meiner EX wusstest? Ich weiß nicht, ob es dir damals bewusst war, aber du hast mich damals gerettet. Genau wie du jetzt befand ich mich zu dieser Zeit in einem Tief aus dem ich von selbst nicht mehr gekommen wäre. Doch ich bin nicht so stark wie du. War es auch damals nicht. Schon mehrmals wollte ich das alles beenden, doch du hast mir gezeigt, dass nicht alle Menschen so sind, wie der Großteil der Anwärter hier. Das es auch Leute gibt, die wie du nichts zu verheimlichen haben oder denen es egal ist, wenn man auch nur ein bisschen anders ist. Nach unserem Treffen hatte ich beschlossen, mich auf die Suche nach genau solchen Menschen zu machen. Ich wollte nicht mehr alleine sein. Ich denke, du verstehst das, nicht?“

Trotzig starrte Gareas wieder auf Zion und versuchte die Worte zu ignorieren. Dennoch, er war neugierig, wollte wissen wie es weiterging. Es war wie bei einer aufregenden Geschichte, nur das es hier um den Ernst des Lebens ging. Zu seinem Unbehagen war Gareas allerdings auch vollkommen klar, dass der Andere wusste, dass er zuhörte, da sein Interesse kaum noch zu verbergen war. Doch sein Stolz verbot es ihm, das auch noch offen zu zeigen.

„Ich habe inzwischen Freunde gefunden. Nicht viele, doch ein paar. Ich weiß nicht ob du es bemerkt hast, doch ich war nicht der Einzige Außenseiter. Wenn du willst, stelle ich sie dir mal vor. Keine Sorge, ihnen ist egal, was mit deiner EX ist. Es interessiert sie zwar auch, aber sie beurteilen dich nicht danach. Überlege es dir.“

Mit diesen Worten stand der Blonde auf und verließ den Raum. Stumm blieb Gareas sitzen. Noch lange dachte er über die Worte nach. Doch irgendwann wurden seine Gedanken immer träger und bevor er es realisiert hatte, war er eingeschlafen.
 

Leises Gemurmel und Gekicher drang an sein Ohr, doch er hörte es wie durch Watte. Seine Gedanken fingen langsam an zu Arbeiten und seine Sinne nahmen Stück für Stück ihre Tätigkeit wieder auf. Sämtliche Glieder schmerzten und seine Gliedmaßen verweigerten ihm den Dienst, als er sich aufrichten wollte. Vorsichtig blinzelte er. Noch wusste er nicht genau, wo er war und was passiert ist.

„Schnell! Er wacht auf!“, hörte er jemanden flüstern. Die Stimme kam ihm vage bekannt vor doch einzuordnen wusste er sie nicht.

Plötzlich bekam er einen Schwall eiskaltes Wasser ab. Erschrocken sprang er auf und blickte sich panisch um. Um ihn herum standen ein paar der anderen Anwärter und hatten nun, da er wach war, keine Hemmungen mehr, lauthals zu lachen. Ein hämischer und verächtlicher Blick lag dabei in ihren Augen, während sie allesamt auf ihn starrten.

„Na, ist unser Dornröschen aufgewacht?“, fragte ein Junge mit langen roten Haaren und ein paar Jahre älter als er selbst, der einen Eimer in der Hand hielt. Langsam realisierte Gareas, was passiert sein musste. Natürlich, nach dem Gespräch mit Ernest war er hier eingeschlafen und nun hatten ihn seine ehemaligen Freunde freundlich wie sie waren mit einem Eimer Wasser geweckt.

„Der Unterricht fängt in fünf Minuten an. Ich an deiner Stelle würde mich ja beeilen. Oder willst du uns heute mit deiner EX mal ausnahmsweise nicht in die Luft jagen?“

Erneut fing der Junge an zu Lachen, seine Freunde taten es ihm gleich.

Gareas hingegen war in diesem Moment froh, dass er vollkommen durchnässt war, so konnte man die Tränen nicht sehen, welche sich langsam aber sicher in seinen Augenwinkeln sammelten. Die Worte hatten ihn schwer getroffen. Unsicher wollte er einen Schritt zurückweichen, doch die Anderen hatten ihn umzingelt, ihm jeglichen Fluchtweg genommen. Fast panisch sah er sich um, konnte nur mit Mühe seine Gefühle unterdrücken. Er wusste, dass schon ein kleiner Panikanfall momentan eine EX-Überreaktion auslösen konnte und das war das letzte, was er wollte. Nicht schon wieder. Schon spürte er das inzwischen nur allzu bekannte Kribbeln in den Gliedmaßen und seine Angst nahm zu.

„Na, macht es Spaß, sich an Jüngeren zu vergreifen?“

Erneut zuckte Gareas unter der Stimme zusammen und drehte sich verwirrt um. Auch die Stimmen der Anderen warten verstummt, wofür der Grünhaarige wirklich dankbar war. Langsam beruhigte er sich wieder, erlangte die Kontrolle über seinen Körper zurück. Gareas musterte den Jungen, welcher nun vor ihm stand und sich soeben eingemischt hatte. Hatte er sich etwa für ihn eingesetzt? Das konnte Gareas nicht glauben. Warum sollte er das tun, sie kannten sich ja nicht einmal. Und dennoch, der Anwärter, etwa im gleichen Alter und ähnlich groß wie er, mit kurzen braunen Haaren und einem frechen Grinsen im Gesicht, hatte ihn verteidigt.

„Was geht dich das an?“, fragte der Rothaarige mürrisch und stellte dabei den Eimer ab.

„Was mich das angeht? Es ist immerhin ein Schulkamerad von mir und was ihr hier abzieht ist echt unter aller Kanone. So einfach ist das.“

„Ach Rio, jetzt setzt du dich schon für Versager wie den da ein. Dabei wollen wir doch nur helfen. Der Junge muss verschwinden, er ist eine Gefahr für uns alle. Das müsstest doch selbst du sehen.“

Dabei zeigte er mit dem Finger auf Gareas, der sich überhaupt nicht wohl in seiner Haut fühlte. Und dennoch, der Rothaarige hatte ausgesprochen, was er immer nur verdrängen wollte. Er war eine Gefahr. Und er musste hier weg. Der Ältere hatte Recht. Etwas zog sich in ihm zusammen, als er daran dachte, die GOA zu verlassen. Wohin sollte er? Es gab keinen Ort, zu dem er konnte.

„Er wird uns noch alle umbringen, wenn er länger hier bleibt. Wegen ihm wurden schon mehrere Schüler verletzt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis auch jemand stirbt. Und es ist alles seine Schuld. Hörst du, seine Schuld!“

Nein, nein! Er sollte aufhören, der Rothaarige sollte aufhören. Gareas ertrug das nicht mehr. Das Atmen fiel ihm immer schwerer, er hatte das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen. Wieder spürte er, wie ihm die Kontrolle entglitt und in seiner Panik sah er nur noch ein, die Tür! Ohne auf die Anderen zu achten stürmte er aus dem Raum und in das Zimmer, welches er sich mit zwei anderen Anwärtern teilte. Die waren glücklicherweise gerade nicht da. Zitternd ließ er sich auf sein Bett fallen und vergrub sein Gesicht in dem weichen Kissen, versuchte, die Tränen zu verstecken, die nun unaufhaltsam über seine Wangen liefen. Dass seine Kleidung völlig durchnässt war und sein Körper auskühlte nahm er gar nicht wirklich wahr. Und erneut wurde er von einem traumlosen Schlaf eingeholt.

Und weiter geht's:
 

2. Kapitel
 

Müde blinzelten die müden Augen und versuchten, sich an das Licht zu gewöhnen. Die Umgebung war leicht verschwommen, nicht fassbar. Das Licht stach schmerzhaft in den Augen. Vorsichtig wollte Gareas seinen Kopf drehen, um einen Blick auf die Uhr zu erhaschen, doch mit einem Stöhnen scheiterte dieser Versuch kläglich. Sein Kopf pochte und schmerzte. Langsam erinnerte er sich wieder. Er war eingeschlafen, hatte sich in den Schlaf geweint. Oh Gott, das durfte Niemand erfahren! Noch einige Minuten blieb der Grünhaarige liegen, dann startete er erneut den Versuch, sich zu Erheben. Diesmal mit Erfolg. Es war kurz nach Mittag. Kein Wunder, dass er noch alleine war. Nun bemerkte er auch die Kälte, die ihn geweckt haben musste. Er Idiot hatte doch tatsächlich mit nassen Klamotten geschlafen! Hoffentlich blieb es bei den Kopfschmerzen, eine Erkältung konnte er jetzt nicht brauchen. Erschöpft schleppte er sich ins Bad, duschte und wechselte seine Sachen, tauschte sie in trockene ein. Dann straffte er die Schultern und machte sich auf den Weg zum Unterricht. Wenn er schon vormittags gefehlt hatte, sollte er wenigstens nachmittags anwesend sein.

Fröhlich redend und lachend kamen ihm die anderen Anwärter vom Mittag entgegen, doch sobald sie ihn sahen verstummten sie und machten einen Bogen um ihn. Doch Gareas nahm das alles gar nicht wahr. Schon längst ignorierte er die Anderen, um nicht noch mehr verletzt zu werden. Als er aber plötzlich vor einer verschlossenen Unterrichtsraumtür stand fiel ihm siedend heiß ein, dass heute ja Praxistest war. Oh scheiße! Schnell drehte er um und rannte zu den Hangars. In den dritten musste er. Dabei merkte er, dass er wohl doch nicht so gesund war wie gehofft. Seine Beine fühlten sich ungewohnt schwer an und ab und zu tauchten kleine schwarze Punkte in seinem Blickfeld auf. Nun gut, er hatte heute auch noch nichts gegessen. Ihn selbst störte es nicht, da das Hungergefühl schon seit Tagen nicht mehr da gewesen war, doch um fit zu bleiben musste man halt etwas zu sich nehmen. Leena würde schimpfen!

Müde lächelte er. Warum das Mädchen noch immer an seiner Seite kämpfte und ihn nicht verlassen hatte, war ihm schleierhaft.

„Nummer 37? Wie schön, dass sie uns auch noch mit ihrer Anwesenheit heute beehren.“

Herablassend sah ihn der Ausbilder an. Das war einer dieser Typen, die es nicht zum Piloten geschafft hatten, aber als Lehrer auf der GOA geblieben sind und alle Anwärter hassten, die besser sind als sie selbst je waren. Leider gehörte Gareas in diese verhasste Kategorie.

„Nun, da jetzt alle anwesend sind, von Nummer 38 bis Nummer 48, kann der Test ja beginnen.“

Von Nummer 38, das bedeutet, Ernest ist hier nicht dabei… Er wusste nicht warum, doch aus irgendeinem Grund stimmte Gareas diese Feststellung traurig.

„Heute werdet ihr mit euren Pro-ings draußen im Weltall gegeneinander kämpfen. Die Devise heißt, jeder gegen jeden. Ihr könnt euch natürlich auch gerne zu Gruppen zusammenschließen oder was auch immer, fest steht, die drei Anwärter, deren Pro-ings zum Schluss noch kampffähig sind, haben bestanden. Der Rest ist durchgefallen.“

Lautes Getuschel kam unter den Anwärtern auf. Nur drei von zehn… So etwas war neu! Aber gut, jetzt ging es darum, die besten Piloten herauszufischen, denn nur fünf wurden für die Göttinnen gebraucht. Eigentlich nur vier, denn Teela stand schon als Pilotin fest.

„Also, los geht’s. Macht euch bereit. Start ist in fünf Minuten.“

Eilig rannten alle zu ihren Mechas. Als der Grünhaarige ankam, lief ihm schon seine Copilotin entgegen.

„Gare, da bist du ja! Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Alles in Ordnung?“

Leicht nickte der Angesprochene und grinste leicht, um seine Aussage zu unterstreichen. Er wollte nicht, dass sich die Blonde wegen ihm einen Kopf machte, denn er mochte sie, da sie ihn als Einzige so akzeptierte wie er war. Als Gareas das dachte erschien das Bild von Ernest vor seinen Augen. Unwillig schüttelte er den Kopf. Er hatte jetzt nicht die Zeit, um über ihn nachzudenken. Schnell stieg er in den Pro-ing Nr. 37 und machte sich startklar.
 

„Es geht los!“

Wie auf Kommando stoben die Mechas auseinander und verteilten sich in zweier oder Dreiergruppen, beobachteten stets die Anderen Anwärter. Nur Gareas war wieder alleine.

„Gare, hinter dir!“, erklang es da von Leena. Augenblicklich drehte er sich und stand plötzlich zwei Mechas gegenüber, die es eindeutig auf ihn abgesehen hatten. Aus den Augenwinkeln nahm er wahr, wie nun auch rechts und links und vermutlich auch hinter ihm Einige Stellung bezogen. Verdammter Mist, er war umzingelt! Aber er hätte sich auch eigentlich gleich denken können, dass er der erste sein würde, den sie attackieren. Aber gegen alle kam er niemals an. Dennoch, aufgeben war keine Option. Als der erste Schuss auf ihn abgefeuert wurde wich er geschickt aus und ging zum Gegenangriff über. Wenn er die Prüfung schon nicht bestehen konnte, dann wollte er bei den Anderen wenigstens so viel wie möglich Schaden anrichten.

Und jetzt übernahmen seine Instinkte. Die Zeit zum Nachdenken fehlte ihm, so handelte er automatisch und nicht umsonst gehörte er zu den Besten Anwärtern der GOA. Schon nach einigen Minuten hatte er die Anzahl seiner Gegner um die Hälfte reduziert. Doch auch seine Kräfte schwanden langsam. Er würde nicht durchhalten, wurde ihm in diesem Moment bewusst. Kurz unterbrachen seine Gegner die Angriffe um sich neu zu formieren, da fiel dem Anwärter etwas auf. Wenn er sich nicht verzählt hatte, hatte er bereits vier Pro-ings ausgeschaltet, drei standen ihm noch gegenüber, doch wo waren die anderen zwei? Noch ehe sich Gareas nach den Beiden umschauen konnte spürte er, wie ein Schuss seinen rechten Arm erwischte. Verdammt, er hatte sich ablenken lassen! Plötzlich verschwamm seine Sicht und nur unbewusst nahm er war, wie einer der drei Pro-ings genau auf ihn zusteuerte um ihm den Rest zu geben. Panik überfiel ihn und er spürte das wohlbekannte Kribbeln, das sich in ihm ausbreitete. Unerwartet wurde seine Sicht wieder klar und in letzter Sekunde wich er aus. Das Kribbeln verstärkte sich. Lange konnte Gareas eine EX-Reaktion nicht mehr unterdrücken, doch sollte er sie haben, würde er die Kontrolle verlieren. Das war’s.

Er musste aufgeben.

Kraftlos ließ er seine Arme sinken und gab seine Verteidigungsstellung auf. Enttäuschung über sich selber und Trauer machte sich in ihm breit. Wieder spürte er, wie die Tränen ihn ihm aufstiegen, vor Erschöpfung und vor Selbsthass. Gleichzeitig nahm das Kribbeln in seinem Körper ab.

Noch einmal hob er den Blick, sah, wie ein Schuss auf ihn abgefeuert wurde und verabschiedete sich von der Prüfung.

Plötzlich erschien ein Schatten vor ihm und fing den Schuss ab. Mit aufgerissenen Augen starrte Gareas auf den Pro-ing, der ihn geschützt hatte. Die Nummer 41… Aber warum? Als er an dem Mecha vorbei schielte sah er, wie ein zweiter Pro-ing, die Nummer 42, seine restlichen drei Gegner, die schon stark angeschlagen waren, kampfunfähig machte. Das mussten die fehlenden zwei Mechas sein, die ihn vorhin abgelenkt hatten, dachte sich Gareas. Doch weshalb halfen sie ihm?

Ein lautes Hupen erklang und kündete vom Ende der Prüfung. Er hatte bestanden. Gareas konnte es kaum fassen. Er hatte wirklich bestanden. Noch einmal fiel sein Blick auf die Pro-ings 41 und 42, die ihm geholfen hatten. Diese hatten ihn jetzt gepackt und schleiften ihn in den Hangar. Er selbst wäre dazu wohl nicht mehr fähig gewesen.
 

„Du hast es geschafft! Du hast es wirklich geschafft! Das war ja so klasse!“

Freudig fiel ihm Leena um den Hals, als Gareas aus dem Mecha kam. Er hielt krampfhaft das Geländer fest, damit er nicht umkippte. Der Kampf hatte ihm wirklich auch noch seine letzten erbärmlichen Kraftreserven geraubt.

„Ja, danke. Aber nur, weil du mich so toll unterstützt hast.“

Er wusste, dass es wie eine abgedroschene Floskel klang, doch es stimmte. Leena hatte wirklich großartige Arbeit geleistet.

„Entschuldige, aber ich will mich ausruhen gehen, ja?“

„Aber natürlich!“

Eifrig nickte Leena und machte ihm den Weg frei. Dann stürzte sie sich arbeitswütig und hoch motiviert auf den Pro-ing, um ihn zu reparieren. Das hatte der nämlich gründlich nötig.

Gareas hingegen verschwand in einem der leeren Gänge und stützte sich an der Wand ab. Sein ganzer Körper zitterte, doch bis in sein Zimmer musste er es noch schaffen. Da hörte er Schritte und stellte sich eilig normal hin. Keine Schwäche zeigen, ermahnte er sich selbst. Zur Sicherheit ließ er eine Hand an der Wand. Vor ihm tauchten nun zwei Anwärter auf. Als sie ihn sahen, verlangsamten sie ihre Schritte und liefen direkt auf ihn zu.

Einen davon erkannte Gareas als den Jungen, der ihm heute früh geholfen hatte. Wie hieß er doch gleich? Rio oder so ähnlich... Doch der Andere war ihm fremd. Er war kleiner als sein Freund, schien allerdings nicht viel jünger zu sein. Vielleicht etwas. Er hatte schwarze, kurz geschnittene Haare und einen asiatischen Touch. Dunkel entsann sich Gareas, dass er ihn schon ein paar Mal gesehen hatte.

„Hey, alles klar bei dir?“, ergriff der Braunhaarige auch sogleich das Wort.

Misstrauisch starrte Gareas ihn an.

„Was wollt ihr?“, fragte er abweisend.

Sofort hob Rio die Hände.

„Keins Sorge, wir wollen dir nichts tun. Wir haben uns nur Sorgen gemacht, immerhin hat dein Mecha ganzschön was abbekommen. Hast aber auch gekämpft wie ein Löwe, nicht?“

Die Verwirrung musste man dem Grünhaarigen wohl deutlich angesehen haben, denn noch bevor er etwas sagen konnte hob Rio sein rechtes Handgelenk und mit der linken Hand zog er das Handgelenk des Zweiten hoch, sodass Gareas die Nummern der Beiden erkennen konnte. Nummer 41 und Nummer 42. Nein welch Überraschung.

„Falls ihr jetzt erwartet, dass ich mich bei euch bedanke, dann habt ihr euch geschnitten. Ich hatte euch nicht um eure Hilfe gebeten. Haut ab!“, meinte Gareas daraufhin nur träge. Langsam ging ihm das Gefühl für sich selbst verloren. Seine Umgebung wurde immer dunkler und er nahm alles wie durch Watte wahr. Die Stimme seines Gegenübers wurde immer leiser für ihn, obwohl dieser sich aufzuregen schien und immer lauter werden zu schien. Krampfhaft lauschte er der Stimme und den Worten, um im hier und jetzt zu bleiben.

„Beruhige dich. Deswegen sind wir doch auch nicht hier. Wir haben dir auch nur geholfen, weil das, was die Anderen da abgezogen haben, ziemlich unfair war. Wenn du mich fragst, sollte denen mal jemand kräftig in den Arsch treten. Wenn du willst, können ….“

Dann gaben seine Beine nach und alles um ihn herum wurde schwarz.
 

„Pst, sei doch mal leise.“

„Du, ich glaube er wird wach.“

Getuschel umgab ihn. Er hatte das ungute Gefühl eines Dejavus, als er es vernahm. Schon bereitete sich sein Gehirn auf einen Schwall kaltes Wasser vor, doch nichts passierte. Vorsichtig blinzelte er mit den Augen. Das war jetzt schon das dritte Mal an diesem Tag, dass er erwachte. Sofort erschien ein Gesicht vor seinen Augen.

„Na, wie geht’s dir?“

„Ernest!“

Erschrocken fuhr Gareas hoch und stieß sich seinen Kopf dabei an dem von dem Blonden. Dieser hielt sich gleich ihm die Stirn, taumelte ein paar Schritte zurück.

„Na na, wer wird denn so stürmisch sein.“, kam es belustigt von der Seite.

Stöhnend schaute Gareas, wem die Stimme gehörte und sein Gehör hatte sich nicht getäuscht. Rio saß breit grinsend auf dem Bett neben ihm und sah ihn mit funkelnden Augen an.

„Wo bin ich hier.“, fragte Gare mit brüchiger Stimme.

„In unserem Zimmer. Wir haben dich hier her gebracht, als du plötzlich zusammengeklappt bist. Hier hast du erst einmal Ruhe. Zumindest mehr, als in deinem Zimmer.“, erklärte ihm Rio.

Der Grünhaarige nickte langsam, während sein Gehirn versuchte, die eben erhaltenen Informationen zu verarbeiten. Plötzlich hielt ihm jemand einen Becher unter seine Nase.

„Tee?“

Erschrocken fuhr Gareas ein Stück zurück und starrte entgeistert den Jungen an, der ihn derart erschreckt hatte. Es war der Gleiche, der ihm zusammen mit Rio geholfen hatte. Die Nummer 42, wenn er sich recht erinnerte.

„Ui, das Zeug würde ich nicht trinken. Der will dich nur vergiften.“, äußerte der Braunhaarige warnend. Daraufhin wurde ihm ein böser Blick zugesandt und eine Teetasse flog hinterher. Der Braunhaarige verschanzte sich lachend hinter dem Bett während der Schwarzhaarige zu überlegen schien, was er nun, ob er sich auf das Niveau des Anderen herblassen sollte und noch etwas werfen sollte. In den Fingern schien es ihn ja zu jucken, doch am Ende tat er doch nichts. Dafür goss er noch etwas Tee in eine weitere Tasse ein und reichte sie wieder Gareas, der dem Ganzen nur erstaunt zugesehen hatte.

„Trink, dann geht es dir besser. Ich bin übrigens Yu Hikura. Freut mich.“

Damit setzte er sich auf das Bett auf der anderen Seite von Gareas. Ernest schnappte sich hingegen einen Stuhl und setzte sich vor ihn, während Rio sich wieder aus seinem Schutz traute und auf das Bett krabbelte. Der Grünhaarige bekam wieder das miese Gefühl umzingelt zu sein.

Die Unsicherheit war ihm wohl wieder ins Gesicht geschrieben, denn Ernest seufzte leise. Dann lächelte er Gareas jedoch freundlich an.

„Hör zu. Wir wollen dir nur helfen. Du bist hier in unserem Zimmer, uns wird niemand stören. Erinnerst du dich an unser Gespräch Gestern?“

Gare nickte leicht.

„Nun, ich habe dir erzählt, dass ich Freunde gesucht habe, die mich verstehen. Die kein Problem mit meiner … Andersartigkeit … haben. Und ich habe gesagt, ich hätte welche gefunden, nicht? Nun, darf ich dir Rioroute Vilgyna und Yu Hikura vorstellen? Sie sind ähnlich wie ich. Nun, ihre EX ist zwar nicht so außergewöhnlich, doch auch sie waren Außenseiter. Sorry Leute, aber so ist es schließlich. Yu ist eher der stille Typ, der selbst selten auf Andere zugeht. Rio dagegen kommt mit der falschen Art der Anderen nicht klar. Im Gegensatz zu dir hat er ein Gespür für so etwas. Hat mit seiner EX zu tun. So kann er sofort erkennen, wenn sich jemand nicht mit ihm anfreunden will um seinetwegen, sondern um einen Vorteil herauszuschinden. Da Rio, genauso wie Yu übrigens, ein sehr guter Anwärter ist, war es für ihn ein Ding der Unmöglichkeit, einen Freund nach seinen Vorstellungen zu finden.“

„Aber hey, Ernest hat durch seine EX uns alle drei vereint.“, warf Rio dazwischen.

„Wie auch immer, wir würden uns freuen, wenn du auch noch in dieses Zimmer ziehst und unser Freund wirst. Azuma wird es erlauben, hat er bei uns schließlich auch, als wir ihn gebeten haben, in ein Zimmer zu kommen. Und ein Bett ist hier noch frei. Ich glaube, Azuma ist froh, dass wir nicht mehr alleine rumhängen. Also, wie sieht’s aus?“

Stumm hatte Gareas dem Blonden gelauscht, sein Gesicht hatte dabei keine Emotionen widergespiegelt.

„Ich…ich muss darüber nachdenken.“, entgegnete er langsam. Im Moment herrschte ein Einziges Chaos in seinem Innersten. Das musste zuerst geordnet werden.

Tja, und weiter geht's!

Ach, ehe ich es vergesse, es werden doch vier Kapitel. Nur das sich niemand wundert. ^^

Viel Spaß beim Lesen!!!
 

3. Kapitel
 

Zwei Tage später verlief das Leben wieder in geordneten Bahnen. Gareas ging wieder seinem Alltagstrott nach und ignorierte Ernest, Rio und Yu so gut wie möglich. Er hatte sich, als es ihm wieder besser ging, klammheimlich aus dem Zimmer geschlichen. Wahrscheinlich waren sie jetzt sowieso sauer auf ihn. Egal. Er brauchte niemanden.

„Nr. 37! Schlafen sie noch?“

Erschrocken fuhr Gareas hoch. Er war doch Tatsache im Unterricht eingepennt. Nun, schlafen konnte er in letzter Zeit nicht gut, aber am Tage einzuschlafen war auch nicht empfehlenswert. Da ertönte das lang ersehnte Läuten der Schulklingel. Sofort stürmten alle Schüler aus dem Raum. Es war Mittagspause und alle hatten Hunger. Der Grünhaarige dagegen ließ sich alle Zeit der Welt. Sein Appetit hielt sich in Grenzen.

„Nr. 37! Bitte warte kurz, ich muss noch mit dir reden!“

Erstaunt blickte Gareas sich um und nickte Azuma zu, der ihn gerade gerufen hat. Der Chefausbilder führte den Grünhaarigen in ein leeres Klassenzimmer.

„Setz dich doch bitte.“, forderte er den Jüngeren auf. Dieser folgte der Anweisung nur zögerlich, sein Gefühl sagte ihm, dass hier etwas nicht stimmte.

Seufzend lehnte sich nun auch Azuma gegen einen der Tische und sah dem Anwärter ernst in die Augen.

„Du hattest in den letzten zwei Wochen drei EX-Reaktionen, fünf Mal standest du kurz davor. Glücklicher Weise ist nichts Schlimmes weiter passiert, doch ich fürchte, wenn du deine Fähigkeiten nicht bald in den Griff bekommst, dann kann ich nichts mehr für dich tun. In einer Woche findet die Abschlussprüfung statt. Wer die besteht, der wird Pilot. Du darfst aber nur daran teilnehmen, wenn du bis dahin keine Anzeichen einer Reaktion mehr hast.“

Erschrocken riss Gareas die Augen auf und sah Azuma verdattert an Das konnte er doch nicht ernst meinen! Eine Woche! Er schaffte es nur noch mit Mühe, seine EX unter Kontrolle zu halten. Eine Woche würde er nicht durchhalten.

Betrübt senkte er den Blick.

„Ich habe verstanden.“

Damit wandte sich der Grünhaarige ab und verließ den Raum. Seine Füße trugen ihn nun erneut zur Aussichtsplattform, von der aus er Zion sehen konnte. Sein Hunger war ihm vergangen. Verzweifelt blickte er auf den blauen Planeten.

„Verdammt!!!“

Wütend schlug er mit der Faust gegen die Wand und sank dann zu Boden. Das war’s. Er würde nie Pilot werden. Und auf Grund seiner gefährlichen und unkontrollierbaren EX würde er wahrscheinlich sogar noch irgendwo weggesperrt werden, damit er niemanden verletzte. Das waren ja rosige Aussichten für die Zukunft.

Hätte er nicht schon auf dem Boden gekauert, dann wäre er sicher vor Schreck umgefallen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Erschrocken zuckte er zusammen und drehte sich um.

„Du.“, meinte er nur tonlos.

„Ja ich.“, antwortete ihm Ernest leicht lächelnd. Der Blonde ließ sich neben ihm nieder und sah ihn besorgt an.

„Was ist los?“, fragte er leise.

Gareas drehte den Kopf weg.

„Nichts.“

„Lüg mich nicht an. Ich kann spüren, wie aufgewühlt und verzweifelt du bist. Also, was ist passiert?“

Schwer schluckte der Grünhaarige. Nur mit Mühe konnte er die Tränen unterdrücken, die sich in die Freiheit drängten. Letztendlich verlor er den Kampf und die flüssigen Perlen rollten unaufhaltsam seine Wangen hinunter.

Da spürte er, wie er von hinten in die Arme geschlossen und sanft hin und her gewiegt wurde. Nun brachen auch die letzten Dämme. Mit einem Schluchzer drehte er sich zu Ernest um und vergrub sein Gesicht in dessen Halsbeuge. Zitternd, stotternd und von Schluchzern unterbrochen brachte er seine Geschichte hervor. Die Tränen wollten die ganze Zeit über nicht versiegen.

Still hörte der Blonde ihm zu, während er ihm beruhigend über den Rücken strich. Kein einziges Mal unterbrach er den aufgelösten Jungen in seinen Armen.

Langsam fasste sich Gareas wieder. Da erst wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Beschämt wandte er sich ab und wollte gehen, als Ernest ihn am Ärmel festhielt.

„Warte doch!“, meinte er auffordernd.

„Ich kann dir helfen.“

Wie erstarrt verharrte Gareas und sah den Anderen ungläubig an.

„Mir helfen? Und wie, wenn ich fragen darf? Meine EX kannst du schlecht kontrollieren.“

„Ich nicht, aber du. Und ich zeige dir, wie.“

Ein Hoffnungsschimmer glomm in den Augen des Anwärters auf. Doch dann schüttelte er den Kopf.

„Nein, es ist unmöglich!“, meinte er bestimmt und rannte geradezu aus dem Raum, ließ einen traurigen Ernest hinter sich.
 

Unsicher trat Gareas von einem Fuß auf den Anderen. Was hatte ihn nur hierzu geritten? Ach ja, seine aussichtslose Situation. Immer aufgeregter wartete er darauf, dass die Tür geöffnet wurde. Letztendlich hatte sein Wunsch, Pilot zu werden, über seinen Stolz gesiegt und so stand er nun vor der Tür Ernests und wartete darauf, dass jemand sie öffnete. Wie auf Kommando wurde die Klinke nach unten gedrückt und ein schwarzhaariger Kopf schob sich durch den Türspalt. Dunkle Augen musterten ihn eingehend.

„Äh … Yu… nicht wahr?“, fragte Gareas unsicher.

„Kann, … kann ich vielleicht reinkommen?“

Ohne ein Wort zu sagen öffnete der Kleinere die Tür nun vollständig und bedeutete seinem Gegenüber, einzutreten.

Als Gareas den Raum betrat wurde er auch schon von zwei Paar Augen neugierig gemustert.

„Hi Gare!“, meinte Ernest nur.

„Äh.. also…“

Scheiße, er war doch sonst nicht um Worte verlegen. Was war nur mit ihm passiert in letzter Zeit? Also, einfach wie früher.

„Hi Ernest. Also irgendwie hab ich da so’nen Problem mit meiner EX. Du meintest du könntest mir helfen. Gilt das noch?“

Erwartungsvoll sah er dem Blonden in die Augen. Dieser lächelte nur wieder.

„Klar, kein Problem.“
 

Die nächsten Tage verbrachte Gareas nur noch mit Ernest, Rio und Yu. Mit Yu machte er Meditationsübungen, mit Rio wurde er in Übungskämpfen seine Überschüssige Energie los und mit Ernest… ja mit Ernest redete er meistens nur. Doch aus irgendeinem ihm unbekannten Grund halfen ihm diese Gespräche fast mehr als der ganze Rest. Vielleicht lag es einfach an der EX des Anderen, vielleicht war da aber auch mehr. Er konnte es nicht sagen.
 

„Alle Anwärter antreten! Willkommen zur Abschlussprüfung und zur Bestimmung der neuen vier Piloten!“

Prüfend ging Azuma langsam die Reihe der Schüler ab und besah sich jeden eingehend. Bei einem blieb er schließlich stehen.

„Gut gemacht Nr.37. Ich bin froh, sie hier zu sehen.“

„Ja Sir.“, meinte Gareas leise, doch dien Anflug von Stolz konnte er nicht aus seiner Stimme verbannen.

Ja, er hatte es geschafft. Oder besser gesagt, seine Freunde hatten es geschafft. Ja, Ernest, Rio und Yu waren inzwischen seine Freunde geworden. Seine besten. Uns sie waren es gewesen, die ihn letztendlich aus seiner Depression gezogen hatten und ihm die Kraft zum Weiterkämpfen gegeben hatten. Sie hatten ihm geholfen, seine Fähigkeiten in den Griff zu bekommen!

Und nun stand er hier, neben den Anderen, und kämpfte um einen Platz als Pilot, um Zion zu beschützen.

Auch der Junge mit den roten langen Haaren, die Nr. 22, hatte es zum Abschlusstest geschafft. Kurz musste Gareas das ungute Gefühl unterdrücken, das ihn überkam, wenn er ihn ansah. Dieser Junge mochte ihn nicht, nein, er hasste ihn sogar. Schon früher hatte Nr. 22 alles getan um ihn zu behindern und seit seinem kleinen EX Problem hackte er öffentlich ununterbrochen auf ihm rum und machte ihn fertig. Gareas war sich sicher, dass er mit ihm kein leichtes Spiel haben würde.

„So. Nachdem ihr alle eure Fitnesstests erfolgreich überstanden habt, werdet ihr jetzt jeder einzeln einen simulierten Kampf gegen einige Victims absolvieren. Von euch zehn werden dabei nur die besten Acht bestehen. Und danach findet die letzte Prüfung statt in der die entgültigen Piloten bestimmt werden. Verstanden?!“

„Ja, Sir!“, antworteten alle Anwärter im Chor. Daraufhin folgten sie dann Azuma, der sie in einen der Simulationsräume brachte.

„Die Reihenfolge sieht wie folgt aus: Nr. 39, Nr. 15, Nr. 42, Nr. 28, Nr.29 Nr.16, Nr.41, Nr.22, Nr.37! Wir haben euch nach der von uns vermuteten Stärke eingeteilt. Die Besten zum Schluss.“

Der Grünhaarige schluckte. Ernest war gleich als erstes dran. Das hieß, sie hielten ihn für am schwächsten, doch sie irrten sich. Vielleicht war der Blonde nicht sehr kräftig, doch auf Grund seiner EX konnte er jeden Schachzug des Gegners bereits im Voraus erahnen und hatte dadurch einen deutlichen Vorteil. Rio und Yu lagen irgendwo in der Mitte. Und er selbst war als letztes dran. Eigentlich hätte ihn das freuen müssen, doch Gareas wusste, dass dies eine reine Vorsichtsmaßnahme war. Denn sollte seine EX wieder außer Kontrolle geraten, so hatten die anderen Anwärter wenigstens schon ihre Prüfung erledigt. Irgendwie stimmte diese von wenig Vertrauen zeugende Tat ihn traurig. Es zeigte, dass die Lehrer schon von vornherein annahmen, dass er Mist bauen würde und es nicht schaffen würde sich zu beherrschen. Und genauso gut wusste Gareas, dass dies jedem im Raum genauso klar war wie ihm. Es verletzte ihn.

Plötzlich klopfte ihm jemand auf die Schulter.

„Keine Sorge, du schaffst das schon. Die kennen dich halt noch nicht wirklich, doch du zeigst denen schon, was ne Harke ist, ne?“, meinte Rio fröhlich wie immer.

Gareas grinste zurück.

„Die werden sich noch wundern!“, meinte er selbstsicher. Er wollte nicht, dass die Unsicherheit die Oberhand in ihm gewann, denn dann hatte er sofort verloren. Außerdem verließen sich seine Freunde auf ihn.

„So, ich gehe jetzt mal Ernest motivieren. Seine Nervosität kann sich ja keiner mit ansehen.“

Und schon war Rio verschwunden. Auch der Grünhaarige besann sich nun wieder auf den Blonden. Stimmt ja, vielleicht sollte er ihm auch noch Erfolg wünschen, obwohl Gareas keinen Zweifel daran hatte, dass Ernest es schaffen würde.

Schnell lief er zu den Anderen.

„So Ernest, jetzt gib es diesen Idioten! Die werden schon sehen, dass man dich nicht unterschätzen sollte, stimmt’s?“

erstaunt sah der Blonde auf und starrte in die grünen Augen Gares. Dann lächelte er.

„Ja, das werden sie.“ Ernests Blick wurde besorgt. Plötzlich griff er nach Gares Arm und zog ihn zu einer etwas ruhigeren Ecke. Dann sah er ihn ernst an.

„Bitte mach dir nichts daraus, ja? Ich meine, dass du als letzter dran bist. Du darfst dich davon und von den Anderen nicht beeinflussen lassen. Du hast deine EX jetzt unter Kontrolle und nichts wird das mehr ändern. Diese Prüfung wird ein Kinderspiel für dich, wenn du das nicht vergisst. Hörst du Gare? Du kannst das! Bitte vergiss das nicht.“

Verwirrt starrten die grünen Opale Ernest an. Doch dann nickte er und versuchte kläglich, ein Lächeln zustande zu bringen.

„Ja, du hast recht.“, meinte Gareas leise. Seine Stimme zitterte. Und wieder einmal wurde ihm klar, dass keiner ihn so gut kannte wie der blonde Anwärter, niemand verstand ihn so gut. Ernest hatte als Einziger erkannt, dass er trotz seiner äußeren Fassade innerlich noch nicht so selbstbewusst war, wie es alle dachten.

„Danke!“

Und dann, ohne nachzudenken, zog er den Blonden zu sich heran und streifte mit seinen Lippen die des Anderen. Ernest erstarrte, doch er wehrte sich nicht.

„Es geht los!“ Kam da der Ausruf.

Erschrocken fuhren die zwei Anwärter auseinander und eilten zum Startpunkt.

Nervös stellte sich Gare zu den anderen Anwärtern und sah Ernest bei seiner Prüfung zu. In Gedanken war er jedoch sehr weit weg. Um die Prüfung des Blonden machte er sich keine Sorgen.

Und er sollte Recht behalten. Ernest eröffnete die Prüfung mit einem Kampf, den keiner erwartet hatte. In Rekordzeit hatte er den Test gemeistert und erhielt sogar das eine oder andere Lob von den Lehrern.

„Wenn ich nicht wüsste, dass die Hälfte davon nur geheuchelt wäre, würde ich mich sogar darüber freuen.“, meinte er hinterher zu seinen Freunden.

Gareas grinste nur. Das, was vor kurzem zwischen den Beiden geschehen war verdrängte er erst einmal. Sich jetzt noch damit zu beschäftigen, dafür war in seinem Kopf kein Platz. Die Prüfung hatte Vorrang.

„Ach komm schon. Manche Sachen muss man halt ignorieren und warst einfach Klasse, oder?“

Zustimmend nickten die anderen Beiden.

Auch Yu absolvierte die Prüfung durch seine Ruhe ohne Probleme. Rio dagegen kam zwar wegen seines aufbrausenden Temperamentes ein Mal in Schwierigkeiten, meisterte sie jedoch und stellte ganz nebenbei noch eine neue Rekordzeit auf, die sicher kaum einer zu übertrumpfen vermochte.

„Nr. 22!“

Gareas schluckte. Jetzt war dieser Idiot dran. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er nicht Mal dessen Namen kannte. Da lebte man mehrere Monate auf ein und derselben Station und kannte nicht einmal die Namen der Anderen. Durch die Nummern, die sie bekommen hatten, ging die Anonymität hier ins Unendliche. Etwas, das Gareas mit einem Mal sehr erschreckend fand. Vermutlich kannte dieser Junge, Nr. 22, auch nicht seinen Namen, sondern kannte ihn nur unter dem Begriff Nr. 37. Dennoch hoffte er, der Rothaarige würde versagen, doch er hoffte umsonst. Auch dieser Anwärter zeigte eine Glanzleistung.

„Nr. 37!“

Tief atmete Gareas ein. Dann schritt er auf das Cockpit zu, in dem er die Prüfung absolvieren würde. Unterwegs begegnete ihm sein Vorgänger. Verächtlich grinste der ihm zu und flüsterte ihm im Vorbeigehen ins Ohr: “Das schaffst du eh nicht. Spätestens nach 30 Sekunden hast du ne EX-Reaktion, und jagst die halbe Sektion in die Luft. Aber lass uns wenigstens am Leben, ja? Irgendjemand muss ja Zion beschützen.“

Kurz erstarrte Gareas, versuchte die Worte jedoch schnell wieder zu verdrängen. Die ganze letzte Woche hatte er nicht einmal das Kribbeln einer Reaktion verspürt, also sollte er sich keine Sorgen machen, oder?

‚Nein, hör auf dir darüber den Kopf zu zerbrechen! Erinnere dich an das, was Ernest dir gesagt hat! Du hast deine EX unter Kontrolle! Diese Prüfung wird ein Kinderspiel für dich!’

„Alles klar Gare?“, hörte er Leenas Stimme. Auch wenn sie es versuchte, ihren besorgten Unterton konnte sie nicht verbergen. Der Grünhaarige nickte nur kurz.

„Simulation Start. Pro-ing starten.“

„04 bis 05 Kontakt hergestellt. 03 bis 08 complete. Code 15 bis 18 bestätigen. Freguenz einleiten.“

Wie in Trance erweckte Gareas seinen Pro-ing zum Leben. Er hatte dies schon so oft getan, das er nicht einmal mehr hinsehen musste. Ohne darüber nachzudenken bewegten sich seine Hände und Finger und betätigten die unzähligen Schalter und Hebel im Cockpit.

„Ready!“

Gare öffnete die Augen und fand sich im Universum wieder, vor ihm unzählige Victims, versteckt zwischen Meteoriten. Seine Aufgabe bestand darin, alle Victims zu vernichten ohne selbst großartigen Schaden davonzutragen.

Die Prüfung begann!
 

„Noch fünf.“, hörte er Leenas klare Stimme. Ruhig gab sie ihm nach jedem kurzen Kampf die Anzahl der verbliebenen Victims durch. Wie lange Gareas jetzt schon kämpfte konnte er nicht sagen. Es fühlte sich an wie Stunden, konnte jedoch nicht mehr als ein paar Minuten sein. Die Anderen hatten schließlich auch alle nur zwischen sieben und dreizehn Minuten gebraucht, Rio war sogar schon nach fünf fertig. Rekord halt. Im Moment fühlte sich der Grünhaarige großartig. Sein Atem ging zwar bereits Stoßweise und der Schweiß durchnässte seine Haare, doch seine Sinne waren aufs äußerste geschärft, ähnlich seine Konzentration.

Wieder ein Angriff. Reflexartig riss Gare seine Kanone hoch stellte in diesem Moment jedoch erschreckt fest, dass sie nicht reagierte.

„Gare, du hast keine Energie mehr für die Kanone. Du musst auf Nahkampf umsteigen!“, teilte ihm da seine Copilotin leicht panisch mit.

„Verdammt!“ Innerlich verfluchte Gareas sich selber. Nahkampf war das letzte was er wollte. Warum war er nicht sparsamer mit seiner Energie umgegangen? Wenn er mit dem Schwert kämpfte hatte er seine EX wesentlich schwerer unter Kontrolle.

Während ihm alle diese Gedanken durch den Kopf schossen nahm er nur schwach die Stimme Leenas wahr.

„Vorsicht, der Victim!!!“, schrie sie. Als die Worte im Gehirn des Piloten durchgesickert waren war es jedoch schon zu spät. Mit voller Wucht traf ihn die Attacke des Victims. Schmerzhaft schrie Gareas auf und brachte sich nur mit Glück außer Reichweite des Angreifers.

„Gare, alles okay?!“

„Geht schon.“, kam es gepresst. Blut lief ihm die Schläfe entlang und drohte in sein Auge zu laufen und ihm die Sicht zu versperren. Mit einer fahrigen Bewegung wischte er mit dem Arm darüber und zog sein Schwert.

Fast augenblicklich spürte er das wohlbekannte und verhasste Kribbeln in seinem Körper.
 

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Ähem, ich hätt da mal ne Frage: Liest das überhaupt wer?

4. Kapitel
 

Angespannt betrachtete Ernest seinen erschöpften Freund. Bis jetzt hatte dieser seine Prüfung wirklich hervorragend gemeistert doch nun begann der Blonde sich Sorgen zu machen. Aufmerksam musterte er das Gesicht des Kämpfenden. Parallel dazu tastete er mit seiner EX vorsichtig nach ihm. Und was Ernest spürte gefiel ihm gar nicht. Gareas EX stieg immer mehr an. Wenn der Grünhaarige nicht bald etwas unternahm, dann würde sie den kritischen Punkt überschreiten und eine EX-Reaktion auslösen. Diese Entwicklung gefiel ihm nicht. Ein Blick auf die Stoppuhr verriet dem Blonden das Gare gerade einmal vier Minuten und 10 Sekunden kämpfte. Somit zeigte er bis jetzt Höchstleistungen.

‚Halt durch Gare!’, betete Ernest im Stillen.
 

„Noch zwei.“

Leicht nickte Gareas um zu signalisieren, dass er verstanden hatte. Gleich würde er es geschafft haben, dann wäre endlich alles vorbei. Da schoss auch schon der vorletzte Victim aus seinem Versteck und attackierte ihn. Mit einer eleganten Drehung wich Gare aus und wollte seinem Angreifer den Gar ausmachen, als sein Radar auf einmal Rot aufleuchtete. Doch dieses Mal reagierten seine Reflexe schneller als sein Gehirn. Seine sowieso schon grünen Haare begannen zu leuchten, seine Augen blitzten auf und seine Muskeln spannten sich an. Das Kribbeln war nahezu unerträglich geworden.
 

„Ha, war ja klar das er’s nicht schafft!“, meinte freudig der Rothaarige. Schon die ganze Zeit über hatte er nur auf diesen Augenblick gewartet. „Er ist eben doch ne Flasche.“

Wütend fuhr Rio herum.

„Sag das noch mal!“, blaffte er die Nr. 22 an. Der Anwärter sah ihn nur abschätzig an.

„Ich sagte er ist ne Flasche. Nicht mal seine EX hat diese Niete unter Kontrolle. So was erbärmliches.“ Noch bevor er reagieren konnte hatte Rio sich schon auf ihn gestürzt. Sofort wollten einige andere Anwärter eingreifen. Auch einer der Prüfer versuchte, die zwei Streitenden zu trennen, doch diese hatten sich bereits zu sehr in der Wolle.

Von diesem Tumult unberührt blieb Ernest. Er hatte noch nicht einmal mitbekommen, was um ihn herum geschah. Das Einzige was er sah war sein Freund. Und dieser steckte gerade in enormen Schwierigkeiten.

‚Gare, konzentriere dich!’

Erschrocken zuckte der Angesprochene zusammen.

„Was…?“

‚Ich bin’s, Ernest. Meine EX ermöglicht mir dies…. Aber das ist jetzt egal! Du musst dich konzentrieren. Wenn du eine EX-Reaktion bekommst und sie nicht kontrollieren kannst, dann fällst du durch.’

„Aber ich kann sie nicht aufhalten…“, erwiderte Gare verzweifelt.

‚Dann lass es. Du musst dich nicht gegen sie sperren. Akzeptier sie, aber kontrollier sie. Lass sie nicht zu stark werden, dann kann sie dir bis zu einem bestimmten Grad sogar helfen!’
 

Die Verbindung brach ab. Erschrocken blickte Gare auf und schaffte es nur knapp, dem zweiten Victim zu entkommen.

Lass sie zu.

Das hatte er gesagt.

Leicht grinste Gareas. Obwohl es kein fröhliches Grinsen war, eher ein sehr sarkastisches. Er hatte sowieso keine andere Wahl mehr. Als die Reaktion zuzulassen. Seine Kraft reichte nicht mehr aus.

Langsam schloss er die Augen und entspannte sich. Sofort nahm das Kribbeln wieder zu, verstärkte sich zu einem Ziehen und dann… fühlte er gar nichts. Irritiert öffnete Gareas seine Augen. Und erstarrte. Er wusste nicht wieso, aber auf einmal hatte er das Gefühl unglaublicher Stärke. Er wusste er würde die Prüfung bestehen. Als Bester. Denn er wusste wo die Victims waren, konnte sie spüren und er wusste, wie er sie am Schnellsten beseitigen konnte.

Und dieses Wissen machte ihm Angst. Er war diese Macht nicht gewohnt. All die Empfindungen überrollten ihn auf einmal ohne das er sich wehren konnte. Gerade als er die Kontrolle verlieren wollte spürte er eine Berührung an seinem Arm.

‚Vertraue mir.’

Das war nicht Ernest. Es war eine Frauenstimme.

‚Vertraue mir, ich werde dich führen.’

Gareas überlegte nicht. Er folgte seinen Gefühlen. Er ließ sich führen.
 

„Die Prüfung ist beendet!“

Als Gareas den Raum betrat bot sich ihm ein sehr komisches Bild. Überall waren zerzaust wirkende Anwärter verstreut und in der Mitte standen sich Rio und die Nr. 22 gegenüber, festgehalten von jeweils zwei Leuten. Und alle starrten ihn mit offenem Mund an.

„Was ist denn hier passiert?“, fragte er nur verwirrt.

Auch über Ernests Gesicht schwebte ein gewaltiges Fragezeichen, denn er hatte von der Keilerei ja ebenfalls nichts mitbekommen, war er doch zu sehr auf Gare fixiert gewesen.
 

„Hahahahaha! Hihihi!!!! Ich kanns einfach nicht glauben… das…das ist doch…das ist einfach …haha…“

Genervt betrachtete Rio seinen Freund, der sich gerade wie ein Verrückter auf dem Boden kugelte und vor Lachen ausschüttete.

„Nun beruhige dich endlich. Nicht, das du noch erstickst. Und du auch Ernest! Hör auf so dämlich zu grinsen. Immerhin habe ich das nur für Garte gemacht. Ein bisschen mehr Dankbarkeit wäre da vielleicht angebracht!“

„So…sorry! Aber … aber das Bild … Wie ihr aussaht, als ich … als ich fertig mit der Prüfung war … einfach zu komisch…“ Leicht außer Atem setzte Gareas sich wieder auf sein Bett und versuchte krampfhaft, sein Lachen zu unterdrücken. Dadurch wirkte sein Gesicht merkwürdig verzerrt und er sah etwas gruselig aus.

„Aber das Ergebnis ist doch einfach zum Schießen…“, warf nun Ernest ein. Auch er kicherte noch.

Rio begann wieder gefährlich zu zucken. In ihm brodelte ein Vulkan, der jeden Moment drohte auszubrechen.

„Du hast halt Pech gehabt. Nimm es dir nicht so zu Herzen.“. mischte sich da Yu ein, der die ganze Zeit nur ruhig dagesessen hatte und seinen Tee schlürfte. Das war’s. Rio sprang wütend auf und schrie in den Raum hinein.

„Pech gehabt?! Ich war der Schnellste verdammt. Vier Minuten und neun Sekunden. Damit war ich der Schnellste. Selbst Gare hat vier Minuten achtzehn Sekunden gebraucht! Und dann drücken die mir wegen dieser bekloppten Schlägerei zehn Strafsekunden auf! Zehn! Das ist nicht fair…“

Den letzten Satz jammerte der Braunhaarige nur noch.

„Tja, und damit bin ich dann eine Sekunde schneller als du, ne?“, konnte sich Gare die Spitze nicht verkneifen. Wütend blitzende Augen fixierten ihn und gerade wollte sich Rio auf den Grünhaarigen stürzen, als eine gewaltige Erschütterung durch die Station ging und alles durcheinander wirbelte.

„Scheiße, was war das?“, keuchte Rio erschrocken, der nun auf seinem Hosenboden saß, Gare aus seinem Schoß. Ernest war aufgesprungen.

„Eine EX-Reaktion!“, meinte er tonlos.

„EX-Reaktion? Aber das war gewaltig. So etwas ist doch tödli…nein!“

Stumm starrte Gare den Blonden an, seine Augen fast flehend. Doch Ernest schüttelte nur schwach den Kopf. „Keine Chance.“, flüsterte er.

Wie von Furien gejagt stürmte Gareas aus ihrem Zimmer in Richtung der Explosion.

„Gare, warte!“ Die anderen drei Anwärter folgten dem jungen Hitzkopf.

„Ernest, weißt du, wer es war?“

Noch immer sehr blass schüttelte der Angesprochene den Kopf.

„Wer auch immer es war, es ist seine erste wirklich große EX-Reaktion. Und dann gleich so heftig …“

Je näher die vier Jugendlichen der Explosionsstelle kamen, desto mehr Anwärter liefen ihnen entgegen. Die meisten waren sehr panisch, es herrschte ein einziges Chaos. Nur mit Mühe konnten sich Gare, Ernest, Rio und Yu weiter nach vorne kämpfen. Doch all der Lärm und die Schreie der Anwärter wurden von den Anweisungen übertönt, die über die Lautsprecher unnatürlich laut zu hören waren.

„Sektion 14 total zerstört. Schotten 24-28 und 33-35 schließen. Evakuierung der Stationen 13 und 15. Alle begeben sich in den nördlichen und westlichen Teil der GOA.“

Doch diese Aufforderungen überhörten die vier geschickt. Endlich wurde es wieder leerer. Die Unfallstelle befand sich unmittelbar vor ihnen. Keuchend und nach Luft schnappend stoppten sie vor besagter Station 14.

„Nr.37! Nr.39! Nr.41! Nr.42! Was zum Teufel tun sie hier. Verschwinden sie, sofort!“, brüllte da Ausbilder Azuma und kam wutschnaubend auf sie zu. „Los, nun gehen sie endlich! Dieser Regelverstoß wird sonst noch weitreichende Folgen haben!“

Rio und Yu wichen ein Stück zurück und starrten Azuma nur entschuldigend an. Ernest dagegen achtete auf etwas ganz Anderes.

„Gare, was ist los…?“, fragte er besorgt, denn der Grünhaarige hatte gar nicht auf das Geschrei des Ausbilders reagiert. Auch den Blonden beachtete er nicht. Seine Augen blickten stumm auf eine zum Teil gesprungene, doch noch immer intakte Glasscheibe. Ernest folgte dem Blick und hielt erschrocken die Luft an.

Auf der anderen Seite konnte man wunderbar in das Innere der nun zerstörten Station 14 sehen. Lose Metallteile schwirrten ziellos umher und wurde langsam aber sich durch ein Loch, welches sich in der Außenwand des Raumschiffes befand, nach außen in den freien Weltraum gezogen. Die einstigen Computer waren kaum noch zu erkennen. Funken flogen keine, der Sauerstoff fehlte einfach. Das war wahrscheinlich auch der Einzige Grund, weshalb es bei einer Explosion geblieben war. Unter anderen Umständen wäre hier noch Einiges hochgegangen. In diesem Moment machte Ernest drei Kreuze, dass sie sich im Vakuum des Alls befanden.

Doch das, was wahrscheinlich Gareas Aufmerksamkeit so auf sich zog, war der stark verletzte Körper, der in der Mitte von all dem schwebte und ebenfalls in Richtung Freiheit abdriftete. Bei dem Verursacher dieser Katastrophe, die mit Sicherheit noch mehrere Verletzte, wenn nicht sogar Tote, mit sich gebracht hatte, war niemand anders als Nr.22. Die verhasste Nummer zweiundzwanzig, der rothaarige Junge, der sich immer über ihn lustig gemacht und ihn angegriffen hatte, der Junge, dessen Namen Gare, wie ihm schmerzlich bewusst wurde, noch immer nicht kannte.

„Wieso…?“, hauchte er tonlos.

Azuma betrachtete nachdenklich seinen Schüler, dann zuckte er gleichgültig mit den Schultern und sah ebenfalls durch die Scheibe.

„Niemand kann es sich bis jetzt genau erklären. Der Junge war nie auffällig mit seiner EX und hatte augenscheinlich auch sonst nirgends Schwierigkeiten. Doch der Schein kann trügen. Wenn ich die letzten Daten, die ich gerade von ihm erhalten habe, richtig interpretiere, dann besaß er wie du eine zweite EX. Doch er unterdrückte sie geschickt. Keiner hat etwas bemerkt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sie ausbrach, und dieser Moment war jetzt gekommen. Sein Körper hat der Belastung einfach nicht standgehalten. Schade, dabei wäre aus ihm ein wirklich hervorragender Pilot geworden.“

Gare zuckte zusammen. Das war es also, was sie bedauerten. Dass sie einen guten Piloten verloren hatten. Dass hier ein Mensch gestorben war wurde gar nicht weiter erwähnt. In diesem Moment tat ihm dieser Junge unendlich Leid. Vielleicht hatte er ihn deshalb immer fertig gemacht. Er hatte die gleichen Probleme wie er. Sie beide hatten mit einer zweiten EX zu kämpfen, doch im Gegensatz zu der Nr.22 war es ihm gelungen, seine Fähigkeiten unter Kontrolle zu bringen und sich nicht von ihnen zerstören zu lassen. Ja, irgendwie verstand Gare jetzt den Rothaarigen. Vielleicht hätte er an seiner Stelle auch nicht anders reagiert. Es muss für ihn wirklich frustrierend gewesen sein, als er selbst seine Ex unter Kontrolle bekommen hatte, während er sie noch immer krampfhaft unterdrückte und nicht beherrschen konnte.

„Los kommt, die Scheibe wird nicht mehr lange halten, wir müssen uns in Sicherheit bringen.“, meldete sich da wieder Azuma zu Wort.

Schweigend nickten die Anderen. Nur der Grünhaarige starrte noch immer geradeaus und rührte sich kein Stück. Wahrscheinlich stand er unter Schock. Ohne zu zögern griffen Rio und Yu Gare jeweils an einem Arm und zogen ihn mit sich. Sobald sie die Schleuse passiert hatten, wurde diese geschlossen. Von den Anwärtern hatte bis her keiner etwas gesagt. Schweigend traten sie den Rückweg an. Gareas mied die Blicke der Anderen. Er hatte wieder Angst. Angst, das sie nun sahen, wie gefährlich er wirklich war. Was in seiner Nähe passieren konnte und weshalb man ihn eigentlich meiden sollte. Er würde es seinen freunden nicht übel nehmen, sollten sie nun wieder Abstand von ihm halten wollen, doch er wusste, er würde es nicht verkraften. Zu abhängig war er inzwischen von der Freundschaft der anderen geworden. Alleine sein wäre sein Untergang. Er war es einfach zu lange gewesen.

Plötzlich spürte er, wie jemand seine Hand ergriff. Erstaunt hob er den Blick und begegnete den blauen Seen Ernests. Dieser lächelte ihn nur aufmunternd an und drückte seine Hand etwas fester. Als wolle er ihm so zu verstehen geben, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte. Sie würden ihn nicht allein lassen.

Gareas Blick wanderte zu den anderen Beiden. Als hätten sie es gemerkt wandten sie sich genau in dem Augenblick auch zu ihm um. Auch in ihren Gesichtern fand er keine Abweisung.

Zufrieden lächelte der Grünhaarige. In diesem Moment fühlte er sich unglaublich befreit und glücklich. Vielleicht würde doch noch alles gut werden.
 

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Ja, ich geb zu, das Ende war etwas kitschig. Na und? Ging nicht anders. Jetzt kommt noch der Epilog und dann ist es geschafft!



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Kommentare zu dieser Fanfic (3)

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Von:  RaspberryDevil
2009-09-10T17:20:41+00:00 10.09.2009 19:20
echt schöne Ff^^
wirklich schade, dass es kaum kommis hierfür gibt.
Ich fin die story ist dir sehr gelungen.
Sonst kann ich mich den andern beiden kommischreibern nur anschließen^-^
Von:  -Kei-
2008-12-26T20:49:10+00:00 26.12.2008 21:49
Hallo ^^

Also, mal ehrlich, ich kann nicht verstehen, warum du für diese FF keine Kommentare bekommen hast. Ich find' sie sehr, sehr schön.
Es ist unglaublich toll und du hast einen wunderbaren Schreibstil.
Und du hast meinen Geschmack auf jeden Fall voll getroffen, gibt schon alleine Bonuspunkte, dass Gareas der Hauptcharakter ist. x3~

Well, aber vielleicht liegt es wirklich daran, wie in dem vorherigen Kommentar schon gesagt, dass es wirklich wenig Leute gibt, die CfG FFs lesen. Und wenn sie sie lesen, kommentieren sie sie nicht.
Nah~ ist zwar schade, aber ist leider so.
Aber von mir bekommst du an dieser Stelle ein ganz Dickes Lob ^^

^.~
Liebe Grüße
Yamato
Von: abgemeldet
2008-10-06T22:07:08+00:00 07.10.2008 00:07
Hi!
Ich fand deine Story wirklich sehr schön geschrieben, noch dazu über Gareas (mein Favo). War spannend mal eine Geschichte über seinen Werdegang zu lesen und nicht diese traurigen storys in denen Ernest stirbt, etc...vorallem das Ende ist toll, als Gareas dann doch Mitleid für Nr.22 empfand.
Die meisten (darunter auch ich eigentlich) schauen hier unter "CfG" nur selten rein, da es kaum neue Geschichten oder Updates gibt. Umso mehr freu ich mich dann so eine Goldgrube wie die hier zu finden ^^

Top!

LG


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