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Abenteuer an der Pokémon Akademie

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Die Pokémonwelt.

Faszinierende Landschaften besiedelt von geheimnisvollen Wesen.

Und irgendwo mitten im Ozean zwischen den vier großen Regionen Kanto, Johto, Hoenn und Sinnoh lag eine Insel mit Namen Corona Island. Mit dem Festland war sie nur über vier große Straßen verbunden, die sich aus allen Himmelsrichtungen über das weite Meer erstreckten und allen Verkehrsmitteln den Zugang zu der sonst recht versteckten Insel ermöglichten. Corona Island war nicht unbedingt die größte Insel und für den unwissenden Betrachter auch recht unscheinbar. Neben der recht gut besiedelten Hafenstadt Lacunatown, gab es noch ein paar kleinere Dörfer nahe der Küste. Doch drang man weiter in das von dichten Wäldern bewachsene Herz der Insel vor, so stieß man auf das, was diese Insel zu etwas Besonderem machte- die Pokémon Superior Akademie. Schon seit 2 Jahrhunderten war diese Schule für ihre besonders gute und fortschrittliche Wissensvermittlung im Bereich der Pokémon in allen Ländern bekannt und brachte über die Jahre eine ganze Reihe exzellenter Trainer und genialer Wissenschaftler hervor. Wer hier studieren wollte, brauchte eine Menge Talent, Ehrgeiz und Durchhaltevermögen. Doch wer hier seinen Abschluss in einem der zahlreichen Spezialgebiete machte, war überall hoch angesehen. Deshalb war es für jede Familie eine große Ehre eines ihrer Kinder an dieser renommierten Akademie unterzubringen und das ließen sie sich einiges kosten.

Aber auch besonders talentierte Kinder aus ärmeren Elternhäusern oder diejenigen, denen eine Krankheit das Reisen unmöglich machte, gab die Akademie eine Chance, in dem sie jedes Semester 10 sogenannte „Gold-Tickets“ vergab, deren Besitzer sich über die Finanzierung ihrer Ausbildung über eine Stiftung freuen durften.

Und mit einem dieser heißbegehrten Tickets in der Hand saß ein junges Mädchen im Zug Richtung Corona Island. Sie hatte das obere Teil des Fenster leicht angekippt und genoss die angenehm kühle Meeresluft, die ihr über die Haut fuhr und mit ihren halblangen braunen Haaren spielte. Ihre vor Vorfreude funkelnden blauen Augen konnten in der Ferne schon die ersten Umrisse der Insel ausmachen. Langsam machte sich etwas Nervosität, aber auch ein angenehm prickelndes Gefühl der Spannung in ihr breit. Sie konnte es immer noch nicht fassen- sie war tatsächlich hier. Auf dem Weg nach Corona Island und der Erfüllung ihres großen Traumes ein ganzes Stück näher. Schon als kleines Kind wollte sie nichts anderes als Pokémontrainer zu werden und mit ihrem Lieblingspokémon die Welt erkunden, doch diverse Krankheiten hatten ihr das Reisen unmöglich gemacht und da ihre Eltern nicht zu den besser Verdienenden gehörten, hatte sie Jahr ein Jahr aus gewartet und sehnsüchtig jeden Tag vor dem Briefkasten gehangen, wenn es wieder an der Zeit der Platzvergabe gewesen war. Und nun, da sie bereist 16 war, hatte es endlich geklappt. Sie war eine von 10 Auserwählten, welche ein Gold-Ticket ihr eigen nennen durften. Den Monat seit Erhalt des heißbegehrten Schreibens hatte sie irgendwie nur in Trancezustand miterlebt und alle Gedanken wirbelten seither nur noch um die Akademie und einen ganz besonderen Wunsch. Das sie nun tatsächlich im Zug nach Corona Island saß und schon die ersten Häuser ausmachen konnte, kam ihr immer noch wie ein Traum vor. Sie war einfach nur von einem geradezu unfassbarem Glücksgefühl erfüllt. Immer unruhiger rutschte sie auf ihrem Sitzplatz hin und her und reckte sich, um mehr von der Insel zu erspähen. Die Hafenstadt war langsam immer deutlicher zu erkennen, doch für ihren Geschmack deutlich zu langsam. Der Zug schien sich nur wie ein müdes Raupy im gemächlichem Tempo voranzuschieben. Während sie ungeduldig mit den Füßen wippte und mit den Fingern auf der Lehne trommelte, ließ sie ihren Blick über die näherkommende Stadt streifen. Von der Hafenmauer aus zogen sich zahlreiche Anlegestege wie lange Finger in das, sie mit sanften Wellen umspülende, Meer. Kleinere Boote und luxuriöse Yachten reihten sich wie eine Perlenkette nebeneinander auf. Auf dem großen Platz wuselten hunderte bunte Punkte, wahrscheinlich die Bewohner der Insel, die sich mit frischen Lebensmitteln eindeckten, umher, die einen schönen Kontrast zu den sonst in strahlendem Weiß gehaltenen Häuserfassaden bildeten. Es wehte ein würziger Geruch von Fisch und Kräutern herüber und über allem segelte eine ganze Schar Wingull, die vorwitzig auf die Fischverkäufer schielten um sich im Moment ihrer Unachtsamkeit den einen oder anderen Leckerbissen zustibitzen. Doch so idyllisch der Anblick von Lacunatown auch war, das Mädchen hatte nur einen Gedanken- endlich ankommen! Und dieser Wunsch wurde ihr auch wenige Augenblicke später erfüllt, denn der Zug rollte langsam in den Zielbahnhof ein. Kaum das er mit kreischenden Bremsen hielt, stand sie schon mit ihrem riesigen Koffer, der sie an fast Körpergröße, auf jeden Fall aber an Gewicht, übertraf, bereit am Ausgang. Als die Tür sich träge zur Seite schwang, wäre sie am liebsten sofort herausgesprungen, doch ihr Koffer machte ihr da einen Strich durch die Rechnung, denn auf Grund seines Ausmaßes, war er äußerst schwer von der Stelle zu bekommen. Er hatte zwar Rollen, nur nütze ihr das bei den Treppen nicht viel. Also mühte sich das junge Mädchen mit schieben und zerren ab, um ihren Ballast die drei Stufen nach unten zu bekommen. Sie verfluchte sich schon selbst, dass sie so viel mitgenommen hatte, aber immerhin sollte sie hier die nächsten vier Jahre leben und da brauchte man schon so einiges. Also half alles jammern und fluchen nichts, irgendwie musste sie das schwere Teil aus dem Zug bekommen. Immerhin eine Stufe hatte sie schon geschafft, als der Koffer sich plötzlich mit einer Ecke irgendwo verhakte. Mit einem kräftigen Ruck am Gurt versuchte sie das Gepäckstück aus seiner Situation zu befreien, doch statt des Koffers löste sich auf einmal der Riemen und so richtete sich der Schwung ungebremst nach hinten und ließ sie straucheln. In ihrer aufkommenden Panik verfehlte die haltsuchende Hand die Tür. Durch die ungünstige Position knickte auch noch ihr Knie weg und sie verlor auch den Bodenkontakt, sodass sie nun nach hinten stürzte. Eine Schrecksekunde lang, meinte sie schon den schmerzhaften Aufprall auf dem Bahnsteig zuspüren, doch noch bevor sie den Boden berührte, wurde ihr Fall durch etwas Weiches abgebremst. Ein wenig verwirrt über den glimpflichen Ausgang ihres Sturzes, sah sie nach oben und direkt in die grau-blauen Augen eines jungen Mannes, die sie sofort in ihren Bann zogen und ziemliches Herzklopfen bescherten. Mit einem Schmunzeln auf den Lippen musterte er das Mädchen in seinen Armen, half ihr sich wieder ganz auf die eigenen Füße zu stellen und sagte dann: „Na da ist mir ja heute ein stürmischer Fang ins Netz gegangen.“

Sie nahm den Typ, der sie gerade vor dem Fallen bewahrt hatte, genau in Augenschein. Er war um einiges größer als sie, schmal, aber doch gut gebaut. Seine starken Arme hielten sie sicher, aber dennoch sanft fest. Die etwas längeren dunkelblonden Haare, die im Nacken zu einem kurzen Zopf zusammen genommen waren, und der Ansatz eines Drei-Tage-Bartes, der sein schmales Gesicht umrandete, verliehen ihm einen wildromantischen und leicht verwegenen Touch.

Das Mädchen merkte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Er sah so verdammt gut aus und sie war ihm direkt in die Arme gefallen. Irgendwie ein wahnsinnig toller Zufall, aber auch verdammt peinlich für sie. Ihr Herz schlug mittlerweile so laut, dass sie meinte, er müsse es hören können. Doch er lächelte nur charmant und ließ sie dann, für sie bedauerlicherweise, los. Irgendwie hätte sie das Gefühl in seinen Armen zuliegen, gern noch ein wenig länger genossen. Vor Faszination völlig sprachlos, brachte sie noch nicht einmal einen Dank zustande. Nachdem sie einen Moment einfach nur dagestanden und einander angesehen hatten, fand zumindest er seine Sprache wieder: „Na dann Kleine, pass auf dich auf.“

Er zwinkerte ihr zu, drehte sich um und so plötzlich wie er aufgetaucht war, war der mysteriöse Typ wieder verschwunden. Mit geröteten Wangen und verträumten Blick sah sie ihm hinterher. Sie hatte jegliches Gefühl für Zeit und Raum vergessen und so wusste sie gar nicht wie lang sie schon bewegungslos da stand, als der Schaffner sie ansprach um sich zu erkundigen, ob alles in Ordnung sei.

„Ja, alles gut. Könnt gar nicht besser sein.“, brachte sie gerade so hervor. Nachdem sie sich langsam aus der Beneblung gelöst hatte, versuchte sie sich um ihren Koffer zu kümmern und sich im Gewühl der Menschen zu orientieren. Irgendwo aus ihrer Tasche zauberte sie nach einigem Kramen einen zerknüllten Zettel hervor. Es war das Einladungsschreiben der Akademie, auf dem die genaue Anreiseroute verzeichnet war. Das immer noch etwas verwirrte Mädchen überflog das Schreiben und sah sich dann verzweifelt nach der Haltestelle des richtigen Busses um. Die meisten der Studenten hatten ihr eigenes Auto oder auch einen Chauffeur, waren also nicht auf einen Busbringdienst zur Akademie angewiesen, weshalb er auch nicht gerade oft fuhr, zu mal heut Sonntag war. Etwas erschrocken über die bereits sehr fortgeschrittene Zeit legte sie bei ihrer Suche nun doch einen Zahn zu. Der Riesenkoffer behinderte sie zwar immer noch, aber nun konnte sie ihn zumindest ziehen, oder besser gesagt hinterher schleifen, während sie verzweifelt versuchte im Gedränge der Passanten den richtigen Bus zu finden. Als sie schon total abgekämpft war, erspähte sie endlich am anderen Ende der großen Bahnhofsanlage eine Anzeige mit „Pokémon Akademie“. Der Bus stand schon da. Sie wollte sich gerade für einen Augenblick ausruhen, als sie hörte wie der Motor angelassen wurde. Von plötzlicher Panik erfasst, schnappte sie sich ihren Koffer und eilte so schnell sie ihre schon schmerzenden Beine trugen Richtung Busfahrer, denn so kurz vor ihrem Ziel wollte sie auf keinen Fall die einzige Chance in die Akademie zu kommen, verpassen. Als sie sich endlich an der Eingangstür des Buses befand, war sie völlig außer Atem. Allerdings konnte der Busfahrer auch so erkennen, dass das junge Mädchen mit ihrem riesigen Gepäckstück völlig überfordert war. Also stieg er freundlicherweise aus und half ihr wortlos den Koffer im Gepäckraum zu verstauen. Die Kleine konnte gerade so ein „Dankeschön“ hauchen, bevor sie im ersten Sitz den sie finden konnte zusammen sackte. Der plötzliche Stress der letzten Minuten hatten sie ganz schön geschafft. Doch nun saß sie erst mal und konnte kurz durchschnaufen, während sich der Bus endlich Richtung Akademie in Bewegung setzte. Nachdem sie einige Minuten durch das Hafchenstädtchen gefahren waren, wechselte das Landschaftsbild zu einem dichten Wald. Das saftige Grün der Bäume war zwar beruhigend, doch nach einiger Zeit auch ziemlich langweilig und da sie sich wieder ein bisschen erholt hatte verkürzte sie sich die Zeit damit die anderen Mitreisenden zu betrachten. Es waren nicht gerade viele Leute im Bus. Die meisten davon sahen um einige Jährchen älter aus, wahrscheinlich alles Schüler der höheren Klassen, doch ihr geheimnisvoller Retter war nicht dabei, wie sie einen Moment lang gehofft hatte. Zwei Reihen hinter ihr saß allerdings ein Mädchen etwa ihres Alters. Mit ihren roten gewellten Haaren, erinnerte sie sie gleich an ein Feuerpokémon. Doch das Mädchen hörte Musik und schaute gedankenverloren aus dem Fenster, sodass sie sich dagegen entschied diese anzusprechen, obwohl sie nicht gerne untätig allein in der Gegend rumsaß. Ganz am Ende des Busses hatte ebenso ein Mädchen, die möglicherweise in ihrem Alter war, Platz genommen. Diese sah sich neugierig die vorbeifliegende Landschaft an. Irgendwie sah sie sehr nett aus, doch sie anzusprechen hätte bedeutet aufzustehen und durch den ganzen Bus zu laufen und dazu hatte sie weder Lust noch genügend Kraft. Also konnte sie nur ebenfalls aus dem Fenster sehen. Doch außer Bäumen und ab und zu Wiesen und kleinere Berglandschaften gab es da nichts interessantes zu entdecken. Während der Bus sich immer weiter ins Inselinnere vorschob kam in ihr langsam wieder diese Unruhe auf. Als sie das große Portal, dessen Säulen zwei riesige Dragoran darstellten, passierten und die ersten weißen Mauern durch die Baumwipfel blitzen sah, meinte sie förmlich den Ruf der Akademie zu hören. In diesem Moment waren alle Leute um sie herum vergessen, denn sie hatte nur noch Augen für die allmählich immer klarer zu erkennenden Gebäude ihres Reiseziels. Dann, nach ein paar weiteren scheinbar nicht enden wollenden Minuten, hielt der Bus endlich vor einem weiterem großen Tor, der das unmittelbare Schulgelände markierte, an. Kaum das die Türen geöffnet waren, sprang sie die Stufen des Busses mit einem Satz herunter und bemerkte dabei kaum noch ihre vor Schmerzen schreienden Knie. Ungeduldig von einem Bein auf das andere hüpfend sah sie dem Busfahrer beim Ausladen ihres Koffers zu. Als sie endlich alles beisammen hatte, gab es kein Halten mehr. Sie hatte gar keine Augen für das wunderschöne altehrwürdige Hauptgebäude der Akademie durch dessen ausladende Flügeltür sie gerade schritt, sondern stürmte, soweit es ihr monströser Koffer zuließ, an die Rezeption um sich einzuschreiben. Mit einem strahlenden Lächeln steuerte sie auf die Frau hinter einer Theke mit der Aufschrift „Anmeldung“ zu und wurde mit einem ebensolchen von der Empfangsdame begrüßt: „Hallo, was kann ich denn für dich tun?“

„Ich will mich natürlich anmelden, was denn sonst?“ Sie war vor Aufregung total hibbelig.

„Und wie ist dein Name?“, wollte die Dame wissen.

„Ich bin Paula und ich warte schon sooooo ewig lang auf diesen Moment. Sie müssen wissen, ich hatte keine so leichte Kindheit...“, voller Übereifer fing Paula an von ihren Familienschwierigkeiten, vielfältigen Krankheiten, die ihr das Reisen hatten unmöglich gemacht, und ihrem großen Traum zu berichten. Als sie zehn Minuten später mit dem Schnellexkurs ihrer Lebensgeschichte fertig war, sah die Rezeptzionistin, die eigentlich lediglich den Namen des Mädchens hatte wissen wollen, sie leicht verdutzt an, erwiderte jedoch lieber nichts, sondern nahm das Ticket und gab die Daten der kleinen Plaudertasche in den Computer ein.

„Gut, damit wäre es erledigt.“, sie reichte Paula die Unterlagen zurück, „Damit bist du nun offiziell Studentin an der Pokémon Superior Akademie. Herzlich Willkommen.“

„Juhuu, endlich.“ Die frischgebackene Studentin machte einen Freudensprung, denn sie war nun nach so unendlich langer Zeit am Ziel ihrer Träume angelangt.

Die Empfangsdame lächelte sie leicht verwundert an und erklärte ihr dann den weiteren Ablauf: „Damit du dich auch zurecht findest, wird ein älterer Student dir den Weg zu deinem Zimmer zeigen. Hier ist der Schlüssel und ein kleines Willkommenspaket mit allem Notwendigem für die ersten Tage. Viel Erfolg!“

„Danke!“, strahlte sie zurück, wand sich dann jedoch von der netten Frau ab um zu einer Sitzgruppe, die sie ihr gewiesen hatte, zu gehen. Dort saß jemand lesend. Da niemand sonst in der Nähe war, nahm Paula an, dass es der erwähnte Mitstudent war, sodass sie ihn einfach freudig ansprach.

„Hallo, ich bin Paula. Ich glaub, du sollst mich zu meinem Zimmer bringen.“ Sie streckte ihm zur Begrüßung die Hand hin, doch er zeigte keinerlei Reaktionen.

„Hallo?“, fragte sie vorsichtig nach.

Doch immer noch blieb die Gestalt hinter dem neusten Pokémon-Technik-Magazin versunken. Langsam wurde es Paula zu bunt. Sie konnte es absolut nicht leiden ignoriert zu werden. Deshalb startete sie einen erneuten, etwas weniger freundlichen Versuch seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: „Hey du, ich red mit dir!“

„Is ja gut, mach mal keinen Stress Mädel.“ Endlich wurde die Zeitschrift nach unten genommen. Zum Vorschein kam ein ziemlich hagerer Typ mit sehr langen blonden Haaren, die zu einem Pferdeschwanz zusammen genommen waren. Ganz gemächlich legte er das Journal bei Seite, streckte sich kurz und sah sie dann freundlich, aber sehr gelassen an. Paula hatte keinen Schimmer, was er jetzt von ihr erwartete. Wollte er ne Extraeinladung oder was?

„Könntest du mich jetzt vielleicht auf mein Zimmer bringen?“, hakte sie leicht ungeduldig nach. Der Typ erhob sich ganz langsam und trat dann einen Schritt auf sie zu. Erst jetzt konnte sie sehen, dass er ebenfalls um einiges größer war als sie. Aber jeder Zentimeter dieses Körpers schien von einer unglaublichen Gemächlichkeit erfüllt zu sein, denn er machte immer noch keine Anstalten loszulaufen. Stattdessen sagte er: “Nur keine Hektik. Wir kommen heut schon noch an.“

Doch Paula wollte nicht irgendwann heute ankommen, sondern jetzt! Doch ihre Ungeduld schien vollkommen an ihm abzuprallen und so hatte sie keine andere Wahl als einen Gang runterzuschalten. Also klärte sie erst einmal etwas anderes: „Kannst du dich vielleicht auch mal vorstellen?“

„Joar.“, nickte der Typ bedächtig, sprach jedoch nicht weiter. Anscheinend musste man ihm jedes Wort aus der Nase ziehen.

„Und?“, hakte sie deshalb nach.

Nach einigen Sekunden der Stille brachte er dann endlich seinen Namen heraus: „Ich bin Max.“

„Ah danke, ich kann es nämlich nicht leiden, wenn ich nicht weiß, mit wem ich es zu tun habe. Also gut, Max, ich bin Paula. Freut mich dich kennen zu lernen.“, stellte sie sich noch einmal vor und dieses mal erwiderte er ihren Handschlag. „Könntest du mich jetzt bitte auf mein Zimmer bringen? Ich bin schon den ganzen Tag unterwegs und jetzt ziemlich fertig.“

„Ja, kann ich schon machen.“ Und endlich, nach etwa fünf zähflüssig dahingeronnenen Minuten, setzte er sich in Bewegung. Ungefragt nahm er ihren Koffer und zog ihn mit Leichtigkeit hinter sich her. Auch wenn er ihr wie ein zu dünn geratenes Flegmon vorkam, höflich war er zumindest. Und wenn sie nicht vor innerer Anspannung kurz vorm Explodieren gewesen wäre, so hätte sie seine Art sicherlich auch lustig gefunden. Doch nun war sie erst einmal froh, dass sie ihn hatte dazu bewegen können, sie zu ihrem Zimmer zu führen. Während Paula ihm folgte, sah sie sich ein wenig um. Der Korridor durch den sie liefen war mit rotem Velours ausgelegt, der obwohl sicherlich jeden Tag unzählige Menschen darauf herumliefen, immer noch wie frisch vom Teppichhändler aussah. Zu ihrer rechten hingen Bilder von Persönlichkeiten die an der Akademie zu Ruhm und Ehre gekommen waren, doch die interessierten sie ebenso wenig wie die blank polierten Statuen die eine lange Reihe bildeten. Zu ihrer Linken zog sich eine lange Fensterfront, die den Blick nach draußen auf zahlreiche unbekannte Gebäude ermöglichte und ihre Neugier weckten.

„Du Max, sag mal, was sind das alles für Gebäude?“

„Alles mögliche.“

Doch mit dieser undefinierten Antwort war sie bei weitem nicht zufrieden: „Geht es vielleicht auch etwas genauer?“

Er schien einen kurzen Moment zu überlegen, ob die Sache die Verschwendung von so vielen Wörtern überhaupt wert war, rang sich dann jedoch zu einer etwas ausführlicheren Antwort durch: „Also wir sind im alten Hauptgebäude. Früher waren hier die Unterrichtsräume, heute eigentlich nur noch Verwaltung und so’n Zeug. Sieht ganz nett aus, is aber prinzipiell nutzlos. Dort...“, er zeigte auf ein großes ziemlich modern aussehendes Gebäude, „...findet heute der Unterricht statt.“ Während der Ausführungen waren sie am Ende des langen Ganges angelangt und durchschritten nun eine Tür, die sie auf das Außengelände brachte. Über die Ausmaße des Areals und all die fremden Gebäude staunend folgte Paula Max einen gepflasterten Weg entlang, der gradewegs auf ein etwas abgesondertes Gebiet auf der anderen Seite zusteuerte. Zwei große Häuser erhoben sich jeweils hinter einer Hecke, die von einem geschickten Gärtner zu lauter Pokémonsilhouetten gestutzt worden war. Das eine zur linken Seite war länglich und in einer einfachen Bauart gehalten, während das Haus auf der rechten Seite etwas kleiner jedoch fast villenartig gebaut war. Zwischen den beiden Gebäuden lag eine ausgedehnte Rasenfläche. Da sie auf das Linke der beiden Bauwerke zu liefen, konnte Paula nicht erkennen, was sich hinter der Hecke des anderen verbarg, doch hier standen zahlreiche Tische und Bänke, die die Studenten zum Lernen im Freien einluden. Aber da das neue Semester erst morgen begann, war noch niemand dem Arbeitseifer erlegen.

„Maaax, was sind das für Gebäude?“, erkundigte sie sich.

„Dreimal darfst du raten, wenn ich dich zu deinem Zimmer bringen soll.“, erwiderte er.

„Dann wohnen hier also alle Studenten?“

„Genau.“

„Und warum gibt es zwei unterschiedliche Häuser? Hat das ne Bedeutung?“

„Joar.“, bestätigte er.

„Und welche?“ Paula wollte es ganz genau wissen, doch anscheinend war Max nicht gerade der Gesprächigste.

„Da..“, er zeigte auf das Gebäude vor ihnen, „ 1. und 2. Jahr, da drüben 3. und 4. Jahr. Ganz oben Elite.“

Seine allzu knappen Ausführungen machten sie nur noch neugieriger: „Wer ist denn die Elite?“

„Die besten 5 der ganzen Akademie.“, erklärte er.

Paula sah zum obersten Stockwerk des Nachbargebäudes mit seinen hübschen Erkern und wünschte sich einen Blick da rein werfen zu können.

Doch dann seufzte sie: „Ich glaub nicht, das ich da jemals dazugehören werde. In der Schule war ich nie so toll und sonst weiß ich auch nicht ob ich genügend Talent hab. Aber ja, ich hatte es ja nie ganz leicht, warum sollte es diesmal anders sein. Weißt du....“

Und während sie Max weiter in das Gebäude, das nun ihr zu Hause werden sollte, folgte, erzählte sie ein bisschen von ihrer komplizierten Vergangenheit. Max führte sie immer weiter durch zahlreiche kleine und größere Räume und Korridore, während er immer mal wieder ein „aha“, „interessant“ oder „Achtung Stufe“ einwarf.

Nach ein paar Minuten des Umherwanderns, blieb Max so unvermittelt stehen, dass Paula beinahe an ihn angerannt wäre.

„So da sind wir.“ Er zeigte auf die Tür rechts neben ihm.

„Super, ich kann es kaum noch erwarten.“ Ungeduldig kramte sie in ihrer Jackentasche wo sie das Papierzeug und den Schlüssel hineingestopft hatte. Sie konnte es kaum noch abwarten ihr neues Zimmer in Augenschein zu nehmen, doch aus den leicht zerknüllten Papieren und dem Schlüsselbund hatte sich ein ziemliches Knäul gebildet, das es erst mal zu entwirren galt.

„Na dann, alles weitere findest du im Willkommensschreiben.“ Max wandte sich zum Gehen, denn er hatte keine Lust sich noch weiter die Beine in den Bauch zu stehen.

Paula sah etwas verwirrt auf, rief ihm dann aber hinterher: „Danke dir. Hoffe wir sehen uns mal wieder.“

Er nickte zum Gruß und schlurfte dann mit den Händen in den Hosentaschen gemütlich davon.

Nun stand sie also allein in dem langen Flur in dessen Wänden sich zahlreiche Türen abzeichneten. Nach etwas Anstrengung schaffte auch die Neuangekommene endlich in ihr Zimmer zu gelangen. Auf den ersten Blick wirkte es nicht sonderlich komfortabel, aber mit Bett, Schrank, Schreibtisch und Regalen war das Wichtigste vorhanden. Es war nicht unbedingt das Größte, doch man hatte genug Platz ein wenig hin und her zu laufen und sicher auch um seine Sachen auf den Boden zu verteilen und trotzdem noch einen Gehweg zu behalten. Und gemütlich würde sie es sich schon noch machen. Spätestens mit den etwa 1000 Bildern eines besonderen Lieblings, die in den unendlichen Weiten ihres Koffers verborgen waren, würde Paula die in zartrosa gefärbten Wände schon verschönern. Auch die Inspektion des Bades fiel zu ihrer Zufriedenheit aus, denn obwohl es sonst recht klein war, stand eine Wanne darin, die geradezu nach Entspannungsbädern nach stressigen Schultagen rief. Alles in allem gefiel es ihr wirklich gut. Ihren Riesenkoffer zog Paula erst mal vor den Schrank und störte sich auch nicht daran, dass er umfiel. Sie schmiss sich erst mal selber ins Bett und atmete tief durch. Die Anreise war ganz schön anstrengend gewesen und das merkte sie nun. Doch sie ließ sich nur eine kurze Verschnaufpause, denn es gab noch viel zu tun und das Glücksgefühl das ihren Köper durchströmte, brachte auch eine große Portion Tatendrang mit sich, die sie gleich mal nutzen wollte.
 

Während sich Paula in ihrem Zimmer einrichtete, erreichte eine weitere neue Schülerin die Akademie. Das 17-jährige Mädchen wurde von ihrer Mutter mit dem Auto bis auf den Parkplatz kutschiert, obwohl sie liebend gern den Anreiseweg allein bewältigt hätte. Denn sie ahnte schon, was gleich noch kommen würde.

Kaum hatte ihr schon etwas in die Jahre gekommenes Auto einen Platz gefunden, fing ihre Mutter auch schon an zu schniefen: „So, da wären wir. Leider. Aber ich wusste ja, dass es eines Tages soweit sein würde. Nur bist du so schnell groß geworden.“ Mit Tränen in den Augen fuhr sie über die Wange ihrer Tochter.

„Ich bin doch nicht aus der Welt.“, gab diese eine kleine Spur genervt zurück. Bevor ihre Mutter gänzlich in Tränen aufging, stieg das Mädchen aus und fing an ihre Sachen aus dem Auto zu laden. Obwohl es ihr nicht unbedingt recht gewesen war, wie ein kleines Schulmädchen von ihrer Mutter bis vor die Tür gebracht zu werden, so musste sie sich doch eingestehen, dass sie bei dem ganzen Gepäck, für das zum Großteil jedoch auch ihre Mutter die Verantwortung trug, nicht unbedingt hätte mit Zug und Bus fahren wollen. Also musste sie nun ertragen, dass ihre Mutter sie begleitete. Als das Mädchen endlich auf das riesige Hauptgebäude der Akademie zuschritt, war sie sofort von seinem Baustil begeistert. Es hatte einen leicht gotischen Touch mit zahlreichen Zinnen und Türmchen die jeweils von verschiedenen Pokémonfiguren verziert wurden. Es war ein altes, aber sehr würdevolles Gebäude und erstrahlte immer noch im Glanz vergangener und zukünftiger Tage. Hier hatten also die unzähligen Pokémontrainer und Forscher die ihren Weg in die Analen der Geschichte gefunden hatten ihre Ausbildung genossen. Und nun hatte sie die einmalige Gelegenheit endlich in ihre Fußstapfen zu treten, obwohl sie bezweifelte, dass sie ausreichend Talent hatte. Ihre Noten waren zwar gut, doch sie wusste, das dies nicht allein reichen würde um ihre mangelnden Fähigkeiten wett zu machen. Sie hatte sich nichts sehnlicheres gewünscht als hier lernen zu dürfen, doch an den Erhalt eines Gold-Tickets hatte sie nie geglaubt. Das sie nun tatsächlich eines in der Hand hatte, hielt sie für pure Glückssache. Das Gefühl hier zu sein, erfüllte sie gleichermaßen mit Stolz, aber auch Angst den Erwartungen nicht gewachsen zu sein. Doch es ermöglichte ihr auch endlich aus dem heimatlichen Käfig auszubrechen. Es wunderte sie, dass ihre Mutter der ganzen Sache überhaupt zugestimmt hatte, doch anscheinend hatte selbst sie erkannt, dass dies eine einmalige Chance für ihre Tochter war, denn die Ausbildung an der Akademie war bei Weitem gefahrloser als eine Reise. Als sie auf das Hauptgebäude zuschritt, kam ein leiser Windzug auf, der ihr durch die langen dunklen Haare fuhr und den Hauch eines Gefühls von Neubeginn ihres Lebens mit sich trug. Durch tiefes Einatmen sammelte sie sich und betrat dann die Eingangshalle. Die Größe dieser versetzte das Mädchen jedoch gleich wieder in so ehrfurchtsvolles Staunen, dass sie die Begrüßung der Rezeptzionistin gar nicht mitbekam. Erst nach wiederholter Frage, reagierte das Mädchen.

„Ehm, ich möchte mich gern für das neue Schuljahr anmelden.“, brachte sie zaghaft hervor.

„Natürlich. Wie ist dein Name?“, fragte die Frau freundlich.

Während das Mädchen ihr die Unterlagen reichte, erwiderte sie leise: „Ich heiße Taja.“

Nach ein paar Einträgen im Computer war auch schon alles. Die Frau gab ihr die Papiere und einige weitere Unterlagen mit einem „Herzlich Willkommen, du bist nun offiziell an der Pokémon Superior Akademie eingetragen“ zurück.

„Danke sehr.“ Taja war zu aufgeregt um viele Worte herauszubringen und so nickte sie nur schüchtern lächelnd, während ihr die Empfangsdame den weiteren Ablauf erklärte. Sie sollte demnach von einer älteren Studentin den Weg gezeigt bekommen. Doch bevor sich Taja auf den Weg dahin machen konnte, musste sie noch etwas anderes erledigen und zwar ihre Mutter loswerden. Also ging sie zu ihr.

„So, Mama, ich bin jetzt eingetragen und werde gleich auf mein Zimmer gebracht.“

„Dann heißt es jetzt wohl Abschied nehmen.“, brachte diese mit weinerlicher Stimme hervor, „Pass bitte gut auf dich auf meine Kleine, du bist doch das einzige was ich habe. Iss vernünftig, lern fleißig und lass dich nicht mit irgendwelchen dubiosen Typen ein. Und denk dran, du kannst auch jederzeit nach Hause kommen.“ Mit dem Vortrag musste Taja auch eine fast schon schmerzhaft feste Umarmung über sich ergehen lassen. Zwar ging ihr das überfürsorgliche Getue ihrer Mutter auf den Geist, doch sie machte gute Miene zum bösen Spiel und antwortete auf alles brav und artig: „Ja, Mama.“

Und erst als sie ihr versprach alles zu beherzigen, sich aller zwei Tage zu Hause anmelden und an freien Tagen zu kommen, ließ ihre Mutter endlich von ihr ab.

„Ich werde dich ganz schrecklich vermissen.“, brachte sie unter Tränen hervor.

„Ich dich auch Mama.“, bestätigte Taja, auch wenn sie sich momentan nichts sehnlicher wünschte als das sie endlich ginge, denn mittlerweile hatten einige vorbeikommende Kommilitonen angefangen, die theatralische Abschiedsszene amüsiert zu verfolgen. Dann, nach schier unzähligen Umarmungen und Küsschen, löste sich ihre Mutter endlich und machte sich weinend auf den Weg zum Auto. Taja sah ihr winkend, aber sehr erleichtert hinterher. Sie mochte ihre Mutter ja eigentlich, aber ihre Gluckenhaftigkeit ging ihr gewaltig auf die Nerven und sie getraute sich nichts zu sagen, um sie nicht zu verletzen. Doch nun war es endlich soweit, nach 17 Jahren hatte sie nun endlich die Gelegenheit auf eigenen Beinen zustehen. Auch wenn sie wusste, dass es eine Umstellung werden würde, so freute sie sich doch unheimlich auf ihr neues Leben. Taja atmete noch einmal durch und schritt dann auf die ihr zugewiesene Studentin zu, die sie auf ihr Zimmer begleiten sollte. Auf dem Weg durch den langen Korridor zum Außengelände fielen ihr die ganzen Gemälde und Statuen auf. Als sie ihre Führerin danach fragte, erhielt sie gleich eine kleine Einleitung in die glorreiche Historie der Akademie. Taja hatte sich zwar schon zu Hause bestmöglichst über ihre neue Umgebung informiert, doch der ein oder andere Fakt war ihr entgangen. Aufmerksam folgte sie jeder Ausführung über wichtige Persönlichkeiten und Gebäude. Sie brauchte immer einige Zeit um sich irgendwo einzugewöhnen, deswegen wollte sie sich zumindest durch möglichst großes Wissen etwas Sicherheit verschaffen. Während sie der älteren Studentin zum Wohnheim folgte, versuchte sie sich die Wege genau einzuprägen. Es gab eine ganze Menge an Gebäuden, die auf dem riesigen Areal verteilt lagen, sodass sie schon jetzt die Befürchtung hatte sich in den ersten Tagen ständig zu verlaufen. Auch das recht schlicht gebaute, doch ziemlich große Wohngebäude, das sie soeben betraten, erwies sich mit zahlreichen Gängen als kleiner Irrgarten. Die zahlreichen Treppen in Kombination mit ihrem Gepäck ließen ihr den Weg noch länger erscheinen und so war sie unendlich froh als ihre Führerin plötzlich vor einem Zimmer Halt machte. Bevor sie ging, erklärte sie ihr noch kurz, das alle neuen Schüler später im Unterrichtsgebäude erwartet werden. Taja bedankte sich höflich und wandte sich dann ihrer Zimmertür zu. Da war sie nun also. Mit leicht zitternder Hand nahm sie den Schlüssel. Das Mädchen atmete noch einmal tief durch, bevor sie ihn in das Schloss steckte und entschlossen umdrehte. Die schwere Holztür schwang auf und gab den Blick auf das Zimmer frei, in dem sie nun hoffentlich die nächsten zwei Jahre bleiben würde. Es war vielleicht nicht das größte, aber sie war relativ anspruchslos. Hauptsache sie hatte einen Platz an dem sie sich zurückziehen und in Ruhe lernen konnte. Nachdem sie sich die schlichte Einrichtung angesehen hatte, machte sich Taja sofort daran ihre Sachen auszupacken. Alles bekam seinen definierten Platz. Beim Aufhängen der Kleidung im Schrank machte sie eine interessante Entdeckung. Dort hingen schon fein sauber aufgereiht mehrere Exemplare der Uniform der Akademie. Da das Semester im April anfing, handelte es sich um die Sommerversion, bestehend aus einem kurzärmligen weißen T-shirt mit Matrosenkragen und einem nicht ganz knielangem Faltenrock. Aus den zahlreichen Informationsblättern der Akademie wusste Taja, das jeder Neuankömmling seine Schuluniform in einer anderen Farbe bekam. So wurde es den Lehrern und Mitstudenten leichter gemacht sich die Vielzahl an neuen Gesichter einzuprägen. Die Farbe durfte man sich beim Ausfüllen des Annahmeformulars selber aussuchen. Bei Doppelnennungen entschied die Akademieleitung, was nicht selten vorkam. Ihr Wunsch war jedenfalls in Erfüllung gegangen, denn der Rock und der farbige Streifen auf Kragen, Ärmeln und Strümpfen, waren in wundervoll dunklem Lila gehalten. Auch das Cappi, das sie allerdings nur außerhalb der Gebäude tragen durften, hatte neben einem breiten schwarzen Streifen in der Mitte, ihre Lieblingsfarbe. Zwar mochte sie eigentlich lieber Hosen als Röcke, doch schon allein die Farbe reichte, damit die Uniform ihr gut gefiel. Und so schlüpfte sie gleich mal in ihre neue Alltagskleidung und betrachtete sich im Spiegel der mittleren Schranktür. Die Schuluniform sah wirklich sehr hübsch aus, nur hieß das noch lange nicht, dass sie sich damit auch hübsch fand. Nach ihrer Meinung schaffte das wohl kein Kleidungsstück. Doch bevor sie sich gleich wieder in ihrem negativen Gedankenwirrwarr verfing, wandte sich Taja lieber seufzend ab und ordnete weiter ihre Sachen. Nachdem alles seinen Platz gefunden hatte, setzte sie an den Schreibtisch, der das Meiste von der Fensterfront einnahm, und besah sich die Unterlagen, die ihr die Rezeptzionistin erst überreicht hatte. Darunter befand sich die Hausordnung, welche sie jedoch fast schon auswendig kannte, ein Begrüßungsschreiben, Lagepläne und der Ablaufplan für die ersten Tage. Auf letzterem Blatt war für den heutigen Sonntag die Zusammenkunft der neuen Schüler im Unterrichtsgebäude verzeichnet und das für 16 Uhr. Taja hatte also noch eine Stunde Zeit um dort zu erscheinen. Doch da sie sich nur schwach an das bewusste Gebäude erinnern konnte, wollte sie sich rechtzeitig auf den Weg machen. Also schnappte sie sich den lila Rucksack mit dem Akademie-Emblem und packte alles ein, was sie eventuell für die erste Stunde brauchen konnte. Sie war sich nicht sicher was sie mitnehmen sollte, also packte sie lieber alles ein, was ihr wichtig erschien. Während des Einpackens kam langsam wieder Nervosität in ihr hoch. Immerhin musste sie gleich ihr schützendes Zimmer verlassen und sich ganz allein auf dem riesigen, fremden Gebiet zurecht finden. Außerdem würde sie wohl bald auf ihre Mitschüler und Lehrer treffen und das bereitete ihr zusätzlich leichtes Unbehagen. Doch sie musste da durch, schließlich hatte sie unbedingt auf die Akademie gewollt. Mit dem Lageplan in der leicht zittrigen Hand schritt sie also zur Tür und machte sich auf den Weg zum Unterrichtsgebäude.
 

In der Zwischenzeit war Paula so mit dem Zukleistern ihrer Wände beschäftigt, dass sie die Welt um sich herum völlig vergessen hatte. Und wenn sie nicht zufällig während des Anklebens der Bilder über ihrem Bett auf das Terminblatt, das wie alle anderen Unterlagen verstreut in der Gegend rumlag, getreten wäre, so hätte sie wohl bis zum Abend in aller Seelenruhe weitergemacht und den ersten wichtigen Termin ihres neuen Lebens als Student der Pokémon Akademie verpasst. So aber warf sie gerade noch rechtzeitig einen Blick auf die große, fettgedruckte Ankündigung des Treffens. Hastig schmiss sie ihre Sachen in den pinkfarbenen Rucksack und machte sich in Richtung, in der sie das Gebäude vermutete, auf. So richtig hatte sie nicht mehr im Gedächtnis, welches der vielen Häuser, die rund um einen großen Platz angeordnet waren, Max als Unterrichtsgebäude bezeichnet hatte. Es war irgendwo relativ am Anfang des Weges gewesen, also steuerte sie einfach mal auf eins zu und hatte sogar Glück. Paula hatte es zumindest bis hierher geschafft, nur stand sie plötzlich vor einem noch größeren Problem. Sie hatte die Zimmernummer vergessen! Und das Informationsblatt lag natürlich noch auf dem Bett.

‚Asche! Warum hab ich nicht daran gedacht.’

Doch es half ihr auch nicht weiter, sich in Gedanken Vorwürfe zu machen. Sie konnte nur hoffen, das sie jemanden aus ihrer Klasse, oder zumindest überhaupt irgendjemand auf diesen menschleeren Fluren fand, den sie nach dem Treffpunkt fragen konnte. Doch während sie durch die eintönigen Gänge hastete, war alles wie ausgestorben. Klar, für die meisten fing erst morgen der Unterreicht wieder an, aber es konnte doch nicht sein, das absolut gar niemand hier unterwegs war. Paula bekam schon leicht Panik, dass sie doch im falschen Gebäude gelandet war und dieses Zimmer wohl nie finden würde, als sie plötzlich eine Gestalt sah, die etwas verloren mitten im Gang rumstand.

„Hey, du! Weißt du wo das Treffen für die neuen Schüler ist?“, sprach sie den Fremden an.

Der völlig in schwarz gekleidete Junge drehte sich zu ihr um und meinte: „Ne, keinen Plan, ich such auch schon seit ner Ewigkeit.“

Die Erleichterung endlich jemand gefunden zu haben, wich der Enttäuschung, das auch er ihr nicht weiterhelfen konnte. Aber immerhin würde sie nicht allein zu spät kommen.

„Das ist blöd, aber wenigstens können wir jetzt zusammen suchen.“, versuchte sie der ganzen Sache noch etwas Positives abzugewinnen.

„Na von mir aus.“

Und so setzte sie mit dem Jungen in ihrem Schlepptau die Suche fort.

„Also ich bin Paula.“, stellte sie sich vor, „Und wie heißt du?“

„Konrad. Kannst mich aber Gonni nennen.“

„Gut, dann Gonni. Du bist auch neu, oder? Hast du auch ein Gold-Ticket?“ Paula versuchte ihre innere Anspannung, die durch die Angst es nicht mehr rechtzeitig zu schaffen entstand, durch ein zwangloses Geplauder abzubauen.

„Nö, ich hab keines, geh aber trotzdem in die C-Klasse.“, antwortete er.

„C-Klasse?“ Paula hatte keine Ahnung was das sein sollte.

Der Junge sah sie etwas erstaunt an, erklärte aber dann: „Na es gibt doch 3 verschiedene Klassen für alle Neuen. Je nach Alter und wie viel Kohle die Alten der Schule gesponsert haben. Die mit den Tickets gehen immer in die letzte, die C-Klasse.“

„Und warum bist du dann in meiner Klasse?“, hakte sie nach.

„Ich bin schon bisschen älter als die meisten, wenn sie hier anfangen. Damit ist man auch automatisch C-Schüler.“, gab er gelassen Auskunft.

Gerade wollte Paula nach dem Grund seiner verspäteten Einschulung fragen, als plötzlich ein lauter, qualvoller Schrei ertönte. Erschrocken zuckte sie zurück und nahm damit glücklicherweise auch den Fuß von etwas Weichem. Beim Abbiegen an einer Ecke war sie versehentlich auf etwas getreten, das dort für sie verborgen, gestanden hatte. Und dieses etwas funkelte sie nun wütend an. Es war ein Mauzi mit einer solch finsteren Mine, dass es Paula kalt den Rücken runter lief. Während es seinen geplätteten Schwanz in der einen Pfote hielt, ließ es die Krallen, die im Schein der Deckenleuchten gefährlich aufblitzten, aus der anderen herausfahren und fauchte bedrohlich. Obwohl das Mädchen normalerweise keine Angst vor Pokémon hatte, so war ihr dieses Mauzi nicht geheuer. Sie wich vorsichtshalber einen Schritt zurück, doch das Katzenpokémon folgte ihr. Ein weiterer ausweichender Schritt wurde jedoch vom herannahenden Gonni gestoppt, der von dem außergewöhnlichen Zusammenstoß noch nichts mitbekommen hatte.

„Was’n los?“ Er konnte gerade noch die Frage zu Ende formulieren, da setzte das Mauzi gewand zum Sprung an und schoss auf die beiden zu. Paula duckte sich instinktiv, doch selbst das brachte sie nicht aus der Trefferlinie der säbelartigen Klauen.

„Mauzi! Zurück!“, ertönte wie aus dem Nichts ein Befehl. Gerade noch rechtzeitig ließ das Mauzi von seinem Ziel ab, bevor seine Krallen bleibende Spuren in Paulas hübschen Gesicht hinterlassen konnten. Es landete elegant auf dem Boden, knurrte die beiden ziemlich erschrockenen Schüler an und ging in Richtung der Stimme davon. Am Ende des Flures konnte Paula eine lässig an die Wand gelehnte Gestalt ausmachen. Als Gonni und sie auf ihren Retter zugingen, konnten sie einen etwas kleineren Jungen erkennen. Er schein ein paar Jahre jünger als sie zu sein, denn sein recht scharf geschnittenes, schmales Gesicht hatte immer noch kindliche Züge. Sein fast schon silbern glänzendes, helles Haar war mit Hilfe von viel Gel zur Seite gekämmt wurden und ließ nur den Blick auf das linke, eisblaue Auge zu.

„Vielen Dank, das du das Mauzi zurückgepfiffen hast.“, bedankte sich Paula bei dem schon fast edel aussehenden Jungen.

Er wandte sich ihr zu, musterte sein Gegenüber gründlich und erwiderte dann mit dem abschätzigsten Blick zu dem er im Stande war: „Pah, denk nur nicht, ich hätte Mauzi wegen euch zurückgehalten. Ich wollte nur den edlen Teppich der Akademie nicht mit Blut zweier Ratten besudeln.“

Paula musste schlucken. Hatte der Junge gerade tatsächlich das gesagt, was sie gehört hatte? Das durfte doch wohl nicht wahr sein.

„Wie bitte?“, hakte sie mit einer Mischung aus Entsetzen und aufkommender Wut in der Stimme nach.

Der Angesprochene erwiderte nur schulterzuckend: „Was denn? Wegen zwei toten C-Klässlern würde doch niemand eine Träne vergießen. Aber der schöne Teppich müsste erst mal zur Reinigung.“

In Paula begann es langsam zu brodeln. Das war seit Langem das Unverschämtestes was man ihr hatte an den Kopf geworfen. Ihr schwirrten jede Menge unschöner Wörter in Gedanken herum, doch sie versuchte sich erst mal zusammenzureißen und fragte so ruhig es ihr möglich war: „Und wie bitte kommst du darauf, das wir C-Klässler sind?“

Der Junge sah sie angeekelt an und erklärte dann: „Euch Dreckspack riech ich 100 Meter gegen den Wind.“

Das war sowohl ihr als auch Gonni zuviel. Während sie mit einer Beschimpfungstirade beginnen wollte, hob ihr neuer Begleiter die Fäuste, ließ die Knöchel knacken und setzte an, um dem widerlichen Angeber sein freches Maul zu stopfen. Doch beide kamen nicht mehr dazu, denn es tauchte jemand hinter dem Ekelpaket auf.

„Leroy, gibt es hier Probleme?“, erkundigte sich eine hochgewachsene Frau mittleren Alters.

Der Angesprochene musterte Paula und Gonni noch einmal mit einem frostigen Blick und erwiderte dann: „Nein, alles bestens.“ Zu seinem Pokémon gewandt sagte er: „Komm Mauzi, an diesem Abschaum machen wir uns nicht die Finger schmutzig.“ Mit arrogant gehobener Nase stolzierten beide davon.

Paula hätte ihm am liebsten sämtliche verfügbaren Beleidigungen hinterher geschrieen, doch bevor sie den Mund aufmachen konnte, kam ihr die fremde Frau zu vor. Kopfschüttelnd sah sie dem Jungen namens Leroy hinterher: „Typisch A-Klasse. Jedes Jahr das Selbe.“

Dann wandte sie sich an die beiden immer noch ziemlich wütend aussehenden Schüler: „Und ihr beide seid bestimmt meine letzten fehlenden Schäfchen. C-Klasse?“

Obwohl Paula wirklich kurz vorm Überkochen war, beruhigte sie das nette Lächeln der dunkelhaarigen Frau etwas. Zur Antwort nickte sie trotzdem nur.

„Na dann kommt mal mit.“, wies sie die beiden an. Paula und Gonni hatten über diese ungemütliche Begegnung völlig vergessen, das sie eigentlich auf der Suche nach ihrem Klassenzimmer gewesen waren. Erleichtert nicht mehr planlos in den Gängen herumirren zu müssen, folgten sie ihr schließlich in einen der vielen Räume. Die Frau, anscheinend ihre Lehrerin, stellte sich hinter das Pult. Als Paula in das recht geräumige Zimmer eintrat, versuchte sie ihre Nervosität zu unterdrücken. Doch die Tatsache, dass sie nun schon etwas zu spät war und wie sie erkennen musste, offensichtlich neben Gonni die einzige war, die verschlafen hatte, dass man bereits zu diesem Treffen hätte seine Schuluniform anziehen sollen, machten dies nicht gerade leicht, denn alle, teilweise sehr skeptischen Blicke ihrer 18 Mitschüler waren nun auf sie gerichtet.

Ihre Lehrerin entspannte die etwas unangenehme Situation: „So, dann wären wir vollzählig. Sucht euch mal einen Platz und dann fangen wir an.“

Gern kam Paula dieser Aufforderung nach. Da ihre Klassenkameraden pünktlich gewesen waren, hatten sie freie Platzwahl gehabt. Für sie blieb nun also nur noch einer der beiden letzten Plätze und da sie nicht ganz hinten sitzen wollte, entschied sie sich für den ersten Tisch der Fensterreihe. Sie unterdrückte ihre innere Unsicherheit und ging zielstrebig auf ihren Sitzplatz zu. Kaum das Gonni und sie es sich bequem gemacht hatten, fuhr die Lehrerin fort: „Sehr gut. Nun dann möchte ich euch alle noch einmal herzlich auf der Pokémon Superior Akademie auf Corona Island begrüßen. Ihr werdet nun hoffentlich die nächsten zwei Jahre meine Schüler der C-Klasse sein. Mein Name ist Professor Amber, Spezialistin für Pokémon-Mythen. Ich werde eure Klassenlehrerin sein und stehe bei Fragen und Problemen jederzeit zur Verfügung. Nur hoffe ich, es wird zumindest von Letzteren weniger geben.“, sie zwinkerte ihnen zu, „ Die ersten zwei Wochen werden sicherlich nicht ganz einfach sein, aber ich bin mir sicher, ihr werdet euch hier schnell einleben und Freundschaften schließen. Und noch etwas wichtiges: lasst euch von den A-Schülern nicht runtermachen. Sie mögen glänzende Uniformen tragen, aber Talent kann man sich auch mit Geld nicht kaufen.“

Ein leises Murmeln ging durch die Klasse. Offensichtlich hatten viele schon gehört, das es meist ein paar Differenzen zwischen der A- und der C-Klasse gab.

Während Prof. Amber mit ihrer Ansprache über alles Wichtige des neuen Lebens an der Akademie weitermachte, wanderte sie unter den neugierigen Blicken ihrer Schüler an der Tafel entlang. Nach etwa 10 Minuten kam sie dann aber endlich zum Hauptgrund des heutigen Treffens: „Alles weitere erfahrt ihr morgen, doch nun wollen wir zum Wichtigsten kommen. Ab morgen werdet ihr die Verantwortung für ein junges Pokémon übernehmen. Und damit ihr auch wirklich gut zu euren Gefährten passt, ist es an unserer Akademie üblich einen Persönlichkeitstest durchzuführen. Nach verschiedenen Kriterien wird dann das passende Pokémon für euch ausgewählt. Also bitte ich euch nun diese Fragebögen gewissenhaft auszufüllen.“ Sie ließ einen großen Stapel Papier durch die Klasse geben.

Bei Erhalt des dicken Packens kam in Paula ziemliche Ernüchterung hoch. Sie hatte nicht gewusst, das es mit sooo viel Arbeit verbunden sein würde, ein Pokémon zubekommen. Und im Grunde waren ihr diese Fragen auch völlig egal, für sie gab es sowieso nur ein einziges richtiges Pokémon. Aber um sich die Zeit zu vertreiben, machte sie ein paar lustlose Kreuze bei den multiple choice Fragen. Auf Fragen, die eine ausführlichere Beantwortung nach ihren Vorlieben und Verhaltensweisen verlangten, gab sie nur halbherzige, möglichst knappe Berichte. Viel mehr Spaß machte es ihr, in jeden noch so kleinen verbleibenden Spalt „Glu Glu Glumanda“ zu schreiben oder die Seiten mit Bildern eben dieses Pokémons zu verschönern. Nur ein Blinder hätte nun wohl noch nicht gewusst, welches Pokémon sie sich mehr als alles andere auf der Welt wünschte. Obwohl, nein, nur ein gehörloser Blinder hätte es nicht gewusst, denn sie begleitete das Ausfüllen auch mit einem leisen melodischem Glu-Glu-Glumanda-Gesang. Und die Lehrer mussten schon nicht bei Verstand sein um ihr nach der ganzen Arbeit kein Glumanda zu geben. Was die Antworten sagten, war dann bestimmt schnuppe. Hoffe sie zumindest. Aber ein anderes Pokémon kam für sie eh nicht in Frage. Glumanda oder nichts. Punkt.
 

Doch nicht alle gingen das Ausfüllen mit solcher Leichtfertigkeit an. Taja musste bei einigen Fragen wirklich lange nachdenken wie sie reagieren würde. Ausführlich beschrieb sie jede Kleinigkeit. Sicherlich war jedes Detail von Wichtigkeit um ein Urteil fällen zu können. Als die Lehrerin die Bögen nach gut eineinhalb Stunden wieder einsammelte, hatte sie sich im wahrsten Sinne des Wortes die Finger wund geschrieben. Sogar die Rückseiten waren teilweise mit Berichten gefüllt. Ob die Lehrer bei ihrer miserablen Handschrift auch nur ein Wort würden entziffern können, bezweifelte sie, doch zumindest hatte sie sich große Mühe gegeben. Irgendein Pokémon würde schon für sie gefunden werden. Sie hatte zwar einen bestimmten bevorzugten Elementtyp und auch eine leichte Präferenz zu einem der Starterpokémon, doch sie wollte sich gar nicht erst der Illusion hingeben, das ihr Wunsch in Erfüllung gehen könnte. Sie hatte beschlossen sich mit dem zufrieden zu geben, was sie bekommen würde. Irgendwo hatte auch jedes Pokémon seine Vorzüge und war liebenswert. Und außerdem zeichnete es einen guten Trainer aus, das er mit allen Pokémon klar kam, ganz gleich ob er es nun besonders gern mochte oder nicht. Deshalb würde sie sich einfach mal überraschen lassen, wie die Lehrer sie einschätzen würden.

Doch nun hatte sie erst einmal damit zu tun Prof. Ambers Anweisungen für den nächsten Tag zu folgen und sich den Ablauf akribisch zu notieren. Nach einer guten halben Stunde endete endlich der ganze organisatorische Vortrag.

„So, das wäre geschafft. Ich hoffe ihr habt soweit alles verstanden. Nun ist es Zeit fürs Abendessen. Das wird üblicherweise im Speiseraum eures Wohngebäudes eingenommen. Also schlage ich euch vor, wir gehen nun gemeinsam rüber und ich zeige euch alles.“

Diese Worte der Lehrerin hörten die meisten sehr gern. Auch Paula war das mehr als willkommen, denn sie hatte sich die letzte Zeit wegen ihres Magenknurrens schon gar nicht mehr auf die Ausführungen konzentrieren können. Die ganzen Termine und Orte vollführten schon einen ziemlich wirren Tanz in ihrem Kopf, sodass sie nicht sagen konnte, ob sie sich wirklich alles richtig aufgeschrieben hatte. Doch das war ihr momentan egal, irgendwie würde sie schon mitbekommen, wann sie wohin musste. Hauptsache es gab erst mal was zu essen. Wie alle anderen packte sie erleichtert ihre Sachen zusammen. Auch wenn Paula nach den ganzen Anstrengungen des Tages gern bald ihre Ruhe haben wollte, so war sie insgeheim doch froh, dass es im Klassenverband zum Abendessen ging, denn auf noch eine verzweifelte Suchaktion hatte sie keine Lust. Als sie sich ihren Rucksack überwarf, erwischte sie jedoch damit eine ihrer Klassenkameradinnen, die gerade vorbei ging und der daraufhin ihr Hefter aus der Hand fiel. Alle darin befindlichen Blätter nutzen die Gelegenheit zu einem Ausbruchsversuch und verteilten sich in der Gegend.

„Tschuldigung, das wollt ich nicht.“ Paula hatte schon die Befürchtung, dass das Mädchen mit den kurzen Zöpfen sie gleich angehen würde, doch diese lächelte nur freundlich und sagte: „Ach, das macht doch nichts.“

Gemeinsam sammelten sie die umliegenden Papiere wieder ein. Währenddessen seufzte Paula leise vor sich hin: „Das ist irgendwie nicht mein Tag.“

Denn es war ihr ja heut schon so manches daneben gegangen.

Ihre Klassenkameradin hatte sie gehört und erwiderte mit einem aufmunternden Zwinkern:

„Mach dir nichts draus, das kann jedem passieren. Außerdem hätte ich meinen Hefter auch einstecken können, dann wäre gar nichts geschehen. Und nun sind doch schon wieder alle beisammen.“ Sie ordnete die Blätter schnell wieder in den Hefter und steckte ihn dann gleich weg. Als sie sich zum Gehen umwandt, lief sie allerdings gegen ein weiteres Blatt, das ihr hingehalten wurde.

„Hier, das gehört dir.“ Gonni hatte das letzte entflohene Papier eingefangen.

„Danke dir.“ Seine Klassenkameradin nahm es ihm ab und verstaute es in ihrem Rucksack.

„So, nun sollten wir aber gehen, sonst verpassen wir den Anschluss.“

Das Mädchen hatte Recht. Die meisten ihrer Mitschüler hatten von dem kleinen Zusammenstoß nichts mitbekommen und waren einfach der Lehrerin gefolgt. Paula, Gonni und das Mädchen waren nun also die Letzten im Klassenzimmer und mussten sich sputen um noch zu den anderen zu kommen. Zum Glück sahen sie immer noch den ein oder anderen Rücken um eine Ecke biegen, sonst hätten sie sich wohl gleich wieder ziemlich verlaufen. Als sie draußen waren, legten sie noch einen Zahn zu, um die Distanz zum restlichen Trupp ihrer Klasse zu verringern. Als sie kurz vorm Wohnheim doch noch aufschlossen, war Paula ganz schön außer Atem. Langsam merkte sie, das die lange Reise ihr in den Knochen steckte. Doch sie unterdrückte die Schmerzen, um nicht den Weg zum Speisesaal zu verpassen. Der lag im Keller verborgen und erwies sich als ziemlich groß, denn immerhin war er dazu ausgelegt worden 120 Schüler zu den Frühstücks- und Abendbrotzeiten zu fassen. Und so gab es einige Reihen langer Tische und Bänke, aber auch immer wieder einzelne kleinere Sitzgruppen. Im hinteren Teil lag ein abgetrennter Bereich, dessen Zweck Paula zunächst verborgen blieb. Viel wichtiger war im Moment auch der große Thekenbereich, wo sich der Wunsch eines jedem knurrenden Magens erfüllte. Neben einem langem Tisch voll verschiedenster Brot- und Belagsorten, gab es auch eine Salatbar, eine Theke mit unterschiedlichen warmen Speisen und ein umfangreiches Dessertbuffet. Und alles, aber auch wirklich alles, was Paula zu Gesicht bekam sah verdammt lecker aus. Nur war es deshalb genauso schwer sich zu entscheiden. Da sie heute kein richtiges Mittagessen gehabt hatte, meldete sich ihr Magen nun verstärkt und so nahm sie schließlich eine große Portion Spagetti mit Tomatensauce und dazu noch eine große Schüssel herrlich frisch duftenden Tomatensalat. Sie war mit dem Angebot mehr als zufrieden und beschloss sich schon mal über die Versorgung keine Sorgen mehr zu machen. Die Akademie schien am leiblichen Wohl ihrer Studenten sehr interessiert. Und dank ihres Gold-Tickets brauchte sie sich auch keine Gedanken über die Finanzierung machen. Das einzige Problem, was sich im Moment für sie ergab, war die Frage wo sie sich hinsetzen sollte. Außer ihrer Klasse und einer anderen Klasse waren noch nicht allzu viele Studenten anwesend, sodass es mehr als reichlich Platz gab. Die meisten ihrer Klasse hatten sich vereinzelt hingesetzt. Paula wollte nicht gern allein essen, doch sie hatte keine Ahnung zu welchem ihrer neuen Mitschüler sie sich setzten sollte. Und der einzige den sie bereits kannte, war noch mit der Essensauswahl beschäftigt. Als sie jedoch sah, dass das Mädchen mit dem sie erst zusammengestoßen war, ebenso unschlüssig in der Gegend rumstand, beschloss Paula sie anzusprechen.

„Hallo, sag mal, wollen wir uns vielleicht zusammen setzen?“

Das Mädchen sah sie erleichtert an und erwiderte dann mit einem strahlenden Lächeln:

„Ja, sehr gern.“

Sie suchten sich einen Platz und ließen sich geschafft fallen.

„Stört es euch, wenn ich mich zu euch setze?“ Plötzlich stand Gonni hinter Paula.

„Nein, nein, setz dich.“ Sie war wirklich froh Gesellschaft gefunden zu haben.

„Ach ja, ich bin übrigens Franziska.“, stellte sich das Mädchen ihr gegenüber vor, „Aber meine Freunde nennen mich Tifi. Könnt ihr gerne auch.“

„Hi, ich bin Paula.“

„Gonni.“

„Freut mich euch kennen zu lernen. Ich bin froh, das ich nicht allein essen muss. Gemeinsam schmeckt es gleich viel besser.“, strahlte Tifi.

„Das ist wahr.“ Ihr fröhliches Lächeln ließ auch in Paula, trotz ihrer schmerzenden Knochen, wieder gute Laune aufkommen. Und so war das Eis nach kürzester Zeit gebrochen und die drei unterhielten sich, während sie das vorzügliche Essen der Akademieküche genossen, über alles mögliche. Jeder erzählte ein bisschen von sich, seiner Anreise und den ersten Eindrücken über ihre neuen Schule. Tifi war vor allem entsetzt über Paulas und Gonnis Konfrontation mit dem fiesen A-Klässler. So schlimm hatte sie sich diese Typen gar nicht vorgestellt. Doch Paulas Ausführungen über das, was sie dem Schnösel am liebsten an den Kopf geworfen hätte, erheiterte Tifi so sehr, das am Schluss alle drei lachen mussten. Und da von der A-Klasse nichts zu sehen war, wurde der Vorfall erst mal gedanklich bei Seite gelegt. Sie saßen noch ne Weile zusammen, bevor sich dann schließlich die große Müdigkeit breit machte und sich alle drei auf den Weg zu ihren Zimmern machten. Mit dem Versprechen morgen früh zusammen zum Unterricht zu gehen, verabschiedeten sie sich und gingen jeder seiner Wege, denn ihre Zimmer lagen auf unterschiedlichen Etagen. Als sie die Türe zu ihrem Zimmer hinter sich zu machte, war Paula fast schon etwas traurig wieder allein zu sein, denn sie hatte sich gut mit den beiden verstanden. Doch nun wollte sie erst mal nur schlafen, denn sie war total kaputt. Sie machte sich schnell bettfertig und ließ sich dann auf die gemütliche Matratze fallen. Sobald sie lag, machten sich die Strapazen des heutigen Tages bemerkbar. Es gab eigentlich keine Stelle die nicht irgendwie weh tat. Doch trotz der Schmerzen war sie ziemlich glücklich. Sie war endlich an der Akademie angekommen und hatte schon die ersten Bekanntschaften geschlossen. Zwar hatte es ein paar Unannehmlichkeiten gegeben, aber nichts gravierend schlimmes. Und so war ihr Start doch recht gut verlaufen. Und morgen würde erst ein toller Tag werden, wenn sie endlich ihr so heißersehntes erstes Pokémon erhalten würde. Paula freute sich schon tierisch darauf, doch nun forderte erst einmal ihr Körper seinen Tribut nach Erholung und so schlief sie, entgegen ihrer Gewohnheit, relativ schnell ein und träumte von einer kleinen roten Feuereidechse.
 

In Tajas Zimmer brannte dagegen noch eine ganze Weile Licht. Sie war nicht wie die anderen Essen gegangen, sondern hatte sich gleich in ihr Zimmer zurück gezogen, denn ihre Mutter hatte es gut gemeint und ihr ein umfangreiches Fresspaket mitgegeben, dass sie nicht verfallen lassen wollte. Nach dem Verzehr hatte sie sich mit dem Sortieren der Unterlagen und der Eintragung aller wichtiger Termine in einen Kalender beschäftigt. Schließlich wollte sie für den ersten richtigen Schultag gut vorbereitet sein. Nachdem alles zu ihrer Zufriedenheit erfüllt war, beschloss sie noch einen Bericht über die ersten Stunden an der Akademie zu verfassen. Doch irgendwann holte auch sie die Müdigkeit ein und sie rollte sich mit gemischten Gefühlen im Bett zusammen. Sie war schon gespannt was sie morgen für ein Pokémon erhalten würde, doch auch Angst was sie sonst noch alles erwarten würde kamen hoch. Sie lag noch eine Weile mit zweifelnden Gedanken da, bevor auch sie in einen tiefen Schlaf verfiel.

Und so versanken an diesem Abend zahlreiche Schüler in Träume voller Wünsche, Hoffnungen und Abenteuer, die ihr neues Leben an der Pokémon Superior Akademie mit sich bringen würde.

Glu Glu Glumanda?

Vom ersten aufregenden Tag an der Pokémon Superior Akademie völlig geschafft lag die junge Schülerin Paula in ihrem Bett und hatte einen wunderschönen Traum. Sie spazierte auf einer in verschiedensten Farben strahlenden Blumenwiese. Doch nicht das Grünzeug war das, was ihr so ein unheimliches Glücksgefühl bescherte, sondern das kleine rote Feuerpokémon das mit freudigen Glumanda-Rufen um sie herum tanzte. Nach einer Weile ließ sie sich fallen und beobachtete die feinen Wölkchen in Form von Glumandas, die sich am sonst strahlend blauen Himmel tummelten. Ihr Glumanda kam zu ihr und kuschelte sich mit seinem warmen Körper an ihre Seite. Während sie dieses wundervoll friedliche Gefühl einfach nur genoss, kraulte sie gedankenverloren Glumandas Fell, das sich so unendlich schön weich anfühlte. So warm und flauschig, fast schon wie echt. Dann stand Glumanda plötzlich auf und schleckte ihr mit seiner nassen Zunge einmal quer übers Gesicht, was sie zum Lachen brachte. Doch dann störte plötzlich ein unsagbar blöder lauter Ton die Idylle. Ihr unbarmherziger Wecker riss sie bedauerlicherweise aus diesem schönen Traum. Leicht grummelnd tastete sie nach dem Quälgeist und stellte ihn ab. Zwar war sie nun fast munter, doch ärgerlich darüber, dass das Traumbild nun verschwunden war, drehte sie sich einfach noch mal rum und versuchte sich die Wiese mit Glumanda noch einmal vorzustellen. Doch so richtig kam es nicht wieder. Nur das Gefühl der angenehm warmen, aber nassen Zunge die über ihr Gesicht schleckte und sie kitzelte, kam wieder. Sie musste lächeln und murmelte noch im Halbschlaf zu ihrem Traum-Glumanda: „Hey, hör auf.“

Doch das kümmerte sich nicht darum und ließ seinen Waschlappen noch einmal über ihr Gesicht fahren. Kaum das es ihr bewusst war, machte sie schmunzelnd eine Abwehrbewegung und fasste dabei in etwas Weiches. Es war so seidig und warm, das sie automatisch anfing es zu streicheln. Ein genüssliches „Glu Glumanda“ ertönte scheinbar nahe an ihrem Ohr. Ach es war so ein herrliches Gefühl und sie wünschte ich nichts sehnlicheres als bald auch ein Glumanda zu besitzen, das genauso herrlich weich und warm war wie dieses, das genauso süß seinen Namen sagte wie dieses und das genauso wunderbar nach Glumanda roch wie dieses.

Doch dann meldete sich langsam aber sicher ihr Bewusstsein zum Dienst und sie stutzte innerlich.

‚Moment mal, es fühlt sich an wie Glumanda, es hört sich an wie Glumanda, es riecht wie Glumanda. Das heißt...’ Von einem plötzlichen Gedankenblitz elektrisiert riss sie die Augen auf und blickte direkt in zwei große meergrüne Scheinwerfer.

„Ah!“ Mit einem verdutzten Aufschrei federte sie hoch. Damit kippte das kleine Wesen, das soeben noch auf ihrer Brust gesessen hatte, nach hinten und verschwand mit einer Rolle rückwärts über die Bettkante.

„Glumanda!“, schrie sie panisch auf und sprang aus dem Bett, was sich jedoch als Fehler herausstellte, denn ihr Kreislauf war noch nicht der Meinung, dass es Zeit zum Aufstehen war. So sah sie statt rot plötzlich nur noch schwarz und kippte wieder zurück ins Bett. Das nächste was sie wieder erkennen konnte, waren wieder diese wunderschönen Augen, die sie besorgt anschauten. Mit einem fragenden „Glu Glumanda?“ erkundigte es sich nach ihrem Befinden. Doch Paula wusste nicht so richtig, wie sie sich fühlte. War das wirklich real? Saß da wirklich ein richtiges Glumanda neben ihr auf dem Bett und starrte sie an? Oder war es nur einer ihrer vielen Wunschträume? Doch die Nase, die sie nun liebevoll anstubste, fühlte sich so verdammt echt an. Das musste real sein. Es musste, musste, musste.

Vorsichtig richtete sie sich wieder auf und streichelte sanft über Glumandas Fell, das sich daraufhin zufrieden an ihre Seite kuschelte. Ja, nun war sie sich wirklich sicher. Das da war ein richtig echtes Glumanda. Und dann wurde ihr noch etwas bewusst. Das da war nicht nur irgendein Glumanda, dieses unglaublich süße Feuerwesen war IHR Glumanda. Und da gab es kein Halten mehr. Mit einem Freudenschrei, der sicher die halbe Etage aus dem Bett hätte holen können, brachte sie ihr aufgestautes Gefühl zum Ausdruck. Endlich, nach so vielen Jahren war der größte Wunsch ihres Lebens in Erfüllung gegangen. Sie hätte vor Glück fast platzen können.

Sie schnappte sich Glumanda und drückte es so fest es ging an sich. Erst als es einen erstickten Laut von sich gab, ließ sie es los, doch nur, um es im nächsten Moment mit etwas weniger Kraft wieder an sich zu drücken. Doch auch Glumanda schien die Kuschelstunde zu gefallen, denn es schmiegte sich ganz fest an seine neue Trainerin. Paula hätte am liebsten auch stundenlang gekuschelt, aber die maßlose Freude verlieh ihrem Körper solch unbändige Energie, das sie es nicht mehr länger im Bett aushielt, sondern aufsprang und mit Glumanda an den Händen durch das ganze Zimmer tanzen musste. Beide sangen dabei im Chor „Glu Glu Glumanda“. Dann nahm sie es hoch, warf es unter freudigen Quietschen des roten Pokémons, in die Luft, fing es auf, wirbelte mit ihm herum, kugelte sich mit ihm auf dem Boden oder machte Freudensprünge durch die Gegend. Sie hatte sich noch nie in ihrem Leben glücklicher gefühlt. Ihr strahlendes Gesicht ließ selbst die funkelnde Sonne an diesem morgen verblassen. Irgendwie konnte sie es immer noch nicht richtig fassen. Sie hatte ein Glumanda, ein richtiges kleines Glumanda. Von nun an würden sie unzertrennlich sein. Diese Gewissheit erfüllte sie gleich wieder mit so viel Dynamik, dass sie Glumanda an den Pfoten fasste, mit ihm durch das Zimmer Ringelrein tanzte und fröhlich dazu sang.

Nach einer guten halben Stunde jedoch, ließ sich Paula, von der Toberei völlig erschöpft, wieder aufs Bett sinken, nahm Glumanda zu sich hoch und setzte es sich auf den Schoß. Sie wollte ihren kleinen Liebling doch einmal genau unter die Lupe nehmen. Und kleiner Liebling war auch genau der richtige Ausdruck, denn irgendwie erschien es ihr ein bisschen winziger als die Glumandas, die sie bei anderen Trainern gesehen hatte. Und es hatte auch irgendwie eine etwas andere Augenfarbe. Sie waren nicht ganz so grün, wie normalerweise, sondern gingen schon leicht ins bläuliche. Doch das war ihr im Grunde auch egal. Es hätte auch nur 10 cm groß, schwarz-weiß kariert mit neongelben Augen sein können, Hauptsache es war ein Glumanda und zwar einzig und allein ihrs! Und bis auf diese Kleinigkeiten fand sie auch keine Unterschiede. Es war einfach nur total knuffig und sie konnte gar nicht genug davon bekommen es zu streicheln und zu knuddeln.

„Ach Glumanda, du bist wirklich das tollste Pokémon, das es gibt.“, wandte sich das überglückliche Mädchen mit einem strahlenden Lächeln an ihren neuen Gefährten. Dieser antwortete indem er seine Trainerin mit einem freudigen „Glu“ liebevoll ins Gesicht knuffte. Paula musste lachen, ließ sich nach hinten fallen und kugelte sich mit dem kleinen Wesen fröhlich im Bett herum. Doch das Spielchen fand nach einem lauten Knall erst mal ein Ende, denn die beiden hatten den Wecker vom Nachttisch geholt. Immer noch kichernd hob sie ihn auf. Als sie jedoch einen Blick darauf warf verging ihr das fröhliche Lachen, denn es war bereits 8 Uhr 10. Vor 10 Minuten hätte sie im Unterricht sein sollen! Doch über dem ausgelassenen Herumtollen mit ihre Pokémon hatte sie völlig die Zeit vergessen. Leichte Panik überkam sie als sie aus dem Bett sprang und sich hastig die weiß-pinke Schuluniform überwürgte.

‚Asche! Na das fängt ja wieder gut an.’, fluchte sie in Gedanken. Sie mochte es weder am Morgen hetzten zu müssen, noch zu spät zu kommen. Schon gar nicht nach der gestrigen Verspätung. Doch sie hatte gar keine Zeit sich darüber Gedanken zu machen, was das bei ihrer Lehrerin oder Mitschülern für einen Eindruck hinterlassen würde. Sie schmiss nur alles was ihr gerade in den Weg kam und nützlich aussah in ihren Rucksack. Als sie ihren Hefter vom Schreibtisch nahm, fiel ihr auf, dass dort etwas lag, was gestern noch nicht da gewesen war. Es war ein Pokéball. Sicherlich Glumandas, doch irgendwie sah er seltsam aus, denn er war neben der normalen roten Farbe mit einem blauen Flammenkranz verziert. Doch auch um darüber nachzugrübeln war keine Zeit. Als sie ihn in die Hand nahm, segelte ein schmales Stück Papier herunter. Paula hob es eiligst vom Boden auf und überfolg die Zeile, die in einer sehr schönen Handschrift darauf geschrieben stand.

„Pass gut auf Glumanda auf.“, las sie vor.

Sie musste lächeln: „Na und wie ich das werde.“

Sie würde ihr wunderschönes Feuerpokémon wie einen Diamanten hüten. Doch nun hatte sie erst mal andere Sorgen, denn der Zeiger des Weckers bewegte sich unaufhaltsam immer weiter vorwärts. Sie würde wohl rennen müssen, um nicht die ganze Stunde zu verpassen. Damit ergab sich allerdings ein weiteres Problem, denn Glumanda mit seinen kurzen Beinen würde auf keinen Fall mit ihr mithalten können und tragen konnte sie es auch nicht. Es war zwar nicht so groß, doch seine 7 Kilo brachte es bestimmt auf die Waage und das wäre beim angebrachten Eilschritt eine zu große Belastung. So wenig es ihr auch gefiel, sie musste Glumanda wohl oder übel in seinen Pokéball verstauen. Seufzend und mit einem missbilligenden Blick betrachtete sie den Ball in ihrer Hand. Dann wandte sie sich an das kleine Feuerwesen, dass immer noch auf dem Bett saß und sie neugierig ansah:

„Tut mir leid, Glumanda, es muss sein. Aber ich lass dich so schnell es geht wieder raus.“

Damit drückte sie auch schon den weißen Knopf und ihr neuer Freund löste sich in einem roten Strahl auf, der in den Ball gesogen wurde. Sie hätte Glumanda viel lieber bei sich gehabt, doch momentan half es nichts. Mit dem Pokéball in der Hand machte sie sich nun schleunigst auf den Weg zum Unterrichtsgebäude.
 

Als Paula dort 10 Minuten später vor der Tür ihres Klassenzimmers stand, war sie völlig außer Atem und hatte schlimme Seitenstechen. Doch sie biss die Zähne zusammen und klopfte an. Nachdem sie von drinnen ein leises „Herein“ vernommen hatte, öffnete sie zaghaft die Tür und trat mit einem „Entschuldigung, das ich zu spät bin“ ein.

Prof. Amber war gerade dabei dem Mädchen mit den feuerroten Haaren, die sie schon im Bus gesehen hatte, einen Pokéball zu überreichen.

„Ach Paula, ich dachte schon du wärst krank.“

„Nein, entschuldigen sie, ich hab die Zeit verpasst.“, gab sie als Begründung an.

„Na dann stell wenigstens morgen deinen Wecker richtig. Es macht nämlich keinen guten Eindruck, wenn man als Trainer ständig zu spät kommt. Schon gar nicht an dem Tag, wenn man sein erstes Pokémon abholen soll.“, ermahnte sie die Lehrerin. Doch nicht daran störte sich Paula.

„Wie jetzt, abholen?“, fragte sie erstaunt.

Prof. Amber sah sie fast schon leicht belustigt an: „Na ihr bekommt doch in dieser Stunde euer erstes Pokémon von mir, dass hatte ich gestern Abend ausführlich erklärt.“

Paula verstand die Welt nicht mehr: „Von ihnen?“

„Ja, von wem denn sonst?“ Nun war es an der Lehrerin erstaunt zu fragen.

„Aber ich hab mein Glumanda doch schon.“, gab die junge Schülerin zurück.

„Das ist nicht möglich.“

„Doch!,“ erwiderte Paula in einem leicht trotzigen Ton. Sie wusste doch wohl was sie heut morgen bekommen hatte. Zum Beweis, das sie Recht hatte, hob sie den Pokéball in ihrer Hand hoch und warf ihn. Als sich aus dem roten Licht die Silhouette eines Glumandas formte, ging durch die Klasse ein Raunen. Auch Prof. Amber sah sie leicht verwirrt an:

„Aber Paula, wenn du bereits ein Pokémon hast, hättest du das anmelden müssen.“

„Aber ich hab Glumanda doch heut morgen erst bekommen!“, versuchte sie zu erklären.

„Und vom wem?“, hakte die Lehrein nach.

„Das weiß ich nicht. Als ich die Augen aufmachte, saß es auf meinem Bett. Und dieser Pokéball lag auf meinem Schreibtisch.“

Sie gab den Ball mit dem seltsamen Muster der Professorin, die ihn eingehend musterte: „Das kann überhaupt nicht sein. Alle Starter sind in ganz normalen Pokébällen. Und so einen hab ich auch überhaupt noch nicht gesehen. Das ist merkwürdig.“

„Aber es war so!“, verteidigte sie sich. Sie fühlte sich durch das Zweifeln der Lehrerin an den Pranger gestellt und das mochte sie überhaupt nicht. Sie war doch keine Lügnerin!

Prof. Amber besah sich kopfschüttelnd das kleine rote Pokémon, das vor ihr stand.

„Ich versteh das nicht. Die Starterpokémon werden immer von den Lehrern verteilt und nicht einfach in die Zimmer gegeben.“

Dann besah sie ihre Liste und schüttelte so heftig den Kopf, dass einige dunkelbraune Locken aus ihrer Hochsteckfrisur fielen: „Für dich war auch gar kein Glumanda vorgesehen.“

„WAAAAAS?“, entfuhr es Paula. Nun war sie es die ihre Lehrein ungläubig anstarrte:

„Das kann überhaupt nicht sein!“

Prof. Amber musste über das entsetzte Gesicht ihrer Schülerin schmunzeln: „Doch, so ist es. Tja, aber das hat sich ja nun anscheinend erledigt. Nur bin ich mir noch nicht schlüssig, was jetzt geschehen soll, denn so einen Fall gab es noch nie.“

Paula rückte argwöhnisch ein Stück näher an ihr Glumanda.

Die Lehrerin grübelte einen Moment , dann schien ihr eine Idee zu kommen: „Nun das wird wohl am besten der Vizedirektor entscheiden. Ich werde dich nach der Stunde zu ihm bringen. Nun setz dich erst mal, damit wir mit der Vergabe weiter machen können.“

Paula wusste nicht so richtig, ob das nun gut oder schlecht war, doch auch sie hatte keine Lust noch weiter vor der Klasse wie auf dem Präsentierteller zu stehen und folgte deshalb der Anweisung. Glumanda lief ihr ganz brav zu ihrem Platz nach.

Prof. Amber beobachtete die Szene mit hochgezogener Augenbraue: „Ehm, Paula, würdest du Glumanda bitte wieder in seinen Pokéball zurück holen.“

„Muss das sein?“

„Ja, das muss sein!“, erwiderte die Lehrerin in einem etwas strengeren Ton.

Es gefiel ihr zwar nicht Glumanda schon wieder der Freiheit berauben zu müssen, doch sie wollte sich nicht noch weiter mit der Professorin anlegen. Als verschwand ihr geliebtes Pokémon wieder in seinem Ball.

Nun konnte die Pokémonzuteilung weiter gehen. Einige ihrer Klassenkameraden hatten bereits Pokébälle vor sich liegen. Doch die meisten mussten noch aufgerufen werden. Allerdings interessierte es Paula herzlich wenig, was die anderen so hatten, Hauptsache sie hatte ihr Glumanda. Nur als Tifi nach vorn gerufen wurde, sah Paula kurz zu, wie sie freudestrahlend ein kleines ebenso fröhliches Plinfa entgegen nahm.

Nach einiger Zeit kam Prof. Amber dann endlich zum Schluss: „So, damit wären wir durch. Und die Stunde ist auch gleich um. Ich hoffe ihr seid zufrieden und werdet euch gut mit euren Pokémon verstehen. Ihr werdet im Anschluss zur großen Eröffnungsveranstaltung geleitet. Also dann viel Spaß.“

Während alle diese Nachricht recht wohlwollend aufnahmen und ihre Sachen zusammen packten, bereitete sie einer Schülerin ziemliches Unbehagen.

Taja hätte ja kein Problem damit gehabt die letzte zu sein, die ein Pokémon erhielt, doch völlig übergangen zu werden, konnte selbst sie nicht tatenlos hinnehmen.

„Entschuldigung, Prof. Amber?“, machte sie sich zaghaft bemerkbar.

„Ja, was ist denn?“

„Ich hab noch kein Pokémon bekommen.“, erklärte sie.

„Oh, Moment.“, die Lehrerin suchte hastig noch einmal die Liste durch, „Ach ja, Taja, richtig?“

Die Angesprochene nickte.

„Ja, das hätte ich beinahe vergessen. Bei dir gab es ebenfalls ein kleines Problem. Ich würde dich bitten auch mit zum Direktor zu kommen.“

Diese Aussage veranlasste einige Mitschüler sich neugierig nach ihr umzudrehen, was Taja wiederum dazu veranlasste, ein wenig tiefer in ihre Sitzbank zu versinken.

„Ist gut.“, gab sie leise zurück. Nachdem die anderen ihr Interesse verloren hatten, machte sich auch Taja mit einem sehr unbehaglichen Gefühl im Bauch daran, ihre Sachen zusammen zu packen. Dann ging sie nach vorn zum Lehrertisch, wo das Mädchen mit dem seltsamen Glumanda bereits wartete.

„Geht doch schon mal raus, ich komm gleich.“, schickte sie ihre Lehrerin aus dem Zimmer.

Prof. Amber sah ihren Schülern hinterher. Sie hatte schon so einige Klassen gehabt und wusste das die C-Schüler öfter für eine Überraschung gut waren. Auch dieses Jahr hatten sich wieder einige interessante Persönlichkeiten zusammen gefunden. Doch, sie sah auf die beiden Blätter in ihrer Hand, solche Persönlichkeitstests hatte sie noch nie gesehen.

„Paula und Taja, ich glaub ich werd euch im Auge behalten.“, murmelte sie vor sich hin, während auch sie ihre Tasche einpackte. Dann ging sie, um ihre Klasse einzuholen. Auf dem Flur traf sie auf den Lehrer der B-Klasse und übertrug ihm die Verantwortung für ihre Schüler. Nur das Mädchen, das bereits ein Pokémon hatte, was es überhaupt nicht haben sollte, und das Mädchen, das noch kein Pokémon sein Eigen nennen durfte, blieben auf dem langen Korridor mit der Lehrerin allein zurück.

„So, dann bring ich euch mal zum Vizedirektor.“

Beide Mädchen folgten der Lehrerin zögerlich und mit leichten Unbehagen, denn sie führte sie in eine ungewisse Zukunft.
 

Mit jedem Schritt den die beiden Mädchen weiter durch die zahlreichen Gängen liefen, wurde ihnen mulmiger zu Mute. Sie fühlten sich irgendwie wie auf dem Weg zum Galgen. Taja war das Ganze gar nicht geheuer. Was hatte die Lehrerin nur damit gemeint, dass es bei ihr ein Problem gab? Sie hatte doch gar nichts angestellt. In Grübeleien versunken, was sie denn hätte schlimmes geschrieben haben können, dass man ihr kein Pokémon gab, folgte sie der Professorin schweigend. Auch Paula hatte keinen Blick für ihre Mitschülerin. Sie hatte ihren Pokéball ganz fest an sich geklammert. In ihren Gedanken wirbelte es nur so von Fragen. Warum war Glumanda bei ihr im Zimmer gewesen? Warum zum Teufel hatte sie überhaupt kein Glumanda bekommen sollen? Was war mit dem seltsamen Pokéball? Doch die Frage die sie am meisten beschäftigte war, was nun mit Glumanda geschehen würde.

Nachdem sie den Weg bis ins Hauptgebäude geschafft hatten, führte Prof. Amber die beiden nervösen Mädchen in die oberste Etage, wo die beiden Direktoren ihre Amtszimmer hatten. Am Zimmer des Vizedirektors angelangt, wies sie die beiden an einen Moment auf der gegenüberliegenden Bank Platz zu nehmen und verschwand in dem Raum. Eine bedrückende Stille legte sich um die beiden Mädchen. Der Gang sah ziemlich düster aus, was nicht zu letzt an den alten Gemälden, Ritterrüstungen und dicken dunklen Vorhängen an den Fenstern lag. Paula hatte vor lauter Nervosität angefangen an ihren Fingernägeln zu nagen und Taja kämmte sich gedankenverloren durch eine lange Haarsträhne. Dann ging plötzlich die schwere Tür auf.

„Paula, komm bitte herein.“, forderte Prof. Amber sie auf.

Die Angesprochene schreckte aus ihren Gedanken auf und ging zögerlich in das geräumige Zimmer. Für Taja hieß es also noch weiter angespanntes Warten. Doch auch Paula fühlte sich alles andere als entspannt, als sie auf den großen dunklen Schreibtisch zu ging. Sie hatte ein verdammt ungutes Gefühl.

„Hallo Paula, bitte nimm Platz.“ Der Stuhl hinter dem Schreibtisch wurde umgedreht und zum Vorschein kam ein schätzungsweise 40-jähriger hochgewachsener Mann im schicken Nadelstreifenanzug. Insgesamt sah er sehr gepflegt aus. Sein scharf geschnittenes, spitz zulaufendes Gesicht und die beiden ziemlich langen schmalen Bartstreifen, erinnerten Paula irgendwie an ein Kadabra. Wenn sie nicht solche Angst um ihr Glumanda gehabt hätte, hätte sie vielleicht über diesen Vergleich schmunzeln müssen. Doch so sagte sie gar nichts, sondern nahm nur auf dem zugewiesenen Stuhl Platz.

Dafür begann der Vizedirektor das Gespräch: „Prof. Amber hat mir berichtet, dass du auf etwas ungewöhnlichem Wege zu deinem ersten Pokémon gekommen bist.“

„Ja, es saß einfach heut morgen auf meinem Bett. Und der Pokéball lag auf dem Schreibtisch. Ich dachte, man wird eben so mit seinem ersten Pokémon überrascht.“, erzählte sie von den Ereignissen.

„Und du bist dir ganz sicher, dass du es nicht einfach nur vergessen hast anzumelden?“, hakte der Direktor etwas misstrauisch nach.

„Nein! Ich hätte doch gar nicht erst herkommen müssen, wenn ich schon ein Glumanda gehabt hätte.“, gab sie empört zurück.

Der Mann räusperte sich, zog eine Augenbraue hoch und sprach dann: „Nun gut, ich würde mir Glumanda gern einmal ansehen. Lässt du es bitte mal raus.“

Das ließ sich Paula natürlich nicht zwei mal sagen, denn sie mochte es nicht, dass ihr geliebtes Pokémon in so einem engen Ball eingesperrt sein musste. Sofort ließ sie es frei. Glumanda schien die fremde Umgebung nicht ganz geheuer zu sein, denn es drückte sich gleich an seine Trainerin. Der Direktor erhob sich und begutachtete das kleine Feuerpokémon genau. Dann inspizierte er auch den seltsam gemusterten Pokéball. Als er sich wieder setzte war seine hohe Stirn mit tiefen Denkfalten durchfurcht. Nach einer künstlerischen Pause, brach er dann endlich sein Schweigen: „Nun, wie es den Anschein hat, ist dieses Glumanda normal.“

Paula atmete erleichtert aus, doch nur um ihm im nächsten Moment wieder anzuhalten, als er fortfuhr.

„Allerdings kann ich es nicht tolerieren, dass ein Pokémon das unter so mysteriösen Umständen an der Akademie auftaucht, hier bleibt. Noch dazu in den Händen einer völlig unerfahrenen Trainerin. Das ist zu riskant. Also wirst du sicher verstehen, dass du Glumanda abgeben musst.“

„NEIN!“ Paula fuhr mit einem lauten entsetzten Schrei von ihrem Stuhl auf, hob ihr Pokémon auf und drückte es an sich. Der gute Mann war wohl zu Scherzen aufgelegt. Verstehen? Wie sollte sie das bitte verstehen? Das einzige was sie verstand, war das man ihr Glumanda wegnehmen wollte und das würde sie auf keinen Fall zulassen.

In einem sehr harschen Ton fuhr sie den Direktor an: „Sie können mich mal! Ich werde Glumanda nicht hergeben! Niemals! Was fällt ihnen ein! Glumanda ist anscheinend nicht von der Akademie, also haben sie gar kein Recht es mir wegzunehmen!“

„Paula! Beruhige dich!“, versuchte Prof. Amber ihre Schülerin zur Vernunft zubringen. Doch die hörte sie gar nicht.

„Sie können machen was sie wollen, Glumanda gehört zu mir. Und wenn sie mich rausschmeißen, das ist mir scheißegal. Ich behalte Glumanda!“

Zwar war der Vizedirektor von dem ziemlich respektlosem Verhalten, das die junge Schülerin ihm gegenüber an den Tag legte, etwas empört, doch er bewunderte auch den Feuereifer den sie bei der Verteidigung ihres Pokémons aufbrachte. Als er in ihre entschlossenen Augen sah, wusste er, dass es so einfach wohl nicht getan sein würde.

„Also nun beruhige dich. Ich werde mich kurz mit Prof. Amber beraten und wir werden sehen ob wir eine Lösung finden.“, versuchte er sie zu beschwichtigen.

Zwar war Paula damit noch nicht zufrieden, doch sie hörte zumindest auf den Direktor anzuschreien.

„Warte bitte kurz hier.“ Er und ihre Lehrerin verschwanden in ein Nebenzimmer. Doch Paula konnte sich nicht einfach hinsetzen und Tee trinken. Die innere Anspannung ließ sie wie eine hungrige Raubkatze im Käfig ruhelos mit Glumanda im Arm hin und hertigern. In ihren Gedanken herrschte ein wirres Durcheinander und zwei Worte hatten sich mit flammenden Buchstaben vor ihrem inneren Auge eingebrannt: „Glumanda abgeben“

Sie schüttelte den Kopf. Man wollte ihr ihr über alles geliebtes Glumanda wegnehmen. Nein! Das durfte sie einfach nicht zulassen. Sie musste etwas unternehmen. Doch die Mischung aus Angst, Wut und Verzweiflung, die sie beherrschte, ließ sie keinen klaren Gedanken fassen. Doch dann schoss ihr plötzlich ein Gedankenblitz durch den Kopf. Abrupt blieb sie stehen und murmelte: „Weglaufen!“

Ja, genau das war die rettende Idee. Sie würde einfach aus dem Zimmer rennen, sich schnell ihre Sachen schnappen und mit Glumanda von der Akademie flüchten. Die Insel war groß genug, da fand sich bestimmt ein Versteck. Versorgen würde sie Glumanda schon irgendwie und sie selbst brauchte nicht viel. Nach ein paar Tagen war sicher Gras über die Sache gewachsen und wenn keiner sie mehr suchte, würde sie einfach nach Hause laufen. Was ihre Eltern dazu sagen würden, war ihr völlig egal. Sowieso war ihr alles egal, auch wenn ihre Mutter sie vielleicht rausschmiss, Hauptsache sie konnte Glumanda behalten. Gerade als sie ihren Plan in die Tat umsetzen wollte, öffnete sich die Tür des Nebenzimmers und die beiden Erwachsenen traten wieder ein. Beide zogen ein ernstes Gesicht, sodass Paula sofort wusste was Sache war. Plötzlich wallte wieder unbändige Wut in ihr auf.

„Mir ist völlig egal, was sie entscheiden. Das ist mein Glumanda und ich werd mich nicht davon trennen!“, ging sie ihn an.

„Du darfst Glumanda behalten.“, erwiderte der Mann ruhig.

„Ich liebe Glumanda und es mich auch und deshalb können sie uns gar nicht trennen!“, ereiferte sie sich weiter.

„Deshalb darfst du es auch behalten.“, wiederholte er gelassen.

Doch Paula hatte sich so in Rage geredet, dass sie das überhaupt nicht mitbekam. Stattdessen schrie sie weiter: „Und sie können sich auch ihre blöde Akademie sonst wo hin stecken. Wenn sie mir mein Glumanda wegnehmen wollen, dann will ich gar nicht mehr hier zur Schule gehen. Ich gehe!“ Mit einem dramatischen Aufstampfen drehte sie sich um und wollte mit Glumanda aus dem Zimmer stürmen, als es Prof. Amber nicht mehr aushielt. Sie fing plötzlich an laut loszulachen. Ausgelacht zu werden konnte Paula in ihren Zustand überhaupt nicht vertragen. Wutentbrannt fauchte sie ihre Lehrerin an: „Was ist daran so lustig?“

Die brachte halb kopfschüttelnd, halb lachend, langsam und betont hervor: „Paula, du darfst Glumanda behalten!“

„WAS?“ Das Mädchen erstarrte. Hatte sie das gerade richtig verstanden? Erst als auch der Direktor es noch einmal bestätigte, begriff sie was sie ihr sagen wollten.

„Ich darf Glumanda also wirklich behalten?“, hakte sie immer noch zweifelnd nach.

Beide nickten lächelnd. Da fiel ihr der ganze Kraterberg vom Herzen. Die Anspannung fiel schlagartig von ihr ab. Erleichterung und Glück überfluteten sie gleichzeitig und ließen ihr die Freudentränen in die Augen schießen. In Glumandas Fell weinend ließ sie sich auf den Stuhl sinken. Prof. Amber fuhr ihr tröstend sacht über das Haar: „Ist doch gut.“

Paula nickte, doch so einfach ließen sich die Tränen nicht aufhalten. Doch das war auch gut so, denn sie wuschen die ganze Wut und Angst aus ihren Herzen. Als sie sich ein kleines bisschen beruhigt hatte, wandte sich der Direktor wieder an sie.

„Du darfst Glumanda aber nur unter einer Bedingung behalten. Du musst es heute Nachmittag zu einer gründlichen Untersuchung in die Krankenstation bringen und es dort auch aller zwei Wochen einer Kontrolle unterziehen lassen. Außerdem werden alle Lehrer euch ganz genau beobachten.“

Doch das schien Paula ein so geringer Preis zu sein, dass sie liebend gern auf diese Bedingung einging.

„Gut, dann darfst du jetzt gehen. Bitte begib dich unverzüglich in die große Halle. Die Einführungsveranstaltung läuft noch. Und von dem kleinen Zwischenfall bitte kein Wort zu jemanden.“, wies sie Prof. Amber zwinkernd an.

Das war Paula auch ganz recht und so nickte sie nur. Als sie sich zum Gehen aufmachte, fiel ihr jedoch etwas ein. Sie wandte sich um, fiel dem Direktor, den sie keine fünf Minuten zuvor noch fürchterlich angeschrieen hatte, kurz um den Hals und murmelte „Dankeschön“. Nach einer kleinen Verbeugung, ging sie hüpfend und mit einem strahlenden Gesicht mit Glumanda an der Hand heraus.
 

Der Vizedirektor holte tief Luft und lehnte sich zurück.

„Na, da haben sie ja mal wieder einen interessanten Jahrgang erwischt.“

Die Professorin musste schmunzeln: „Ja, das kann man wohl sagen. Und der andere schwierige Fall kommt gleich noch.“

Seufzend warf der Mann im Anzug einen Blick auf die beiden Tests, die auf seinem Schreibtisch lagen. Der eine ungeklärte Fall hatte sich gerade, zwar mit viel Aufregung, aber von allein erledigt. Ihm war nicht ganz wohl zu mute, wenn er an dieses mysteriöse Pokémon und seine impulsive Trainerin dachte, doch er wollte ihnen zumindest eine Chance geben. Auf jeden Fall würde er einige Dinge in die Wege leiten müssen, um dieses Duo im Auge zu behalten. Doch nun wartete noch eine weitere Entscheidung auf ihn und er war schon gespannt, wie die nächste reagieren würde.

„Also dann, holen sie sie rein.“
 

Als die Tür aufflog und Paula fröhlich herausgesprungen kam, schreckte Taja auf. Doch ihre Mitschülerin übersah sie und lief mit ihrem Pokémon an der Hand lachend den Gang herunter. Taja sah ihr fragend nach. Offensichtlich war es trotz des ganzen Geschreis, das sie vernommen hatte, für das Mädchen und ihr Glumanda gut ausgegangen.

Doch was würde sie wohl nun erwarten?

Als Prof. Amber sie ins Zimmer rief, musste Taja schlucken.

Was hatte das alles nur zu bedeuten?

Zögerlich und auf leisen Sohlen schritt sie in das Büro des Vizedirektors. Dieser stand hinter seinen Schreibtisch und schaute aus dem großen Fenster. Erst als sie schon nah heran war, drehte er sich um und sagte freundlich: „Bitte nimm Platz.“

Vorsichtig zog sich Taja den Stuhl zurecht und setzte sich behutsam.

Der Direktor warf erst schweigend einen Blick auf das Papier in seiner Hand, bevor er die zweite neue Schülerin genaustens musterte. Das Mädchen saß vor Anspannung kerzengerade und sah ihn mit leicht scheuen Blick an. Um sie nicht länger im Ungewissen zu lassen, begann der Direktor sie über den Grund ihres Besuches aufzuklären.

„So, Taja, du fragst dich sicherlich wieso du hier bist.“

Das Mädchen nickte zaghaft und mit einem Blick, als erwarte sie jeden Moment, dass er ihr eine apokalyptische Nachricht überbrachte. Er musste schmunzeln.

„Keine Angst, es ist nichts schlimmes. Es ist nur so, dass es nicht möglich war deinen Persönlichkeitstest auszuwerten. Deshalb waren wir auch nicht in der Lage dir ein Pokémon zu geben.“

‚Na toll, warum kann es nicht ein einziges Mal ohne Probleme gehen.’, seufzte sie innerlich. Zwar war sie froh, dass er ihr nicht mitgeteilt hatte, dass sie die Akademie verlassen musste oder etwas ähnlich schlimmes, doch, dass es mal wieder bei ihr nicht auf dem üblichen Weg funktioniert hatte, frustrierte sie ziemlich. Doch das zeigte sie ihrem Gegenüber nicht, während sie aufmerksam seinen Erklärungen folgte.

„Es lag nicht nur daran, dass man einen Teil nicht lesen konnte.“, er sah sie mit leicht kritisierendem Blick an, woraufhin sie schuldbewusst etwas tiefer in den Stuhl rutschte, „Sondern vor allem daran, dass deine Antworten keinem Typenschema zugeordnet werden konnten. Also konnten wir auch nicht entscheiden, was für ein Pokémon zu dir passt.“

Das deprimierte Seufzen in ihrem Innern wurde größer und sie verfluchte sich, das sie die Fragen wahrheitsgemäß beantwortet hatte.

„Und jetzt?“, getraute sie sich zu fragen.

„Nun, da du Schülerin an unserer Akademie bist und wir dich schlecht ohne erstes Pokémon in die Ausbildung schicken können, mache ich dir den einmaligen Vorschlag dir dein Pokémon selber auszuwählen.“

Taja horchte auf. Das hatte sie nun nicht erwartet.

„Meinen sie das ernst?“, hakte sie zweifelnd nach.

Der Direktor nickte bestätigend: „Natürlich nur wenn du möchtest.“

„Ja, sehr gern.“ Taja war sich um die Großartigkeit dieser Chance bewusst und nahm natürlich dankend an.

„Gut, dann werde ich den Mitarbeiter in der Zuchtstation verständigen. Doch nun denke ich, solltest auch du den Rest der Einführungsveranstaltung nicht verpassen. Ihr habt danach eine recht ausgedehnte Mittagspause bevor der eigentliche Unterricht beginnt. Für diese Zeit werde ich dich ankündigen.“

„Ja gut, vielen Dank.“

Nachdem ihr der Direktor einen Brief und einen Lageplan, der mit einem dicken roten Kreuz versehen war, übergeben hatte, bedankte sich Taja noch einmal mit einem zurückhaltenden Lächeln und folgte dann Prof. Amber aus dem Büro. Als sie heraustrat war sie mehr als erleichtert. Sie hatte schon sonst was befürchtet und nun hatte sich das ganze als sogar recht positiv herausgestellt. Sich ein Pokémon selber auszusuchen zu dürfen, war schon ein ziemliches Glück. Allerdings auch eine große Verantwortung, denn nun hatte sie mit der eigenständigen Wahl ihres Gefährten selber ihr Schicksal als Trainer in der Hand.

Prof. Amber schien ihre Gedanken zu erraten: „Mach dir keine Sorgen, du wirst schon ein passendes Pokémon finden. Allerdings solltest du es dir wirklich gut überlegen. Wenn ich das so grob einschätze, würde ich dir vielleicht ein Pflanzenpokémon empfehlen. Damit kommt man als Anfänger immer gut zurecht.“

‚War ja klar.’ Taja musste schmunzeln. Das sie einen ganz anderen Typ im Sinne hatte, verriet sie jedoch nicht, sondern antwortete: „Ja, ich werd es mir überlegen.“
 

Während sich Taja und die Professorin noch auf dem Weg zur Einführungsveranstaltung befanden, hatte Paula die große Halle schon erreicht. Und sie war wirklich riesig. Eine weite, halbtransparente Kuppel war über ein großes Feld in der Mitte und eine umlaufene Tribüne gespannt. Auf der einen Seite hatten alle Schüler der Akademie Platz genommen und verfolgten gespannt den Pokémonkampf der gerade auf dem Feld ausgetragen wurde. Doch als Paula eintrat, hatte sie erst einmal damit zu tun ihre Klasse wieder zufinden. Nach etwas Suchen erspähte sie schließlich Tifis hellblaue Schuluniform in der Menge. Da sie und Gonni allerdings etwas weiter innen saßen und dort schon alles besetzt war, blieb ihr nichts anderes übrig, als am Rand neben einem anderem Mädchen aus ihrer Klasse Platz zu nehmen. Erst als sie es sich mit Glumanda auf dem Schoß bequem gemacht hatte, warf sie einen Blick auf das Kampffeld. Dort machte sich gerade ein Pikachu eine Attacke auf ein ziemlich flinkes Snibunna loszulassen. Als der gewaltige Donnerblitz durch die Luft krachte, erstarrte Paula. Doch nicht etwa vor Angst oder Spannung, sondern weil sie einen Blick auf die Plätze der Trainer geworfen hatte. Und sie konnte es nicht fassen. Ein leiser Aufschrei entfuhr ihr. Da unten auf dem Feld stand er! Sie rieb sich die Augen und sah noch mal genauer hin. Doch es bestand kein Zweifel. Er war es ganz sicher! Der mysteriöse Typ der sie gestern Vormittag bei ihrem Sturz aufgefangen hatte. Und in der dunklen Schuluniform der höheren Semester sah er gleich noch besser aus. Allerdings lächelte er nicht so charmant wie bei ihrem Zusammenstoß. Mit verschlossener Mine sah er aufs Kampffeld und gab seinem Pikachu nur knappe Anweisungen. Auch seine Gegnerin, ein etwas älteres Mädchen, das aussah als hätte sie gleich in einen ganzen Korb voll Zitronen gebissen, warf ihrem Snibunna nur lustlos ein paar Befehle zu. Beide machten den Eindruck, als könnten sie sich tausend bessere Sachen vorstellen, als hier in der Arena zu stehen und den jüngeren Schülern einen Showkampf vorzuführen. Doch genau denen gefiel die Demonstration super und so ging ein lautes Jubeln durch die Reihen als Pikachu und Snibunna wieder aufeinander prallten. Und auch Paula kam nicht umhin, kräftig Beifall zu klatschen, als die gelbe Elektromaus schließlich ihren Gegner mit einem monströsen Donner lahm legte. Auf dem großen Bildschirm, auf dem auch die Schüler in den hinteren Reihen die Geschehnisse hatten verfolgen können, erschien ein Bild des Siegers mit seinem Pokémon.

„Wow, er ist wirklich toll.“, entfuhr es Paula.

„Oh ja, er ist verdammt cool.“, kam es von ihrer Nachbarin.

„Er kann super kämpfen.“, zählte Paula weiter auf.

„Und er sieht verdammt gut aus.“, ergänzte das andere Mädchen gedankenverloren.

„Das ist wahr. Und nett ist er auch.“ Paula dachte an seine Hilfe bei ihrem Sturz.

„Bestimmt. Und...“ Wahrscheinlich hätten beide in ihrer abwechselnden Schwärmerei noch eine Weile weiter gemacht, wenn ihnen nicht plötzlich bewusst geworden wäre, dass sie sich gerade für den selben Typen interessierten. Sofort kehrte eine eisige Stille zwischen den beiden ein. Während Paula mit dem einen Auge verfolgte, wie sich das Kampffeld in den Boden einsenkte und den Platz mit einer kleinen Bühne tauschte, behielt sie mit dem anderen ihre vermeintliche Konkurrentin im Blick. Und auch das Mädchen mit den vielen Sommersprossen im Gesicht, schielte immer wieder misstrauisch zu Paula herüber. Doch da er nun verschwunden war, hatten sie sich nichts mehr zu sagen und so verfolgten sie nun, mehr oder weniger interessiert, den Show-Wettbewerb vierer Schüler aus den höheren Klassen. Die Attacken sahen zwar ganz toll aus, doch Koordinator zu sein, hatte Paula nie so besonders fasziniert. Dafür interessierte es sie berennend mehr über ihre mysteriösen Retter herauszufinden. Wenn sie doch nur von Anfang an da gewesen wäre. Dann hätte sie sicherlich auch seinen Namen gewusst. Sie hätte ja ihre Nachbarin fragen können, aber.... Sie verwarf diesen Gedanken schnell wieder. Aber zumindest wusste sie nun, dass er, sehr zu ihrer Freude, ebenfalls an der Akademie zur Schule ging. Also würde sich sicherlich etwas herausfinden lassen. Und wer weiß, vielleicht würde sie ihm ja auch mal zufällig über den Weg laufen.
 

Als der Schönheitswettbewerb in seine heiße Phase ging, betraten auch Prof. Amber und Taja die große Halle. Sie suchten sich einen Platz ein paar Reihen hinter der restlichen Klasse und beobachteten das Geschehen. Taja bedauerte es, dass sie nicht schon eher eingetroffen war, denn die Vorführungen waren äußerst interessant. Mit einer kraftvollen Eisstrahlattacke eines Glaziolas, die die Kuppel der Halle für einen Moment in eine riesige glitzernde Eistropfsteinhöhle verwandelte, wurde der Gegner außer Gefecht gesetzt und der Kampf beendet. Die Bühne wurde geräumt und es erschien ein Mikrofon, gefolgt von einem recht jung wirkenden Mann, der seine, anscheinend vor den Demonstrationen begonnene, Rede fortführte. Er erklärte alles Wichtige für die neuen Schüler, erläuterte verschiedene Systeme, wies auf Neurungen hin und ermahnte zur Einhaltung der Schulordnung. Obwohl Taja das alles schon in den Unterlagen des Willkommensschreibens gelesen hatte, hörte sie sich alles aufmerksam an. Schließlich hätte es ja sein können, dass sie etwas übersehen hatte. Ihr Umfeld war dagegen weniger interessiert. Gerade die älteren Schüler schalteten schon nach einigen Sätzen ab. Sie mussten sich schließlich jedes Jahr wieder das Selbe anhören. Und nicht mal die Neulinge, für die es wichtig war, konnten sich diese Fülle an Informationen merken. Als der Lehrer nach guten zwei Stunden endlich fertig war, ging ein erleichtertes Raunen durch die Menge. Jeder war froh, endlich wieder seiner Wege gehen zu können und der führte so ziemlich alle in die große Mensa, denn inzwischen verkündeten die Uhren halb eins. Auch Taja nahm dies zur Kenntnis und überlegte sich ihr Vorgehen. Der eigentliche Unterricht sollte erst um 2 Uhr beginnen. Eigentlich genügend Zeit, doch sie sollte ja ihr Pokémon abholen und da sie keine Ahnung hatte, wie viel Zeit das in Anspruch nehmen würde, beschloss sie die leise Meldung ihres Magens zu ignorieren und sich gleich auf den Weg zu machen.

Begegnung

Die Aufzuchtstation lag etwas abgelegen der anderen Komplexe und ohne Karte hätte Taja sicherlich eine halbe Ewigkeit gebraucht das Gebäude zufinden. Doch so stand sie relativ schnell vor dem farmartig angelegten Haus, das von einem scheinbar endlos langen Zaun eingegrenzt wurde. Behutsam schlüpfte sie durch das Tor und folgte dem gepflasterten Weg bis zum Haupthaus. Da dort die Türe offen stand, trat sie vorsichtig ein und fand sich vor einer Theke wieder. Doch anscheinend war niemand in dem kleinen Raum.

„Hallo?“, rief sie nach einigen Minuten des unschlüssigen Wartens.

„Was kann ich denn für dich tun, Liebes?“ Völlig unvermittelt erschien ein grauer Haarknoten hinter der Theke.

„Ehm, ich glaube der Direktor hat mich angemeldet. Ich möchte mein Pokémon aussuchen.“, erklärte sich Taja.

Ein paar Sekunden herrschte wieder Stille, dann wanderte der Knoten den Tresen entlang und durch eine Schwingtür am Ende erschien eine kleine Frau mit ziemlich runzligen Gesicht, über das jetzt ein Strahlen ging.

„Ja, ich erinnere mich.“

Taja überreicht ihr den Brief von Direktor, den sie schnell überflog.

„Ah, verstehe, komm mit mein Liebes.“

Ohne weitere Fragen folgte Taja der ziemlich gebückt gehenden Frau durch zahlreiche Gänge, bis sie schließlich ins Außengelände kamen. Plötzlich blieb sie stehen und rief mit einer überraschend lauten Stimme: „Jordan!“

Doch es regte sich nichts.

„Wo ist der Junge nur wieder?“, vorwurfsvoll stemmte sie die Hände in die Hüfte und sah sich suchend um.

„Was ist denn, Oma?“, ertöntes es plötzlich über ihnen. Ein straßenköterblonder Schopf lugte vom Dachboden herunter.

„Jordan, komm da augenblicklich runter!“ Die alte Frau erhob drohend die Faust.

„Ist gut.“

Eine kleine Tür ging auf. Ein Junge in Latzhosen erschien und sprang einfach herunter. Für einen Moment hielt Taja den Atem an, doch der schätzungsweise 10-jährige landete unversehrt und mit einem frechen Grinsen im Gesicht in einem Heuhaufen.

„Jordan, wie oft muss ich dir denn noch sagen...“, wetterte die eben noch so freundlich lächelnde Oma los. Doch bei dem Jungen schien das ins eine Ohr rein und ins andere wieder raus zu gehen. Als sie mit ihrer Standpauke fertig war fragte er unschuldig: „Was gibt es denn nun?“

„Du sollst dieses Mädchen zu unseren Kleinen bringen. Sie hat die Erlaubnis sich eins auszusuchen.“

„Ok, geht klar.“, er musterte Taja kurz, wandte sich dann um und gab ihr ein Zeichen ihm zu folgen.

Gemeinsam gingen sie ein Stück bis zu einem kleinen Häuschen. Ein nur etwa kniehoher Zaun begrenzte einen kleinen Garten, in dem Taja schon von Weitem ein ziemliches Gewusel erkennen konnte.

„Du hast Glück, sie sind grad zu Spielen draußen, da kannst du sie gut beobachten.“, erklärte ihr kleiner Führer.

Taja sah sich um. Auf der Wiese tummelten sich einige kleine Starterpokémon wild durcheinander. Aber auch ein paar andere waren darunter. Karnimani, Samurzel und Fiffyen spielten Fangen. Ein kleines Azurill hüpfte auf seinem Schwanz über die Wiese, während ein Bisasam genüsslich die Blumen anknabberte. Endivie, Schiggy und Haspiror hatten Spaß daran im Sand ihre Pfotenspuren zu beobachten und ein kleines wildes Panflam brachte mit seinen Hampelein ein Togepi zum Lachen.

‚Oje, das wird schwer.’ Man hatte Taja vor keine leichte Aufgabe gestellt.

„Du kannst ruhig reingehen und mit ihnen spielen.“, schlug Jordan vor.

Also betrat Taja die Spielwiese und wurde sogleich von einigen neugierigen Pokémon umringt, die sie zum Streicheln und Spielen aufforderten. Unter all den fröhlichen kleinen Wesen taute sie schon nach kurzer Zeit ein bisschen auf und tollte mit ihnen herum. Besonders mit einem kleinen Evoli, dass immer wieder mit ihr Ball spielen wollte, verstand sie sich gut.
 

„Und hast du dich entschieden?“, hakte Jordan nach einiger Zeit nach, denn ihm war inzwischen langweilig geworden.

Taja stand auf und sah sich die quirlige Schar um sich an. Sie waren alle so süß und zutraulich. Die Entscheidung fiel ihr wirklich mehr als schwer. Seufzend ließ sie ihren Blick noch einmal schweifen und fasste dann einen Entschluss: „Ich glaub ich nehm Evo...“ Doch bevor sie ihren Satz beenden konnte, blieb ihr Blick auf etwas anderem hängen.

„Was ist denn das da?“ Sie wies auf die aller hinterste Ecke des Geländes, wo etwas zusammengekauert saß.

Jordan kratzte sich am Kopf und verzog sein Gesicht: „Ach das ist nur unser Psycho-Flemmli.“

„Psycho-Flemmli?“, fragte sie nach.

„Jepp, ich nenn es so, weil es voll ne Klatsche hat.“

„Wieso das denn?“

„Das ist ne längere Geschichte.“, erwiderte er zögerlich, „Aber wenn du willst erzähl ich sie dir gern.“

Taja sah das Funkeln das plötzlich in seinen Augen aufkam und stimmte zu. Mit Feuereifer legte der Junge sogleich los:

„Also, es geschah vor genau drei Jahren. Da war dieses Flemmli ein ganz normales junges Starterpokémon. Es wurde einer neuen Schülerin gegeben und soweit ich weiß, waren die beiden auch ein sehr gutes Team. Doch dann, nach ein paar Wochen verschwand das Mädchen zusammen mit einer handvoll ihrer Klassenkameraden bei einem Ausflug auf mysteriöse Weise. Die ganze Akademie suchte die vermissten Schüler, doch von ihnen gab es nicht die geringste Spur. Die meisten nahmen damals an, die Schüler seinen einfach abgehauen, doch dafür gab es eigentlich keinen Grund. Ich denke aber, sie wurden von einem Monster gefressen, das ganz tief im Wald der Insel lebt.“

Zur Unterstreichung seiner Theorie riss Jordan die Augen auf, machte seine Hände zu Klauen und kam mit einem „Roar“ auf Taja zu. Diese zeigte sich allerdings wenig beeindruckt. Stattdessen fragte sie: „Und was ist mit Flemmli geschehen?“

Jordan verwandelte sich wieder in seinen Normalzustand und erzählte weiter: „Tja, drei Wochen nach dem Verschwinden, saß plötzlich das Flemmli des Mädchens genau an dieser Stelle. Es war völlig verstört und hatte eine Narbe auf der Stirn. Alle versuchten etwas aus ihm herauszubekommen, was nun geschehen war, doch das Flemmli reagierte auf niemanden. Oder na ja, es reagierte schon, nur nicht gut. Wann immer ihm jemand zu nahe kam, griff es ohne Grund an. Auch alle Pokémon. Früher war das hier noch normales Gehege und jedes Pokémon das in seine Nähe kam, hat es attackiert. Nur den Kleinen tut es nichts, deswegen haben wir die Frischlingsstation hierher gebaut, damit es nicht ganz so allein ist. Seit dem Tag, an dem es auftauchte sitzt es dort und starrt in den Wald hinein, egal ob’s regnet oder schneit. Wir wollten es ja schon mal versuchen wieder einem Trainer zu geben, aber den hat es gleich mal gegrillt. Nur meine Großmutter darf ihm Futter bringen, die knurrt es nur an. Wir hätten es ja auch frei gelassen, aber es bewegt sich nicht von der Stelle. Naja, ist halt total psycho das Teil. Keiner will es haben. Keine Ahnung was mit ihm wird.“ Jordan zuckte ziemlich gleichgültig mit den Schultern.

Aber Taja war es nicht gleichgültig. Wie dieses Flemmli da so einsam und verlassen in der Gegend saß, erinnerte es sie irgendwie an sich selbst, wie sie immer allein in einer Ecke des Schulhofes gestanden hatte und den anderen fröhlichen Kindern beim Spielen zu gesehen hatte. Sie kannte den Schmerz der Einsamkeit und das Gefühl nicht gewollt zu werden nur zu gut. Und deshalb fasste sie ohne langes Nachzudenken einen Entschluss:

„Ich nehm es.“

„Was? Bist du lebensmüde?“ Jordan sah sie fassungslos an.

Taja lächelte schief. So Unrecht hatte der Junge damit gar nicht.

„Du wirst mit dem Teil nie klarkommen.“

„Das werden wir ja gleich sehen.“ Ohne sich um Jordans Einwände zu kümmern, ging Taja langsam und bedächtig zum Ende des Areals, wo das kleine Feuerküken hockte. Es saß einfach nur da und schaute mit ausdruckslosem Blick in den dunklen Wald. Taja schlich sich bis auf etwa 2 Meter heran und ging dann in die Hocke um sich auf einigermaßen gleiche Höhe zu bringen. Obwohl das Flemmli sie nicht ansah, schien es ihre Anwesenheit bemerkt zu haben, denn es fing leise aber deutlich an zu knurren.

„Hallo Flemmli.”, sprach Taja das Pokémon vorsichtig an, doch es reagierte nicht. Aber Taja hatte auch nicht damit gerechnet, dass es ihr sofort Aufmerksamkeit schenken würde. Also redete sie weiter behutsam auf das rote Küken ein.

„Ich bin Taja. Ich habe gerade deine Geschichte gehört. Es muss wirklich schrecklich sein, seine Trainerin zu verlieren. Plötzlich ist man so völlig allein. Hilflos und einsam, kein schönes Gefühl. Ich weiß wie das ist, ich war auch immer allein.“

Wahrscheinlich verstand das Pokémon kein Wort von dem, was ihm das Mädchen da erzählte, doch anscheinend erreichten es die transportierten Gefühle, denn es sah zu ihr herüber. Zwar war es ein ziemlich feindseliger Blick, doch es hörte zumindest auf zu knurren. Gerade wollte Taja weitersprechen, da veränderte sich etwas an Flemmli. Es riss den Kopf herum, sprang auf und raste mit wutentbrannten Blick auf den Zaun zu. Denn dort hatte sich Jordan aus Neugier heimlich heran gepirscht um die Szene zu beobachten. Als er das Flemmli auf sich zujagen sah, verlor er vor lauter Überraschung das Gleichgewicht und landete rücklings auf dem Hosenboden. Er hatte das Pokémon zwar schon oft jemanden attackieren sehen, doch so richtig Angst hatte er nicht, denn zwischen ihm und dem wildgewordenen Feuerküken gab es immer noch den schützenden Zaun. Doch zu seiner und Tajas Überraschung und Entsetzen stellte dieser für das nur 40 cm große Pokémon überhaupt kein Problem dar. Es drückte sich ab und war mit einem riesigen Satz darüber hinweg. Als es auf dem Boden aufkam, stellte es sich breitbeinig hin und fixierte den Jungen. Plötzlich preschte es auf ihn zu. Jordan konnte gerade noch schützend die Hände vors Gesicht nehmen, bevor Flemmli heran war. Doch der scharfe Schnabel bohrte sich nicht in sein Fleisch, sondern in ein Stück Ast. Taja hatte sich die ganze Szene nicht tatenlos angesehen, sondern war Flemmli hinterher gestürzt und hatte sich einen herum liegenden Ast geschnappt, den sie nun zwischen das vor Wut rasende Pokémon und den Jungen gebracht hatte. Jordan war heil davon gekommen, doch offensichtlich erbost über ihre Einmischung wandte sich das Feuerküken nun gegen sie. Hasserfüllt sah es sie an. Mit seinem Schnabel und Krallen versuchte es das Mädchen zu erwischen. Es war verdammt schnell, doch wenn Taja eins in ihrem Leben gelernt hatte, dann war es ausweichen. Immer wieder entging sie den Attacken oder konnte sie zumindest mit dem Stock abfangen. Doch ewig konnte dieses Spielchen nicht so weitergehen. Flemmli schien ne ziemliche Ausdauer zu haben, doch ihre ließ langsam nach. Sie musste sich was einfallen lassen um es ruhig zustellen. Als es mal wieder wütend an ihr vorbei stürzte, reagierte sie. Taja ließ sich fallen und erwischte es. Völlig überrascht erstarrte es einen Moment, doch nur um im nächsten heftigst loszustrampeln. Doch zu spät. Taja hielt es fest umklammert. So sehr es auch um sich trat, zerrte und würgte, das Mädchen hatte es im Griff. Auch als es seinen Schnabel frei bekam und die scharfe Spitze in Tajas Hand jagte, ließ diese trotz des Schmerzes nicht los. Nach ein paar Minuten des Ringens wurde es dann endlich ruhiger. Und das auch keine Sekunde zu früh, denn Taja verließen allmählich die Kräfte. Als Flemmli zwar heftig atmend und mit einem in sich gekehrten Blick, aber bewegungslos in ihren Armen verharrte, lockerte sie den Klammergriff. Behutsam streichelte sie es kurz über den Kopf und setzte es dann auf den Boden ab. Das Feuerpokémon setzte sich sofort in Bewegung, sprang über den Zaun und ließ sich an seiner alten Stelle nieder.
 

Keuchend stand Taja auf und putzte sich den Dreck von den Sachen. Na ja, zumindest so gut es ging. Ihr wurde plötzlich bewusst, wie unpraktisch so eine weiße Uniform war. Doch sie hatte jetzt andere Probleme.

„Und willst du das Teil immer noch?“, fragte Jordan mit nem ironischen Unterton. Als Taja entgegen seiner Erwartung nickte, fiel ihm die Kinnlade herunter.

„Hast du nen Schaden?“

„Sieht so aus.“, gab sie lächelnd zu, „Sag mal, geht es die Leute immer so an?“

„Na ja, meist nicht ganz so heftig, aber in der Regel schon.“, erklärte er.

„Aber deine Großmutter greift es nicht an?“, hakte Taja nach.

„Ne, die knurrt es nur an oder ignoriert sie. So wie bei dir.“

Taja sah gedankenverloren auf Flemmli. In ihr keimte ein Verdacht auf.

„Und die Leute, die versucht haben mit ihm zu reden oder es abzuholen, waren das alles Trainer?“ Taja wollte es genau wissen.

Jordan überlegte kurz und bestätigte dann: „Jepp, ich glaub schon.“

„Hm...“

Als er das Mädchen wieder über den Zaun steigen und auf Flemmli zugehen sah, konnte es Jordan nicht fassen. Jeder andere hätte schon längst das Weite gesucht. Die musste doch wirklich bescheuert sein. Er hatte jedenfalls keine Lust noch mal zur Zielscheibe zu werden und beobachtete deshalb die ganze Sache von etwas weiter weg.

Taja ging jedoch ohne zu zögern wieder zu Flemmli. Zwar erinnerte ihre brennende Hand sie sehr gut daran, das das süße Pokémon ziemlich gefährlich werden konnte, doch sie wusste irgendwie, dass es sie nicht angreifen würde. Dennoch behielt sie einen kleinen Sicherheitsabstand.

„Tut mir leid, das ich dich gerade so hart angepackt habe, doch es musste sein. Ich will dir aber wirklich nichts tun.“

Trotz der Entschuldigung schielte das Pokémon das Mädchen misstrauisch aus den Augenwinkeln an. Doch davon ließ sich Taja jedoch nicht beirren. Sie rückte ein kleines bisschen näher heran. Dann sprach sie ihre Vermutung vorsichtig aus: „Sag mal, Flemmli, kann es vielleicht sein, dass du keine Männer magst?“

Taja war sich nicht ganz sicher, doch sie glaubte ein leises „Flemm“ vernommen zu haben. Lächelnd flüsterte sie dem kleinen Pokémon zu: „Keine Angst, kann ich verstehen.“

Flemmli wandte sich zu ihr um. Es sah sie zwar immer noch grimmig an, doch es sah sie an. Taja freute sich sehr über diesen kleinen Erfolg. Irgendwie hatte sie schon von Anfang an das Gefühl gehabt, das sie und das Feuerpokémon auf einer Wellenlänge lagen. Auch wenn sie jetzt schon wusste, das es mit diesem Pokémon alles andere als leicht werden würde, stand ihr Entschluss fest. Sie wollte dieses Flemmli und kein anderes Pokémon. Nur Flemmli musste davon noch überzeugt werden.

„Du vermisst sie sehr, oder?“ Inzwischen war sie fast ganz nah an das Feuerwesen herangerückt. Sein Blick wurde traurig und es nickte.

„Das verstehe ich. Es ist immer schwer jemanden zu verlieren, den man gern hat. Aber weißt du, deine Trainerin hatte dich bestimmt auch sehr gern. Ich glaube es würde ihr das Herz brechen, wenn sie dich so einsam und traurig hier sehen könnte. Du hast so viel Kraft, aus dir könnte sicherlich ein wahnsinnig starkes Pokémon werden. Weißt du, ich hab zwar noch keine Erfahrung, aber ich hätte gern so ein tolles Pokémon wie dich. Ich glaube, zusammen könnten wir wirklich stark werden. Also wenn du möchtest, ich würde dich gerne als meinen Pokémonpartner nehmen. Und vielleicht können wir dann auch Freunde werden.“

Das Flemmli schien für einen Moment von ihren Worten berührt und sah ihr in die Augen. Taja konnte förmlich den Schmerz sehen, der sich in seinen dunklen Kulleraugen spiegelte. Doch dann senkte es den Blick. Etwas enttäuscht stand Taja auf: „Na gut, du kannst es dir ja überlegen. Ich werde dich jetzt öfters besuchen kommen.“

Und wenn sie wochenlang hier hin laufen musste, irgendwann würde sie Flemmli schon erreichen. Aufgeben kam nicht in Frage. Doch nun lief ihr erst mal die Zeit davon. Sie musste sich auf den Rückweg machen um nicht zu spät zum Unterricht zu kommen. Sie verabschiedete sich von Flemmli und verließ die Station. Jordan lief ihr hinterher.

„Sag mal, willst du jetzt gar kein Pokémon mitnehmen?“, fragte er keuchend.

Taja schüttelte den Kopf: „Ich habe gesagt, ich nehme Flemmli, nur es ist offensichtlich noch nicht bereit. Also werde ich warten. Irgendwann wird es schon mitkommen.“

„Aber...“ Doch als der Junge ihren entschlossenen Blick sah, ließ er seinen Kommentar stecken. Als sie im Hauptgebäude der Farm ankamen, wurden sie von Jordans Oma freudig erwartet.

„Und Liebes, was hast du dir ausgesucht?“

„Nichts.“

Tajas Antwort löste großes Erstaunen in der alten Frau aus, doch noch mehr Jordans ausführliche Erzählung über die Ereignisse. Als er endete hatte sie Tränen in den Augen.

„Gut wenn du dieses Flemmli wirklich willst, dann komm wieder so lange du möchtest. Ich würde mich sehr freuen, wenn es klappen würde.“

„Ja, ich mich auch. Doch nun muss ich gehen. Vielen Dank für alles. Bis morgen.“ Taja verabschiedete sich und machte sich dann auf den Rückweg. Zwar ging sie mit leeren Händen, doch mit dem Gefühl die richtige Entscheidung getroffen zu haben.
 

Bei anderen ihrer Klasse war die Mittagspause ereignisloser abgelaufen. Paula, Tifi und Gonni hatten zwar erst eine Weile gebraucht um sich in der Mensa zurecht zufinden, doch nun saßen sie zufrieden gesättigt da und entspannten etwas. Wobei bei Paula wenig Entspannung aufkam, denn ihr brannte immer noch eine Frage unter den Fingernägeln, die sie noch nicht hatte loswerden können, da sie Tifi erst mal in allen Einzelheiten hatten berichten müssen, was beim Direktor losgewesen war. Ein paar Details ließ sie dabei aber doch unter den Tisch fallen. Nun war aber alles geklärt und so beschloss sie auf das andere Thema zu sprechen zu kommen.

„Also der Kampf vorhin, war echt toll. Schade, dass ich nicht von Anfang an da gewesen bin.“

„Ja, die beiden Pokémon waren ganz schön stark.“, bestätigte Tifi.

„Besonders das Pikachu war toll. Sein Trainer war auch ganz schön gut. Wie hieß er noch gleich?“, fragte sie unverfänglich.

Tifi grübelte kurz nach: „Hm, sie hatten es angesagt, aber ich hab es mir nicht gemerkt.“

‚Asche!’ Das war also nichts, doch Paulas Hoffnungen ruhten noch auf Gonni.

„Gonni?“

Doch der zuckte nur mit den Schultern: „Keine Ahnung, was interessiert mich der Name von irgendeinem Typen.“

„Hätte ja sein können.“, grummelte Paula etwas deprimiert.

„Also ich weiß ihn.“, ertönte es plötzlich hinter ihr. Paula drehte sich um und erblickte das Mädchen das in der Arena neben ihr gesessen hatte. Aus irgendeinem Grund, trübte sich ihre gute Laune sofort.

„Schön für dich.“, gab sie patziger als sie wollte zurück. Doch dann entschied sie sich die Gelegenheit auszunutzen und fragte freundlich: „Und wie heißt er?“

„Ich könnte es dir ja sagen.“, antworte sie zögerlich, „Aber ich tu es nicht.“

„Dann eben nicht. So wichtig ist das nun auch wieder nicht.“, erwiderte Paula von der schnippischen Antwort angefressen. Sicher war es ihr wichtig, aber betteln würde sie bestimmt nicht. Das Mädchen ging mit einem Siegeslächeln am Tisch vorüber. Paula sah ihr grimmig nach. Sie wusste nicht wieso, aber irgendwie konnte sie dieses Mädchen nicht so richtig leiden.

„Geht sie nicht auch in unsere Klasse?“, fragte Tifi interessiert.

Mit einem geknirschten „Hm, kann sein“ beendete Paula das Thema.

Aber sie hatten auch sowieso keine Zeit mehr großartige Gespräche zu führen, denn in einer viertel Stunde begann der Unterricht und noch mal zu spät zu kommen, wollte Paula nun wirklich nicht. Als kehrten sie ins Lehrgebäude zurück und bereiteten sich auf ihre erste Stunde vor. Der eigentliche Stundenplan trat erst morgen in Kraft, sodass sie nun eine Doppelstunde Allgemeine Pokémonkunde bei ihrer Klassenlehrerin hatten.
 

Als die Schuluhr 2 Uhr schlug, waren alle wieder versammelt. Selbst Taja hatte es noch geschafft sich ne saubere Schuluniform anzuziehen und die leicht blutende Wunde an ihrer Hand mit Pflastern notdürftig zu verarzten. Nur gegessen hatte sie immer noch nichts, doch ihr Magenknurren unterdrückte sie einfach. Schließlich hatte sie wichtigeres zu tun, wie Prof. Ambers Unterricht zu verfolgen. Doch bevor diese mit dem eigentlichen Stoff anfing, gab es noch etwas anderes zu erledigen.

„So, mit Erhalt eures Pokémons seit ihr eigentlich schon richtige kleine Trainer. Doch da ich mal annehme, dass ihr euch nicht allein mit einem Pokémon zufrieden geben wollt, fehlt euch noch etwas Wichtiges.“

Unter den neugierigen Blicken ihrer Klasse holte sie eine große Kiste hervor und packte ein kleines Kästchen aus. Die Schüler erkannten sofort, was die Lehrerin in den Händen hielt und waren begeistert.

„Ja, nun bekommt ihr noch jeder euren Pokédex und dann steht eurer großartigen Karriere als Pokémon-Trainer, Koordinator oder Forscher nur noch jede Menge harte Arbeit im Weg.“, verkündete sie zwinkernd. Sie ging rum und verteilte an jeden Schüler einen Pokédex in der Farbe seiner Schuluniform, was Verwechslungen und Verschwinden dieser Mini-Computer meist auf ein Minimum reduzierte. Dazu gab es für jeden Schüler noch ein weiteres kleines schmales Kästchen im selben Farbton, wozu sie erklärte:

„Dies ist ein Messenger mit dem ihr bzw. auch die Lehrer euch Nachrichten schicken könnt, um Termine zu verkünden, euch zu Kämpfen zu verabreden ect. Er ist allerdings nicht dazu gedacht,“ sie sah ihre Schüler scharf an, “während des Unterrichts zu texten. Und bei Prüfungen hat er natürlich ebenso wenig etwas in euren Händen zu suchen.“

Dem einen oder anderen gingen sofort ein paar praktische Verwendungen dieses Geräts durch den Kopf, doch Prof. Amber holte sie durch das Ausgeben der Stundenpläne auf den Boden der Tatsachen zurück. Paula besah sich das Blatt und bekam einen ziemlichen Schreck. Das ging ja wirklich gleich voll zur Sache. Gut Montags hatten sie nur vier Doppelstunden, also bis um 3 Uhr, dafür Dienstags und Mittwochs jeweils bis viertel vor fünf und Donnerstags gleich mal bis halb sieben. Dafür waren die Lehrer gnädig gewesen und hatten am Freitag nur 3 Stunden angesetzt, also konnten sie kurz vor eins in ein schönes Wochenende starten. Oder zumindest hätten es gekonnt, wenn sich nicht irgendein Schlaumeier hätte einfallen lassen, das man auch Samstags Unterricht machen konnte, da die Schüler eh an der Akademie blieben. Wenigstens begannen sie da erst zur 2. Stunde und nicht wie üblich 7.45 Uhr. Doch richtig begeistert war Paula trotzdem nicht davon. Und auch die Hälfte der Fächer die sie da erblickte, gefielen ihr nicht sonderlich. Da standen doch tatsächlich ganz normale Fächer drauf. Gut, Mathe und Deutsch waren ja nicht das schlechteste, doch wozu musste sie bitte Kunst, Musik und vor allem Sport an einer Pokémonakademie haben? Noch konnte Paula nicht ahnen, das diese Fächer zum Großteil etwas anders waren, als sie es von ihrer Schule gewohnt war. Die Pokémon spezifischen Fächer gefielen ihr dagegen besser. Das sie besonders viel Pokémonkunde hatten war ja logisch und auch Kampfunterricht war zahlreich vertreten. Gut auf die 3 Stunden Koordinatorenausbildung hätte sie verzichten können, aber allzu schlimm war das auch nicht. Dafür hörten sich Verhaltensforschung, Heilkunde und Zucht doch ganz interessant an. Irgendwas davon würde ihr schon Spaß machen.

Als sie nach einer guten halbe Stunde nun wirklich alle organisatorischen Sachen geklärt hatten, konnte Prof. Amber endlich mit der Wissensvermittlung über die Pokémon beginnen. Um den Stand ihrer Schüler mit doch sehr unterschiedlichen Hintergründen herauszufinden, veranstalte sie zunächst eine kleine Quizrunde rund um Pokémon. Wie erwartet vielen die Ergebnisse ziemlich gemischt aus. Viele konnten alle Fragen ohne Probleme beantworten, doch bei einigen herrschten noch große Wissenslücken. Sie würde also wie jedes Jahr erst mal dafür sorgen müssen, dass alle auf das selbe Level kamen und so entschied sie sich doch wieder beim Urschleim anzufangen, auch wenn die meisten die grundlegenden Sachen sicher schon in und auswendig kannten. Doch es half ja alles nichts, immerhin sollte jeder die gleiche Chance kriegen. Und so verbrachten sie die erste Stunde hauptsächlich mit Begriffserklärungen rund um Pokémon.
 

Nach der Stunde verließen alle möglichst schnell das Klassenzimmer, denn sie wollten den freien Nachmittag noch nutzen. Nur zwei Schülerinnen wurden von Prof. Amber zurückgehalten: „Paula, denk bitte daran, Glumanda zur Krankenstation zu bringen.“

„Ja mach ich gleich.“

Damit blieb nur noch Taja übrig.

„Und, was für ein Pokémon hast du dir ausgesucht?“

Taja, wollte zwar nicht lügen, doch sie hatte das Gefühl, das es besser war, der Lehrerin nichts von ihrem Vorhaben das verstörte Flemmli zu ihrem Pokémon zu machen, zu sagen. Also wählte sie das Mittel der Detailauslassung: „Nun, ich hab ein Pokémon gewählt, nur hing es irgendwie noch zu sehr an der Aufzuchtstation, sodass ich es erst später holen werde.“

Die Lehrerin zog skeptisch eine Augenbraue hoch: „Ihr habt morgen das erste mal Kampfunterricht nach der Mittagspause. Bis dahin solltest du dein Pokémon haben.“

Das setzte Taja ein wenig unter Zeitdruck, doch das ließ sie sich nicht anmerken.

„Bis dahin werde ich es sicherlich haben.“ Hoffte sie zumindest.

„Was hast du eigentlich mit deiner Hand gemacht?“, forschte die Lehrerin beim Herausgehen nach.

„Ach, ich war heut Mittag nur zu ungeschickt richtig mit dem Messer zu essen. Nichts schlimmes.“, versuchte sie sich herauszureden.

„Auch wenn es nur eine kleine Wunde ist, du solltest zur Krankenstation gehen und es behandeln lassen, bevor es sich entzündet.“, schlug sie fürsorglich vor.

Taja hatte dank ihrer Mutter zwar einen Jahresvorrat an Desinfektionsmittel im Zimmer stehen und hatte den Schnitt damit schon behandelt, doch sich selber mit der einen Hand einen richtigen Verband anzulegen war ihr nicht möglich gewesen und so beschloss sie den Ratschlag der Lehrerin zu befolgen. Und so machte sie sich nach der Verabschiedung auf den Weg zur Krankenstation.
 

„Wollen wir ein bisschen spazieren gehen und die Akademie erkunden?“, schlug Tifi ihren beiden Freunden vor.

Paula wollte gerade begeistert zustimmen, denn es war das herrlichste Wetter, doch dann fiel ihr wieder ein, dass sie noch was zu erledigen hatte: „Geht leider nicht, ich muss doch Glumanda noch untersuchen lassen.“

„Ach stimmt ja, aber vielleicht später.“

„Ja klar, ich schick euch ne Nachricht, wenn ich fertig bin.“ Sie hatten inzwischen ihre Messenger-Nummern ausgetauscht, sodass sie sich nun jederzeit verständigen konnten.

„Also dann bis später.“, wurde sie von Tifi verabschiedet.

„Ja, Tschaui.“

Während ihre beiden Begleiter sich erst mal in ihre Zimmer zurückzogen, versuchte sich Paula an einer Karte zu orientieren um die Krankenstation zufinden. Praktischerweise befand sich das längliche Gebäude genau neben dem Hauptgebäude, sodass es ihr keine Probleme bereitete den Weg zufinden. Damit sie nicht so allein durch die Gegend laufen musste, ließ sie ihr süßes kleines Glumanda raus und spazierte mit ihm vergnügt zu ihrem Ziel. Doch die gute Laune hielt nicht lange an, denn als sie durch die sich automatisch öffnende Fronttür des Krankenhauses trat, prallte sie unsanft mit jemanden zusammen.

„Pass doch auf!“, wurde sie angefaucht.

„Pass doch selber auf!“, gab Paula giftig zurück, immerhin hatte das andere Mädchen genauso Augen im Kopf. Doch als sie sah, mit wem sie da zusammen gestoßen war, musste sie etwas schlucken. Es war die Trainerin die erst mit Snibunna in der Arena gekämpft hatte. Und das ziemlich dürre Mädchen machte auch jetzt nicht gerade den freundlichsten Eindruck. Sie sah Paula an, als wäre diese eine dicke fette Laus, die ihr gerade gewaltig über die Leber lief. Doch davon ließ sich Paula nicht wirklich beeindrucken. Sie mochte zwar älter sein als sie und gehörte sicherlich auch zu den besten Trainern, doch deswegen musste sie doch nicht gleich vor Erfurcht erstarren. An dem Zusammenstoß war sie nun wirklich nicht allein Schuld gewesen. Doch daran dachte die ältere Schülerin gar nicht mehr, denn sie hatte etwas neues gefunden, was sie noch viel mehr störte.

„Man darf sein Pokémon außerhalb des Kampfunterrichts nicht frei herumlaufen lassen!“, belehrte sie Paula in einem unfreundlichen Ton.

„Wieso? Wo steht das?“

„In der Schulordnung, die du dir schon längst hättest lesen sollen. Außerdem sollten deine Lehrer es dir schon mehrfach mitgeteilt haben.“, erwiderte sie mit einem säuerlichen Blick.

Doch Paula scherte das nicht weiter: „Na und, ich mag mein Glumanda lieber bei mir haben.“

Mit Widerworten hatte die ältere Schülerin nun nicht gerechnet und erklärte deshalb aufgebracht: „Es geht hier aber nicht nach dir. Es gibt Regeln und die hat jeder einzuhalten! Auch du!“

Paula wollte gerade noch etwas erwidern, als sie ihre Trumpfkarte ausspielte: „Und außerdem bin ich als Eliteschülerin dazu befugt Verstöße der Schulordnung zu ahnden. Wenn du dein Pokémon nicht augenblicklich in seinen Pokéball holst, werde ich dir ein Verweis aussprechen.“

Zwar hatte Paula dazu so gar keine Lust, doch mit der Aussicht sich am zweiten Tag an der Akademie schon richtig Ärger einzuhandeln, entschied sie sich das kleinere Übel zu wählen. Seufzend kramte sie den Pokéball heraus und rief Glumanda, das sich die ganze Zeit etwas ängstlich an ihre Seite gedrückt hatte, zurück.

„So bist du nun zufrieden?“, fragte sie genervt.

„Warum denn nicht gleich so. Ich hoffe das kommt nicht wieder vor.“, fauchte das Zitronen-Mädchen, wie Paula sie kurzerhand für sich getauft hatte, zurück. Dann wandte sie sich endlich um und ging ihrer Wege, die nach Paulas Ansicht gar nicht weit genug weg führen konnten. Am liebsten hätte sie ihr die Zunge rausgestreckt, doch sie waren hier ja nicht im Kindergarten. Paula sah ihr noch nach, bis sie hinter einem Hügel verschwunden war, dann nahm sie den Pokéball und ließ Glumanda wieder raus. Die konnte ihr doch viel erzählen. Und so setzte sie ihren Weg durch die kleine Eingangshalle unbekümmert mit Glumanda an der Hand fort. An der gegenüberliegenden Wand stieß sie dann auf zwei Türen. Über der Rechten hing ein leuchtendes Schild mit der Aufschrift „Mensch“ und über der Linken eins mit „Pokémon“. Da sie nicht vorhatte sich selber verarzten zu lassen, wählte sie die linke Tür. Als sie durchtrat empfing sie das typische Bild eines Pokémon Centers. Natürlich durfte deshalb auch das Herz eines jeden solchen Gebäudes nicht fehlen und so stand hinter der Rezeption eine Schwester Joy, die sie freundlich begrüßte und nach ihren Wünschen erkundigte. Paula erklärte ihr ausführlich, warum es sie hatte hierher verschlagen.

Die hilfsbereite Schwester Joy rief daraufhin einen Assistenten, der Paula und Glumanda in ein Untersuchungszimmer führte, wo sie erst mal Platz nehmen mussten. Einige Minuten später erschien eine zweite Schwester Joy.

„So, dann wollen wir mal mit der Gesamtuntersuchung beginnen. Würdest du mir Glumanda bitte übergeben?“, forderte sie Paula freundlich auf.

Doch die wurde beim Wort „übergeben“ gleich wieder misstrauisch. Vielleicht hatten sie ja doch hinterrücks abgesprochen ihr Glumanda auf diese Weise unbemerkt wegzunehmen. Um auf Nummer sicher zu gehen sagte sie: „Ich würde bei der Untersuchung lieber dabei sein.“

Doch entgegen ihrer Erwartung stimmte die Krankenschwester dem zu. Trotzdem sah sie ganz genau hin, als ihr kleiner Liebling an verschiedene seltsame Apparaturen angeschlossen wurden. Glumanda schien das allerdings nicht weiter zu interessieren. Es saß da, sah sich neugierig um und baumelte vergnügt mit den Beinen. Auch Paula entspannte sich allmählich, da Schwester Joy nichts Böses im Schilde zu führen schien. Sie saß vor dem Computer und sah sich die Ergebnisse an.

„Also bisher ist alles ok. Du hast ein, vielleicht etwas kleines, aber kerngesundes Glumanda.“

Paula atmete auf. Das war eine echte Erleichterung.

„Nun muss ich Glumanda nur noch Blut abnehmen, dann sind wir fertig.“ Sie steckte eine Ampulle in eine Spritze und presste die Lust heraus. Als Glumanda jedoch die Spitze im Neonlicht funkeln sah, wurden seine Augen groß. Und angsterfüllt. Bevor sich Paula und Schwester Joy versahen, setzte ein ohrenbetäubendes Geschrei ein. Paula musste sich die Ohren zu halten. So klein dieses Glumanda auch war, es hatte ein verdammt kräftiges Organ. Doch obwohl es ihr Trommelfell sehr belastete, ließ sich die versierte Krankenschwester durch das Geheul nicht beirren. Sie fasst das kreischende Pokémon am Arm und wollte die Spritze ansetzen, als durch Glumandas Körper ein Beben ging. Plötzlich biss es Schwester Joy in die Hand, war eine Sekunde später vom Untersuchungstisch gesprungen und wieselte aus der Tür heraus. Paula bekam einen riesigen Schreck, riss sich aber zusammen und eilte ihrem Pokémon hinterher. Doch sie hatte gar nicht damit gerechnet, das die kleine Feuereidechse so schnell sein konnte. Die panische Angst, die Glumanda erfasst hatte, verlieh ihm scheinbar Flügel. In Windeseile war es an der Rezeption vorbei und schoss aus der Zwischentür in Richtung Freiheit. Doch plötzlich endete seine Flucht, als es gegen etwas stieß und rückwärts kullerte.
 

Als Taja mit ihrer verbundenen Hand aus der Krankenstation kam, wurde sie auf einmal von etwas angerempelt. Sie strauchelte, blieb an ihren eigenen Füßen hängen und landete etwas unsanft auf den Knien. Als sie sich wieder aufrappelte, sah sie mit Erstaunen, das ihr Sturz von einem kleinen Glumanda verursacht worden war. Es war ein Stück weit über den Fußboden geschlittert und hielt sich die demolierte Nase. Dann flog plötzlich die Tür auf. Taja konnte ihre Klassenkameradin erkennen, die auf ihr Pokémon zustürzte. Bevor es sich wieder aufrappeln konnte, war sie heran und hatte es geschnappt.

„Glumanda! Du kannst doch nicht einfach weglaufen! Ich hab mir Sorgen gemacht.“, wandte sie sich vorwurfsvoll an ihr Pokémon. Dieses sah sie mit kleinen Tränchen in den Augen an.

„Du brauchst doch keine Angst zu haben, so eine Spritze ist doch gar nicht so schlimm.“, versuchte sie Glumanda zu beruhigen, doch das war wohl etwas anderer Meinung. Mit dem immer noch zappelnden Feuerpokémon im Arm machte sich Paula auf den Rückweg ohne auch nur Notiz von ihrer Mitschülerin zu nehmen. Die sah den beiden fragend nach, beschloss dann jedoch sich lieber mit ihren eigenen Problemen zu beschäftigen. Und das waren im Moment ihre brennende Hand und ihre schmerzenden Knie. Leicht humpelnd machte sie sich auf den Weg in ihr Zimmer, in dem sie sich auch den ganzen restlichen Tag verbrachte um sich schon mal auf den morgigen Unterricht vorzubereiten.
 

Unterdessen hatte Paula alle Hände voll damit zu tun, Glumanda einigermaßen ruhig zu halten, während Schwester Joy erneut versuchte die Spritze anzusetzen. Doch es blieb beim Versuch, denn das völlig aufgebrachte Pokémon schaffte es immer wieder eine Gliedmaße frei zu bekommen, mit dem es ihr das vermeintliche Foltergerät aus der Hand schlagen konnte. Paula konnte es kaum ertragen ihr geliebtes Pokémon so leiden zu sehen, doch zu einer vollständigen Untersuchung gehörte es dazu und ohne die durfte sie Glumanda nicht behalten. Also mussten sie irgendwie da durch. Wie konnte sie Glumanda nur davon überzeugen, das ihm nichts schlimmes passieren würde?

Plötzlich kam ihr ein Einfall. Sie ließ Glumanda los, was sich daraufhin sofort zitternd unter den Tisch verzog, ging zu der Schwester und flüsterte ihr etwas zu. Die nickte und holte eine weitere Spritze. Paula setzte sich statt Glumanda auf den Tisch und ließ sich die Kanüle in den Arm stechen. Sie konnte sich zwar auch was schöneres vorstellen, vor allem weil sie die Pflaster auf der Wunde hasste, doch wenn es half ihr Pokémon zu beruhigen, ließ sie auch das über sich ergehen. Und tatsächlich lugte Glumanda neugierig unter dem Tisch hervor und beobachtete das Geschehen. Als seine Trainerin scheinbar völlig unversehrt wieder aufstand, getraute es sich sogar ein Stück hervorzukommen.

„Siehst du, ist gar nichts passiert.“ Paula zeigte ihm das Pflaster, das es argwöhnisch beschnüffelte. Nach einer Weile gutem Zureden kam es zumindest wieder aus seinem Versteck. Paula nahm es behutsam auf den Schoß und streichelte sanft über seine Pfote. Zwar schielte es immer noch verdammt ängstlich auf die Nadel und begann herzzerreißend zu wimmern, doch der etwa zwanzigste Versuch der Blutabnahme hatte endlich Erfolg. Nachdem Schwester Joy den Einstich mit einem knallbunten Pflaster versorgt und es für seine Tapferkeit gelobt hatte, waren das immer noch leicht zitternde Pokémon und seine mittlerweile ziemlich geschaffte Trainerin entlassen. Die Befunde sollten schon am nächsten Tag da sein und dann würde Glumanda endlich ohne jeden Zweifel ihr gehören.

Doch nun war sie erst einmal froh, dass sie mit ihrem plötzlich ziemlich kuschelbedüftigen Pokémon der Krankenstation ade sagen durfte. Sie hoffte nur inständig, dass es nicht jedes mal so ablaufen würde. Paula freute sich nach diesem Kampf aber nun erst mal über eine Erholungsrunde in ihrem Bett.
 

Und tatsächlich fühlte sie sich nach einiger Zeit wieder so fit, dass sie Tifi und Gonni Bescheid gab und sie gemeinsam noch ne kleine Runde über das Akademiegelände drehten. Tifi hatte schon in Erfahrung gebracht, was sie in den einzelnen Fächern so alles lernen mussten und so hatten sie auch später während des Abendessens noch genügend Gesprächsstoff. Obwohl der lauschige Vorsommerabend zum Verweilen einlud, entschlossen sie doch nicht zu spät ins Bett zu gehen, denn irgendwie hatten die ganzen neuen Eindrücke sie ziemlich geschafft. Und so lag Paula wenig später erledigt, aber für den Moment vollkommen glücklich und zufrieden mit ihrem wundervollen neuen Freund im Arm gekuschelt im Bett und träumte von den aufregenden Abenteuern die auf sie warten würden.

Der Unterricht beginnt

Als am nächsten Morgen 7.45 Uhr die Sonne die ersten sanften Strahlen über die Akademie warf, saßen die 20 Schüler der C-Klasse vollständig versammelt und gespannt in ihrem Klassenraum. Selbst Paula war es gelungen ohne jegliche Probleme pünktlich aus den Federn zukommen und nach einem gemütlichen Frühstück mit Gonni und Tifi nun entspannt auf ihrem Platz zu sitzen. Das einzige was nun noch fehlte um die erste Stunde beginnen zu können, war der Lehrer.

Die meisten störte das aber nicht weiter, denn sie hatten schon die ersten Freundschaften geschlossen und quatschten einfach noch ein bisschen mit ihren Klassenkameraden. Auch Paula hätte gern mit Tifi ihre angeregte Unterhaltung vom Frühstück fortgesetzt, doch die saß leider drei Plätze weiter hinten und sie hatte keine Lust sich über zwei Köpfe hinweg anzuschreien. Sie überlegte sich gerade aufzustehen und zu ihrer neuen Freundin zu gehen, als plötzlich die Türe aufflog. Das Geschnatter verstummte augenblicklich. Alle sahen erwartungsvoll zur Tür. Doch zunächst tat sich nichts. Erst nach einigen spannungsgeladenen Sekunden erschien ein etwas untersetzter Mann, der total steif, fast roboterartig auf den Lehrertisch vor der Klasse zuging. Die etwas längeren, schon stark grau-melierten Haare, die auf seinem sonst kahlen Kopf zwei seitliche, federartige Kränze bildeten, wippten dabei eigenartig im Takt. Mit der Hakennase, auf deren Höcker eine kleine bügellose Brille klemmte, im recht faltenreichen Gesicht und seinen schmalen Augen sah er irgendwie leicht kauzig aus. Seine Kleidung bestand aus einer, für Lehrer eher sehr untypischen, Kombination aus brauner Dreiviertelhose, blauen Karohemd, gelber Weste und quietschgrüner Krawatte. Über Mode schien sich der etwas seltsam anmutende Mann wohl keine großen Gedanken zu machen. Er machte eigentlich überhaupt nicht den Eindruck, als würde er sich auch nur über irgendwas Gedanken machen.

Am Lehrertisch blieb er abrupt stehen und wandte sich der Klasse mit ausdruckslosem Gesicht zu.

Erwatungsvolle Stille setzte ein. Die Schüler wussten nicht so richtig, was sie von diesem Auftritt halten sollten. Und so verstrich eine Minute. Es verstrichen zwei Minuten. Und auch nach Drein hatte er immer noch nichts gesagt, sondern starrte einfach nur über die Köpf seiner neuen Schüler hinweg auf die Wand. Erst als einer der Schüler den Mund aufmachte, ließ er sich zu einer Äußerung hinreißen.

„Was bin ich?“, fragte er mit krächzender Stimme in die Klasse hinein.

Alle sahen sich verwundert an. Was bitte meinte er nur damit? Woher sollten sie denn bitte wissen, wer er war? Ein unterschwelliges Gemurmel setzte ein, denn jeder erkundigte sich erst mal beim Nachbarn, was er von dem eigenartigen Verhalten des Mannes hielt. Die meisten zuckten nur ahnungslos mit den Schultern, doch schließlich getraute sich einer der Schüler eine unsichere Antwort zu geben:

„Unser Lehrer?“

Doch es erfolgte nicht die geringste Reaktion.

„Unser Lehrer, der seinen Text vergessen hat?“ Über Gonnis Kommentar mussten alle lachen, sodass sich die vor Ratlosigkeit angespannte Atmosphäre lockerte. Und so folgte eine Salve nicht wirklich ernst gemeinter Vorschläge, bei der jeder versuchte den anderen an Absurdität zu übertreffen.

„Eine Steinstatue?“

„Ein Eisblock?“

„Ein Baum?“

„Ein Zombie?“

„Quatsch, der ist einfach jemand der nen Besenstiel verschluckt hat.“

„Ne, ein Bügelbrett.“

„Ach wo, der is einfach nur durchgeknallt.“, spottete jemand.

Doch so sehr sie auch lachten, nach etwa 10 Minuten fielen keinem mehr sinnlose Vorschläge ein. Es kehrte allmählich wieder Stille ein. Und der seltsame Typ hatte immer noch keinerlei Regung gezeigt. Langsam wurde es fast schon unheimlich. Nachdem sich ein paar weitere Minuten nichts getan hatte, wurde es einer von ihnen zu bunt.

„Also ich weiß ja nicht, worauf ihr noch warten wollt, aber ich geh jetzt.“

Das Mädchen mit den roten Haaren stand auf und fing an ihre Sachen einzupacken. Einige sahen sie erstaunt an, beschlossen dann aber, dass das gar keine so schlechte Idee war, da der Lehrer sich anscheinend überhaupt nicht daran störte.

Doch jemand anderen störte es dafür umso mehr. Scherze zu machen, das war ja okay, aber so respektlos zu sein, einfach aus dem Unterricht zu verschwinden, das konnte sie nicht zulassen. Und so warf Taja leise das ein, was sie schon die ganze Zeit vermutet, aber nicht zu sagen getraut hatte: „Ein Xatu?“

Während die meisten diesen zaghaften Einwurf in mitten des Papierraschelns und Stühlerückens nicht mitbekamen, gab es einen, der es sehr wohl vernommen hatte.

Plötzlich kam Leben in das starre Gebilde am Lehrertisch.

„Richtig.“, schallte es begeistert durch die Klasse.

Alle drehten sich verwundert um, denn sie hatten keinen Schimmer, was gerade geschehen war. Der Mann da vorn bewegte sich ja plötzlich. Nach dem er sämtliche Gliedmaßen ausgeschüttelt hatte, wandte er sich mit strahlenden Lächeln den verdutzten Schülern zu. Das die meisten immer noch etwas unschlüssig in der Gegend rumstanden, schien ihm nicht im Geringsten zu kümmern. Stattdessen wandte er sich an die Schülerin, die ihn erlöst hatte:

„Wirklich sehr gut, wie bist du darauf gekommen?“

„Naja, die steife Körperhaltung mit den an die Seite gepressten Armen und der in die Zukunft gerichtete, ausdruckslose Blick haben mich an dieses Vogel-Pokémon erinnert.“, erklärte sie leicht unsicher.

„Ganz wunderbar.“ Er strahlte wie ein Honigkuchenpferd. „Dann setzt euch mal hin und wir beginnen mit dem Unterricht.“

Ein Stöhnen ging durch die Klasse. Die meisten schauten grimmig zu ihrer Mitschülerin und irgendjemand murmelte „Spielverderberin“, was Taja dazu veranlasste sich möglichst klein zu machen und unter ihrer Bank zu versinken. Sie hatte niemanden verärgern wollen, doch aus dem Unterricht abzuhauen, obwohl der Lehrer vorne stand, fand sie nicht in Ordnung. Die anderen aber anscheinend schon und so musste sie den Unmut der Klassenkameraden, denen gerade eine Freistunde durch die Lappen gegangen war, ertragen. Maulend nahmen sie wieder Platz und versuchten dem komischen Typen, der sich Lehrer nannte, ihre Aufmerksamkeit zu schenken. Der war inzwischen richtig aufgetaut und setzte mit Begeisterung in der Stimme zu einer Rede an:

„Nun meine lieben Schüler, ich bin Professor Morris. Meine kleine Demonstration sollte euch einen Ausblick in die wundervolle Wissenschaft der Verhaltensforschung geben. Ihr werdet hier lernen Pokémon zu beobachten, mit ihnen zu kommunizieren, ein Pokémon in seinem Wesen zu verstehen, wie es zu denken und fühlen, ja ihr werdet sogar lernen, wie ein Pokémon zu sein. Es ist viel Feingefühl notwendig, doch wenn ihr diese geheimnisumwobene Kunst meistert, werdet ihr mit euren Pokémonpartnern zu einer unschlagbaren Einheit verschmelzen und ein tiefes Verständnis für die Welt dieser faszinierenden Wesen entwickeln. Ihr werdet eins mit dem Universum.“

Spätestens beim letzten Satz war nun allen klar, dass ihr Lehrer ein wenig verrückt war. Doch der störte sich gar nicht an den skeptischen Blicken seiner Schüler, sondern erzählte weiter voll Enthusiasmus, was das Fachgebiet der Verhaltensforschung zu bieten hatte. Anscheinend war er Forscher mit Leib und Seele.
 

Und so waren die Schüler der C-Klasse nach anderthalb Stunden bestens über seine zahlreichen Forschungsausflüge und neuen Erkenntnissen über die Verhaltensweisen der Pokémon informiert. Auf Grund des ungewöhnlichen Professors allerdings mehr oder weniger begeistert.

„Und wie fandest du den Lehrer?“, fragte Tifi Paula, zu der sie sich in der Pause gesellt hatte.

„Komischer Typ. Aber auch irgendwie witzig.“ Sie hatte die Stunde eigentlich ganz amüsant gefunden. Und Verhaltensforschung schien ein Fach zu sein, wo man nicht viel zu lernen brauchte, also würde es ihr wohl gefallen.

„Ja, ich fand’s auch ganz gut. Er kann super erzählen.“ Auch Tifi hatte der, mehr zur Märchenstunde gewordene, Unterricht gefallen. Auf die praktische Stunde am Donnerstag freuten sie sich beide schon. Was konnte schon so schwierig daran sein, ein paar Pokémon zu beobachten? Das würde sicherlich lustig werden.

Doch nun hatten sie sich erst mal auf die nächste Stunde einzustellen. Allgemeine Pokémonkunde bei Prof. Amber stand auf dem Stundenplan. Und die Lehrerin ließ auch nicht lange auf sich warten. Pünktlich zum Klingeln, waren alle auf ihren Plätzen und hatten ihre Aufzeichnungen der ersten Stunde hervorgekramt. Doch Prof. Amber hatte erst mal noch etwas anderes zu klären:

„So, bevor wir nun zum eigentlichen Unterricht kommen, gibt es mal wieder etwas Organisatorisches. Als Schüler dieser Akademie habt ihr natürlich auch etwas Mitbestimmungsrecht und deshalb wird in jeder Klasse ein Klassensprecher und sein Stellvertreter gewählt, die eure Interessen vertreten und bei Problemen der Mittler zu Lehrern sein sollen. Ich weiß, ihr kennt euch noch nicht so gut, aber wir müssen das trotzdem heute schon machen. Also gibt es irgendwelche Freiwilligen die sich zur Wahl stellen?“

Alle schauten erstaunt, als keine Sekunde später in der vordersten Reihe eine Hand nach oben schoss. Paula bekam gleich wieder schlechte Laune, als sie erkannte, dass es sich bei der Übereifrigen um das Mädchen mit den Sommersprossen handelte.

„Ah ja, Vivi. Du stellst dich also zur Wahl?“, vergewisserte sich Prof. Amber.

Die Angesprochene bestätigte: „Ja, ich würde diese Aufgabe gern übernehmen.“

Die Lehrerin nickte und schrieb ihren Namen an die Tafel. Kaum war sie fertig, meldete sich ein Junge aus der Wandreihe schüchtern.

„Kevin, du auch?“, hakte die Lehrerin etwas besorgt nach, denn sie schätzte den Jungen nicht unbedingt als geeigneten Kandidaten ein.

Er nickte, schien aber gerade auch nicht mehr sehr glücklich mit seiner Entscheidung zu sein.

„Sonst noch jemand?“ Ihr Blick wanderte hoffnungsvoll durch die Klasse.

Doch die Hände blieben unten. Offensichtlich hatte keiner so richtig Lust den Job zu übernehmen. Es hatten sich zwei „Dumme“ gefunden und damit war für die meisten das Thema gegessen. Doch ihre Lehrerin hatte da eine ganz andere Vorstellung.

„Ich weiß ja Klassensprecher sein, ist vielleicht nicht die einfachste Aufgabe, aber es bringt auch eine Menge Chancen euch im Umgang mit anderen Menschen zu erproben und zu lernen Verantwortung zu übernehmen. Ihr müsst für eure Klasse einstehen und auch vor Konfrontationen mit Lehrern keine Scheu haben. Ich denke für diese Aufgabe wäre am besten jemand geeignet, der gern redet, zu seiner Meinung steht und sie ohne Angst vor Konsequenzen äußert.“

Sie ließ ihren Blick noch einmal über die Köpfe ihrer Schüler schweifen, doch es fühlte sich anscheinend niemand angesprochen. Also musste sie zu anderen Mitteln greifen.

„Da eine Wahl mit nur zwei Kandidaten recht langweilig ist, würde ich gerne selber noch jemanden vorschlagen.“

Da niemand Widerworte gab, sprach sie weiter: „Also ich würde diese Schülerin gern zur Wahl stellen.“

Sie ging an die Tafel und schrieb einen weiteren Namen an. In der Klasse riss jemand ziemlich erschrocken die Augen auf, als sie sah, wie ein P an der schwarz-grünen Wand erschien, sich gleich darauf ein A dazu gesellte und auch noch ein U die ganze Sache weiter führte. Als auch noch ein L und wieder ein A hinzugefügt wurden, musste diejenige, deren Namen nun vollständig an der Tafel stand, heftig schlucken. Damit hatte sie nun nicht gerechnet.

Nicht, das sie was gegen diesen Job gehabt hätte, aber sie hätte sich eigentlich lieber auf die Schule und das Training von Glumanda konzentriert, anstatt sich mit den Problemen ihrer Klassenkameraden herumzuschlagen. Nicht, das sie nicht gern jemanden half, aber sie ahnte, dass diese Aufgabe wohl anstrengend sein würde und darauf hatte sie irgendwie nicht wirklich Lust.

„Und Paula, was sagst du dazu?“, erkundigte sich Prof. Amber mit hoffnungsvollem Ton.

„Ich na ja, weiß...“, stammelte sie vor Unentschlossenheit.

„Sehr schön, dann machst du also mit.“ Die Lehrerin lächelte zufrieden und ließ Paula überhaupt keine Chance sich eventuell noch rauszureden.

„Dann können wir ja jetzt abstimmen. Jeder bekommt einen kleinen Zettel und schreibt dann seinen jeweiligen Favoriten für das Amt des Klassensprechers oder Stellvertreters auf. Die Kandidaten dürfen sich nicht selber wählen. “

Sich selber wählen? Selbst wenn sie es gedurft hätte, wäre sie nie auf diese Idee gekommen. Paula hoffte nur inständig, das ihre Mitschüler sie ebenso für keine gute Wahl hielten. Als sie jedoch Tifi mit einem freudestrahlenden Gesicht ihren Zettel beschreiben sah, wusste sie, dass sie zumindest eine Stimme schon hatte. Hoffentlich tat nicht auch noch Gonni ihr diesen vermeintlichen Freundschaftsdienst. Als die Blätter wieder eingesammelt wurden, schielte sie argwöhnisch auf den Behälter.

Prof. Amber stellte ihn neben sich auf den Schreibtisch, begann ein Wahlzettel nach dem anderen herauszuziehen und einen Strich beim Namen des genannten Kandidaten zu machen. Schnell ließ sich erkennen, das ihre Mitschüler Kevin wohl ebenso für keinen guten Vertreter hielten. Er bekam grade mal 2 Stimmen als Stellvertreter und eine als Klassensprecher.

Dagegen wuchs die Zahl ihrer Striche für Paulas Geschmack viel zu schnell an. Sie hatte durch ihren unerschrockenen Auftritt am gestrigen Morgen wohl bei einigen bleibenden Eindruck hinterlassen. Aber auch Vivi schien viele Sympathisanten in der Klasse zu haben und so lieferten sie sich ein ziemliches Kopf an Kopf Rennen. Paula wurde immer nervöser und Vivis giftiger Blick machte die ganze Angelegenheit nicht gerade besser. Sie wollte doch eigentlich gar nicht, aber darum schien sich hier keiner zu kümmern.

Schließlich stand es 9 zu 9 beim Klassensprecher. Die letzte Stimme würde also entscheidend sein. Als die Lehrerin ihre Hand ein letztes mal in die Box steckte, wurde Paula mulmig zu Mute. Sie hoffte inständig wenigstens nur Stellvertreter zu sein und nicht die ganze Verantwortung am Hals zu haben.

Prof. Amber las sich den Zettel durch, ging dann zur Tafel und setzte den letzten Strich.

Und das ausgerechnet bei ihrem Namen.

‚Na toll.’ Paula war alles andere als begeistert und ihre Konkurrentin sah nicht unbedingt erfreut aus.

Nur Prof. Amber strahlte ehrlich, als sie Paula zu ihrem neuen Posten gratulierte.

„Dann ist es also beschlossen, Paula wird Klassensprecher.“

„Aber ich will doch...“, versuchte die, sich mit dieser Entscheidung eher bestraft fühlende, Schülerin aufzubegehren.

Doch Prof. Amber überging sie einfach: „Sehr gut, dann nimmst du also die Wahl an.“

Darauf hatte sie von Anfang an hinausgewollt und sie würde sich nun sicherlich nicht durch die Widerrede ihrer Schülerin den Plan kaputt machen lassen. Sie wusste aus Erfahrung, dass der C-Klasse meist einige Probleme ins Haus standen und eine Vertreterin die nicht auf die Klappe gefallen war und sich auch von Respektspersonen nicht einschüchtern ließ, würde auf jeden Fall von Vorteil sein. Außerdem sah sie darin eine Chance für das Mädchen zu lernen ihr Temperament zu zügeln. Und sie konnte so noch besser ein Auge auf die Kleine werfen.

Die Lehrerin beglückwünschte auch die Stellvertreterin zu ihrer Position. Als sie jedoch den grimmigen Blick sah, den Vivi ihrer Mitschülerin zu warf, als sie sich auf gute Zusammenarbeit die Hände reichen mussten, stieg leiser Zweifel in ihr auf, das dies so problemlos verlaufen würde. Doch das würde sich bestimmt mit der Zeit geben. Hoffte sie zumindest.

Nachdem die beiden Mädchen nun notgedrungen ihre Wahl angenommen hatten, erledigten sie noch schnell den Papierkram und durften sich dann wieder setzen.

Paula schlich leicht geknickt zu ihrem Platz zurück. Sie fragte sich wirklich, für was sie eigentlich immer bestraft wurde. Gut, es gab schlimmeres als Klassensprecher zu sein, aber doch nicht ausgerechnet mit der zusammen. Na das konnte ja sehr lustig werden. Und Vivi schien das genauso zu sehen, denn sie zog ein Gesicht wie 3 Jahre Regenwetter.

Doch nun galt es erst mal wieder dem Unterricht zu folgen, bei dem sich Prof. Amber den ersten Starterpokémon und ihren Fähigkeiten zuwand. Und da dieses Wissen die Grundlage für ihre Laufbahn als erfolgreicher Pokémontrainer bildete, war es ratsam genau zu zuhören. Nachdem sie nach Bisasam dann gleich auch noch Glumanda behandelten und deshalb ein großes Bild der Feuereidechse an der Tafel hing, hatte Paula die ganze Klassensprechersache schon wieder verdrängt und schmachtete mit funkelnden Augen das Gemälde an.
 

Als die Glocke sie in die Pause schickte, wurde Paula allerdings gleich wieder an ihre neues Amt erinnert, denn Tifi kam auf sie zugehüpft und umarmte sie stürmisch.

„Herzlichen Glückwunsch. Find ich richtig toll. Du wirst bestimmt ne sehr gute Klassensprecherin.“

„Naja, ich weiß nicht, ob das wirklich so ne gute Wahl war.“ Paula war immer noch skeptisch, ob sie das nun gut oder schlecht finden sollte.

Aber Tifi hatte keine Zweifel an den Fähigkeiten ihrer Freundin: „Ach was, das schaffst du schon.“

„Aber zusammen mit der?“, murmelte Paula grummlig und schielte kurz zu ihrer Mitschülerin Vivi hinüber.

„Ihr müsst euch nur erst mal kennen lernen. Vielleicht versteht ihr euch ja doch ganz gut.“, versuchte Tifi ihr gut zu zureden.

Das konnte sich Paula nun beim besten Willen nicht vorstellen. Sie wusste nicht wirklich warum, aber sie mochte sie einfach nicht.

„Na ja, werden wir sehen.“

Doch nun stand erst mal das nächste Fach auf der Tagesordnung. Noch während sich einige über ihr zweites Frühstück hermachten oder ein bisschen quatschten, flog die Türe auf und ein großer, schlanker Mann mit kurzen dunklen Haaren marschierte ein. Mit seinem schwarzen Seidenhemd und ebenfalls schwarzer Stoffhose, macht er einen ziemlich noblen Eindruck.

„Bitte setzen sie sich.“, wies er zur Begrüßung an.

Die Schüler sahen sich alle leicht verwirrt an, denn nach ihren Uhren hatten sie noch mindestens 5 Minuten Pause. Doch das schien ihm völlig egal zu sein, denn er stand erwartungsvoll vor der Tafel.

„Muss ich mich wiederholen?“ Er sah sie mit einem ruhigen, doch zugleich gestrengen Blick an.

Und alle sahen Paula an. Offensichtlich erwarteten sie wohl von ihr, dass sie sich ihres Amtes gleich mal würdig erwies und dem Professor seinen Fehler in der Zeitplanung mitteilte. Ihr gefiel das nicht wirklich, doch als sie sah, das Vivi den Mund öffnete um diese Chance sich zu profilieren zu nutzen, handelte sie ohne groß nachzudenken.

„Wir haben aber noch Pause.“, schoss es aus ihr heraus.

Und sie bereute es gleich wieder, denn der Lehrer fixierte nun allein sie mit seinem durchdringenden Blick.

„Wer sagt das?“, fragte er ruhig und sachlich.

„Ähm, die Schulordnung.“ Sie hatte zwar keine Ahnung, ob das wirklich da drin stand, denn sie hatte es immer noch nicht für nötig gehalten einen Blick in den Wälzer zu werfen, doch sie hoffte einfach auf ihr Rateglück.

Er zog eine Augenbraue hoch und sah so aus, als würde er jeden Moment ein Donnerwetter loslassen. Doch dann entspannte er sich wieder und erklärte nüchtern: „Ich bin euer Lehrer. Mit mir beginnt und endet der Unterricht.“

Damit war die Sache für ihn wohl geklärt. Und da niemand dem wirklich etwas entgegenzusetzen hatte, verzogen sich alle auf ihre Plätze.

„Nun dann, lasset uns beginnen.“

Kaum hatte er den Satz vollendet, ertönte das Stundenklingeln. Die Klasse musste grinsen. Da hatten sie ihr Ziel also doch noch erreicht. Doch ihr Lehrer verzog keine Mine und setzte stattdessen unbeeindruckt seine Rede fort:

„Mein Name ist Professor Weston. Ich werde euch sowohl in Theorie als auch Praxis in die hohe Kunst des Pokémonkampfes einweisen. Schärft eure Sinne, lauscht, schwatzt nicht und wir werden eine unbeschwerte Zeit genießen.“

Der Professor ließ seinen gestrengen Blick über die Klasse streifen. Er hatte erneut eine C-Klasse zugeteilt bekommen, die im Allgemeinen eine Mischung von Disziplinlosigkeit und Aufmüpfigkeit, aber auch großes Potenzial beherbergte. Mit diesen zum Großteil etwas älteren Schülern war es nicht immer unkompliziert, da sie sich meist nicht mehr so formen ließen wie die sonstigen 12-jährigen Neulingen, doch bisher hatte er noch jeden zu einem ordentlichen Trainer gemacht. Und genaue Kenntnis über Regeln und eine vernünftige Strategie war da das A und O. Deshalb begann er auch ohne Umschweife mit diesem Themengebiet.

Außer der überraschend sonoren Stimme des Lehrers war während der ganzen Zeit nur das Kratzen der Schreibgeräte auf dem Papier und vielleicht ab und zu ein leises, vorsichtiges Gähnen zu hören.

Noch verhielten sie sich ruhig, doch wenn sich die Unsicherheit der ersten Tage gelegt hatte, würde es sicherlich die ein oder andere Unstimmigkeit geben, da war sich der erfahrene Lehrer sicher. Doch solang es keine Probleme gab, wollte er auch keine heraufbeschwören und wandte sich der umfangreichen Wissensvermittlung in Sachen Grundregeln des Pokémonkampfes zu.
 

Es war zwar alles ziemlich interessant und sicherlich auch wichtig, doch das Pausenklingeln war auf Grund der Fülle des gelehrten Stoffes für alle eine echte Erlösung. Oder zumindest hätte es sein können, wenn Prof. Weston sich von den Stundenzeiten hätte beeindrucken lassen. Doch er überzog gleich mal unberührt 5 Minuten. Dann ließ er seine Schüler mit einem Hinweis aber schließlich doch noch gehen.

„Nun dann enden wir hier. Ich sehe sie nach der Mittagspause wohlbehalten im Trainingsstadium. Essen sie nicht zu üppig. Ein zu gefüllter Magen senkt die Konzentrationsfähigkeit.“

Damit waren sie nun wirklich entlassen. Jeder verkrümelte sich so schnell es ging, ehe er es sich doch wieder anders überlegte.

Fast alle führte der Weg sofort, denn mit der dritten Stunde war die Mittagszeit bereits erreicht, in die Mensa, um sich nach dem anstrengenden Unterricht erst mal zu stärken.

Nur eine hatte ein ganz anderes Ziel.

Taja ließ ihren Magen knurren so viel er wollte und machte sich lieber auf in die Zuchtstation. Sie musste unbedingt versuchen Flemmli zu überzeugen mitzukommen. Das Mädchen wollte sich gar nicht erst ausmalen, was passieren würde, wenn sie zur Kampfstunde ohne Pokémon aufkreuzte. Der Lehrer hatte zwar einen ruhigen, aber auch sehr strengen Eindruck gemacht und sie schon damit ziemlich eingeschüchtert. Sie wollte nun wirklich nicht herausfinden ob der kühl wirkende Mann auch andere, ungemütlichere Seiten hatte.

Also führten Tajas Schritte sie eilends in Richtung Aufzuchtgehege.

Als sie dort ein paar Minute später ziemlich außer Puste ankam, wurde sie gleich freudestrahlend von der alten Oma, die gerade in der Rabatte vorm Haus Blumen goss, begrüßt.

„Wie schön dich zu sehen, Kindchen. Möchtest du Flemmli besuchen?“

Taja erwiderte das Lächeln und nickte.

„Ich hoffe ihr werdet schnell Freunde, damit das arme Ding nicht mehr so allein ist.“

„Das hoffe ich auch.“

Und wie Taja das hoffte, denn sie sollte schließlich in einer halben Stunde mit ihrem Pokémon in der Trainingsarena sein. Wie sie das schaffen wollte, war ihr aber selber noch schleierhaft. Doch versuchen wollte sie es, nein musste es sogar.

„Darf ich hinter gehen?“, erkundigte sich Taja.

„Ja natürlich, ich wünsch dir viel Glück.“
 

Die alte Frau sah dem jungen Mädchen hoffnungsvoll hinterher. Kaum war es außer Sicht stellte sie die Gießkanne weg und ging ins Haus. Ihr Ziel war ein kleiner Lagerraum in dem ein alter Schrank stand, der schon so lange nicht mehr angerührt worden war, dass sich schon eine dicke, fette Staubschicht gebildet hatte. Die Schublade klemmte ein wenig, als die Dame versuchte an den Inhalt zu gelangen, doch schließlich gab sie nach. In mitten von alten Papieren und allerlei Krimskrams, lag ein kleiner rot-weißer Ball. Behutsam nahm sie ihn in ihre knochigen Finger und hielt ihn ins Licht. Die von der langen Zeit des nutzlosen Herumliegens matt gewordene Oberfläche zierte ein langer Kratzer. Woher er stammte, wusste einzig dieses kleine verstörte Flemmli, das nun bereits seit drei Jahren wie versteinert auf seinem Platz saß und, wie es der alten Frau immer schien, auf Erlösung wartete.

Ein Lächeln fuhr über ihr runzliges Gesicht. Mit dem Ball in der Hand ging sie wieder hinaus ins Sonnenlicht.

Kämpfe

Taja war inzwischen im Gehege der Frischlingspokémon angekommen und wurde auch gleich lautstark von ihnen begrüßt. Doch so niedlich sie auch waren, heute hatte sie wirklich keine Zeit zum Spielen. Und so tätschelte sie nur flüchtig über den ein oder anderen Kopf, während sie sich ihren Weg durch die aufgeregte Schar bahnte. Als die Kleinen merkten, dass die Schülerin auf das seltsame Pokémon in der Ecke zusteuerte, blieben sie lieber zurück.

Taja war froh endlich das bunte Gewusel zwischen ihren Füßen los zu sein, denn sie musste sich nun voll und ganz auf ihre Mission konzentrieren. Sicheren Schrittes bewegte sie sich auf das kleine Küken, das immer noch wie festgenagelt am gleichen Ort saß, zu.

„Hallo Flemmli. Schön dich zu sehen. Ich habe gerade Mittagspause und dachte, die könnte ich mit dir verbringen. Hier, möchtest du etwas?“

Taja hatte sich inzwischen möglichst nah herangesetzt, ihr vorsorglich hergerichtetes Lunchpaket herausgeholt und bot Flemmli nun ein paar selbstgebackene Kekse ihrer Mutter an. Doch das Feuerküken zeigte mal wieder nicht die geringste Reaktion. Das würde wohl ein ganzes Stück harte Arbeit werden.

Während sie überlegte, was sie machen sollte, nahm sie das Pokémon genauer unter die Lupe. Es schien eigentlich ein ganz normales Flemmli zu sein. Nur die Narbe auf seiner Stirn unterschied es von anderen seiner Art. Sie war vielleicht gerade zwei Zentimeter lang, leicht oval mit zwei auslaufenden Zacken, doch sie schien sich über tiefliegende Gewebeschichten zu erstrecken, sodass kein Fell über die Verletzung hatte wachsen können um die seltsam rotbraune Farbe zu verdecken. Wie auch immer es zu seiner Wunde gekommen sein mochte, es war sicherlich verdammt schmerzhaft gewesen.

Da sie nicht wirklich wusste, wie sie Flemmli erreichen konnte, versuchte es Taja nun erst mal mit einem zwanglosen Gespräch und erzählte dem kleinen Pokémon von den bisherigen Ereignissen des Tages. Aber auch das schien das Feuerwesen nicht zu interessieren. Ausdruckslos starrte es weiter vor sich hin. Doch so schnell würde sich Taja nicht geschlagen geben. Wenn sie wollte, konnte sie ein ziemlicher Sturkopf sein.

Also sprach sie ruhig weiter: „Ach und dann hatten wir noch theoretische Kampfausbildung. Sehr interessant, aber der Lehrer macht mir ein bisschen Angst. Er ist verdammt streng. Und gleich geht es mit der Praxis weiter. Ich habe mich eigentlich darauf gefreut, denn ich wollte schon immer mal selber einen richtigen Pokémonkampf machen. Aber ich werde nun leider nicht mitmachen können, denn ich hab ja noch keinen Partner. Ich bin wieder mal allein.“

Ihre traurige Stimme veranlasste das Pokémon zumindest für einen kurzen Moment zu dem Mädchen hinüber zu schielen. Doch kaum, dass sie seinen Blick erwidern konnte, hatte es sich auch schon wieder abgewandt.

Trotzdem von diesem kleinen Erfolg ermutigt, setzte Taja ihre Bemühungen fort und erzählte dem Feuerküken von ihren Hoffnungen und Träumen als Pokémon-Trainer. Dabei war sie plötzlich so im Redefluss, dass sie ganz vergaß, das ihre Mittagspause nicht ewig dauerte.

Nach einiger Zeit, in der Flemmli weiterhin unberührt vor sich hinstarrend dagesessen hatte, sah sie allerdings doch auf die Uhr und erschrak. In 10 Minuten begann der Unterricht. Sie hatte keine Zeit mehr, aber immer noch nichts erreicht. Es fiel ihr schwer, ihre Enttäuschung zu verbergen, als sie aufstand und sich von Flemmli verabschiedete.

„Also gut, dann bis morgen.“

Betrübt schlich sie von dannen. Es hatte keinen Sinn, sie konnte hier vorläufig nichts ausrichten. Dieses Flemmli war wahrscheinlich zu traumatisiert um in der Kürze der Zeit etwas zu erreichen. Seufzend machte sich Taja auf den Rückweg.

Doch kaum war sie drei Schritte gelaufen, überkamen sie plötzlich Zweifel.

Was machte sie denn schon wieder? Wollte sie wirklich einfach so das Feld räumen? Mal wieder aufgeben?

Sie wollte dieses Flemmli doch unbedingt und deshalb musste sie um es kämpfen, wenn es erforderlich war auch mit härteren Bandagen. Eine unbändige Entschlossenheit kämpfte sich plötzlich in dem Mädchen hoch und veränderte sie. Völlig unerwartet drehte sich Taja um und schrie Flemmli entgegen: „Sie wird nicht zurück kommen!“

Das Feuerpokémon zuckte merklich zusammen.

„Auch wenn du noch mal drei Jahre hier sitzt, deine Trainerin kommt nicht wieder!“

Taja konnte sehen, wie ein Beben durch den kleinen roten Körper ging. Sie schien endlich zu ihm durchzudringen, also musste sie weiter machen.

„Es ist wundervoll, das du deine Trainerin so ehrst, aber deshalb darfst du dein Leben nicht sinnlos für sie wegwerfen. Sie hätte sicherlich gewollt, dass du wieder ein glückliches Pokémon wirst. Also hör endlich auf vor dich hinzustarren und fang wieder an zu Leben!“

Und tatsächlich. Ihr verzweifelter Ruf hatte etwas in dem kleinen Pokémon ausgelöst. Plötzlich drehte es seinen Kopf und sah sie an. Taja blickte direkt in die wässrig glänzenden Augen. Für einen Moment schien es, als würden ihre Herzen im selben Takt schlagen. Sie fühlte sich mit ihm verbunden, konnte förmlich den Schmerz und die Trauer spüren, die in diesem kleinen Wesen wohnten.

„Komm mit mir mit.“, bat sie Flemmli noch einmal hoffnungsvoll.

Einen Augenblick lang schien ein Ruck durch seinen Körper zu gehen, als wolle es aufstehen, doch dann, urplötzlich, erlosch diese Kraft und es senkte wieder den Blick.
 

Taja war maßlos enttäuscht. Sie hatte es mal wieder nicht geschafft. Doch wahrscheinlich hatte sie einfach nur zu viel gewollt. Flemmli brauchte Zeit. Das musste sie akzeptieren. Trotzdem hatte sie irgendwie auf das Glück gehofft, es doch überzeugen zu können, um jetzt nicht in Erklärungsnot zu kommen. Doch wie immer war es eben nicht so einfach.

Mit hängenden Kopf verließ das Mädchen das Gelände. Für heute musste sie es gut sein lassen. Als sie die Tür zum Gehege hinter sich schloss, warf sie noch einmal einen traurigen Blick zurück.

Und erschrak.

„Flemmli?!“, entfuhr es Taja entsetzt.

Das Feuerpokémon war verschwunden. Panik kam in ihr auf. Hatte sie das kleine Wesen durch ihre Wort etwa so sehr verletzt, dass es nun abgehauen war?

Sie wollte gerade zurückrennen um es zu suchen, als sie eine Bewegung hinter sich wahrnahm. Einen Angriff erwartend fuhr Taja herum, stockte dann aber, als sie sah was die Ursache gewesen war.

Da stand doch tatsächlich Flemmli vor ihr. Und nicht nur einfach so, sondern mit einem entschlossenen, aber keineswegs feindseligen Blick, wie sie ihn noch nicht bei diesem Pokémon gesehen hatte.

„Heißt das, heißt das, etwa, dass du mitkommen möchtest?“, fragte sie vor Überraschung leicht stammelnd.

Flemmli sah sie an und nickte dann schließlich kaum merklich.

Einen Augenblick brauchte Taja um die Geschehnisse der letzen Sekunden zu realisieren, dann überkam sie die Erleichterung. Sie hatte es doch noch geschafft.

Das Mädchen ließ sich auf die Knie fallen. Das diese vom gestrigen Sturz angeschlagen, vor erneuten Schmerzen aufheulten, merkte sie gar nicht, denn das unbändige Glücksgefühl, das sich gerade in ihr ausbreitete, übertonte alles.

Taja konnte es kaum glauben. Sie hatte endlich ihr Pokémon.

Sacht streichelte sie Flemmli über den Kopf. Zwar zuckte es unter der ungewohnten Berührung zusammen, ließ es aber zu. Als plötzlich etwas Nasses sein Fell durchweichte, schaute es nach oben.

„Flem?“ Es sah das junge Mädchen vor sich erstaunt an.

Taja musste lächeln: „Keine Sorge, das sind nur Freudentränen.“

Sie wischte sich das salzige Wasser, das ihr eben ungewollt den Blick verschleiert hatte, weg und stand dann entschlossen auf.

„So Flemmli, dann müssen wir jetzt los. Unser erster Kampf wartet auf uns. Ich hoffe wir werden ein gutes Team und vor allem Freunde.“

Das Nicken der Feuerkükens war noch recht verhalten, doch als Taja den Rückweg einschlug, folgte es ihr ohne einen Blick zurück zuwerfen.
 

Aus der Ferne konnte die alte Frau langsam einen Schatten erkennen, der wieder auf die Scheune zu kam. Sie stand hier schon seit einiger Zeit und wartete auf die Rückkehr des Mädchen. Sie war mehr als gespannt, was der erneute Besuch gebracht haben mochte. Als sich der kleinen Punkt, der sich hinter dem Mädchen ebenfalls zu nähern schien, ganz sicher nicht mehr nur auf ihre Sehschwäche zurück führen ließ, fuhr ein breites Lächeln über ihre Lippen. Ihr Gefühl hatte die alte Dame also nicht im Stich gelassen. Die Freude, die sie beim Anblick des kleinen Flemmlis, das seiner neuen Trainerin folgte, empfand, ließ ihr Tränen der Rührung ins Auge treten. Sie hatte seit Langem nichts mehr so schönes gesehen.

„Du hast es also geschafft. Ich freu mich so.“, begrüßte sie das Mädchen.

Taja lächelte glücklich und erklärte: „Ja, obwohl ich selbst schon nicht mehr daran geglaubt habe. Aber nun hat sich Flemmli entschieden.“

Die alte Dame schniefte: „Das ist so schön. Ihr beide werdet sicherlich ein hervorragendes Team.“

„Das hoffe ich.“

Taja war sich zwar sicher, dass es noch seine Zeit brauchen würde, bis Flemmli ihr völlig vertraute, aber irgendwann würde es schon so weit sein.

Doch dann fiel ihr noch etwas anderes ein. Bevor sie jedoch fragen konnte, nahm die Oma ihre Hand und legte einen kleinen, rot-weißen Ball hinein. Als Taja ihn musterte, stellte sie erstaunt fest, das er von einem langen Kratzer beschädigt war.

„Wovon ist der?“, erkundigte sie sich.

Die alte Frau sah traurig zu Flemmli hinüber.

„Das weiß einzig dein Pokémon.“

Taja hätte wirklich zu gern gewusst, was vor drei Jahren geschehen war, doch leider fehlte ihr momentan die Zeit um nachzuforschen. Sie musste nun wirklich dringend los. Entschlossen nahm sie den Pokéball und streckte ihn Flemmli entgegen.

Das kleine Feuerküken riss für einen Moment erschrocken die Augen auf und zuckte zusammen, doch da rief das Mädchen schon: „Flemmli, komm zurück!“

Und so sah das Pokémon zum ersten mal nach drei Jahren das Innere seines Pokéballs wieder.

Taja verabschiedete sich noch schnell von der alten Frau und machte sich dann überglücklich mit ihrem Pokémon in der Hand auf den Rückweg.

Als die Alte der frisch gebackenen Trainerin freudig lächelnd hinterher sah, wusste sie, das für zwei einsame Seelen nun ein neues Leben beginnen würde.
 

Mittlerweile hatten Tajas Klassenkameraden ihre Mittagspause gemütlich beendet und saßen nun gestärkt in der kleineren Trainingsarena. Obwohl, was hieß klein, sie umfasste immerhin 8 Kampffelder, wenngleich diese wohl ein wenig geringere Ausmaße als ein normales Feld einnahmen. Dennoch, wollte man von einem zum anderen Ende der überdachten Halle laufen, so musste man ein paar Minuten einplanen. Die umlaufenden Tribünen umfassten jedoch nur jeweils vier Reihen, sodass sie wesendlich weniger Zuschauern Platz bot, als die große Halle, in der die Einführungsveranstaltung stattgefunden hatte. Da hier allerdings nur Trainingskämpfe durchgeführt wurden, war dies auch nicht unbedingt erforderlich.

Um die beiden hinteren Kampffelder hatten sich die Schüler der C-Klasse versammelt, während, zur besseren Auslastung der Halle, die B-Klasse auf den vorderen Feldern ihren Unterricht durchführte. Die Schüler beider Klassen musterten sich über die Entfernung hinweg mit neugierigen Blicken, mussten jedoch feststellen, dass die jeweils anderen, den Altersunterschied mal außer Acht gelassen, doch erstaunlich normal aussahen.

Doch zu irgendwelchen Annäherungsversuchen hatten sie keine Chance, denn beide Professoren forderten die volle Aufmerksamkeit.

Prof. Weston überflog mit strengen Blick die Köpfe seiner gespannt dasitzenden Studenten. Er hatte mit wenig Behagen zur Kenntnis genommen, das viele erst kurz vor knapp des Unterrichtsbeginns erschienen waren. Doch noch viel weniger gefiel es ihm, dass eine Schülerin immer noch auf sich warten ließ, obwohl die Glocke die Stunde bereits vor einigen Minuten eingeläutet hatte. Auf diese jedoch durch Verzögerung der Unterrichtsbeginns Rücksicht zu nehmen, kam nicht in Frage und so war er bereits dabei noch einmal die Grundregeln und Ablauf eines Pokémonkampfes durchzugehen, als die Tür zur Halle sich ganz leise öffnete und ein Mädchen durch den Spalt huschte. Sie bewegte sich so vorsichtig und lautlos, das sie wahrscheinlich unbemerkt zu ihrer Klasse hätte stoßen können, wenn sie nicht durch die komplette Halle gemusst hätte. So war es allerdings ein Ding der Unmöglichkeit dem Adlerblick des Lehrers zu entgehen.

Kaum war Taja in Hörweite, so schallte auch schon seine sonore Stimme durch die Halle: „Wie überaus freundlich, dass sie sich doch noch entschlossen haben dem Unterricht beizuwohnen.“

Taja zuckte zusammen. Unter den versammelten Blicken ihrer Klassenkameraden wurde das Mädchen gleich etwas kleiner.

„Entschuldigen sie vielmals.“, brachte sie verlegen hervor, „Ich hatte noch etwas Wichtiges zu erledigen.“

Prof. Weston zog missmutig die Augenbraue hoch: „Es hat für Schüler dieser Akademie nichts Wichtigeres zu geben, als pünktlich zum Unterricht zu erscheinen! Dies gebietet auch das Pflichtgefühl eines ehrenhaften Pokémon-Trainers. Um ihnen dies ein für alle mal klar zu machen, werden sie alle...“, er wandte sich zur Tribüne um, „...bis zur nächsten Stunde einen zweiseitigen Aufsatz über die Notwendigkeit von Disziplin, insbesondere Pünktlichkeit, schreiben.“

„WAAAS?“ Ein entsetzter Aufschrei ging durch die Klasse, doch ein frostiger Blick ihres Lehrers, der ihnen eine Seitenzahlerhöhung als Bestrafung nahe legte, erstickte jedes weitere Aufbegehren im Keim.

Dafür richteten sich viele giftige Blicke auf Taja, die immer noch wie angewurzelt da stand.

Sie konnte es selbst nicht fassen, dass ihre Klasse nun wegen ihr bestraft wurde. Das war wirklich das Letzte, was sie gewollt hatte. Schuldbewusstsein, Angst, aber auch ein bisschen Wut, das der Lehrer alle anderen unfairer Weise für ihren Fehler bestrafen wollte, machten sich in ihr breit. Sie wollte gerade den Mund zum heroischen Widerspruch öffnen, als Angst und Mutlosigkeit die Oberhand gewannen und sie verstummen ließen.

Nach Aufforderung des Lehrers schlich Taja mit hängenden Kopf zur Tribüne und suchte sich einen Platz möglichst weit abseits ihrer Mitschüler.

‚Na toll. Das hast du ja wirklich mal wieder prima hinbekommen.’, schollt sie sich in Gedanken selber. Die ganze Freude über ihren Erfolg mit Flemmli war mit einem Male verschwunden. Doch sie konnte nichts mehr ändern. Ihr bleib nichts anderes übrig, als deprimiert das weitere Unterrichtsgeschehen zu verfolgen.
 

„Nun, da ich euch noch einmal mit den Kampfregeln vertraut gemacht habe, beginnen wir mit dem praktischen Teil. Damit ich euch gleich auf eure Fehler hinweisen kann und eure Klassenkameraden ebenfalls lernen, werden je zwei Schüler einen Kampf vor allen ausführen. Dabei geht es zunächst um die Festigung des Ablaufes und das Kennenlernen des Verhaltens eures Pokémon. Alle Nichtkämpfenden sind ausdrücklich dazu angehalten das Geschehen zu analysieren und Vorschläge zur Verbessung der Strategie zu erbringen. Dies wird notiert und irgendwann geprüft.“

Prof. Weston ließ keinen Zweifel daran, dass dies keine reine Unterhaltungsshow werden würde. Einfach nur begeistert einem Pokémonkampf zu zusehen, wäre auch zu schön gewesen.

Doch nach der Strafarbeit getraute sich keiner auch nur ein leises Murren abzugeben. Brav holte jeder seine Schreibsachen heraus und wartete gespannt, wer den Anfang machen sollte.

Prof. Weston überflog kurz die Klassenliste, schaute auf und schien die Menge zu durchzusuchen. Dann blieb sein Blick plötzlich auf jemanden hängen und er warf zwei Namen in den Raum: „Kevin und Manja. Kommt auf das Feld!“

Der Junge schaute etwas ängstlich aus der Wäsche, als er sich auf den Weg nach vorn machte. Seine Gegnerin, das Mädchen mit den feuerroten Haaren, schien dagegen sehr selbstsicher.

Beide wurden von ihrem Lehrer an ihre Plätze dirigiert. Er selbst stellte sich an der langen Feldseite auf, um alles genau im Blick zu haben. Nachdem er noch einen Assistenten, der als Schiedsrichter fungieren sollte, heranbeordert hatte, konnte es wirklich los gehen.

„Dies ist ein 1 zu 1 Kampf zwischen Kevin und Manja. Verloren hat derjenige, dessen Pokémon zuerst kampfunfähig ist.“, erklärte der Schiedsrichter.

„Dann auf einen fairen Kampf. Möge der Bessere gewinnen! Beginnt nun!“

Damit gab Prof. Weston das Kommando zum Start.
 

Während Kevin sich noch etwas hilfesuchend in der Gegend umsah, hatte das Mädchen bereits die Initiative übernommen und warf ihren Pokéball aufs Feld.

„Los geht’s, Panflam!“

Auf ihrer Seite materialisierte sich der Umriss eines kleinen Affen, der gut gelaunt von einem Bein auf das andere hüpfte.

Seinem Gegner schien jetzt erst einzufallen, was er zu tun hatte und schickte erst nach kurzem Zögern sein Pokémon ebenfalls aufs Feld. Keine Sekunde später stand Panflam einem Chelast gegenüber.

Über Manjas Gesicht lief ein breites Grinsen. Mit ihrem Feuerpokémon war sie hier klar im Vorteil. Also konnte sie gleich in die Vollen gehen.

„Los Panflam, Glut!“, befahl sie.

Als sich Prof. Weston daraufhin räusperte und ihr Pokémon sie nur etwas verwirrt an sah, fiel ihr wieder ein, dass die Starter ja noch so jung waren, das sie noch keine Elementattacke beherrschten. Also musste sich das Mädchen vorerst auf normale Attacken verlassen.

„Dann eben erst mal Silberblick!“

Panflam hatte verstanden und fixierte seinen Gegner mit einem angestrengten Blick. Dabei konzentriere es sich jedoch so stark, dass seine Gesichtszüge entglitten und es eher eine Grimasse zog. Doch mit ebensolchem Effekt, denn Chelast prustete plötzlich vor Lachen los und kugelte sich auf dem Boden.

Diesen Moment der Unachtsamkeit nutze die junge Trainerin aus.

„Jetzt Kratzer!“

Das Affenpokémon schoss heran und ehe Chelast wusste, wie ihm geschah, hatte es fette Krallenspuren im Gesicht. Es schrie auf, wurde, ebenso wie sein Trainer, ohnmächtig und blieb mit allen 4 Pfoten nach oben gestreckt, auf dem Feld liegen.

„Chelast kann nicht mehr weiter kämpfen. Panflam hat gewonnen.“, ertönte es vom Schiedsrichter.

Die Gewinnerin jubelte kurz auf und holte ihr Pokémon zurück, während ein anderer Junge aus der Klasse versuchte Kevin wieder auf die Beine zu bekommen. Nachdem er und Chelast wieder bei Bewusstsein waren, gab Prof. Weston eine kurze Einschätzung:

„Nicht besonders gut, aber auch nicht schlecht. Achtet auf die Attacken eures Pokémon und verlasst euch nicht nur auf den Elementvorteil. Lasst auch die Verteidigung nicht außer Acht. Wenn ihr euch nicht wehrt, braucht ihr auch gar nicht erst den Kampf bestreiten.“

Damit entließ er die beiden, unter dem Beifall ihrer Mitschüler, auf ihre Plätze. Wenn er auch kurz gewesen war, zumindest der Klasse hatte der Kampf gefallen.

„Nun, dann werden wir fortschreiten.“

Und schon rief der Professor die nächsten beiden auf, deren Konfrontation gespannt verfolgt wurde. Während die Schüler die beiden Trainer anfeuerten, stand er nur mit eingefrorener Mine daneben und überwachte mit Argusaugen das Kampfgeschehen, um auch ja keinen Fehler zu verpassen. Auch hier war er nicht wirklich zufrieden, da sich die beiden Gegner mehrfach sinnlos ineinander verkeilt hatten. So hagelte es am Ende ziemlich Kritik.

Wesentlich vielversprechender verlief der nächste Kampf.

Tifi und ihr Plinfa traten gegen ein Mädchen mit ihrem Endivie an.

Wie das Pflanzenpokémon mit dem langen Blatt auf dem Kopf gleich zu Beginn feststellen musste, war Plinfa trotz seines fröhlichen Lächelns, ein ernstzunehmender Gegner. Obwohl es relativ kurze Beine hatte, wich es Endivies Takle behände aus, um gleich darauf mit einem kräftigen Pfund zurückzuschlagen. Nach ein paar heftigen Schlagabtauschen schickte Plinfa seinen Gegner schließlich zu Boden. Und obwohl es von dem Kampf ziemlich geschafft war, hüpfte es anschließend quietschvergnügt in die Arme seiner glücklichen Trainerin.
 

„Das war ein toller Kampf.“, gratulierte Paula ihrer Freundin, als diese wieder neben ihr Platz nahm.

„Ach, so gut nun auch wieder nicht.“, gab das Mädchen leicht verlegen zurück.

„Doch, doch, war wirklich gut.“, bestätigte Gonni, ohne den Blick vom Feld, auf dem bereits der nächste Kampf tobte, zu nehmen.

„Danke.“

Als Paula sah, wie Tifi leicht rot anlief, musste sie grinsen. Da schien wohl jemand Gonni ziemlich zu mögen. Doch darum würde sie ich wohl später Gedanken machen müssen, denn dem scharfsichtigen Lehrer entging auch nicht die kleinste Unachtsamkeit seiner Schüler, sodass es für die kurze Unterhaltung bereits eine Rüge gab.

Also wandten sich die drei wieder dem Kampfgeschehen zu und machten sich mehr oder weniger umfangreiche Notizen, auch wenn die folgenden beiden Auseinandersetzungen nicht sonderlich spannend waren. Langsam verlor Paula auch irgendwie die Lust am Zusehen.

Die Pokémon beherrschten noch keine wirklich spektakulären Attacken und so wurde es nach einiger Zeit eigentlich immer das Gleiche. Und da ihr Magen immer noch dabei war, das umfangreiche Mittagsessen in seine Bestandteile zu zerlegen, schlich sich, langsam aber sicher, ein bisschen Müdigkeit in ihr hoch.

Während ein Hydropi und ein Schiggy auf dem Kampfareal aufeinander trafen, verlor sie sich immer mehr in Gedanken und begann ihren Blattrand mit kleinen Feuereidechsen zu verzieren, worin sie schließlich so vertief war, dass sie es gar nicht mitbekam, als Prof. Weston ihren Namen rief.

Erst als Tifi sie sachte mit den Ellebogen anstieß, schreckte Paula auf und schaute nach vorn, wo der Lehrer ihren Blick fragend erwiderte.

„Benötigen sie eine Extraeinladung?“

Zunächst war Paula noch ein wenig verwirrt, auf Tifis nach vorn weisende Kopfbewegung hin, begriff sie aber, dass sie aufgerufen wurden war.

„Nein, bin sofort da.“

Durch einen plötzlichen Adrenalinschub war sie wieder putzmunter. Das sie beim Aufspringen ihr ganzes Schreibzeug auf dem Boden verteilte, störte sie auch nicht weiter, denn Tifi machte sich freundlicherweise gleich ungefragt daran wieder alles einzusammeln.

Während sich Paula indes einen Weg auf das Feld bahnte, kam in ihr ein seltsames Gefühl auf. Sie war sehr froh, dass sie nicht noch länger untätig auf der Bank herumsitzen musste, war gleichzeitig auf Grund des Erwartungsdrucks des strengen Lehrers jedoch auch angespannt. Eine Brise Angst vor dem Versagen ergänzte den Gefühlscocktail. Doch die Hauptzutat, war eindeutig Vorfreude auf ihren aller ersten Kampf mit ihrem Traumpokémon. Und die erfüllte sie mit Unmengen Energie, sodass es die junge Trainern kaum noch abwarten konnte, endlich loslegen zu dürfen. Ihre Augen fingen vor erwartungsvoller Spannung an zu leuchten, als wäre darin ein Feuer entfacht wurden.

Doch leider ließ Prof. Weston seine vor Aufregung schon ganz zapplige Schülerin noch etwas schmoren. In aller Seelenruhe überflog er die Klassenliste nach einem geeigneten Partner für das Mädchen. Dann blieb sein Blick plötzlich auf einem Namen hängen und der er nickte zufrieden.

„Gut, Paula wird gegen Konrad antreten.“
 

Vor Überraschung hielten beide Ausgewählten für einen Moment den Atem an. Gleich gegen einen Freund antreten zu müssen, damit hatten sie nicht gerechnet.

Doch nach Überwindung des ersten Schocks fiel Paula ein, das dies eigentlich gar nicht so schlecht war, denn egal wer gewinnen würde, sie würde sich freuen. Deshalb fand sie ihr Lächeln wieder und nickte Gonni fröhlich zu, der noch etwas unschlüssig an seinem Platz stand.

Nachdem sich der Junge mit den schwarzen Streifen auf der Uniform einen recht komplizierten Weg nach vorn gebahnt hatte, standen sie sich nun endlich gegenüber.

Auch Gonni hatte seine Überraschung überwunden und grinste sie an. Das würde sicherlich ein interessanter Kampf werden.

„Dies ist ein 1 zu 1 Kampf zwischen Paula und Konrad. Fangt an!“

Auf den Startschuss des Schiedsrichters hatte Paula nur gewartet. Ihren Pokéball hatte sie schon sie ganze Zeit fest umklammert gehalten. Nun war es also wirklich so weit.

Nach schier unendlich langer, quälender Wartezeit konnte sie nun endlich das tun, was sie sich schon seit sie denken konnte erträumt hatte. Noch einmal holte das, vor freudiger Spannung regelrecht elektrisierte, Mädchen tief Luft, spannte sich und warf dann ihren Pokéball auf das Kampffeld.

„Glumanda, jetzt geht’s los!“

Feuerprobe

Keine Sekunde später formte sich aus dem roten Energiestahl eine wohlbekannte Silhouette.

Glumanda erschien mit einem fröhlichen „Glu!“ auf dem Kampffeld. Neugierig ließ es seinen Blick durch die fremde Umgebung schweifen. Kaum hatte es seine Trainerin hinter sich entdeckt, schrie es verzückt auf und kam auf Paula zugewatschelt.

„Nein, Glumanda, du musst da bleiben. Du sollst doch kämpfen.“, versuchte diese ihrem Pokémon klarzumachen.

Glumanda blieb zwar stehen, konnte aber, wie sein Gesichtsausdruck vermuten ließ, überhaupt nicht verstehen, wieso es nicht wie sonst in die Arme seiner Trainerin springen durfte.

Paula wusste nicht so richtig, wie sie es ihm auf die Schnelle begreiflich machen sollte, denn ihre Aufmerksamkeit wurde erst einmal von etwas anderem gefordert, als ihr Gegner in den Kampf geschickt wurde.

„Komm raus!“, befahl Gonni seinem Pokémon ruhig.

Einen Augenblick später erschien eine kleine grüne Eidechse auf seiner Seite.

„Geckarbor?!“, entfuhr es Paula, die vor Erstaunen die Augen aufriss.

Mit diesem Pokémon hatte sie bei Gonni irgendwie nicht gerechnet. Aber als ihr der leicht orientierungslose Ausdruck des Pflanzenpokémons, dass sich hektisch in der Arena umsah, auffiel, musste sie schmunzeln. Also eine Gemeinsamkeit hatten Trainer und Pokémon schon mal.

Doch nun musste sich Paula auf den Kampf konzentrieren. Sie wusste zwar nicht viel über ihren Gegner, aber, dass Geckarbor in der Regel ein ziemlich schnelles Pokémon war, hatte sie mitbekommen. Also wollte die heißblütige Trainerin keine Zeit verlieren.

„Glumanda, setz Kratzer ein!“, wies sie an.

„Glu!“, bestätigte ihr Pokémon und machte sich groß.

Dann geschah...nichts. Glumanda stand einfach nur da und schaute seinen Gegner höchst angestrengt an.

„Was ist los Glumanda?“ Paula wusste nicht, womit ihr Pokémon ein Problem hatte.

Vielleicht hatte es sie nicht verstanden?

Zur Sicherheit wiederholte sie ihre Anweisung, doch wieder passierte nicht das Geringste. Nach ein paar Sekunden des gespannten Wartens drehte sich das Feuerpokémon zu seiner Trainer um. Es sah sie fragend und zugleich verzweifelt an. Anscheinend hatte es nicht die leiste Ahnung, was es tun sollte.

Und Paula auch nicht so richtig. Kratzer war eine absolute Standartattacke für Glumandas, die musste es doch beherrschen.

Doch da sie ihr Pokémon nicht einfach hilflos in der Gegend rumstehen lassen wollte, holte sie mit einer Hand aus und ließ sie nach vorn schnellen.

„So geht das.“, zeigte die Trainerin ihrem ahnungslosen Pokémon.

Plötzlich leuchteten Glumandas Augen auf. Offensichtlich hatte es verstanden.

Doch es kam nicht mehr dazu, seine neue Erkenntnis in die Tat um zu setzen, denn Gonni hatte seine Chance nicht verstreichen lassen und Geckarbor den Befehl zum Angriff gegeben. Die Feuereidechse konnte gerade noch realisieren, wie etwas Grünes vor ihr auftauchte. Dann wurde sie von einem wuchtigen Tackle nach hinten geworfen und überschlug sich mehrmals.

„Glumanda!“, schrie Paula angstvoll auf.

Hoffentlich hatte sich ihr geliebtes Pokémon nicht verletzt. Doch das Feuerwesen kam kurz vor der Außenlinie zum Stoppen. Es schüttelte die Benommenheit von sich und ... blieb sitzen. Irgendwie sah es aus, wie bestellt und nicht abgeholt.

Paula wollte ihm gerade einen neuen Befehl geben, als sie sah, wie sich seine Gesichtszüge veränderten. Sein Maul zitterte förmlich. Diesen Ausdruck kannte sie doch!

Glumandas Trainerin war gerade noch schnell genug ihre Hörorgane mit den Händen zu schützen, doch alle anderen erwischte es eiskalt. Das Feuerpokémon brach in so ohrenbetäubendes Heulen aus, dass ihnen fast das Trommelfell zu platzen drohte.

‚Also Heuler beherrscht es schon mal hervorragend .’, stellte Paula für sich fest.

Dann, nach ein paar Augenblicken, brach das Gekreische plötzlich ab. Glumanda wischte sich die kleinen Tränchen aus den Augen, stand auf, zog ein eingeschnapptes Gesicht und plusterte sich noch weiter auf.

Mit herausgestreckter Brust ging es auf das Pflanzenpokémon, das immer noch verzweifelt versuchte das Klingeln aus seinen Ohren zubekommen, zu und blieb ganz dich vor seinem Gegner stehen. Als Geckarbor aufsah, machte Glumanda das, was ihm seine Trainerin gezeigt hatte. Es holte aus und ließ seinen Arm seitlich auf das Gesicht des erschrockenen Geckos schnellen. Doch anstatt seine Krallen zu benutzen, ließ es die Pfotenfläche glatt und so bekam Geckarbor an Stelle einer Kratzer-Attacke eine schallende Ohrfeige.

Doch auch die reichte, um den Grünling von den Beinen zu holen. Es taumelte benommen ein paar Schritte seitwärts. Doch Glumanda war offensichtlich immer noch ziemlich sauer und ging seinem Gegner nach. Mit einem beleidigten „Glu!“ latschte es dem Pflanzenpokémon kräftig auf die grünen Füße. Geckarbor schnellte mit einem Klageslaut hoch, fasste sich seinen Fuß und sprang jammernd durch die Gegend. Aber sein Gegner war damit immer noch nicht zufrieden und ließ seinen feurigen Schwanz herumschnellen, der das bereits angeschlagene Pokémon volle Breitseite traf. Der Gecko ging zu Boden, was das Feuerpokémon dazu veranlasste, sich mit seinem dicken Hintern genau auf das schmale Reptil zu setzen und kräftig an seinem Schweif zu ziehen.

Geckarbor jaulte vor Schmerzen auf und strampelte heftig, doch Glumanda war ein bisschen schwerer als das grüne Fliegengewicht und so hatte es keine Chance zu entkommen. Erst als der Gecko, alle Viere von sich gestreckt, wie breitgeklatscht liegen blieb, hatte die Feuereidechse ein Einsehen und stieg von ihrem Gegner runter. Mit verschränkten Armen und einer Mischung aus eingeschnappten und triumphierenden Gesichtsausdruck stellte es sich neben den Besiegten.
 

Stille kehrte ein. Irgendwie konnte keiner so richtig realisieren, was gerade passiert war. Am allerwenigsten Paula, die wie ein begossener Pudel da stand und auf ihr völlig selbstständig, aber vor allem sehr eigenartig kämpfendes Pokémon starrte. Auch Gonni guckte ziemlich blöd aus der Wäsche, weil er gar nicht hinterher gekommen war Geckarbor irgendwelche Befehle zu geben.

Der erste, der seine Sprache wiederfand, war der Schiedsrichter.

„Geckarbor kann nicht mehr weiter kämpfen. Glumanda hat gewonnen.“

„Allerdings ohne auch nur eine einzige offiziell anerkannte Attacke zu verwenden.“, warf Prof. Weston mit einem leicht ärgerlichen und vorwurfsvollen Unterton ein.

„Na und? Hauptsache gewonnen.“, widersprach Glumandas Trainerin.

Zwar hatte auch sie sich ihren ersten Kampf etwas anders vorgestellt, doch wenn es sich Paula recht überlegte, machte ihr der etwas ungewöhnliche Kampfstil ihres Pokémon nicht wirklich etwas aus.

„Glumanda, komm her!“, forderte sie ihren kleinen Liebling auf und streckte ihm die Arme entgegen.

Das Feuerpokémon quietschte auf, rannte freudestrahlend auf seine Trainerin zu und flog in ihre Umarmung.

„Das hast du toll gemacht.“

Stolz streichelte sie ihrem Sieger über den Kopf, woraufhin Glumanda genüsslich die Augen schloss und sich an sie schmiegte.

Auch wenn es vielleicht nicht die Attacken eingesetzt hatte, die sie gewollt hatte, ihre kleines Pokémon hatte sich für den ersten Kampf sehr gut geschlagen.

Mit stolz erhobenen Kopf marschierte sie an Prof. Weston vorbei.

Dieser räusperte sich erst vernehmlich und knurrte dann: „Holen sie ihr Pokémon bitte wieder in seinen Ball.“

Es gefiel ihm anscheinend überhaupt nicht, dass die junge Trainerin ihr Glumanda auf dem Arm durch die Gegend trug. Genauso wenig, wie es Paula gefiel, ihr armes Pokémon immer in diesen Ball einsperren zu müssen. Doch was sollte es, der Professor zog eine ziemlich unfreundliche Miene und sie hatte keine Lust sich schon wieder Ärger einzuhandeln, weil sie die Regeln miss...

Doch plötzlich schoss ein Erinnerungsblitz durch ihren Kopf. Ihr war etwas eingefallen.

Paula konnte sich vor lauter Vorfreude ein Grinsen nicht verkneifen, als sie sich an den Lehrer richtete: „Nein.“

„Wie bitte?“ Prof. Weston sog scharf die Luft an und blinzelte vor Verwunderung.

Hatte sich das Mädchen gerade gewagt zu widersprechen?

„Ich muss Glumanda nicht zurück holen.“, erklärte dieses auch noch ganz ruhig.

„Und wer bitte gibt ihnen dieses Recht?“, wollte der Lehrer mit bereits vor Erzürntheit leicht zitternder Stimme wissen.

Paula lächelte ihn betont freundlich an und sprach dann völlig gelassen: „Na die Schulordnung.“

Sie hatte zwar immer noch keinen Blick da rein geworfen, aber sie hatte eine andere, für ihren Geschmack verlässliche Quelle des Wissens. Also getraute sich Paula ohne Umschweife fortzufahren.

„Da steht doch geschrieben, dass man Pokémon nicht außerhalb,“ sie betonte dieses Wort extra, “des Kampfunterrichts frei herum laufen lassen darf. Aber das hier ist doch der Kampfunterricht, also darf ich Glumanda hier auch draußen lassen.“

Prof. Weston setzte zu einer Erwiderung an, doch Paula hatte nicht vor, sich diese Chance entgehen zu lassen.

Ungeniert sprach sie weiter: „Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass die Schulordnung bei ihnen nicht gilt? Das wäre aber ziemlich undiszipliniert. Wenn sie möchten, schreib ich ihnen auch gern einen Aufsatz darüber.“

Das hatte gesessen. Prof. Weston klappte für einen Moment die Kinnlade herunter. So eine Dreistigkeit bereits nach dem ersten Tag, hatte er noch nie erlebt. Doch er durfte jetzt keine Schwäche zeigen. Mit einem tiefen Luftzug hatte er sich wieder gefangen.

Unterkühlt fuhr er fort: „Tun sie das. 10 Seiten sollten genügen. Und nun setzen sie sich!“

Im Angesicht der Strafe, war sich Paula nicht mehr ganz so sicher, ob das gerade wirklich so eine gute Idee gewesen war, doch was sollte es. Sie schrieb gern Aufsätze und dafür den süßen Geschmack des Triumphes zu kosten, hatte es sich alle mal gelohnt. Immerhin sagte er nichts mehr, als sie mit Glumanda auf dem Arm wieder auf ihren Platz zusteuerte.

Jetzt war sie eigentlich ganz froh, dass das Zitronen-Mädchen sie gestern auf diese Regel hingewiesen hatte. Auch wenn sie nun noch eine Hausaufgabe mehr hatte, dieser kleine Sieg freute sie ungemein.
 

Gonni sah ihr grinsend entgegen, als Paula auf ihm zu kam. Ihm, sowie dem Rest der Klasse, hatte die kleine Rebellion anscheinend gut gefallen.

Doch Paula interessierte erst mal was anderes.

„Wie geht es Geckarbor?“

Ihr Glumanda hatte der grünen Echse immerhin ganz schön zugesetzt.

„Ach, der wird schon wieder. Keine Sorge.“, erwiderte der Junge gelassen.

Paula atmete erleichtert aus: „Na da bin ich ja froh.“

Außerdem beruhigte es sie ziemlich, dass Gonni ihr seine Niederlage anscheinend nicht übel nahm. Die beiden reichten sich zum richtigen Abschluss des Kampfes lächelnd die Hände, bevor sie wieder ihre Plätze auf der Tribüne einnahmen.

Es hatte wirklich Spaß gemacht, dort vorn zu stehen und mit Glumanda, mehr oder weniger, gemeinsam zu kämpfen. Doch nach dem starken Adrenalinschub, machte sich nun, da die Anspannung wieder von ihr abfiel, ein Anflug von Müdigkeit breit. Ihr, sich an sie kuschelndes, Feuerpokémon verbreitete ein so wohlig warmes Gefühl, dass es Paula schwer fiel, sich auf die nächsten Kämpfe zu konzentrieren. Zu mal die auch nicht sonderlich spannend waren. Und so verlor sie sich wieder ziemlich schnell in Gedanken darüber, wie sie Glumanda wohl demnächst am besten trainieren konnte.
 

Während Paula die Ereignisse auf dem Kampffeld ungeachtet an sich vorüberziehen ließ, verfolgte jemand anders diese sehr angespannt. Nicht nur, weil sie sich fleißig über jede Kleinigkeit Notizen machte, sondern, weil Taja mit zunehmenden Unbehagen feststellte, dass sie bald durch die Klasse durch waren. Und das hieß unweigerlich, dass ihre Schonfrist bald vorbei sein würde.

Im Grunde freute sie sich ja auf das Kämpfen, doch dabei unter der Beobachtung der ganzen Klasse und vor allem dem peniblen Professor zu stehen, ließ immer mehr Angst in ihr aufkommen. Zu ihrer eigenen Unsicherheit kam auch noch die Frage, ob sie in der Lage sein würde, Flemmlis Temperament unter Kontrolle zu halten. Was wenn...?

Doch weiter kam Taja mit ihren Grübelein nicht, denn plötzlich fiel ihr Name. Sofort war sie wie gelähmt und sah den Lehrer wie ein vor einem Vipitis vor Angst erstarrtes Haspiror an.

Er entgegnete dies allerdings nur mit einer harschen, auf die Kampffläche weisenden Kopfbewegung.

Auch wenn sie gerade von einem Schwall Angst und Zweifel überschwemmt wurde, Taja hatte keine Wahl. Sie musste jetzt nach vorn und sich diesem ersten Kampf stellen. Mit jeder Sekunde allerdings, wurden ihre Knie mehr wie Butter und so fiel es ihr ziemlich schwer aufzustehen, geschweige denn ohne über ihre eigenen Füße zu stolpern, nach vorn zu gelangen. Tajas Gegner, ein bisher ziemlich unauffälliger Junge aus ihrer Klasse, von dem sie noch nicht einmal den Namen kannte, hatte sich bereits postiert und erwartete ungeduldig ihr Eintreffen.

Mit jedem Schritt, den sich die junge Schülerin auf die ihr zugewiesene Stelle zu bewegte, wurde ihre Nervosität größer. Ihr Puls schien einen neuen Geschwindigkeitsrekord aufstellen zu wollen und das Herz schlug so heftig, als wolle es aus seinem Rippengefängnis ausbrechen.

Sich vor anderen zu präsentieren, war ihr schon immer schwer gefallen. Doch dies hier war der Ort, der über ihre Zukunft entscheiden würde. Sich dieser Tatsache bewusst zu sein, machte es dem aufgeregten Mädchen nicht unbedingt einfacher.

Was wenn sie versagte? So wie immer, wenn es drauf ankam. Warum sollte es denn dieses mal anders laufen? Das konnte doch nur schief gehen.

Als Taja ihren Platz erreicht hatte, war sie bereits so von Selbstzweifeln zerfressen, dass sie am liebsten gleich wieder umgekehrt wäre.

Doch der Schiedsrichter eröffnete bereits den Kampf, sodass es kein Zurück gab.

Zitternd nahm Taja ihren Pokéball. Und plötzlich wurde ihr etwas bewusst. Etwas war tatsächlich anders. Sie war nicht allein!

In diesem Ball saß ein kleines Pokémon, das den Mut gefunden hatte seine Vergangenheit hinter sich zu lassen um mit ihr gemeinsam sein Leben zu verändern. Hatte sie sich die ganze Mühe gemacht, ihm Hoffnung gegeben, nur um nun wieder vor der Herausforderung weglaufen?

‚Nein! Kommt nicht in Frage.’

In Taja entbrannte plötzlich ein nie da gewesener Kampfeswillen, der wie ein Sturm durch ihren Körper fegte und die ganzen Zweifel und Ängste wegblies.

Egal, was gleich geschehen würde, ob Sieg oder Niederlage, sie hatte Flemmli und das allein zählte.

Sie holte noch einmal tief Luft, straffte die Schultern und warf den Pokéball aufs Feld.

„Zeigen wir’s ihnen, Sakura!“

Taja hatte sich auf dem Rückweg noch schnell Gedanken über einen Spitznamen gemacht, da sie hoffte, es würde vielleicht die Bindung zu Flemmli stärken. Mit der Information des Pokédex, das ihr Feuerpokémon ein Weibchen war und seines besonderen Merkmals, hatte sie gar nicht lange überlegen müssen, bevor ihr etwas passendes eingefallen war.

Von nun an war dieses Pokémon Sakura, das Flemmi mit der Narbe in Form eines Kirschblütenblattes.

Und Flemmli schien nichts dagegen zu haben, denn als es erschien, brach es nicht in Protestgeschrei aus. Nein, es war eher sehr ruhig. Etwas zu ruhig.

Taja musste mit Erschrecken erkennen, dass sich ihr Pokémon mit hasserfüllten Blick sogleich auf seinen Gegner fixiert hatte. Plötzlich begann sich der gelbe Federkranz in seinem Nacken aufzurichten. Gleichzeitig ging eine Spannung durch seinen kleinen Körper und es stellte sich breitbeinig hin.

‚Diese Körperhaltung hatte es auch beim Angriff auf Jordan!’, raste es Taja durch den Kopf. Das war kein gutes Zeichen.

„Sa....“

Doch noch bevor sie ihren Namen zuende aussprechen konnte, preschte das Feuerpokémon bereits los.

Verzweifelt riss Taja den Pokéball hoch um Flemmli zurückzurufen, doch das Feuerküken war einfach zu schnell, um sich von dem roten Energiestrahl erwischen zu lassen. Nur auf sein Ziel fixiert, raste es weiter. Das im Wege stehende Feurigel wurde einfach überrannt, denn, wie nun alle erschrocken feststellen mussten, war nicht das Pokémon Ziel der Attacke, sondern sein dahinterstehender Trainer. Dieser wich bereits ängstlich ein paar Schritte zurück, doch für Flemmli war es ein leichtes die kurze Distanzverlängerung zu bewältigen.

Taja war ihrem unkontrollierbaren Pokémon zwar hinterher geeilt, doch sie sah bereits nach wenigen Schritten, dass sie es nicht mehr schaffen konnte. Flemmli war schon zu nah heran und schoss mit seinem nach vorn gestreckten Schnabel auf den erstarrten Jungen zu.

„Nein!“

Doch Tajas besorgter Aufschrei war unbegründet, denn bevor ihr Pokémon den Mitschüler verletzten konnte, prallte es an einer blaugrauen Mauer ab.

Flemmli überschlug sich und kam in einigen Metern Entfernung wieder auf die Beine. Doch anstatt vor Angst vor dem riesigen Metagross, das sich als Schutzschild vor den zitternden Jungen gestellt hatte, zu erstarren, ließ die unbändige Wut in seinem Inneren es sofort wieder angreifen. Blitzschnell schoss es auf das Stahlpokémon zu.

„Metagross, Sternenhieb!“, befahl Prof. Weston seinem Pokémon ruhig.

Der Eisenklotz hob einen seiner Arme an dessen Ende sich eine gelbe Energiekugel bildete. Als er auf das kleine Feuerküken prallte, sah Flemmli im wahrsten Sinne des Wortes Sterne, wurde gnadenlos nach hinten geschleudert und blieb einen Moment liegen.

„Sakura!“

Mit einem angstvollen Aufschrei lief Taja auf ihr Pokémon zu, doch ehe sie nach genug heran war, hatte sich das zu allem entschlossene Feuerwesen wieder zitternd auf die Beine gekämpft und wandte sich nun mit zornigem Blick seinem Gegner zu. Doch der galt nicht Metagross, sondern dessen Trainer.

Unbeirrt preschte Flemmli wieder vor, doch dieses mal war Taja schneller. Der rote Rückholstrahl erwischte das Pokémon ehe es nah genug zum Angriff war und löste es auf. Krampfhaft hielt Taja den sich sträubenden Pokéball fest, dann blieb er endlich verschlossen.
 

Betretene Stille legte sich wie ein schweres Tuch über das Kampffeld. Alle waren durch den Tumult aufgeschreckt worden, sogar die Schüler der anderen Klasse warfen neugierige Blicke herüber. Doch nach dieser Aktion hatte es allen die Sprache verschlagen.

Taja ging es nicht anders. Zitternd und den Blick schuldbewusst zum Boden gesenkt stand sie da.

Zwar erklärte der Schiedsrichter gerade mit leiser Stimme, dass Flemmli gewonnen hatte, weil es Feurigel ausgeschaltet hatte, doch seine Trainerin konnte sich nicht darüber freuen. Sie hatte auf ganzer Linie versagt. Sie hatte Flemmli nicht Einhalt bieten können. Wäre der Lehrer ihr nicht zur Hilfe gekommen, wäre vermutlich etwas Schlimmes passiert.

‚Du bist so dämlich! Hast du wirklich geglaubt, dieses Pokémon sofort kontrollieren zu können?’

Ihr Selbsthass schlug gerade wieder Wellen. Doch so sehr sie sich auch gerne für ihre grenzenlose Dummheit selber geohrfeigt hätte, vor der Klasse durfte sie sich jetzt keine weitere Schwäche leisten. Taja schluckte den fetten Kloß, der sich in ihrem Hals gebildet hatte herunter und kämpfte die Tränen zurück, die eben den Auslass forderten.

Dennoch bedrückt, schlich sie an Prof. Weston vorbei und murmelte ein leises „Vielen Dank“.

Der Lehrer ließ sich seinen Schock über die Ereignisse der letzen Minute nicht anmerken und sprach nur bewusst nüchtern: „Kommen sie nach der Stunde zu mir.“

Taja nickte leicht, bevor sie auf ihren Mitschüler zu ging, der immer noch vor Schrecken zitternd mit seinem bewusstlosen Feurigel im Arm da stand.

„Es tut mir leid.“, entschuldigte sich die hilflose Trainerin bei ihrem Gegner und wollte ihm die Hand reichen.

Doch er wich mit angstvollem Ausdruck in den Augen zurück.

Es traf sie, doch Taja konnte es verstehen. Immerhin war ihr Pokémon drauf und dran gewesen ihm ernsthaften Schaden zuzufügen.

Während er sich schleunigst in den Schutz der Gruppe flüchtete, schlich Taja zurück zu dem einzigen Platz, der ihr ihrer Meinung nach zu stand- möglichst weit weg von den anderen.
 

Während die meisten anderen Mitschüler noch etwas geschockt, immer mal wieder einen misstrauischen Blick zu der Trainerin dieses durchgeknallten Feuerpokémons herüber warfen, hatte Paula ganz andere Sorgen. An dem vorrangegangenen Kampf, war ihr eigentlich nur eins wirklich in Erinnerung geblieben. Das Mädchen hatte ihrem Pokémon einen Spitznamen gegeben.

‚Ja, ein Name. Das ist ne super Idee!’

Paulas Augen leuchteten plötzlich auf, während sie auf ihr geliebtes Glumanda heruntersah. Es stand fest, ihr kleiner Liebling sollte noch besonderer werden, indem sie ihm einen eigenen Namen gab. Doch welchen nur? Es musste schon etwas richtig passendes sein.

Und so versank Paula wieder in ihren Gedanken und bekam von dem letzten Kampf nichts mit. Obwohl es sie sicherlich interessiert hätte, denn ihre Lieblingsfreundin Vivi war an der Reihe. Auf Grund ihrer Träumerei entging Paula jedoch dieser recht gute Kampf.

Auch von der ziemlich kritischen Zusammenfassung, die Prof. Weston zum Schluss der Stunde gab, ging das meiste an ihr vorbei.

Erst als die Schulglocke das Ende des ersten Kampfunterrichts einläutete, wurde Paula aus ihrer schwierigen Namenssuche gerissen.

Zusammen mit Tifi, Gonni und ihrem Glumanda an der Hand verließ sie die Trainingsarena. Fast erwartete Paula, dass Prof. Weston sie darauf hinzuweisen würde, dass sie Glumanda nun in seinen Pokéball zu schicken hatte. Doch der schien so in Gedanken verloren, dass er sie ohne Ermahnung an sich vorbei ziehen ließ. Also nutze Paula ihre Chance und spazierte mit ihrem Pokémon an der Seite unbekümmert nach draußen.
 

Taja ließ sich dagegen mit dem Einpacken ihrer Sachen bewusst Zeit, bis sie die letzte Studentin in der Halle war. Mit hängenden Kopf schlich sie auf den Lehrer zu. In Erwartung einer mächtigen Standpauke wurde ihr schon richtig übel.

Doch Prof. Weston stand mit eiserner Miene nur da und ignorierte das betrübte Mädchen.

Dann, nach einigen unheilvoll stillen Sekunden, ertönte seine Stimme, die in der leeren Arena einen eigenartigen Hall hatte, der Taja erschaudern ließ.

„Haben mich meine Augen getrübt oder hatte dieses Flemmli eine Narbe auf der Stirn?“

Die Schülerin zuckte zusammen. Er schien Flemmli zu kennen, was sie irgendwie überraschte. Zögerlich nickte sie.

„Wie haben sie das geschafft?“, fragte er ohne eine Regung zu zeigen.

„Ehm, ich hab einfach mit ihr geredet.“, erklärte die Gefragte schüchtern.

Plötzlich wand sich der Professor zu ihr um und besah sie mit erhobenen Augenbrauen.

„So?“, war alles, was er herausbrachte.

Taja wusste nicht wirklich, was sie darauf erwidern sollte. Doch das brauchte sie auch gar nicht, denn Prof. Weston übernahm.

„Verzichten sie zunächst auf Kämpfe in der Öffentlichkeit. Wenn sie Hilfe beim Training brauchen, verständigen sie mich.“

Damit drehte er sich um und ließ eine völlig verdatterte Schülerin zurück.

Taja konnte es nicht fassen. Hatte ihr Prof. Weston gerade seine Hilfe angeboten?

Und vor allem, ohne auch nur ein einziges Wort über den katastrophalen Kampf zu verlieren. War das wirklich der selbe Professor, der sie wegen ihrer Unpünktlichkeit zu einem Aufsatz verdonnert und an jedem Kampf etwas zu kritisieren gehabt hatte?

Irgendwie kam ihr das alles etwas unwirklich vor.

Doch wirklich Zeit über die unerwartete Handlung ihres Lehrers nachzudenken, hatte Taja nicht, denn in einigen Minuten würde eine weitere Unterrichtsstunde beginnen.

Niedergeschlagen und zugleich verwirrt machte sie sich auf den Rückweg ins Lehrgebäude.
 

Nach der etwas kürzeren Pause von 15 Minuten hatten sich alle Schüler wieder in ihrem Klassenraum versammelt und ließen den Beginn der 5. Doppelstunde bereits etwas erschöpft auf sich zu kommen.

Mathe stand auf dem Plan. Für die meisten eher eine Qual, vor allem weil es nicht direkt für die Pokémon-Fächer zu gebrauchen war. Aber da nicht jeder mit einem hervorragenden Abschluss die Akademie verließ, wurde auch der normale Unterricht nicht ganz außer Acht gelassen.

Nur wenige sahen dieser Stunde mit Behagen entgegen. Eine davon war Paula. Sie war zwar kein Rechengenie, aber mit Zahlen zu hantieren machte ihr Spaß.

Als sie jedoch den Lehrer durch die Tür marschieren sah, verging sogar ihr das leichte Lächeln. Mit dem finster dreinblickenden Mann kam ein eisiger Luftzug herein, der allen eine ausgeprägte Gänsehaut bescherte. Der Lehrer war zwar nicht besonders groß, doch von bulliger Statur, mit einem ziemlich ausladenden Bauchumfang. Sein dichter schwarzer Rauschebart machte sein etwas dickliches Gesicht nur noch rundlicher. Und genauso dunkel wie er gekleidet war, blickte er die Klasse an. Ohne ein Wort der Begrüßung drehte er sich zur Tafel, schrieb seinen Namen an und holte dann einen dicken Stapel Papier aus seinem Aktenkoffer.

„Sie schreiben jetzt einen Übersichtstest, um mir über ihre mangelnden mathematischen Kenntnisse Auskunft zu geben. Sie haben die ganze Stunde Zeit. Das Blatt bleibt solange vor ihnen liegen, bis ich ihnen den Befehl zum Umdrehen gebe. Jeder Betrugsversuch führt zur sofortigen Suspendierung.“

Damit knallte er Paula den Papierstapel auf den Tisch, die erschrocken zusammen zuckte. Im ersten Moment wollte ihr eine Beschwerde über die Lippen huschen, doch als sie seinen vernichtenden Blick sah, schluckte sie die schnell wieder herunter und gab wortlos die Blätter weiter.

Als jeder einen Packen von mindestens 20 Seiten vor sich liegen hatte, bellte es: „Anfangen!“

So geräuschlos wie möglich nahmen sich die Schüler ihre Aufgaben und machten sich ans Lösen. Es begann total einfach mit den Grundrechenaufgaben, dem Addieren einer langen Einkaufsliste aus dem Pokémon-Markt, wurde dann ein wenig schwerer als es um die Berechnung von Volumina eines Pokéballs oder eines Schneppkes ging, bereitete mit zahlreichen Textaufgaben und Rechungen, mit welcher Wahrscheinlichkeit man welchen Pokémon in einem definierten Gebiet begegnete, den Schülern zahlreiche Kopfschmerzen und fand dann den Höhepunkt des Grauens in Kurvendiskussionen, welche die Flugroute von einigen Vogelpokémon darstellen sollten, und linearer Algebra.

Die meisten Aufgaben waren ziemlich anspruchsvoll, doch Paula machte sich darüber weniger Gedanken. Alles was sie nicht sofort lösen konnte, ließ sie einfach weg. Das war schließlich nur ein Übungstest um ihren Wissensstand zu überprüfen.

Jemand anders zerbrach sich dagegen bei den meisten Aufgaben sehr wohl den Kopf. Obwohl sie alles irgendwo schon mal gesehen hatte und unter Umständen auch hätte lösen können, machte es sich Taja selber schwer, indem sie sich an einer relativ banalen Textaufgabe festgebissen hatte.

Auf dem Blatt war eine kleine Skizze von einem Wald und drei Markierungen, die fast im Dreieck zu einander lagen. Darunter stand:

„Zwei Zigzachs (A/B) laufen mit gleicher Geschwindigkeit auf das selbe Ziel (C) zu. Welches der beiden wird zuerst ankommen?“

Zunächst war ihr das recht simpel erschienen. Da ein Maßstab vorhanden war, hatte sie einfach den Weg vermessen und festgestellt, dass Zigzachs B einen kürzeren Weg hatte, demzufolge wohl auch eher da sein dürfte.

Beim nochmaligen Durchlesen erschien es Taja allerdings fast schon zu einfach und sie begann sich daran zu stören, dass es ausgerechnet zwei Zigzachs waren. Denn allgemein war bekannt, dass diese Pokémon niemals gerade laufen. Deshalb dürfte eigentlich das Zigzachs das schnellste sein, welches in seiner Zickzackroute am wenigsten Hindernisse zu umgehen hatte. Aber wie sollte sie denn nur rausbekommen wie groß so ein gelaufener Zacke war und welchen Weg es demzufolge hätte wählen müssen? Und waren die Zigzachs überhaupt gleich groß, sodass sich diese Spanne vergleichen ließ?

Langsam begann sich alles in ihrem Kopf zu drehen.

Mathe war noch nie ihr Ding gewesen. Stupides Ausrechnen nach irgendwelchen Formeln, war ja kein Problem, aber solche Aufgaben, wo sie selber noch mehr Probleme sehen konnte, als eh schon da waren, machten sie total fertig.

Und das Prof. Lukosch, wie die Buchstaben an der Tafel verrieten, auch noch die ganze Zeit durch die Klasse ging und ihnen ab und zu einen unheilvollen Blick über die Schulter warf, machte das eh schon verschüchterte Mädchen nur noch nervöser. Die strenge Haltung von Prof. Weston hatte ihr schon leichtes Angstgefühl beschert, doch der grimmige Blick dieses Lehrers, ließ sie fast bis ins Mark erschaudern.

Und anderen ging es nicht besser. In der Gegenwart dieses Mannes fühlte sich absolut niemand wohl. Selbst ein leises Atmen schien in der bedrückenden Stille wie ein störendes Geräusch. Diese Atmosphäre würde ihnen allen dieses Fach nicht unbedingt beliebter machen.

Dann, nach schier unendlichen langen eineinhalb Stunden, erlöste sie das Pausenklingeln.

„Stifte weg!“, knurrte Lukosch und begann ihnen bereits die Blätter unter der Nase wegzuziehen.

Wirklich fertig geworden war niemand, dafür waren die Aufgaben auch um einiges zu schwer gewesen. Obwohl alle schon vermuteten, dass ihnen der Professor wohl in der nächsten Woche ihre Unfähigkeit unter die Nase reiben würde, fanden sie es nicht weiter schlimm, nicht alles bewältigt zu haben.

Zumindest bis Prof. Lukosch beim Verlassen des Zimmers, ganz nebenbei fallen ließ: „Diese Arbeit wird übrigens benotet.“

Blankes Entsetzen erfasste die komplette Klasse. Das konnte er doch nicht machen!

Doch als sich die ersten wieder soweit gefangen hatten, um etwas erwidern zu können, war der Lehrer schon über alle Berge.
 

„Der hat doch nen Knall!“, ließ sich Paula auf dem Weg zum Wohngebäude wütend über ihren Mathelehrer aus.

„Vielleicht hat er ja auch nur einen Scherz gemacht, um uns etwas zu schocken.“, überlegte Tifi ruhig.

Gonni war da eher skeptisch: „Sieht dieser Mann so aus, als würde er wissen, was ein Scherz ist?“

„Da hast du allerdings Recht.“ Tifi musste gequält lächeln, „Und was nun?“

„Unsere Klassensprecherin wird das schon richten.“, meinte Gonni.

Doch obwohl er Paula nur damit hatte aufziehen wollen, wurde die gleich ziemlich mürrisch.

„Ich hab nicht um diesen Job gebeten!“

Aber auch wenn es ihr nicht gefiel die Pflicht am Hals zu haben, die Anmaßung des Lehrers ging ihr ja ebenso gegen den Strich und auch sie wollte nicht gleich mit einer schlechten Note starten.

„Vielleicht kannst du ja mal Prof. Amber fragen, ob er das überhaupt darf.“, schlug Tifi vor.

„Ja, das mache ich gleich morgen früh.“, antwortete Paula wieder etwas gefasster.

Sie war trotzdem noch wütend auf den Lehrer. So bleib sie plötzlich stehen, holte ihren Pokéball heraus und verschaffte ihrem Pokémon Freigang.

„So jetzt geht’s mir besser.“

Glumandas fröhliches Gesicht hatte den Zorn verpuffen lassen.

„Aber du weißt, doch das wir...“, setzte Tifi zu einer freundlichen Ermahnung an.

Paula zuckte nur mit den Schultern: „Ist doch egal, solang sich niemand dran stört.“

Von den vorbeikommenden Stundenten schien jedenfalls keiner ein Problem damit zu haben. Und das Zitronen-Mädchen hatte sicherlich etwas Besseres zu tun, als hinter der nächsten Hecke auf sie lauern.

Also setzten sie nun zu viert ihren Weg zu den Zimmern fort, wo sie sich heute einfach nur noch erholen wollten.
 

Ohne das Paula es mitbekam, gab es dennoch jemand der diesen Verstoß gegen die Schulordnung sah. Der Vizedirektor stand gerade mit gerunzelter Stirn an seinem Fenster und beobachtete die junge Trainerin. Doch nicht, dass sie ihr Pokémon frei herum laufen ließ, war das, was ihm die tiefen Furchen bescherte. Er sah mit besorgten Blick auf seinem Schreibtisch, wo ein Dokument lag. Eben war der Bericht über die Untersuchung des merkwürdigen Feuerpokémons von Schwester Joy eingetroffen. Alles war in Ordnung. Dieses Glumanda strotze gerade so vor Gesundheit. Völlig normal.

Bis auf eine Sache.

Der Direktor wusste nicht Recht, was er davon halten sollte. Das konnte doch nicht sein. Aber wenn doch, würde das heißen...

„Sie haben mich gerufen?“

Von einer Stimme wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Etwas erschrocken drehte er sich um, fand aber schnell seine Fassung wieder.

„Ja, ich habe eine kleine Bitte an sie.“, wandte er sich an die Gestalt, die in einer dunklen Ecke des Büros stand.

„Was gibt es?“

Der ältere Mann wand sich wieder dem Fenster zu: „Haben sie ein Auge auf dieses Mädchen und besonders auf ihr Pokémon. Falls es Schwierigkeiten gibt, sagen sie mir sofort Bescheid.“

Die Gestalt trat neben den Direktor und sah sich das Ziel seines Auftrags an.

„Natürlich. Ich melde mich.“

Damit tauchte sie wieder in den Schatten zurück und verschwand fast lautlos aus dem Zimmer.

Der Direktor stand noch eine Weile mit nachdenklichen Gesicht an der Glasscheibe, betrachtete das Treiben auf dem großen Platz und hoffte inständig, dass er mit seiner Vermutung falsch lag.

Kleine Zwischenfälle

Am nächsten Morgen trieb Paula ihre beiden Klassenkameraden beim Frühstück ausnahmsweise mal an, damit sie noch vor dem Unterricht mit Prof. Amber reden konnte. Die Ungerechtigkeit ihres Mathelehrers hatte sie noch lange aufgeregt, sodass sie die durch die Wut entstandene Energie gleich noch genutzt hatte, um bis in die tiefste Nacht ihre Aufsätze zu schreiben.

Die nächtlichen Schreibergüsse machten sich nun zwar bemerkbar, doch die Aussicht sich gleich bei ihrer Lehrerin beschweren zu können, hielt die ärgerliche Schülerin auf den Beinen.

Doch als sie das Klassenzimmer betrat, wurde sie nur noch ärgerlicher, denn ihre übereifrige Stellvertreterin war ihr bereits zuvor gekommen. Vivi musste die Lehrerin gerade eben erst abgefangen haben, denn die war noch nicht mal dazu gekommen ihre Tasche abzustellen.

Als Prof. Amber flüchtig zur Tür sah, bemerkte sie Paula, die gleich zielstrebig auf die beiden zu kam.

Die Lehrerin sah ihre Schülerinnen fast schon etwas ängstlich an: „Ihr habt wohl was auf dem Herzen?“

„Allerdings!“, bestätigte Paula und begann energisch von der widerfahrenen Ungerechtigkeit zu erzählen. Auch Vivi warf immer wieder erboste Kommentare über ihren Lehrer ein. Das er sich ziemlich unfair verhalten hatte, darin waren sie sich ausnahmsweise mal einig.

Prof. Amber hörte sich alles schweigend an.

Als die beiden Mädchen ihre hitzige Anklage beendet hatten, runzelte sie die Stirn.

„Nun ich kann verstehen, dass ihr euch beschwert. Soweit ich weiß, gibt es allerdings keine Regel, die besagt, dass er keine unangekündigten Arbeiten darf. Am ersten Tag ist das jedoch nicht gerade sehr nett. Ich werde mich mal mit ihm unterhalten, vielleicht kann ich ihn dazu überreden euch eine zweite Chance zu geben. Oder möchtet ihr das lieber machen?“

Beide Schülerinnen schüttelten fast synchron den Kopf. Auch darin, dass sie jede zusätzliche Begegnung mit ihrem Mathelehrer vermeiden wollten, herrschte Einstimmigkeit.

„Gut, aber versprechen kann ich euch nichts. Er ist ein wenig...“, sie musste kurz überlegen, wie sie es gewählt ausdrücken konnte, „...schwierig.“

Paula musste grinsen. Irgendwie hätte sie zu gern gewusst, was ihre Professorin eigentlich hatte sagen wollen.

Prof. Amber waren tatsächlich so einige Attribute eingefallen, die auf ihren Kollegen zu trafen. Vor allem wusste sie nur zu gut, dass er nicht nur Mathe-, sondern auch der Kampf- und Klassenlehrer der A-Klasse war. Und als solcher hatte er prinzipiell etwas gegen ihre Klasse. Bereits seit seinem ersten Tag an der Akademie hatte es Ärger gegeben. Und daran waren nicht immer nur die Schüler schuld. Sie hoffte nur inständig, dass es dieses mal nicht zu allzu großen Konflikten kommen würde.

Innerlich seufzend wandte sie sich um. Inzwischen war es langsam Zeit für den Unterrichtsbeginn. So verdrängte sie ihre Gedanken und widmete sich lieberder Vorstellung weiterer Pokémon.

Auch für die nächste Stunde blieb der Klasse Prof. Amber erhalten, denn sie hatten nun das erste Mal Geschichte und Mythologie. Von der ersten Sekunde an, merkten die Schüler, dass dies das eigentliche Fachgebiet ihrer Lehrein war, denn sie gab ihnen mit so viel Begeisterung einen Ausblick in die zu behandelnden Themen, dass sie sich schwer ihrer Faszination entziehen konnten. Zwar kannten die meisten die Legende von Ho-Oh und dem Zinnturm, die sie ihnen zur Einleitung erzählte, doch jeder hatte das seltsame Gefühl sie noch nie auf diese Weise gehört zu haben. Das Fach Geschichte hatte oft einen etwas eingestaubten Touch, doch, so waren sich die meisten Schüler sicher, wenn ihre Lehrerin in dieser Art auch die etwas trockener klingenden Themen, wie die Entwicklungsgeschichte der einzelnen Regionen, behandelte, würde keine Langeweile aufkommen.

Und so waren alle auch ziemlich überrascht als ein Klingelzeichen jäh die Pause einläutete. Ausnahmsweise hätte niemand etwas gegen eine etwas längere Stunde gehabt.
 

Doch ein anderes Fach stand auf den Plan. Heilkunde. Und es war wieder ein neuer Lehrer zu erwarten. Mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis sahen die Schüler dem Näherkommen des Unterrichtsbeginns entgegen. Doch noch bevor sie etwas von dem Lehrer sahen, bemerkten sie eine eigenartige, aber angenehm blumige Duftwelle, die in ihr Klassenzimmer strömte. Und genauso wie der milde Geruch, der sanft ihre Nasen verwöhnte, war das Lächeln der Frau, die soeben den Klassenraum betrat. Sie war nicht gerade die Größte und auch nicht mehr die Jüngste, doch sie machte gleich einen so sympathischen Eindruck, dass die Klasse unwillkürlich aufatmete. Irgendwie hatten sie wieder mit einem sonderbaren Professor gerechnet, doch die Frau sah mit ihrem ausgewaschenen Jeans, dem dünnen braunen Pullover und den locker zusammen geknoteten rötlichen Haaren einfach nur herrlich normal aus. Während sie sich als Prof. Achiella vorstellte, sprach sie mit viel Freundlichkeit in der Stimme.

Die Klasse war regelrecht dankbar. Ihre Heilkundelehrerin war zumindest schon mal keine weitere Katastrophe. Während sie einen Einblick in ihr Fachgebiet gab, dämmerte der ein oder andere zwar weg, weil er sich nicht wirklich für tausend verschiedene Kräuter und Beeren interessierte, doch dieses Fach würde wohl zu überleben sein. Einzig und allein Taja fand es wirklich bedauerlich, als das Pausenklingeln das Ende der Stunde einläutete, denn Pflanzen interessierten sie sehr. Zu erfahren, wie man sie zum Heilen benutzen konnte, war vor allem sehr praktisch, wenn man ein Flemmli hatte, das Verletzungen nicht ganz abgeneigt war. Doch sie hatten ja immerhin zwei Doppelstunden die Woche theoretische Heilkunde, da würde sie schon noch genug darüber erfahren können.

Nun konnten die Schüler der C-Klasse jedoch erst einmal beim Mittagessen entspannen. Der ein oder andere nutzte das neu erworbene Wissen gleich mal um seinen Salat nach eventuellen Heilkräutern abzusuchen, was dann auch schon das Spannendste an dieser Pause war.
 

Im Anschluss sollte es gleich mit der Praxis zur Heilkunde weitergehen. Kaum, dass sie ihr Mahl beendet hatten, versammelte Prof. Achiella ihre Schüler und machte sich mit ihnen auf den Weg zum PokémonCenter, in dem sie zur Einführung einen kleinen Rundgang organisiert hatte. Doch kaum trat die Klasse durch die Tür, schlug ihnen eine von Aufregung erfüllte Atmosphäre entgegen. Mehrere Schwestern liefen hastig, ohne die Schüler eines Blickes zu würdigen, durch die Vorhalle.

Nur die Schwester Joy an der Rezeption begrüßte sie wie immer freundlich: „Willkommen im PokémonCenter, Prof. Achiella. Entschuldigen sie den Tumult, aber wir haben eben ein paar Notfälle hereinbekommen.“

„Oh, ich hoffe nichts Schlimmes?“, erkundigte sich die Lehrerin mit besorgter Miene.

„Nein, es sind nur ein paar Pokémon die schnell behandelt werden müssen, deshalb verzögert sich die Führung einen Moment.“, erklärte die Schwester lächelnd.

„Das ist kein Problem.“ Prof. Achiella nickte ihr zu, bevor sie sich ihrer wartenden Klasse zuwandte, „Also es wird noch einen Augenblick dauern. In der Zwischenzeit informiert euch doch schon einmal über die Geschichte der PokémonCenter.“

Mit Eifer wies sie auf die an den Wänden hängenden Tafeln, die mit einigen ziemlich alten Bildern von fast schon urtümlich anmutenden PokémonCentern und vor allem reichlich kleingedruckten Textes dekoriert waren.

Leise murrend machten sich die Schüler an das halbherzige Überfliegen der Informationsschilder. So richtig spannend war es nicht wann, wo und von wem die Urform der Heilstationen gegründet wurde.

Nur Taja achtete für sie untypisch, dieses mal nicht auf die Anweisung der Lehrerin, denn sie hatte etwas viel interessanteres entdeckt. Auf einer Bank in der Ecke des Wartezimmers hockte etwas, das ihr bekannt vorkam und dem sie sich nun näherte.

„Hallo, Jordan. Was machst du denn hier?“, sprach sie den unerwartet trübselig blickenden Jungen an.

Überrascht sah er zu ihr hoch, erkannte sie aber wieder: „Hey, die Verrückte mit dem Psycho-Flemmli!“

Auch wenn ihr diese Bezeichnung alles andere als gefiel, so zwang sich Taja ruhig zu bleiben und den etwas giftigen Kommentar, der ihr auf der Zunge lag, herunterzuschlucken.

„Ist alles in Ordnung?“, fragte sie statt dessen höflich.

Der kurze Anflug von Überraschung wich erneut einer leichten Trauer die Jordans Züge überzog als er antwortete: „Naja, seit ein paar Tagen gibt es immer mal wieder ein paar kleine Verletzungen an einigen Pokémon auf der Farm. Nichts weiter schlimmes. Aber vor einer Stunde hab ich einige der Frischlinge mit ziemlichen Verbrennungen auf der Spielwiese gefunden. Und deshalb musste ich sie gleich hierher bringen.“

„Und wie geht es ihnen?“ Etwas bestürzt setzte sich Taja neben den blondhaarigen Jungen, der nun seine Beine ungeduldig umherbaumeln lies.

„Schwester Joy meinte, es ist nicht so doll, aber sie werden wohl paar Tage brauchen bis sie sich vollständig erholt haben.“, gab er Auskunft.

„Und wisst ihr schon, wie es dazu gekommen ist?“, hakte die Schülerin interessiert nach.

„Ne keine Ahnung. Zu erst haben wir ja gedacht, dass sich einige Pokémon bei kleinen Streiterein verletzt haben, aber es wird immer mehr und die Kleinen sind so verspielt, die könnten sich nie wirklich weh tun. Schon gar nicht solche schlimmen Verbrennungen. Meine Eltern und Großeltern sind ratlos.“ Etwas geknickt ließ er den Kopf hängen, doch nur um ihn im nächsten Moment wieder nach oben zu reißen und Taja mit funkelnden Augen anzusehen, „Aber ich glaube, es war das Monster aus den Wäldern.“

Taja runzelte amüsiert die Stirn. Der Junge war wohl wirklich von Monstern fasziniert. Doch Glauben schenkte sie ihm nicht.

„Und es gibt sonst keine Hinweise?“

„Nö. Aber Paps will jetzt nachts immer Wache stehen.“, erklärte Jordan stolz.

„Kann ich irgendwie helfen?“, bot Taja an.

Doch noch bevor Jordan etwas erwidern konnte, erlosch das leuchtende Notaufnahmeschild. Kaum ging die Tür auf, war der Junge auch schon aufgesprungen und trat voller Ungeduld auf der Stelle.

Als Schwester Joy heraustrat, bestürmte er sie regelrecht: „Und? Und? Und?“

„Keine Sorge, sie sind in Ordnung.“ Die Krankenschwester bedachte ihn mit einem sanften Lächeln.

„Puh, na dann is ja alles in Butter.“ Das Grinsen kehrte auf sein Gesicht zurück.

„Sie sollten die nächsten Tage aber noch nicht zu wild herumtollen.“, ermahnte die rosahaarige Frau.

„Geht klar, ich pass schon auf sie auf.“, nickend nahm Jordan die Pokébälle entgegen.

„Wenn du das hier auf ihre Wunden schmierst, dann werden sie völlig narbenfrei verheilen.“ Prof. Achiella, die das Gespräch mit einem Ohr verfolgt hatte, war herangekommen, um dem Jungen eine kleine Cremedose in die Hand zu drücken.

„Oh, super, na dann kann ja nix schief gehen.“ Jordans gute Laune war nun wieder vollständig hergestellt.

Er bedankte sich bei Schwester Joy und Prof. Achiella, rief Taja einen kurzen Abschiedsgruß zu und verließ dann hüpfend das Pokémon-Center.

„Da die Patienten nun versorgt sind, können wir mit der Führung beginnen.“, verkündete die Krankenschwester, woraufhin die Lehrerin ihre Klasse zusammenrief, die froh darüber von der lästigen Leseaufgabe befreit zu sein, sofort er Anweisung nachkam.

Ohne zu zögern folgten sie Schwester Joy und ihrer Lehrerin durch die Räumlichkeiten.

Prof. Achiella musste verwundert feststellen, dass diese Schüler für eine C-Klasse erstaunlich diszipliniert sein konnten.

Die herrschende Ruhe basierte bei den meisten allerdings eher auf aufkommender Lethargie als auf echter Disziplin. Die ganzen Gerätschaften waren zwar sicherlich alle hochwichtig, aber im Grunde interessierte den Großteil nur, dass sie funktionierten und ihre Pokémon heilten, aber nicht sonderlich, wie sie das zu Stande brachten.

Bei Paula kam neben leichter Desinteresse auch noch ein ziemliches Unbehagen auf, als die Gruppe in das Untersuchungszimmer traten, in dem sie gestern Glumandas Kampf gegen die Spritze durchgeführt hatten. So schnell hatte sie eigentlich nicht vorgehabt an diesen Ort zurückzukommen. Doch dieses mal war zumindest Glumanda sicher in seinem Pokéball verwahrt und ersparte ihr eine Angstheularie. Auch ihren Klassenkameraden hätte eine erneute Strapaze des Trommelfells sicher alles andere als gut getan. Für manche wäre es allerdings ein Wecker gewesen, denn bei Schwester Joys, zwar sehr begeisterten, aber zu detaillierten Ausführung über die Untersuchungstechnik, driftete auch das letzte Fünkchen bemühter Aufmerksamkeit stetig in Richtung Dämmerschlaf. So war es für einige ein ziemliches Rätsel, wie sie nach der eineinhalbstündigen Besichtigung plötzlich wieder an den Eingang der Krankenstation gelangt waren.
 

Die frische Luft weckte nun allerdings neue Lebensgeister, die sie auch nur zu gut gebrauchen konnten, denn der fragende Blick auf dem Stundenplan, enthüllte zum letzten Akt des Tages Sport. Wirklich Begeisterung entlockte dies keinem. Hier und da ertönten kleine Seufzer im Klassenverband, zu mal sie sich durchaus vorstellen konnten einen Lehrer zu bekommen, bei dem körperliche Aktivität über allem stand. Lernen und Pokémon-Kämpfe waren für einen Großteil schon anstrengend genug, da waren sie nicht noch auf zusätzliche Ertüchtigungen erpicht.

Doch nachdem sie alle gemeinsam zum Sportplatz gelaufen und sich in die in jeweiligen Farben gehaltene Sportkleidung geworfen hatten, kam zumindest bei einem Teil der Klasse wieder etwas Motivation hoch. Und zwar beim Weiblichen, denn ihr Sportlehrer war durchaus sehr ansehbar. Mit seinen kurzen, blonden, leicht nach oben gegelten Haaren, dem dünnen Ziegenbärtchen ums Kinn und den strahlenden blauen Augen machte er einen recht spritzigen Eindruck. Während so manches Mädchenherz einen entzückten Hüpfer machte, bekamen die Jungen beim Anblick seines athletisch gebauten Körpers plötzlich alle irgendwie schlechte Laune. Die besserte sich auch nicht gerade als der Mann, der sich als Prof. Blister vorstellte, ihnen begeistert ankündigte, dass sie sich auf schweißtreibende Stunden gefasst machen konnten.

Als er die nicht sonderlich begeisterten Gesichter seiner Schüler sah, erklärte er: „Sport ist sehr wichtig für eure Ausbildung. Also bitte ein wenig mehr Motivation. Das wird lustig.“

Doch irgendwie konnte ihm keiner so richtig Glauben schenken. Wozu sollte diese ganze Plackerei nötig sein?

Angesichts der fragenden Blicke fuhr der Lehrer mit seiner Rede fort: „Meint ihr wirklich, dass nur eure Pokémon die Kämpfe bestreiten? Ihr greift zwar nicht direkt in das Kampfgeschehen ein, doch auch für euch wird es eine zunehmende physische Belastung. Ihr müsst fit genug sein, euren Partner beim Training zu unterstützen und auch bei langen Kämpfen ausreichend Kondition haben. Außerdem werden die Sportstunden auch die Verbindung zu euren Pokémon stärken, denn sie werden euch bei vielen Übungen behilflich sein.“

Überraschtes Murmeln ging durch die Klasse. Sport mit Pokémon? Das konnte sich irgendwie niemand vorstellen. Aber es war zumindest eine Hoffnung, dass der Sportunterricht nicht ganz so schlimm werden würde. Ein wenig Freude zog über die meisten Gesichter.

‚Wenn die wüssten.’ Ihr Lehrer musste grinsen, doch er wollte ihnen nicht gleich am Anfang die gute Laune verderben.

Deshalb fing er sein Trainingsprogramm erst einmal langsam an. Zumindest für seine Maßstäbe.

„So, dann lauft zu Erwärmung mal zehn Runden um den Platz. Dann krieg ich auch gleich mal einen Eindruck, wie es so um eure Fitness bestellt ist. Kommt, keine Müdigkeit vorschützen, los geht’s.“ Mit einem Pfiff in die Trillerpfeife eröffnete der das Aufwärmtraining.

Angesichts der Größe des Sportplatzes klappte den meisten Schülern die Kinnlade runter. Zehn mal um den Tartanplatz zu laufen würde sicher eine halbe Ewigkeit dauern.

„Das ist doch keine Aufwärmung mehr!“, knurrte jemand aus der Masse der Schüler.

Die anderen pflichteten murmelnd bei, jedoch nur bis Blister seine Stimme erhob: „Hier will wohl jemand noch ein paar Runden extra laufen?“

Augenblicklich verstummten die Klagelaute. Noch so ein Lehrer der keine Diskussion duldete. Dabei hatte er vor wenigen Minuten noch so nett ausgesehen.

Murrend setzte der Trupp sich in Bewegung. Sie waren allerdings kaum drei Schritte weit gekommen, als er sie zurückpfiff: „Halt, ich hab was vergessen!“

Ein wenig Gerangel entstand, da einige sofort stehen blieben, andere dagegen den Ruf nicht ganz mitbekamen und überrascht gegen ihre Klassenkameraden stießen. Ein paar zischende „Pass doch auf!“, wurden ausgetauscht, doch zu Streit kam es nicht.

Der Sportprofessor stieg von der Bank an der Seitenlinie, auf die er sich zur besseren Übersicht gestellt hatte, und wühlte angestrengt in ein paar etwas zerknitterten Unterlagen.

„Ah ja, hier.“ Offensichtlich hatte er gefunden, wonach er gesucht hatte.

Er überfolg die Köpfe seiner Schüler, bis er mit seinem Blick auf einem pinken Sportshirt hängen blieb: „Paula, du hast ein Sportattest. Raus mit dir auf die Bank.“

Das angesprochene Mädchen zuckte zusammen.

‚Verdammt, er hat es doch gemerkt!’ Missmutig schob sie sich zwischen ihren Mitschülern durch, die sie mit neidischen Blicken verfolgten. Doch eigentlich war Paula es, die auf die anderen neidisch war. Gut, auf zehn Runden Rennen hatte auch sie nicht sonderlich Lust, doch sie hätte eigentlich gern mal wieder zumindest etwas Sport mitgemacht. Immer an der Seitenlinie stehen zu müssen, während sich andere kollegial anstrengten oder in Spielen zusammenarbeiteten, war auch nicht gerade ein tolles Gefühl.

Doch sie sollte ausnahmsweise mal nicht die Einzige sein.

„Kevin, du hast ein Teilattest, beim Rennen ebenfalls raus mit dir.“, wies er an.

Der Junge mit den hellblonden Haaren stellte sich sichtlich froh an die Seite des Lehrers.

Der wanderte mit seinem kritischen Blick weiter und sah noch eine Schülerin scharf an: „Und du, Taja. Du hast zwar kein Attest, aber ich hab die Notiz deiner Mutter gelesen. Sobald dir schwindlig wird, setzt du dich einfach an die Seite. Ich will nicht, dass du uns umkippst. Verstanden? “

Das Mädchen im lila Trainingsanzug lief leicht rot an, was sich durch die fragenden Blicke ihrer Mitschüler nur noch verstärkte. Schnell nickte sie, um nicht noch weiter aufzufallen.

„Sehr gut, alle anderen, lauft um euer Leben.“, gab er grinsend noch einmal den Start.

Lustlos trabten die ersten an, während Paula sich etwas deprimiert auf die Bank setzte. Was sollte sie die ganze Stunde machen?

Doch Prof. Blister sorgte so gleich dafür, dass seine aussortierten Schüler keine Löcher in die Luft starren konnten.

„Hier, da ihr keine oder nur bedingt Leistungskontrollen mitmachen könnt, werde ich euch in Sporttheorie prüfen. Also viel Spaß beim Lernen.“, er drückte ihnen ein fettes Buch in die Hand, das vom Gewicht her durchaus zum Hanteltraining hätte benutzt werden können. Paulas Laune sank gleich noch weiter. Noch mehr Lernstoff. Das konnte sie ja wirklich gebrauchen. Seufzend steckte sie ihre Nase in das Buch, in welchem ausführlich über verschiedenste Sporttechniken, sowie dem Körperaufbau und Gesundheit allgemein berichtet wurde. Nicht die sonderlich spannendste Lektüre, weshalb es sich Paula auch nicht verkneifen konnte, ab und zu einen Blick auf ihre Mitschüler zu werfen, die sich keuchend Schritt für Schritt über den Platz schleppten. Die Jungen hielten allesamt noch ganz gut durch, nur einigen Mädchen sah man deutlich an, dass ihnen jeder weitere Meter bereits einer zu viel war. Aber ihr Lehrer hatte alle genau im Blickfeld, sodass keiner die Runden abkürzen oder gar unbemerkt stehen bleiben konnte.

Nachdem irgendwann alle ihr Soll absolviert hatten, ließ er ihnen eine kleine Verschnaufpause, bevor es mit Dehnübungen weiter ging. Eigentlich wartete schon ein wunderbarer Trainingsplan auf seine Schüler, aber da es heute ihre erste Stunde war, ließ der Lehrer Gnade walten und erlaubte ihnen ein kleines Völkerballspiel. Sofort hellten sich die Mienen auf. Zwar waren sie alle keine Kleinkinder mehr, die absolut scharf aufs Spielen waren, aber bei so etwas entschied mal wenigstens selber, wie viel man sich bewegte. Der Lehrer teilte sie in zwei Gruppen, woraufhin jede ihre Spielfeldseite einnahm.

„So, die Regeln für Zwei-Völkerball dürften bekannt sein. Nur eine kleine Änderung wird es geben,“ Ein fettes Grinsen zog sich über sein Gesicht, als er etwas hinter seinem Rücken hervorzauberte, “Das hier wird der Ball sein.“

Alle starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die runde Kugel in der Hand ihres Lehrers. Das rot-weiße Etwas sah ganz und gar nicht wie ein normaler Ball aus. Als es sich auch noch herumdrehte und ein „Voltobal“ verlauten ließ, wurden ihre schlimmsten Befürchtungen wahr.

„Aber das können sie doch nicht machen!“, entfuhr es Paula unbewusst, „Das arme Voltobal!“

Schmunzelnd drehte sich der Mann zu ihr um: „Keine Sorge, Voltobal ist das gewöhnt. Es macht ihm sogar Spaß. Nur deinen Klassenkameraden würde ich empfehlen, es nicht fallen zu lassen. Bei Bodenkontakt reagiert es manchmal etwas explosiv.“

Die Schüler mussten schlucken. Das konnte ja ein ganz lustiges Spiel werden. Prof. Blister warf den besonderen Ball aufs Spielfeld. Im natürlichen Reflex der Gefahr auszuweichen, machten die meisten einen Schritt zurück. Nur einer sprang in die Bresche und fing das detonationspotente Wurfgeschoss kurz vor dem Boden ab.

„Habt euch nicht so.“ Gonni verzog keine Miene, als er das knisternde Pokémon auffing und anschließend auf die andere Seite des Spielfelds warf, wo es eiligst von einem Mitschüler gefangen wurde. Ziel des Spieles war es zwar eigentlich die Gegner abzuschießen, doch mit dieser Granate als Ball, getraute sich keiner so richtig, harte Schüsse abzufeuern, denn Voltobal sah so aus, als hätte es durchaus genug Kraft das komplette Spielfeld in Schutt und Asche zu legen, sollte es erst mal den Boden berührt haben. Da keiner einen falschen Schritt machen wollte, lief das Spiel relativ langsam ab. Alle waren ziemlich angespannt.

Auch Paula konnte sich der wahrhaft knisternden Atmosphäre nicht entziehen und hielt mehr als einmal den Atem an, als Voltobal gen Boden segelte. Ihre Leseaufgabe hatte sie völlig vergessen.

Als der Lehrer kurz vor Stundenende endlich abpfiff, ging ein erleichtertes Aufatmen über das Spielfeld. Tifi, die gerade als letztes den lebendigen Ball mit Müh und Not vor der Explosion bewahrt hatte, gab ihn eiligst in die Hände seines Trainers zurück.

„Naja, also an eurer Risikobereitschaft müssen wir wirklich noch etwas arbeiten. Und an Kraft und Kondition besteht auch noch enormer Ausbaubedarf“, schätze er schmunzelnd ein.

Das daraufhin ertönende unterschwellige Stöhnen überhörte er freundlicherweise, bevor er sie in den freien Nachmittag entließ. Ohne sich umzuziehen, schnappten sich die meisten ihre Sachen und machten sich schleunigst auf den Weg möglichst weit weg von dieser Folterstelle.
 

Es war zwar schon dreiviertel fünf, doch nun stand ihnen der restliche Abend frei zur Verfügung, da die Lehrer sich mit Hausaufgaben bisher zurückgehalten und die meisten ihren Aufsatz auch schon fertig hatten. Fröhlich schwatzend versammelten sich die Schüler auf den Bänken vor dem Wohngebäude und unterhielten sich über die Unterrichtsstunden. Nur wenige gingen auf ihre Zimmer. Eine davon war Paula.

Sie hätte sich zwar liebend gern mit Tifi und Gonni draußen in die Sonne gesetzt, doch ihr zusätzlicher Aufsatz war noch nicht ganz fertig und noch mal bis tief in die Nacht schreiben wollte sie auch nicht.

Als sie in ihr Zimmer kam, schmiss sie die Tasche in die Ecke und wechselte ihre Sachen. Die Trainingsklamotten blieben dort liegen, wo sie von ihr geglitten waren. Dann holte sie ihren Pokéball raus und ließ Glumanda frei. Mit einem freudigen Quietschlaut fiel es seiner Trainerin in die Arme. Immerhin hatten sie sich nun ganze neun Stunden nicht mehr gesehen. Das musste mit einer ausgiebigen Kuschelorgie auf dem Bett wieder gut gemacht werden. Sofort ging es ihr um einiges besser. Nur sehr widerwillig ließ Paula nach einiger Zeit von ihrer kleinen Wärmflasche ab und setze sich an den Schreibtisch. Der Aufsatz schrieb sich schließlich nicht von allein.

Sie kramte die nächtlichen Ergüsse hervor, überflog noch mal alles um den richtigen Ansatz zu finden, doch als sie weiterschreiben wollte, herrschte gähnende Leere in ihren Gedanken. Ihr fehlten nur noch drei Seiten, aber eine zündende Idee für den Inhalt blieb aus.

Viel interessanter war es doch ihrem Pokémon zuzusehen, das sich vergnügt mit einer Fussel auf dem Fußboden herumkullerte. Als es nach einiger Zeit die Blicke seiner Trainerin spürte, beendete es sein Spiel und kam glucksend herangewatschelt. An ihrem Stuhl angekommen, streckte es seine kurzen Arme fordernd aus und sah mit einem sehnsüchtigen Blick zu ihr auf.

Paula musste lächeln. Ihr Glumanda war wirklich das süßeste Pokémon von allen. Das Mädchen hob es hoch und setzte die Feuerechse auf ihren Schoß. Kaum war Glumanda bei ihr, verschwand plötzlich die Schreibblockade und sie konnte endlich weiter machen, während das Feuerpokémon jede Bewegung der Kugelschreibers mit großer Interesse verfolgte.

„Es ist wie mit der Magie. Kann man seine Kraft nicht in die richtigen Bahnen lenken, kennt seine eigenen Grenzen nicht und übergeht Regeln, die zum besseren Zusammenleben eingeführt wurden, passiert es leicht, dass man sich und andere mit seinen unüberlegten Handlungen in Gefahr bringt.“, brachte Paula in Gedanken an ihr Lieblingsbuch, eine Geschichte über eine Schülerin an einer Magierakademie, zu Papier.

Während sie weiter über die Notwendigkeit der Einhaltung von Regeln schrieb, schoss ihr auf einmal eine Eingebung durch den Sinn. Mitten im Wort stoppte sie ihre Schreibbewegung und sah auf den Kopf des kleinen Feuerwesens herunter. Ein breites Lächeln fuhr über die Lippen des Mädchens.

Endlich! Endlich hatte sie es!

Voller Elan und neuer Ideen beendete die Schülerin ihren Aufsatz. Genau als sie den Punkt hinter das letzte Wort setzte, piepte ihr Messenger.

‚Kommst du zum Abendessen?’, wurde sie von Tifi gefragt.

‚Klar, bin unterwegs. Hab was vor mit euch.’, schrieb sie vor Vorfreude grinsend zur Antwort.

Paula stopfte ihren Aufsatz in einen Ordner, setzte ihr Pokémon auf den Boden und suchte ihre im Zimmer verstreut liegenden Schuhe wieder zusammen. Glumanda dackelte ihr während der ganzen Zeit hinterher. Am Liebsten hätte sie es so mit in den Speisesaal genommen, doch da sie nun wirklich schon genug über Regeln geschrieben hatte, beschloss sie diese auch mal einzuhalten und holte Glumanda in den Pokéball zurück. Vorerst zumindest.
 

Schnellen Schrittes machte sich Paula auf den Weg in den Speisesaal im Kellerbereich. Dort angekommen, warteten ihre beiden Freunde schon auf sie.

„Na, bist du fertig?“, erkundigte sich Tifi.

„Ja und mir ist dabei ne super Idee gekommen.“, berichtete Paula vergnügt.

„Was hast du denn bloß vor?“ Angesichts des strahlenden Gesichtes ihrer Kameradin wurde ihr schon fast ein wenig mulmig.

„Erzähl ich euch gleich.“

Mit einem Kopfnicken deutete sie ihnen zu folgen. Nachdem sich jeder etwas leckeres zum Essen ausgesucht hatte, sah sich Paula nach einem geeigneten Sitzplatz um. Sie wollte eigentlich gern etwas abseits sitzen, doch der Saal war schon ziemlich voll, sodass ihr nichts anderes übrig blieb, als zwar ziemlich weit hinten an der Abgrenzung, aber dort auf den vorderen Stühlen Platz zu nehmen.

Nach ein paar Bissen des Abendmahls, rückte Paula endlich mit der Sprache raus: „Ich wollte Glumanda einen Namen geben und gerade ist mir beim Schreiben genau der Richtige eingefallen. Und nun würd ich gern mit euch ne kleine Taufe machen.“

„Das ist ja ne tolle Idee, wann willst du es denn machen und wie soll Glumanda denn überhaupt heißen?“ Tifi war gleich ganz hibbelig vor Aufregung.

„Na am besten jetzt gleich.“ Ohne zu zögern griff sie nach ihrem Pokéball und ließ Glumanda heimlich unter dem Tisch frei, „Ich nenn ihn nach meiner Lieblingsfigur aus einem Buch: Akarin.“

„Das ist ein schöner Name.“, stimmte Tifi zu.

„Genau der passende bescheuerte Namen für so ein Looser-Pokémon.“

Eine eiskalte Stimme in ihrem Rücken ließ Paulas Lächeln einfrieren. In mitten einer Gruppe nobel gekleideter A-Klässler stand ihr ganz besonderer Freund Leroy und musterte sie und Glumanda abschätzig.

„Was geht dich das an?“ fauchte sie zurück.

„Stimmt. Bei dem Schwächling und der miesen Trainerin kommt es auf einen bescheuerten Namen auch nicht mehr drauf an.“ Ein verächtliches Lächeln huschte um seine Lippen.

Nur zwei Sätze und der Junge hatte es durch seine Arroganz geschafft sie zum Kochen zubringen. Am liebsten hätte sie Glumanda auf den Mistkerl gehetzt, doch das wollte sie ihrem kleinen Liebling auch nicht antun.

Doch der Konflikt löste sich widererwartend von allein, als sich Leroy und seine Kumpanen mit unterschwelligen Gelächter abwandten.

Immer noch leicht grummelnd holte Paula ihr Pokémon unter dem Tisch hervor. Glumanda sah sie fragend an, als seine Trainerin es auf den Stuhl neben sich setzte. Ihr geliebtes Feuerpokémon vor den Augen kehrte zumindest etwas gute Laune wieder.

„Also gut Glumanda, magst du einen Spitznamen bekommen?“

Ihr Pokémon schaute erst ein wenig verwirrt, als es das aufmunternde Lächeln seiner Trainerin sah, beschloss es aber anscheinend, dass dieses Vorhaben schon in Ordnung sei. Mit einem freudigen „Glu!“ stimmte es zu.

Ein Strahlen ging über das Gesicht des Mädchens: „Gut, hiermit taufe ich dich nun auf den stolzen Namen Akarin. Mögest du so stark werden wie er.“

Feierlich legte sie ihre Hand auf den Kopf des Feuerpokémons. Nun strahlte es wie ein kleiner Sonnenschein, auch wenn es eigentlich keine Ahnung hatte, was dieses Ritual zu bedeuten hatte. Plötzlich verzog es jedoch ärgerlich das Gesicht. Mit einem verschreckten Laut fuhr es hoch, denn eben war ein Schwall Wasser auf seinem Haupt gelandet.

„Hey, was soll das denn?“ Auch Paula drehte sich verwirrt und leicht ärgerlich zu Gonni um, der ein nun leeres Wasserglas in der Hand hielt.

„Was denn, du wolltest es doch taufen.“, gab er trocken zurück.

„Aber doch nicht so!“ Verzweifelt versuchte sie ihr Pokémon etwas trocken zu wischen.

Vor lauter Panik das kühle Nass wieder loszuwerden, verlor dieses das Gleichgewicht, kippte mit samt Stuhl um und kugelte über den Boden.

Paula stürzte ihrem Glumanda hinterher, doch dessen Fall wurde bereits gebremst und zwar an den Beinen eines jungen Mannes in Servieruniform, der daraufhin sein gehaltenes Tablett in hohen Bogen wegschmiss. Das Essen in Flugkurs suchte sich nun einen neuen Landeplatz. Dieser drehte sich nun mit einem erbosten Laut um. Als Leroys finsterer Blick erst Glumanda und dann sie traf, musste Paula schlucken. Er schaute so zornig, dass ihr ein Frösteln über den Rücken lief.

Doch plötzlich geriet das Stück Rinderfilet auf seinem Kopf in Schieflage, die braune Sauce lief über seine hellen Haarsträhnen in sein wütendes Gesicht und tropfte auf den edlen Anzug, in dessen Taschen sich ein gedünstetes Brokkoliröschen verirrt hatte. Da konnte Paula nicht anders als loszuprusten. Allen Umstehenden erging es genauso. Nur der Betroffene stand da und funkelte seine Mitschüler an. Seine Klassenkameraden hielten augenblicklich inne um sich ja nicht seinen Groll zuzuziehen.

Als könne er gerade noch so seinen Zorn unterdrücken, schritt er bebenden Körpers auf Paula zu.

„Das wirst du mir büßen!“, zischte er bedrohlich durch die Zähne.

So richtig ernst konnte das Paula beim Anblick des bekleckerten Wichtigtuers allerdings nicht nehmen.

Leroy kam weiter auf sie zu, als wolle er sie gleich hier vor aller Augen angreifen. Zur Sicherheit erhob sich Gonni und baute sich schützend vor den Mädchen auf. Doch bevor sich eine Handgreiflichkeit entwickeln konnte, erschien ein relativ kleiner Mann mit dunklen, schon leicht graumelierten Haaren und Bart, in Kochbekleidung.

„Na na, immer ruhig Jungs. Keinen Grund sich aufzuregen. Ihr macht jetzt hier sauber und dann geht jeder seiner Wege.“, wies er ruhig aber bestimmend an.

Die Jungen knurrten sich noch kurz an, dann ließ Gonni von ihm ab und setzte sich mit argwöhnischen Blick wieder neben seine Klassenkameradinnen.

„Räum das weg!“, befahl Leroy dem Jungen dessen Tablett ihn getroffen hatte streng.

„Jawohl, Master.“ Der verbeugte sich hektisch und rannte nach einem Lappen.

Leroy schnaufte grimmig, wandte sich um und ging aus dem Saal um sich umzukleiden, während seine Klassenkameraden hinter der Abgrenzung verschwanden.

Nun wurde Paula auch dessen Bewandtnis klar. Anscheinend hatten sich die A-Klassenschüler dort wohl einen ihnen eher entsprechenden Extrabereich etabliert.

Doch das war ihr nun auch egal. Gerade hatte sich einer von ihnen mal so richtig blamiert und das sie daran nicht ganz unschuldig war, störte sie keineswegs.

Paula hatte sich Glumandas Namensgebung zwar etwas stilvoller vorgestellt, doch auch dieser wohl unvergessliche Vorfall erfüllte sie mit Heiterkeit.

Noch eine ganze Weile saßen die drei, oder besser gesagt vier, denn Paula ließ Akarin einfach weiter unbekümmert auf ihrem Schoß sitzen, beisammen und amüsierten sich über Leroys unfreiwillige Nahrungsdusche, bevor es dann letztendlich ins Bett ging, um für den morgigen, sicherlich wieder anstrengenden Tag gewappnet zu sein.

Neue Herausforderungen

„Und zwo, drei, vier!“

„Plinfa, Plinfa, Plin, Plin, Plinfa.“

„Che, Chelast, Che, Chelast.“

“Aus dem Quell der Wahrheit entsprungen, spiegelt das Wasser …“

“Karni, Karni, Karnimani.”

“…des Sees die Strahlen der unergründlichen Morgensonne....“

„Feu, Feu, Feurigel.“

„...Geheimnisvolles Wesen aus den tiefen des Ursprungs...“
 

So schallte ein altes Volkslied aus der Sinnoh Region am frühen Morgen des nächsten Tages durch den von C-Schülern gefüllten Musikraum. Sie hatten gerade begonnen es in ihrer ersten Musikstunde zu lernen. Das Besondere daran, sie sollten mit ihren Pokémon zusammen singen. Nur hatte das gesangliche Talent um einige Pokémon, sowie Trainer, einen ziemlich großen Bogen gemacht, sodass sich so mancher schiefer Ton untermischte. Jede noch so kleine Disharmonie ließ ihre Lehrerin, die am Klavier saß und sie begleitete, fast schon schmerzvoll zusammenzucken, als müssten ihre Ohren unsägliches Leid ertragen.

Sie hieß Prof. Wolf und genauso sah sie auch aus. Die Frau hatte ein scharf geschnittenes, etwas spitz nach vorn auslaufendes Gesicht, mandelförmige grünliche Augen und ihre weiß-grauen Haare waren so dicht, dass man sie schon fast als Pelz bezeichnen konnte. Nachts war die Lehrerin sicher eine Begegnung der äußerst unheimlichen Art.

Ihre Stimme, die sie ihnen gleich zu Beginn vorgeführt hatte, hatte jedoch mit tierischem Heulen nichts zu tun, sondern war kristallklar und erklomm selbst die Gipfel des Soprans so spielerisch, dass sie der potenzielle Insolvenzgrund eines jeden Glasherstellers hätte sein können.

Ihr feines Gehör ermöglichte es ihr, jeden noch so kleinen Misston herauszuhören und da hatte es gerade sehr viel zu tun.

Als in der zweiten Strophe Akarin anfing, voller Begeisterung lauthals, aber völlig aus dem Takt und vor allem schief, mit „Glu, Glu, Glumanda“ das Stimmengewirr zu übertönen, erstarben ihre Hände im Melodiespiel. Sie sprang auf und schrie so laut, dass bereits die Fensterscheiben anfingen bedrohlich zu vibrieren: „Stopp!!! Das ist ja nicht zum Aushalten!“

Sofort verstummten alle. Oder zumindest fast alle, denn Glumanda hatte vor lauter Inbrunst den Befehl überhört und sang fleißig weiter, bis ihm seine Trainerin plötzlich den Mund zuhielt. Er schaute sie zunächst etwas erstaunt an, als er aber mit bekam, dass alle außer ihm still waren, verstand es die Botschaft.

„Danke.“ Prof. Wolf schnaufte erleichtert aus, schloss die Augen und atmete tief durch, bevor sie schließlich erstaunlich gefasst hervorbrachte: „Also, das müssen wir wirklich noch üben.“

Die Schüler sahen sich untereinander an, doch außer Schulterzucken hatten sie keine Bewertung der Aussage parat. Für ihre Begriffe hatten sie sich gar nicht so schlecht angehört, doch wenn die Frau meinte, dass sie üben mussten, würden sie eben üben. Solang sie sangen, konnten sie wenigstens keine Musiktheorie, die sie ihnen schon umfangreich und mit funkelnden Augen angekündigt hatte, machen. Singen war nicht anstrengend und gemeinsam mit ihren kleinen Schützlingen auch einigermaßen lustig. So hatte niemand was dagegen, dass sie die komplette Zeit nur damit verbrachten, zu versuchen jeden Ton korrekt zu treffen. Doch abgesehen von einigen zusätzlichen grauen Haaren für Prof. Wolf, war die Stunde relativ ergebnislos.
 

Nach der zweiten, fast schon zur Gewohnheit gewordenen, Stunde in Pokémonkunde machten sie sich gemeinsam auf den Weg zur Nächsten. Von Prof. Amber hatten sie erfahren, dass Prof. Morris sie zur praktischen Verhaltensforschung draußen am Eingang zum Gebäude erwartete würde. Doch eigentlich hätte sie sich diese Info auch sparen können, denn den etwas untersetzten Mann konnte man schon vom obersten Treppenabsatz aus erkennen. Das neongelbe Jackett und die grellorangene Krawatte waren wie Hinweisschilder, die es gar nicht zuließen, dass man sie übersah, auch wenn es wohl jeder seinen Augen zu Liebe, gern getan hätte.

In Paula kamen langsam Zweifel auf, dass dieser Mann einen Spiegel hatte bzw. überhaupt über Farbsehen verfügte.

Völlig überflüssiger Weise winkte der Professor aufgeregt mit den Armen, als er seine Klasse näher kommen sah.

Kaum hatten sie ihn erreicht, begann er auch schon begeistert seinen Plan für heute vorzustellen: „Wunderbar, dass sie endlich alle eingetroffen sind. Wir haben heute viel vor. Sie sollen mit den ersten Studien über Pokémon beginnen. Das wird sicher ganz famos. Aber nun kommen sie erst mal mit.“

Ohne eine Reaktion abzuwarten, wandte er sich um und entfernte sich vom Unterrichtsgebäude. Auf einer nahegelegenen, großen Wiese machte er Halt.

„So, nun setzen sie sich bitte.“

Seine Schüler sahen sich zunächst etwas erstaunt an, denn so richtig wollte sich keiner einfach so auf den Boden setzen, doch das Gras schien saftig, aber nicht nass und von ihren Uniformen hatten sie eh mehrere Exemplare. Eventuelle Grasflecken würden also zu verschmerzen sein.

Als sich alle im weichen Grün niedergelassen hatten, fuhr der Lehrer mit seinen Ausführungen fort: „Heute sollen sie lernen, worauf es bei der Erforschung des Verhaltens eines Pokémon ankommt, nämlich der genauen Beobachtung. Es ist unerlässlich sich genaustens mit den Reaktionen des Zielobjektes in verschiedenen Situationen zu beschäftigen. Nur detailliertes Protokollieren lässt am Ende Schlüsse ziehen. Dabei ist wirklich jede noch so kleine Regung wichtig, sei es ein kurzes Zucken mit der Nase, ein flüchtiges Aufleuchten der Augen oder ein kaum vernehmbarer Laut. Sie müssen sich voll und ganz auf das Pokémon konzentrieren. Praktisch mit ihm verschmelzen. Es wird eine Weile dauern, bis sie dazu in der Lage sind, die notwendigen Daten mit einem Male zu erfassen, aber sie werden genügend Gelegenheit haben, das zu üben. Heute fangen wir ganz einfach an. Jeder sucht sich ein Fleckchen und lässt seinen Pokémonpartner frei. Dann beobachten sie ganz genau, wie es sie begrüßt und schreiben alles, was ihnen auffällt, einfach auf. Los, los, nutzen sie jede Sekunde.“

Freudestrahlend und wild gestikulierend wies er seine Schüler an, sich einen Platz auf der Wiese zu suchen.

Zwar teilte keiner in der Klasse seine überschwängliche Begeisterung, doch die Instruktionen ließen auf eine recht entspannte Stunde schließen und dagegen hatte niemand etwas einzuwenden.

Für Paula hatte das Ganze noch einen weiteren sehr positiven Effekt. Sie konnte Glumanda endlich wieder Freigang verschaffen. Mit dieser Aussicht kam nun doch richtig Elan in ihr auf. Sie suchte sich mit Tifi und Gonni ein Plätzchen auf der Wiese. Kaum, dass sie sich ein paar Schritte voneinander entfernt niedergelassen und ihr Schreibzeug hervorgekramt hatten, hatte Paula auch schon den Pokéball in den Fingern.

Keine Sekunde später erschien ihre kleine Feuerechse auf der Wiese. Im ersten Moment sah sich Glumanda etwas verwirrt um, denn die Umgebung war schon wieder ganz ungewohnt, doch als es seine Trainerin erspähte, leuchteten seine Augen wieder fröhlich auf. Wie immer stürzte es sich begeistert in die Arme seiner Freundin.

Als es sich so an sie kuschelte und sie fröhlich anstrahlte, vergaß Paula binnen Sekunden, dass sie sich irgendwas notieren sollte. So saß sie einfach nur minutenlang auf der Wiese, kuschelte mit Glumanda oder sah verträumt zu, wie es neugierig die kleinen Blümchen betrachtete. Die Welt um sie herum war einfach völlig nebensächlich, zumindest bis Prof. Morris Stimme über das Feld hallte und seine Schüler anwies sich zu kleinen Gruppen zusammenzufinden, um das Verhalten der Pokémon untereinander in Augenschein zu nehmen.

Ohne lange Absprache fanden sich Tifi und Gonni bei Paula ein. Während sich Plinfa und Glumanda gleich herzlich begrüßten und sich anscheinend ziemlich viel zu erzählen hatten, nickte Geckarbor nur kurz und ließ sich entspannt im Gras nieder.

Die drei menschlichen Freunde setzten sich ebenfalls und halfen einander bei den Beobachtungsnotizen. Dieser Unterricht gefiel ihnen wirklich gut. Es war nicht allzu schwer, auch wenn manche Pokémon etwas umherwuselten, aber ihnen zu zusehen, machte den Trainern unheimlich Freude.

Gerade Paula hätte am liebsten den ganzen Tag hier gesessen und jede noch so kleine Bewegung von Glumanda beobachtet, denn das war so unendlich entspannend.

Doch mit der Entspannung sollte es gleich vorbei sein.

Glumanda und Plinfa saßen friedlich in der Wiese und waren mit Blumen pflücken beschäftigt, als von hinten plötzlich etwas herangepurzelt kam und gegen den Rücken des kleinen Pinguins stieß. Plinfa ließ vor Schreck die Blumen fallen, weil es das Gleichgewicht verlor und ebenfalls ins Rollen kam. Nach einem ungelenken Überschlag, knallte es hart auf dem Boden auf, oder wäre es zumindest, wenn da nicht ausgerechnet Geckarbors Schweif gelegen hätte. Als sich der Vogelschnabel unabsichtlich in das grüne Gewebe bohrte, sprang Geckarbor schmerzerfüllt auf.

„Geckarbor!“, beschwerte sich das Pflanzenpokémon ziemlich erbost bei Plinfa.

Dieses ruderte aufgeregt mit den Armen und wies jegliche Schuld von sich. Immerhin war es selbst geschubst wurden.

Also drehten sich nun beide zu dem eigentlichen Verursacher um.

Es war ein Panflam, dass trotz des kleinen Unfalls fröhlich herumhüpfte und sie frech angrinste.

„Plinfa! Plinfa! Plinfa!“, wandte sich der Pinguin mit Zornesfalten auf der Stirn zu dem Feuerpokémon.

Doch Panflam schien das nicht im Geringsten zu kümmern und erwiderte nur ein relaxtes „Pan, Pan.“

Geckarbor nahm das Ganze jedoch nicht so leicht auf, immerhin war es sein Schwanz der da gerade wie ein loderndes Feuer schmerzte. Missmutig stapfte es auf den Affen zu und baute sich drohend vor ihm auf. Mit einer ganzen „Geckarbor“-Salve geigte es Panflam die Meinung, aber dieses grinste nur unverfroren, machte einen Salto rückwärts und verdünnisierte sich. Als es sich dann allerdings auch noch umdrehte und Geckarbor und Plinfa frech die Zunge rausstreckte, riss beim Ersten der Geduldsfaden und sogar das Wasserpokémon vergaß für einen Moment sein friedfertiges Wesen. Wutentbrannt stürmten sie dem roten Spaßvogel hinterher.

Nur Glumanda saß immer noch an Ort und Stelle und sah den anderen mit großen Augen hinterher. Ob das wohl ein neues Spiel war?

Plötzlich leuchteten seine Augen erneut auf. Wenn ja, dann wollte es unbedingt mitmachen. Also sprang es auf und lief den Anderen munter hinterher.

Die waren immer noch mit der wilden Jagd quer über die Wiese beschäftigt.

„Plinfa, nein!“, schrie Tifi, als ihr Pokémon zu einer Pfundattacke ansetzte, doch dieses scherte sich in diesem Moment überhaupt nicht um die Worte seiner Trainerin.

Allerdings kam es auch nicht zur Beendigung dieser, denn plötzlich versperrten zwei menschliche Beine das Ziel.

„Hey, was macht ihr mit meinem Pokémon?!“

Panflam erkannte die Stimme seiner Trainerin und kam schnell herangeeilt, um sich hinter ihr zu verstecken. Von seinem sicheren Platz aus, streckte es seinen Verfolgern gleich noch mal die Zunge raus.

Geckarbor sträubte sich vor Wut das Fell, doch es war ihm leider unmöglich den unverschämten Affen zu erwischen ohne seiner Trainerin zu schaden.

„Was heißt hier „wir“? Dein Panflam hat angefangen!“ Auch Tifi war nun etwas ärgerlich, dass man sie zu Unrecht beschuldigte.

Panflams Trainerin, das Mädchen mit den roten Haaren, sah skeptisch zu ihrem Pokémon: „Kev, ist das wahr?“

Ertappt zuckte der angesprochene Affe zusammen, versuchte aber noch sein Gesicht zu einer Unschuldsmiene zu verstellen. Seine Trainerin schien es allerdings ganz gut zu kennen.

„Dann tut es mir leid, das hab ich nicht mitbekommen.“

Sie, ihr Panflam, die beiden Jäger und das etwas darüber, dass es das Spiel verpasst hatte, enttäuschte Glumanda gesellten sich wieder zu den drei Trainern.

„Los Kev, nun entschuldige du dich.“ Ihre Klassenkameradin schob ihr Pokémon vor, das sich etwas sträubte. Doch nach einem warnenden Blick seiner Trainerin, kratzte es sich verlegen am Hinterkopf, ging auf Plinfa zu und reichte ihm mit einem leisen, entschuldigendem „Panflam“ die Pfote. Zunächst war der Pinguin etwas skeptisch, doch dann siegte sein gütiges Wesen und es nahm die Entschuldigung an. Auch Glumanda ließ es sich nicht nehmen, die gereichte Gliedmaße zu ergreifen und gleich freundschaftlich zu schütteln, obwohl zwischen ihnen gar kein Konflikt bestanden hatte. Lediglich Geckarbor ignorierte das Versöhnungsangebot und drehte sich beleidigt mit verschränkten Armen weg.

„Sorry, das euch mein Pokémon solchen Ärger gemacht hat.“ Auch seine Trainerin streckte ihnen die Hand entgegen, „Ich bin Manja und das hier ist Kev.“

„Macht nichts, jetzt haben wir doch wenigstens was Interessantes zu schreiben. Setz dich doch zu uns.“, bot Paula an.

Während Panflam, Plinfa und Glumanda mit lustigen Hampelein unterhielt, saß Geckarbor immer noch beleidigt mit dem Rücken zu ihnen.

Alle gaben sich nun wieder fleißig der Beobachtung ihrer kleinen Schützlinge hin.
 

Nur Eine stand abseits ihrer Klassenkameraden und beobachtete schweigend das bunte Gewusel von Pokémon und Trainern, die fröhlich miteinander spielten und schwatzten.

Ein leichtes Gefühl von Traurigkeit streifte sie wie ein unangenehm kalter Windhauch. Sie würde wohl niemals dazugehören. Wie immer.

„Was ist denn mit ihnen? Wo ist denn ihr Pokémon?“ Morris Stimme riss Taja aus ihren trüben Gedanken.

„Ich kann mein Pokémon nicht zur Beobachtung herauslassen. Es ist etwas schwierig.“, gab sie verlegen zu.

Der etwas in die Jahre gekommene Mann lächelte sie jedoch aufmunternd an: „Ach was, nicht so schüchtern. Die Übung soll ja dazu dienen, dass sie mehr über ihr Pokémon erfahren und besser mit ihm klar kommen.“

„Aber das ist es nicht. Flemmli hat ein kleines Problem mit anderen Menschen und Pokémon. Deshalb will ich es hier lieber nicht rauslassen.“ Bei dem Gedanken, dass Flemmli wieder auf alles in seiner Umgebung losgehen würde, wurde Taja flau im Magen.

„Ach, nun haben sie sich nicht so. Was soll denn schon passieren?“

„Aber das geht wirklich nicht, Professor.“ Taja sah ihn schon leicht verzweifelt an.

Noch ehe die Schülerin erklären konnte, dass sehr wohl etwas passieren konnte, hatte ihr Prof. Morris den Pokéball schon aus der Hand genommen und auf den weißen Öffnungsknopf gedrückt. Ein roter Lichtstrahl schoss gen Boden, der ein kleines Feuerküken erscheinen ließ.

Taja hielt die Luft an und riss die Augen auf. Ihr Gefühl sagte ihr, dass dies gerade gar keine gute Idee gewesen war. Und als sie sah, wie Flemmlis misstrauischer Blick die Umgebung absuchte und schließlich auf jemanden hängen blieb, wusste sie, dass es überhaupt keine gute Idee gewesen war. In den Augen ihres Pokémon zog ein dunkler Nebel puren Hasses auf, der den unvorsichtigen Professor als Ziel gewählt hatte.

Dieser konnte gar nicht so schnell reagieren, wie der rote Federball auf ihn zugestürmt kam.

„Flemmli, nein!“

Taja konnte den geschockten Mann gerade noch am Ärmel erwischen und ihn ein Stück zur Seite ziehen, bevor Flemmlis Schnabel ihn erreichte. Das wutentbrannte Küken schoss haarscharf vorbei, wendete sich nach ein paar Schritten um und fixierte seinen vermeintlichen Gegner neu.

Seine Trainerin hatte in der Zwischenzeit geistesgegenwärtig reagiert und sich den Pokéball geschnappt, den der Professor vor Entsetzen fallen gelassen hatte. Schnell richtete sie das runde Objekt auf ihr Pokémon. Doch nicht schnell genug. Noch bevor der Rückholstrahl Flemmli erreicht hatte, öffnete es seinen Schnabel und spie ihnen eine Salve kleiner Flammen entgegen.

Prof. Morris konnte sich gerade noch rechtzeitig ducken, bevor ihm das Feuer ins Gesicht schlug. So entging er der Attacke knapp, wenn auch ein leicht verkohlter Geruch plötzlich die Luft erfüllte. Einige Spitzen seines eh schon lichten Haarkranzes wiesen eine Schwarzfärbung auf und hatten sich unter der Hitzeeinwirkung gekräuselt.

„Es..., es tut mir wirklich sehr leid.“, brachte Taja stammelnd hervor.

Der Lehrer stand etwas mühsam auf, putzte sich den Dreck von den Sachen und schüttelte sich den Schreck aus den Gliedern, sodass die dünnen, angesengten Haare auf seinem Kopf nur so herumwirbelten.

„Ach, nicht so schlimm. Ist ja alles noch dran. Aber ihr Flemmli hat wirklich ein feuriges Temperament. Hervorragende Glutattacke.“, stellte er mit einem fast schon bewundernden Blick fest.

Taja atmete erleichtert auf. Der Professor hatte anscheinend keinen Schaden genommen. Oder zumindest Keinen, den er nicht schon vorher gehabt hatte.

Auch bei der Schülerin fiel nun die Anspannung ab. Doch auch nur, bis sie bemerkte, dass sich sämtliche Augenpaare auf sie gerichtet hatten. Alle Schüler und Pokémon hatten den kleinen Tumult gespannt und zugleich geschockt verfolgt.
 

Oder zumindest fast alle, denn ein Augenpaar interessierte sich für etwas ganz anderes.

Der sanfte Wind, der die ganze Zeit fast beständig über die Wiese wehte, hatte ein kleines weißes Federflöckchen herangetragen. Glumanda beobachtete fasziniert den Windtanz des komischen Dings.

„Glu?“, brachte es erstaunt hervor, als sich das Flöckchen frecher Weise auf seiner Nase niederließ. Überrascht schüttelte es den Kopf, was den Weißling dazu veranlasste aufzustoben und seinen spielerischen Weg in der Luft fortzusetzen.

„Glu!“ Akarin verzog panisch das Gesicht. Es hatte doch nicht gewollt, dass das seltsame Objekt wieder weg ging. Es war doch so hübsch.

Mit einem weiteren sehnsüchtigen „Glu“ sah es seinem dahinschwindenden neuen Freund nach. Trauer überwältigte das kleine Pokémon plötzlich.

Und ohne auch nur einen Moment darüber nachzudenken, erhob sich Glumanda aus dem Gras und dackelte dem fliegenden Ding gebannt Richtung Wald hinterher.
 

„Das war ganz schön gefährlich.“, stellte Tifi immer noch leicht beunruhigt fest.

„Ja, da bin ich echt froh, dass mein Pokémon so lieb ist, nicht wahr Akarin?“ Paula drehte sich um, um ihrem kleinen Liebling über den Kopf zu streichen, doch als sie an den Platz tastete, an dem Glumanda gerade noch friedlich gesessen hatte, erstarrte sie.

Ihre Hand hatte ins Leere gegriffen.

Eine volle Welle Panik überschwemmte sie. Paula sprang auf und sah sich hastig in der Gegend um, doch zwischen all den Klassenkameraden und Pokémon, war ihre Feuerechse nirgends zu entdecken.

„Was hast du denn?“ Tifi hatte bemerkt, dass sich ihre Freundin plötzlich verändert hatte.

„Akarin ist weg!“, schrie sie aus, wirbelte herum und starrte ihre Freunde mit angsterfülltem Gesicht an.

„Aber er war doch gerade noch da.“, stellte Manja überrascht fest.

„Ich weiß. Ich hab doch nur ne Sekunde weggesehen und jetzt ist er nicht mehr da.“ Der Trainerin kamen kleine Tränen in die Augen.

„Ganz ruhig, wir finden ihn, er kann noch nicht weit sein.“, versuchte Tifi ihre Freundin zu trösten.

Sie hatten wirklich nur einen Moment weggeschaut, in dem Glumanda die Chance gehabt haben konnte stiften zu gehen, also musste es sich noch in der Nähe befinden.

Paula fand das Mitgefühl ihrer Freunde zwar nett, doch in ihr war alles so voller Angst ihr Pokémon niemals wieder zu sehen, dass sie momentan nichts beruhigen konnte. Sie wollte wieder den kleinen warmen Körper in ihren Armen spüren und das schon so vertraute zärtliche „Glu“ hören.

Gonni hatte dazu gar nichts gesagt, sondern gleich angefangen die Wiese abzulaufen.

„Also hier ist er nicht. Das würden wir sehen.“

„Dann bleibt eigentlich nur noch der Wald.“ Manja wies auf den nahegelegenen Waldrand.

„Klar, lasst uns da suchen.“, stimmte Tifi zu.

Während Paula schon ungefragt losstürmte, zögerte das Mädchen in der hellblauen Uniform noch einen Moment, ob es nicht besser war, sich bei ihrem Professor abzumelden. Doch der war immer noch so damit beschäftigt, ihre Mitschüler zu beruhigen, dass er ihnen wohl eh keine Aufmerksamkeit schenken würde.

Also liefen Tifi, Manja und Gonni mit ihren Pokémon im Schlepptau der voranstürmenden Paula hinterher.

Kaum hatten sie die Baumgrenze durchbrochen, empfing sie eine seltsam kühle Stille. Die dichten Bäume schienen sowohl das Sonnenlicht, als auch den Lärm der vergnügten Pokémon zu schlucken.

Ein leichter Schauer fuhr den Mädchen über die Haut. Aber Paula war egal, wie unheimlich auch immer dieser Wald war, sie musste ihr Glumanda finden und wenn sie jedes Blatt umdrehen würde.

„Wir sollten uns aufteilen, dann können wir mehr absuchen. Schaut nach Spuren am Boden.“ Auch Gonni ließ sich von der etwas gedrückten Atmosphäre nicht beeindrucken.

Tifi schien dieser Vorschlag nicht ganz zu behagen: „Können wir nicht wenigstens zu zweit gehen?“

Vorsorglich drückte sie sich etwas an Paula ran.

Trotz der unbändigen Sorge um ihr Pokémon schoss der ein Gedanke durch den Kopf und sie musste für einen winzigen Augenblick schmunzeln.

„Gut, dann gehst du mit Gonni. Wir bleiben über Messenger in Verbindung.“

Ehe sich Tifi versah, hatte Paula sie sanft neben den Jungen geschoben, sich Manja geschnappt und war in einer Richtung im Dickicht verschwunden.

Verdutzt sah Tifi ihrer Freundin hinterher, doch als ihr bewusst wurde, dass sie ab jetzt allein mit Gonni im Wald war, lief sie gegen ihren Willen leicht rot an. Doch der Junge schien es entweder nicht zu bemerken oder es interessierte ihn nicht, denn er verzog keine Miene, als er in die entgegengesetzte Richtung wies: „Dann gehen wir dort lang.“
 

„Akarin! Akarin! Wo bist du?“, schallte Paulas fast schon hysterische Stimme durch den Wald.

Sie und Manja durchstreiften nun schon einige Minuten aufmerksam den Forst, doch von Glumanda fehlte immer noch jegliche Spur.

Langsam kam pure Verzweiflung in der Trainerin hoch. Die hohen, dichten Baumkronen beschatteten sie völlig, sodass es ihr ziemlich schwer fiel, die Umgebung genau wahrzunehmen. Zusätzlich bildete das Dickicht eine scheinbar undurchdringliche Mauer.

Wie sollte sie Akarin in diesem Astgewirr wiederfinden?

Der zarte Tränenschleier, der sich über ihre Augen zog, machte die Suche auch nicht gerade einfacher.

Warum hatte sie auch nicht richtig aufgepasst?

Nun irrte ihr armes, kleines Pokémon mutterseelenallein durch den finsteren Forst und stand sicher schon Todesängste aus. Was, wenn es anderen wilden, ihm feindlich gesonnenen Pokémon begegnet war? War es vielleicht verletzt? Oder gar schon...

„Pan! Panflam!“, durchbrach ein aufgeregter Ruf Paulas Katastrophentheorien.

„Was gibt es, Kev?“, erkundigte sich Manja bei ihrem Pokémon, das die Suche aus den Baumwipfeln unterstützt und nun anscheinend etwas entdeckt hatte. Aufgeregt hüpfte es auf einem Ast hin und her und deutete angestrengt mit der Pfote in eine Richtung.

Paulas Herzschlag schoss in die Höhe. Sofort stürmte sie dort entlang, ohne sich daran zu stören, dass ihr zahlreiche Zweige ins Gesicht schlugen und Kratzer auf ihren Armen zurückließen. Sie wollte nur Glumanda wieder haben, alles andere war ihr gleichgültig.

„Akarin!“ Während sie fast blindlings durch das Gestrüpp brach, schrie sie immer wieder keuchend den Namen ihres Pokémon.

Ein plötzliches Rascheln aus dem Busch vor ihr, ließ sie allerdings abrupt stoppen. Auch ihre Atmung machte eine kurze Pause. Irgendetwas kam da auf sie zu.

„Akarin?“, fragte Paula etwas vorsichtig nach. Immerhin gab es hier sicherlich noch andere Pokémon außer Ihrem und die mussten nicht unbedingt friedlich sein. Ein leichter Angstschauer überkam sie, doch als plötzlich ein wohlbekannter Kopf aus dem Dickicht auftauchte, fiel alle Anspannung mit einem Male ab.

„Akarin!“, erleichtert stürzte sie auf ihren kleinen Liebling zu, ließ sich auf die Knie fallen und drückte ihn ganz fest an sich. Und auch Glumanda war froh, endlich wieder in den Armen seiner Trainerin zu liegen. Es war zwar toll gewesen, dem kleinen Federchen zu folgen und mit ihm zu spielen. Doch als der Wind seinen neuen Freund plötzlich unerreichbar fern in die Höhen der Baumkronen getragen hatte, hatte das verträumte Pokémon feststellen müssen, dass es überhaupt nicht darauf geachtet hatte, wohin es gelaufen war. So ganz allein im großen Wald, war der Feuerechse dann ganz und gar nicht wohl gewesen. Die ganzen fremden Geräusche und Gerüche hatten ihm Angst eingejagt. Aber jetzt war es wieder dort, wo es ihm am besten gefiel und alles war wieder gut.

„Mach das nie wieder.“, tadelte Paula, doch so richtig streng konnte sie es nicht herüberbringen, denn die Tränen übermannten sie.

„Glu?“ Akarin schaute ganz besorgt nach oben, als es die Wassertropfen auf seinem Kopf spürte.

Das Mädchen musste lächeln: „Schon gut, das sind nur Freudentränen.“

Sie war so unendlich glücklich ihren kleinen Schatz wieder zu haben.

„Hey, da seid ihr ja.“ Nun hatten auch Manja und Panflam den Ort des tränenreichen Wiedersehens erreicht. Doch als sie die Szene sah, ließ sie Paula noch einen Moment in Frieden und informierte lieber erst mal Tifi über den Erfolg ihrer Suche.

Einige Augenblicke der Stille vergingen, eh Manja sich wieder zu Wort meldete: „Eh? Na ganz toll.“

Die geringe Begeisterung in der Stimme ihrer Mitschülerin ließ Paula aufhorchen: „Was ist denn los?“

Sie wischte sich die feuchte Spur der Tränen aus dem Gesicht und stand langsam wieder auf, ohne jedoch den Klammergriff um Akarin zu lösen.

Manja hielt ihr nur den Messenger hin, sodass sie Tifis Nachricht lesen konnte: „Zum Glück. Ich bin erleichtert, aber... wir haben ein kleines Problem... Geckarbor ist verschwunden.“

„Was?“ Paula konnte es nicht wirklich fassen, dass sie nun den nächsten Ausreißer suchen mussten. Doch sie hatten zusammen nach Glumanda gefahndet, also würden sie auch zusammen nach Gonnis Pokémon Ausschau halten.

Also ging es weiter durch das lästige Gestrüpp. Per kurze Nachrichten lotste Tifi sie auf ihren Weg. Es dauerte ein Weilchen, dann konnten sie aus der Ferne leise „Geckarbor“-Rufe vernehmen, die es ihnen sehr erleichterten der Spur ihrer Freunde zu folgen.

Wenig später war Tifis helle Schuluniform im dunklen Grün zu erspähen.

„Da seid ihr ja, Gott sei Dank geht’s Akarin gut.“, begrüßte ihre Klassenkameradin sie erleichtert.

„Ja, ich bin ja so froh. Aber was ist denn nun mit Geckarbor?“, erkundigte sich Paula.

„Weiß auch nicht, es hat von oben gesucht, hat immer ein kleines bisschen vorgespäht, aber plötzlich ist es nicht mehr zurückgekommen. Wir haben schon fast überall in der Nähe gesucht.“, erklärte Tifi leicht verzweifelt.

Anscheinend hatten sie wirklich schon intensiv gesucht, denn die umliegenden Büsche sahen etwas bearbeitet aus.

„Na dann müssen wir wohl noch tiefer in den Wald.“, stellte Manja fest.

Also verteilten sie sich so, dass sie einander noch sehen konnten, aber einen relativ großen Bereich absuchen konnten. Doch von dem Pflanzenpokémon war nichts zu entdecken, zu mal das ganze Grün des Waldes nicht gerade hilfreich war.

Nach einiger Zeit des Umherstreifens bleib Gonni plötzlich stehen.

„Was hast du?“, wollten seine Klassenkameradinnen wissen.

„Ich glaub, ich hab was gehört.“

Alle lauschten. Wenn sie sich konzentrierten, konnten sie tatsächlich meinen, leise Rufe zu vernehmen. Ohne andere Anhaltspunkte blieb ihnen nichts anderes übrig, als dieser Spur nachzugehen.

Ein kalter Windhauch, der die Blätter knistern ließ, verschaffte ihnen eine Gänsehaut. Ein leicht ungutes Gefühl kroch in ihnen hoch, weshalb sie sich etwas vorsichtiger weiter bewegten.

Wenige Schritte weiter durchbrachen sie eine kleine Gebüschhecke, die ihnen den Blick auf eine Lichtung frei gab. Doch nicht nur auf die, sondern auch auf Geckarbor. Allerdings war es ein etwas unschöner Anblick, denn es hing total verdreht in einem riesigen Spinnennetz, dass sich zwischen den Bäumen erstreckte.

Anscheinend war Geckarbor bei seiner Suchaktion in diese überdimensionale Falle getappt. Und da war es nicht das Einzige, denn auf der anderen Seite hatte sich ein kleines, ebenfalls grünes Pokémon verfangen. Beide sahen in ihrer misslichen Lage nicht gerade glücklich aus.

Gonni lief gleich drauf los um sein Pokémon aus dem klebrigen Gefängnis zu befreien, doch er kam keine drei Schritte, als etwas von oben herunterschoss. Knapp vor seinen Füßen landete ein großer Haufen weißer Fäden. Unwillkürlich hoben alle den Kopf und sahen mit immer größer werdenden Unbehagen dem großem Schatten entgegen, der sich aus dem Baumwipfeln langsam herunterseilte.

Als das riesige Ariados sein Netz erreichte, ließ es die Cheliceren klappern und stieß ein bedrohliches Zischen aus. Offensichtlich war es so gar nicht damit einverstanden, seine Beute wieder herzugeben.

Die vier Trainer mussten schlucken. Das Spinnenpokémon war irgendwie in Natura sehr viel größer, als in ihrem Lehrbuch und es sah auch wesentlich gefährlicher aus.

Aber sie mussten Geckarbor irgendwie aus seinen Fängen befreien. Immerhin war es nur ein Ariados und sie hatten drei Pokémon zur Verfügung. Wäre da nicht dieser erhebliche Größenunterschied...

„Kev, greif Ariados mit Kratzer an.“ Manja war es leid nur untätig rumzustehen.

Und ihr Pokémon machte sich anscheinend auch nichts daraus, dass der Gegner ziemlich unbezwingbar aussah. Die kleine Flamme an seinem Hinterteil loderte angriffslustig auf. Mit entschlossenem Blick und wilden „Panflam“-Rufen stürmte es auf die Spinne zu.

Diese zischte noch angsteinflößender und schoss mit Fäden auf seinen näherkommenden Gegner. So pfeilschnell, dass Panflam nur wenige Schritte weit kam, bevor es von der klebrigen Masse erwischt und zu Boden geworfen wurde.

„Kev!“ Manja rannte so schnell es ging zu ihrem Pokémon und befreite es, bevor auch sie von den Spinnenfesseln umschlungen werden konnte.

„So hat das keinen Sinn. Wir brauchen nen Plan.“, stellte Gonni fest.

Die vier zogen sich zur Beratung ein paar Schritte aus Ariados Wirkungskreis zurück. Irgendwie musste diesem übermächtigen Feind doch beizukommen sein.

Es dauerte nicht lange, da stand ihr Schlachtplan zur Befreiung von Geckarbor fest.

Trainer und Pokémon gingen in Position. Entschlossen sahen sie der Riesenspinne entgegen. Jeder wusste, was zu tun war.

Ariados sah ihnen fast schon gespannt entgegen. Das erneute, wütende Klappern seiner Cheliceren gab das Startzeichen.
 

Gonni stürmte direkt auf das monströse Spinnennetz und seiner Bewohnerin zu. Diese wartete nicht lang und schleuderte ihrem Gegner die weißen Haftbänder entgegen. Doch der war vorbereitet und wehrte die Attacke mit einem dicken Ast ab, den er der Angreiferin nun gleich darauf entgegenschleuderte. Für Ariados war es zwar ein Leichtes dem Wurfgeschoss auszuweichen, doch für einen Moment war es abgelenkt, sodass Plinfa und Glumanda die Gelegenheit hatten, aus Gonnis Windschatten herauszutreten und von beiden Seiten auf das Netz zu zustürmen. Für das Giftpokémon waren diese Winzlinge zwar keine wirkliche Bedrohung, doch es konnte sich nur auf einen von ihnen konzentrieren. Und es wählte sich Glumanda.

Akarin hatte schon fast sein Ziel erreicht, als ein blitzschneller Fadenschuss seinen kleinen Körper fast vollständig umwickelte und es zu Fall brachte.

„Plinfa, jetzt Pfund!“, befahl Tifi ihrem Pokémon.

Der blaue Pinguin hatte durch Ariados Attacke gegen das Feuerpokémon genügend Zeit gehabt, um ausreichend nah an den Gegner heranzukommen. Sein kleiner Flügel fuhr angespannt auf das riesige Pokémon nieder, was allerdings außer eines kleinen Strauchlers keine große Wirkung zeigte.

Doch eigentlich reichte das auch schon, denn plötzlich geriet das Netz samt Spinne in heftigeres Schwanken.

Verwirrt sah Ariados nach oben und musste feststellen, dass ein roter Affe vom Baum aus gerade dabei war, mit scharfen Klauen sein feingewobenes Netz zu zerstören und seine Beute zu befreien. Mit einem schnellen Schuss wollte es Panflam außer Gefecht setzen, doch eine erneute Pfundattacke gegen eins seiner Beine brachte es im eh schon zittrigen Netz zum Balanceverlust, sodass der klebrige Strahl gegen den Baum klatschte. So hatte Panflam Zeit mit einer letzten Kratzerattacke das hilflose Geckarbor zu befreien und zum nächsten Gefangenen zu springen.

Als sich die Fesseln lösten, war Geckarbor einfach nur unglaublich froh, wieder Bewegungsfreiheit zuspüren. Aber auch wütend, auf den, der sie ihm genommen hatte. Von Baum aus ließ es sich auf Ariados herunterfallen, welches die nahende Pfundattacke von oben nicht kommen sah, da es zu sehr damit beschäftigt war, sich den nervigen Pinguin vom Leib zu halten. Also traf Geckarbors Schweif es völlig unvorbereitet genau auf dem Kopf. Zwar war die Wucht der Attacke für so ein großes Pokémon kaum der Rede wert, doch da genau in diesem Moment der Feueraffe viele weitere Fäden durchtrennte, um den anderen Käfer aus dem Gefängnis zu befreien, geriet es in arge Gleichgewichtsprobleme.

„Akarin...“

„Panflan..“

„Jetzt!“, befahlen beide Trainerinnen ihren Pokémon gleichzeitig, denn sie hatten die ganze Zeit auf diesen Augenblick gewartet.

Glumanda war nicht untätig geblieben, sondern hatte sich in seiner Gewebehülle langsam immer näher an das Netz herangekugelt. Nun konnte es endlich das einzige Körperteil zücken, dass es noch bewegen konnte. Sein Schwanz fuhr herum und hielt die kleine Flamme gegen die zarten, glitzernden Fäden. Im gleichen Augenblick streckte Panflam Ariados noch mal kräftig die Zunge raus und ließ dann sein feuriges Hinterteil gen Spinnennetz niederfahren. Das feine, weiße Gewebe fing sofort Feuer, dass sich nun von zwei Stellen aus direkt auf die Monsterspinne zu bewegte und zwar so rasend schnell, dass es nicht mehr reagieren konnte.

Während alle vier Angreifer in Sicherheit sprangen, krachte es ohne sein Netz unsanft zu Boden.

Doch das Feuer hatte noch einen weiteren Effekt. Ein kleiner Funken sprang auf den Faden über, der das andere kleine, eben befreite Käferpokémon an einem Ast gehalten hatte. Erschrocken stürzte es ebenfalls in die Tiefe. Allerdings war seine Landung weniger unangenehm.

„Keine Angst, ich hab dich.“ Als es die großen Augen öffnete, sah es in das Gesicht eines nett lächelnden Mädchens, dass es aufgefangen hatte und nun sanft in den Armen hielt.

„Raupy.“, bedankte es sich glücklich.

Paula wollte das kleine Pokémon eben wieder absetzen, da erstarrte sie in der Bewegung. Ariados hatte sich von seinem Sturz schon wieder erholt, war auf seinen vier dünnen Beinen und stand praktisch direkt vor ihr.

Paula lief ein kalter Schauer über den Rücken. Bei dem Gedanken das arme kleine Raupy retten zu wollen, hatte sie nicht eine Sekunde an ihren noch nicht besiegten Feind gedacht.

Ariados war durch den ganzen Ärger nun noch schlechter gelaunt und kam mit bedrohlichem Blick immer weiter auf sie zu.

Plötzlich schob sich etwas kleines zwischen sie. Todesmutig stellte sich Akarin vor sie, um seine Paula zu beschützen.

„Glu!“, forderte es das Spinnenpokémon auf zu verschwinden.

Doch dieses nahm die Feuerechse nicht im Geringsten ernst. Gerade als es zu einer Attacke ansetzen wollte, erstarb es plötzlich mitten in der Bewegung. Wie vom Blitz gerührt stand es da. Auf einmal machte es einen Schritt rückwärts und ehe sich die Trainer versahen, hatte es sich so schnell verdünnisiert, als wäre ihm gerade etwas unglaublich Wichtiges eingefallen, dass es dringend zu erledigen galt.

„Was war das denn?“ Paula schaute etwas irritiert dem große Vieh nach, von dessen Anwesenheit nur noch entferntes Blätterrascheln zeugte.

„Keine Ahnung. Hauptsache es ist weg.“ Gonni zuckte nur mit den Schultern.

Die Pokémon waren wieder in Sicherheit, was anderes interessierte ihn nicht.

„Ja, zum Glück ist niemand dabei verletzt wurden.“ Tifi hatte gleich kontrolliert, ob eines der Pokémon bei dem Kampf etwas zugestoßen war, doch außer etwas Erschöpfung zeigten sich keine Spuren.

„Aber hey, ich muss sagen, wir haben uns echt gut geschlagen.“, stellte Paula fest.

„Stimmt, das war tolles Teamwork.“, stimmte Manja ihrer Klassenkameradin zu.

Sie lächelten sich alle zu und fast automatisch streckten alle ihre Hände und Pfoten in die Mitte, um sie übereinander zu legen. Trainer und Pokémon fühlten sich plötzlich einander sehr verbunden, denn sie hatten dieses kleine Abenteuer alle gemeinsam erfolgreich überstanden. Selbst Geckarbor vergaß seinen kleinen Streit mit Panflam und reihte sich in den Kreis ein.

Mit einem kleinen Siegesschrei ließen sie ihre Hände triumphierend nach oben fahren.

Bei allen stellte sich ein ziemliches Glücksgefühl ein. Nicht nur, dass sie diesen doch recht schwierigen Kampf gemeistert hatten, sie hatten dabei auch starke Freundschaftsbande aufgebaut.

Doch so schön es auch war, mit lauter Freunden hier im Wald zustehen, so drängte sich doch zumindest bei Tifi das Pflichtbewusstsein wieder ins Gedächtnis.

„Ich glaube wir sollten langsam wieder zurück, die Stunde müsste gleich um sein.“

Alle nickten und wollten sich wieder auf den Weg machen, als Paula etwas auffiel. Sie hatte da immer noch was im Arm.

Behutsam setzte sie das schmale Käferpokémon auf den Waldboden. So wie es sie ansah, kam in ihr der starke Wunsch auf, es einfach mit zunehmen, doch als sie eben zum Sprechen ansetzen wollte, tauchten aus den umliegenden Gebüsch plötzlich weitere grüne Raupen auf.

„Rau, Rau, Raupy.“, begrüßten sie das kleine Pokémon aufgeregt und scharrten sich um es.

„Das ist wohl deine Familie, was?“, fragte Paula nach, woraufhin das befreite Raupy nickte.

Ein leises Trauergefühl schlich in der Trainerin auf. Sie hatte den kleinen Wurm irgendwie schon ins Herz geschlossen, doch so liebevoll, wie es gerade von seinen Artgenossen umsorgt wurde, war es wohl besser, es dort zu lassen.

„Na dann mal Tschüß, Kleiner. Pass gut auf dich auf und lass dich nicht wieder fangen.“ Als sie aufstand und sich umwandt, war zwar ein Lächeln auf ihren Lippen, doch ihr Herz war irgendwie seltsam schwer geworden.

Während sie sich zu ihren Freunden gesellte und sie gemeinsam immer weiter außer Sichtweite gerieten, verfolgte sie der ebenso traurige Blick eines kleinen, grünen Käferpokémons.
 

Und noch ein Blick, den sie nicht mitbekam, folgte ihr beim Weg aus dem Wald. Im Halbdunkel der Bäume zeichnete sich eine Silhouette, lässig an einen Baumstand gelehnt, ab.

„Interessant.“ Ein süffisantes Lächeln umspielte die Lippen.

Plötzlich schoss ein weiterer Schatten neben der Gestalt zu Boden.

„Gut gemacht, Ariados.“

Ein roter Strahl durchbrach die Dunkelheit. Kurz darauf gab es an dieser Stelle, nur noch das geheimnisvolle Säuseln des Windes.
 

„Man bin ich satt.“ Paula lehnte sich genüsslich zurück und hielt ihren Bauch.

Nach der Aufregung im Wald hatten sie in der anschließenden Mittagspause alle ordentlich zugeschlagen, um wieder neue Kräfte zu sammeln.

Prof. Morris hatte zwar etwas verwundert geschaut, als vier seiner Schüler plötzlich gegen Ende der Stunde aus dem Wald aufgetaucht waren, doch gesagt hatte er nichts. Irgendwie hatte er so ausgesehen, als mache er sich ernsthaft darüber Gedanken, ob er ihnen nicht die Anweisung für diesen Abstecher gegeben und das bloß wieder vergessen hatte. Aber da niemand irgendwelche Fragen gestellt hatte, hatten es die vier Trainer einfach unter den Teppich gekehrt und sich lieber darauf konzentriert die Mensa zu stürmen.

Nun saßen sie alle wieder gestärkt und entspannt im Klassenraum und erwarteten die nächste Stunde, die hoffentlich ereignislos verlief.

Das tat sie tatsächlich und zwar mehr als gedacht, denn es vergingen geschlagene 20 Minuten, ohne das sich irgendetwas regte.

Ihr Lehrer für Pokémonzucht schien die Klasse völlig vergessen zu haben.

Nach ein paar Diskussionen darüber, was nun zu tun sei, entschied sich Paula den pflichtbewussten Stimmen zu folgen und im Sekretariat nachfragen zu gehen, ehe alle aus dem Klassenraum stürmen würden. Sie war gerade dabei nach der Türklinke zu greifen, als das Türblatt aufgerissen wurde.

Etwas erschrocken blickte sie den jungen Mann an, der völlig fertig vor ihr stand. Anscheinend war er ziemlich gerannt, denn sein Gesicht war rot angelaufen und aus seinen zerstrubbelten blonden Haaren rannen kleine Schweißtropfen auf seine in Falten gelegte Stirn.

„Tschuldigung.“, brachte er keuchend hervor, während er sich kurz mit einer Hand am Türrahmen abstützte.

Plötzlich drückte er sich ab, atmete tief durch, nahm die Hände in die Hüften und richtete sich fröhlich strahlend auf.

„Entschuldigt, dass ich zu spät bin, aber ich hatte noch eine wichtige Angelegenheit auf der Farm zu klären. Doch nun, lasst uns mal schnell anfangen, bevor es wieder klingelt.“ Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf, deutete Paula sich wieder zu setzen, was sie auch ohne Umschweife tat, und setzte sich dann halb auf den Lehrertisch.

Alle Augen richteten sich musternd auf ihn. Er sah noch ziemlich jung für einen Professor aus, doch vielleicht ließen ihn das muntere Lächeln, die funkelnden grünen Augen und die sonnengebräunte Haut weniger alt erschienen, als er tatsächlich war. Auf jeden Fall schien er sich um sein Äußeres nicht wirklich Gedanken zu machen, denn die ausgewaschenen Jeans wiesen zahlreiche Flecken und Risse auf, genauso wie das blaue Karohemd, dass zerknittert aus dem Bund hing. Auf einer Farm wäre er sicher nicht weiter aufgefallen, doch hier im Klassenraum gaben die Strohlame in seinem Haar irgendwie ein sehr unpassendes Bild ab.

Und auch seine Art zu sprechen, vermittelte nicht unbedingt den Eindruck eines Lehrers: „So dann will ich mal zur Sache kommen. Freu mich auf unsere erste Zuchtstunde. Hier werdet ihr alles lernen um eure Pokémon erfolgreich vermehren, sie liebevoll aufzuziehen und gut zu pflegen. Es ist zwar auch einiges zu lernen, aber ich denke es wird euch Spaß machen und vieles macht ihr sicher instinktiv richtig.“

Er richtete ein zuversichtliches Lächeln an seine Schüler, die sich tatsächlich gleich entspannter zurück lehnten, weil von diesem Lehrer offensichtlich keine Gefahr ausging.

„Ach ja, ich bin übrigens Prof. Collins, aber ich bin nicht so für Förmlichkeiten, also nennt mich einfach John.“, erklärte er noch kurz, bevor er sich den eigentlichen Unterrichtsthemen widmete.

Er zauberte binnen kürzester Zeit eine ausladende Übersicht über alle wichtigen Punkte, die man bei der Aufzucht von Pokémon beachten musste an die Tafel und schon nach einer halben Stunde war ihnen allen klar, dass Pokémon züchten und großziehen wahrscheinlich doch nicht ganz so einfach war, wie es sich so mancher vorgestellt hatte. Prof. Collins machte ihnen auch klar, dass es noch ein Weilchen dauern würde, bis sie tatsächlich in der Praxis mit dem Züchten beginnen würden. Vorerst sollten sie sich in den ganzen Pflegepraktiken üben.

Diese Nachricht enttäuschte Paula zwar ein bisschen, denn sie hätte gern so schnell wie möglich einen ganzen Stall voll kleinen Glumandababys gehabt, doch sie sah ein, dass sie erst mal lernen musste, wie sie diese am Besten versorgen konnte, damit es auch ja allen ihrer kleinen Lieblinge gut ging. Also musste sie sich wohl oder übel gedulden. Allerdings nahm sie sich vor, besonders gut aufzupassen, damit sie irgendwann die besten Glumandas der Welt züchten konnte. Und so wie der Lehrer den Stoff vermittelte, würde es ihr wohl auch nicht sonderlich schwer fallen, ihm ihre Aufmerksamkeit zu schenken. So war es auch nicht verwunderlich, dass das Ende der Stunde ziemlich unerwartet kam.
 

Kaum, dass die junge Trainerin jedoch einen Blick auf den Stundenplan geworfen hatte, verflog ihre gute Laune wieder. In den nächsten beiden Kästchen stand fett „Kampfunterricht“ drin. Gut, es hatte den Vorteil, dass sie Akarin wohl wieder freilassen würde dürfen, aber unter dem gestrengen Blick ihres Lehrers agieren zu müssen, war nicht unbedingt die entspannendste Atmosphäre.

Als es zur Trainingshalle ging, war die Klase irgendwie erstaunlich ruhig. Ein paar Schüler sahen sich leicht nervös um, als hätten sie Angst, dass Prof. Weston hinter dem nächsten Busch lauern würde, um darauf zu warten ihnen beim kleinsten Fehlverhalten einen neuen Aufsatz aufdrücken zu können.

Paula fühlte sich zwar durch die Ereignisse der letzten Stunde nicht sonderlich eingeschüchtert, doch die Stille war irgendwie ansteckend und so folgte sie ihren Mitschülern einfach nur schweigend in die große Halle.

Prof. Weston stand bereits auf dem Trainingsfeld im hinteren Teil und schien schon ungeduldig darauf zu warten, dass seine Schüler endlich erschienen. Bevor sie sich einen Platz auf der Tribüne suchen konnten, baute er sich vor ihnen auf und streckte die Hand fordernd entgegen: „Ihre Aufsätze bitte.“

Der Ton seiner Stimme war ruhig, aber sehr bestimmend. Es schien, als wolle er jegliche Unruhe gleich im Keim ersticken.

Jeder Einzelne kramte seinen Aufsatz hervor und durfte erst passieren, nachdem der Lehrer kontrolliert hatte, ob die Werke auch die anberaumte Mindestseitenzahl aufwiesen. Bei Paula, die ihm ihre gesammelten Ergüsse mit einem aufgesetzt freundlichen Lächeln überreichte, prüfte er besonders genau, bedeutete ihr aber schließlich mit einem leichten Nicken, dass es in Ordnung war. Mit sich zufrieden suchte sich die Trainerin einen Platz neben ihren Klassenkameraden.
 

Die Letzte der Schlange war Taja, die ihren etwas länger als geforderten Aufsatz mit einer kleinen entschuldigenden Verbeugung überreichte. Prof. Weston runzelte kurz die Stirn, äußerte sich jedoch nicht zu den doppelt so vielen, eng beschriebenen Seiten.

Ihm war etwas anderes wichtiger: „Ich halte es für besser, wenn sie vorerst nur beobachten. Auch so können sie eine Menge wichtiger Dinge für das Training mit ihrem Pokémon lernen.“

Es konnte täuschen, doch es klang fast ein Hauch Fürsorge in diesen Worten mit.

Taja nickte ohne Widerworte und suchte sich abseits ihrer Klassenkameraden einen Beobachtungsposten. Sie hätte zwar gern wie alle anderen am Unterreicht teilgenommen, doch die Gefahr war einfach zu groß und so blieb ihr nichts anderes übrig, als das Training der Mitschüler genaustens zu studieren.
 

Prof. Weston hatte sich inzwischen wieder gebieterisch vor seiner Klasse positioniert und gebot dem leise aufgekommenen Getuschel mit seiner lauten Stimme Einhalt: „Auf Grund der Analyse der ersten Kämpfe halte ich es für notwendig, dass sie zunächst ein paar grundlegende Dinge trainieren. Ausdauer, Schnelligkeit und Präzision beim Ausführen der Attacken sind von äußerster Wichtigkeit. Die heutigen Übungen werden also zur Verbesserung dieser Fertigkeiten führen. Zunächst sollen ihre Pokémon läuferisch etwas gefordert werden. Sie beobachten ihre Schützlinge dabei und machen sich Notizen über Geschwindigkeit, Kondition und Laufverhalten.“

Er trat einige Schritte Richtung Tribüne und machte damit das Feld frei. Anschienend der Start für diese Übung.

Ziemlich gemächlich holten alle ihre Pokébälle hervor und entließen ihren Inhalt auf das Feld. Mit ein paar kurzen Worten der Erklärung war den meisten Pokémon klar gemacht, was nun zu tun war. Während sich die ersten schon in Bewegung setzten, sah Akarin seine Trainerin zunächst etwas fragend an. Doch noch ehe Paula ihrem Kleinen noch einmal die Anweisungen wiederholen musste, hatte Plinfa seinen Pokémonfreund schon an die Hand genommen und zog es eine Weile hinter sich her, bis Glumanda begriff, dass die Aufgabe nur darin bestand den Anderen hinterher zu laufen. Anscheinend fand es das auch ganz lustig, denn trotz der Anstrengung behielt es die ganze Zeit über in munteres Lächeln auf dem Gesicht.

Und so zogen die Pokémon Runde um Runde über den Platz, während die Trainer eifrig Aufzeichnungen machten, nach einer Weile jedoch mit wachsender Besorgnis ihren Lauf verfolgten. Noch schienen alle weitestgehend fit, doch Prof. Weston hatte nicht gesagt, wie lang sie eigentlich Laufen sollten und irgendwie sah es auch nicht so aus, als wolle er die Übung in der nächsten Minute beenden.

Er stand am Seitenrand und behielt alles mit seinem scharfen Blick im Auge. Keine Regung ließ auf seine Gedanken schließen.

Mit jeder verstreichenden Minute wurden die Pokémon immer langsamer, die Notizen spärlicher und die Sorgenfalten auf den Stirnen der Trainer größer. Etwas unsicher sahen sie sich untereinander an.

Hatte er etwa vor, sie bis zur völligen Erschöpfung rennen zu lassen?

Langsam sah der ein oder andere Gesichtsausdruck ihrer Pokémon schon mehr als gequält aus. Ihr Keuchen war nun mehr als deutlich zu hören und einige stolperten inzwischen mehr, als das sie liefen.

Besorgt wanderten die Blicke der Klasse zwischen ihren immer schwächer werdenden Pokémon und ihrem Lehrer, der immer noch völlig ungerührt da stand, als würde ihn das alles nichts angehen, hin und her.

Wollte er das wirklich so lange durchziehen, bis sich keines von ihnen mehr auf den Beinen halten konnte?

So richtig konnte das keiner glauben, aber er sah trotz der bereits bedrohlich schwankenden Schritte, anscheinend immer noch keinen Grund die Übung zu beenden.

Als Akarin einen ziemlich röchelnden Laut ausstieß, hielt es Paula auf der Bank nicht mehr aus. Sie musste einfach aufspringen und dem Ganzen ein Ende bereiten. Ob sie sich damit wieder einen Strafaufsatz einhandelte, war ihr in dem Moment völlig egal. Die Gesundheit ihres kleinen Lieblings ging ihr über alles.

„Akarin, bleib sofort stehen!“, rief sie über das Feld.

Ihr Pokémon horchte auf und folgte dem Befehl. Plinfa, dass nur wenige Schritte hinter ihm zurück gefallen war, wäre fast noch gegen das Feuerpokémon gerannt, war so aber nach einem Ausweichmanöver gezwungen ebenfalls stehen zu bleiben.

Als nun bereits zwei Läufer der Masse keinen Schritt mehr taten, hatte auch der Rest keine Lust mehr sich weiter abzurackern. Fast gleichzeitig blieben alle stehen oder ließen sich einfach erschöpft auf den Boden fallen.

Obwohl sie nicht die ganzen Meter hinter sich hatten bringen müssen, sackten auch die Trainer auf der Tribüne zusammen. Eine Welle der Erleichterung machte sich breit.

Nur Paula konnte sich nicht wieder ruhig hinsetzen, sondern stürmte zu Glumanda um es beschützend in den Arm zu nehmen. Als sie es zu ihrem Platz trug und es auf ihrem Schoß besorgt begutachtete, war die Ermüdung ihres Pokémon schon wieder verflogen. Fröhlich strahlte es sie an, als wäre nichts gewesen.

Nach kurzem Zögern folgte auch der Rest der Klasse ihrem Vorbild und holte die Pokémon zu sich oder schickte sie zum Erholen wieder in ihre Bälle zurück.

Als alle mit der Erstversorgung ihrer Schützlinge fertig waren, kehrte wieder gespenstige Stille in der große Halle ein. Gespannt sahen alle zu Prof. Weston, der sich ihnen nun mit kalten Blick zuwand. Paula musste schlucken. Das würde sicher ein gehöriges Donnerwetter geben.

Langsam schritt er auf sie zu, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, das Gesicht zur Faust geballt. Erwartungsvoll und mit einem ungutem Gefühl sahen ihm die Schüler entgehen. Wie er wohl diesen Verstoß ahnden würde?

Als er zu sprechen begann, hielten alle den Atem an: „Nun, das hat aber lang gedauert.“

Erneut legte sich Stille wie ein großes, schweres Tuch über die Halle. Jeder erwartete, dass da gleich noch mehr kommen würde. Doch als auch nach einer Minute auf diesen Satz keine Strafpredigt folgte, waren sie mehr als verblüfft.

„Wie meinen sie das?“, getraute sich Paula endlich nachzufragen.

„Haben sie alle wirklich gedacht, dass es bei dieser Übung nur darum ging die Leistungsfähigkeit ihres Pokémons zu überprüfen?“ Er ließ seinen strengen Blick fragend über die Gesichter einer Schüler streifen, die alle nichts weiter als Verständnislosigkeit ausstrahlten.

Da niemand etwas erwiderte, fuhr er fort: „Wie ich sehe müssen sie alle noch viel lernen. Ein wirklicher Meistertrainer muss sein Pokémon nicht nur in Wesen und Fähigkeiten kennen, nein, er muss auch jederzeit in der Lage sein, die momentane körperliche Verfassung seines Partners einschätzen zu können. Sie sind für ihr Pokémon verantwortlich und müssen selbst wissen, wann es Zeit ist den Kampf zu beenden. Siegeswillen ist erforderlich und kann sie zu großartigen Taten anspornen, doch er darf niemals so weit gehen, dass sie die Gesundheit ihres Gefährten aufs Spiel setzen. Diese Lektion sollte ihnen stets in Erinnerung bleiben.“

Als er endete waren die meisten Blicke betreten nach unten gerichtet. Aus Angst vor einem lächerlichen Aufsatz hatten sie viel zu lange gezögert und ihre kleinen Freunde fast bis an ihre gesundheitliche Grenze gehen lassen. Sie hatten die Entscheidung einfach einem anderen überlassen. Die Erkenntnis, dass sie in ihrer Verantwortung als Trainer fast versagt hatten, traf alle hart. Es hinterließ eine Wunde in ihrem Stolz als frischgebackene Pokémontrainer, aber vielleicht würde es diese sein, die wieder zu brennen begann, wenn sie im Begriff waren diesen Fehler erneut zu begehen.

Diese Lektion war schmerzhaft gewesen, doch genau deswegen würde sie ihnen wohl allen für Ewigkeiten in Erinnerung bleiben.

Damit dies auch wirklich so war, setzte ihr Lehrer gleich noch einen drauf: „Und damit sie die Gedanken, die ihnen nun durch den Kopf wirbeln, auch verarbeiten können, werden sie bis morgen einen zweiseitigen Aufsatz über die Verantwortung von Trainern gegenüber ihren Pokémon schreiben.“

Obwohl das in niemanden wirklich Begeisterung auslöste, gab es kein Murren, denn irgendwie hatte alle eine seltsame Bedrücktheit erfasst.

„Die Einzige, die von dieser Aufgabe ausgenommen ist, ist Paula.“ Er fixierte die Schülerin nun genauer.

Im ersten Moment dachte die Schülerin sie müsse für ihr Verhalten wieder einen Extraaufsatz schreiben, doch als sie den leichten Anflug von Anerkennung in seinem Blick sah, wurde sie sich ihrer Interpretation seiner Worte unsicher.

„Wenn ich auch sonst die Ignoranz von Anweisungen nicht gut heiße, so haben sie in diesem Fall genau das erwartete Pflichtbewusstsein gezeigt. Wenn auch spät, sie haben den Mut bewiesen das Wohlergehen ihres Pokémons über die Befehle einer Autoritätsperson zu stellen. Sie haben somit die richtige Entscheidung gefällt und sind deshalb von der Aufgaben entbunden.“

Paula lief augenblicklich rot an. Hatte er gerade gesagt, dass sie etwas richtig gemacht hatte? War das gerade so was wie ein Lob gewesen?

Nach der vorgestrigen unschönen Auseinandersetzung hatte sie nicht geglaubt, dass ihr Lehrer ihr tatsächlich keinen dauerhaften Groll entgegen bringen würde. Es traf sie so unvermittelt, dass sie gar nicht wusste, was sie darauf erwidern sollte. Eigentlich war sie lediglich ihrem Instinkt gefolgt und der war nun mal darauf ausgerichtet ihren kleinen, süßen Akarin um jeden Preis zu beschützen.

Doch Prof. Weston ließ ihr auch gar keine Zeit weiter darüber nachzudenken, was sie zu dieser Ehrung sagen sollte, denn er setzte seinen Vortrag über die Bedeutung des Trainerseins fort, bevor er zur Auswertung der Beobachtungsdaten kam. Gemeinsam erarbeiteten sie Möglichkeiten einer Leistungsförderung.

Da sich die Pokémon während dieser Zeit zumindest etwas erholen konnten, zeigte er im Anschluss kein Erbarmen und unterwies sie in verschiedenen Krafttrainingsmethoden.

Als diese zwei fast schon unendlich lang scheinenden Doppelstunden endlich durch das Klingelzeichen beendet wurden, waren Trainer und Pokémon mehr als erleichtert.
 

Da Mittwoch ihr langer Tag war, begann es bereits zu dämmern, als sie das Trainingsgebäude verließen und schleunigst ins Wohnheim gingen um ihr verdientes Abendessen einzunehmen. Alle waren zu erschöpft um großes Spektakel zu veranstalten, sodass die abendliche Nahrungsaufnahme erstaunlich ruhig verlief.

Tifi, Gonni und Manja hatten noch ihre Aufsätze zu schreiben, weshalb Paula beschloss sich ebenfalls auf ihr Zimmer zurück zu ziehen.

Etwas halbherzig ordnete sie ihre Aufzeichnungen, zog es dann jedoch vor, sich mit Akarin und einem Buch auf ihr Bett nieder zu lassen. Doch so richtig zum Lesen kam sie nicht, denn die Bilder des heutigen Tages blitzten immer wieder vor ihren Augen auf.

Die ganzen Unterrichtsstunden, die verzweifelte Suche nach Akarin und Geckarbor, der Kampf gegen das unfreundliche Ariados und die besondere Lektion im Kampfunterricht- das alles war sehr aufregend gewesen, und irgendwie hatte der Hauch von abenteuerlichen Leben, der sie heute gestreift hatte, Lust auf mehr gemacht. Trotz der Gefahren, es hatte irgendwie auch Spaß gemacht. Aber nun war erst mal die Erschöpfung stärker, als die Freude über heil überstandene Erlebnisse und so fielen der jungen Trainerin schon nach wenigen Minuten die Augen zu. Während sich Akarin an seine Freundin kuschelte, versank diese in einem tiefen erholsamen Schlaf.

Ereignisreicher Unterricht

Die Morgensonne kletterte gerade so hinter dem Bergkamm von Corona Island hervor, als die meisten Schüler der C-Klasse das Wohnheim verließen. Doch dieses Mal führte sie ihr Weg nicht wie üblich ins Lehrgebäude, sondern in einen abgelegeneren Teil des Akademiegeländes, wo sich die Zuchtstation erstreckte. Zur ersten Praxisstunde in Zucht hatte sie Prof. Collins ins passende Gebäude bestellt. Da die Karte der Anlage einen ziemlich weiten Weg vermuten ließ, hatten sich viele schon extra zeitig aus den Federn gequält.

Gähnend schlurften auch Paula und ihre Freunde durch die von Morgentau getränkten Wiesen. Nach dem gestrigen anstrengen Tag war ihnen nicht unbedingt nach einem langen morgendlichen Spaziergang. Zu dieser Uhrzeit im Klassenzimmer zu sitzen war schon schwer, aber erst noch ne halbe Weltreise zu machen, war alles andere als das, was sie jetzt brauchten.

Umso froher waren die Drei, als das farmartige Gebäude bald in Sicht kam. Einige ihrer Klassenkameraden hatten sich schon vor dem Zaun versammelt. Paula und die Anderen gesellten sich zu ihnen und warteten, während die Sonne ihre ersten Strahlen auf ihre Gesichter warf. Ihr fiel auf, dass seit sie an der Akademie war, es noch kein schlechtes Wetter gegeben hatte. Anscheinend hatte die Insel zur Zeit die Sonne gepachtet.

Die Wärme auf der Haut zu spüren, brachte die Müdigkeit wieder zurück. So standen die Meisten da und dösten noch einen Moment. Einen ziemlich langen Moment, denn der Professor ließ mal wieder auf sich warten.

Erst nach etwa zehn Minuten tauchte eine Gestalt vor dem Gebäude auf, die sie wild heranwinkte. Da ihr Lehrer Verspätung hatten, ließ sich die Klasse nun auch etwas Zeit den gepflasterten Weg, der sie zum Hauptgebäude führte, vor dem Prof. Collins wartete, entlang zu laufen.

„Entschuldigung, dass ihr warten musstet, aber ich musste noch zusätzlich das Gelände patrouillieren. Aber jetzt kann’s losgehen.“

Während sich die anderen ihrer Klasse etwas über diese Erklärung wunderten, ging Taja ein Licht auf. Vermutlich hatte der Professor an einer der Wachen in der Zuchtstation teilgenommen, die Jordan vorgestern erwähnt hatte. Zumindest sah der Mann so aus, als hätte er nicht viel geschlafen. Er versuchte es mit einem Lächeln zu überspielen, was irgendwie aber mehr gequält, als frisch herüber kam.

„So, ich will keine großen Reden schwingen, das Meiste wird sich unterwegs von allein klären. Ich möchte euch einfach mal zeigen, was es alles so erfordert, wenn man Pokémon professionell züchten möchte. Es bedarf einer Menge Erfahrung und verschiedener Hilfsmittel, um sich richtig um die ganzen Pokémon zu kümmern. Da gehört ne Menge mehr dazu, als ihr jetzt vielleicht glauben mögt. Aber keine Angst, ihr werdet sicher schnell lernen und dann könnt ihr auch bald eure Pokémon zur Zucht bei uns lassen. Für unerfahrene Trainer kümmern wir uns ja die erste Zeit um den Nachwuchs. Nun zurück zu den Gebäuden. Beginnen wir doch gleich mal mit dem hier. Das ist das Haupthaus mit der Empfangshalle. Dort können Trainer ihre Pokémon abgeben, damit sie ...“

Prof. Collins weitere Ausführungen über die Funktion dieses Gebäudes, entgingen Paula, denn ihre Gedanken waren bei seinen vorigen Worten abgeschweift. Pokémon zur Zucht da lassen. Eine ganze Wiese voll kleiner, süßer Glumanda-Babys tauchte wieder als geistiges Bild auf. Mini-Akarins soweit das Auge reichte. Das war so eine wundervolle Vorstellung. Eins stand fest, sobald sie die Erlaubnis zur Zucht hatten, würde Akarin sich richtig austoben können.

Doch um diesem Ziel näher zu kommen, war es wohl erst einmal von Nöten aufzupassen. Als sich das Mädchen wieder auf die Worte des Lehrers konzentrierte, stellte sie erstaunt fest, dass sie anscheinend ganz automatisch mit in einen anderen Raum gelaufen war. Überall um sie herum, befanden sich seltsame Apparaturen, von denen einige an die Maschinen aus dem Pokémon-Center erinnerten.

„Wenn die Pokémon registriert wurden, werden sie hier auf ihre gesundheitliche Verfassung geprüft, denn wir wollen ja nicht, dass sie womöglich noch Andere mit Krankheiten anstecken. Wenn alles in Ordnung ist, kommen sie dann hier hin.“, er führte sie in eine weitere Halle, die mit unzähligen Regalen voller Pokébälle vollgestopft war, „Hier werden die Pokémon gelagert, bis ein passender Partner zur Verfügung steht, oder sie im Anschluss wieder von ihren Trainern abgeholt werden. Natürlich werden sie in der Zeit jeden Tag gefüttert und gepflegt.“

Erstaunt zogen manche die Augenbrauen hoch. Bei der Anzahl an Pokémon, die hier gerade lagen, musste das doch wahrscheinlich den ganzen Tag dauern.

Als hätte er ihre Gedanken erraten, fügte der Professor erklärend hinzu: „Das ist wirklich unglaublich viel Arbeit, aber es kümmern sich viele Pfleger um die täglichen Bedürfnisse unserer Schützlinge. Wenn ihr mal Zeit und Lust haben solltet, könnt ihr gern auch Praktika hier machen. Wir können jede helfende Hand gebrauchen.“

Bei dem Ausmaß konnten sich das alle lebhaft vorstellen. Doch etwas beeindruckt folgten sie dem Lehrer hinaus auf eine große Freifläche.

„Wenn ein Partner für das Pokémon vorhanden ist, werden die Beiden nach Draußen gebracht, wo sie sich ganz ungestört kennen lernen können. Es gibt ganz unterschiedliche Areale, je nachdem welche Typen sich paaren sollen. Wenn sich die Pokémon mögen, können sie sich dann zu einem beliebigen Zeitpunkt entweder in den Außengeländen oder in einem speziellen Bruthaus zurückziehen. Was bevorzugt wird, hängt von der jeweiligen Art ab. Es gibt Pokémon, die ihre Eier gleich nach der Ablage verlassen, andere verteidigen ihr Gelege gegenüber Fremden bis aus Blut. Als Züchter muss man also auch vertrauenserweckend sein, sonst kommt man schlecht an die Eier ran. Hat man die Eltern überredet, einem das Ei anzuvertrauen, kommt es in die vorgesehenen Brutkammern, wo es unter speziellen Bedingungen bis zum Schlüpfen gepflegt wird. Oder das Pokémonpaar brütet das Ei selbst aus. Aber auch der Trainer kann das übernehmen, wenn er genügend Erfahrung hat. Wie verfahren wird, ist bei jedem Fall anders.“

Langsam dämmerte es den Schülern, dass die ganze Züchterei ziemlich kompliziert war. Wer, wo, wen in welchem Fall ausbrütete, hatte die Meisten doch ein wenig verwirrt.

„Kommt mit, jetzt sehen wir uns die Eistation doch gleich mal genauer an.“

Die Klasse wandte sich gerade um, um ihrem Lehrer zum nächsten Gebäude zu folgen, als ein gewaltiger Knall sie erstarren ließ. Es hatte sich fast wie ein mächtiges Donnergrollen angehört, aber von Gewitterwolken waren am strahlend blauen Himmel nicht die kleinsten Spuren.

Ein leises „Was war das?“-Raunen ging durch die Gruppe. Aber keiner konnte sich das plötzliche Geräusch erklären.

Prof. Collins Gesicht zog sich zu einer einzigen Sorgenfalte zusammen.

„Ihr bleibt bitte hier und verhaltet euch ruhig“, mit dieser knappen Anweisung lief er in die Richtung, aus der der Krach vermutlich gekommen war.

Die Klasse sah ihm fragend hinterher. Irgendwie interessierte es alle brennend, was da grade passiert war. Die Meisten hatten noch nichts wirklich außergewöhnlich Aufregendes erlebt, seit sie hier waren und so hielten sie dem Ruf des Abenteuers nicht stand. Kaum war der Professor zehn Meter entfernt, setzte der Erste seinen Fuß auf Richtung Verfolgung und schon war auch der Rest in Bewegung.
 

Es dauerte auch gar nicht lange, bis sie in der Entfernung zwei dunkle Flecken sahen, die irgendwie nicht ganz in das Landschaftsbild zu passen schienen. Beim Näherkommen, konnten sie sie immer besser, als zwei beige-braune Pokémon ausmachen. Während Einigen sofort ein Licht der Erkenntnis aufging, mussten Andere erst ihren Pokédex befragen um herauszufinden, um was es sich bei den zwei Wesen, die unbeweglich in der Gegend herum lagen, handelte.

Besorgt kniete sich Prof. Collins neben dem scheinbar bewusstlosen Wiesenior nieder.

„Was ist denn mit ihm passiert?“, fragte einer aus der Klasse.

Als er die Stimme hörte, schaute der Lehrer etwas verwirrt auf, da er erst jetzt bemerkte, dass ihm seine Stundenten gefolgt waren.

„Was habt ihr denn hier verloren? Ihr solltet doch... Ach egal, diesen Pokémon geht es nicht gut, wir müssen sie schnell in den Check-Up-Raum bringen. Bitte fasst mal mit an. Und nehmt das Farbeagle auch mit.“

Ganz behutsam fasste der Mann unter den Kopf des langen Tiers. Einen Moment standen die Anderen noch unschlüssig herum, bevor sie sich trauten den Körper des Pokémons ebenfalls anzuheben.

Paula und ihre Freunde kümmerten sich derweil um das wie tot daliegende Malerpokémon. Es war zwar nicht so groß wie das Wiesel, dafür aber ziemlich schwer. Es mussten noch zwei ihrer Klassenkameraden mit anfassen, damit sie es vernünftig transportieren konnten. Zum Glück war der Rückweg nicht so sonderlich weit, denn schon nach wenigen Metern merkten sie deutlich ihre Arme. Aber Aufgeben kam natürlich nicht in Frage. Wenn auch außer Atem, brachten sie beide Pokémon heil in den Raum. Während sie die Verletzten auf zwei Untersuchungstische betten, untersuchte sie Prof. Collins schon flüchtig.

Seine Schüler traten respektvoll zurück, um nicht im Weg zu stehen.

Plötzlich flog die Tür auf und ein kleiner, ziemlich alter Mann stürmte in den Raum.

„John, was ist denn passiert?“

„Hallo Vater. Ich denke, sie sind wieder angegriffen wurden. Es sind ungefähr die selben Verletzungen wie neulich, nur nicht ganz so schlimm. Ich geb ihnen erst mal einen Trank, aber ich denke es wäre besser, wenn wir sie trotzdem ins Pokémon Center bringen. Kannst du bitte die Bälle raussuchen?“

Ohne noch Fragen zu stellen, verschwand der Mann in den Regalen. Kaum war er verschwunden, flog die Tür erneut krachend auf und ein Junge in Latzhosen stürmte nicht weniger energisch in das Zimmer.

„Dad, was war das denn?“

Er schien total aufgeregt, als er die beiden bewusstlosen Pokémon sah, wurde er allerdings betrübt: „Schon wieder?“

Der Professor nickte nur und erklärte kurz: „Ich hab sie notversorgt, bring sie nun bitte zu Schwester Joy. Nimm Dodri. Opa holt schon die Bälle.“

„Ok, geht klar. Wir rennen wie der Wind!“

Der Alte kehrte mit zwei rot-weißen Bällen zurück, schloss die Pokémon darin ein und drückte sie seinem Enkel in die Hand, von dem eine Sekunde später nur noch eine Staubwolke zu sehen war. Von draußen hörten die Schüler nur noch ein „Komm raus, Dodri!“ und dann, sich schnell entfernende Schritte.

Etwas perplex von den Ereignissen der letzten Minuten stand die C-Klasse unschlüssig in der Gegend rum. Keiner getraute sich so richtig, die eben eingetretene Stille zu stören, auch wenn sie alle nur zu gern wissen wollten, von was für einem Schauspiel sie hier Zeuge geworden waren.

Prof. Collins atmete einmal kräftig durch und wandte sich dann wieder freundlich lächelnd seiner Klasse zu: „Tut mir leid, dass das hier grade so hektisch war. Aber es war Eile geboten, da ich nicht sagen kann, ob sie irgendwelche inneren Verletzungen hatten. Danke für eure Hilfe. So hatte ich mir die Führung zwar nicht vorgestellt, aber dann habt ihr wenigstens gleich mal einen Einblick bekommen, wie turbulent es hier wirklich zugehen kann.“

Der junge Mann lächelte etwas verlegen.

„Und was war das nun eigentlich?“ Paula fühlte sich als Klassensprecherin dazu verpflichtet das Wort zu ergreifen, wobei es eher ihre persönliche Neugier war, die als Antrieb dieser Frage fungierte.

Doch statt ihres Lehrers, beantwortete sein Vater die Frage: „Nun, seit ein paar Tagen finden wir immer wieder verletzte Pokémon im Gehege. Sie haben kleinere bis größere Verletzungen und sind meist völlig paralysiert. Wir wissen nicht, was sie angreift, oder warum, aber Fakt ist, dass es langsam immer häufiger wird. Aber das braucht euch Kinder nicht zu beunruhigen, wir werden die Situation schon unter Kontrolle bringen.“

Er gab sich zuversichtlich, doch die Sorgenfalte auf seiner eh schon runzligen Stirn war tief.

„Vater hat Recht, wir finden den Übeltäter schon. Es tut mir leid, dass ihr mit reingezogen wurdet, aber jetzt sollten wir uns lieber wieder unserem Unterrichtsthema zuwenden. Ein bisschen Zeit haben wir ja noch. Dann kann ich euch endlich Ei- und Babystation zeigen. Also kommt mit.“

Sein Lächeln war fröhlich, doch Taja entging der besorgte Ausdruck in seinen Augen nicht. Sie selbst konnte auch nicht gerade sagen, dass sich der Gedanke, dass da draußen etwas war, das Pokémon angriff, so schnell verdrängen ließ.

Aber zumindest hatte sie auch noch etwas anderes, was sie beschäftigte. Wenn sich ihre Sinne nicht völlig getäuscht hatten, dann war der Junge der eben Krankentransport spielte, Jordan gewesen. Und der hatte Prof. Collins „Dad“ genannt. Das hieß dann wohl, dass der freche Junge der Sohn ihres Lehrers war. Eigentlich gar nicht so abwegig, wenn sie sich die beiden einmal gedanklich nebeneinander vorstellte, denn wenn man mal den Altersunterschied außer Acht ließ, sahen sich die Beiden schon ziemlich ähnlich. Aber das hieß dann auch noch was anderes, und zwar, dass ihr Professor für Zucht wohl auch noch der Leiter der Zuchtsstation war und mit seiner Familie zusammen den ganzen Laden schmiss. Jetzt wurde Taja klar, wieso der Lehrer ständig zu spät war. Um diese Doppelbelastung beneidete sie ihn wirklich nicht und jetzt auch noch diese Zwischenfälle. Irgendwie hatte sie das Bedürfnis helfen zu wollen.

Ihre Mitschüler schien das Ganze weniger zu bewegen, denn sie quatschten schon wieder munter durcheinander, als wäre nichts geschehen. Als sie das nächste Gebäude erreichten, verstummte das Geschnatter allerdings, als sich die Schränke mit den ganzen Eiern vor ihnen aufbauten.

„In diesen speziell beheizbaren Brutschränken, verbringen die Eier einige Tage, bis sich der Embryo vollständig entwickelt hat und schlüpfen kann. Ihr dürft aber nicht denken, dass es einfach ist ein Ei auszubrüten. Jedes hat seine eigenen Ansprüche und sie müssen ebenso gepflegt werden, wie die bereits geschlüpften Pokémon. Das heißt also, regelmäßig wenden, baden, polieren, mit speziellen Tinkturen einsprühen, damit es nicht zu Infektionen kommt – das alles muss fast täglich gemacht werden, damit die Jungen auch gesund zur Welt kommen.“

Beim Gedanken an die ganze Arbeit, rissen einige die Augen auf. Irgendwie hatten sie sich das lediglich mit warm halten vorgestellt.

Als Prof. Collins die teilweise verblüfften Gesichter seiner Studenten sah, musste er schmunzeln: „Aber wenn das Pokémon geschlüpft ist, geht die Arbeit ja erst richtig los. So ein Neugeborenes kann ganz schön anstrengend sein. Aber keine Angst, wie ihr mit Baby-Pokémon umzugehen habt, werdet ihr dieses Jahr noch lernen und solange werden wir uns um die Kleinen kümmern, bis sie aus dem Gröbsten raus sind. Dazu ist dann die Babystation da. Dorthin führe ich euch jetzt.“
 

Als die Klasse nach draußen trat und dem Lehrer einen weiteren Weg entlang folgte, lief Einer unter ihnen eine Gänsehaut über die Arme. Diesen Pfad kannte sie nun schon ziemlich gut. Als das Haus mit dem kleinen Zaun in Sichtweite kam, konnte Taja ihre Erinnerung an die erste Begegnung mit ihrem Flemmli nicht mehr unterdrücken. Seitdem war wirklich schon einiges passiert. Kaum zu glauben, dass es erst vier Tage zurück lag. Trotz aller Schwierigkeiten, die sie bisher mit ihrem Feuerküken gehabt hatte, bereute sie ihre Entscheidung keine Sekunde lang.

Schon von einiger Entfernung war das fröhliche Quietschen der kleinen Pokémon zuhören. Sobald sie, die sich nähernden Menschen sahen, versammelten sich alle am Zaun und warteten gespannt auf den Besuch.

„Oh wie süß!“, tönte es auch von mehreren Mädchen.

„Ja, das sind unsere Kleinen. Hier haben bis vor Kurzem auch noch eure Pokémon gewohnt, denn sie sind ja extra für euren Anfang gezüchtet wurden. Zur Zeit sind nur wenige frisch Geschlüpfte hier, da das Schuljahr ja gerade erst angefangen hat. Aber kommt mal in ein paar Wochen wieder, da wuselt es hier nur so.“ Prof. Collins musste Lachen.

Er kannte das Chaos in der Kinderstube nur zu gut. Zum Glück kümmerten sich meistens seine Frau mit viel Geduld und sein Sohn mit viel Elan um den Nachwuchs.

„Ich würde vorschlagen, ihr seht euch die Innenräume mal selber an und könnt auch noch bisschen mit den Kleinen spielen, wenn ihr Lust dazu habt.“

Das ließen sich die Meisten natürlich nicht zweimal sagen. Die vor Erwartung schon freudig herum hüpfenden Mini-Pokémon waren einfach zu knuffig. Das Haus war von innen überraschenderweise wesentlich größer, als es von außen aussah. Es wirkte irgendwie, wie ein sehr großes Kinderzimmer, denn neben den ganzen Gerätschaften zur Pflege, stolperte man fast ständig über Spielzeug.
 

Während ihre Klassenkameraden das Gehege inspizierten, war Taja draußen stehen geblieben. Sie kannte es ja bereits und wollte lieber die Gelegenheit nutzen mit dem Lehrer ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln. Es erforderte zwar ein wenig Mut, ihn einfach anzusprechen, aber es lag ihr wirklich auf dem Herzen.

„Verzeihung, Prof. Collins?“, fragte das Mädchen schüchtern an.

„Ja, was gibt es denn? Und nenn mich doch John, das hatte ich euch doch gesagt.“ Er wandte sich ihr mit einem freundlichen Lächeln zu.

„Ehm ja gut. Ich...ich wollte fragen, ob ich vielleicht einmal bei den Wachpatrouillen mitmachen kann. Ich würde sehr gern helfen.“, brachte Taja zögerlich hervor.

Etwas überrascht schaute der Mann das unscheinbare Mädchen an: „Das ist wirklich sehr nett von dir, aber ich möchte, so weit es sich vermeiden lässt, die Schüler da nicht mit reinziehen, denn es kann ziemlich gefährlich werden, da wir ja noch nicht wissen, mit was wir es zu tun haben. Außerdem hast du doch sicherlich genug mit dem Unterricht zu tun.“

„Aber ich...“ Taja wollte sich nicht so einfach abschütteln lassen, doch ein lauter Ruf unterbrach sie.

In der Ferne erschien eine Staubwolke, deren Umrisse langsam ein Dodri, dass ziemlich schnell näher raste, erkennen ließ. Kurz vor dem Haus legte das Vogelpokémon eine Vollbremsung hin.

Taja hielt den Atem an, denn der junge Reiter wurde dabei nach vorn geschleudert. Doch, als hätte er das schon tausend mal gemacht, was er vermutlich auch tatsächlich schon hatte, landete Jordan nach einem Überschlag gekonnt auf den Füßen. Der Junge hatte anscheinend wirklich einen Hang zu Stunteinlagen. Aufgeregt sprang er seinem Vater entgegen. Das Grinsen auf seinem Gesicht ließ schon vermuten, was für Kunde er zu überbringen hatte: „Hey Dad, alles paletti. Den Pokémon geht’s wieder super. Es waren nur leichte Verletzungen. Schwester Joy hat sie mir gleich wieder mitgegeben.“

Prof. Collins atmete erleichtert auf: „Da bin ich wirklich froh. Aber wir müssen wirklich schnell herausfinden, was unsere Schützlinge da angreift.“

„Ich sag’s dir Dad, das ist das Monster aus dem Wald.“

„Du und deine Monsterstorys.“ Taja musste schmunzeln.

Erst jetzt nahm der Junge wahr, dass noch jemand anderes bei seinem Vater stand: „Hey, Psycho-Flemmli-Mädchen, was machst du denn hier?“

Taja ließ innerlich den Kopf hängen. Den Spitznamen wurde sie wohl nicht mehr los.

„Ihr kennt euch?“ Der Professor schien verwundert.

„Jepp!“, Jordan nickte eifrig, „Das ist das Mädchen, dass unser Psycho-Flemmli mitgenommen hat.“

Nun stand dem Lehrer erst Recht die Überraschung ins Gesicht geschrieben: „DU hast unseren Problemfall?“

Er konnte sich kaum vorstellen, dass dieses zurückhaltend wirkende Mädchen mit dem kleinen, giftigen Feuerpokémon, das ihm selbst schon mehrmals ordentlich eingeheizt hatte, zurecht kommen sollte.

Doch sie nickte ganz selbstverständlich.

„Und wie läuft es?“, erkundigte er sich neugierig.

„Nun ja, es geht soweit. Mir gegenüber verhält es sich eigentlich recht ruhig, immer noch ein wenig desinteressiert, aber es wird langsam etwas zutraulicher. Nur Fremden gegenüber reagiert es noch genauso aggressiv. Aber ich arbeite dran.“ Zwar war es ihr nicht unbedingt angenehm, zugeben zumüssen, dass sie noch keine großen Erfolge zu verzeichnen hatte, aber sie wollte den netten Professor auch nicht anlügen.

„Du brauchst dich nicht zu entschuldigen, ich bin schon erstaunt darüber, dass es zu jemanden in irgendeiner Weise Vertrauen gefasst hat. Ich weiß nicht, wie oft ich bereits versucht habe etwas bei diesem Pokémon zu bewirken, aber ich hatte danach lediglich angesengte Haare. Ich bin wirklich beeindruckt.“ Mit einem respektvollen Ausdruck betrachtete er seine Schülerin, der er das nicht wirklich zugetraut hatte.

Taja schoss bei diesem Lob gleich mal die Röte ins Gesicht.

„Ehm, Danke, aber so großartig ist das nun auch wieder nicht.“, versuchte sie das Ganze runterzuspielen. Sie konnte mit so was einfach nicht umgehen.

„Naja, wenn du mit unserem kleinen Katastrophen-Pokémon klar kommst, scheinst du echt ein Händchen für Pokémon zu haben. Also wenn du immer noch helfen willst, kannst du gern mal an einer Patrouille teilnehmen. Vielleicht mal irgendwann Nachmittag, ok?“, bot der blonde Mann ihr an.

Taja horchte auf: „Wirklich?“

„Ja, ich würd dir Bescheid geben, für wann wir noch Unterstützung brauchen.“

Über das Gesicht des Mädchens ging ein Leuchten. Höflich verbeugte sie sich: „Vielen Dank, ich würde wirklich sehr gern helfen.“

Prof. Collins hatte zwar eigentlich nicht vorgehabt eine Anfängerin für diesen Job einzuteilen, aber wenn sie dieses Flemmli bei sich hatte, konnte ihr gar nichts passieren. Und er sah langsam ein, dass er etwas Hilfe gebrauchen konnte.

Nachdem nun alles geklärt war, warf er vorsichtshalber mal einen Blick auf die Uhr. Durch die ganze Sache mit den verletzten Pokémon, hatte er irgendwie sein Zeitgefühl verloren. Es war auch tatsächlich schon 9.18 Uhr, also war der Unterricht eigentlich bereits seit drei Minuten zu Ende.

„Oh, ich seh gerade, unsere Zeit ist schon wieder um. Bitte versammelt euch wieder.“

Geschlossen führte er die Klasse zum Ausgang. Vor dem Haupthaus verabschiedete er sich von seinen Studenten: „So, ich hoffe euch hat die kleine Führung gefallen und ihr habt jetzt eine Vorstellung vom Pokémon züchten. Wir sehen uns dann nächste Woche wieder. Entschuldigt den Zwischenfall und vielen Dank noch mal für eure Hilfe. Ich wünsche euch noch einen schönen Tag.“

Damit waren sie aus der ersten Praxisstunde Zucht entlassen.
 

Auch wenn sie sich jetzt gern ein paar Augenblicke in die Sonne gesetzt hätten, um zu entspannen, so richtig Zeit um Luft zu holen, hatte die Klasse nicht, denn auch zu ihrer nächsten Stunde sollten sie sich an einem Ort außerhalb ihres Klassenzimmers einfinden. Und der lag laut Plan, fast auf der gegenüberliegenden Seite des Akademiegeländes. Also mussten sie sich ganz schön dazu halten, den Weg innerhalb ihrer Pausenzeit zurückzulegen. Dieser Tag war zwar mit wenig Unterrichtsstunden belegt, dafür aber anscheinend mit viel Rennerei in den Pausen. Die Viertelstunde war auch fast gänzlich verstrichen, als sie endlich das Gelände mit dem botanischen Garten der Akademie erreichten. Ein großes, schmiedeeisernes Tor mit vielen Verzierungen umgeben von roten Backsteinsäulen markierten den Eingang. Wie einige andere Gebäude der Akademie, sah es aus, wie aus einem vergangenen Jahrhundert. Dank guter Pflege glänzte es in der Vormittagssonne jedoch wie neu. Eine ebenso gepflegt aussehende Hecke schien das ausladende Gelände zu umsäumen. Bereits von der Pforte aus, erkannten sie zahlreiche Gewächshäuser, die sich an unterschiedlichen Stellen von der sonst völlig grünen Umgebung hervorhoben. Eine stilvolle Rosenrabatte begleitete sie den Hauptweg entlang zu einem kleinen runden Platz, in dessen Mitte ein Springbrunnen sprudelte. An den Rand gelehnt, wartete ihre Heilkundelehrerin Prof. Achiella.

Als die Frau das Herannahen der Klasse bemerkte, kam sie ihnen mit einem begrüßenden Lächeln entgegen: „Ah, da seid ihr ja meine Lieben. Da wir in unserem Unterricht sehr viel mit Pflanzen zu tun haben werden, wollte ich euch gleich zu Beginn unseren wundervollen Garten zeigen, in dem wir auch einige Zeit des Praxisunterrichts verbringen werden. Hier gedeihen unzählige Arten, die ihr nach und nach kennen lernen werdet. Sogar besonders seltene Exemplare aus den entlegensten Winkeln der Regionen haben sich hier prächtig entwickelt. Alles was das Heilkundeherz begehrt, werdet ihr hier finden können. Wir werden zwar hauptsächlich in den Kräutergärten und Beerenplantagen zu tun haben, doch ich denke ihr solltet alles von der Anlage kennen lernen, denn sie ist auch eine Oase der Ruhe und Erholung.“

Ruhe und Erholung hörte sich für die Schüler nach der letzten aufregenden Stunde ziemlich gut an.

Prof. Achiella atmete zur Demonstration tief ein und machte ein entspanntes Gesicht, bevor sie in ihrem Vortrag fort fuhr: „Damit das Ganze nicht in eine öde Führung ausartet, werdet ihr den Garten gleich allein erkunden. Ich habe mir extra eine kleine Aufgabe für euch ausgedacht. Ich werde jedem von euch eine Liste geben, auf der fünf Pflanzen verzeichnet sind, die ihr im Garten suchen sollt. Habt ihr sie gefunden, notiert ihr, wo sie wächst, was für Informationen auf den Namensschildern stehen und sammelt außerdem ein Stück, also z.B. Blätter oder Blüten, davon ein. Lasst euch dabei ruhig Zeit, das soll keine Rallye werden. Da der Garten auch für eure Pokémon ideal zum Herumtollen ist, dürfen sie euch gern begleiten. Alle Trainer eines Feuerpokémons möchte ich allerdings bitten, besonders darauf zu achten, dass eure Partner nicht den Garten anzünden.“

Trotz ihres Zwinkerns, war diese Warnung durchaus ernst gemeint. Prof. Achiella war zwar eine freundliche und gütige Frau, doch wer ihrem heißgeliebten botanischen Garten einen Spross krümmte, durfte sich auf etwas gefasst machen.

„Eure Pokémon dürfen gern über die Wiesen laufen, euch würde ich aber bitten auf den Wegen zu bleiben. Alle Pflanzen werdet ihr auch so finden können. Also dann begebt euch mal auf Erkundungstour und genießt den Ausflug ins Grüne. In einer Stunde treffen wir uns wieder hier, dann habe ich noch eine Überraschung für euch.“

Mit einem erwartungsvollem Lächeln der Begeisterung reichte sie einen Korb mit Blättern herum. Ihre Schüler versprühten zwar kaum den gleichen Elan wie sie, denn viele konnten sich bessere Dinge vorstellen, als in einem riesigen Wald nach Grünzeug zu suchen, aber so einfach durch die Gegend zu laufen, war nichts, womit man sich überanstrengte. Und dass die Pokémonpartner dabei sein konnten, machte das Ganze für die Meisten durchaus attraktiv.

Ganz besonders für Paula. Endlich konnte sie wieder mal Akarin frei lassen, ohne Gefahr zu laufen sich von dem Zitronen-Mädchen eine Standpauke anhören zu müssen. Noch ehe sie ein Aufgabenblatt nahm, hatte sie schon ihren Pokéball in der Hand.

„Komm raus Akarin, wir machen einen Spaziergang.“

Kaum war das kleine Glumanda an der frischen Luft, quietschte es auch schon freudig auf und sprang in die einladenden Arme seiner Trainerin. Es war für beide fast schon ein Ritual geworden, dass sie genossen.

Und auch, dass Paula mit Tifi und Gonni zusammen das Gelände erkunden würde, stand für sie schon ohne Frage fest. Tifi hatte auch schon ganz selbstständig ein zweites Arbeitsblatt genommen, dass sie nun ihrer Freundin in die Hand drückte.

Paula warf einen Blick auf ihre zu findenden Pflanzen und die ihrer Gefährten. Nach kurzer Analyse der Abbildungen musste die Schülerin feststellen, dass sie für sie alle irgendwie aussahen wie.... ja, wie Grünzeug eben. Ihr dämmerte es ein wenig, dass ganz bestimmtes Grünzeug inmitten von ganz viel anderem Grünzeug finden, vielleicht doch gar nicht so einfach sein würde. Aber da viele Augen bekanntlich mehr als zwei sahen, bestand zumindest eine kleine Chance, dass sie zusammen irgendwelche davon erkennen würden, wenn sie ihnen über den Weg laufen würden.

„Wollen wir los?“, wandte sich Paula an ihre beiden Freunde, die auch etwas ratlos auf ihre Blätter starrten.

„Ja klar.“ Tifi ließ Plinfa frei.

Akarin begrüßte das Wasserpokémon gleich freudig. Auch Geckarbor erschien auf der Bildfläche, schien aber mehr Interesse an der grünen Umgebung, als an seinen Pokémonfreunden, zu haben.

„Und wo wollen wir lang?“, erkundigte sich Paula.

„Keinen Plan.“

Irgendwie hatten die Mädchen von Gonni auch nichts anderes erwartet.

„Vielleicht da lang?“ Tifi zeigte auf einen kleinen Weg, der rechts um das riesige Gewächshaus, das vor ihnen in die Höhe ragte, führte.

Da sie alle nicht die leiseste Ahnung hatten, wo sie mit der Suche beginnen sollten, wählten sie sich einfach einen Pfand aus, für den sich noch nicht so viele ihrer Klassenkameraden entschieden hatten.
 

Kaum hatten sie einen Schritt in die Richtung gesetzt, kam etwas von hinten lautstark angesprungen: „Panflam, Pan!“

Der Feueraffe umkreiste fröhlich hüpfend Plinfa, das sich etwas überrascht umschaute. Für Glumanda sah das Ganze so lustig aus, dass es beschloss hinter Panflam her, ebenfalls um Plinfa zu rennen.

„Hallo, Kev.“, begrüßten die drei Schüler das Pokémon ihrer Bekanntschaft von gestern.

„Pan, Pan.“ Das Feuerpokémon klatschte zum Gruß freudig in die Pfoten.

„Wo hast du deine Trainerin gelassen?“, wollte Paula wissen.

Bis auf die Begrüßung am Morgen, hatten sie gar nicht so richtig drauf geachtet, wo das Mädchen in der orangen Schuluniform abgeblieben war. Aber es brauchte nicht lange, um sie zu finden, denn der Platz hatte sich schon beträchtlich geleert und ihre roten Haare waren ein ziemlich markantes Zeichen.

„Hey, Manja!“, rief Paula herüber, „Willst du mit uns mitgehen?“

Das Mädchen sah von ihrem Blatt auf und bewegte sich auf die Drei zu.

„Klar, gerne. Kev scheint das ja schon entschieden zu haben.“, musste sie lachend feststellen.

Manja war zu sehr damit beschäftigt gewesen zu überlegen, wie sie es anstellen sollte, diese lästige Aufgabe zu bewältigen, um zu bemerken, dass sich ihr Pokémon aus dem Staub gemacht hatte.

Während die vier Pokémon munter auf den Wiesen herumtollten, machten sich ihre Trainer daran, dem Weg zu folgen und die Augen nach den gesuchten Pflanzen aufzuhalten. Warum musste das alles nur so gleich aussehen? Alles um sie herum war grün und hatte irgendwelche Blätter. Wie sollten sie da nur erkennen, welche die Richtigen waren?

Da machte es doch irgendwie mehr Spaß ihren Pokémon beim Spielen zuzusehen und sich zu unterhalten. Schon nach wenigen Minuten war daraus mehr ein Erholungsspaziergang mit Freunden, als eine Unterrichtsaufgabe geworden.

Erst als Plinfa Tifi ein Blümchen schenkte und diese erkannte, dass es sich zufällig um eine der Pflanzen auf dem Aufgabenblatt handelte, fiel ihnen wieder ein, warum sie hier durch die Gegend liefen. Das steigerte zwar auch nicht ungemein das Interesse an der Umgebung, brachte die Truppe aber zumindest dazu, ihre Pokémon zu instruieren, nach den gesuchten Objekten Ausschau zu halten. Immerhin wuselten sie eh quer über die Wiesen und es schien ihnen auch Spaß zu machen etwas zu suchen. Und so dauerte es gar nicht lange, bis die kleinen Pokémondetektive ein paar der Ziele gefunden hatten. Ob sie in der verbleibenden Zeit noch alle auffinden konnten, war fraglich, aber zumindest ein paar Erfolge hatten sie schon erzielen können.

Nach dem ausgiebigen Lob der Trainer, gaben sich die vier kleinen Wesen noch einmal besonders viel Mühe um weitere Pluspunkte zu ergattern. Mit Feuereifer suchten sie die ganze Umgebung ab. Besonders Akarin nahm jeden grünen Spross neugierig unter die Lupe. Und das, was es sich gerade ansah, sah genauso aus, wie das komische Teil das seine Trainerin ihm gezeigt hatte. Freudig quietschte es auf und rannte zu Paula, um ihr seine Entdeckung mitzuteilen. Dabei war es so voller Übereifer, dass es den Stein nicht sah, der in seiner Route lag. Überrascht japste die Feuerechse auf, als es mit einer Pfote hängen blieb und gen Erdboden segelte. Keine Sekunde später lag das Pokémon auf dem Bauch im Gras. Als seine Schnauze aufschlug, drang ein leiser Schmerzenslaut heraus, der sofort seinen Weg zu Paulas Ohren fand.

Die drehte sich um und stürzte sogleich mit einem erschrockenen Aufschrei auf ihren kleinen Liebling zu. Doch der hatte sich schon wieder aufgerappelt. Akarin schüttelte einmal kräftig den Kopf, um die Verwirrung über die Ereignisse der letzten Sekunden loszuwerden und nach ein paar fürsorglichen Liebkosungen seiner Trainerin war schon wieder alles Bestens. Es zeigte seiner Paula stolz, was es gefunden hatte und war zufrieden. Zumindest für einige Augenblicke lang, denn dann fing plötzlich an, ein kleiner Fleck auf seinem Bauch zu jucken. Instinktiv kratzte sich Glumanda, schenkte dem aber keine große Beachtung. Gedankenverloren scharrte es immer mal wieder, bis es plötzlich gar nicht mehr aufhören wollte zu jucken. Ärgerlich schaute es auf seinen Bauch.

„Gluuuuuuuu!“ Ein ängstlicher Aufschrei entfuhr ihm, denn sein sonst beiger Bauch, war mit lauter roten Punkten übersät. Und die hatten von ganzen Kratzen schon einen ziemlichen Hof gebildet.

„Asche! Akarin was hast du denn gemacht?“ Entsetzt betrachtete Paula ihr Pokémon, dass plötzlich aussah wie ein einziger Fleckenteppich.

„Scheint als hätte er einen Ausschlag, oder so was.“, vermutete Manja.

„Aber woher?“, irritiert überlegte Paula, was passiert sein konnte, während sie gleichzeitig versuchte, Akarin in die Finger zu bekommen, der, sich wild kratzend, über die Wiese rannte.

„Ich glaub, das könnte die Ursache sein.“ Gonni hatte sich neben eine kleine Pflanze, von der mehrere Exemplare über die ganze Wiese verteilt wuchsen, gehockt und zeigte auf das Informationsschild.

„Seracis scadiense – Gemeiner Juckwurz. Dieses unauffällige Kraut kann bei Hautkontakt zu leichtem Juckreiz führen, bei übermäßiger Einwirkung auch zu juckenden Ausschlägen die einige Stunden bis zu wenigen Tagen andauern können.“, las Tifi vor.

„Einige Tage?“, entsetzt riss Paula die Augen auf.

Die Vorstellung, dass sie ein paar Tage mit einem sich ständig scharrenden Streuselkuchen verbringen sollte, gefiel ihr gar nicht. Akarin noch eine Sekunde weiter leiden zu sehen, brachte sie schon fast um. Sie musste sofort ins Pokémon-Center. Paula schnappte sich den Pokéball, doch ihr Glumanda damit wieder einzufangen, war weitaus schwieriger, weil es mittlerweile wie von einem wilden Ariados gestochen, herumsprang. Die Pusteln schienen ihm ziemlich zuzusetzen, denn es verzog schon weinerlich das Gesicht. Nur einer hatte an der Situation große Freude. Kev fand das Rumgehampel seines Kameraden offensichtlich so lustig, dass es gleich mit machte. Da Akarins Bewegungen vor Pein jedoch nicht wirklich koordiniert waren, dauerte es nur wenige Augenblicke bis beide Hampelmänner zusammen stießen und sich gegenseitig weg katapultierten. Akarin landete in einem Gewirr aus windenden Sprossen, während Panflam über die Wiese kullerte. Verwirrt rappelte sich Glumanda wieder auf und suchte sich einen Weg aus den komischen Teilen, die ihn festzuhalten schienen. Es musste ganz schön zerren, bis es seine Gliedmaßen wieder befreit hatte. Doch kaum war es seiner Gefangenschaft entflohen, fühlte es sich irgendwie unwohl. Es roch plötzlich so eigenartig.

„Akarin, komm sofort weg da!.“, schrie Paula panisch.

Als das Feuerpokémon sich verwundert umsah, blickte es direkt auf kleine, züngelnde Flämmchen. Offenbar hatte es mit seinem Schwanz das Kräutich zum Entzünden gebracht. Der juckende Bauch war für den Moment vergessen. Akarin nahm einfach nur noch die Beine in die Hand und rannte in die Arme seiner Trainerin. Während die schützend ihr Pokémon hochnahm, waren Manja und Gonni herangeeilt, um die noch kleinen Flammen auszutreten.

„Plinfa, Aqua...“ Noch bevor Tifi ihren Befehl beenden konnte, wurde ihr klar, dass ihr Pokémon noch überhaupt keine Wasserattacken beherrschte.

Also blieb ihnen nichts anderes übrig, als zu versuchen, das Feuer mit ihren Schuhen klein zu machen. Da es gerade erst angefangen hatte zu zündeln, war das nicht weiter schwierig. Obwohl die Flammen schon nach wenigen Augenblicken erstickt waren, hatte sich inzwischen eine dichte Rauchwolke gebildet, die einen ziemlich ekligen Geruch verströmte.

„Nichts wie weg.“, hustete Manja.

Da keiner Lust hatte sich noch ne Rauchvergiftung zu holen, schnappten sich alle ihre Pokémon und rannten ein Stück weg, bis wieder ausreichend frische Luft vorhanden war. Zum Glück waren sie draußen, sodass es nicht unbedingt lange dauerte, bis sich die Nebelschwade verzogen hatte, aber dennoch war der Geruch nicht leicht aus der Nase zu bekommen.
 

„Zum Glück ist nichts weiter passiert.“ Tifi war mehr als erleichtert, dass sie keinen großen Waldbrand verursacht hatten.

„Ärger geben wird das aber sicher.“, merkte Manja an.

Irgendwie kam da allen plötzlich wieder die Erinnerung an Prof. Achiellas Worte über Feuerpokémon im Garten.

„Wenn wir schnell abhauen, merkt es vielleicht keiner.“, schlug Paula vor.

Immerhin war nur eine von zig tausend Pflanzen abgebrannt. Das würde wohl kaum auffallen. Es war außerdem auch keiner weit und breit zu sehen, der Zeuge des kleinen Unfalls gewesen sein konnte.

Etwas unschlüssig sahen sie sich an. Es war zwar nicht unbedingt das Richtige, aber sollten sie wegen einer lächerlichen Pflanze Ärger riskieren?

„Ok, lasst uns einfach gehen.“, stimmte Gonni Paulas Vorschlag zu.

Doch kaum war er einen Schritt gegangen, hielt er inne und sah sich suchend um: „Sagt mal, seht ihr Geckarbor irgendwo?“

„On nein, nicht schon wieder!“ Paula konnte ein Seufzen nicht unterdrücken.

Ausgerechnet jetzt, wo sie dringend weg wollten, war das Pflanzenpokémon schon wieder verschwunden. Und ausgerechnet schon wieder in einem Wald, wo es auch so überhaupt nicht zu sehen war.

„Also los, lasst es uns suchen und dann nichts wie weg.“, forderte sie ihre Freunde auf.

„Ehm, Paula, wart mal. Was macht Akarin da bitte?“

Auf Manjas Frage hin, wandte sich Paula ihrem Pokémon zu. Etwas verdutzt musste sie feststellen, dass es an einem Baumstamm klebte und ganz verliebt damit schmuste.

„Vielleicht kratzt er sich an der Rinde den Bauch?“, mutmaßte die ebenso erstaunte Trainerin.

Eine andere Erklärung fiel ihr Momentan nicht ein.

„Und was bitte versucht Plinfa da?“ Gonni wies auf den Pinguin, der mit dem Bauch auf dem Weg lag und vergnügt mit den Armen ruderte, als schwimme es gerade durch einen See.

Tifi konnte nur mit den Schultern zucken. Sie hatte auch keine Ahnung, was da plötzlich in ihr Pokémon gefahren war.

„Leute, ich glaub, ich hab Geckarbor gefunden!“ Manja zeigte auf einen hohen Baum.

Und tatsächlich, auf einem der äußersten Äste, stand Geckarbor und wedelte mit den Armen.

„Es wird doch nicht...“ Noch bevor Paula ihren Satz beenden konnte, tat die Echse genau das, was sie gedacht hatte - es sprang.

Dabei wedelte es fröhlich mit den Armen, was seinem immer schneller werdenden Fall jedoch in keinster Weise beeinflusste. Die Mädchen hielten den Atem an, während Gonni zu dem Baum sprintete und sich mit einem Hechtsprung gerade noch rechtzeitig unter sein Pokémon warf, bevor das hart auf den Boden aufschlagen konnte. So schlug es nur ziemlich hart auf Gonnis Magen auf, was ihm einen Schmerzeslaut entlockte.

„Gonni! Hast du dir was getan?“ Tifi ließ sich besorgt neben dem Jungen fallen und versuchte ihm aufzuhelfen.

„Geht schon.“ Sein Gesicht verriet zwar ein gewisses Maß an Schmerz, aber er konnte sich zumindest bewegen.

Manja hatte sich inzwischen Geckarbor geschnappt, bevor es zu einem erneuten Flugversuch auf den Baum klettern konnte. Dann musste sie allerdings das Pokémon seinem Besitzer in die Arme drücken, denn ihr Eigenes stellte gerade ebenso Blödsinn an. Es hatte sich einige etwas größere Steine gesucht und hüpfte damit jonglierend in der Gegend herum. Wenn einer davon runter fiel, war der Affe breit.

„Kev, was soll das?“ Das Mädchen nahm ihrem Gefährten das gefährliche Spielzeug ab, doch es schien sich überhaupt nicht daran zustören und tanzte wie im Delirium über die Wiese.

Auch Paula konnte Akarin nicht davon abbringen, sich liebestrunken an dem Stamm festzuklammern.

„Was ist nur mit denen los? Die sind ja wie zugedröhnt.“, stellte sie verzweifelt fest.

Für einen kurzen Moment herrschte Stille. Offenbar schien jeder gerade den selben Gedanken zu haben.

„Ich geh nachsehen.“ Tifi war die Einzige, die ihr Pokémon aus den Augen lassen konnte, denn Plinfa schwamm immer noch nur quietschvergnügt durchs imaginäre Wasser.

Wenige Augenblicke später kam ihre Klassenkameradin zurück.

„Kein Wunder, dass sie sich so verhalten. Die Pflanze enthält Halluzinogene, die besonders auf Pokémon wirken. Durch das Anzünden haben wir sie anscheinend frei gesetzt.“, erklärte sie.

„Das heißt unsere Pokémon sind schlicht und einfach high?“

Tifi bestätigte Paulas Frage mit einem Kopfnicken.

„Leute, ich glaub die wirken nicht nur auf Pokémon, oder schweben hier tatsächlich gerade rot-weiß gepunktete Steine durch die Luft?“ Gonni starrte bereits mit etwas verklärtem Blick vor sich hin.

„Ich glaub mir wird schlecht.“ Auch Manja fing an, etwas zu taumeln.

Kein Wunder, denn die beiden hatten ja direkt in der Rauchwolke gestanden.

„Was sollen wir jetzt machen?“ Paula fühlte sich momentan ein klein wenig hilflos.

„Ich glaub da kann nur Prof. Achiella helfen. Ich werd versuchen sie zu finden, bleib du bei ihnen.“, schlug Tifi vor.

Beide Mädchen nickten sich kurz zu, bevor Tifi so schnell es ging Richtung Treffpunkt verschwand.
 

Paula fühlte sich gar nicht wohl in ihrer Haut. Auch ihr war irgendwie eigenartig. Aber sie musste sich zusammenreißen, denn ihre Freunde brauchten ihren Beistand. Nachdem sie Manja geholfen hatte, sich hinzulegen, schnappte sie sich die Pokébällen von allen und holte die vier Fantasten zurück. Oder zumindest versuchte sie es. Denn Panflam mit dem roten Strahl zu erwischen, war alles andere als leicht. Erst nach mehreren Versuchen, gelang es ihr schließlich es zu erwischen. Sofort eilte sie zum Nächsten, denn Geckarbor war bereits wieder auf dem Weg in schwindelerregende Höhen. Noch bevor es einen weiteren Sprung wagen konnte, wurde es jedoch erfasst und in sein Aufbewahrungsgehäuse zurück beordert. Als Paula den Ball jedoch wieder aus der Hand legte, sprang er wie von selbst auf und ließ Geckarbor frei. Offenbar hatten die aufgekratzten Pokémon so gar keine Lust, etwas von ihrem Trip zu verpassen und sträubten sich deshalb gegen das Wegsperren. Auch Panflam hatte es geschafft, sich wieder Freigang zu verschaffen und so blieb dem langsam schon verzweifelten Mädchen nichts anderes übrig, als sich Geckarbor unter den Einen und Panflam unter den anderen Arm zu klemmen. Die beiden wanden sich zwar ziemlich heftig, aber noch konnte sie sie halten. Zum Glück machten nicht auch noch Plinfa und Glumanda etwas Gefährliches. Ihr Pokémon schmiegte sich nur wie besessen an die Rinde des Baumes, der aber so gar keine Anstalten machte, auf die Liebesbekundungen einzugehen. Akarins flammende Schwanzspitze wedelte dabei ab und an verdächtig nah am Gebüsch vorbei, doch bisher hatte es noch keinen weiteren Schaden angerichtet. Vorsichtshalber behielt sie ihn aber im Auge. Plinfa hatte sich dafür inzwischen aufgerichtet, war auf einen etwas größeren Stein geklettert und wollte nun anscheinend einen Kopfsprung, in das für sie so verlockende, real aber nicht vorhandene, Wasser machen. Paula bekam die Aktion grade noch aus den Augenwinkeln mit, stürzte Plinfa entgegen und fing es mitten im Sprung ab. Da beide Hände schon besetzt waren, blieb dem Mädchen nichts anderes übrig, als den blauen Pinguin zwischen die beiden Anderen zu klemmen. Aber Tifis Pokémon schien wenigstens nichts dagegen zu haben, denn es schmuste sofort mit Paula.

‚Hoffentlich beeilt Tifi sich.’, flehte sie gedanklich.

Manja sah ziemlich bleich aus, Gonni brabbelte irgendwelches wirres Zeug vor sich hin und sie wusste wirklich nicht, wie lange sie die vier durchgedrehten Tierchen noch bändigen konnte, denn sie fühlte sich mittlerweile ebenfalls alles andere als wohl. Sie musste sich ziemlich konzentrieren um Akarin, dass inzwischen mehr rosa als orange schimmerte, nicht doppelt zusehen.

Warum musste so was auch immer nur ihr passieren?
 

Paula erschien es wie eine Ewigkeit, bis sie endlich näher kommende Schritte vernahm. Kurz darauf, bog Tifi um die Ecke. Sie hatte glücklicherweise ihre Lehrerin im Schlepptau.

„Warum hat das so lange gedauert?“ Auch wenn Paula wusste, dass sie Tifi keinen Vorwurf machen konnte, irgendwie musste sie ihrer Verzweiflung gerade ein wenig Luft machen.

„Tut mir leid, ich musste ihr ja erst mal berichten was passiert ist und dann mussten wir noch ein Gegenmittel holen.“, berichtete ihre Freundin nach Luft ringend.

„Gegenmittel?“

Statt zu antworten wies Tifi auf Prof. Achiella, die sich nicht weiter um die beiden Mädchen gekümmert hatte, sondern gleich auf Manja zugesteuert war. Paula sah nun, wie die Frau ihre Freundin dazu brachte ein feines Pulver einzunehmen. Mit Gonni erfolgte die gleiche Prozedur, wobei es bei ihm etwas mehr Überzeugungsarbeit brauchte, bis er das grünliche Zeug herunterschluckte. Dann kam die Lehrerin auf Paula und Tifi zu.

„Versucht ihnen den Mund zu öffnen.“, wies sie knapp an.

Tifi nahm Paula ihr Plinfa ab und drückte seinen kleinen Schnabel auf. Prof. Achiella streute etwas hinein und wartete dann einige Augenblicke, bis das Pokémon die Medizin auch wirklich herunter geschluckt hatte. Genauso verfuhren sie mit Geckarbor und Panflam, wobei es etwas schwieriger war, sie still zu halten.

„Habt ihr auch etwas abbekommen?“, wandte sie sich nun an die beiden Trainerinnen.

„Ich glaub ein bisschen schon, ich seh jedenfalls nicht mehr so richtig klar.“, gab Paula zu.

Also bekamen auch sie und Tifi eine Portion Gegenmittel verabreicht. Das Zeug war ziemlich bitter und schwer herunter zu bekommen, doch das hatten sie sich ja selber eingebrockt.

Als letzter war Akarin an der Reihe. Paula hatte einige Mühe ihn von seinem geliebten Baumstamm weg zu bekommen, was letztendlich in einem ohrenbetäubenden Gekreische ausartete, aber so hatte sie wenigstens keine Schwierigkeiten ihm den Mund zu öffnen. Kaum hatte ihm die Professorin das Mittel verabreicht, hielt seine Trainerin ihm einfach das Maul zu. Ihre Feuerechse schaute sie zwar ziemlich entrüstet an, aber das war ihr im Moment irgendwie egal. Erschöpft ließ sie sich ins Gras fallen.

„Oh, der Kleine scheint sich ja auch noch mit dem Juckwurz angelegt zu haben.“ Die Lehrerin hatte Glumandas Ausschlag auf dem Bauch bemerkt.

Aus einem kleinen Beutel, der an ihrer Hose hing, holte sie ein Döschen hervor und cremte dem Feuerpokémon die geröteten Stellen ein. Anscheinend schien das augenblicklich Linderung zu verschaffen, denn Akarins Gesichtsausdruck wurde wesentlich entspannter.

„Ruht euch ein paar Minuten aus, dann dürfte alles wieder beim Alten sein.“, riet ihnen Prof. Achiella fürsorglich.

Und tatsächlich, nach ein paar Minuten befanden sich zumindest die vier Schüler wieder im Normalzustand. Die Pokémon sahen immer noch ein wenig benommen aus, denn auf sie hatte das Kraut auch eine wesentlich stärkere Wirkung gehabt.

„Wie ich sehe, sind jetzt alle wieder auf dem Wege der Besserung.“, meinte Prof. Achiella freundlich.

Doch ihr sanfter Ausdruck wich schnell einer ziemlich ärgerlichen Mine: „Nun zu euch, meine Lieben. Kann man Schüler euren Alters wirklich nicht alleine gehen lassen? Hatte ich euch nicht extra gebeten, beim Mitführen eines Feuerpokémons besonders auf es Acht zu geben? Von allen Zehntausend Pflanzenarten in diesem Garten, warum musstet ihr ausgerechnet Anguineus delirius anzünden? Bei stärkeren Konsum, hätte die berauschende Wirkung dieser Pflanze den kleinen Körpern eurer Pokémon durchaus Schaden zufügen können. Ihr habt wirklich noch mal Glück gehabt.“

Im ersten Moment wollte Paula patzig „Warum bauen sie dann so was gefährliches hier an?“ antworten, doch dann wurde ihr selber schnell klar, dass es normalerweise nicht dazu kommen sollte, dass Feuer in dem Garten entstand und so auch nicht damit gerechnet wurde dass die Pflanze ihre Wirkung entfalten konnte.

Deshalb viel ihre Antwort dann doch etwas anders aus: „Es tut uns wirklich Leid, das ganze war ein Unfall. Akarin ist dummerweise in dieses blöde Juckteil gefallen und war dann so aufgekratzt, dass es versehentlich in dem komischen Kraut gelandet ist. Ich weiß, ich hätte besser aufpassen müssen.“

Betreten sahen alle zu Boden. Auch wenn es letztendlich Paulas Pokémon gewesen war, dass das Feuer verursacht hatte, jeder von ihnen hatte diesen Spaziergang nicht so richtig ernst genommen und auch keiner wirklich ernsthaft auf ihre Begleiter geachtet.

Als sie die schuldbewussten Minen ihrer Schüler sah, wurde die Lehrerin gleich wieder milder: „Nun ja, es ist ja zum Glück nichts weiter schlimmes passiert. Und ich denke, ihr habt eure Lektion gelernt. Auch wenn Pflanzen unbedeutend und harmlos erscheinen, in ihnen kann mehr stecken, als ihr vielleicht im ersten Moment vermuten könnt. Also seid einfach in Zukunft etwas vorsichtiger mit unbekannten Dingen. Ich denke, damit ihr gleich ein bisschen mehr über diese Pflanzen lernt, werdet ihr bis zum nächsten mal einen kleinen Vortrag über die Arten, die ihr finden solltet und die, denen ihr heute unfreiwillig begegnet seid, halten. Nichts Großes, nur dass eure Klassenkameraden auch über die lauernden Gefahren informiert sind. Und als Widergutmachung für den verbrannten Anguineus, helft ihr sicher doch gern mal freiwillig mit, wenn es wieder ans Umtopfen der ganzen Jungpflanzen geht, oder?“

Während ihrer Rede hatte sich ihre Laune deutlich verbessert und zum Schluss zwinkerte sie den Vieren sogar wieder zu.

Die waren zwar nicht unbedingt erfreut über die Extraaufgaben, aber wenn sie es sich recht überlegten, kamen sie damit doch ziemlich gut weg und stimmten deshalb ohne zu murren zu.

Nachdem die Pokémon nach und nach ebenfalls wieder zur Besinnung kamen, kehrte die gute Laune wieder zurück. Da die Zeit mittlerweile doch schon ziemlich fortgeschritten war, begaben sie sich mit ihrer Lehrerin wieder Richtung Treffpunkt und ließen sich unterwegs sogar freiwillig ein bisschen was über ein paar wichtige Pflanzen erklären.

Auch wenn der Vorfall sie nicht unbedingt zu großen Pflanzen-Fans gemacht hatte, so hatten sie doch begriffen, dass die ganzen Gewächse vielleicht doch mehr waren, als nur sinnloses Grünzeug.

Neue und alte Bekannte

Während ihre Klassenkameraden in mehreren Gruppen das Gelände erforschten, schlenderte Taja derweil ganz allein durch den Garten. Doch das machte ihr dieses Mal überhaupt nichts aus. Im Gegenteil, es war ihr sogar sehr recht, denn so sah niemand das befreite Lächeln auf ihrem Gesicht. Umgeben von so viel Grün fühlte sich das Mädchen einfach wohl. Pflanzen und Pokémon waren einfach so viel unkomplizierter als Menschen, da fiel es ihr nicht schwer, sich einmal völlig zu entspannen. Entgegen der weitläufigen Meinung Pflanzen seinen langweilig, fand Taja es äußerst spannend die verschiedenen Formen der ganzen Gewächse zu bestaunen. Besonders hier, im gigantischen Tropenhaus, grünte alles unglaublich üppig. An den Wänden des Glashauses, waren in verschiedenen Höhen begehbare Plattformen angebracht, sodass man sogar die verschiedenen Etagen dieses Dickichts erkunden konnte, denn die Bäume, die hier dicht wuchsen, ragten mehrere Meter in den überdachten Himmel. Dazu das feuchtwarme Klima. Taja fühlte sich wirklich fast wie im Urwald. Das Sonnenlicht, dass durch die hohe Glaskuppel brach, tauchte die großen Blätter in geheimnisvoll grüne Farbspiele. Ein leises Rascheln machte die sonst eher stille Umgebung lebendig. Diese Atmosphäre war einfach nur wundervoll.

„Ah, da bist du ja.“ Eine kleine unscheinbare Pflanze hatte Tajas Aufmerksamkeit erregt. Die kleinen grün-rot panaschierten, herzförmigen Blätter lugten gerade so unter einem imposanten Wedel hervor. Hätte Taja nicht auf Grund ihres Aufgabenblattes nach ihr gesucht, hätte sie das Pflänzchen wohl übersehen. Dabei sah es wirklich sehr hübsch aus und laut der Informationen auf dem Namensschild, war es auch sehr nützlich, denn es linderte Schwellungen und Entzündungen bei Pokémon und Menschen. Das Mädchen las sich die Erklärungen durch und notierte sich alles sorgfältig.

Dann strich sie liebevoll über die Blätter der Pflanze: „Du bist ein tolles Pflänzchen, schade, dass du so im Schatten wächst.“

Für einen Moment war Taja versucht, den beschattenden Wedel einfach abzubrechen, doch dann erinnerte sie sich daran, dass Pflanzen immer an ihren Standort angepasst waren. Vielleicht gehörte dieses Gewächs einfach in den Schatten. Also ließ sie alles, wie es war.

„Wachs schön weiter, Kleines. Irgendwann wirst du mal jemanden helfen.“, ermutigte Taja die Pflanze und störte sich dabei überhaupt nicht daran, dass viele fanden, dass es idiotisch war, mit Grünzeug zu reden. Doch sie kannte wohl genauso viele Menschen, bei denen es ebenso sinnfrei war, auch nur ein Wort mit ihnen zu wechseln. Und Pflanzen hatten zumindest den Vorteil, dass sie keine Widerworte gaben.

Gedankenverloren schlenderte Taja weiter. Eine Pflanzen galt es noch zu finden, doch da sie genügend Zeit hatte, bleib sie noch hier und da stehen um sich ein paar zusätzliche Notizen zu machen. Eins war ihr jetzt schon klar, der Garten war ein Ort, an dem sie sich sicher öfter aufhalten würde. Es herrschte so eine friedliche Atmosphäre. Alles war so wundervoll still, nur ein leises Rascheln der Blätter begleitete ihren Weg. Ein Rascheln, dass nur wenig später unerwarteter Weise immer lauter wurde. Etwas verwundert blieb Taja stehen und lauschte den Geräuschen. Anscheinend kam da etwas durch das Gebüsch und zwar direkt auf sie zu. Noch bevor die Schülerin reagieren konnte, schoss etwas aus dem Blattdickicht hervor. Keine Sekunde später wurde sie von einem beigen Ball zu Boden geworfen. Während sie ziemlich unsanft auf ihrem Hinterteil landete, griff Taja instinktiv nach ihrem Angreifer. Das wild zappelnde Etwas in ihren Armen machte es nicht gerade einfach sich wieder aufzurichten.

„Hey, hey, beruhige dich.“, sprach sie die zitternde Kugel an.

Plötzlich wurde es ruhig in ihren Armen. Dafür drehte sich das ballonartige Wesen leicht nach oben, sodass ein Gesicht zum Vorschein kam, das sie grimmig anstarrte: „Knilz!“

Das Pokémon schien nicht unbedingt begeistert davon, festgehalten zu werden. Da Taja keine Lust verspürte, von einer Stachelsporen-Attacke außer Gefecht gesetzt zu werden, wollte sie das wilde Pokémon gerade auf den Boden absetzen, als ein Ruf sie inne halten ließ.

„Knilz, wo bist du?“, schallte es durch das Dickicht. Das Rascheln der Blätter wurde wieder lauter und nur einen Augenblick später brach eine Gestalt durch das Geäst. Als sie stehen blieb, konnte Taja einen Jungen ausmachen, der nicht viel älter als sie selbst schien. Als er bemerkte, dass Knilz an seiner Flucht gehindert wurde, hielt er ebenfalls inne. Keuchend stützte er sich auf seine Knie und versuchte erst mal wieder richtig Lust zu bekommen. Sein hochrotes Gesicht ließ vermuten, dass er sich gerade ziemlich angestrengt hatte. In dieser Position verharrte er einige Augenblicke lang.

„Ist alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja besorgt, denn ihr Gegenüber starrte auf den Erdboden und hatte immer noch keinen Ton von sich gegeben.

„Oh ja, alles ok. Ich bin bloß ziemlich außer Puste. Ich jage Knilz jetzt schon seit ner halben Stunde hinterher. Echt, tausend Dank, dass du es geschnappt hast.“ Er lächelte sie dankbar, aber etwas gequält an.

„Ehm, das war eigentlich nur Zufall. Es ist mir praktisch in die Arme gelaufen.“, erklärte Taja verlegen.

„Egal, ich bin nur froh, dass es aufgehört hat zu rennen. Noch einen Meter weiter und ich wäre umgekippt.“ Zur Verdeutlichung seiner Aussage ließ er sich ins Gras fallen.

Er schien wirklich völlig erschöpft. In Anbetracht seiner etwas fülligeren Gestalt, war das wohl auch kein Wunder, wenn er tatsächlich schon so lange gelaufen war.

„Darf ich fragen, warum du Knilz gejagt hast?“, erkundigte sich Taja zaghaft.

Ihr war noch nicht ganz klar, was sich hier gerade abspielte.

„Ach, das is ne lange Geschichte. Wenn ich wieder Luft hab, erzähl ich sie dir.“, brachte der Gefragte schnaufend hervor.

Taja verstand die Aufforderung und ließ sich schweigend neben ihm nieder. Das Pflanzenpokémon in ihren Armen hatte sich wieder beruhigt, also setzte sie es vorsichtig auf den Boden. Es schaute etwas argwöhnisch, als der Junge seine Hand nach ihm ausstreckte und kurz leicht über den Pilzkörper fuhr. Das Pokémon zuckte etwas zusammen, ließ es aber zu. Die beiden schienen sich demnach zu kennen.

Während er sich mit dem Pokémon befasste, musterte ihn Taja kurz. Unter einer leuchtend grünen Gärtnerschürze, die sich um seinen Laib spannte, lugten ein einfaches T-Shirt und ausgewaschene Jeans hervor, die wirklich schon mal bessere Tage gesehen hatten. Seine etwas längeren blonden Haare waren auch nicht unbedingt frisch gekämmt und hier und da waren ein paar braune Flecken auf der Haut zu sehen. Vermutlich hatte er mit Erde zu tun gehabt. Bis auf seine ziemlich eng zusammenstehenden blauen Augen im leicht kantig wirkenden Gesicht, gab es nichts weiter besonders Auffälliges an ihm, sodass Taja ihre Aufmerksamkeit eher dem ebenfalls rundlichen Pokémon zuwendete. Es hatte sich offensichtlich gefasst und schaute auch etwas versöhnlicher.
 

„Ok, jetzt geht’s mir wieder besser. Also erst mal, ich bin Mike. Danke noch mal für deine Hilfe.“, eröffnete der Junge das Gespräch.

Ihr Gegenüber machte einen netten Eindruck.

„Freut mich, ich heiße Taja. Kein Problem, war ja nichts weiter.“, stellte sich das Mädchen ebenso vor.

„Na für mich schon. Ich hätte mir noch die Füße wund gelaufen, bevor ich Knilz erwischt hätte. Warum es auch immer so ne Panik machen muss?“, seufzte Mike.

„Was ist denn nun eigentlich passiert?“, hakte Taja nun neugierig nach.

„Na ja, weißt du, ich habe Knilz noch nicht sehr lange und deshalb sind wir noch nicht ganz so dicke miteinander. Und leider ist Knilz auch ziemlich schreckhaft und kriegt bei jeder Kleinigkeit die große Panik. Deshalb habe ich erst im Garten Sedaruskraut holen wollen. Dessen ätherische Öle lassen Pokémon nämlich friedlicher werden. Aber als ich was davon abschneiden wollte, habe ich dummerweise eine Gießkanne umgestoßen. Tja, und wegen dem lauten Scheppern hat Knilz die Krise bekommen und ist wie angestochen ne halbe Ewigkeit kreuz und quer durch den ganzen Garten gejagt. Da ich nun mal nicht der Schnellste bin, hab ich es einfach nicht wieder zu fassen bekommen.“, gab der Junge verlegen zu.

„Na dann bin ich ja froh, dass ich zufällig hier lang gekommen bin.“, erwiderte Taja schmunzelnd.

„Und ich erst. Wenn du es nicht aufgehalten hättest, wäre Knilz wohl jetzt über alle Berge und ich hätte ein Pokémon weniger.“, meinte Mike dankbar lächelnd.

„Soweit ist es ja zum Glück nicht gekommen.“

„Wäre auch schade, denn es hat mich schon einiges an Rennerei gekostet Knilz zu fangen.“ Die Erinnerung daran brachte ihn zum Lachen.

„Es ist wohl flinker, als es im ersten Moment aussieht.“ Taja betrachtete das Pilzpokémon näher.

Es war so rund und hatte nur ziemlich kurze Beine, sodass es nicht unbedingt den Eindruck machte, besonders schnell zu sein. Aber Sakura sah auch total niedlich aus und in Wahrheit...

„Ja, das stimmt, besonders wenn es in Panik gerät. Es ist schnell, aber ein kleiner Angsthase.“, gab der Junge grinsend zu.

„Und dieses Kraut, das du erst erwähnt hast, das soll dagegen helfen? Macht es Pokémon wirklich ruhiger?“, lenkte die Schülerin auf ein anderes Thema.

„Ja, wenn sie daran riechen, werden viele Pokémon ein wenig zahmer. Es funktioniert fast wie eine Sanftglocke, nur müssen es die Pokémon nicht selber tragen. Man schleppt als Trainer einfach ein paar Blätter mit sich rum und wenn das Pokémon einen Anfall bekommt, zerreibt man sie und lässt es den Duft einatmen. Dann kommen sie sich meist wieder runter.“, erklärte Mike ausführlicher.

„Hm, das ist wirklich sehr praktisch.“, murmelte Taja in Gedanken versunken.

Natürlich war ihr bei der Beschreibung sofort ihr eigener kleiner Problemfall eingefallen. So ein natürliches Beruhigungsmittel konnte ja nicht schädlich sein und vielleicht war es eine gute Möglichkeit Flemmlis Aggressionen zumindest erst einmal etwas zu mildern, sodass es nicht immer ganz so austickte.

„Wäre es denn möglich, ein bisschen was von dem Kraut zu bekommen?“, fragte sie vorsichtig an und fügte dann erklärend hinzu, „Ich habe nämlich auch ein Pokémon, was oft überreagiert und vielleicht könnte ich es somit ein wenig besser unter Kontrolle bekommen.“

Mike dachte kurz nach, machte dann aber ein zuversichtliches Gesicht: „Ich denke, das ist kein Problem. Prof. Achiella wird sicher nichts dagegen haben. Hast du schon dein eigenes Beet?“

An der Art ihrer Schuluniform hatte er erkannt, dass das Mädchen zum neuen Jahrgang gehören musste.

Taja bestätigte dies mit Nicken.

„Na super, dann kann ich dir auch nen Setzling geben und du ziehst dein eigenes Exemplar, dann hast du immer genügend Vorrat.“, schlug er vor.

„Gerne, aber geht das denn so einfach?“ Taja konnte sich nicht vorstellen, dass die Professorin erlaubte, dass die Pflanzen ihres Gartens so einfach verschenkt wurden.

„Klar! Weißt du, ich arbeite hier als Hilfsgärtner mit und deshalb hab ich nen guten Draht zur Chefin. Wenn ich ihr sage, dass du mir geholfen hast, wird sie dir das Kraut praktisch hinterher schmeißen.“, prophezeite Mike lachend.

Auch Taja musste lächeln: „Na dann nehme ich das Angebot an.“

„Dann komm am besten morgen früh vorbei und ich topf dir was ab, ok? Ich bin eigentlich meistens im Kräutergarten, ansonsten frag einfach irgendjemanden nach mir.“

„Gut. Dann vielen Dank.“, bedankte sich das Mädchen höflich.

Aber der Junge winkte nur ab: „Ach was, dafür, dass du mir weitere Kilometer Rennen erspart hast, ist das gar nichts.“

Auf Knilz’ Sportprogramm schien er wirklich keine Lust zu haben. Allerdings rappelte er sich nun wieder auf und holte das Pokémon in seinen Ball zurück.

„So, ich muss langsam mal wieder an die Arbeit.“

Auch Taja beendete die kleine Pause: „Ja, ich auch. Vielen Dank noch mal und dann bis morgen.“

„Dir auch, bis morgen.“, verabschiedete sich Mike.

Doch kaum, dass sich Taja zum Gehen umwand, fiel ihr noch etwas ein: „Sag mal, weißt du, wo diese Pflanze hier steht?“

Sie zeigte dem jungen Gärtner ihr Arbeitsblatt, auf dem nur noch ein Feld unausgefüllt war. Zwar hatte sie eigentlich vorgehabt alles allein zu erkunden, doch auf Grund des Zwischenfalls mit dem Sporenpokémon, war die Zeit doch fortgeschrittener als geplant.

Mike warf einen Blick auf das Bild, überlegte kurz und meinte dann: „Ach klar, die steht im Gebirgsquartier. Komm mit, ich bring dich hin, das liegt auf dem Weg.“

Dankend nahm Taja das Angebot an und ließ sich unterwegs von ihrer neuen Bekanntschaft noch einiges über verschiedene Pflanzen erzählen, sodass sie zum Schluss mehr als zwei Zusatzblätter mit Informationen hatte.
 

Zur der vereinbarten Zeit trudelten langsam alle Schüler der C-Klasse wieder am Springbrunnenplatz ein, an dem Vier von ihnen bereits mit ihrer Lehrerin warteten. Die anderen schienen nichts von dem kleinen Tumult mitbekommen zu haben und Prof. Achiella erwähnte es ebenso mit keinem Wort, als sie ihre restlichen Schüler begrüßte und die mehr oder weniger ausgefüllten Aufgabenblätter einsammelte.

„Wunderbar, ich hoffe eure Erkundungstour hat euch gefallen und war auch lehrreich.“

Nur Paula und ihre Freunde verstanden das Zwinkern, das die Lehrerin ihnen zuwarf, bevor sie in ihrem Text fortfuhr: „Nun, da wir alle wieder beisammen sind, machen wir noch einen kleinen Abstecher zur Beerenplantage. Es ist auch nicht weit. Bitte folgt mir.“

Obwohl viele vom Laufen durch den Garten schon ziemlich müde waren, kamen sie der Aufforderung ohne Murren nach. Es dauerte auch wirklich nicht lange, bis ein großes Waldgebiet voller merkwürdiger Bäume und Sträucher in ihre Sicht kam. Während sie an der seltsamen Gewächsen vorbei gingen, fielen ihnen deren Früchte ins Auge, die genauso merkwürdige Formen besaßen. Einige in der Klasse hatten die ein oder andere Frucht schon mal gesehen und stupsten ihre Mitschüler an, um ihr Wissen flüsternd weiterzugeben. Sie wanderten ein Weilchen in einen etwas abseits gelegenen Teil, der im Gegensatz zu dem sprießenden Grün in der Umgebung, wie karges Ödland aussah.

„So, hier wären wir. Das hier wird ein wichtiger Ort für euch, denn jetzt gleich erhält jeder von mir ein kleines Stück Land, auf dem er in Zukunft seine eigenen Beeren und wenn ihr möchtet, auch andere Kräuter ziehen könnt. Alles was man zum Heilen oder auch für anderen Dinge benötigen kann, wird für euch im Laufe der Zeit in der ein oder anderen Weise erhältlich sein. Wie genau, verrate ich euch später. Heute möchte ich mit euch den Grundstock legen.“ Prof. Achiella trat hinter eine große Kiste, die in der Landschaft herumstand, und kam mit einem großen Karren voller Früchte wieder.

Strahlend berichtete sie weiter: „Hier drin ist je ein Exemplar von 20 üblichen Beeren. Jeder darf sich eine davon nehmen und sie auf seinem Beet einpflanzen. Wenn ihr sie gut pflegt, werdet ihr bald, im wahrsten Sinne des Wortes, die ersten Früchte eurer Arbeit ernten können. Eine Pflegeanleitung gebe ich euch natürlich auch dazu. Ihr seid nicht dazu verpflichtet euch außerhalb des dafür vorgesehenen Unterrichts um euer Beet zu kümmern, doch es würde euch schon gewisse Vorteile einbringen.“ Wieder zwinkerte die Frau ihren Schülern bedeutungsvoll zu.

Die hatten zwar nicht wirklich Ahnung, was genau sie damit meinte, konnten sich aber schon vorstellen, dass es ganz praktisch war, immer über einen eigenen Vorrat gewisser Beeren verfügen zu können. Ob sie dieser Anreiz auch zu praktischen Taten anregte, war bei einigen allerdings mehr als fraglich.

„So, dann will ich euch nicht länger aufhalten. Die Beete sind abgeteilt und mit eurem Namen versehen. In der Kiste sind Arbeitsgeräte. Sucht euch eine Beere aus und los geht’s!“, lud Prof. Achiella ihre Studenten enthusiastisch ein.

Enthusiasmus war bei den Wenigsten zu spüren, aber immerhin gab es etwas umsonst, also sagte keiner Nein zu dem Angebot.

Taja war eine der Ersten, die sich aus dem Berg der Beeren eine aussuchte. Da sie so gut wie alle identifizieren konnte, konnte sie ihre Wahl gerichtet treffen. Obwohl das Objekt ihrer Begierde nicht gerade zu ihren Lieblingsbeeren zählte, fiel ihr die Entscheidung nicht schwer, denn das Mädchen wusste einfach, dass sie diese Beeren wohl sicher brauchen würde. Mit einer faustgroßen, bläulichen Sammelnussfrucht mit einem kleinen grünen Blattschopf und den nötigen Geräten steuerte Taja auf die große Freifläche zu. Die einzelnen Gebiete waren durch getretene Wege voneinander abgegrenzt und mit kleinen Namensschildern versehen. Ziemlich weit hinten fand sie schließlich ihr zugewiesenes Beet, das gar nicht so klein war. Hier würde sie wirklich eine ganze Menge Pflanzen anbauen können.

Taja las sich kurz die Anweisungen für die Pflanzung durch, bevor sie sich einen Spaten schnappte, ein genügend großes und tiefes Loch buddelte und die Fragiabeere behutsam darin versenkte.

„Bitte werde eine kräftige Pflanze.“, wünschte sie sich, während sie den frischen Erdhügel mit Wasser begoss.

Nach getaner Arbeit ließ Taja ihren Blick zufrieden lächelnd über ihre Parzelle gleiten. Sie hoffte, dass die Beere und alle anderen zukünftigen Anpflanzungen hier gut gediehen und... vor allem ihre Pflege langfristig überlebten. Denn mit Zimmerpflanzen hatte Taja trotz liebevoller Zuwendung meist kein sehr großes Glück. Doch das wendete sich jetzt hoffentlich.
 

Paula machte um die Beeren keine große Sache. Die Teile in der Schubkarre sagten ihr alle nichts, deshalb griff sie sich einfach eine, die ihr von der Form her zusagte. Das kleine Gewächs war kugelig mit einem lustig gekringelten Stiel und das beste – es war feuerrot. Zu der Beere bekam die Schülerin einen Zettel, der ihr neben lauter Anweisungen für die Pflege auch den Namen ihres Besitzes verriet.

‚Amrenabeere – heilt Paralyse. Ah, wie praktisch, wenn Akarin mal gegen ein Elektropokémon kämpfen muss.’, stellte sie gedanklich fest.

Auch die anderen Drei hatten sich eine Beere ausgesucht und so machten sie sich gemeinsam auf die Suche nach ihren Landstücken. Glücklicherweise lagen die jeweils nicht weit voneinander entfernt, sodass sich Gonni nach ein paar lieben Blicken überreden ließ, die Löcher für die drei Mädchen mit auszuheben und nach Einlagerung der Frucht auch gleich wieder zuzubuddeln. So blieb ihnen nur noch das Gießen und fertig waren sie.

Auch für ihre Klassenkameraden war das keine schwere Aufgabe und so waren sie alle nach ein paar Minuten fertig.

„Das habt ihr wirklich sehr schön gemacht. Ich drück euch die Daumen, dass alles gut gedeiht. Und wenn ihr dann die ersten Ergebnisse habt, könnt ihr eure Beeren auch untereinander austauschen, sodass ihr irgendwann alle ziehen könnt. Aber für heute war es erst mal genug Gartenarbeit. Die Stunde ist auch gleich vorbei. Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig von der faszinierenden Welt der Pflanzen vermitteln. Dann sehe ich euch nächste Woche wieder. Bis dahin noch viel Spaß.“

Mit Prof. Achiellas Abschlussrede war auch diese Stunde endlich erledigt. Bald war ein erholsamer Nachmittag in Sicht. Doch zunächst galt es eine weitere Stunde Kampfunterricht zu überstehen. Und die würde es in sich haben.
 

Vom botanischen Garten bis zur Trainingsarena war es ebenfalls eine ziemliche Strecke, aber eigentlich ganz gut zu schaffen. Allerdings passten alle ihr Tempo so an, dass sie nur eine Minute vor Unterrichtsbeginn am Ziel ankamen, damit Prof. Weston ihnen nicht schon wieder die Pause klaute, die sie nach der ganzen Hetzerei wirklich verdient hatten.

So betraten sie erst kurz vor dem Stundenklingeln das Gebäude, was außer ihrem schon wartenden Lehrer, völlig leer war.

Prof. Weston stand in mitten des Kampffeldes und hatte die Arme verschränkt. Er sah irgendwie schon wieder aus, als wäre ihm eine ganze Läusekolonie über die Leber gelaufen.

Seine Begrüßung fiel dementsprechend freundlich aus: „Wie überaus reizend, dass sie auch schon eintreffen.“

Paula war schon versucht zu sagen, dass sie noch pünktlich waren, aber noch mehr Zusatzarbeit wollte sie sich für das nahende Wochenende nicht aufladen, also hielt sie lieber die Klappe und ging mit dem Rest der Klasse schweigend zur Tribüne um ihre Taschen abzustellen. Kaum waren sie fertig, gab er auch schon die erste Anweisung.

„Versammeln sie sich mit ihren Pokémon auf der Seite des Feldes, damit wir umgehend anfangen können.“ Er wies ihnen einen Platz zu und wartete mit leicht ungeduldiger Mine bis sich alle eingefunden hatten. Oder zumindest fast alle, denn Taja hatte sich wieder zur Beobachtung auf eine der hinteren Bänke zurückgezogen.

„Da in ihren ersten Kämpfen deutlich wurde, dass es ihren Pokémon noch an sauberer Ausführung ihrer bereits bekannten Attacken fehlt, werden wir uns heute bevorzugt diesem Thema widmen. Zuvor sollen jedoch eine vernünftige Erwärmung und ein paar Geschicklichkeitsübungen im Fokus stehen. Lassen sie ihre Pokémon deshalb nun drei Runden um das Feld laufen.“

Etwas argwöhnisch schauten sich die Schüler an. Ob das wieder so ein Test für sie war? Aber da er dieses Mal eine Rundenbegrenzung angegeben hatte, schien es wohl ein ganz normales Aufwärmtraining zu sein. Also ließen alle ihre Pokémon frei und erklärten ihnen kurz was zu tun war. Ohne zu zögern leisteten die kleinen Wesen dem Folge. Ehe Paula Akarin erst lang und breit etwas vorkauen musste, hatte Kev ihm schon einen Schubs gegeben, sodass es ganz automatisch in den Trott der Anderen kam.

Nach drei Runden gab Prof. Weston auch tatsächlich den Befehl zum Anhalten. Die Pokémon keuchten zwar ein bisschen, schienen aber noch recht fit. Von Ausruhen war aber nicht die Rede, denn kaum hatten alle das Feld verlassen, betätigte Prof. Weston einen Schalter in der Wand. Für einen Moment erfüllte gespannte Stille die Halle, dann war ein dumpfes Summen zu vernehmen.

Plötzlich teilte sich das eine Trainingsfeld in zwei Hälften, die fast lautlos auseinander glitten und in der Randbegrenzung verschwanden, während ein Plateau nach oben fuhr. Als die Fläche zum Stehen kam, gab sie eine Reihe kurzer Pfähle preis, die in unregelmäßigen Abständen aus dem Boden ragten.

Die C-Klasse tauschte fragende Blicke. Was hatte er den jetzt wieder vor?

Prof. Weston blieb ihnen die Erklärung auch nicht lange schuldig: „Lassen sie ihre Pokémon nun im Slalom um die Pfähle laufen.“

Das hörte sich nicht sonderlich schwer an und die Pokémon schienen auch Spaß daran zu haben. Zumindest die, die sich gerne bewegten, denn einige von Natur aus etwas breitere Tierchen, hatten bei manchen Engpässen ein paar Probleme galant um die Hindernisse zu schlüpfen. Prof. Weston beobachtete alles mit verbitterte Mine und ließ sie das ganze Spiel mehrmals wiederholen.

„Nun gut, die Grundbeweglichkeit ist vorhanden. Jetzt werden wir das Niveau erhöhen.“, verkündete der Lehrer und machte sich wieder am Schaltpult zuschaffen.

Augenblicklich zogen sich die Pfähle in ihre Versenkung zurück, doch nur um Sekunden später wieder daraus hervorzuschnellen und zwar in unterschiedlichen Abständen und Geschwindigkeiten. Das Ganze sah irgendwie aus, wie ein Feld voller sprießender Digda.

Die Schüler schluckten. Sie hatten so eine leise Ahnung, was als nächstes geschehen würde.

Das leicht gehässige Lächeln ihres Lehrers bestätigte dies: „Die nächste Aufgabe besteht darin, diesen Parcours zu durchqueren. Es kommt dabei auf Geschicklichkeit, Schnelligkeit und gutes Augenmaß an. Doch ihr Pokémon wird dies nicht allein durchstehen müssen, denn sie werden ihren Partner per Anweisung dort durchmanövrieren. Also bemühen sie sich um ein gutes Timing. Sollte es dabei einen der Pfähle berühren, erwarten sie beide zusätzliche Trainingseinheiten.“

Ein kurzes Stöhnen ging durch die Reihen, das jedoch von einem harschen Blick ihres Professors beendet wurde.

„Fangen sie an!“ Sein bellender Befehl ließ die murrenden Schüler zusammen fahren. Es hatte zwar keiner Lust das zu machen, aber es erbarmte sich schließlich die Erste.

Gespannt sahen alle zu, wie sich das Paar anstellen würde. Auch Paula beobachtete interessiert, wie das Endivie mit den Befehlen seiner Trainerin ziemlich wendig durch die rhythmisch nach oben stoßenden Stäbe huschte.

‚Rhythmisch?’, schoss es ihr durch den Kopf.

Das war es! Die Pfähle hatten sicherlich eine bestimmte zeitliche Abfolge. Wenn sie die herausfinden konnte, würde sie Akarin sicher durch das Feld lotsen können. Ihr Pokémon hatte zwar den Vorteil, dass es etwas kleiner als die anderen war, aber es hatte einen ziemlich langen Schwanz, der bei manchen Stellen zum Problem werden konnte. Selbst das flinke Pflanzenpokémon hatte eben die Kurve nicht mehr rechtzeitig bekommen und wurde von einem Stab gestreift. Es lief zwar weiter, doch nun hatte es erst recht Schwierigkeiten sich zu koordinieren, sodass es noch weitere Kollisionen gab, bis es endlich den Ausgang aus dem Stöckewald erreichte.

Prof. Weston fackelte nicht lange und schickte den ersten Kandidaten in die Strafrunde: „Sie können dann gleich 10 Runden um das halbe Feld laufen. Anschließend noch 100 Seilsprünge und 20 Liegestütze. Und zwar Beide!“

Der Klasse klappte der Mund auf. Die Zusatzeinheit hatte es in sich. Nun hatte erst recht Keiner mehr die Ambition es zu probieren. Doch der Lehrer rief einfach den Nächsten auf und drohte mit Verdopplung des Pensums, wenn sie sich weigern würden.

Also unterzog sich Einer nach dem Anderen, dem Slalomlauf. Einige waren bereits zu Beginn so verunsichert, dass sie ihre Pokémon schon direkt in die ersten Pfähle schickten, während andere bis kurz vor Schluss kamen, bis ein Geschoss ihren Partner traf. Und so wanderte jeder in die Strafrunde.
 

Immer mehr lichtete sich das Feld der Übriggebliebenen. Umso konzentrierter versuchte Paula den Verlauf der Stäbe zu verfolgen. Fast schon zu konzentriert, denn Prof. Weston musste sie erst zweimal rufen, bis die Schülerin es mitbekam. Sie war sich zwar sicher, das Prinzip der ersten Hindernisse verstanden zu haben, aber ob es auch alles in der Praxis glatt laufen würde, war eine andere Frage.

Aber zu viel über das Ganze nachdenken war auch nicht gut, also schnappte sie sich entschlossen Glumanda und ging mit ihm an die Startlinie.

„Akarin, du musst jetzt ganz genau zuhören. Du musst durch die ganzen Stäbe da laufen. Ich werde dir immer sagen, wohin und du musst ganz schnell reagieren, verstanden?“, belehrte die Trainerin ihren Liebling.

Der sah sie zwar zunächst etwas unschlüssig an, nickte dann aber und wand sich neugierig dem seltsamen Feld zu.

„Los geht’s!“, gab Paula das Startzeichen, woraufhin Akarin sich auch sofort in Bewegung setzte.

„Rechts! Aufpassen! Nach links! Schnell nach vorn! Links, jetzt Rechts! Vorsichtig! Nach Rechts! Halt! Links!“ Mit knappen Befehlen führte das Mädchen ihr Pokémon durch die heraussprießenden Stäbe. Bei den Ersten war es kein Problem, denn der Abstand war noch relativ groß, doch weiter hinten würde es eng werden. Akarin regagierte jedoch überraschend gut und so kamen die beiden problemlos bis zur Mitte.

Als nächstes standen ihnen zwei Stäbe im Weg, die nebeneinander zu unterschiedlichen Zeiten hochschossen. Hier war exaktes Timing gefragt, damit Akarin auch durch die Lücke passte.

Paula wartete gespannt auf den richtigen Augenblick und gab dann das Kommando: „Jetzt!“

Ihr Partner zuckte, doch er zögerte den Bruchteil einer Sekunde zu lang. Als Akarin vorschoss, war der linke Pfahl bereits auf dem halben Weg nach oben. Der Rechte folgte ihm im nächsten Augenblick und erwischte das Feuerpokémon, das davon ein wenig zurückgeworfen wurde und auf seinem Hintern landete.

‚Auf in die Strafrunde.’, dachte Paula deprimiert.

Dabei hatte sie sich so angestrengt. Doch für lange Grübelein blieb keine Zeit, denn mit Schrecken musste sie erkennen, dass die Feuereidechse genau auf einem der Bodenaussparungen gelandet war. Und daraus würde gleich wieder ein Pfahl schießen.

„Akarin, mach, dass du runter....“

Aber es war bereits zu spät.

Verwundert sah ihr Pokémon nach unten, als es plötzlich etwas unter sich spürte. Einen Augenblick später, wurde es vom Boden weggetragen. Instinktiv klammerte es sich an dem komischen Teil unter sich fest. Zum Glück waren die Stäbe abgerundet, sodass sich der Kleine nicht verletzten konnte und er hatte auch keinen der schnellsten Stäbe erwischt. Etwas ängstlich wurde Akarin etwa einen halben Meter in die Höhe getragen, um dann wieder gen Erdboden zurück zugleiten.

Paula atmete erleichtert auf. Ihr Pokémon hatte sich nichts getan und schien auch nicht in der Gefahr herunter zu fallen. Und gleich war es ja auch wieder am Boden. Als der Stab in der Versenkung verschwand, fand Glumanda wieder Halt.

„Jetzt weg da!“, wies die Trainerin an.

Aber ihr Pokémon dachte gar nicht daran. Es wartete gespannt, bis das Holz wieder aus dem Boden kam, setzte sich drauf und ließ sich nach oben transportieren. Der Stab fuhr hoch und runter, und oben drauf saß ein vor Freude quietschendes Glumanda.

Zunächst war Paula etwas verdattert, dann musste sie jedoch lachen. Akarin sah einfach zu goldig aus, wie es da freudestrahlend sein neues Spiel genoss.

Erst Prof. Westons ärgerliches Räuspern und sein nicht unbedingt angetaner Blick veranlassten sie, ihrem Pokémon Einhalt zu gebieten. Es war zwar ein wenig traurig seinen neuen Spielgefährten verlassen zu müssen, hatte dann aber auch wieder ungemeine Freude dran durch die anderen Hindernisse zu wuseln. Es störte sich auch nicht daran, dass es hier und da gegen einen lief.

Als Akarin durch war, zog Prof. Weston nur missbilligend die Augenbraue hoch und wies stumm auf das angrenzende Feld.

Paula erwiderte das nur mit einem verlegenen Lächeln, schnappte sich ihr Pokémon und begann die qualvolle Zusatztortur.

Nachdem alle durch den Parcours und die Strafrunde waren, ließ ihnen der Lehrer zumindest eine kurze Verschnaufpause, während er einen Vortrag darüber hielt, dass sie im Zusammenspiel mit ihren Partner noch eine Menge zu lernen hätten und, dass die Agilität der Pokémon auch noch eine Menge zu wünschen übrig ließ. Aber da die Meisten noch außer Puste waren, hörten ihm die Wenigsten zu.

„In Zukunft werden sie sich nun also jede Stunde diesen Hindernislauf unterziehen. So lange, bis sie alle in der Lage sind, ihn fehlerfrei zu durchqueren.“, verkündete der Professor nun, „Doch nun werden wir uns mit der Verbesserung der Qualität ihrer Attacken befassen. Gruppieren sie sich nach Attacken „Tackle“, „Pfund“ und „Kratzer“ und suchen sie sich einen freien Übungspfahl.“

Mit der Betätigung eines weiteren Schalters, wechselte die Formation der Stäbe, sodass sie nun mit genügend großem Abstand zueinander aus dem Boden ragten. Die Schüler tauschten sich kurz aus, um ihre richtigen Kameraden zu finden und suchten sich dann wie geheißen einen Platz.

Als alle bereit waren, ließ Prof. Weston wieder seine Stimme durch die Halle schallen: „Lassen sie nun ihre Pokémon die jeweilige Grundattacke gegen das Trainingsgerät ausführen. Beobachten sie es dabei genau und stellen vorhandene Schwachstellen fest. Ich werde herumgehen und ihnen ebenfalls Hinweise geben, also fahren sie mit dieser Übung fort, bis ich das Stoppzeichen gebe.“

Damit war alles erklärt und die jungen Trainer konnten loslegen. Entschlossen schickten sie ihre Gefährten gegen die Holzgegner. Es war eine gute Übung um Kraft und Präzision zu verbessern und so machte sich auch Paula motiviert daran, die Attacke ihres Pokémons zu optimieren.
 

Oder zumindest erst einmal zu lernen, denn als sie Akarin den Befehl zum Kratzer gab, sah der sie nur mit großen, verständnislosen Augen an. Erst als Paula ihm noch mal vormachte, was es zu tun hatte, nickte die rote Echse.

Entschlossenen Blickes stürmte es auf den Pfahl zu, holte aus und ... umschlang den Holzklotz mit einer fröhlichen Umarmung.

‚Oh, Akarin...’ seufzte Paula innerlich halb lachend, halb betreten.

Ihrem Pokémon richtig Kämpfen beizubringen, war gar nicht so einfach wie gedacht. Vor allem da es bei allen anderen automatisch gut klappte. Warum wusste nur ausgerechnet IHR Pokémon nicht wie man Standartattacken einsetzte? Und kuschelte zu dem noch wesentlich lieber, als zu kämpfen.

Aber Aufgeben war natürlich keine Option. Also ging die Trainerin zu ihrem Partner, löste ihn aus der Knuddelattacke und nahm seine Pfote. Sie rückte Akarin zurecht und führte dann die Gliedmaße wie bei einer Attacke schräg von oben nach unten, sodass seine Krallen leichte Striemen im Holz hinterließen.

„Siehst du, so geht ein Kratzer.“, versuchte Paula es ihm praktisch klar zu machen.

Plötzlich leuchteten die Augen des Feuerpokémons auf. Hoffnungsvoll betrachtete das Mädchen nun den Ansatz der nächsten Attacke und ... wurde enttäuscht. Akarin holte zwar vernünftig aus, machte aber statt eines richtigen Angriffs voller Enthusiasmus kleine Schnitzer ins Material, sodass ein wirres Muster aus Kratzern entstand, von dem es total fasziniert war. Fröhlich „Glu, Glu, Glumanda“ vor sich hersingend, bearbeitete es den Holzgegner, bis dieser mit einer hübschen Verzierung versehen war.

‚Also künstlerisch begabt ist Akarin schon mal.’, stellte Paula lachend fest.

Auch wenn es nicht das machte, was es sollte, sie konnte ihrem kleinen Schatz einfach nicht böse sein.

Dafür war es jemand anderes, der die ganze Szenerie schon eine Weile kopfschüttelnd beobachtet hatte. Nun trat er direkt hinter die Studentin.

„Paula, kommen sie nach dem Unterricht kurz zu mir.“, sagte die eiskalte Stimme ihres Lehrers, bevor er sich wieder abwand und jemand anderen in die Mangel nahm.

‚Na toll.’ Die Trainerin musste schlucken. Was hatte sie denn nun wieder angestellt und vor allem, was für ein Aufsatz würde sie dieses mal wohl erwarten?

Doch das hatte Zeit bis zum Ende der Stunde. Immerhin galt es noch Akarin irgendwie begreiflich zu machen, wie es Kratzer einsetzen sollte, was sich jedoch für diese Trainingseinheit als ergebnislos herausstellte.

Mit den ganzen verschiedenen folgenden Trainingsmethoden vergingen die verbleibende Zeit dann doch schneller als gedacht. Als die Pausenklingel ertönte, war Prof. Weston sogar tatsächlich so gnädig den Unterricht auch zu beenden. Während sich alle so schnell wie möglich aus dem Staub machten, ließ sich Paula Zeit ihre Sachen zu holen. Ihre Freunde hatten ihr bereits ein Zeichen gegeben, dass sie vor der Halle auf sie warten würden, denn sie hatten Prof. Westons Einladung zur Privataudienz mitbekommen.

Paula wusste nicht wirklich, was der Mann von ihr wollte. Ihrer Meinung nach hatte sie nicht wirklich etwas falsch gemacht oder war aufmüpfig gewesen. Aber so wie er aussah, hatte er wohl wieder irgendein Härchen in der Suppe gefunden.

Mit verschlossener Mine stand er da und wartete, bis völlige Ruhe eingekehrt war, bevor er mit seinem Vortrag begann: „Ich habe sie und ihren Partner beobachtet. Es scheint, als fehle ihm sämtliche Grundlagen, die Pokémon normalerweise bereits mit der Geburt beherrschen. Auch ein gewisser angeborener Kampfinstinkt scheint nicht vorhanden zu sein. Deshalb bin ich zu dem Schluss gekommen, dass der Rahmen des Kampfunterrichts nicht ausreichen wird, um bei ihrem Pokémon die fehlenden Grundfertigkeiten nachzuholen und zu festigen. Wenngleich die neuen Stundenten zur Zeit noch keine Alleingänge machen sollten, empfehle ich ihnen so schnell wie möglich zusätzliches Training zu vollziehen, damit sie nicht gleich den Anschluss verlieren. Vermeiden sie dabei jegliche Ablenkung für Glumanda. Ich werde ihnen ein paar Hinweise schicken, wie sie das Training effizient gestalten können.“

Es waren zwar ernste Worte, aber ausnahmsweise schien er ihr nicht feindlich gesonnen. Nein, er war sogar ziemlich freundlich und wollte ihr auch noch helfen. Paula war für einen Moment zu verblüfft, um etwas sagen zu können. Als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte, brachte sie nur ein „Ok, werd ich machen. Danke.“ hervor.

Ohne einen weiteren Kommentar wand sich der Lehrer zum Gehen. Damit war auch Paula entlassen.
 

Somit war der Unterricht für den heutigen Tag sogar bereist geschafft. Das hieß, nach dem Mittagessen endlich einmal einen Nachmittag richtig ausspannen. Abgesehen von der generellen Aufforderung zum Lernen und ihrer speziellen Aufgabe in Heilkunde, hatten sich die Lehrer Hausaufgaben in der ersten Woche zum Glück noch verkniffen.

So war Paula bester Laune, als sie sich mit ihren Freunden auf zum Speisesaal machte. Sie würden endlich mal alles ganz in Ruhe inspizieren, gemächlich essen und beliebig lange quatschen können, ohne, dass ihnen die nächste Stunde im Nacken saß. Und mit vollem Magen konnte man dann eine Verschnaufpause in der herrlich warmen Sonne machen. Zumindest hätte man es machen können. Doch als sie gerade am Eingang zur Mensa waren, machte sich der Messenger der Schülerin mit der pinken Uniform lautstark bemerkbar. Etwas verwundert nahm sie ihn aus der Tasche. Wer wollte denn jetzt etwas von ihr?

„WAAAAS?“ Ein etwas entsetzter Schrei entfuhr Paula, als sie die knappe Nachricht auf dem Display las.

„Was ist denn los?“ Die anderen Drei drehten sich erschrocken um.

Bei dem ärgerlichen Gesicht, das ihre Freundin zog, musste etwas passiert sein.

„Ich muss dann zu ner Schülersprecherversammlung.“, erklärte das Mädchen missmutig.

„So plötzlich?“, fragte Tifi verwundert nach.

Paula zuckte nur mit den Schultern: „Keine Ahnung, hier steht ‚Zur Erinnerung: 15.15 Uhr, Raum 102, Schülersprecherversammlung. Anwesenheitspflicht!’.

„Hört sich nicht so an, als wenn das spontan festgelegt wurde.“, stellte Manja fest.

„Na ich wusste jedenfalls bisher noch nichts davon.“ Genau das störte Paula richtig an der Tatsache.

Immerhin hatte sie sich gerade noch auf einen schönen freien Nachmittag gefreut und nun war dem plötzlich etwas in die Quere gekommen. Und dann auch noch so was Lästiges wie eine Schülersprecherversammlung. Vor allem weil keine Uhrzeit des Endes angegeben war. Wer wusste schon, wie lang das wieder dauern würde. Nachmittag ade.

Sie hatte doch gewusst, wieso sie diesen Job nicht haben wollte.

Schlagartig hatte sich ihre gute Laune wieder verflüchtigt. Noch nicht mal für das leckere Essen konnte sie sich erwärmen. Der Gedanke stundenlang öden Vorträgen über völlig uninteressanten Organisationskram zuhören zu müssen, während ihre Freunde sich einen schönen Tag in der Sonne machen konnten, nervte sie gewaltig. Paula war während der ganzen Zeit am Überlegen, so zu tun, als hätte sie diese Nachricht nie gelesen. Auch wenn die Verlockung des Nichtstuns so unendlich groß war, sie wollte sich nicht gleich am Anfang bei allen unbeliebt machen und so entschied sie sich missgelaunten Herzens dem Übel zu stellen. Während des Essens herrschte deswegen eine etwas gedrückte Stimmung.

„Hey, nun guck nicht so betrübt. Wir können ja nichts dafür. Es ist doch auch noch ein bisschen Zeit, also könnten wir doch noch was machen, was dich ablenkt.“, schlug Tifi vor, die das grimmige Gesicht ihrer Freundin nicht ertragen konnte.

„Und was?“

„Weißt du, ich fand das mit Akarins Taufe echt lustig und würde das gerne auch für Plinfa machen.“, erklärte Tifi.

„Ne Taufe für Plinfa?“ Das war tatsächlich eine Idee, die Paula gut gefiel.

„Ja, ich hab mir auch schon einen Namen überlegt.“, nickte die Trainerin des Wasserpokémons.

„Na da bin ich mal gespannt. Lasst uns gleich loslegen.“ Tifis Vorschlag hatte bei Paula tatsächlich wieder etwas bessere Laune geweckt.

„Von mir aus.“ Auch Manja hatte nichts dagegen einzuwenden.

Nur Gonni bremste die Aufbruchstimmung etwas: „Darf ich vielleicht noch aufessen?“

„Na ausnahmsweise.“, erlaubte Paula scherzhaft.

Dabei stellten die Mädchen fest, dass auch ihre Teller noch nicht wirklich leer waren. Vor lauter Eifer hatten sie das gleich mal vergessen. So zwang sich Paula noch ein paar Minuten zur Ruhe, bevor wirklich alle fertig und aufbruchsbereit waren.

Wieder draußen angekommen, schien ihnen die Sonne herrlich einladend entgegen. Die vier Trainer suchten sich ein Stückchen Wiese. Um Ärger zu vermeiden, hätte Tifi die kleine Zeremonie lieber bei ihnen im Wohnheim abgehalten, doch Paula hatte keine Lust erst noch mal da hin zu laufen, wenn sie dann wieder zurück musste. Also schlossen sie den Kompromiss, auf die vom Hauptplatz abgelegene Seite des Gebäudes zu gehen, wo man schwieriger Einblick nehmen konnte.

Kaum außer Sichtweite, ließen sie ihre Pokémon frei. Nach kurzer Erläuterung versammelten sich alle um den blauen Pinguin.

„So, Plinfa, ich möchte dir heute einen Namen geben, damit du weißt, dass du etwas ganz Besonderes für mich bist und dass wir für immer zusammen gehören.“, erklärte Tifi ihrem Pokémon liebevoll.

Das schien zu verstehen und strahlte sie freudig an.

„Gut, dann wirst du ab jetzt „Selena“ heißen.“

„Plinfa, Plinfa!“ Dem Wasserpokémon schien der Name zu gefallen, denn es nickte fröhlich.

Zur Bekräftigung goss Gonni wieder einen kleinen Schwall Wasser über den Täufling. Während Akarin und Kev quietschend zur Seite sprangen, nahm Selena die Dusche erfreut entgegen.

„Das ist wirklich ein wunderschöner Name.“, stellte Paula fest, „Nun muss nur noch Geckarbor einen Namen kriegen.“

Aber Gonni brachte auf diesen Vorschlag nur ein trockenes „Nö!“ hervor.

„Ach komm schon, dann haben alle unsere Freunde einen Spitznamen und sind was Besonderes.“, versuchte Paula ihn zu überzeugen.

„Wenn ich das mache, was alle machen, hebe ich mich doch nicht aus der Masse hervor, oder? Da alle einen Spitznamen haben, ist mein Pokémon etwas Einzigartiges, indem es eben keinen hat. Geckarbor bleibt Geckarbor.“, erklärte der Junge gelassen, aber bestimmend.

Paula fand seine Erläuterung zwar sehr komisch, aber ihr fiel jetzt auch nichts ein, wie sie ihn noch umstimmen konnte. Also beließ sie es vorerst dabei.
 

Nach der kleinen Taufzeremonie saßen die vier Freunde noch ein Weilchen beieinander und redeten über die Erlebnisse der ersten Woche, bevor sich ihre Wege schließlich trennten.

Tifi, Gonni und Manja sahen ihrer Freundin mitleidig hinterher, wie Paula mittlerweile wieder schlecht gelaunt Richtung Unterrichtsgebäude davon stiefelte.

Auf dem Plan des Akademiegeländes hatten sie den gesuchten Raum ausfindig machen können, sodass sie jetzt nicht auch noch eine halbe Ewigkeit durch das Labyrinth der Gänge irren musste. Pünktlich war Paula am Ort ihrer ungewollten Nachmittagsbeschäftigung.

Aus dem Raum klangen bereits Stimmen, die die Anwesenheit Mitleidender verkündete.

Bevor sie durch die Tür trat, holte Paula noch einmal tief Luft und setzte ein einigermaßen freundliches Lächeln auf. Das verging ihr allerdings gleich wieder, als sie einen Schritt ins Zimmer gesetzt und die anderen Anwesenden inspiziert hatte. Auf der Querseite der U-förmig gestellten Tische saß ihre Stellvertreterin Vivi.

Das hatte ihr gerade noch gefehlt. Eigentlich hätte sie es erwarten müssen. Was es allerdings auch nicht besser machte. Hinzu kam, dass auch nur noch ganz vorne ein einziger und neben Vivi zwei Plätze frei waren. Da der Platz vorn wie auf dem Präsentierteller war, hatte Paula gar keine andere Wahl, als sich an den anderen Schülern vorbei zu schieben und auf ihre Klassenkameradin zuzusteuern. Die schien gänzlich in ein Buch vertieft und nahm von Paula keine Notiz, was diese aber nicht unbedingt bedauerte. Um so mehr freute sich Paula, als sie erkannte, dass Vivi den Platz neben sich mit ihrer Tasche belegt hatte. Sich die Umstände zu machen ihre Klassenkameradin darum zu bitten, sie runter zu nehmen, wollte sie ihnen beiden nicht machen. Also wählte Paula einfach den einzig verfügbaren Platz.

„Ist hier noch frei?“, erkundigte sie sich höflich bei dem Mädchen, dass auf der anderen Seite saß.

Die Schülerin in der gelben Uniform blickte zunächst überrascht auf, lächelte dann aber sehr freundlich, als sie antwortete: „Na klar doch, setz dich.“

Erstaunt musste Paula erkennen, dass ihr das Mädchen mit den halblangen braunen Haaren vertraut vor kam. Einen Moment lang musste sie die Tiefen ihrer Erinnerung durchforsten, bis sie darauf kam, dass sie sich an ihrem ersten Tag im Bus begegnet waren. Auch wenn die beiden damals kein Wort miteinander gewechselt hatten, in Mitten dieser Schar Fremder ein bekanntes, ihr scheinbar wohlgesonnenes Gesicht zu sehen, gab ihr gleich ein besseres Gefühl.

„Ich bin Paula.“, stellte sie sich vor.

„Freut mich, ich bin Luna. Klassensprecherin der B-Klasse, erstes Jahr.“, erwiderte ihre Nachbarin.

Also war das Mädchen ebenfalls ein Neuling. Sie schien gar nicht wesentlich jünger als Paula zu sein, doch da sie die Vertreterin ihrer Parallelklasse war, musste sie zu den etwas privilegierteren Schülern gehören. Aber das war okay, solange sie nicht so ein Snob wie Leroy und seine Kumpane aus der A-Klasse war.

Und als wenn sie vom Teufel gesprochen hätte, kam der auch prompt zur Tür herein. Der Junge sah sich kurz um, erblickte den freien Platz neben Paula, rümpfte mit einem nicht zu übersehenden, überheblichen Ausdruck die Nase und ließ sich dann auf dem Stuhl ganz vorn nieder. Seine Entscheidung gefiel Paula sehr gut, denn sie hatte nicht die geringste Lust sich diese qualvolle Pflichtveranstaltung durch seine nähere Anwesenheit noch schlimmer zu machen. Es war ihr so schon ein Graus, ihre freien Stunden für einen Job zu opfern, den sie noch nicht einmal gewollt hatte.

„Oh man, ich hab überhaupt keine Lust auf dieses Treffen.“, lehnte sie sich mürrisch zurück.

„Da bist du nicht die Einzige.“, flüsterte ihr Luna zwinkernd zu, „Ich bin zwar gern Klassensprecherin, aber die müssen doch nicht gleich in der ersten Woche so einen Stress machen.“

„Ja und vor allem so spontan. Ich hatte mich so auf einen kurzen Tag gefreut.“, ergänzte Paula seufzend.

„Wieso spontan? Also unser Klassenlehrer hat uns das schon vor zwei Tagen mitgeteilt.“ Ihre Nachbarin sah sie etwas erstaunt an, was Paula mit einem nicht minder verwunderten Blick erwiderte: „Ich wusste von nichts. Wenn ich die Erinnerungsnachricht vorhin nicht bekommen hätte, wäre ich jetzt nicht hier.“

Nicht, dass die unfreiwillige Klassensprecherin diesen Umstand bedauert hätte, aber irgendwie kam ihr das Ganze komisch vor. Prof. Amber schien nicht der Typ solche Sachen zu vergessen und Vivi war ja schließlich auch hier. Und die schien vor allem nicht gerade überrascht worden zu sein, denn auf ihrem Platz lag ein säuberlich vorbereitetes Buch mit der Aufschrift „Schulsprecherversammlungen.“. Ein kleiner, aber nicht von der Hand zu weisender Gedanken kam in Paula auf.

„Dann hat wohl jemand vergessen mich zu informieren.“ Sie sprach extra ein wenig lauter, sodass es ihre Klassenkameradin auf keine Fall überhören konnte. Aber das Mädchen in der roten Schuluniform tat so, als fühlte sie sich überhaupt nicht angesprochen.

Paula störte sich nicht an der Tatsache, dass sie durch Vivi beinahe dieses Treffen verpasst hatte, sondern daran, dass dieses Mädchen ihr, aus was für einem Grund auch immer, anscheinend Ärger machen wollte. Sie würde ihre Vize-Sprecherin wohl im Auge behalten müssen.
 

Innerlich leicht grummelnd wandte sich Paula wieder ihren Sachen zu. Wahrscheinlich musste sie sich irgendwas von den öden Sachen, die in dieser Versammlung besprochen werden würden, notieren, um sie der Klasse weiter zu geben. Also kramte sie ihren Block aus der Tasche. Da es anscheinend noch nicht los ging, begann Paula ein wenig am Rand herumzukritzeln. So gedankenverloren, dass sie gar nicht mitbekam, wie jemand den Raum betrat.

„Na hallo, ist hier noch frei?“ Eine Stimme ließ Paula mitten in ihrer Bewegung erstarren.

Auch wenn sie diese Stimme erst einmal vernommen hatte, sie wusste ganz genau, wem sie gehörte. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, während ein wohlig warmer Schauer plötzlich durch ihren Körper fuhr. Doch vielleicht war diese Stimme ja auch nur eine Einbildung, ein Wunsch ihres Unterbewusstseins, das ihr jetzt einen Streich spielte. Das Mädchen fühlte sich irgendwie seltsam gelähmt und doch fand sie die Kraft den Kopf zu drehen, um ihre Vermutung zu überprüfen.

Und tatsächlich – da stand er.

Ihr mysteriöser Retter vom ersten Tag!

Er war hier, genau hier vor ihr, sah sie genauso charmant lächelnd wie zuvor an und wollte sich auch noch neben sie setzen.

Paula war wie vom Blitzschlag getroffen. Mit einem so plötzlichen Widersehen hatte sie noch nicht mal im Traum gerechnet.

Oder war das gar nur ein Traum? Es war schon ein ziemlicher Zufall, dass sie beide hier wieder aufeinander trafen, aber dass er ausgerechnet nur noch neben ihr einen freien Platz fand, war schon fast zu viel des Guten. Das konnte doch eigentlich gar nicht real sein. Vielleicht war er ja nur eine Halluzination? Eine Nachwirkung dieses komischen Krautes. Wenn ja, dann musste sie sich unbedingt noch mehr davon besorgen.

Fast beruhigte sich ihr rasender Puls wieder, doch dann riss Vivi plötzlich ihre Tasche vom freien Stuhl und nickte ganz aufgeregt: „Natürlich, setz dich.“

Paula selbst war nicht mehr Herrin ihrer Stimme.

Ohne zu zögern zog der Typ sich den Stuhl heran und setzte sich lässig. Dabei sah er so unglaublich cool aus, dass Paula ihren Blick nicht von ihm losreißen konnte. Er redete kurz mit Vivi, dann schenkte er irgendetwas an der Frontseite seine Aufmerksamkeit, was Paula aber nicht weiter interessierte. Die Schülerin hatte keine Ahnung wie viel Zeit verging, während sie einfach nur da saß und ihn ansah. Die Dauerbeobachtung schien ihn entweder nicht zu stören, oder er bekam es nicht. Zumindest bis zu dem Moment, als er den Kopf leicht drehte und sich ihre Blicke damit genau trafen. Die Bewegung seiner Augen verriet, dass er sie kurz musterte. Dann schenkte er ihr ein bezauberndes Lächeln, das dem Mädchen leicht die Röte ins Gesicht schießen ließ.

Plötzlich, wie aus heiterem Himmel, beugte er sich ein wenig zu ihr vor und streckte seine Hand in Richtung ihre Kopfes. Unwillkürlich zuckte Paula zusammen. Mit dieser Bewegung hatte sie so gar nicht gerechnet. Kurz darauf berührte er ihr Haar und schob es ein wenig nach hinten, sodass sich ihr Hals auf der ihm zugewandten Seite entblößte, was das Mädchen nun wieder völlig erstarren ließ.

Seine Finger berührten mit einem Male ihren Hals. Während sie sanft weiter nach unten wanderten, hinterließen sie dabei ein Gefühl, als würde ein Rinnsal kochender Lava über ihre Haut fließen. Und er ließ seine Hand nicht ruhen, sondern führte sie fast schon in Zeitlupe weiter an ihrem Hals entlang über das Schlüsselbein und immer weiter nach unten.

Paula riss die Augen auf. Was um alles in der Welt war er da gerade im Begriff zu tun?

Aber egal, was es auch war, sie wünschte sich nur, dass er nicht damit aufhörte.

Ihr Herz hämmerte, als müsste es gerade einen Marathon bewältigen. Das Rauschen ihres erhitzten Blutes war wie ein Dröhnen in ihren Ohren.

Auf einmal hielten seine Finger jedoch inne. Dafür beugte sich sein Oberkörper noch weiter vor, sodass sein Gesicht nun ganz nah an Ihrem war. So nah, dass sie seinen warmen Atem an ihrem Ohr spüren konnte. Eine erneute Gänsehaut überrollte das Mädchen. Ein leichtes Zittern, dass sich nicht mehr unterdrücken ließ, hatte sie erfasst.

Und das wurde erst recht nicht besser, als seine Finger wieder ihre prickelnde Wanderung über ihre Haut aufnahmen. Er hatte sich inzwischen schon bis zu ihrer Körpermitte vorgearbeitet und ließ sie noch weiter fallen. Paula hielt dem Atem an. Ihr Herz hatte mittlerweile sein Maximaltempo erreicht. Nicht das sie grundsätzlich etwas dagegen gehabt hätte, aber wenn er noch einen Schritt weiter ging, würde sie wohl einfach zusammen klappen.

Als er bis zu ihrem Brustansatz vordrang, fing das Bild vor ihren Augen tatsächlich schon ein wenig an zu flackern. Was tat er da nur?

Aufregung, Genuss, ein bisschen Entsetzen, das Verlangen nach Fortsetzung, Panik - in ihrem Inneren wirbelte gerade alles durcheinander.

Dann war es soweit. Seine Hand erreichte den Rand ihres T-Shirts. Doch sie fuhr nicht in dieses, sondern darüber. Flink schnappten sich die Finger die beiden Zipfel ihres Kragens, zogen sie auf gleiche Länge und schoben den verrutschten Knoten wieder an die richtige Stelle.

„So ein hübsches Mädchen sollte sich immer ordentlich anziehen.“, hauchte er ihr süßlich ins glühende Ohr, und fügte dann noch hinzu, „Ai kann ungemütlich werden, wenn jemand nicht korrekt gekleidet ist. Also nimm dich lieber in Acht.“

Paula erfasste weder die Bedeutung der Worte, wusste nicht wer diese Ai sein sollte, noch sah sie sein amüsiertes Zwinkern. Sie war einfach nur völlig im Delirium.
 

„Seid ihr jetzt mal fertig?“ Eine andere wohlbekannte und ziemlich genervt klingende Stimme riss sie aus ihrem wundervollen, aber zum Glück realen Tagtraum.

Paula wandte ihre Augen nach vorn und musste überrascht feststellen, dass noch jemand in den Raum getreten war, von dem sie bisher noch überhaupt keine Notiz genommen hatte. Und das hätte ihrer Meinung auch so bleiben können. Denn niemand anderes, als das Zitronen-Mädchen stand vorn und warf ihr einen extrem miesepetrigen Blick zu. Aber irgendwie kümmerte Paula das aus irgendeinem Grund so überhaupt nicht. Die Welt um sie herum war nur noch voller rosa Wattewölkchen und glitzernden Sterne. Sie merkte noch nicht einmal, dass ihre Gesichtsfarbe inzwischen einem Glutexo Konkurrenz machte. Oder auch nicht, dass die versammelte Mannschaft inzwischen zu ihnen rüber sah und die ganze Szenerie mit sehr gemischten Gesichtsausdrücken betrachteten. Und auch nur die Anderen konnten sehen, wie sich der Typ nun mit einem Lächeln, das vermuten ließ, dass seine Gedanken eigentlich eher in Richtung aus- statt anziehen gingen, zurücklehnte.

Als das Zitronen-Mädchen sich lautstark räusperte, wandten alle ihre Blicke respektvoll wieder nach vorn und sie begann über irgendetwas zu reden.
 

Paula wusste nicht, was sie machen sollte. Krampfhaft versuchte das aufgeregte Mädchen sich auf die Tafel zu konzentrieren, auf der die ältere Schülerin eine ganze Liste irgendwelcher sinnloser Sachen kritzelte, oder zumindest auf das Heft vor ihr, aber ihre Augen schienen sich völlig selbstständig immer wieder nach links zu bewegen. Und das schlimmste daran, oder auch das Beste, Paula war zu verwirrt um sich zu entschieden, - er sah immer genau in diesem Moment auch zu ihr. So oft wie das war, grenzte das schon nicht mehr an Zufall. Ob er sie etwa auch die ganze Zeit über beobachtete?

‚Himmel, was soll ich nur tun?’ Das war der einzige Gedanke, der noch in ihrem Kopf anzutreffen war. Alles andere hatte sich in den fluffigen Nebel der Unwichtigkeit zurückgezogen.

Vor Aufregung war sie völlig hilflos. Sobald sie sein wundervolles Lächeln sah, drehte sie blitzschnell ihren Kopf wieder nach vorn, aber nur um ihn wenige Augenblicke wie hypnotisiert wieder zu ihm zu wenden. Ab und zu wechselte er ein paar Sätze mit Vivi, schaute konzentriert auf die Tafel oder notierte sich irgendetwas in ein Heft. Aber egal was er tat, er sah einfach nur zum Dahinschmelzen gut aus.

Irgendwie war die ganze Situation grade zu viel für Paula. Sie konnte gar nicht richtig realisieren, was in den letzten Minuten geschehen war. Das war alles einfach nur wie ein unfassbarer Traum. Ihr Herz schlug immer noch so heftig, als wolle es sich überhaupt nie wieder beruhigen. Was um alles in der Welt war nur mit ihr los?

Völlig in ihre eigene Welt versunken saß Paula da.

Noch nicht einmal das Schlusswort des Zitronen-Mädchens, das sich für alle anderen als Schulsprecherin vorgestellt hatte, oder das Kramen und Stühlerücken nach der Beendigung der Versammlung, konnten Paula erreichen.

Das Einzige, was sie mitbekam, war, als ihr geheimnisvoller Retter ebenfalls aufstand, lächelte, ihr zuzwinkerte und sich mit einem verheißungsvollen „Bis nächste Woche“ verabschiedete. Verträumt sah das Mädchen ihm nach, bis er zu ihrem Leidwesen hinter der Tür verschwand. Die Kraft ihm hinterherzulaufen, konnte sie momentan beim besten Willen nicht aufbringen, auch wenn sie gern noch weiter in seiner Nähe geblieben wäre.
 

„Du kannst es wohl echt nicht lassen. Als hätte dein Fan-Club nicht schon genug hysterisch kreischender Weiber, die dich auf Schritt und Tritt verfolgen.“, ertönte eine leicht genervte Stimme, als der junge Mann durch die Tür hindurch trat. Die Schulsprecherin hatte offensichtlich auf ihn gewartet.

Der Angesprochene hatte jedoch nur ein schelmisches Grinsen übrig: „Was denn? Ich will doch nur, dass sich die Neuen hier auch wirklich wohl fühlen. Und zwei hübsche Mädchen mehr im Club, sollen mich nicht stören.“

Ai zog als Antwort nur eine Augenbraue hoch. Ein verbaler Austausch war auch gar nicht nötig, denn sie kannten sich lang genug, um zu wissen, was der Andere gerade dachte.

„Komm, wir haben noch einiges an Arbeit vor uns.“

Und so verschwanden die beiden Eliteschüler schweigend in einem der zahlreichen Gänge.
 

Paula saß dagegen noch minutenlang wie versteinert da. Sie fühlte sich immer noch wie in einem Traum gefangen. Von der ganzen Sitzung hatte sie nichts, aber auch rein gar nichts mitbekommen. Noch nicht einmal die giftigen Blicke ihrer Vize, die jetzt mit finsterer Mine an ihr vorüber ging und den Raum verließ.

Paula konnte ihr Glück kaum fassen, dass sie ihm hier wiederbegegnet war. Sie hatte ja nicht ahnen können, dass er ebenfalls irgendwas mit der Schulsprechersache zu tun hatte. Nicht auszudenken, wenn sie nicht Klassensprecherin geworden... Und plötzlich ging der Schülerin ein Licht auf.

Hatte Vivi etwa nur deswegen so unbedingt diesen Posten gewollt, weil sie gewusst hatte, dass er hier sein würde?

‚Oh diese...’ Den Restgedanken ersparte sich Paula lieber.

Ganz unwissend hatte sie ihrer Konkurrentin einen Strich durch die Rechnung gemacht und das erfüllte sie irgendwie mit ein klein wenig Schadenfreude. Plötzlich konnte auch sie diesem Job einen gewissen Reiz abringen.

„Paula, alles klar bei dir?“

Eine Stimme riss das Mädchen aus ihrer Vernebelung. Luna stand neben ihr und sah sie fragend an.

„Ja, ja, alles bestens, ich war nur grad in Gedanken.“, erklärte die Gefragte.

Das andere Mädchen bedachte sie mit einem schmunzelnden Blick:; „Wie mir scheint nicht nur gerade.“

„Wieso?“ Paula lief leicht rot an.

Hatte man ihr ihre geistige Abwesenheit etwa angesehen?

Luna musste lachen: „Na ja, du hast überhaupt nichts von dem aufgeschrieben, was uns die Schulsprecherin wichtiges erklärt hat. Und du siehst irgendwie nicht aus, als hättest du dir das alles merken können.“

Die C-Schülerin musste schlucken. Davon hatte sie tatsächlich kein einziges Wort mitbekommen. Sie würde wohl am Montag sehr blöd vor der Klasse stehen und Vivi reden lassen müssen. Auch wenn sie nicht die geringste Lust auf diesen ganzen Organisationskram hatte, diese Genugtuung wollte sie ihrer Stellvertreterin dann doch nicht lassen.

„Ich kann nicht zufällig einen Blick in deine Notizen werfen?“, fragte sie vorsichtig bei ihrer Nachbarin an.

„Na von mir aus, schreib ab. Ich hab noch ein bisschen Zeit.“, lächelnd reichte ihr Luna die Blätter.

Paula fiel ihrer neuen Bekannten gleich mal um den Hals: „Danke, du bist ein Engel.“

„Keine Ursache.“ Luna hatte mit solch überschwänglicher Dankbarkeit zwar nicht gerechnet, hatte aber auch nichts auszusetzen.

Während sich das Zimmer immer mehr leerte, kritzelte Paula wie wild die sechs beschriebenen Seiten ab. Was da inhaltlich verfasst war, würde sie sich später ansehen.

Nach einer guten dreiviertel Stunde konnte sie der Schülerin aus der Parallelklasse die Notizen zurückgeben. Gemeinsam verließen sie den Raum. Als sie aus dem Gebäude traten, stellte Paula erstaunt fest, dass es schon fast nach Dämmerung aussah. Wie auf Bestellung piepte plötzlich ihr Messenger mit einer Nachricht von Tifi: „Kommst du zum Essen?“

„Essen? Wie spät ist es denn?“, wunderte sich die Schülerin.

„Dreiviertel sieben.“, gab ihre Begleitung Auskunft.

„WAAAS?“, entfuhr es Paula entsetzt.

Wie um Himmels Willen hatte sie ganze drei Stunden nicht mitbekommen können? War sie tatsächlich so benebelt gewesen?

Luna lachte nur kopfschüttelnd. Das Mädchen war echt ein Fall für sich. Aber irgendwie sympathisch.

„Komm, lass uns zum Wohnheim gehen. Wir wollen unsere Freunde doch nicht warten lassen.“

Als Paula nur weiter total verdattert vor sich hinstarrte und grübelte, wie sie das Verfliegen der Zeit nicht hatte merken können, nahm die Sprecherin der B-Klasse sie einfach an der Hand und zog sie mit sich. Unterwegs löste sich Paulas Erstarrung und so unterhielten sich die beiden Mädchen munter miteinander, bis sie den Speisesaal erreicht hatten.

„Willst du mit mir und meinen Freunden essen?“, bot Paula an.

„Danke, aber ich bin mit meinen Klassenkameraden verabredet. Aber wir sehen uns, spätestens nächste Woche.“, lehnte Luna lächelnd ab.

„Ok, dann bis nächste Woche.“ Aus irgendeinem Grund freute sich Paula nun doch ein bisschen auf die nächste Schülerversammlung.

Obwohl das ganze Gelabere sie nicht im Geringsten interessierte, würde es wohl doch unterhaltsam werden.

Mit sich und der Welt wieder im Reinen, spürte Paula ihre Freunde im Gemenge der Studenten auf und gesellte sich zu ihnen. Da das verträumte Lächeln auf ihrem Gesicht nicht zu übersehen war, bestürmten sie ihre Freunde, oder zumindest der weibliche Teil davon, gleich mal mit Fragen. Ein paar gewisse Details ließ sie zwar weg, aber auch so wurde es eine recht unterhaltsame Erzählung, die das Abendessen um so schneller vergehen ließ. Dabei fiel Paula zu ihrem großen Ärgernis auf, dass sie immer noch keine Ahnung hatte, wie er überhaupt hieß.

Ein Weilchen schnappten die Vier danach noch die laue Abendluft, bevor sie sich entschlossen ins Bett zu gehen, denn die ganze Hetzerei des heutigen Tages hatte sie mehr mitgenommen als gedacht. Oder vielleicht waren sie auch immer noch ein wenig benebelt.

Ihre Zusatzaufgaben verschoben sie auf die Freizeit am Wochenende und so wurde nur noch ein wenig gekramt, sortiert, gelesen und mit Pokémon geknuddelt, bevor allen die Augen zu fielen.

Nächtlicher Besuch

Die Nacht hatte ihre schwarzen Hände schützend über die Akademie gelegt. Überall war Ruhe eingekehrt. Hier und da brannten in vereinzelten Zimmern, der bereits vom Lerneifer angesteckten Schüler, noch Lichter, doch die Meisten lagen friedlich träumend in ihren Betten.

So auch Paula, die sich von den Strapazen des Tages erholte. Neben ihr zusammengerollt, schlief ebenso ruhig, ihr kleines Glumanda.

In ihren Träumen waren sie vereint und bestritten gerade einen Arenakampf. Das gegnerische Tengulist war stark, doch Akarin wich behände den Attacken aus und platzierte punktgenaue Konterangriffe. Als ein gewaltiger Flammwurf des Feuerpokémons den Gegner zu Grillware verarbeitete, war die ganze Arena mit tosenden Beifall erfüllt. Alle Augen waren auf die junge Trainerin und ihren megastarken Partner gerichtet. Paula genoss das Scheinwerferlicht, das Gefühl des Ruhmes und des Bewundertwerdends. Doch neben all dem Glücksgefühl, war da irgendwie auch noch etwas Seltsames. Ein unerklärlicher Eindruck, dass irgendetwas hier nicht so war, wie es sein sollte. Etwas störte.

Das Mädchen schloss die Augen und konzentrierte sich. Angestrengt horchte sie in ihr Inneres und da war es plötzlich – ein Geräusch, das so gar nicht in diese Szenerie passte.

Wie ein leises Kratzen oder Schleifen. Aus irgendeinem Grund beunruhigte sie dieses Störgeräusch. So sehr, dass sich ihr Bewusstsein einschaltete und sie aufwachen ließ.

Ein wenig benebelt richtete sich Paula in ihrem Bett auf. Akarin lag immer noch leise vor sich hin schnarchend neben ihr. Die Schülerin rieb sich etwas verwirrt die Augen.

Warum war sie gerade aufgewacht?

Ein kratzender Ton rief ihr das beunruhigende Gefühl in Erinnerung. Wachsam sah sie sich im Zimmer um, doch ihre Nachtblindheit erschwerte es ihr ziemlich irgendetwas zu erkennen. Eine Taschenlampe hatte sie nicht bei der Hand und aufzustehen um Licht anzuschalten, dazu war sie im Moment zu faul.

Die schemenhaften Gegenstände, die sie in der Umgebung ausmachen konnte, schienen zumindest schon mal völlig normal. Nach fast einer Woche, hatte sie sich an ihr neues Zimmer schon gewöhnt, sodass ihr Veränderungen eigentlich hätten auffallen müssen. Doch was war es dann, was diese merkwürdigen Geräusch verursachte, die sie aus ihren Träumen gerissen hatten?

Alles schien ruhig und friedlich, aber irgendetwas war da. Dem Mädchen war wirklich ein wenig unheimlich zu Mute. Ein kühles Lüftchen ließ ihr zusätzlich noch eine Gänsehaut über den Rücken laufen.

Dann stutzte sie: ‚Moment mal, wo kommt der Wind her?’

Paulas Augen wanderten zum gegenüberliegenden Fenster. Der Ausblick war nicht anders als sonst und doch hatte sich dort etwas verändert. Zunächst hielt sie es für eine Sinnestäuschung, aber als sie sich auf die linke Fensterhälfte konzentrierte, kristallisierte sich tatsächlich ein schmaler, vertikaler Balken heraus, der normalerweise nicht dort stand. Oder zumindest nur, wenn sie das Fenster geöffnet hatte. Doch das Mädchen war sich sicher, dass sie es vor dem Schlafen Gehen geschlossen hatte. Warum stand es jetzt einen Spalt weit offen?

Plötzlich durchbrach wieder das schleifende Geräusch die nächtliche Stille und dieses Mal erkannte Paula die Ursache – der Balken wanderte ein Stück weiter nach rechts. Das hieß die Fensterscheibe wurde langsam beiseite geschoben. Und da sich Fenster nicht von allein aufschoben, war wohl gerade jemand dabei in ihr Zimmer einzusteigen.

Als Paula sich der Bedeutung dieser Erkenntnis bewusst wurde, überkam sie die Angst. Wie versteinert saß sie da und starrte auf das Fenster, das sich immer weiter bewegte.

„Akarin!“, versuchte sie zumindest ihr Pokémon zu wecken, doch ihre Stimme war vor Panik zu leise, als das sie die schlummernde Echse hätte aufrütteln können.

Verzweiflung machte sich in dem Mädchen breit. Was sollte sie nur tun?

Ihr Herz hämmerte wild gegen ihre Brust. Paula getraute sich kaum zu atmen. Doch mit der Angst kam auch ein ungeheurer Adrenalinschub.

Als sich plötzlich ein rundlicher Schatten durch die geöffnete Spalte schob, reagierte ihr Körper fast autonom.

Paulas Hand fuhr neben ihrem Bett zu Boden, griff sich das einzig Verfügbare und schleuderte ihren Hausschuh mit einem wilden Aufschrei so heftig es ging gegen den Eindringling – und traf auch.

Es gab ein klatschendes Geräusch, einen leisen, überraschten Aufschrei und dann einen dumpfen Ton, der ihr bestätigte, dass ihr Gegner den Erdboden erreicht hatte.

Erleichterung machte sich in Paula breit. Und doch legte sich die Aufregung in ihr nicht. Ihr Kreislauf arbeitete immer noch auf Hochtouren und so stieg sie heftig atmend aus dem Bett. Ungewollt stubste sie dabei ihr Pokémon an, dass erst jetzt endlich erwachte.

„Glu?“ Seinen Kopf schief legend, sah Akarin seine Trainerin fragend an.

„Irgendwer hat versucht durch das Fenster einzusteigen.“, erklärte sie ihrem Freund flüsternd.

Eigentlich wollte die Schülerin nichts lieber, als sich in ihrem Zimmer zu verbarrikadieren, aber irgendwie hatte sie auch ein wenig die Neugier gepackt. Normalerweise hätte sie wohl sofort um Hilfe gerufen oder sich versteckt, aber etwas in der letzten Minute war ihr dann doch seltsam vorgekommen.

Um sich Mut zu machen, nahm sie Akarin hoch und drückte ihn ganz fest an sich, was ihm so gut gefiel, dass es sofort wieder anfing, fröhlich zu glucksen.

So bewaffnet schlich sie leise ans Fenster und warf vorsichtig einen kurzen Blick über das Fensterbrett. Unter ihr erstreckte sich nur einheitlich graue Fläche, die bei Tageslicht Gras war. Nach dem Eindringling Ausschau haltend, suchten ihre Augen die Umgebung ab. Und da, nicht weit entfernt von ihrem Fenster, lag ein etwas dunklerer Schatten auf dem Boden.

„Akarin, leih mir mal deinen Schwanz.“ Paula nahm den Anhang ihres Pokémons und hielt ihn etwas aus dem Fenster.

Akarin hatte verstanden und ließ seine Flammenspitze extra hell aufleuchten. Im Schein des Feuers konnte Paula nun etwas besser sehen.

Plötzlich wurden ihre Augen groß: „Oh verdammt!“

Von einer neuen Art Panik erfasst, wandte sie sich vom Fenster ab, setzte Akarin auf den Boden, schlüpfte schnell in ihre Schuhe und warf sich hastig eine Jacke über.

Dann nahm sie ihre Feuereidechse wieder hoch und öffnete behutsam die Tür.

„Pst!“ Mit ihrem Finger auf dem Maul des Pokémon bedeutet die Trainerin ihm still zu sein. Und entgegen seiner sonst eher langsamen Auffassungsgabe verstand es sofort, was von ihm erwartet wurde. Die angespannte Stimmung hatte sich auch auf ihn übertragen.

Die Gänge des Wohngebäudes erschienen in der Nacht wie ausgestorben und auch irgendwie deutlich länger in der Dunkelheit. Was Paula allerdings auch nur so vorkommen konnte, denn sie bewegte sich extra langsam um keine Geräusche zu machen.

Nachts auf den Gängen herumzuwandern, oder gar nach draußen zu gehen, war ihnen strikt untersagt wurden. Aber das scherte die Schülerin im Moment nicht im Geringsten. Das hier war schließlich ein Notfall. Erwischt werden, wollte sie trotzdem vermeiden.

Als sie die Haupteingangstür erreichte, war die allerdings, wie eigentlich zu erwarten gewesen war, verschlossen. Paula musste erst einen Moment überlegen, bevor ihr wieder einfiel, dass es noch Notausgänge gab, die stets von innen zu öffnen waren. Also nahm das Mädchen einen kleinen Umweg. Als sie nach draußen schlüpfte, sah sie sich nach allen Seiten gut um, denn sie wusste nicht, ob nicht eventuell Lehrer irgendwo patrouillierten. Doch da niemand in Sicht war, schlich sie sich nach draußen. Es war gar nicht so einfach sich zurecht zu finden, denn der Mond stand nur als schmale Sichel an Himmel und beleuchtete recht spärlich den Weg. Also blieb ihr nur Akarins Schwanzspitze als Lichtquelle.

Bedacht bewegte sich Paula immer mehr auf ihr Ziel zu. Es war ein wenig frisch hier draußen und das feuchte Gras benässte die Ränder ihres Schlafanzuges, aber darauf achtete sie überhaupt nicht. Etwas anderes war jetzt wichtiger.

Und das wurde im schmalen Schein von Glumandas Lampe immer deutlicher. Ein kleiner, länglicher Körper lag da im Gras.

Paula beschleunigte ihre Schritte. Als sie ihr Ziel erreichte, beugte sich das Mädchen herunter und hob den grünen Körper vorsichtig an. Er schien bewusstlos zu sein.

‚Au weia, da hab ich ja was angestellt.’ Plötzlich war sie gar nicht mehr so froh darüber ihren Angreifer vom Fenster gestürzt zu haben.

Hoffentlich hatte er sich nicht zu sehr verletzt. Doch das konnte sie erst sagen, wenn sie ihn genauer angesehen hatte. Sie packte den schmalen Körper schützend unter ihre Jacke. Als sie sich wieder aufrichtete, zog etwas anderes kurz ihre Aufmerksamkeit auf sich.

Paula verharrte einen Moment. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie es sich nicht nur eingebildet hatte, aber ihr war gerade so gewesen, als hätte sie in einiger Entfernung ein schwaches Leuchten gesehen. Das Mädchen wartete noch einen Augenblick und tatsächlich – irgendwo im Wald leuchtete ein Blitz auf. Das war gar nicht gut. Vermutlich würde gleich ein Gewitter aufziehen. Das hier draußen zu erleben, darauf hatte die Schülerin so gar keine Lust und so eilte sie schnellen Schrittes in das Wohngebäude zurück.
 

Vor lauter Sorge hatte Paula dabei ganz ihre Vorsicht vergessen und so bemerkte sie nicht, dass ein Augenpaar ihre nächtliche Wanderung heimlich beobachtet hatte: „Sieh an, sieh an. Eine kleine Herumtreiberin. Dieser Auftrag wird wohl doch interessanter als gedacht.“

Für einen kurzen Moment ließ das Mondlicht ein schelmisches Grinsen aufleuchten. Als sich im nächsten Augenblick eine Wolke vor den Himmelskörper schob, war die Gestalt bereits wieder in den dunklen Vorhang der Nacht getaucht.
 

Ungeachtet dessen, hatte die Schülerin ohne Probleme ihr Zimmer erreicht. Als die Tür hinter ihr sachte schloss, atmete sie unwillkürlich auf. Nun war sie wirklich in Sicherheit und konnte auch unbesorgt Licht machen.

Ganz behutsam holte sie den vermeintlichen Eindringling aus der Jacke und bettete ihn auf ihre Decke. Akarin kam sofort herangewuselt und betrachtete das komische Dinge ganz interessiert.

Paula setzte sich daneben und inspizierte die überraschend aufgetauchte Gestalt ebenfalls genau. Bis auf die Beule an seinem Kopf schien sie sich nichts weiter getan zu haben.

Als sie ihre Finger behutsam über den kleinen Körper fahren ließ, kam plötzlich wieder Leben in das Wesen. Eine Sekunde später schaute das Mädchen in zwei große, runde Augen, die sie etwas traurig anblickten.

„Raupy!“, ertönte es mit einem leicht vorwurfsvollen Unterton.

Paula bekam sofort ein schlechtes Gewissen.

„Tut mir echt leid, Raupy. Das wollte ich nicht. Aber du kannst doch nicht einfach durch mein Fenster einsteigen. Ich dachte du wärst ein Einbrecher oder sonst was.“, versuchte sie dem kleinen Kerl zu erklären.

„Rau, Rau.“ Das klang nun wieder seinerseits entschuldigend.

„Ist ja gut. Hast du dich beim Sturz irgendwie verletzt?“ Das war ihr im Moment wichtiger, als irgendwem die Schuld zu geben.

Das Käferpokémon rappelte sich auf und schien seine Körperteile auf Schmerzen zu testen. Es wirkte zwar noch ein wenig benommen, konnte sich aber anscheinend gut bewegen.

„Raupy!“ Es hörte sich auch schon wieder kräftiger an.

Paula atmete erleichtert auf. Sie hatte mit ihrer Aktion also keinen großen Schaden bei dem niedlichen Pokémon angerichtet.

Eine Frage war allerdings noch offen.

„Sag mal Raupy, was wolltest du eigentlich hier?“ Das Mädchen hatte keine Ahnung, wie sie zu diesem nächtlichen Besuch kam.

„Rau, Rau, Raupy. Raupy!“ Der grüne Wurm blinzelte sie als Antwort an.

Beim Anblick dieser wundervoll großen Augen schmolz Paula förmlich dahin, doch, was ihr das Pokémon damit sagen wollte, verstand sie nicht wirklich.

„Was ist denn?“

Der Käfer blinzelte noch intensiver und erzählte munter vor sich hin. Aber auch das brachte nicht die nötige Aufklärung.

Plötzlich zupfte etwas an ihrem Hosenbein. Paula sah nach unten und betrachtete Akarin, der anscheinend ihre Aufmerksamkeit forderte. Ihr Glumanda fuchtelte wild in der Gegend rum. Es machte sie ganz groß, riss sein Maul gefährlich auf und ging auf Raupy zu.

„Hey Akarin, lass Raupy in Ruhe!“

Die Trainerin wollte schon zwischen die Beiden gehen, aber der Wurm half sich selber, indem es einen Faden an die Decke schoss und sich daran in die Luft beförderte. Zusätzlich wickelte es sich noch ein wenig in den weißen Fäden ein. Als Akarin auf das Bett sprang und sich mit grimmiger Miene vor dem anderen Pokémon aufbaute, fing das an zu wimmern und schaute Paula Hilfe suchend an. Plötzlich sprang das Feuerpokémon hoch, kappte das Seil an dem der Käfer hing, sodass es nach unten fiel. Unwillkürlich warf sich Paula vor, um ihren unverhofften Besucher aufzufangen. Als Akarin nun auch noch mit bedrohlicher Miene auf sie zu kam, verstand sie überhaupt nichts mehr. War ihr kleiner Liebling etwa eifersüchtig auf den Grünling?

„Raupy, Raupy!“ Der Wurm stubste sie nun auch noch aufgeregt an.

Dann wechselte Akarin auf einmal die Seite und sprang schützend vor sie.

Paula war ziemlich verwirrt. Was für ein Theater veranstaltete es da bitte?

Dann stutzte sie. Irgendwie kam ihr diese Szene bekannt vor.

Plötzlich ging ihr ein Licht auf.

Überrascht riss sie die Augen auf: „Du bist das Raupy, das wir aus Ariados’ Netz befreit haben, oder?“

Gleichzeitig jubelten Glumanda und Raupy auf. Endlich hatte das Mädchen verstanden.

Obwohl sie nun wusste, dass dies nicht nur irgendein Raupy war, erklärte das noch nicht, warum es hier war. Doch Paula hatte eine Idee.

„Bist du etwa extra hier her gekommen, um dich zu bedanken?“

Raupys waren nicht gerade die schnellste Spezies. Der Weg vom Wald bis zum Wohnheim musste für so ein kleines, langsames Pokémon eine unglaubliche Strecke sein und es hatte sie extra für sie zurück gelegt? Das war schon fast zu viel der Ehre.

Ein Nicken bestätigte ihre Annahme.

„Ach Raupy, du bist ja echt süß.“ Paula musste lächeln.

Der grüne Käfer strahlte sie freudig bei diesem Kompliment an und schmiegte sich vertrauensvoll an ihre Seite. Das Mädchen konnte nicht umhin das Pokémon zu kraulen.

Sie mochte den grünen Winzling schon total, allerdings war ihr etwas eingefallen: „Raupy und was ist mit deiner Familie? Die vermissen dich sicher schon. Soll ich dich früh gleich in den Wald zurück bringen?“

„Rau, Rau!“ Das Pokémon schüttelte entsetzt den Kopf.

„Aber...“ Paula stutzte.

Doch auf einmal begriff sie, was es von ihr wollte.

„Heißt das etwa, du willst bei mir bleiben?“

Über Raupys Gesicht ging ein Strahlen und es nickte so energisch, dass es fast umkippte.

Es dauerte einen Moment, aber dann realisierte auch Paula, was das bedeutete und ihre Augen leuchteten auf. Mit einem Freudenschrei nahm sie Raupy in die Arme und drückte es fest an sich. Auch Akarin wollte bei der Kuschelstunde nicht fehlen und schmiss Paula vor Freude gleich mal um. Lachend wälzten sie sich zu dritt im Bett, wobei das kleine Raupy etwas aufpassen musste, von seinem neuen Kameraden nicht erquetscht zu werden.

Die junge Trainerin war gerade absolut glücklich. Wenn das Käferpokémon bei ihr bleiben wollte, hieß da, sie hatte gerade ihr erstes Pokémon gefangen. Naja, vielleicht noch nicht gefangen, denn sie besaß noch keine Pokébälle, aber sie hatte einen neuen Freund, der sich bestimmt freiwillig fangen ließ, sobald sie einen der rot-weißen Bälle in die Hand bekam.

„Raupy, ich bin Paula und das ist Akarin. Ich hoffe wir werden die allerbesten Freunde.“, begrüßte die Schülerin das neue Pokémon in ihren Reihen.

Keine Woche war vergangen und sie durfte das wundervollste Glumanda auf der Welt und ein absolut niedliches Raupy ihr Eigen nennen. Wenn das so weiter ging, würde sie sicher bald ein super Team zusammen haben.

Vor lauter Freude über ihren neuen Schützling hatte Paula die Aufregung der letzten Stunde schon total vergessen. Nie hatte sie damit gerechnet, dass die Schrecksituation von vorhin so ein tolles Ende haben würde.

Aber irgendwie war sie immer noch zu aufgedreht um jetzt Schlafen zu können. Also knuddelte und spielte sie mit ihren beiden Freunden noch ein Weilchen, bis der Schlaf sie dann doch irgendwann übermannte.
 

Nur wenige Stunden später warf eine flimmernde Sonne ihre Strahlen durch das Fenster von Paulas Zimmer und kitzelte die junge Trainerin an der Nase. Etwas grummelig versuchte sich das Mädchen noch mal rumzudrehen, doch ihr Bewusstsein hatte sich schon zu sehr in den Wachzustand versetzt, um noch mal richtig einpennen zu können. Außerdem würde ihr Wecker vermutlich eh bald klingeln. Also döste sie nur noch einen Moment, streckte sich, schlug die Augen auf und – sah direkt in zwei große, schwarze Kreise.

„AHHHHHHHHHH!“ Erschrocken schrie Paula auf und fuhr automatisch hoch.

Dabei stieß sie mit dem Kopf gegen das, was da vor ihr baumelte.

„Rau, Rau?“, kam es fragend von vorn.

Erst jetzt erkannte Paula, gegen was sie da gestoßen war.

„Raupy, was um alles in der Welt machst du da?“

Ihr neues Pokémon hing mit einem Faden an der Decke und schaukelte kopfüber vor ihren Augen hin und her.

„Du hast mich vielleicht erschreckt.“ Mit einem Augenpaar direkt über ihr, hatte sie beim Aufwachen nun wirklich nicht gerechnet.

Aber so süß, wie Raupy sie ansah, konnte sie ihm nicht lange böse sein. Was es allerdings da an der Decke hängend machte, war ihr nicht wirklich ersichtlich. Anscheinend hatte es aber ziemlichen Spaß daran, denn es änderte seine merkwürdige Position auch nicht, als seine Trainerin aufstand, ihr Glumanda weckte und sich in aller Ruhe anzog. Aber solange es nicht den Putz von der Decke holte, war ihr dieses Verhalten eigentlich egal.

Müde von der kurzen Nacht suchte die Schülerin ihre Sachen zusammen. Da Samstag war, hatten sie die erste Stunde frei und dann bloß erst mal Kunstunterricht. Vielleicht war Paula nicht die talentierteste Zeichnerin, aber das Fach ließ auf eine verträgliche Unterrichtsstunde hoffen.

Doch nun war das Frühstück an der Reihe. Auch wenn es noch ziemlich viel Zeit bis zum Unterrichtsbeginn war, hatten sich die vier Freunde ausgemacht, etwas eher in den Speisesaal zu gehen um ihre Morgenmahlzeit ganz in Ruhe einnehmen zu können. Immerhin war ja schon fast so was wie Wochenende und das musste nicht stressig beginnen.

Als das Mädchen fertig zum Gehen war, fiel ihr auf, dass sie ein kleines Problem hatte. Was sollte sie denn mit ihrem grünen Freund machen? Einen Pokéball zum Verstauen hatte sie noch nicht und frei mit sich rumtragen durfte sie ihn ja auch nicht. Aber eigentlich wollte sie Raupy zumindest ihren Freunden vorstellen. Einige Augenblicke lang überlegte die Schülerin fieberhaft, bis ihr schließlich eine annehmbare Lösung einfiel.

„Raupy, komm mal bitte runter.“, forderte sie auf.

Das Pokémon kappte selbstständig den Faden und ließ sich mit einer Rolle in der Luft sanft ins Bett fallen.

„Hast du was dagegen, erst mal hier drin zu bleiben?“ Paula hielt dem Käfer ihren Rucksack hin.

Es war immerhin ziemlich klein und dürfte da locker reinpassen. Raupy schien auch nichts gegen diese etwas außergewöhnliche Aufbewahrung zu haben und kletterte ohne zu Zögern hinein.

Das machte die Tasche zwar um einiges schwerer, aber das nahm die stolze Trainerin für ihren zweiten kleinen Liebling gern in Kauf. Akarin musste allerdings leider in seinen Pokéball.

Mit ihrer besonderen Fracht machte sich das Mädchen auf in den Saal.

Obwohl samstags generell der Unterricht erst um halb zehn anfing, hatten sich schon einige Schüler versammelt. Aber es war doch noch relativ ruhig, sodass Paula ihre Klassenkameraden leicht finden konnte. Kaum hatte sich jeder ein reichliches Frühstück besorgt, fing Paula an, ihre nächtliche Begegnung zu erzählen. Tifi ließ am Anfang des Bericht gleich mal vor Schreck ihren Löffel ins Müsli zurückfallen, beruhigte sich aber wieder, als sie hörte, welch glückliches Ende das kleine Drama genommen hatte.

Freudig wurde Raupy von allen begrüßt und es schien sich auch wohl zu fühlen.

Somit war ihr Freundeskreis offiziell um Einen reicher.
 

Nach einem ganz entspannten Frühstück machten sich die Vier auf den Weg zur ersten Unterrichtsstunde des Tages. Aber durch das längere Schlafen, dem relaxten Beginn des Morgens und der Tatsache, dass einfach Samstag war, nahm das niemand so richtig für voll. Selbst als die versammelte Klasse im Kunstraum saß, kam kein richtiges Unterrichtsfeeling auf, denn ihre Lehrerin gegrüßte sie mit einem legeren „Morgen, Leute“ und ließ sich dann locker auf dem Lehrertisch nieder. Die Schüler waren doch ein wenig überrascht, denn ihre Kunstprofessorin machte einen sehr jungen Eindruck und sah auch irgendwie anders aus, als ihre bisherigen Professoren.

Ihre durchweg schwarzen Klamotten hatten einen seltsamen Schnitt und waren mit lauter verzierenden Bändern, Schnallen und anderen Accessoires behangen. Ältere Generationen hätten für diese Art von Mode wahrscheinlich nur das Wort „Lumpen“ übrig gehabt, aber in den Augen der Schüler sah der ungewöhnliche Style ziemlich gut aus. Auch ihre Frisur war sehr modern geschnitten. Die kürzeren Haare auf dem Oberkopf erstrahlten in platinblond, während der dünne Pferdeschwanz am Hinterkopf in schwarz gehalten war. Eine viereckige Brille mit dickeren, ebenso schwarzen Rahmen im ebenfalls leicht eckigen Gesicht rundete das modische Erscheinungsbild ab.

Alles an ihr wirkte irgendwie unkonventionell – wie eine Künstlerin eben.

Und auch ihre Art sich vorzustellen, widersprach den Gewohnheiten.

Mit einem leichten Akzent, den die Schüler nicht richtig zuordnen konnten, verkündete ihre Professorin: „Also ihr könnt mich ruhig einfach Macca nennen, alles andere wäre zu kompliziert. Kunst ist ein cooles Fach und für diejenigen die mal Pokémon-Beobachter oder so was in der Richtung werden wollen, auch sehr wichtig, aber ich werde euch im Allgemeinen nicht zu sehr stressen. Ich werd versuchen euch beizubringen, wie ihr am besten Pokémon in Szene setzen könnt. Wir werden uns also nicht nur mit Zeichnen und Malerei, sondern auch mit Fotografie, Bildhauerei, Druck und anderen Darstellungsmethoden beschäftigen. Natürlich kriegt ihr auf eure Werke Noten und wir werden auch ein paar Theoriearbeiten schreiben, aber davor braucht ihr keine Angst haben. Mir ist es am Wichtigsten, dass ihr eurer Kreativität freien Lauf lasst, auch wenn ihr vielleicht nicht besonders künstlerisch begabt seid. Alles andere wird nebenbei. Also entspannt euch und genießt den Unterricht.“

Eine Lehrerin, die ihren Unterricht selber nicht ganz so ernst nahm, das war wirklich mal was Neues für die Klasse. Umso mehr freuten sich die Schüler darüber, denn ein Fach bei dem sie sich keinen großen Kopf ums Lernen machen mussten, tat zur Abwechslung sehr gut. Und so wurde die Stimmung gleich viel lockerer. Macca hatte sogar nichts dagegen, wenn sie sich leise während der Zeichenübungen, die sie ihnen als erstes gab, unterhielten.

Dieses Fach war genau das richtige für den Samstag, sodass dieser zusätzliche Unterrichtstag auch schon fast wie Wochenende schien. Ohne, dass es allen richtig bewusst wurde, flogen die anderthalb Stunden einfach so dahin. Gut gelaunt packten alle ihre Zeichensachen weg und machten sich auf den Weg zur nächsten Stunde.

Wenn die auch so entspannt lief, war der Samstagsunterricht wirklich mehr als erträglich.
 

Doch ganz so, wie erhofft, sollte die Stunde nicht verlaufen – zumindest für eine Schülerin.

Als die Klasse ihren neuen Unterrichtsort erreichte, war noch alles in bester Ordnung. Fröhlich quatschend erreichten die Schüler die Trainingswettbewerbshalle, denn als nächstes stand ihre erste Stunde in Koordinatorenunterricht bevor. Und das auch noch gleich in der Praxis. Zumindest die meisten Mädchen in der Klasse freuten sich schon die ganze Woche darauf, denn für viele war es ein Traum Top-Koordinator zu werden und die Akademie hatte auch auf diesem Gebiet einen exzellenten Ruf.

Paula interessierte das Ganze weniger. Sie hatte nichts gegen diese Wettbewerbe, aber richtige Kämpfe ohne den ganzen Firlefanz drumrum waren ihr einfach lieber. Aber irgendwie würde sie den Unterricht schon überleben. Und wer wusste schon, vielleicht zeigte sich Akarin ja auch besonders talentiert in diesen Showsachen?

Als die Klasse eintrat, blieben sie erst einmal etwas ratlos stehen. Die riesige Halle beherbergte einige kleine Bühnen mit jeweils einer Tribüne bestehend aus ein paar Sitzreihen. Doch das Problem war eher, dass niemand weit und breit zu sehen war. Langsam schien es zur Gewohnheit der Lehrer zu werden, die Klasse mit Abwesenheit zu empfangen.

„Hallo? Ist hier jemand?“ Paula kam mal ihrem neu gewonnenen Pflichtbewusstsein als Klassensprecherin nach und fahndete per Aufruf nach dem Lehrer.

Doch alles blieb still.

Schulterzuckend sahen sich die Klassenkameraden an.

„Setzen wir uns auf eine Tribüne und warten ein paar Minuten. Wenn niemand kommt, machen wir halt eher Schluss.“

Da niemand etwas Besseres vorzuschlagen hatte, begaben sich alle auf den Weg zu einer der Wettbewerbsbühnen. Völlig unerwartet gingen auf der mittleren Bühne plötzlich die Scheinwerfer an und ein Pokémon erschien auf der Bildfläche.

„Sonnflora, das Sonnen-Pokémon. Warmes Sonnenlicht gibt ihm Energie. Daher wandert es stets dem Sonnenlicht hinterher.“, verlautete ein Pokédex von irgendwo her.

Ein leises Raunen ging durch die Klasse, als das Planzenpokémon auf einmal einen immer größer werdenden Lichtball zwischen seinen Blättern entstehen ließ und ihn gen Decke schickte. Dort oben hing er in der Schwebe und sendete gleißende Sonnestrahlen über die ganze Arena. Es sah einfach nur wundervoll aus und noch viel mehr, als von irgendwoher auch noch eine Vielzahl kleiner lila Flammen kamen, die den gelben Ball nun in einem bizarren Tanz umrundeten.

Dann schoss auf einmal eine schmale, braune Gestalt vom Boden nach oben, sprang mitten in das Licht und brachte die Kugel mit einem Kick zum Platzen, sodass über die gesamte Halle ein Feuerwerk aus lila und gelben, funkelnden Flocken niederging. Die Schüler fühlten sich fast, als ob Sterne auf sie regnen würden.

„Ohh, wie schön.“

„Wundervoll.“

Dieses Schauspiel entlockte den Schülern zahlreiche entzückte Ausrufe. Manche klatschten sogar unwillkürlich Beifall, auch wenn sie nicht wussten wem.

„Danke, Danke, meine Lieben. Das war doch nichts weiter.“, ertönte plötzlich eine helle Stimme von links.

Eine andere Bühne wurde nun mit Licht überflutet und in deren Mitte stand eine Frau in einem rosa Abendkleid. Die drei Pokémon schossen von allen Seiten heran und bauten sich vor ihr auf.

„Kommt nur näher heran und setzt euch dort hin.“ Die junge Frau wies auf die Sitzreihen vor dem Podest.

In der Annahme, dass dies wohl ihre nun doch endlich aufgetauchte Lehrerin sei, folgte die Klasse ihren Anweisungen und nahm Platz.

„Sehr schön, dann möchte ich mich euch erst einmal vorstellen. Ich bin Madame Bella und das hier sind drei meiner preisgekrönten Wettbewerbspokémon: Sonnflora, Vulnona und Schlapor. Zusammen haben wir euch kleine Darbietung der Koordinatorenkunst gegeben. Das war jedoch nur eine einfache Demonstration dessen, was euch hier demnächst erwartet. Pokémon sind wundervolle Wesen voller Schönheit, Eleganz und Stärke, geradezu gemacht um auf einer Bühne das Publikum zu begeistern. Es wird lange dauern, bis ihr auf diesem Level seid, doch ihr dürft nicht verzagen. Wenn ihr hart arbeitet, werde ich euch helfen das Beste aus eurem Pokémon herauszuholen. Ich bin mir sicher, ihr werdet ganz fabelhafte Koordinatoren.“

Während die Lehrerin voller Begeisterung ihr Fach näher erläuterte, hatte Paula irgendwie schon abgeschaltet. Während ihre Klassenkameradinnen sich bewundernde Bemerkungen über die Lehrerin zuflüsterten, musterte Paula die Person auf der Bühne skeptischer. Es stimmte schon, dass die junge Frau mit ihrem goldblonden, stufig geschnittenen Haaren, die ein makelloses Gesicht mit vor Enthusiasmus strahlenden grau-blauen Augen, einrahmten, sehr hübsch aussah. Doch es schien, als ob dieser perfekten Schönheit ein bisschen nachgeholfen wurde, denn die Schminke war schon von hier aus zu sehen. Die Frau sah so aus, als ob sie eine Menge Zeit vor dem Spiegel verbringen würde. Das war irgendwie so gar nicht Paulas Fall. Außerdem sah die Lehrerin ihrer Meinung nach in dem Kleid aus, wie ein rosa Knallbonbon.

Und dass sie immer noch wie ein Wasserfall über die Großartigkeit von Wettbewerben laberte, ging der Schülerin auch ein wenig auf den Keks.

„Doch nun genug der Vorrede, ich möchte euch gleich mal in Aktion erleben und euer Potenzial ermessen. Also stell euch doch mit eurem Begleiter jeweils einzeln auf die Bühne und führt uns eine Attacke vor. Dann könnt ihr euch gleich an das Gefühl im Rampenlicht zu stehen, gewöhnen und ich sehe, ob ihr für die große Bühne geboren seid.“

Mit einer einladenden Bewegung wies sie auf den ihren Platz auf dem Podium.

Im Gegensatz zu sonstigen Aufforderungen der Lehrer wurde diese hier mit Begeisterung aufgenommen. Einige ihrer Klassenkameradinnen schienen es gar nicht abwarten zu können im Scheinwerferlicht zu stehen. Die Erste war wieder das Mädchen mit dem Endivie, das sich auch schon für den Slalomlauf von Prof. Weston geopfert hatte. Sie ließ ihr Pokémon raus und machte gleich eine Pose, bevor sie ihr Endivie einen Tackle ausführen ließ, der gar nicht mal so schlecht aussah.

„Wirklich sehr erfreulich. Ihr harmoniert sehr gut und der Ausdruck der Attacke war ebenfalls schon auf einem guten Level. Und damit es das nächste Mal noch besser aussieht, habe ich ein kleines Geschenk für euch. Komm her und such dir etwas aus.“ Madame Bella holte einen Korb hervor, in dem sich jede Menge verschiedene Sachen befanden.

Das Mädchen nahm das Angebot freudig an und suchte sich ein gelbes Schleifchen für ihr Pflanzenpokémon aus. Dann war die Bühne für den Nächsten frei. Die Jungen gingen das ganze mit etwas weniger Begeisterung an, führten ihre Attacken aber solide aus.

Als Tifi das Podest betrat, wirkte sie ziemlich nervös. Doch kaum war Selena aus dem Pokéball entlassen, schien die Trainerin wesentlich zuversichtlicher und legte eine gute Vorführung hin. Madame Bella sparte nicht an Lob für die exzellente Zusammenarbeit. Bei der ganzen Huldigung lief das Mädchen in der hellblauen Schuluniform gleich mal rot an und nahm sich verlegen ein Band für ihr Pokémon aus dem Korb.

Manja schien sich dagegen nicht davon beeindrucken zu lassen, dass sie auf einer Bühne stand und auch Kev war wohl für das Rampenlicht geboren, wobei es vielleicht eher Clown als Wettbewerbspokémon werden sollte.
 

Nur Paula hatte sich noch gekonnt vor der Darbietung gedrückt. Sie fand zum Einen das Fach an sich einfach nicht besonders prickelnd, zum Anderen hatte sie die leise Befürchtung, dass das mit dem Attackenvorführen wohl mal wieder nichts werden würde. Doch der Kreis der Verbleibenden wurde immer kleiner und schließlich konnte sie auch den Augen der Lehrerin nicht mehr entgehen.

Seufzend stellte sie sich in den beleuchteten Fleck auf der erhöhten Plattform. Eigentlich hatte das selbstbewusste Mädchen keine Angst sich vor anderen zu präsentieren, aber hier machte sich irgendwie Unwohlsein in ihr breit. Es war einfach das nicht zu unterdrückende Gefühl, hier fehl am Platz zu sein.

Dennoch stellte sich Paula der geforderten Aufgabe. Mit einem kämpferischen „Akarin, zeig was du drauf hast!“ schleuderte sie den Pokéball vor, der sogleich ihre Feuerechse erscheinen ließ. Akarin betrat die Bildfläche wie immer mit einem Strahlen auf dem breiten Gesicht und einem beschwingten „Glu!“.

Und wie immer drehte es sich zu seiner Trainerin, um sie stürmisch zu begrüßen. Die fing ihr Pokémon zwar freudig auf, aber irgendwie ließ das immer stärker werdende Unbehagen in ihr nicht zu, dass sie die Kuschelstunde lange ausdehnte. Stattdessen gab der Koordinatoren-Neuling seinem Partner den Befehl zur Attacke, auch wenn sie ahnte, dass es nicht viel Wirkung haben würde.

Und wie es vorauszusehen war, hatte Akarin immer noch keine Ahnung was seine Trainerin eigentlich genau von ihm wollte. Nur ganz vage erinnerte es sich, dass es irgendwas mit seinen Armen tun sollte. So entschloss sich das kleine Feuerwesen das zu tun, was es am Besten konnte, fröhlich herumtanzen und dabei mit den Armen winken.

Paula konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Ihr Pokémon macht zwar wieder mal nicht was es sollte, aber eine Art Show war das trotzdem.

Nur ihre Lehrerin war nicht wirklich so begeistert: „Also dieses Glumanda mag ja niedlich sein. Aber denke nur nicht, dass dies ausreicht um bei einem Wettbewerb zu siegen. Wenn du dein Pokémon nicht unter Kontrolle bekommst, wirst du noch nicht einmal die Vorrunden überstehen.“

‚Wer sagt denn, dass ich das will?’ Wollte die Belehrte schon patzig zurückgeben, aber im letzten Moment, biss sie sich auf die Zunge und gab stattdessen zur Antwort: „Ja, ich werd üben.“

Doch auch das klang genervter, als Paula es eigentlich beabsichtigt hatte. Sie wusste nicht genau warum, aber Madame Bella war ihr irgendwie nicht besonders sympathisch.

„Es kann ja nicht jeder für die Bühne geboren sein. Du darfst dir aber trotzdem etwas aussuchen.“, bot die Frau betont freundlich an.

Ein knurriges „Na vielen Dank auch.“ ging Paula durch den Kopf, aber auch das schluckte sie runter. Ohne großes Interesse ging sie zu den Sitzreihen und wühlte im Korb. Es waren nicht mehr sehr viele Accessoires übrig. Zwischen den ganzen Schleifchen und Bändern, gab es nur eins was ihr wirklich gefiel. So fischte sie sich ein kleines, rotes Glöckchen aus dem Korb.

„Das kannst du aber nicht nehmen.“, ertönte die Stimme ihrer Lehrerin.

Paulas Laune sank gleich noch weiter: „Warum nicht?“

„Das ist doch ganz offensichtlich. Dieses Accessoire passt nicht im geringsten zur Farbe deines Pokémon. Orange und Rot ist zu disharmonisch, um es auf der Bühne zu präsentieren. Dieses hübsche grüne Bändchen würde sehr viel besser passen.“ Mit belehrender Miene legte die Frau der Feuerechse den Schmuck um, was Paula so gar nicht passte.

„Ich möchte aber diese Glocke.“, beharrte die Schülerin auf ihrer Wahl und band Akarin demonstrativ das Band ab und das Glöckchen um.

„Aber du musst doch sehen, dass ....“

Weiter kam Madame Bella nicht, denn Paula schnitt ihr protestierend das Wort ab: „Ich durfte mir etwas aussuchen und ich hab mir dieses Glöckchen ausgesucht! Deswegen wird Akarin dieses Glöckchen auch tragen.“

Mit einer Mischung aus Empörung und Überheblichkeit erwiderte die Lehrerin: „Bitte, wie du willst. Aber das wird dir sicher keine hohen Punkte bei der Beurteilung des Erscheinungsbildes geben.“

„Mir egal.“, knurrte Paula knapp.

Das Mädchen konnte es sich nicht erklären, warum sie eine solche Abneigung gegen diese Frau hatte. Sie war einfach da und Paula musste sich wirklich zusammenreißen nicht noch patziger zu antworten.

Bevor das Ganze ausartete, wandte sich Madame Bella ab und gab den anderen freundlich die nächste Anweisung: „Dort hinten stehen Kisten mit weiteren Requisiten. Schaut euch um und kleidet euer Pokémon mit ein paar Accessoires ein. Ich möchte sehen, ob ihr über das nötige Modegefühl verfügt. Also seid kreativ.“

Während die Lehrein wieder ihren Platz auf den Zuschauerrängen einnahm, ging Paula zu den anderen Schülern um sich lustlos der Aufgabe zu widmen.

Außer einigen ihrer Klassenkameradinnen waren die Meisten nicht so angetan von den Anforderungen des Koordinatenunterrichts. Aber solang es sich nicht um anstrengende Aufgaben handelte, hielten sie sich mit Beschwerden lieber zurück. So kramten alle mehr oder weniger gewissenhaft in den bereitstehenden Materialien und behängten ihre Schützlinge mit ein paar Sachen.
 

„WAHHHHHHH!“

Ein Aufschrei ließ die Schüler aus der Beschäftigung herumfahren. Ihre Lehrerin rannte auf einmal wie vom Ariados gestochen über die Bühne, fuchtelte wild mit den Armen und schrie hysterisch: „Nehmt es weg! Nehmt es weg!“

Verwundert sahen sich die Klassenkameraden an. Was war denn nur plötzlich in ihre Lehrerin gefahren?

Keiner konnte irgendeinen Grund erkennen, warum sie so austickte.

„Was ist den passiert?“, versuchte eine Mitschülerin Licht ins Dunkle zu bringen.

Doch das Einzige was die aufgebrachte Frau herausbrachte, war: „Ich hasse Käfer!“

Nun war die Verwirrung noch größer. Was meinte sie nur damit?

‚Käfer...’, grübelte Paula, bis ihr auf einmal ein Gedanke in den Kopf schoss und der beunruhigte sie ein wenig.

Während die Anderen immer noch versuchten etwas Genaueres aus ihrer aufgeregten Lehrerin herauszubekommen, wanderte Paulas Blick verstohlen zu dem Platz, auf dem Madame Bella gerade noch gesessen hatte.

Und leider bestätigte sich ihre Vermutung.

‚Ups.’ Ganz vorsichtig schlich sich das Mädchen von der Gruppe weg.

„Hey, was machst du denn hier?“, richtete sie sich flüsternd an das kleine Raupy, dass da kopfüber von der Decke hing.

Wahrscheinlich hatte es sich gerade vor den Augen der Glamourtussi abgeseilt, was die total erschreckt hatte.

Auch wenn das sicher für jemanden mit Käferphobie nicht lustig war, fand es Paula doch ziemlich komisch, wie sie da so hysterisch umhersprang. Die schlechte Laune von vorhin war auf einmal verflogen.

„Na komm runter du kleines Schreckgespenst.“ Die Trainerin konnte ein amüsiertes Lächeln nicht unterdrücken, während sie ihren Käfer in den Arm nahm.

Wie konnte man wegen einem kleinen Raupy nur solchen Aufstand machen?

„DU! Ist das etwa dein Pokémon?“ Leider hatte Madame Bella die Beiden bemerkt und kam nun ärgerlich herüber gestapft.

Sicherhaltshalber brachte die Angesprochene ihren Wurm hinter ihrem Rücken in Sicherheit, denn die vorhin noch so elegant und unnahbar wirkende Frau hatte anscheinend ihre Fassung verloren und funkelte sie nun ziemlich wütend und ungehalten an.

„Ehm, ja das ist mein Raupy.“, antwortete Paula wahrheitsgemäß.

„Was fällt dir ein dieses widerliche Vieh unbeaufsichtigt herumhängen zu lassen!“ Die Lehrerin hatte sichtlich Mühe nicht zu schreien.

„Entschuldigung, aber ich hab noch keinen Pokéball.“ Doch wirklich ernst gemeint war die Entschuldigung nicht, denn Paula musste sich nach dieser unverschämten Beleidigung ihres neuen Freundes ziemlich zusammen reißen, nicht gleich zu explodieren.

Sie hatte große Mühe die aufkommende Wut zu unterdrücken. Deshalb kamen die nächsten Worte nur gepresst aus ihrem Mund: „Was heißt hier widerliches Vieh? Das ist ein süßes kleines Raupy!“

„Nein, es ist nur ein kleiner Mistwurm und der hat nicht frei herumzulaufen. Stecken sie dieses Monster sicher weg oder verlassen sie den Unterricht!“, herrschte Madame Bella sie ungehalten an.

Aber ihre Gegenspielerin dachte nicht daran, klein bei zu geben. Auch wenn das da vor ihr ihre Lehrerin war, jemanden der ihr Pokémon nicht respektieren konnte, vor dem hatte sie auch keine Achtung. Das Mädchen plusterte sich auf, sah der jungen Frau grimmig in die Augen und legte dann entschlossen los: „Sie haben doch nen Klatsch. Mein Raupy hat ihnen überhaupt nichts getan und ich auch nicht. Also brauchen sie uns auch nicht so anzufahren. Aber wissen sie was? Sie können mich mal! Akarin, Raupy, wir gehen!“

Paula wandte sich ohne zu zögern um, nahm ihr Glumanda an die Hand, schnappte sich ihren Rucksack und stolzierte mit ihren beiden Pokémon aus der Halle.

Madame Bella und alle anderen Schüler sahen dem Mädchen in der pinken Uniform verblüfft hinterher. Offenbar hatten alle erwartet, dass Paula den kleinen Konflikt mit einer unterwürfigen Entschuldigung beendete, aber Pustekuchen.

Die Top-Koordinatorin fand ihre Contenance am schnellsten wieder.

„Das wird Konsequenzen haben, junge Dame!“, rief sie der unbeugsamen Schülerin hinterher.

Doch anstatt reumütig angewinselt zu kommen, erwiderte Paula nur eiskalt: „Is mir doch egal!“

Mit einem lauten Knallen der Eingangstür, war sie erhobenen Hauptes aus der Halle verschwunden.

Die meisten Klassenkameraden sahen sich untereinander erschrocken an, nur Paulas Freunde konnten sich ein Grinsen nicht verkneifen. Wenn es um ihre Pokémon ging, war mit dem Mädchen echt nicht zu spaßen.
 

Nachdem sich Madame Bella wieder gefasst hatte, ging für den Rest der Klasse der Unterricht normal weiter.

Paula dagegen hatte sich in der Nähe der Halle in das Gras gesetzt und starrte nun wütend vor sich hin.

Nach gerade mal sechs Tagen war sie das erste Mal aus dem Unterricht geflogen. Das war ja wirklich ein glänzender Start an der Akademie.

Aber Reue fühlte sie trotzdem nicht im Geringsten. Wieso auch? Sie hatte schließlich nicht damit angefangen, so ein Gezeter um ein kleines Raupy zu machen.

Die Frau musste doch echt einen an der Waffel haben, wegen so etwas so völlig auszuticken. Und die Tussi hatte auch noch angefangen ihr Pokémon zu beleidigen, da war es als Trainer doch nur ganz natürlich, wenn man seinen Freund verteidigte. Also war es doch nicht ihre Schuld.

Sicher, Paula hätte sich einen Ruck geben und die ganze Angelegenheit mit ein paar klärenden Worten aus der Welt schaffen können, aber dazu war sie im Moment einfach zu aufgebracht. Die Wut darüber so unfair behandelt worden zu sein, saß wie ein wildes Biest in ihrem Herzen und wollte sie einfach nicht wieder zähmen lassen. Am liebsten hätte das Mädchen diesem pulsierenden Gefühl in ihrem Inneren Luft gemacht, doch es war grad nichts da, das sich als Ventil bot. So saß sie eine Weile nur da, grummelte leise vor sich hin und reagierte sich zumindest damit ab, die umstehenden Grashalme aus ihrer Verankerung im Boden zu rupfen. Ohne es wirklich mitzubekommen, schmiss sie das Grünzeug immer wieder vor sich hoch. Für Akarin ergab das gleich mal die Gelegenheit zu einem neuem Spiel. Vergnügt sprang es unter den fallenden Halmen herum und versuchte sie aus der Luft zu fischen. Dabei schlug es mit unter auch seltsame Purzelbäume. Obwohl Paula zunächst kein Auge für ihr Umfeld gehabt hatte, drängte sich das freudige Glucksen ihres Pokémons durch die trüben Gedanken und entlockten ihr ein kleines Lächeln.

Die durch nichts zu erschütternde, fröhliche Art ihres Glumandas schaffte es einfach immer wieder selbst in die düstersten Wolken einen Sonnenstrahl zu bringen.

Langsam legten sich die wirbelnden Gefühle in der jungen Trainerin. Sie war zwar immer noch sauer und es stand für sie auch unumgänglich fest, dass Madame Bella sicher niemals ihre Lieblingslehrein werde würde, aber zumindest hatte sie nicht mehr das Bedürfnis laut loszuschreien.

Nun fiel ihr auch auf, dass sich ihr neuer grüner Freund mit gesenkten Blick ein Stück abseits getrollt hatte. Anscheinend hatte ihm der Vorfall auch ziemlich zugesetzt.

„Hey Raupy, schau nicht so traurig. Ist doch alles ok. Das war nicht deine Schuld.“, versuchte Paula ihr Pokémon aufzuheitern.

Tröstend nahm sie es in den Arm. Raupy schien immer noch bedrückt, ließ sich nach einigem guten Zureden aber überzeugen, dass es nicht für die Eskalation der Situation verantwortlich war.

Inzwischen war ihr der Zwist selbst schon nicht mehr so wichtig.

Viel mehr beschäftigte sie nun die Frage, was sie jetzt machen sollte. Wieder reinzugehen, dagegen sträubte sich jede Faser ihres Körpers, aber auch hier draußen in der Gegend herum zu sitzen hatte keinen Sinn. Sollte sie einfach schon ins Wohnheim zurück gehen? Immerhin war das für heute ihre letzte Stunde und wenn die für sie vorzeitig geendet hatte, brauchte sie doch nicht noch mehr von der kostbaren Freizeit vergeuden.

Das Piepen ihres Messengers nahm ihr die Entscheidung ab. Zuerst nahm das Mädchen an, einer ihrer Freunde wollte ihr Neuigkeiten aus dem Unterricht mitteilen, als sie jedoch das pinke Gerät in die Hände nahm, überraschte sie die Nachricht doch ein wenig.

Der Verfasser war kein anderer als Prof. Weston, der ihr mitteilte, dass er die angekündigten Trainingstipps geschickt hatte.

Auch wenn er ihr gestern seine Hilfe angeboten hatte, hatte die Schülerin nicht wirklich damit gerechnet, dass sich der Lehrer melden würde und nicht so prompt. Aber anscheinend meinte er es wirklich ernst. Vielleicht war es dann an der Zeit das Training wirklich mal in Angriff zu nehmen.

„Na Akarin, hast du Lust etwas trainieren zu gehen?“, erkundigte sie sich bei ihrem Partner.

Das Feuerpokémon lies von den Grasflocken ab und kam neugierig zu seiner Trainerin gewatschelt.

„Glu? Glu!“ Es hatte zwar nicht wirklich mitbekommen, was seine Freundin gefragt hatte, aber alles was seine Trainerin vorschlug, würde schon gut werden.

Paula motivierte das zuversichtliche Gesicht ihres Pokémon und so stand sie energisch auf, um sich auf den Weg zu ihrer neuen selbsterwählten Aufgabe zu machen.

Wege, die zusammen führen

Es dauerte nicht lang, da hatte die junge Schülerin ihr Zimmer erreicht und den PC angeschmissen. Ein blinkendes Briefsymbol ließ keinen Zweifel daran, dass die elektronische Post angekommen war.

Als sie das Dokument öffnete, erlitt Paulas Enthusiasmus ein wenig Ernüchterung, denn es breiteten sich zehn klein beschriebene Seiten vor ihren Augen aus. Aber da sie sich ja entschlossen hatte, das Training ernst zu nehmen, machte sie sich an die Arbeit den Roman durchzulesen. Ihr Kampflehrer war eine Koryphäe auf seinem Gebiet und wenn er ihr nicht helfen konnte, war es vermutlich aussichtslos. Also versuchte sich die Trainerin daran, die Unmenge an Informationen zu lesen und zu merken. Besonders Letzteres erwies sich als äußerst schwierig. Das waren einfach ein paar Tipps zu viel auf einmal.

Nach der vierten Seite gab Paula genervt auf. Das konnte sie unmöglich alles umsetzen.

Aber wenn sie nicht anfing, würde Akarin vermutlich nie ne Attacke zustande bringen.

Also machte sie den Computer aus, schmiss alles Unwichtige aus ihrem Rucksack und lud Raupy wieder darin ein. Einem Ausflug war der Käfer sicher nicht abgeneigt und seine Trainerin brachte es auch nicht übers Herz die kleine Raupe allein in ihrem Zimmer zurückzulassen.

Paula musste Akarin mal eben in seinen Pokéball verfrachten, denn gleich war Mittagszeit und dann würde der Campus voller Leute sein, die sich über ein freilaufendes Pokémon aufregen konnten.

Schnell benachrichtigte sie noch Tifi, dass sie das Mittagessen heute ausfallen lassen wollte und dann ging’s auch schon los, sich einen geeigneten Übungsplatz zu suchen.

Am praktischsten war natürlich eigentlich die Trainingsarena, aber Paula hatte keine Lust sich den Blicken anderer Leute ausgesetzt zu wissen. Außerdem hatte Prof. Weston dringend empfohlen, dass es für Glumanda so wenig wie möglich Ablenkung geben sollte.

Also stand für sie der Entschluss fest, sich ein nettes Plätzchen im angrenzenden Wald zu suchen.

Dass es Schülern der ersten Klasse nicht gestattet war, in der ersten Woche allein die Gegend zu erkunden und sie damit massiv gegen die Schulregeln verstieß, war ihr in dem Moment nicht klar. Aber selbst wenn sie es gewusst hätte, wäre es ihr wohl völlig egal gewesen.

Nach der blöden Auseinandersetzung am Vormittag tat es ihr nun gut, die frische Luft zu genießen und einfach den Kopf frei zubekommen. Es war immer noch schön warm, aber die ersten Wölkchen hatte sich am Himmel verteilt, sodass die Sonne nicht mehr ganz so kräftig auf die Erde nieder brannte. Der Schatten der, nun schon kräftig grünen, Bäume sorgte für eine gleich noch viel angenehmere Atmosphäre.

Sobald die Studentin aus dem normalen Sichtfeld des Geländes heraus war, ließ sie ihren feurigen Freund wieder aus dem lästigen Gefängnis und auch Raupy durfte oben aus der Rucksacköffnung herausgucken.

Allen drein gefiel die kleine Unternehmung sehr gut und so wurde es erst einmal eher ein Spaziergang, als ein Training. Das unbeschwerte Umherwandern war einfach mal zu schön und so bemerkte Paula gar nicht, dass sie sich weiter als geplant von den Akademiegebäuden entfernte.

Erst als Akarin langsam anfing etwas schwerer zu atmen, wurde ihr bewusst, dass sie schon über eine halbe Stunde liefen. Und das ganz ohne zu wissen, wohin eigentlich...

„Ok, machen wir erst mal eine kleine Pause.“

Auch bei dem Mädchen machten sich allmählich die Knie protestierend bemerkbar. Außerdem wollte sie ihr Pokémon ja nicht schon vor dem Training überanstrengen.

Ebenfalls leicht erschöpft, ließ sie sich in das weiche Gras fallen. Akarin kam sofort heran und platzierte sich auf ihrem Schoß. Raupy nutze die Gelegenheit aus seinem Transportmittel herauszuklettern und sich an den Hals seiner Freundin zu schmiegen.

Paula musste unwillkürlich lachen: „Ok, ihr Zwei, dann machen wir jetzt erst mal ne kleine Kuschelstunde und dann geht’s los mit Training.“

Vergnügt legte sich die Schülerin ins Gras und umschlang ihre beiden Pokémonfreunde. Die kleine Erholungspause nach der anstrengenden Woche tat wirklich mehr als gut.

Doch der weite Fußmarsch, das Kuscheln und die Wärme, hatten noch einen anderen Effekt. Ohne es zu merken, versank Paula langsam aber sicher in einen dämmrigen Zustand. Sie genoss es viel zu sehr, einfach da zu liegen und Nichts zu tun , als dass sie sich groß dagegen wehrte, dass ihre Augen immer schwerer wurden und sie schließlich nach einiger Zeit mitten im Wald zu einem kleinen Mittagsschläfchen einnickte.
 

Als das Mädchen wieder aus ihren Träumen erwachte, sah sie sich verwirrt um. Es dauerte ein paar Augenblicke, bis die Erinnerungen an ihr Trainingsvorhaben zurück kamen und sie wieder wusste, warum sie sich im Wald befand.

„Hey, ihr Schlafmützen, genug gepennt. Jetzt geht’s an die Arbeit.“, weckte sie ihre noch schlummernden Kameraden.

Noch etwas schläfrig streckten sich die Drei, bevor sie aufstanden, um sie endlich ans Werk zu machen.

Aber Paulas Müdigkeit war schnell wie weggeblasen, als sie erkannte, dass sich etwas an der Umgebung geändert hatte. Nicht das Umfeld direkt, aber etwas war nicht mehr, da wo sie es in Erinnerung hatte – die Sonne!

Ein Blick auf die Uhr bestätigte ihre Befürchtung. Es war schon um vier! Sie hatte also gute zwei Stunden einfach verpennt. Dabei wollte sie doch eigentlich schon auf dem Rückweg sein.

Aber jetzt ohne Training zurück zugehen, kam auch nicht in Frage.

Außerdem... wenn sie es sich genau überlegte... wo war eigentlich der Rückweg?

Etwas verwirrt sah sich Paula um. Irgendwie waren da überall plötzlich nur noch Bäume und ihr Gedächtnis ließ sie ziemlich im Stich, wenn es darum ging, an welchem Grünzeug sie vorbeigekommen war. Orientierung war noch nie so ganz ihre Stärke gewesen, zumindest wenn es darum ging, sich in Gebieten zurecht zu finden, wo alles rundherum gleich aussah.

Die Tatsache irgendwo im Wald zu sein und den Weg nicht zu kennen, beunruhigte sie zwar für einen kurzen Moment, aber sie hatte ja ihre Begleiter und irgendwie würde sie schon auch zurückfinden. Hoffte sie zumindest...

Doch der Gedanke wurde erst einmal zur Seite gelegt. Jetzt war es wichtig, endlich mal mit den Übungen anzufangen. Ein bisschen Aufwärmtraining war da schon mal die beste Grundlage, das hatte selbst sie schon mitbekommen.

Aber gerade als sie den Befehl zum Laufen geben wollte, zog etwas anderes Paulas Aufmerksamkeit auf sich.

Wenn sie nicht noch träumte, oder gar schon halluzinierte, hatte sie Geräusche gehört. Für einen Moment drang nur das Rascheln der Bäume an ihr Ohr, aber dann wurde ein erneuter Laut mit dem Wind herangetragen. Es klang fast so wie ein Knall, aber sehr leise und dumpfer. So richtig einordnen konnte sie diesen Ton nicht. Auf jeden Fall schien er für die Waldidylle eigenartig fremd.

Vermutlich war sie also doch nicht allein. Etwas in ihr, ermahnte das Mädchen zur Vorsicht. Es konnten ja immerhin wilde Pokémon sein, so wie das unfreundliche Ariados. Doch ein anderer Teil machte ihr klar, dass sie dann immer noch Akarin und Raupy zum Beschützen hatte und wenn sie das Risiko einging und dafür auf jemand menschliches traf, der ihr den Weg weisen konnte, hatte sie ein Problem weniger. Außerdem zupfte die Neugier auch heftig an ihrem Unterbewusstsein.

Also schnappte sich die Verirrte ihren Rucksack und ihre Pokémon, bevor sie behutsam in die Richtung des Geräuschs schlich. Je weiter sie in das Dickicht der Strauchzone vordrang, desto intensiver wurden die Laute. Fast meinte Paula eine Stimme zu erkennen, konnte aber weder ausmachen, wer es war, noch was gesagt wurde. Dafür wurden die hämmernden Töne immer deutlicher. Nun war die Schülerin erst recht neugierig.

Doch noch versperrte ihr das Gebüsch die Sicht. Erst, als sie einen kleinen Hang erklommen hatte, konnte sie durch die etwas lichtere Begrünung eine Gestalt ausmachen, die unten in der Senke stand. Aber sie stand mit dem Rücken zu Paula und war noch zu weit entfernt, um Näheres zu erkennen. Es war schon mal zum Glück kein wildes Pokémon, sondern ein Mensch, bei dem sie sich eventuell Hilfe holen konnte.

„Komm Akarin. Das sehen wir uns genauer an. Sei schön leise.“ Entgegen ihrer sonst eher direkten Art, entschied sich Paula erst mal noch eine Weile im Verborgenen zu bleiben. Wie ein Jäger pirschte sie sich immer weiter an das Ziel heran. Nach einigen Metern war die Schülerin so weit herangekommen, dass die Büsche ihr einen guten Blick auf das Geschehen unter ihr frei gaben.

Überrascht hielt sie den Atem an, während sie beobachtete, was da vor sich ging.

Ein kleines, rotes Etwas stürmte gerade auf die Gestalt zu, sprang ab und schoss mit gewaltiger Geschwindigkeit gegen einen klumpigen Gegenstand, den die Zielperson vor sich gehalten hatte. Diese machte zum Ausgleich ein paar wankende Schritte nach hinten, blieb aber auch nach Folgeattacken des Angreifers standhaft und setzte mit eigenen Kontern nach. Die rote Kugel wich denen erstaunlich behände aus, nur um gleich wieder auf seinen Gegner loszugehen.

Paula war von der Szenerie völlig perplex. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und die Überraschung nahm noch zu, als sie begriff, dass sie die Person, die sich da unten gegen ein Feuerküken zur Wehr setzte, sogar kannte.

Das Mädchen war eine ihrer Mitschülerinnen!

Sie konnte sich im Moment nicht an ihren Namen erinnern, doch sie war dem Mädchen mit der lila Schuluniform sogar schon außerhalb des Unterrichts ein paar mal über den Weg gelaufen.

Irgendwie konnte Paula das trotzdem nicht so richtig glauben, denn die Person, die sich da grade das Duell mit dem Pokémon lieferte, hatte nicht im Geringsten etwas mit dem stillen Mädchen zu tun, dass ihr vor lauter Unscheinbarkeit kaum noch im Gedächtnis geblieben war.

Das Mädchen da unten hatte einen unglaublich entschlossenen Blick, als sie ihr Flemmi erneut zum Angriff herausforderte. Auch in ihrer Körperhaltung war nichts von Schüchternheit zu entdecken. Nein, sie strahlte sogar eine unglaubliche Aura von Stärke, Selbstbewusstsein und Kampfbereitschaft aus, die Paula ihr nie zugetraut hätte.

Paula war einfach nur völlig fasziniert, auch wenn sie noch nicht so richtig begriff, was da eigentlich vor sich ging. Und so war es der Schülerin in ihrem Versteck nicht möglich die Augen von dem Schauspiel abzuwenden. Viel mehr entstand in ihr das Verlangen, alles noch besser einsehen zu können. Vor lauter Anspannung unvorsichtig geworden, schob sie sich einen Schritt nach vorn, um die letzten, störenden Äste aus ihrem Sichtfeld zu befördern. Ein lautes „Knack“ machte ihr erst bewusst, dass sie nicht auf Äste unter sich geachtet hatte. Erschrocken machte Paula einen Satz rückwärts. Doch der richtige Schreck kam erst, als sie merkte, dass hinter ihr nichts mehr war. Bei ihrer heimlichen Beobachtung hatte sie nicht mitbekommen, dass sich an diesen Teil des Hanges ein steiler Abhang anschloss. Und genau über dem hing sie gerade mit der Hälfte ihrer Schuhe. Verzweifelt versuchte die Schülerin noch etwas zu Fassen zu bekommen, bevor ihr Gleichgeweicht völlig versagte, aber ihre Hände griffen ins Leere.
 

Ein lautes Knacken im Gebüsch, gefolgt von einem spitzen Aufschrei, rissen Taja aus ihrem Training. Für einen Augenblick war sie einfach nur verwundert, denn sie hatte sich hier in völliger Abgeschiedenheit gewähnt, doch schnell übernahm der Verstand, der ihr sagte, dass Bäume wohl keine Schreie ausstießen und irgendjemand vermutlich ihre Hilfe brauchte. Blitzschnell hatte sie ihren Pokéball in der Hand, um Flemmli zurück zuholen. Wer auch immer das war, brauchte sicher nicht auch noch ein Pokémon, was sich vermutlich gleich auf ihn stürzen würde. Sicher war sicher.

Nachdem sie sich auch ihre Sachen geschnappt hatte, hastete die Trainerin den Hang hinauf. Je näher sie dem Rand kam, desto langsamer wurde sie. Immerhin hatte das Mädchen keine Ahnung, wer diesen Schrei ausgestoßen hatte und so ließ sie lieber Vorsicht walten. Behutsam spähte sie über die Grasnarbe, hinter der es gute drei Meter steil abwärts ging. Wer auch immer da runtergefallen war, hatte sich ausgerechnet die höchste Stelle ausgesucht.

Tajas nach unten wandernder Blick traf auf eine Gestalt, die am Boden lag.

Es war ein Mädchen in einer pinken Schuluniform der ersten Klasse, über der ein kleines Glumanda quer lag. Zu Tajas Verwunderung war ihr die Person sehr bekannt. Es war tatsächlich eine ihrer Mitschülerinnen. Paula, wenn sie sich recht erinnerte. Besonders das kleine Feuerpokémon, dass sich durch eine recht außergewöhnliche Kampfweise auszeichnete, war ihr bei der Beobachtung des Kampfunterrichts im Gedächtnis geblieben.

Was die Beiden allerdings hier zu suchen hatten, entzog sich dagegen ihrer Kenntnis.

„Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja bei der Schülerin, die sich gerade wieder aufrappelte.

Die Angesprochene sah hoch und verzog wehleidig das Gesicht: „Ich bin ziemlich hart gelandet, aber es geht schon.“

Sie setzte ihr Pokémon von sich runter, stellte den Rucksack, den sie eben noch schützend vor sich festgekrallt hatte, bei Seite und stand, sich das schmerzende Teil reibend, auf. Keinen Sekundenbruchteil später sackte sie allerdings mit einem erneuten Schmerzenslaut sogleich wieder zusammen.

„Hast du dich verletzt?“, hakte Taja besorgt nach.

Auch wenn der Sturz aus keiner dramatischen Höhe erfolgt war, wenn sie ungünstig gefallen war, hatte sie vielleicht doch ernsteren Schaden genommen.

„Autsch, mein Knöchel tut weh.“, tönte es von unten.

Zwar schmerzten auch Paulas Knie, aber daran hatte sie sich mittlerweile so gewöhnt, dass es für sie noch nicht einmal der Erwähnung wert war. Außerdem machte sich das linke Fußgelenk gerade wesentlich mehr bemerkbar.

Das Mädchen versuchte noch einmal aufzustehen, aber der Schmerz ließ sich einfach nicht ignorieren, sodass sie sich gezwungener Maßen wieder hinsetzen musste. Besorgt kam Akarin heran, um sich nach dem Wohlbefinden seiner Freundin zu erkundigen.

„Also wenn du nicht aufstehen kannst, scheint dein Knöchel ziemlich angeschlagen zu sein. Ich komm runter und seh es mir an.“, kündigte die Mitschülerin an.

„Aber sei vorsich... .“ Doch noch bevor Paula die gut gemeinte Warnung aussprechen konnte, kam das Mädchen in der lila Schuluniform schon neben ihr auf dem Boden auf.

Etwas verblüfft sah Paula erst zu ihr, dann nach oben. Auch wenn der Abhang vielleicht nicht so riesig war, wie er ihr im Fall vorgekommen war, sie wäre da trotzdem niemals freiwillig runter gesprungen. Aber dem anderen Mädchen schien das überhaupt nichts auszumachen.
 

Ohne zu zögern wandte sich Taja der Verletzten zu. Das Corpus delicti leuchtete ihr bereits Feuerrot entgegen. Der erste Anflug einer Schwellung war ebenfalls leicht zu erkennen. Taja hatte zwar keine medizinische Ausbildung, aber mit Verletzungen, gerade an den Füßen, kannte sie sich nur zu gut aus.

Deshalb fiel es ihr nicht schwer eine Diagnose zu stellen: „Also der ist mit Sicherheit geprellt.“

„Na toll, das hat mir gerade noch gefehlt.“, seufzte Paula.

Ausgerechnet jetzt wo sie mal frei hatte. Und mit dem geplanten Training war es das dann auch erst einmal.

„Wenn wir es schnell kühlen, wird es nicht ganz so schlimm.“, versuchte das andere Mädchen sie zu beruhigen.

„Wie willst du hier was zum Kühlen finden?“ Verwirrt sah sich Paula um.

Außer Bäumen und Wiese konnte sie hier nichts entdecken und auch wenn es sich inzwischen etwas zugezogen hatte, war das noch lange nicht kühl.

„Meinst du, du kannst ein Stückchen laufen, wenn ich dich stütze?“, fragte ihre Mitschülerin freundlich.

Die Verletzte teste kurz ihren anderen Fuß, bevor sie zustimmte: „Ich denke, das dürfte gehen.“

Vorsichtig richtete sie sich auf. Bevor sie wieder wegsackte, stützte sie sich schnell an der helfend bereitgehaltenen Schulter ab.

„Kannst du vielleicht meinen Rucksack nehmen, ehm...“ Paula ließ den Satz bewusst offen, weil sie hoffte das Mädchen würde merken, dass sie ihren Namen gar nicht kannte.

„Klar, mach ich.“ Die Trainerin von Flemmli kam der Bitte nach.

„Ich bin übrigens Taja.“, fügte sie lächelnd hinzu.

Taja hatte nicht erwartet, dass irgendjemand aus ihrer Klasse sich ihrer Existenz bewusst war, geschweige denn nach einer Woche ihren Namen kannte.

„Gut, ich bin Paula und das da ist Akarin.“ Da sie sich nun beide endlich richtig bekannt gemacht hatten, war ihr gleich wohler.

Um sie nicht in Verlegenheit zu bringen, verschwieg Taja, dass sie Paulas Namen und den ihres Partners längst gekannt hatte und erwiderte nur: „Freut mich. Du musst schön vorsichtig sein, dass du deinen Knöcheln nicht belastest. Also wenn ich dir zu schnell gehe, sag Bescheid.“

„Ok, versuchen wir’s!“ Paula war zuversichtlich, dass es mit der Stütze schon gehen würde. Nach ein paar holprigen ersten Metern, passte sich Taja schnell an den Schritt ihrer Mitschülerin an und so kamen sie ganz gut voran.

Das kleine Glumanda wuselte vorweg und erkundete pflichtbewusst den Boden, damit seine Trainerin auch ja nicht über etwas stolperte. Auf der Wiese war das ja noch einfach, aber als sie in den dichteren Wald eintauchten, hatte die Echse ganz schön damit zu tun, auf alle Wurzeln oder sonstige Hindernisse hinzuweisen. Da Taja damit zu tun hatte, mit Paula das Gleichgewicht nicht zu verlieren, war ihr der selbsternannte Bodeninspektor eine große Hilfe.

Aber es dauerte auch gar nicht so lang, da wurden die Bäume um sie herum wieder lichter und das Gehen wurde leichter.

„Schau, da sind wir gleich.“ Mit der freien Hand deutete sie auf die Wiese vor ihnen.

Doch das war nicht das eigentliche Ziel. Als Paula ihren Blick weiter schweifen ließ, wurden ihre Augen groß.

„Wow!“ Dem sonst so redseligen Mädchen hatte es die Sprache verschlagen.

Vor ihnen erstreckte sich ein wunderschöner See, dessen Wasser im Sonnenlicht wie unzählige Bergkristalle funkelte. Zwischen den mit Schilf und kleinen Büschen bewachsenen Ufern tummelten sich einige Wasserpokémon. Ein größerer Baum warf seinen Schatten über die Umgebung. Alles wirkte so idyllisch wie aus einem Bilderbuch.

„Hübsch, nicht? Da kannst du deinen Knöchel kühlen.“

Mit diesem wohltuenden Ziel vor Augen, humpelte es sich schon wesentlich besser und so erreichten die beiden Schülerinnen das Ufer schneller als gedacht. Erschöpft ließ sich Paula am Ufer nieder. Die wilden Pokémon, die hier eben noch gespielt hatten, tauchten erschrocken unter, aber das störte die Verletzte momentan überhaupt nicht. Das Einzige was noch zählte, war die unglaubliche Erfrischung, die sie verspürte, als ihre Füße in das klare, kalte Nass tauchte. Die Schmerzen waren gleich viel erträglicher.

„Tut gut, was?“, erkundigte sich Taja bei ihr.

„Oh ja und wie.“ Bestätigte Paula genießerisch.

„Warte, ich werd es dir gleich noch angenehmer machen.“

Ohne auf eine Erwiderung zu warten, war das Mädchen im Wald verschwunden.

Paula sah ihr verwundert nach, machte sich dann aber doch nicht die Mühe sich den Kopf über das Vorhaben zu zerbrechen.

Sie saß lieber da und genoss zusammen mit Akarin und Raupy, dass sie nun endlich wieder aus dem Rucksack lassen konnte, die friedliche Atmosphäre.

Ein paar Minuten vergingen, dann vernahm das Mädchen Schritte hinter sich.

Ihre Klassenkameradin Taja war zurück gekehrt und hatte etwas mitgebracht. Ein paar gefleckte Blätter einer kleinen Pflanze lugten zwischen ihren Fingern hervor.

„Was ist das denn?“

„Das ist Arcantium sylvestre, ein Kraut, dass Entzündungen und Schwellungen lindert. Es wird dir sicher helfen.“, erklärte Taja ihr.

„Woher weißt du das denn?“ Ihre Mitschülerin erstaunte sie schon wieder.

Bei all dem Grünzeug, was hier in der Gegend wuchs, hätte sie noch nicht mal ein Unkraut unterscheiden können.

Taja lächelte verlegen: „Das ist eigentlich nur Zufall. Ich musste die Pflanze bei Prof. Achiellas kleinem Suchspiel finden. Und da ich ihre Wirkung sehr nützlich fand, habe ich mir ihr Aussehen gemerkt. Ich hab sie hier selber schon ein paar mal verwendet. Gib mir mal bitte deinen Knöchel, dann kann ich dir helfen.“

Paula hatte keinen Einwand zu erheben, denn obwohl das kalte Wasser das Ganze wesentlich besser gemacht hatte, war der angeschlagene Fuß doch noch deutlich dicker als der Andere.

Taja besah sich die Verletzung noch einmal genauer an: „Sieht so aus, als hättest du auch Schürfwunden. Die sind zwar nicht so schlimm, aber zur Sicherheit sollten wir sie desinfizieren.“

„Desinfizieren? Mit was denn?“ Hatte das Mädchen etwa auch noch ein Kraut dafür parat?

„Na damit.“ Aus ihrem Rucksack zauberte Taja eine Falsche Desinfektionsmittel hervor.

„Wo hast du das denn her?“ Schon wieder musste sie ihre Mitschülerin verwundert ansehen.

„Von meiner Mutter. Sie ist etwas übervorsichtig und hat mich gleich mal mit einem Jahresvorrat eingedeckt.“, erklärte Taja den Besitz des Mittels.

„So schlimm?“, fragte Paula schmunzelnd.

„Naja, lass es mich so sagen, wenn man Desinfektionsmittel und Verbandmaterial essen und trinken könnte, würde ich wohl ohne Probleme eine Hungersnot überstehen.“, verkündete Taja stirnrunzelnd.

Paula konnte nicht anders, sie musste einfach losprusten.

Erstaunt sah Taja ihre Klassenkameradin an. Hatte Paula gerade wirklich gelacht? Also nicht sie ausgelacht, sondern über etwas gelacht, dass sie gesagt hatte? Die Bemerkung war gar nicht als Witz geplant gewesen und dennoch fand sie es witzig. Taja war völlig verwirrt. So etwas hatte es ja noch nie gegeben.

Das verdutzte Gesicht ihrer neuen Bekanntschaft, brachte Paula gleich noch mehr zum Lachen.

„Was hast du denn? Hab ich was falsch gemacht?“, wollte sie amüsiert wissen.

Mit diese Frage löste sie Taja aus ihrer Überraschungsstarre.

Zerstreut schüttelte die den Kopf: „Nein, nein, schon gut. Ich ehm, ach egal. Dein Knöchel ist jetzt wichtiger.“

Fürsorglich entfernte sie den restlichen Dreck aus den kleinen Schnittwunden. Paula zuckte ein paar Mal zusammen, zog scharf die Luft ein, als Taja zum Desinfektionsmittel griff, hielt den kleinen Eingriff aber tapfer durch.

„Jetzt nur noch das Kraut und ein Verband, dann müsste es wieder etwas besser gehen.“ Während sie schon erneut zu ihrem Rucksack greifen wollte, fiel ihr etwas auf: „Ah, das ist das Raupy von heute Vormittag, richtig? Woher hast du es denn?“

Erst jetzt hatte Taja den grünen Wurm in Paulas Arm bemerkt und wunderte sich, dass das Mädchen schon ein weiteres Pokémon besaß, obwohl erst morgen die offizielle Fang-Einführungsveranstaltung stattfinden sollte, bei der sie die ersten Pokébälle erhalten sollten.

„Ja, das ist es. Raupy ist mir heute Nacht praktisch zugelaufen.“

„Zugelaufen?“ Taja konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie ein Pokémon einem mitten in der Nacht zulaufen konnte.

„Ist ne etwas längere Geschichte. Aber wenn du willst erzähl ich sie dir.“, bot Paula eifrig an.

„Wenn dein Raupy mir währenddessen beim Verbinden hilft, kannst du das gerne tun.“

„Helfen?“ Die Trainerin konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie ihr Käferpokémon ohne Hände behilflich sein konnte.

„Lass dich überraschen.“ Die Amateurärztin lächelte zuversichtlich.

Während Paula gleich darauf anfing, die ganze Story über Akarins Verschwinden, das fiese Ariados, das damit zusammenhängende erste Treffen von Raupy und letztlich das Wiedersehen in der Nacht zu erzählen, legte Taja mit der Verarztung los. Paula plapperte scheinbar ohne Luft zu holen und Taja hörte aufmerksam zu. Obwohl die Schülerin mit der lila Uniform es eigentlich nicht mochte, wenn Personen unaufhörlich quasselten, machte es ihr durchaus Spaß den Ausführungen ihrer Klassenkameradin zu lauschen. Selbst als Paula auf ein anderes Thema umschwenkte und immer weiter und weiter redete, störte sie das überhaupt nicht.

So saßen die beiden Mädchen eine ganze Weile am See und genossen die friedliche Atmosphäre. Dabei merkten sie weder, wie die Zeit verflog, noch, dass die Wolken am Himmel langsam aber sicher eine immer dunklere Farbe annahmen.
 

„Und merkst du deinen Knöchel noch?“, erkundigte sich Taja, als mal eine kurze Erzählpause entstand.

„Mein Knöchel? Ehm nö, tut überhaupt nicht mehr weh.“ Selbst völlig überrascht, schaute Paula auf ihren Fuß, der nun in einem seidig glänzenden, weichen Kokon steckte, welcher sie noch viel mehr erstaunte, „Hat Raupy das gemacht?“

Taja nickte: „Ja, die Spinnseide von Käferpokémon eignet sich doch hervorragend zum Verbände machen. Da sich das Gewebe an das Gelenk anpasst, halten Bandagen perfekt. Außerdem speichern sie Kälte. Zusammen mit dem Arcantium-Kraut wird dein Knöchel sicher in wenigen Tagen wieder in Ordnung sein. Um sicher zu gehen, solltest du ihn aber noch mal von nem Arzt untersuchen lassen.“

„Vielen Dank. Woher weißt du das alles nur?“ Paula war wirklich erstaunt, worüber ihre Mitschülerin Bescheid wusste.

Die schaute bei der Frage allerdings etwas verdutzt: „Das mit der Heilpflanze war Zufall, aber von den besonderen Binden hat uns doch Schwester Joy bei der Führung durchs Pokémon Center erzählt.“

„Ups, das war mir wohl schon wieder entfallen.“, stellte Paula verlegen fest.

Sie konnte sich nicht mal Entferntesten daran erinnern, davon schon etwas gehört zu haben. Wo sie damals wohl nur mit ihren Gedanken gewesen war? Auf jeden Fall stellte sie fest, dass es doch durchaus von praktischem Nutzen sein konnte, wenn man während des Unterrichts mal aufpasste.

„Macht ja nichts. Aber sag mal, was machst du eigentlich hier draußen? Wir Erstklässler dürfen doch gar nicht allein in den Wald.“ Danach hatte Taja ihre Mitschülerin schon die ganze Zeit über fragen wollen, war aber irgendwie noch nicht dazu gekommen.

Aber Paula konterte geschickt: „Na das gleiche gilt dann ja wohl auch für dich. Was hast du denn gemacht?“

„Ich habe mit meinem Pokémon trainiert. Ich habe eine Sondergenehmigung von Prof. Weston, dass ich mir einen Trainingsplatz außerhalb des Geländes suchen durfte, damit Flemmli auch auf niemand anderen trifft.“, erklärte die Gefragte ruhig.

„Ach so. Naja, ich war auch gerade auf dem Weg zum Training mit Akarin. Und eigentlich habe ich auch so ne Art Genehmigung dafür.“

Gut, von einer Genehmigung auch in den noch verbotenen Gebieten zu trainieren, hatte zwar nichts direkt in der Anleitung gestanden, aber immerhin hatte Prof. Weston ihr schließlich zum Training in Abgeschiedenheit geraten und es hatte auch nichts drin gestanden, dass sie sich dafür keinen Extraplatz suchen durfte. Also würde es schon keinen Ärger geben. Hoffte Paula zumindest.

Aber jetzt wollte sie erst einmal etwas anderes erfahren: „Ich war ganz schön beeindruckt, als ich dich erst beim Training gesehen habe. Warum hast du denn gegen dein Pokémon gekämpft?“

Es dauerte einen Moment bis Taja etwas erwidern konnte, denn durch das Kompliment war ihr erst mal die Sprache entschwunden. Mit so was konnte sie überhaupt nicht umgehen. Was wahrscheinlich auch daran lag, dass sie normalerweise so etwas erst gar nicht zu hören bekam.

Nach ein paar Sekunden verlegenen Schweigens brachte sie schließlich doch noch etwas heraus: „Ehm, also wenn du dich vielleicht erinnern kannst, ist mein Flemmli ein wenig sehr kampfeslustig und hört nicht richtig auf meine Befehle. Deshalb hat mir Prof. Weston empfohlen, selbst richtig aktiv mit ihm zu trainieren, damit es sieht, dass ich ebenfalls kämpfen kann und mich ernst nimmt.“

„Und funktioniert es denn? Also ich hätte dich so auf jeden Fall ernst genommen.“, strahlte Paula ihre Mitschülerin an, die daraufhin verschüchtert zurückschreckte.
 

Paula musste schmunzeln. Das Mädchen vor ihr hatte nicht wirklich etwas mit der selbstbewussten Trainerin von vorhin gemein.

Schon wieder musste sich Taja sammeln, bevor sie eine Antwort geben konnte: „Es geht, solange wir allein sind, verhält es sich ziemlich unauffällig, auch wenn es im Kampftraining wirklich kaum zu bremsen ist. Aber ich denke mit der Zeit wird die Zusammenarbeit besser.“

„Ach klar, das schaffst du schon.“, wurde Taja von ihrer Klassenkameradin ermutigt.

„Ich hoffe es.“ So richtig glaubte sie aber selber nicht daran, dass sie Sakura jemals wirklich unter Kontrolle bringen konnte.

Ein wenig deprimierte Taja der Gedanke und so entstand eine kleine Pause des Schweigens, die aber schon nach wenigen Sekunden von einem dumpfen Grollen durchbrochen wurde.

Paula fasste sich an den Bauch und lächelte verlegen: „Sorry, ich hab’s Mittagessen ausfallen lassen.“

Eigentlich hatte sie ja gar nicht vor gehabt, so lange von der Zivilisation fern zu bleiben. Jetzt meldete ihr Magen starken Protest an.

„Ich glaube, da kann ich Abhilfe schaffen.“ Das andere Mädchen kramte aus ihrem Rucksack ein kleines Päckchen heraus und überreichte es der Hungernden, „Hier kannst du haben.“

Über Paulas Gesicht ging ein Strahlen: „Echt? Du bist aber auch auf alles vorbereitet.“

„Na ja, ne Eiszeit, nen Hurricane oder ne Alieninvasion würde ich damit sicher nicht überstehen, aber für ein paar Gelegenheiten bin ich schon ausgerüstet.“, versuchte Taja abzuschwächen.

Paula konnte nicht anders, als wieder loszuprusten, wobei sie beinahe die eben abgebissene Schnitte wieder ausgespuckt hätte. So verschluckte sie sich nur leicht an den Brotkrumen, was nen Hustenanfall auslöste. Das Problem war aber eher, dass das Mädchen sich nicht entscheiden konnte, was sie zuerst machen sollte, Lachen oder Husten. Deshalb vermischte sich beides zu einem seltsamen kichernden Gewürge.

„Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja besorgt nach dem Wohlergehen ihrer Mitschülerin, während sie ihr vorsichtig auf den Rücken klopfte.

„Ja, ja geht schon.“, brachte Paula immer noch prustend hervor.

Sie konnte sich grad irgendwie nicht gegen den Lachkrampf wehren.

„Oh man, erst fällst du wegen mir nen Abhang runter und dann erstickst du wegen mir noch fast. Ich bring wirklich nur Unglück.“

Im ersten Moment konnte sich Paula das Lachen nicht verkneifen, aber als sie Taja’s deprimierten Gesichtsausdruck sah, wurde ihr bewusst, dass das Mädchen das anscheinend ernst gemeint hatte.

„So ein Quatsch. Beides war meine eigene Schuld und außerdem ist es auch gar nicht so schlimm.“, versuchte Paula sie zu beruhigen, „Außerdem hast du meinen Knöchel super behandelt und mich vor dem Verhungern gerettet. Hast du eigentlich schon was gegessen?“

Die Schülerin hielt es für ratsam ein anderes Thema aufzuwerfen.

Aber Taja machten die Schuldfrage für die Zwischenfälle immer noch zu schaffen, da war das letzte, woran sie jetzt dachte, etwas zu essen: „Nein, hab ich nicht. Ich hab keinen Hunger. Aber....“

Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn Paula hatte ihr mal eben einfach so eine Schnitte in den Mund gestopft. Taja machte darüber so eine verdutze Miene, dass ihr Gegenüber unwillkürlich wieder anfingen musste zu lachen.

Für Taja war die Situation aber auch äußerst seltsam. Sie saß hier schon ne halbe Ewigkeit mit jemanden zusammen, den sie eigentlich gar nicht richtig kannte, der sie permanent zu laberte, der auch noch über ihre Kommentare lachte, die eigentlich nicht beabsichtigt witzig formuliert wurden waren und der sie jetzt auch noch mit etwas zu Essen zu stopfte. Normalerweise hätte sich Taja schon lange etwas einfallen lassen um weg zu kommen, aber sie saß nur da und verspürte nicht den Geringsten Anflug von einem Fluchtgedanken. Und gerade das konnte sie irgendwie überhaupt nicht begreifen.
 

Ein erneutes Grummeln unterbrach Taja’s Grübelein. Aber dieses mal war es nicht Paulas Magen, sondern kam von weiter oben. Ein Blick in den Himmel verkündete ihr nichts Gutes.

„Oje, sieht aus, als zieht ein Gewitter auf.“, stellte die Schülerin besorgt fest.

„Dann müssen wir uns wohl schnell auf den Rückweg machen.“ Das war für Paula die logischste Schlussfolgerung.

Aber ihre Mitschülerin schien nicht viel von dem Vorschlag zu halten: „Ich glaube, du hast keine Ahnung, wie weit wir vom nächsten Gebäude weg sind. Das würden wir niemals trockenen Fußes schaffen.“

„Und was sollen wir jetzt machen? Du hast nicht zufällig auch noch zwei Regenmäntel dabei?“, scherzte Paula, obwohl ihr beim Anblick der immer schwärzer aufziehenden Wolken eigentlich gar nicht zum Scherzen zu Mute war.

„Nein, das nicht, aber ich kenne eine gute Möglichkeit zum Unterstellen. Wir sollten uns aber trotzdem beeilen.“

Ohne Antwort abzuwarten, packte Taja ihre Sachen zusammen und half Paula auf. Einen Augenblick hatte die noch Gleichgewichtsprobleme, aber durch den stützenden Verband konnte sie ihren Fuß sogar schon leicht belasten, sodass das Laufen nun wieder besser klappte.

„Ich hoffe, es ist nicht allzu weit.“ Zur Bewältigung großer Strecken fühlte sich Paula allerdings weniger in der Lage.

Aber Taja schüttelte nur den Kopf: „Nein, keine Sorge, das dürftest du ohne Probleme schaffen.“

Und sie sollte Recht behalten. Die beiden Zufluchtsuchenden mussten nur ein Stück in die Richtung, aus der sie gekommen waren, gehen, bevor sie dann nach links abbogen und einen kleinen, gut begehbaren Pfad einschlugen, der nach wenigen Minuten in der Ferne einen aufwachsenden dunklen Schatten erkennen ließ. Mit jedem zurückgelegten Schritt wurde dieser deutlicher als Höhleneingang identifizierbar.

„Die hab ich bei der Suche nach dem Trainingsplatz entdeckt. Ich denke, dort dürften wir sicher sein.“

„Das hoff ich doch mal.“ Das immer lauter werdende Grollen veranlasste Paula ungeachtet der Schmerzen ihre Schritte zu beschleunigen. Sie mochte Gewitter nicht und eins auch noch draußen erleben zu müssen, war eine sehr unbehagliche Vorstellung.

Der nun immer heftiger auffrischenden Wind zerrte an Kleidung und Haaren, als wolle er verkünden, dass Eile geboten war und sie dadurch voranschieben.

Doch dazu brauchten sie keine Windaufforderung, denn keine von Beiden hatte vor, noch länger die Vorboten des Gewitters zu genießen.
 

Gerade als sie den Höhleneingang passierten, entließen die mittlerweile pechschwarzen Wolkentürme die ersten Regentropfen. Keine Minute später war daraus ein prasselnder Vorhang geworden.

„Puh, da haben wir ja noch mal Glück gehabt.“ Paula war wirklich erleichtert jetzt im Trockenen zu sein, denn bei diesem Guss wären sie binnen Sekunden pitschnass gewesen.

„Allerdings. Und es sieht auch so aus, als würde es noch ein Weilchen weiter schütten.“, stellte Taja mit kritischem Blick in den düsteren Himmel fest.

Plötzlich jagte ein greller Blitz aus der Wolkenwand gen Erde. Er verwandelte die Umgebung in ein bizarres Gebilde aus gleißenden Licht und tanzenden Schatten. Ein mächtiges Donnergrollen unterstrich die Gewalt des Unwetters.

Paula zuckte zusammen. Obwohl es albern war Angst vor Gewittern zu haben, konnte sie ein leichtes Zittern nicht unterdrücken.

„Sollen wir weiter rein in die Höhle gehen? Da ist es geschützter und zieht nicht so.“ Taja liebte es zwar Blitzen dabei zu zusehen, wie sie über den Himmel schossen, aber ihr war das ängstliche Gesicht ihrer Klassenkameradin nicht entgangen und so verzichtete sie lieber auf dieses Schauspiel. Außerdem peitschte der wechselnde Wind auch immer wieder nasse Schauer zum Eingang, die sie nicht unbedingt abbekommen musste.

„Ja, wäre mir lieb.“, nickte Paula dankbar.

Auch Glumanda war das ganze nicht so geheuer und so drückte er sich ganz nah an seine Trainerin, als sie sich einige Meter weiter im Höhleninneren auf dem Boden niederließ.

„Du brauchst keine Angst haben, Akarin. Da ist nur ein Gewitter, nichts besonders böse, auch wenn es furchtbar laut ist.“, versuchte Paula ihr eigenes Unwohlsein zu verdrängen, indem sie ihren kleinen Schützling beruhigte, der so etwas scheinbar noch nie erlebt hatte.

Auch Taja wollte dazu beitragen, dass Trainerin und Pokémon sich wieder wohler fühlten. Deshalb fing sie an, eine kleine Geschichte zu erzählen, die sie sich als Kind selber ausgedacht hatte, um sich den Schrecken von Blitz und Donner zu nehmen: „Stell dir doch einfach vor, das da oben am Himmel zwei große Zapdos sind, die sich streiten. Sie wollen nur wissen, wer von beiden der Bessere ist und demonstrieren deshalb ihre Kräfte. Jeder möchte zeigen, dass er der Stärkere ist, weshalb sie mächtige Blitze über den Himmel schicken. Das Grollen sind ihre wilden Kampfesschreie, die den Gegner einschüchtern sollen. Anderen Pokémon wollen sie damit aber überhaupt nichts tun und wenn sie sich genug miteinander gemessen haben, dann fliegen sie einfach davon und alles ist wieder gut.“

Paula wusste nicht genau warum, aber die Art wie Taja die Geschichte erzählte, veranlasste sie tatsächlich wieder ein wenig ruhiger zu werden. Plötzlich kam ihr eine Idee

„Weißt du was, das da oben sind nicht zwei Zapdos, sondern nur eins und das kämpft mit einem riesigen Glurak. Aber das Zapdos hat natürlich keine Chance, auch wenn es versucht Glurak durch fiese Regenschauer zu schwächen. Glurak ist einfach viel zu stark, weicht den Blitzen geschickt aus und lässt sich auch von dem wichtigtuerischem Gebrüll nicht beeindrucken. Genau, und zum Schluss besiegt das Glurak Zapdos natürlich und ist der Herrscher des Himmels!“, berichtete Paula mit glänzenden Augen.

Taja musste lächeln. Das war natürlich auch eine Variante und wenn sie half Trainerin und Pokémon die Angst zu nehmen, ging sie glatt durch.

„Du bist wohl ein richtiger Glurak-Fan.“, wandte sich Taja an das in Gedanken immer noch vor sich hin strahlende Mädchen.

„Und wie. Alle Glu’s sind einfach nur genial. Am liebsten hätte ich ganz, ganz viele Glumandas, Glutexos und Gluraks. Und ich hoffe natürlich, das Akarin mal ein superstarkes Glurak wird. Ich liebe diese Pokémon einfach.“

So wie die Augen der Schülerin bei diesen Worten funkelten, nahm Taja ihr das ohne Weiteres ab. Das tobende Unwetter draußen war auf einmal vergessen. Paula war bei ihrem absoluten Lieblingsthema angelangt und erzählte munter weiter. Was sie alles so toll an diesen Pokémon fand, wie sie zu Akarin gekommen war und ihren Zukunftsträumen. Bei der Stelle, wie sehr sie sich schon immer ein Glumanda gewünscht hatte, schweifte sie auch in ihre restliche Lebensgeschichte ab, was dann ziemlich ausladend wurde.

Auch wenn es chronologisch kreuz und quer ging, hörte Taja fasziniert zu. Normalerweise hätte sie bei einem solchen Redefluss nach ein paar Sätzen abgeschaltet, aber bei Paula hatte sie das Gefühl auch noch unendliche Stunden weiter zuhören zu können, ohne, dass es langweilig wurde.

Während draußen die Tropfen monoton niederfielen, saß sie einfach nur im gemütlichen Flammenschein von Glumadas Schwanzspitze da und hörte gebannt zu.

Keine von Beiden merkte, wie viel Zeit dabei davon rann.
 

Irgendwann, als Akarin immer mehr Mühe hatte, die zunehmende Dunkelheit mit seinem Feuer auszugleichen, fiel Paula dann aber doch auf, dass sie schon eine ganze Weile hier in der Höhle verbrachten.

„Sag mal, wie spät ist es eigentlich?“

Taja hielt ihre Uhr in die Nähe von Akarins Schwanzspitze. Mit einiger Mühe konnte sie schließlich Ziffern darauf ablesen: „Oh, es ist schon halb acht.“

„WAT?“, entfuhr es Paula entsetzt.

Damit hatte sie nun irgendwie gar nicht gerechnet. Wo war nur schon wieder die Zeit hin? Irgendwie hatte die Schülerin das untrügliche Gefühl, dass sie außerhalb der Unterrichtsstunden immer wesentlich schneller schwand. Aber das war jetzt ihr geringstes Problem.

„Ich glaub, ich sollte langsam mal meine Freunde verständigen, die machen sich sonst noch Sorgen.“ Eilig und doch vorsichtig, weil Raupy sich inzwischen friedlich schlafend zusammen gekuschelt hatte, suchte sie in ihrem Rucksack nach dem Messenger. Doch so sehr sie auch kramte, das pinke Teil ließ sich nicht blicken.

„Wo ist der nur wieder?“, fragte sie mehr zu sich selbst und verfluchte, dass für das Gerät keine Extratasche im Rucksack vorgesehen war. In Gedanken ging Paula noch einmal durch, was sie vor ihrem Aufbruch damit getan hatte. Aus dem Rucksack genommen, um Tifi ne Nachricht zuschicken, auf den Schreibtisch gelegt und dann...

„Asche!“, fluchte sie leise.

Und dann war sie losgegangen, ohne das Kommunikationsgerät mitzunehmen.

„Was ist denn?“ Taja hatte mitbekommen, dass scheinbar etwas nicht stimmte.

„Ich hab meinen auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Kann ich vielleicht deinen mal kurz benutzen?“, erkundigte sich die Vergessliche hoffnungsvoll bei ihrer Kameradin.

„Na klar, kein Problem.“ Taja suchte das schmale, lila Kästchen heraus.

„Oder vielleicht doch. Ich glaub der Akku ist alle.“, ergänzte sie verlegen.

„Eh, na toll. Das heißt, wir können keinen verständigen.“ Paula gefiel der Gedanke nicht so richtig, denn der Regen hatte immer noch nicht nachgelassen und das hieß, dass sie hier wohl noch etwas festsitzen würden. Hoffentlich hatten ihre Freunde nicht schon ne groß angelegte Suchaktion nach ihr ins Leben gerufen.

„Oje, das gibt sicher Ärger.“, murmelte sie mehr zu sich selbst.

Aber Taja vernahm es trotzdem und fühlte sich sogleich schuldig: „Tut mir wirklich leid. Ich hab nicht auf die Anzeige geachtet, weil ich es eigentlich nicht wirklich brauche.“

Sie hatte immerhin keine Freunde, bei denen sie sich abmelden konnte, wie ihr eben mal wieder schmerzlich bewusst wurde.

„Na was soll’s. Kann man nicht ändern. Die werden schon nicht gleich ne Vermisstenmeldung abgegeben haben.“, meinte Paula scherzhaft.

Wenn das Mädchen allerdings gewusst hätte, dass ihre Freunde nach vergeblichen Warten ihres Erscheinens zum Abendbrot genau das im Begriff waren zu tun, hätte sie das Ganze wohl nicht so locker gesehen.

„Entschuldigung. Ohne mich wärst du...“, begann Taja schuldbewusst, doch Paula schnitt ihr sogleich das Wort ab.

„Wäre ich immer noch im Wald und pitschnass. Schon bevor wir uns getroffen haben, hatte ich keine Ahnung wo ich überhaupt war. Ich hätte nichts anderes machen können, als einfach nen Weg zu raten und bei meinem Glück, wäre es der Falsche gewesen und ich würd jetzt allein durch den Regen stiefeln. Da find ich es trotz geprelltem Knöchel tausend mal besser hier mit dir im Trockenen zu sitzen. Also hör auf dir nen Kopf zu machen.“, versuchte Paula ihre Mitschülerin aufzumuntern.

Sie sah das Ganze auch wirklich nicht so dramatisch.

„Ok, ich hoffe nur das gibt keinen Ärger.“ So richtig beruhigt war Taja immer noch nicht.

Aber Paula zuckte nur mit den Schultern: „Und wenn, das bin ich mittlerweile gewöhnt.“

Taja brauchte nicht lange, da fielen ihr so einige Situationen der letzten Woche ein, in denen sie ihre Klassenkameradin auf Konfrontationskurs erlebt hatte. Nicht zu letzt heute im Koordinatorenunterricht. Taja hatte das zwar immer nur von Ferne beobachtet, aber Paulas Selbstbewusstsein und Durchsetzungsvermögen gegenüber den Lehrern hatte sie sehr beeindruckt. Nicht, dass Taja diese Fähigkeiten nicht auch besaß, sie konnte sie nur nicht immer zeigen und schon gar nicht gegenüber Autoritätspersonen. Darum beneidete sie ihre Mitschülerin ziemlich.

„Dann können wir wohl nur abwarten. Vielleicht dauert es nicht mehr lang, bis der Regen aufhört. Ich glaube, es ist schon etwas besser geworden.“ Taja sah hoffnungsvoll nach draußen, wo der Guss zwar immer noch stark, aber nicht mehr sinnflutartig war.

„Ach klar, das wird schon und so lang quatschen wir einfach noch ein bisschen.“ Paula war inzwischen wieder guter Laune und begann auch gleich fröhlich die nächsten Storys aus der ersten Schulwoche zu erzählen, die Taja die Sorgen auch schnell wieder vergessen ließen.
 

„Aber weißt du, was ich überhaupt nicht verstehe?“, fragte Paula plötzlich, als sie sich gerade über die Unterrichtsfächer unterhielten.

„Nein, aber du wirst es mir sicher gleich sagen.“, erwiderte Taja leicht belustigt, womit sie das Mädchen schon wieder zum Lachen brachte.

Als sie sich wieder gefangen hatte, beugte sich Paula vor und sah mit, selbst in dieser Düsternis, leuchtenden blauen Augen direkt in die von Taja.

„Ich versteh nicht, wieso sich so ein nettes und tolles Mädchen wie du, ständig von der Klasse abgrenzt?“

Diese Frage kam so unvermittelt und, dass sie dabei auch noch ein strahlendes Lächeln aufsetzte, war zu viel für Taja. Zu ihrem Glück war die Höhle durch Glumandas Feuer sowieso in einen rötlichen Schimmer getaucht, sodass ihre plötzlich wechselnde Gesichtsfarbe nicht ganz so auffiel. Taja schnappte nach Luft. So viel Nettigkeit und Interesse an ihrer Person war sie einfach nicht gewohnt. Und Paulas direkte Art überforderte sie auch ein wenig, auch wenn sie die entgegen ihrer sonstigen Meinung gar schlimm fand. Nur war sie eben etwas überlastet damit.

Was sollte sie denn bloß darauf antworten? Fieberhaft überlegte sie, doch in Tajas Kopf hatten sich alle Gedanken zu einem riesigen Knäul zusammengeballt und jedes Mal wenn sie den Anfang einer Antwort gefunden hatte, bleib der Rest im Wirrwarr stecken.

Es gab für ihre Zurückhaltung gegenüber den Klassenkameraden ungefähr tausend Gründe, aber viele davon waren zu privat und für jemand anders sicher auch zu verwirrend. Außerdem war sie sich noch nicht sicher, inwieweit sie Paula vertrauen konnte und wollte, denn damit hatte Taja generell Probleme, was wiederum schon mal einer der Gründe war. Es dauerte einen für sie fast unendlich langen Moment des inneren Ringes, bevor sie schließlich antwortete: „Ehm, na ja, also zum Einen bin ich einfach schon von Klein auf kein so geselliger Typ. Ich hatte nie richtige Freunde und deshalb bin es einfach gewohnt allein zu sein. Außerdem bin ich auch niemand, mit dem Leute gerne ihre Zeit verbringen. Ich bin den meisten einfach zu langweilig. Ich versteh das ja auch, ich bin nun mal nicht witzig, besonders klug und hab keine auffallenden Talente. Ich interessiere mich auch meist nicht für Dinge, für die sich alle anderen interessieren, also kann man auch keine vernünftigen Gespräche mit mir führen. Es macht für andere einfach keinen Unterschied, ob ich da bin oder nicht, also kann ich es auch sein lassen. Ich bin einfach niemand, den man mögen kann. Außerdem ist da ja auch noch Flemmli, das sich auf alles stürzt was sich bewegt. Du kannst dich doch sicher noch an unsere ersten Probekämpfe erinnern. Wäre Prof. Weston nicht dazwischen gegangen, wäre sicher was Schlimmes passiert. Solange ich es nicht kontrollieren kann, muss ich es fern von allen halten. Und die Blicke der Klasse nach dem Kampf haben mir auch gesagt, dass sie lieber nichts mit mir zu tun haben wollen. Aber das ist schon ok, wie gesagt, ich bin es gewohnt.“

Als Taja geendet hatte, war sie selber erstaunt darüber, wie viel sie gesagt hatte und wie ehrlich diese Antwort unbeabsichtigter Weise doch geworden war.
 

Für einen Moment hatte es selbst Paula die Sprache verschlagen. Wenn Taja das Ganze nicht mit so trauriger Stimme und ernstem Gesichtsausdruck erzählt hätte, hätte sie es glatt für einen Scherz gehalten, denn das war ja wohl der größte Unsinn, den sie je gehört hatte. Und auch wenn es nicht besonders feinfühlig war, knallte sie ihrer neuen Bekannten genau das auch an den Kopf: „Du spinnst ja!“

„Wieso? Das ist doch wahr.“ Taja senkte betreten den Blick.

Irgendwie bereute sie auf einmal, dass sie so viel von sich preis gegeben hatte. Ihre Mitschülerin würde ja doch nur darüber lachen.

Und Paula lachte auch, aber nicht auf die überhebliche und „ich-halte-sie-für-völlig-durchgeknallt“- Art wie Taja es befürchtet hatte, sondern mit einer nicht aufzuhaltenden freundlichen Ehrlichkeit.

„Das ist echt völliger Schwachsinn. Wie kommst du denn nur darauf? Also wenn du nicht klug bist, dann kenne ich wohl niemanden, der es ist. Wenn du das mit dem Grünzeug und der Raupy-Seide nicht gewusst hättest, dann hätte ich jetzt einen mordsmäßig dicken Knöchel, der sicher ne halbe Ewigkeit zum Heilen gebraucht hätte. Und was heißt nicht witzig? Du hast mich heut schon so oft zum Lachen gebracht, dass ich schon richtig Bauchschmerzen davon habe. So wie ich dich mit Flemmli trainieren gesehen habe, hast du auch definitiv Talent zum Kämpfen. Ich bin wirklich froh, dass ich dich heute kennen gelernt habe und ich könnt mich auch stundenlang mit dir unterhalten, ohne das mir langweilig wird. Ich find dich richtig toll.“

Während sie das sagte, lächelte sie Taja mit so einer unbeschreiblichen Herzlichkeit an, dass die gar nicht wusste, wie ihr geschah. Mit so einer offenherzigen Sympathiebekundung hatte das Mädchen nicht im Geringsten gerechnet.

„Ist, ist das wirklich dein Ernst?“ Sie konnte einfach nicht glauben, dass ihre Mitschülerin ihr gegenüber so positiv eingestellt war.

Auch wenn Paula nicht ganz verstand, wieso jemand so extrem erstaunt darüber sein konnte, gemocht zu werden, bestätigte sie dies gern noch einmal: „Ja, klar. Ich mag dich total.“

‚Ich mag dich’ ... Dieser Wortlaut hallte tausend mal in Tajas Kopf wieder, als wolle er verhindern, dass er ungehört verklang. Aber sie hatte ihn gehört und war nun gleich ganz und gar hinüber. Ihr Verstand war nicht mehr in der Lage die Geschehnisse zu verarbeiten. Sie fühlte sich eher wie in einem ihrer Wunschträume. Jemand mochte sie tatsächlich?

Das konnte doch auch gar nicht real sein. Nicht nur, dass es dieses Mädchen mit nur einem einzigen Satz geschafft hatte, den Aufzug der Dunkelheit in ihrem Innern Einhalt zu gebieten, nein, sie hatte ihr auch noch einen richtigen Sonnenstrahl geschenkt. Ihre Gefühle schwankten gerade zwischen ungläubigen Staunen, unbändiger Freude und übermächtiger Rührung. Die Schülerin musste sogar einen Moment gegen Tränen ankämpfen.

Sie musste sich wirklich erst einige Augenblicke lang sammeln, bevor sie in der Lage war wieder etwas aufzunehmen.

„Und ich bin mir sicher, wenn du ein bisschen offener wirst und auf andere zu gehst, wirst du auch noch schnell viele andere Freunde finden.“, ermutigte Paula sie weiter.

Offener werden und auf andere zu gehen... Paula hatte ja keine Ahnung, wie schwer das für Taja war. Die Angst vor Fehlern machte ihr jedes Mal einen Strich durch die Rechnung, wenn sie mit anderen kommunizieren wollte. Wenn es nötig war, konnte sie sich zwar mit anderen unterhalten, doch niemals ein wirklich ungezwungenes Gespräch führen.

„Sag mal, ist das mit Flemmli eigentlich wirklich so schlimm? Ich muss gestehen, ich hab das mit dem Probekampf gar nicht so richtig mitbekommen.“, lenkte Paula auf etwas anderes über, als sie merkte, wie hilflos ihr Gegenüber nach Worten sann.

Auf diese Frage konnte Taja wenigstens wieder einigermaßen problemlos antworten: „Naja, mir gegenüber ist es nicht mehr aggressiv, aber ich fürchte andere Trainer und Pokémon würde es immer noch sofort angreifen. Ich hab mir zwar heute früh eine Heilpflanze geholt, die es ein wenig beruhigen soll, aber ich bin noch nicht dazu gekommen sie zu testen. Vermutlich wird es sowieso nicht so eine große Wirkung haben, dafür sitzt ihr Hass irgendwie zu tief.“

„Ach was, das weißt du erst, wenn du es ausprobiert hast. Also los!“, forderte Paula ihre deprimierte Klassenkameradin auf.

Die sah sie wieder völlig perplex an: „Wie? Jetzt und hier?“

„Na klar. Akarin und ich würden gern mit Flemmli Bekanntschaft machen, also lass es einfach raus und wir schauen mal, wie es sich verhält.“

Schlagartig nahm das flaue Gefühl in Tajas Magen wieder zu. Ob das wirklich eine gute Idee war? Und auch wenn ihr Kopf ihr zuschrie, sie solle es lieber lassen, färbte Paulas Unbekümmertheit auf sie ab und ohne, dass das sonst so vorsichtige Mädchen lange überlegte, hatte sie auch schon den Pokéball in der Hand.

Mit der Anderen fischte Flemmlis Trainerin ein Blatt des Sedaruskrauts aus der Vordertasche ihres Rucksacks und zerrieb es behutsam zwischen den Fingern, woraufhin sich ein süßlicher Duft in der Höhle ausbreitete.

„Ok, aber bitte nimm Akarin zurück und pass auf ihn auf. Ich kann für nichts garantieren.“, warnte Taja noch einmal vor.

„Ach, es wird schon nichts passieren.“ Sie wusste zwar selber nicht warum, aber Paula war zuversichtlich, dass alles gut verlaufen würde.

Einen Moment noch zögerte Taja, denn ihr war der Gedanke gekommen, wie groß das Risiko war. Wenn sich Sakura gleich auf Akarin stürzen würde und ihn verletzten, würde Paula sicherlich nie wieder ein Wort mit ihr wechseln. Aber wiederum würde sich sicherlich keine bessere Gelegenheit ergeben, die Wirkung des Beruhigungsmittels zu testen.

„Ok, also dann los! Sakura, komm raus!“ Als sie den Pokéball warf, spannte sich jede Faser ihres Körpers aufs Äußerste an. Alle Sinne waren geschärft, denn wenn es nur das geringste Zeichen von Aggressivität geben sollte, musste sie schnell handeln.

Gespannt wartete Taja, dass sich die Umrisse des Feuerkükens aus dem roten Strahl verdichteten und ihr Pokémon erschien.
 

Wie immer ging es sofort in eine angespannte Haltung und sondierte seine Umgebung genau. Das kleine Wesen spürte die nervöse Anwesenheit seiner Trainerin. Doch da waren auch noch zwei andere Existenzen, die in der herrschenden Dunkelheit schwerer auszumachen waren. Aber Flemmli hatte in vielen tiefschwarzen Nächten seine Sinne geschärft und so fand es die Position der Anderen sofort. Besonders der Geruch des fremden Pokémon drängte sich ihr förmlich auf. Sakuras Nackenfell stellte sich auf. Sie wusste, was sie zu tun hatte - Kämpfen. Gerade als sie nach vorn schnellen wollte, um diesem Bedürfnis freien Lauf zu lassen, merkte sie, dass da noch etwas anderes war. Etwas, dass sie zurück hielt. Erst jetzt machte sich der andere Duft, der durch die Lüfte wehte, intensiver bemerkbar. Er war seltsam, aber nicht unangenehm und ließ sie vergessen, was sie eigentlich gerade noch gewollt hatte.

„Flemm?“ Etwas verwirrt, schaute das Feuerküken seine Trainerin an.

Wenn es nicht zum Kämpfen hier war, was wollte sie denn dann von ihr?
 

Die Antwort bekam Sakura auch prompt.

„So ist es brav, meine Kleine. Du brauchst nicht kämpfen, alles ist gut. Wir wollen nur, dass du uns etwas Gesellschaft leistest.“, erklärte Taja ihrem ratlos dreinblickenden Pokémon.

Es funktionierte! Ihr fiel wirklich ein Stein vom Herzen. Flemmli sah zwar nach wie vor sehr angespannt in die Runde, aber wesentlich weniger feindselig. Taja getraute sich sogar leicht über Sakuras Kopf zu streicheln. Das hatte sie zwar sonst auch schon ein paar mal zugelassen, aber unter diesen veränderten Bedingungen war das schon ein ziemlicher Erfolg.

Auch Paula schien sichtlich zufrieden mit dem kleinen Experiment: „Siehst du, hat doch super geklappt.“

„Zum Glück. So, darf ich dir vorstellen, mein Flemmli Sakura.“, übernahm Taja die Bekanntmachung.

„Das ist aber ein schöner Name.“ Paula zeigte sich begeistert, „Hallo, Sakura. Ich bin Paula und das hier ist Akarin.“

Auch wenn das Feuerpokémon ruhig schien, verzichtete sie lieber erst einmal darauf es durch Streicheln eventuell zu reizen. Es musste, wie seine Trainerin, schließlich auch erst mal Vertrauen fassen.

Diese Vorsichtsmaßnahme hätte Paula aber auch lieber ihrem Pokémon mitteilen sollen, denn Akarin mit seiner unbekümmerten Art, ließ es sich natürlich nicht nehmen, gleich mal freudestrahlend seinen potenziellen neuen Freund zu begrüßen und eilte ungehalten auf Flemmli zu.

„Akarin nicht!“

Doch Paulas Warnung kam zu spät.

Ehe sich das kleine Feuerküken versah, wurde es von der orangnen Echse durch eine stürmische Umarmung zu Boden geworfen und unter dem nicht viel größeren, aber schwereren Körper begraben. Es strampelte zwar heftig mit den Krallenfüßen, aber zu mehr Gegenwehr war es nicht in der Lage. Dazu war es viel zu verblüfft. So etwas hatte sich auch noch kein anderes Pokémon bei ihm getraut. Aber aus irgendeinem Grund, war der Drang es anzugreifen mit einem Mal weg.

Auch die beiden Trainerinnen sahen ungläubig auf das Pokémonknäul herab. Besonders Taja konnte es nicht fassen, dass sich ihr sonst so aggressives Flemmli von Glumanda gerade zu Boden knuddeln ließ und das auch noch ohne großartig zu protestieren.

„Akarin, geh von Flemmli runter! Du erquetschst es ja noch.“ Amüsiert hob Paula ihr Pokémon von dem Überfallenen herunter.

Sakura sprang schnell wieder auf, brachte sich hinter den Beinen seiner Trainerin in Sicherheit und lugte nur argwöhnisch dahinter vor. Dieses Ding mit dem Feuerschwanz war ihr ein wenig zu suspekt.

„Schon gut, Sakura, Akarin will sich nur mit dir anfreunden.“, versuchte Taja zu vermitteln.

Aber sie war schon zufrieden, dass Flemmli angesichts der Fremden so ruhig blieb. Dass sie wahrscheinlich nicht auf Paula losgehen würde, hatte sich Taja schon gedacht, denn die war ein Mädchen, aber, dass ihr schwieriger Schützling ein anderes, noch dazu männliches Pokémon in ihrer Nähe dulden würde, hatte sie in ihren kühnsten Träumen nicht erwartet. Sie musste Mike und Knilz unbedingt dafür danken, dass sie sie auf das Sedaruskraut aufmerksam gemacht hatten.

Was Taja allerdings nicht vermutete, war, dass das verbesserte Verhalten nicht nur auf das Beruhigungsmittel, sondern zum Teil auch auf die unumgänglich ausatrahlende Herzlichkeit von Glumanda und seiner Trainerin zurückgeführt werden konnte. Für Sakura war das zwar etwas ganz Neues, aber sie spürte einfach keine Bedrohung von den beiden Fremden ausgehen.

„So, das mit Flemmli wäre auch geklärt.“, verkündete Paula vergnügt.

Taja konnte nur nicken, denn es hatte ihr mal wieder die Sprache verschlagen. Sie konnte es einfach nicht fassen, wie sich eins ihrer größten Probleme durch die Anwesenheit dieses Mädchens einfach mal so in Luft aufgelöst hatte.

„Uwahhhhh. Ich glaube dieses Zeug beruhigt nicht nur Pokémon.“, gähnte Paula auf einmal.

Etwas verwundert sah Taja sie an: „Also ich merke nichts.“

Sie spürte nur Verwunderung, aber keine Müdigkeit.

„Na dann liegt es wohl daran, dass ich wegen Raupy so ne kurze Nacht hatte. Wenn du nichts dagegen hast, mach ich ne Runde die Augen zu. Es regnet ja immer noch. Ich darf doch?“

„Ja, natürlich.“, antwortete Taja automatisch, ohne zu vermuten, dass sich der letzte Teil der Frage nicht auf das Vorhaben des Schlafens bezog.

Denn Paula rutschte plötzlich ganz nah an sie ran, ließ sich zur Seite kippen und lehnte ihren Kopf gegen Tajas Schulter.

Für einen Augenblick setzte bei der Schülerin in der lila Uniform der Herzschlag aus. Das Paula ihr gesagt hatte, dass sie sie mochte, war schon fast zu viel des Begreiflichen gewesen, aber dass sie jetzt auch noch einfach so vertrauensvoll an ihrer Seite ruhte, war für sie nicht im Geringsten zu erwarten gewesen. Tajas Herz schlug außergewöhnlich schnell. Alles war so befremdlich und doch fühlte sie sich ausnahmsweise nicht unwohl.

Als auch noch Akarin kam, sich glucksend über die beiden Mädchen warf, bevor es sich ebenfalls in das Land der Träume entführen ließ, und sich auch Sakura an der anderen Seite ihrer Trainerin niederließ, war die Idylle perfekt.

Taja fühlte sich zwar auch ein wenig erschöpft, aber sie wollte keine Sekunde des wunderbar warmen Gefühls, das sie gerade durchströmte, verpassen und so blieb sie munter, um über den friedlichen Schlaf ihrer neuen Gefährten zu wachen.
 

„Hey, Paula, aufwachen.“

Ein sanfter Ruf schallte durch Paulas Träume und holte sie in den Wachzustand zurück.

„Was denn los?“ Etwas verschlafen sah sie sich um.

Es war zwar nur ein kurzes Nickerchen gewesen, aber dafür unglaublich erholsam. So gut hatte sie fast die ganze Woche nicht geschlafen.

„Der Regen hat endlich aufgehört.“, verkündete Taja lächelnd.

Sofort war Paula putzmunter: „Echt? Na dann nichts wie los!“

Auch wenn sie das kleine Höhlenabenteuer genossen hatte, so langsam tat ihr alles weh und auch ihr Magen machte sich mal wieder bemerkbar.

Rasch packten die Beiden alles zusammen und machten sich dann auf den Weg nach draußen.

Zu ihrer Überraschung musste Paula feststellen, dass zum Einen ihr Fuß wirklich kaum noch weh hat und, dass es zum Anderen schon verdammt dunkel geworden war. Sie wollte lieber gar nicht mehr wissen, wie spät es war.

Aber den beiden Schülerinnen war auch so klar, dass es auf jeden Fall Ärger geben würde.

„Akarin, bitte versuch uns den Weg zu beleuchten.“, wandte sich seine Trainerin an die Feuerechse.

„Ach warte, mir fällt grad ein, ich hab auch das hier.“ Aus ihrem Rucksack zauberte Taja eine Taschelampe. Ihr war gerade eingefallen, dass sie die für Notfälle auch immer eingepackt hatte. Aber in der Höhle hatten sie sie ja auch nicht wirklich gebraucht.

„Das ist super, ich bin nämlich nachtblind und seh so schon kaum was.“, erklärte Paula.

„Oh, ok, dann werd ich dich führen.“ Taja stützte sie ja eh, aber mit dem Wissen konnte sie noch besser dirigieren.

Trotz unwegsamen, regennassem Gelände, spärlicher Beleuchtung und Paulas Verletzung, kamen sie ganz gut voran. Ab und zu mussten sie eine Pause einlegen, weil Paulas anderes Bein durch die stärkere Belastung schmerzte und Taja sich auch erst mal orientieren musste. Sie war den Weg zwar nun schon ein paar Mal gegangen, aber in der alles verändernden Schwärze der Nacht, fiel es ihr nicht ganz leicht die richtige Richtung zu bestimmen.
 

Gerade, als Taja ein wenig länger brauchte, um sich zu erinnern, ließ ein Schrei die beiden Nachtwanderer aufschrecken.

„Was ist das?“ In Paulas Stimme schwang ein wenig Angst mit, denn sie konnte nur eine schemenhafte Gestalt erkennen, die sich undeutlich vom immer noch wolkenverhangenen, dunklen Himmel abzeichnete.

„Das ist ein Golbat und unsere Rettung!“, erklärte Taja, die in der Nacht doch erstaunlich gut sehen konnte.

„Wieso unsere Rettung?“ Ihre Mitschülerin verstand nicht ganz, wie ihnen ein wildes Golbat helfen sollte.

„Das ist nicht irgendein Golbat, es trägt einen roten Schal und gehört deshalb zum Vermisstensuchtrupp der Akademie. Es gibt hier einige Pokémon, die speziell dazu ausgebildet werden, im Notfall den Schülern zur Seite zu stehen. Das Golbat hat uns entdeckt und wird uns nun führen.“

Mal wieder verblüffte Taja Paula mit ihrem Wissen und auch damit, dass sie überhaupt einen roten Schal bei dem Flattervieh erkennen konnte. Aber eigentlich war ihr das auch egal. Sie wollte nur endlich wieder zurück und die Beine hochlegen.

Also machten sich die Mädchen unter der Führung des Fledermaus-Pokémons auf den nun auf jeden Fall richtigen Weg. Es dauerte zwar noch ein kleines Weilchen, aber irgendwann kamen sie auf einen gut begehbaren Pfad, der hoffnungsvollen Ausblicke auf in der Ferne glitzernde Lichter gab. Golbat flog vor, um Nachricht zu geben.

„Wir haben es gleich geschafft.“, ermutigte Taja ihre Klassenkameradin, der es nun doch sichtlich Mühe bereitete vorwärts zukommen.

Aber Paula biss die Zähne zusammen.
 

Als sie immer näher an die Akademiegebäude heran kamen, wurden zwei größere Lichtkugeln deutlich, die sich auf die Beiden zu bewegten. Dahinter zeichneten sich zwei Silhouetten ab, die Taja bald schon ziemlich vertraut vorkamen. Prof. Ambers wirre Hochsteckfrisur und Prof. Westons scharfe Gesichtszüge waren auch mit wenig Beleuchtung gut zu identifizieren. Paula erkannte die beiden erst, als Prof. Amber schon ganz nah herangeeilt war, um sie in Empfang zu nehmen.

„Paula! Giratina sei Dank, dir geht es gut. Wir haben uns schon ernsthaft Sorgen gemacht. Deine Freunde haben mich informiert, als sie zum Abendessen immer noch kein Lebenszeichen von dir hatten. Wir haben dich schon überall gesucht. Draußen, bei diesem Gewitter, da hätte sonst was passieren können. Wozu haben wir euch eigentlich einen Messenger gegeben?“ Vor lauter Erleichterung redete ihre Klassenlehrerin ohne Luft zu holen.

„Entschuldigung, den hab ich aus Versehen in meinem Zimmer liegen gelassen, als ich zum Training ging.“, erklärte sich Paula.

„Hach, die Dinger sollten wohl am Besten eine automatische „Vergiss-mich-nicht“-Funktion haben.“, seufzte die Lehrerin, „Aber egal, nun kommt erst mal mit und erzählt was passiert ist. Taja, was machst du überhaupt hier?“

Ihr war jetzt erst aufgefallen, dass sich eine weitere ihrer Schülerinnen bei der Vermissten befand.

Irgendwie war es Taja klar gewesen, dass niemand speziell nach ihr gesucht hatte.

„Das ist eine wirklich sehr gute Frage, der eine ebenso gute Antwort von ihnen Beiden gebührt, denn wenn ich mich recht entsinne, haben Schüler der ersten Klasse zu so später Nachtzeit nichts mehr außerhalb ihrer Schlafgemächer zu suchen und schon gar nicht, abgesehen von Ihnen, Taja, in einem Wald zu dessen Betreten sie ebenfalls keine Befugnis haben. Mich verlangt es nach einer guten Erklärung, einer sehr Guten sogar.“ Prof. Westons Ton ließ keinen Zweifel daran, dass ihnen gleich ziemlicher Ärger bevorstand. Besonders Paula, denn sie hatte gleich gegen zwei Schulregeln verstoßen, oder drei, wenn man das Freiherumlaufenlassen von Akarin noch mit dazurechnete.

Aber der war es momentan schnuppe, ob sie wieder Aufsätze schreiben musste, sie wollte einfach nur noch in ihr Zimmer und sich aufwärmen, denn inzwischen war es verdammt frisch geworden. Also setzte sie zur Erklärung der Ereignisse an.
 

Doch dieses Mal war Taja schneller im Ergreifen des Worts: „Es tut mir wirklich unglaublich Leid. Das Ganze ist meine Schuld. Als ich zum Training mit Flemmli ging, bin ich zufällig Paula begegnet, die ebenfalls trainieren wollte. Also dachte ich mir, es wäre eine gute Gelegenheit Sakuras Fortschritte zu testen und hab Paula deshalb mit zu meinem Trainingsplatz in den Wald genommen. Aber leider hat sie sich durch einen kleinen Unfall den Knöchel geprellt. Nachdem ich ihn versorgt habe, ist leider dieses Gewitter aufgezogen und wir mussten in einer Höhle Zuflucht suchen. Da Paula nicht gut laufen konnte, wollten wir nicht riskieren, dass sie bei dem durchweichten Boden stürzt und haben deshalb so lang abgewartet, bis es aufgehört hatte. Verzeihen sie die ganzen Umstände, aber das war wirklich nicht unsere Absicht.“

Etwas verdutzt sah Paula Taja an. Das war natürlich auch eine Version und bis auf Kleinigkeiten noch nicht einmal gelogen, aber wesentlich vorteilhafter für sie.

Prof. Weston ließ seinen strengen Blick über die Beiden gleiten, bevor er sich räusperte: „Nun gut, dann scheint dies wohl eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen zu sein. Taja, sie hatten zwar nicht die Ermächtigung jemand anderes entgegen der allgemeinen Regeln mit in den Wald zu nehmen, doch ich will darüber noch einmal hinweg sehen. Nach meinem Ermessen betrachte ich eine Strafe heute einmal für unnötig.“

Zwar hatte der Kampflehrer das untrügliche Gefühl, dass seine Schülerin die Geschehnisse ein wenig zurecht gebogen hatte, um sie ins rechte Licht zu rücken, aber da sie damit gerade den Kopf für ihre Mitschülerin hingehalten hatte, ließ er ausnahmsweise mal Gnade vor Recht walten.

Taja und Paula glaubten allerdings nicht richtig zu hören. Keine Strafe von Prof. Weston? Keinen noch so kleinen Aufsatz?

Und Prof. Amber machte auch keine Anstalten, etwas dergleichen zu verkünden: „Ich denke auch, wir sollten es auf sich beruhen lassen, denn es war mehr die Schuld des Gewitters als eure. Also los, jetzt schnell rein. Prof. Weston wird inzwischen den Rest des Suchtrupps benachrichtigen.“

Erleichtert folgten die beiden erschöpften Schülerinnen ihrer Lehrerin, während der Professor in eine andere Richtung verschwand.

Sie waren wirklich besser weggekommen, als sie es geglaubt hatten.

Und die Erleichterung wuchs ins schier Endlose, als endlich das Wohngebäude in Sicht kam. Das kleine Abenteuer war doch anstrengender gewesen, als sie es zunächst mitbekommen hatten.
 

„Prof. Amber, ich habe Paulas Fuß zwar notdürftig versorgt, aber ich glaube es ist besser, wenn es sich ein richtiger Arzt noch mal ansieht.“, erwähnte Taja.

„Tut es denn sehr weh, Paula?“, erkundigte sich die Frau daraufhin fürsorglich.

Aber Paula schüttelte den Kopf: „Ach was, ich merk es kaum noch.“

„Dann reicht eine Untersuchung morgen früh aus. Ich werde dir einen Arzt ins Zimmer schicken. Jetzt solltet ihr beide erst einmal schlafen.“

Damit waren Beide einverstanden. Denn die ersehnten Betten waren auch gar nicht mehr weit. Der Eingang zum Wohngebäude war schon erreicht. Treppensteigen war für Paula zwar schwierig, aber da sie ein Ziel vor Augen sah, war es erträglich.

Kaum in den Gang zu ihrem Zimmer eingebogen, wurde Paula auch schon ungeduldig empfangen.

Tifi kam gleich herangestürmt und umarmte ihre vermisste Freundin erleichtert. Auch Manja und Gonni brachten, etwas weniger stürmisch, ihre Erleichterung zum Ausdruck. Alle Drei belagerten sie gleich mit Fragen, aber Prof. Amber setzte dem wilden Geschnatter sogleich ein Ende, denn für alle anderen war schon längst Nachtruhe angesagt.

„Ihr geht jetzt erst mal alle auf eure Zimmer. Paula wird euch morgen alles erzählen. Sie braucht jetzt Ruhe.“, wies die Professorin freundlich, aber bestimmt an.

Unter leisem Maulen, verabschiedeten sich die Schüler von einander und trollten sich in ihre Zimmer.

„So, schlaf gut Paula, alles andere klären wir dann morgen.“

„Ja, vielen Dank, ich wünsche Ihnen auch eine gute Nacht und dir...“ Damit wollte sie sich eigentlich an Taja wenden, aber von dem Mädchen war plötzlich keine Spur mehr.

„Taja ist schon in ihr Zimmer gegangen.“, erklärte Prof. Amber, als sie Paulas suchenden Blick sah.

„Ach so, ok.“ Sie war zwar ein wenig enttäuscht, dass sie sich nicht hatte von ihrer neuen Freundin verabschieden können, aber ihr jetzt hinterher zu rennen, hatte auch keinen Sinn. Also begab sie sich in ihr Zimmer, schlüpfte aus den Sachen und warf sich mit Akarin und Raupy aufs Bett, wo sie vor Erschöpfung auch sofort einschlief.
 

Jemand anderes lag in dieser Nacht trotz Mattigkeit noch lange wach.

Taja war ebenfalls gleich in ihr Zimmer gegangen, doch auf sie hatte niemand gewartet. Es war zwar sicherlich nicht richtig gewesen, einfach so abzuhauen, aber als sie Paula im Kreise ihrer Freunde gesehen hatte, hatte sie sich irgendwie überflüssig gefühlt und war gegangen, ohne sich zu verabschieden. Paula brauchte sie ja jetzt nicht mehr und was hätte sie auch schon groß sagen können.

Nach all den Ereignissen des heutigen Tages wusste Taja nicht mehr, was sie denken sollte. Dieses Mädchen war schon irgendwie seltsam. Sie war gleich so freundlich und vertrauensvoll gewesen und das, obwohl sie sich gerade einmal ein paar Stunden kannten.

Und Paula hatte ihr auch noch einfach mal so gesagt, dass sie sie mochte. Für jeden anderen mochte das zwar ganz gewöhnlich sein, aber Taja hörte so etwas nicht gerade sehr oft und so bedeutete ihr dieser Satz so unglaublich viel.

Nach Paulas fast durchgängigem Geplapper erschien Taja sie Stille, die sie nun wieder umgab auf einmal so extrem geräuschlos. Dieser Gedanke war für sie selber fast absurd, weil sie Ruhe schon immer gewöhnt war, aber nun, nun wirkte sie auf einmal bedrückend.

So rief sie sich immer wieder Teile ihres Gespräches in den Sinn um die quälende Stille zu vertreiben.

Besonders ein Satz wiederholte sich in ihrem Geiste immer und immer wieder, denn erst jetzt fiel ihr etwas daran auf, auf das sie im ersten Moment nicht geachtet hatte.

‚Wenn du ein bisschen offener wirst und auf andere zu gehst, wirst du auch noch schnell viele andere Freunde finden.’

‚...schnell viele andere Freunde finden.’, ... ’...viele andere Freunde...’, ....’andere Freunde’...

Wenn Paula noch von ‚anderen’ Freunden gesprochen hatte... bedeutete das, ... bedeutete das etwa wirklich, ... dass sie schon Freunde waren?

Der Gedanke kreiste nur wirr in Tajas Kopf herum. Denn eine wirkliche Antwort würde ihr wohl nur Paula geben können und ob sie jemals den Mut dazu haben würde, sie danach zu fragen, bezweifelte Taja stark.

So blieb es irgendwo ungewiss, ob ihre heutige Bekanntschaft in ihr wirklich schon eine Freundin sah.

Aber als Taja dann doch irgendwann einschlief, tat sie es mit einem wundervollen Gefühl im Herzen, das ihr sagte, dass sie die Antwort tief in sich drin schon kannte.

Aus Vier mach Fünf

Nach dem Gewitter des Abends brach der Sonntag Morgen, mit einer noch etwas blassen Sonne, dafür aber erstaunlich friedlich an. Immerhin war der Sonntag der einzig wirklich freie Tag und so hatte niemand das Bedürfnis bereits mit den ersten Schreien der Dodus aufzustehen. Schon gar nicht Paula, die nach der ganzen Aufregung des Vortages noch in tiefen Träumen versunken in ihrem Bett lag. Und wenn nicht ein nerviges Piepen ihres Messengers sich unaufhaltsam in diese gedrängt hätte, wäre sie wahrscheinlich auch noch einige Stunden weiter unter der kuscheligen Decke geblieben. Doch da der kleine Nervtöter wohl nicht umsonst Töne von sich gab, tastete Paula schlaftrunken danach, während sie versuchte die kleine, leise schnarchende Feuerechse neben ihr nicht aufzuwecken. Es dauerte ein Weilchen, bis sie das schmale Gerät mit den Fingern aufgespürt hatte, denn sie hatte es gestern Abend nur noch schnell von Schreibtisch gekrallt und irgendwo neben ihr Bett gepfeffert, damit sie es nicht noch mal vergaß. Nun war sie ganz froh darüber, denn so brauchte sie nicht extra noch aufzustehen. Die Augen zu öffnen war schon schwer genug. Einen Moment überlegte sie, ob sie das tatsächlich auch tun sollte, denn das konnte ja eigentlich nichts Gutes heißen. Es war sicher noch total früh und mit ihren Freunden war sie heute etwas später zum Frühstück verabredet. Also konnte das nur bedeuten, dass schon wieder irgendwas anderes anstand und darauf hatte sie an ihrem freien Tag absolut keine Lust. So lag das Mädchen noch einige Minuten da und haderte mit sich, ob sie sich das wirklich antun oder lieber dem Verlangen nach Schlaf nachgeben wollte. Wenn auch schweren Herzens entschied sie dann doch für Ersteres. Unwillig schlug sie die Augen auf. Es war zwar schon hell, aber noch nicht so, dass es schon besonders spät sein konnte. Wer zum Teufel wollte jetzt schon was von ihr?

Es dauerte einige Augenblicke, dann erkannte sie auf dem Display ein kleines blickendes Symbol, dass die Ankunft einer Mitteilung markierte. Zum Glück brauchte es keine großen Handgriffe um sie zu öffnen, und es wurde auch zuerst die neuste Nachricht angezeigt, denn wenn sie die hundert Mitteilungen vom Vortag, die ihr die besorgte Tifi geschrieben hatte, erst hätte löschen müssen, hätte Paula das Gerät wohl einfach lustlos wieder fallen gelassen. So stöhnte die Schülerin nur genervt auf, als sie las, was da geschrieben stand:

“9 Uhr wird der Schularzt zur Untersuchung ihres Fußes einen Zimmerbesuch machen.“

Schularzt? Untersuchung?

Erst nach einen Moment kehrte die Erinnerung an ihren lädierten Knöchel in ihr Bewusstsein zurück. Sie hatte das wirklich schon wieder vergessen, denn spüren konnte sie nichts mehr. Eigentlich war eine Untersuchung also unnötig, vor allem, wenn sie ihr den Schlaf vermieste. Aber was sollte es, da musste sie wohl durch. Zumindest würde der Arzt wohl zu ihr kommen, wenn sie das richtig verstanden hatte. Also konnte sich die Schülerin noch etwas entspannt zurücklehnen und dösen. Zumindest bis ihr Blick auf die Zeitanzeige des Messengers fiel. 8.50 Uhr stand, auch nach zweimaligem Hinsehen, unabänderbar da. Kurz versank diese Nachricht noch in dem Dämmerzustand, klopfte dann aber penetrant an die Tür des Bewusstseins. Als Paula dann endlich realisierte, was das eigentlich hieß, federte sie hoch. In 10 Minuten stand der Arzt vor der Tür, in ihrem Zimmer sah es aus, als ob eine Horde Tauros durchgerannt wäre und im Nachthemd wollte die Schülerin dem Unbekannten nun auch nicht gegenüber treten. Zwar hatte ein leichter Anflug von Panik Einzug gehalten, dennoch kletterte Paula vorsichtig aus dem Bett, zum Einen um ihren Kreislauf nicht gleich zu überfordern, zum Anderen um Akarin nicht aufzuwecken, denn eine aufgeregt umherwuselnde Echse konnte sie unter Zeitdruck nicht auch noch gebrauchen. Aber Glumanda machte nicht die geringsten Anstalten aufzuwachen. Ganz im Gegenteil, es machte sich, nun da seine Trainerin entschwunden war, erst mal richtig im Bett breit und schnarchte seelenruhig weiter. Paula musste lächeln, als sie das Bild beobachtete. Wie gerne hätte sie sich zu ihrem kleinen Liebling ins Bett gekuschelt, aber leider war ja Besuch auf dem Weg. Da die Uhr unaufhaltsam immer weiter lief, war nun langsam wirklich Eile geboten. Hastig suchte sich Paula ihre Freizeitsachen vom Boden zusammen, wechselte die Kleidung und sprintete kurz ins Bad, um dann zähneputzend das restliche Chaos vom Fußboden in ihren Schrank zu befördern. Richtig aufräumen konnte sie später immer noch.

Kaum, dass sie die letzten Sachen hineingestopft hatte, klopfte es auch schon an der Tür. Die Schülerin hatte zwar so gar keine Lust aufzumachen, aber mittlerweile machte sich der Fuß auf Grund der stärkeren Belastung doch wieder ein wenig bemerkbar und so humpelte sie, nachdem sie noch schnell die Zahnbürste in Bad gebracht und dem Mund mit etwas Wasser ausgespült hatte, die wenigen Schritte zur Tür, um sie zu öffnen.

Doch kaum hatte sie diese aufgemacht, erstarrte die Schülerin auch schon förmlich in ihrer Bewegung. Ihr Herzschlag setzte für einen Moment aus, ihre Augen weiteten erstaunt und eine Gänsehaut lief augenblicklich wie eine Welle über ihren gesamten Körper. Denn das, was sie vor der Tür sah, verschlug ihr einfach mal glatt weg die Sprache und das war bei ihr wirklich selten. Paula war wirklich vollkommen perplex, denn sie schaute gerade in die wundervollsten blauen Augen und das hinreißendste Lächeln was sie je gesehen hatte. Ihr Gehirn war plötzlich mit lauter klebrig süßer Zuckerwatte vollgestopft und sie meinte einige rosa fluffige Wölkchen im Hintergrund vorbeischweben zu sehen. Das junge Mädchen war wirklich nicht mehr Herrin ihrer Sinne. So sehr sie auch irgendetwas sagen wollte, ihr Sprachzentrum verweigerte ihr, genauso wie der Rest ihres Körpers, den Dienst. Dafür übernahm ihr Gegenüber die verbale Kommunikation, um das langsam unangenehm werdende, Schweigen zu durchbrechen.

„Ich nehme an, du bist Paula? Ich bin Dr. Collins und man hat mir gesagt, dass ich mir mal deinen Knöchel anschauen soll. Darf ich reinkommen?“, fragte der Mann vor Paulas Tür höflich, aber schon leicht amüsiert nach.

Es dauerte einen Moment bis seine Stimme, die wie flüssiger Honig klang, durch das Rauschen in ihren Ohren, das vom rasendem Puls kam, und dem Wattenebel in ihr Bewusstsein, drang. Am Rande realisierte das vom Anblick des Arztes benommene Mädchen dennoch, dass er eben Einlass verlangt hatte. Fast überstürzt riss sie die Tür nun ganz auf, trat hastig zur Seite und brachte fast ebenso hastig ein „Ja, natürlich.“ hervor. Warum sollte er auch nicht hereinkommen? Er sollte ja eigentlich nur nicht wieder gehen.

Bei diesem Gedanken musste Paula selber verwirrt den Kopf schütteln. Was war nur schon wieder mit ihr los? Dieser Mann hatte so eine ungeheure Anziehungskraft auf sie, dass sie wie hypnotisiert an seinen Lippen hing, in der Hoffnung er würde gleich wieder mit der engelsgleichen Stimme zu ihr sprechen. Paula war so hin und weg, da war die Begegnung mit ihrem mysteriösen Retter vom Bahnhof nichts dagegen, auch wenn der sie schon verdammt aus der Spur geworfen hatte. Wieso gab es an der Akademie nur so viele gutaussehende Männer? Aber wenn sie sich diesen Mann so ansah, verstand Paula plötzlich wieso bei Ärzten immer von „Göttern in Weiß“ die Rede war. Wenn Dr. Collins nicht aussah wie ein Gott, dann wusste sie auch nicht.

„So, dann setz dich doch mal auf dein Bett und ich schau mir mal das Problem an.“ Seine sanfte Stimme riss das fast schon ehrfürchtig erstarre Mädchen aus den Gedanken.

Ohne auch nur ein Wort von den Lippen zu bekommen, schloss die Angesprochene endlich mal die Tür und ließ sich auf dem Bett nieder.

Dr. Collins setzte sich neben sie und hob vorsichtig ihr Bein nach oben, um es genauer zu inspizieren. Seine Berührung ließ Paulas Puls noch weiter nach oben schnellen, außerdem saß er auch noch ganz nah neben ihr auf dem Bett... Das Mädchen merkte, wie es immer schwerer wurde ruhig zu atmen, denn ihre Gedanken machten sich gerade irgendwie selbstständig. Obwohl sie sich wirklich versuchte zusammen zu reißen, kam Paula einfach nicht umhin ihn immer weiter fasziniert anzustarren.

Dabei konnte sie noch nicht einmal sagen was ihr an ihm am besten gefiel. Waren es seine kurzen, aber kräftig glänzenden brauen Haare, die schmalen aber auffallend leuchtenden Augen in der Farbe des Himmels, das leicht asymmetrische aber dennoch stimmig wirkende Gesicht, oder gar das charmante Lächeln auf den wundervoll sanft geschwungenen Lippen?

Als der Gott in Weiß ihr das auch noch schenkte, war ihr fast als Schwanden ihr die Sinne.

„Alles in Ordnung mit dir? Du siehst ein wenig fiebrig aus. Nicht, dass du dich auch noch erkältet hast.“ Fürsorglich beugte sich Dr. Collins nach vorn und streckte seine Hand aus, um nach ihrer Stirn zu fühlen. Paulas Augen weiteten sich als seine zarten Finger immer näher kamen und zu einer erneuten Berührung ansetzten, die ihr wohl das Bewusstsein rauben würden. Unwillkürlich schreckte sie ein wenig zurück, obwohl ihr Körper genau das Gegenteil sagte.

„Keine Angst Paula, ich will nur deine Temperatur fühlen. Ich tu dir nichts.“ Der Arzt hatte das Zurückschrecken seiner jungen Patientin etwas missgedeutet.

‚Wie schade.’, schoss es durch Paulas Gedanken, woraufhin sie noch mehr errötete.

Was zum Teufel dachte sie da nur ständig?

Um nicht so aufzufallen, nickte sie nur schwach und richtet sich wieder gerade auf, damit der Arzt sein werk vollbringen konnte. Als seine kühle Haut auf ihre erhitzte Stirn traf, fühlte sich die Schülerin gequält und erlöst zu gleich, was sie noch mehr verwirrte.

Dr. Collins verzog nachdenklich das Gesicht: „Hm, du bist ein bisschen warm, aber nicht besorgniserregend.“

Ohne weiter zu erklären kramte er in seiner Tasche herum und zog einen langen Gürtelähnlichen Gegenstand heraus. Als er ihr das Blutdruckmessgerät umlegte wünschte sich Paulal weglaufen zu können. So wie ihr Blut gerade durch die Adern raste, musste es doch mit Sicherheit das Gerät sprengen. Sie wollte auf keinen Fall, dass er irgendwie verdacht schöpfte, was wirklich mit ihr los war, obwohl sie das ja eigentlich noch nicht mal selber sagen konnte.

„Nun ja, auch ein wenig erhöht. Sollte deine Temperatur weiter ansteigen, melde dich sofort bei mir. Momentan können es auch einfach so Nachwirkungen deines Ausfluges sein.“, er zwinkerte ihr wissend zu.

„Ja wahrscheinlich.“, gab Paula zaghaft von sich, obwohl sie genau wusste, dass dies ganz bestimmt nicht der Grund war.

Fast wünschte sie sich aber noch richtiges Fieber zu bekommen , um den Arzt wieder sehen zu können.

„Das wird schon. Aber nun erst mal zu deinem Fuß. Also der sieht eigentlich schon wieder recht gut aus. Noch ein bisschen angeschwollen, aber irgendwelche Schäden kann ich nicht erkennen. Und da du bisher noch nicht geschrieen hast, nehm ich an, es tut auch nicht mehr sonderlich weh.“, stellte Dr. Collins lächelnd fest.

Erst jetzt bekam Paula mit, dass er ihren Verband entfernt und ihren Fuß einer Tastuntersuchung unterzogen hatte.

„Eh, ja, also ich meine nein. Es tut nicht mehr groß weh.“ Das Mädchen musste über ihre eigene Verwirrung leicht den Kopf schütteln. Warum konnte sie keine vernünftigen Sätze mehr herausbringen?

Dr. Collins strahlendes Lächeln machte es ihr aber auch nicht gerade leichter nicht wieder in irgendwelche traumhaften Sphären abzudriften: „Na das ist doch wunderbar. Das Kraut war eine sehr gute Idee und der gute Verband hat den Heilungsprozess noch unterstützt. Hat dir dein kleiner, grüner Freund dabei geholfen?“

„Das war Taja.“, platzte es aus Paula heraus, doch so gleich viel ihr auf, dass die Antwort irgendwie nicht passte, denn das Mädchen was sie gestern zufällig kennen gelernt hatte, war weder klein und vor allem nicht grün.

Der Arzt lachte amüsiert auf: „Ah, dann heißt dein Raupy also Taja?“

„Raupy?“, verständnislos sah Paula ihr göttliches Gegenüber an.

„Das, was hinter dir hängt?“ Dr. Collins wies erheitert an dem Mädchen vorbei.

Paula folgte seinem Verweis und merkte jetzt erst, dass die Raupe mal wieder kopfüber an einem Faden über ihrem Bett hing. Da es sich aber dieses mal etwas weiter hinten abgeseilt hatte und sie somit nicht mit dem Käfer über dem Kopf aufgewacht war, hatte Paula das kleine Pokémon beim Aufstehen in der Hektik mal glatt weg übersehen. Jetzt fühlte sie sich ein wenig dämlich, dass sie nicht einmal darauf gekommen war, was der Arzt gemeint hatte.

„Ach so, ja, das ist mein Raupy.“, gestand sie ein wenig beschämt, „Taja, also die Schülerin, die mir nach meinem Unfall geholfen hat, hat seine Seide irgendwie benutzt um den Verband zu machen.“

„Verstehe. Sehr gute Arbeit, von beiden. Dein Raupy hat eine wirklich ausgesprochen feine Spinnseide. So eine Qualität sieht man selten. Ich habe auch einen kleinen Verbandshelfer, siehst du?“ Kaum hatte Dr. Collins es ausgesprochen, tauchte ein kleiner gelber Wurm aus seinem Pokéball auf.

„Oh, ein Hornliu.“ Zum Glück kannte Paula dieses Käferpokémon und blamierte sich nicht wieder vor dem gottgleichen Mann.

„Genau und es machte ebenfalls sehr gute Seide. Ich trage dir jetzt eine kühlende Salbe auf, wir machen dir einen neuen Verband und wenn du ihn nicht zu sehr belastest, wird dein Knöcheln in zwei Tagen wieder voll funktionsfähig sein.“, erklärte er ihr, während er schon damit begann, den Fadenschuss des Käfers so um den Fuß seiner Patientin zu wickeln, dass er einen festen, aber angenehm zu tragenden Verband ergab.

Fasziniert beobachtete das Mädchen seine geschickten Hände. Dann aber konzentrierte sie sich wieder aufs wesentliche, denn sie hatte noch eine Frage, die sie unbedingt loswerden musste.

„Soll ich dann noch mal zur Kontrolle kommen?“, fragte Paula zögerlich, doch auch eine Spur hoffnungsvoll.

„Naja, eigentlich nicht, es sei denn es gibt Komplikationen.“, erwiderte Dr. Collins.

Als er jedoch das leicht enttäuschte Gesicht des Mädchens sah, fügte er noch hinzu: „Aber vielleicht gehen wir lieber auf Nummer sicher. Auch wegen des Fiebers. Also schau übermorgen nach dem Unterricht in der Krankenstation vorbei. Sollte es schlimmer werden, natürlich auch schon vorher. Ich bin immer für dich da.“

Das charmante Zwinkern, dass er ihr dabei zuwarf, ließ Paula fast umkippen.

Doch sie kriegte gerade noch so die Kurve und brachte ein paar gestammelte Worte hervor: „Eh ja, gut werd ich machen.“

„Gut, dann wäre meine Visite für heute beendet. Ich wünsch dir gute Besserung. Schon dich etwas.“ Mit einem hinreißenden Lächeln erhob er sich, packte die Sachen zusammen und wandte sich gen Tür.

Paula war fast schon erschrocken über das jähe Ende ihres wunderbaren Tagtraums. Etwas in ihr schrie ihn aufzuhalten, doch ihr Gehirn versagte ihr erneut den Dienst und so fiel ihr nichts ein, was den Arzt noch länger bei ihr gehalten hätte.

„Okay. Vielen Dank.“ Das Mädchen musste sich echt zusammen reißen, die Enttäuschung nicht in ihren Worten mitklingen zu lassen.

„Nichts zu danken.“ Der Gott in Weiß war schon fast zur Tür heraus, drehte sich dann aber noch einmal um, als wäre ihm noch etwas eingefallen, was Paula Hoffnung schöpfen ließ, er würde vielleicht doch noch etwas verweilen.

„Ach wegen deinem Raupy. Es hätte gute Vorraussetzungen für eine medizinische Ausbildung. Ich biete im zweiten Halbjahr einen Erste Hilfe Zusatzkurs mit Pokémon an, also wenn du Lust hast, würde ich mich über eure Teilnahme freuen.“, bot er ihr lächelnd an.

Das Herz der Schülerin machte einen kleinen Luftsprung. Er wollte sie in seinem Kurs dabei haben. Etwas bessres konnte ihr doch gar nicht passieren.

„Ja, klar. Sehr gern. Mir.. eh, ich meine Raupy wird das sicher super gefallen.“, nickte das Mädchen eifrig.

„Na dann trag ich euch schon mal auf meine Kursliste ein. Also dann bis in zwei Tagen.“

Mit einem fröhlichen Zwinkern war Dr. Collins nun wirklich aus der Tür heraus und ließ eine Schülerin mit extremen Herzklopfen zurück.

Es verging noch eine ganze Weile, bis Paula aus ihrer Starre erwachte und sich verzückt seufzend aufs Bett fallen ließ. Dass sie dabei halb auf Akarin landete und die kleine Feuerechse damit aus dem Schlaf riss, bekam die Schülerin nur am Rande mit. Akarin sah sie zwar fragend an, da seine Trainerin aber keine Anstalten machte irgendwie zu reagieren, zuckte die rote Echse nur mit den Schultern und rollte sich auf Paulas Bauch wieder zusammen. Im Gegensatz zu seiner Trainerin, bei der an Schlaf nicht mehr zu denken war. Da sie noch genügend Zeit hatte, lag sie einfach nur da und träumte mit offenen Augen von ihrem himmlischen Besuch.
 

Erst das Klopfen an der Tür brachte das völlig benommene Mädchen wieder zur Besinnung. Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es nun langsam Zeit fürs Frühstück wurde. Hunger hatte sie jedenfalls keinen, denn ihr Bauch war bereits vollgefüllt mit einem so wohlig warmen Gefühl, dass da gar kein Essen mehr Platz haben konnte. Aber auf Paula warteten ja immerhin ihre Freunde und die wollten nun sicher wissen, was am Vortag alles passiert war, da sie gestern Abend ja keine Zeit mehr gehabt hatten, sich auszutauschen. Auch wenn Paula sich momentan ganz und gar nicht darauf konzentrieren konnte, so stand sie doch auf um sich den sicher kommenden Fragen ihrer Klassenkameraden zu stellen. Akarin schlief immer noch seelenruhig und so vertrant wie seine Trainerin gerade war, tat sie sich ausnahmsweise nicht einmal schwer damit, dass kleine Feuerpokémon in seinen Ball zu holen. Raupy war inzwischen dagegen munter und ließ sich ganz bereitwillig in die Tasche fallen, als Paula sie ihm hinhielt. Da sie ja bereits angezogen war, brauchte sie nun nicht mehr lange, um beschwingt die Tür zu öffnen.

Draußen wurde die Schülerin schon von drei neugierigen Gesichtern erwartet.

„Guten Morgen du Schlafmütze, na hast du dich von gestern schon erholt? Du siehst ein wenig kränklich aus.“, erkundigte sich Tifi beim Anblick, des immer noch von einem leuchtendroten Schimmers überzogenen Gesichts ihrer Freundin, besorgt.

„Ja ja, alles Bestens.“, gab Paula grinsend zurück, „Aber was heißt hier Schlafmütze? Ich bin schon seit ner ganzen Zeit wach. Ich hatte heute schon Besuch.“

Paulas seeliges Lächeln und der verträumte Blick stießen bei ihren Freunden auf Verwunderung, sodass Manja interessiert nachhakte: „Besuch so früh am Morgen? Von wem denn?“

„Ach, das erzähl ich euch dann. Lasst uns erst mal frühstücken gehen, sonst ist es eher Mittag.“ Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen, spazierte Paula an ihren Klassenkameraden vorbei und freute sich daran die Anderen noch ein wenig schmoren zu lassen.

Die noch Unwissenden sahen sich kurz an, zuckten mit den Schultern und folgten der Schülerin dann nach unten in den Speisesaal. Von dem lädierten Knöchel sah man außer dem aus den Socken hervorlugenden Verband nicht wirklich etwas. Zwar versuchten sie schon auf dem Weg etwas aus ihr herauszubekommen, doch Paula gab kein Wort von sich, bevor sie nicht alle, einschließlich Akarin und Raupy, mit einem reichlichem Frühstück an einem abgelegenen Tisch saßen und wirklich Ruhe hatten.

„Na los, nun erzähl schon.“, drängte Tifi vor Neugier fast zum Platzen gespannt, kaum das sie Platz genommen hatten.

„Jaja, schon gut. Also...“ Durch einen kräftigen Biss in ein Croissant mit Marmelade legte Paula noch eine Kunstpause ein, begann dann aber endlich ganz ausführlich von ihrer morgendlichen Begegnung mit einem Gott zu berichten. Während die beiden anderen Mädchen gespannt lauschten, schaltete Gonni nach der Info, dass ein Arzt bei ihr gewesen war, um ihren Knöchel zu untersuchen, ab. Was interessierte ihn denn, was der Typ für himmlische Augen oder ob er Grübchen gehabt hatte? Da waren die Brötchen auf seinem Teller doch bei Weitem spannender.

Nachdem Paula gute zehn Minuten später mit der bis ins kleinste Detail reichende Beschreibung von Dr. Collins endlich mal fertig war, grinsten auch Manja und Tifi. So wie ihre Freundin ihn nur nach einem kurzem Treffen vergötterte, musste er wohl wirklich direkt vom Himmel kommen.

„Den müssen wir uns doch glatt mal anschauen.“, meinte Manja schelmisch grinsend.

„Klar, ihr könnt mich ja begleiten, wenn ich übermorgen zur Kontrolle gehe.“ Beim Gedanken daran ihn schon so bald wiedersehen zu können, blitzten Paulas Augen regelrecht auf.

Tifi musste beim Anblick ihrer Freundin vergnügt lachen: „Oh ja, das lasen wir uns natürlich nicht entgehen. Aber was ist denn nun eigentlich gestern passiert? Davon hast du noch gar nichts erzählt.“

„Ach stimmt ja.“, fiel es Paula plötzlich wie Schuppen von den Augen, „Es ist echt so viel passiert, ich glaub, da sitzen wir noch ne Weile.“

„Wir haben doch Zeit.“, warf Gonni trocken ein.

Die Erzählung von Paulas kleinem Abenteuer war sicherlich interessanter als irgend so ein Arzt und heute drängte sie ja nun wirklich nichts. Außerdem hatten die Mädchen vor lauter Gequatsche noch so gut wie kein Bissen gemacht, also würden sie wohl eh noch eine ganze Weile im Speiseraum verbringen.

„Na ok. Also, ich hatte ja die Auseinandersetzung mit der blöden Wettbewerbstussi und weil ich keine Lust hatte, ewig auf das Ende der Stunde zu warten, bin ich lieber mit Akarin trainieren gegangen. Oder na ja, zumindest wollte ich das, aber dann...“ Und so ließ Paula die Geschehnisse des Vortags noch einmal Revue passieren.

„Oh man, wir sollten dir deinen Messenger echt anbinden. Das war ziemlich unvernünftig. Wir haben uns nämlich echt Sorgen gemacht, als wir dich nirgendwo finden konnten und du dich nicht gemeldet hast.“ Tifi klang fast ein wenig vorwurfsvoll, als sie dies sagte.

„Ja tut mir ja leid, war ja nicht geplant, dass ich mich verlaufe und nen Hang runterfalle. War halt einfach Pech.“, erwiderte Paula nur schulterzuckend.

Sie hatte ihre Freunde ja nicht mit Absicht in Aufregung versetzten wollen und so hatte sie auch nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, auch wenn sie die kleine Rüge verstand.

„Naja, passiert. Aber zumindest hattest du Glück, dass du nicht allein durch den Wald irren musstest.“ Manja hatte sich zwar auch Sorgen gemacht, aber für sie war das ganze schon erledigt.

„Das stimmt allerdings.“ Beim Gedanken an ihre neue Freundin glitt wieder ein strahlendes Lächeln über Paulas Gesicht.

Sie hatten sich so gut verstanden, nur leider war Taja dann am Abend gleich wie vom Erdboden verschluckt gewesen, sodass sie sich gar nicht mehr richtig hatte bedanken können. Mit der plötzlichen Eingebung, sie könnte ja ebenso gerade frühstücken, stand die Schülerin abrupt auf und sah sich auf den umliegenden Plätzen um. Doch von dem Mädchen mit den langen dunklen Haaren, gab es keine Spur.

Als sie in die fragenden Gesichter ihrer Freunde blickte, musste Paula ihre Aktion erklären: „Taja war gestern Abend plötzlich weg und da wollt ich schauen, ob ich sie hier gleich finde. Dann hätten wir zusammen fertig frühstücken und ich mich bedanken können. Aber sie ist nicht da.“

Ohne es zu wollen klang es ein wenig bedrückt. Irgendwie hätte sie das Mädchen gern mit dabei gehabt.

„Da sie in unsere Klasse geht, werden wir sie wohl spätestens heute Nachmittag zur Fangeinführung sehen.“, merkte Manja an, woraufhin sich Paulas Miene wieder erhellte.

„Stimmt ja, ich seh sie ja sowieso täglich.“ Paula war erst jetzt richtig bewusst geworden, dass sie Taja wohl schon so einige Male in der Klasse begegnet war, ohne sie richtig zur Kenntnis zu nehmen. Doch das sollte sich jetzt definitiv ändern. Plötzlich war sie wieder gut gelaunt.

„Und was machen wir bis dahin? Weiter die Gegend erkunden?“, erkundigte sich die Schülerin bei ihren Freunden.

„Na vielleicht erst mal fertig frühstücken, sonst sitzen wir bis Nachmittag hier rum.“, gab Gonni von sich, da es ihm langsam auf den Wecker ging, dass die Drei über dem ganzen Geschnatter völlig das vergaßen, weswegen sie eigentlich hergekommen waren.

„Ja schon gut.“ Fast gleichzeitig bissen die Mädchen in ihre Brötchen.

Tifi war am schnellsten fertig und konnte deshalb die bereits geschmiedeten Pläne erklären: „Also wir wollten uns gestern Nachmittag eigentlich an unsere Zusatzhausaufgabe für Heilkunde setzen, aber dann warst du ja plötzlich unauffindbar und deswegen sind wir nicht dazu gekommen. Also sollten wir das heute machen, denn so wie die Lehrer es bereits angekündigt haben, werden wir wohl nächste Woche schon genug normale Hausaufgaben haben.“

„Och nö, so was blödes. Dabei ist draußen so ein schönes Wetter.“ Paula hatte die unliebsame Arbeit schon wieder erfolgreich verdrängt und nun schon wieder was lernen zu müssen, wenn andere ihren freien Tag genossen, passte ihr so ganz und gar nicht.

„Wenn wir es noch weiter aufschieben, kommen wir nur in Zeitnot. Außerdem sind wir zu viert, wie lang kann das da wohl dauern? Wir können uns doch auch draußen hinsetzen, stehen doch genug Bänke und Tische rum.“, versuchte Manja dem ganzen zumindest ein wenig Positives zu geben.

„Hm, na von mir aus.“ Auch Paula war klar, das sie die Aufgabe nicht ewig vor sich hinschieben konnten und so stimmte sie schließlich geknirscht zu.

„Na super, wenn ihr dann endlich mal fertig seid, holen wir unser Zeug und fangen an.“ Mit seinem Aufstehen beendete Gonni das Frühstück.

Paula hatte zwar immer noch ein Stück Croissant übrig, aber das war schnell verschlungen und so konnten sie aufbrechen.

Jeder schwirrte kurz in sein Zimmer um das nötige Schreibzeug und Bücher zu holen. Wenige Minuten später trafen sich die Vier unten vor der Eingangstür. Das schöne Wetter hatte einige Schüler nach draußen gelockt und so tummelte sich schon eine erhebliche Schar. Trotzdem ließ sich noch eine freie Bank finden, wo sie sich niederlassen und das ganze Arbeitsmaterial ausbreiten konnten.

„Am besten nimmt sich jeder ein paar Pflanzen, schreibt das Wichtigeste dazu auf und zum Schluss werfen wir es zusammen und machen vielleicht noch ne Übersicht oder so, damit es besser aussieht.“, schlug Tifi vor.

„Hm, ist ja schön und gut, aber weiß noch einer von euch, wie die Pflanzen hießen, die wir zusätzlich machen sollten?“ Paula hatte die ganze Aufgabe so gut wie verdrängt gehabt, da konnte sie sich erst recht nicht daran erinnern, wie das blöde Zeug hieß, das ihnen den Ärger eingebrockt hatte.

„Ja, gute Frage.“ Auch Manja hatte sich das nicht gemerkt.

Gonni zuckte nur mit den Schultern: „Na dann müssen wir wohl das Buch durchblättern, bis wir sie wiedergefunden haben, müssen wir doch mit den noch Fehlenden eh machen.“

Er nahm sich sein Heilkundebuch und fing an zu blättern.

„Na toll.“ Paulas Laune sank drastisch, als sie den fetten Wälzer vor sich liegen sah.

Es konnte Stunden dauern da die paar Pflanzen zu finden, die sie brauchten.

„Wir könnten auch noch mal in den Garten gehen und da nachsehen. Zumindest die Namen unserer Zusatzpflanzen finden wir dann leichter.“, gab Tifi zu bedenken.

Aber ihr Vorschlag stieß bei Paula auf wenig Gegenliebe: „Och nö, nicht noch mehr Pflanzen. Am Ende passiert wieder was und wir machen noch mehr Strafarbeit. Ich hab so schon keine Lust auf den Mist.“

„Nun hör auf zu meckern, sondern fang an.“ Mit diesem Kommentar schlug auch Manja ihr Buch auf und fing an, nach den Zielobjekten zu suchen.

Paula grummelte nur noch etwas unverständliches, bevor auch sie sich ihrem Schicksal ergab und die Nase unwillig ins Buch steckte.
 

Auch Taja hatte es an diesem Tage ein wenig länger in ihrem Bett ausgehalten, denn so richtig schnell einschlafen, hatte sie nach dem kleinen Abenteuer nicht können. Nun fühlte sich das Mädchen aber schon wieder ausgeruht, auch wenn ihr Kopf immer noch voll schwirrender Gedanken, ihre Begegnung mit Paula betreffend, war. Das Frühstück hatte sie aber dennoch ausfallen lassen, da sie ihren Magen zu gut trainiert hatte, als dass er ihr noch Hunger anzeigte. Flemmli hatte dagegen heute zum ersten Mal einen recht großen Appetit gezeigt und sein Futter nicht erst eine Stunde misstrauisch beäugt, bevor es sich zum Fressen bequemt hatte. Offensichtlich wurde es doch langsam ein wenig zutraulicher, was seine Trainerin wirklich sehr freute.

Während die Sonne nun allmählich ihren Mittagsstand anlief, hatte sich Taja an ihren Schreibtisch gesetzt und die ganzen Unterrichtsstunden noch einmal nachgearbeitet oder auch schon einiges vorbereitet. Doch so richtig konnte sich die gewissenhafte Schülerin heute nicht konzentrieren. Immer wieder glitt ihr Blick zum schönen Wetter nach draußen und ihre Gedanken zu jenem Mädchen, dass sie gestern kennen gelernt hatte. Sie wusste selbst nicht wirklich warum, aber irgendwie ging ihr Paulas Lächeln und ihre strahlenden Augen nicht aus dem Kopf. Sie war gleich so vertrauensselig gewesen, obwohl sie sich doch gerade erst kennen gelernt hatten. Aber auch wenn ihre offene Art für Taja ein wenig sonderbar gewesen war, so hatte sie sich doch in ihrer Gegenwart sehr wohl gefühlt. Seit gestern hatte die sonst so willkommene Stille ihres Zimmers plötzlich etwas Bedrückendes an sich. Das Mädchen konnte nicht sagen warum, aber eine innere Unruhe hatte sie erfasst. Irgendetwas zog sie nach draußen.

„Hm, vielleicht sollten wir bei dem schönen Wetter die frische Luft genießen, oder was meinst du?“ Die Frage war rein rhetorisch, denn Sakura war eh in ihrem Pokéball und konnte nicht antworten, aber irgendwie hatte es sich Taja zur Gewohnheit gemacht, ständig mit dem Feuerküken zu reden. Wer wusste schon ob die Pokémon in ihren Bällen nicht doch etwas mitbekamen?

Aber diesen Forschungen konnte sie sich vielleicht später widmen. Jetzt erfasste sie erst mal der Drang den Sonnenschein auf der Haut zu spüren. Mit vorsorglich gepacktem Rucksack und einem Lehrbuch unter dem Arm, verließ Taja ihr Zimmer und ging nach unten. Als sie durch die Türe trat und ihr das Geschnatter und Gewusel der ganzen anderen Schüler, denen es scheinbar genauso wie ihr ergangen war, entgegenschlug, wäre das schüchterne Mädchen am liebsten eigentlich sofort wieder umgekehrt. Doch die Verlockung der inzwischen richtig warmen Sonnenstrahlen war größer und so sah sie sich nach einem freien Platz um. Vielleicht fand sie ja etwas Abgeschiedenes. Während ihr Blick suchend über die Sitzplätze glitt, blieb sie plötzlich an etwas haften, mit dem sie nicht so richtig gerechnet hatte. Ein zwar noch nicht lang bekannter, aber doch schon seltsam vertrauter Haarschopf war etwas weiter hinten über ein Buch versunken. Taja hielt unwillkürlich die Luft an. Da saß ganz eindeutig Paula! Plötzliche Aufregung überkam die Schülerin. Was sollte sie denn jetzt bloß machen? Irgendetwas in ihr drängte sie dazu, sofort zu ihrer gestrigen Bekannten zu gehen, doch der andere Teil hatte zu viel Angst davor. Was sollte sie denn sagen? Sicher, ein einfaches Hallo war nicht das Problem, aber wie würde es dann weiter gehen? Sie würde sich blöd vorkommen, wenn sie nichts Vernünftiges zu erzählen hätte. Außerdem wusste Taja ja noch nicht mal, ob ihre Mitschülerin heute ebenso mit ihr reden wollte. Vielleicht hatte ihr die gestrige Begegnung ja schon gereicht. Und sie saß da nicht allein, sondern war umringt von ihren Freunden. Genau wie am Abend fühlte sich Taja bei dem Anblick des Grüppchens irgendwie fehl am Platz. Die anderen waren zwar auch ihre Mitschüler, aber sie kannte sie ja so gut wie gar nicht, also was, wenn die sie nicht mochten?

Taja wollte sich ja auf keinen Fall irgendwo reindrängen. So wie es schien, waren sie alle auch mit Lernen beschäftigt und da wollte wie ebenso wenig stören und überhaupt...

Nachdem all die wirbelnden Gedanken in ihrem Kopf ihr bewusst machten, dass sie besser nicht dort hingehen sollte, unterdrückte Taja den Impuls auf ihre Klassenkameradin zu zugehen. Auch wenn es ihr schwer fiel, wandte sie den Blick ab und suchte sich einen Platz am Rande eines Tisches unter einem großen Baum. Er warf zwar ziemlich viel Schatten, sodass sie wohl kein wärmender Sonnenstrahl treffen würde, doch hier war es einigermaßen ruhig und auch weit genug entfernt, dass Paula sie sicher nicht bemerken würde.

Seufzend ließ sich Taja nieder und schlug ihr Buch auf. Auch wenn sie so gerne wieder Paulas Gesellschaft genossen hätte, sie hatte einfach zu viel Angst vor möglicher Ablehnung. Sicher, sie hatten sich gestern wirklich super verstanden, aber wer konnte schon sagen, wie das heute unter normalen Umständen aussah. Es war dem Mädchen einfach zu riskant ihre schöne Erinnerung an die gemeinsamen Stunden kaputt zu machen. Als zog sie es wie immer vor, in der Ferne zu bleiben und aus dem Schatten zu beobachten.

Es fiel Taja enorm schwer sich aufs Lesen zu konzentrieren. Immer wieder ertappte sie sich dabei, wie ihr Blick zu der anderen Bank floh.

Nachdem sie einen Satz nun bereits zum fünften Mal gelesen hatte, wurde die Schülerin langsam ärgerlich über sich selber.

‚Reiß dich gefälligst zusammen! Sie hat dich doch eh schon wieder vergessen, also konzentrier dich aufs Lernen, da hast du mehr davon!’, schollt sie sich innerlich.

Auch wenn da immer noch ein gewisser innerer Widerstand war, der sie immer wieder ablenken wollte, heftete Taja ihren Blick nun doch bewusst starr auf die Seiten und versank so nach einiger Zeit wieder völlig in ihrer eigenen Welt.
 

„Ach Asche, ich hab keinen Bock mehr!“, fuhr Paula entnervt hoch und verlieh ihrem Frust zusätzlich durch das heftige Zuknallen ihres dicken, langweiligen Wälzers Ausdruck.

Die restlichen Anwesenden des Tisches zuckten angesichts dieses plötzlichen Ausbruchs erschrocken zusammen.

„Na so kommen wir aber auch weiter.“ Manja sah ihre Mitschülerin ein wenig vorwurfsvoll an, obwohl auch sie es langsam leid war, dass die Erfüllung ihrer Zusatzhausaufgaben so schleichend voran schritt.

„Na was denn? Ich blätter das blöde Buch nun schon zum dritten Mal durch und hab trotzdem erst eine Pflanze gefunden. Das bringt doch so nichts!“, fauchte Paula zurück.

Ihre Laune war wirklich am Tiefpunkt. Sie hasste es hier sinnlos ihre Zeit tot zu schlagen und nicht im Entferntesten einen Schritt weiter zu kommen. Missmutig lehnte sie sich auf den Tisch und stützte ihren Kopf mit ihrem Arm ab, der im stummen Protest auf dem Heilkundebuch positioniert war.

„Ach komm schon, versuch weiter zu machen. Wir sind doch bald fertig, dann helfen wir dir auch.“, versuchte Tifi ihre mies gelaunte Freundin wieder zu motivieren.

Nur ohne großen Erfolg. Paula hatte den Kopf zur Seite gedreht und ließ ihren Blick desinteressiert in der Gegend schweifen.

„Das bringt nichts. Ich find das Mistzeug nicht und wenn ich noch zehn Jahre in dem Buch blätter. Ich sag einfach, ich habs nicht gefunden und gut ist.“, murmelte sie geistesabwesend vor sich hin.

„Aber Paula, du kannst doch nicht...“ Doch so ein richtig überzeugendes Argument fiel Tifi grad auch nicht ein.

Gonni verdrehte nur die Augen und sparte sich den Atem, denn Paula sah nicht so aus, als würden sie die Worte der Anderen in irgendeiner Weise interessierten, wenn sie sie überhaupt erreichten.

Klar, irgendwo hingen sie da alle mit drin, aber Prof. Achiella hatte nicht gesagt, dass es darauf eine Note geben würde oder, dass sie bei nicht vollständiger Erfüllung noch ne Zusatzaufgabe kriegen würden, also war es ihm herzlich egal, wenn Paula rumbockte.

Die hatte sich in der Zwischenzeit ganz ihrem Frust hingegeben und futterte innerlich vor sich hin, während ihr Blick über die Umgebung schweifte, um irgendetwas Interessantes zu finden, dass sie von der unangenehmen Aufgabe hätte ablenken können. Doch die anderen Schüler sahen nicht besonders spektakulär aus und von ihren Gesprächen verstand sie auch immer nur Fetzen, sodass sich Paula nicht die Mühe machte ihre Aufmerksamkeit auf sinnloses Geplänkel zu lenken. Es musste doch noch irgendwas Anderes, außer blöder Bücher, Wiese, Bäume und jede Menge fremde Köpfe geben. Und plötzlich kreuzte ihr Blick auch tatsächlich etwas, das sich lohnte darauf zu verweilen.

Mit einem Male richtete sich Paula wieder kerzengrade auf und das Gewitter auf ihrem Gesicht verwandelte sich in puren Sonnenschein.

„Was ist denn mit dir?“ fragten ihre Klassenkameraden fast gleichzeitig, weil Keinem die plötzliche drastische Stimmungswandlung entgangen war.

Paulas Grinsen wurde noch breiter und in ihre Augen trat ein schelmisches Funkeln, als sie sich zu den Drein wand: „Ich hab grad die Lösung für unser Problem gefunden. Ich bin gleich wieder da.“

Noch ehe die Anderen nachfragen konnten, war das Mädchen aufgesprungen und bewegte sich zielstrebig auf ein ihnen unbekanntes Ziel zu.

Nur Paula wusste ganz genau wo sie hin wollte. Unter all den Fremden meinte sie eine bekannte Gestalt entdeckt zu haben, die zwar gerade in einem Buch versunken und ihr dennoch schon so seltsam vertraut war, sodass sie glaubte, sie hätte das Mädchen wohl überall wieder erkannt. So fast ängstlich zusammengekauert im schützenden Schatten der Bäume und völlig abwesend von der Umwelt... das konnte nur Taja sein. Dass ihre Mitschülerin auch heute ohne Schuluniform die Farbe Lila trug, machte es natürlich noch einfacher. Mit einem hüpfenden Gefühl der Vorfreude ging Paula auf ihre neue Freundin zu und baute sich mit verschränkten Armen direkt neben ihrem Platz am Rande des Tisches auf.

„Was hatte ich dir denn gestern gesagt?“, fragte die Schülerin halb amüsiert, halb vorwurfsvoll nach.
 

Es hatte zwar eine ganze Weile gedauert, aber nun konnte sich Taja wieder voll und ganz auf ihre Lektüre konzentrieren und sog die Wörter praktisch vom Papier, in der Hoffung sich auch möglichst viel davon zu behalten. Wissen konnte nie schaden und sie wollte sich gerade am Anfang erst gar nicht in Versuchung bringen das Lernen schleifen zu lassen. Immerhin wurde eine Menge von ihr erwartet und noch höhere Ansprüche stellte sie an sich selbst. Und dennoch bereute sie es nicht, der stickigen Luft ihres Zimmers heute einmal entkommen zu sein, denn der sanfte Wind auf ihrer Haut war wirklich ein angenehmes Gefühl, das half sich etwas zu entspannen. Den Rest der Welt hatte das ruhige Mädchen einfach ausgeblendet und der schien sie ebenfalls zu übersehen.

So war sie umso erschrockener, als plötzlich neben ihr eine laute und vor allem bekannte Stimme ihr Unsichtbarkeitsschild durchbrach und sie in die Wirklichkeit zurückholte.

Völlig verwirrt und verschreckt zugleich, fuhr Taja hoch und sah sich um. Doch sie brauchte nicht lange zu suchen, denn die Person, die es eben gewagt hatte mitten in ihre Abgeschiedenheit zu platzen, stand mit einem herausfordernden Grinsen direkt neben ihr. Als Taje erkannte, dass es sich hierbei um Paula handelte, überlief sie ungewollt eine Gänsehaut und ließ sie noch einmal zusammen zucken. Nicht, dass sie Angst vor ihrer Klassenkameradin hatte, nein eigentlich machte ihr Herz gerade ebenso ungewollt einen Freudenhüpfer, nur hatte Taja eben nicht damit gerechnet, dass Paula sie entdecken und schon gar nicht dann auch noch bei ihr auftauchen würde. Der Hüpfer ihres Herzens wurde inzwischen zu einem unregelmäßigen Galopp und leichte Röte schoss ihr ins Gesicht, denn so fragend wie Paula sie ansah, wartete sie auf eine Antwort. Doch Taja war es im Augenblick nicht möglich Eine zu geben, nicht nur, weil alles in ihrem Körper vor Aufregung zu zittern begann, sondern auch, weil sie die Frage gar nicht realisiert hatte.

Paula dagegen amüsierte sich prächtig über die Reaktion ihrer Mitschülerin. Es war wirklich lustig, wie sich das leichenblasse Gesicht mit den verschreckt aufgerissenen, großen braunen Augen, zu einer noch nicht ganz reifen, verlegenen Tomate verwandelte.

„Na?“, hakte sie noch einmal nach, auch wenn sie Taja natürlich nicht quälen wollte.

Diese war inzwischen komplett durcheinander, da sie absolut nicht wusste, was sie sagen sollte. Sie wollte ja auf keinen Fall irgendwas Blödes heraushauen und suchte deshalb innerlich verzweifelt nach einer Antwort, die zu jeder Frage passen konnte, ohne gleich völlig ihre Ahnungslosigkeit die Frage betreffend zu verraten.

„Ehm, ich weiß es nicht.“, brachte sie schließlich halb stotternd nach quälenden, scheinbar endlos langen Augenblicken heraus, da ihr das am Unverfänglichsten schien.

„Hach“ Paula seufzte theatralisch auf, sodass Taja schon Angst bekam, sie hätte genau das Falsche gesagt.

Dieses Gefühl verstärkte sich noch, als ihre Mitschülerin sich auf den Tisch stützte, ihre Lippen leicht trotzig nach vorne schob und sie mit fast zusammengekniffenen Augen fixierte.

Doch Paula wollte Taja einfach nur ein wenig necken und das schien auch gut zu funktionieren, wie das fast verängstigte Gesicht des Mädchens verriet. Um sie noch etwas weiter zu reizen, beugte sich Paula vor und sah ihr direkt in die Augen, als sie Taja an ihre Worte erinnerte: „Ich hab gesagt, du musst offener werden und auf Leute zugehen, wenn du neue Freunde finden willst. Also? Warum bist du nicht zu uns gekommen? Und erzähl mir nicht, du hast uns nicht gesehen. Wir sitzen genau im Sichtfeld wenn man zur Türe rausgeht.“ Paula wollte ihr erst gar keine Gelegenheit zu Ausflüchten geben, „Oder magst du mich etwa nicht mehr?“

Tajas Miene verwandelte sich augenblicklich in tiefe Bestürzung: „Doch, doch natürlich. Nur... nur ich wollte einfach nicht stören.“

Verlegen senkte die Schülerin den Kopf. Eigentlich würde sie so etwas vor kaum einer Person gestehen, erst recht nicht, wenn sie sich erst so kurz kannten. Aber Paula... bei ihr war alles irgendwie anders. Nur Taja wusste selbst nicht warum.

Im ersten Moment blitzte etwas wie Verärgerung in den Augen ihres Gegenübers auf, was aber sogleich einem halb tadelnden, halb belustigten Blick wich.

„So ein Quatsch. Wieso solltest du stören?“ Paula konnte nur den Kopf schütteln.

„Naja, ihr saht so beschäftigt aus... du und die Anderen...“ Taja ließ den Satz unbewusst offen, Paula verstand aber trotzdem auf was das wohl abzielte.

Anscheinend hatte ihre neue Freundin wohl Angst davor gehabt, dass Paulas andere Freunde sie nicht mögen würden.

„Ach du.“, seufzte sie mit einer Mischung aus Ernst und Belustigung, während sie innerlich weiter den Kopf schüttelte, wie man sich nur so viele Gedanken um etwas so einfaches machen konnte.

Doch für Taja war Kontakte zuknüpfen alles andere als einfach. Sie hatte von Klein auf nicht viel Zeit in Gesellschaft verbracht und war es einfach nicht gewohnt mit anderen zu kommunizieren, geschweige denn, sie für sich zu gewinnen. Die tief sitzende Angst vor Ablehnung ließ sie jedes Mal einen Rückzieher machen, bevor sie auch nur einen Fuß auf andere zugegangen war.

Aber Paula war nicht der Mensch der ein Kneifen duldete. Ohne Vorwarnung schnappte sich das Mädchen Tajas Buch und zog es weg. Als diese leise protestierend ihre Hand danach ausstreckte, wurde diese ebenfalls gekrallt.

Mit einem entschlossenen „Na los, komm mit.“ zog Paula das schüchterne Mädchen hoch.

Taja hatte gerade noch genug Zeit sich ihre Tasche zu schnappen, bevor sie von Paula mitgezogen wurde.

„Aber...“

„Nix aber.“ Paula erstickte jeglichen Protest im Keim und bahnte sich zielstrebig mit ihrer neuen Freundin an der Hand einen Weg durch die anderen Tische, bis sie wieder an ihrem ursprünglichen Sitzplatz angekommen waren.

Dass Taja inzwischen vor Schrecken fast das Herz stehen geblieben und jegliche gesunde Farbe aus ihrem Gesicht gewichen war, schien Paula entweder nicht zu bemerken oder sie ignorierte es einfach mal. Je näher sie dem angestrebten Tisch kamen, desto unwohler fühlte sich Taja und sie hätte sich am Liebsten losgerissen. Zumindest ein Teil von ihr, denn der Andere genoss es irgendwo Paulas Aufmerksamkeit zu haben und von ihr mitgeführt zu werden.

„So, darf ich vorstellen, das ist Taja.“, stellte Paula das ängstlich guckende Mädchen an ihrer Seite ihren anderen Freunden vor.

Taja musste erst einmal den fetten Kloß in ihrem Hals herunter würgen, der sich durch die spontan entstandene ungewohnte Situation gebildet hatte. Die Gesichter der drei Anderen, die sie ja auch schon aus der Klasse kannte, lagen scheinbar erwartungsvoll auf ihr, sodass in ihrem Inneren schon wieder ein ungeheurer Druck auf ihr lastete. Ihre Gedanken wirbelten so durcheinander, dass sie noch nicht mal ein einziges Wort daraus richtig kristallisieren, geschweige denn verbalisieren konnte.

Doch zum Glück half ihr Tifi die erste Hürde mit einem freundlichen Lächeln und ein paar netten Worten zu überwinden: „Hallo, schön dich kennen zu lernen.“

Da Paulas Freunde doch nicht den Eindruck machten, als wollten sie Taja gleich fressen, brachte das aufgeregte Mädchen nun doch ein zaghaftes „Hallo“ über die Lippen.

„Ah, die mit dem komischen Flemmli.“, begrüßte Gonni Paulas Begleitung auf seine Art, was ihm jedoch einen finsteren Blick seiner drei Klassenkameradinnen und einen kleinen Fußtritt von Paula einbrachte, obwohl er das eigentlich nicht mal negativ gemeint hatte.

„Komm setz dich.“ Manja rutschte ein Stück rüber und deutete einladend auf den freien Platz.

Ehe Taja auch nur dankend nicken konnte, hatte Paula sie schon in die Bank geschoben, sie sanft, aber bestimmend runtergedrückt und sich an die andere Seite gesetzt um jegliche Fluchtmöglichkeit zu verhindern.

Die Schülerin fühlte sich in mitten so vieler Personen etwas unwohl, aber zumindest Paulas Anwesenheit beruhigte sie doch insoweit, dass sie nicht unruhig auf ihrem Sitzplatz umherrutschte. Trotzdem konnte Taja nicht verhindern, dass ihr Blick verlegen hin und her huschte. Ihren Mitschülern entging natürlich nicht, dass ihre neue Bekanntschaft ziemlich nervös wirkte.

Um es nicht noch schlimmer für sie zu machen, ergriff erneut Tifi das Wort.

„Schön, dass du sie endlich gefunden hast.“, wandte sie sich zunächst an Paula, um dann für Taja erklärend hinzuzufügen: „Sie hat heut schon den ganzen Tag nach dir gesucht, um sich zu bedanken.“

Unwillkürlich riss Taja vor Erstaunen die Augen auf. Paula hatte sie nicht nur nicht vergessen, sondern auch tatsächlich noch nach ihr gesucht? Das konnte doch gar nicht sein. Aber als sie in Paulas strahlendes Gesicht sah, glaubte sie den Worten ihrer Mitschülerin.

„Stimmt, das hät ich beinahe schon wieder vergessen. Also danke noch mal, dass du mir gestern so geholfen und dich um meinen Knöchel gekümmert hast.“, setzte Paula die Erinnerung gleich um.

‚Stimmt, ihr verletzter Knöchel. Ach Mist, warum bist du da nicht drauf gekommen?’, schollt sich Taja innerlich.

Das wäre das perfekte Thema gewesen, um Paula ansprechen zu können, ohne sich zu blamieren und ihr war es einfach nicht eingefallen. Zum Glück war sie noch geistesgegenwärtig und schnell genug um ein „Und wie geht es dir jetzt?“ hervorzubringen, bevor es ihr wieder die Sprache verschlug, da Paula ihre Dankbarkeit gleich noch in einer herzlichen Umarmung zum Ausdruck brachte, die Tajas Herz zum Stillstand gebracht hätte, wenn sie auch nur ein wenig länger gedauert hätte. So viel Nähe war die sonst so eigenbrötlerische Schülerin einfach nicht gewöhnt und doch schoss ein angenehm warmes Gefühl durch ihren Körper. So warm, dass sie meinte innerlich zu verglühen und sicherlich komplett feuerrot sein zu müssen. Doch da sie niemand auf etwas Derartiges hinwies, war das wohl nur Einbildung.

„Tut überhaupt nicht mehr weh.“, verkündete Paula strahlend, ohne von dem halbem Ohnmachtsanfall ihrer Nachbarin etwas mitzubekommen.

Sie dachte auch nicht im Entferntesten daran, dass ihre Umarmung solche Auswirkungen gehabt haben könnte, denn immerhin war das was ziemlich normales. Nur für Taja eben nicht.

„Das freut mich.“, brachte diese nur knapp heraus, um ihre zittrige Stimme möglichst zu verbergen.

„Das hab ich dir, dem Verband und dem komischen Kraut zu verdanken.“, lächelte Paula weiter, sodass Taja gleich wieder leicht die Röte ins Gesicht stieg.

„Ach, das war doch nichts weiter. Das Meiste hat dein Raupy gemacht. Und dass ich das Sedarus-Kraut kannte, war ja auch nur Zufall.“ Taja konnte mit Komplimenten nicht umgehen, auch wenn sie indirekt kamen und versuchte wie immer alles runterzuspielen.

„Trotzdem, ohne dein Wissen hätte ich jetzt sicher einen für Wochen unbrauchbaren Knöchel. Es ist schon toll, so viel über Heilkräuter zu wissen. Ich wünschte, ich könnte mir das auch alles merken.“ Paula seufzte leise und warf einen verstohlenen Blick auf das kaum zu übersehende Heilkundebuch neben ihr.

Plötzlich ging ihren Freunden ein Licht auf. Das hatte das Mädchen also vorhin mit ’Lösung ihres Problems’ gemeint. Manja und Gonni konnten sich ein wissendes Grinsen nicht verkneifen, während Tifi für einen Moment erschrocken guckte, weil man durch diese Aktion fast den Eindruck gewinnen konnte, Paula hatte Taja nur angeschleppt, weil sie nützlich für ihre Hausaufgaben war. Auch wenn sie sich erst seit einer Woche kannten, so durchtrieben hatte sie Paula nicht eingeschätzt. Als ihr jedoch einfiel, dass ihre Mitschülerin schon den ganzen Tag nach ihrer Helferin gesucht hatte und das ehrliche Lächeln sah, mit dem Paula ihre neue Freundin bedachte, verwarf sie diesen Gedanken gleich wieder und setzte eine amüsierte Miene auf, als ihr bewusst wurde, wie taktisch geschickt Paula gerade vorgegangen war.

„Ach, das ist eigentlich gar nicht so schwer und zur Not gibt es ja hilfreiche Bücher.“ Taja hatte als Einzige noch nicht durchschaut was hier gerade lief.

„Meinst du? Hm, na ja aber mit denen komm ich irgendwie nicht zurecht.“, meinte Paula mit großen Augen und zog ganz unschuldig ihr Blatt mit den zu bearbeitenden Pflanzen heraus, „Die hier zum Beispiel kann ich nirgends finden.“

Taja besah sich das Blatt interessiert, bemerkte dann, um was es sich dabei handelte und musste innerlich schmunzeln. Da lag also das Haspiror im Pfeffer. Aber Paula guckte sie mit einem so treuherzigen Blick an, dass sie gar nicht anders konnte, als ihr die Lösung zu nennen. Aber ihr machte das eigentlich auch nichts aus, nein, die schüchterne Schülerin war sogar sehr froh, dass es um etwas ging, von dem sie auch Ahnung hatte und wo sie behilflich sein konnte.

„Seid ihr im Unterricht nicht fertig geworden, oder warum macht ihr das jetzt erst?“, erkundigte sich Taja trotzdem mal so zwischendurch.

Alle vier sahen sich kurz verlegen an, was Taja verwundert beobachtete.

„Eh na ja, das war so...“ Und schon erzählte Paula noch mal, was für unerfreuliche Begegnungen sie mit einigen Bewohnern des botanischen Gartens gehabt hatten.

„Ah verstehe und jetzt braucht ihr noch diese Pflanzen um die Strafarbeit von Prof. Achiella zu beenden?“, langsam sah Taja durch.

Dass ihre neuen Bekannten beinahe ihren jetzt schon geliebten Garten abgefackelt hätten, verdrängte das Mädchen mal lieber schnell.

„Genau, aber wir haben keine Ahnung wie die hießen.“, brachte Manja das Problem auf den Tisch.

Taja überlegte kurz, ehe sie mit ernster Miene antwortete: „Ich kenne sie leider auch nicht, aber auf Seite 425 gibt es eine Tabelle, wo die meisten gebräuchlichen Pflanzen nach ihrer Wirkung sortiert aufgelistet sind. Dort müssten sie eigentlich namentlich zu finden sein, denn ihr wisst ja, was sie bewirken und könnt sie so indirekt suchen. Und wenn sie nicht im Buch sind, gibt es immer noch den Pflanzenkatalog des botanischen Gartens.“

Für einen Moment herrschte Stille am Tisch. Alle vier sahen ihre Mitschülerin an und es ging ihnen der gleiche Gedanke durch den Kopf... das Mädchen kannte tatsächlich die genaue Seitenzahl einer Tabelle in diesem fetten Wälzer und wusste, dass es einen Katalog über die ganzen Pflanzen gab?

War das Mädchen mit der lila Uniform einfach nur ne Streberin oder hatten sie wirklich schon SO viel in der ersten Woche verpasst?

Als Taja die Augen der Anderen auf sich ruhen sah, bekam sie erneut etwas Farbe, zog die Schultern ein und vertiefte sich hastig im Buch, um die entsprechende Seite zu suchen.

„Also ich denke, dass hier könnte sie sein.“, gab sie kleinlaut von sich, um die langsam unangenehm werdende Stille zu durchbrechen.

Paula beugte sich zu ihr herüber und bekam erneut große Augen.

„Volltreffer!“, rief sie freudig aus und gleich noch hinterher, „Taja du bist echt ein Schatz.“, was diese nur noch verlegener machte.

Während die Anderen ihre Notizen erweiterten, fahndete Taja nach dem letzten fehlenden Grün, allerdings ohne Ergebnis, wie sie nach einer Weile feststellen musste.

„Hm, ich werde einfach im Katalog nachsehen gehen und euch die Informationen heraussuchen.“, bot die gewissenhafte Schülerin ihre Hilfe an.

Paula zog daraufhin allerdings eine Schnute: „Nö, jetzt gibt’s erst mal was zum Mittag.“

Kaum einer hatte bemerkt, wie die Zeit davongeflogen war, doch jetzt nach der Erwähnung, meldeten sich auch noch drei andere Mägen.

Nur Tajas blieb wie immer ruhig.

„Okay, dann werde ich es euch danach geben. Wollen wir uns hier wieder treffen? Ich weiß nicht, ob ich euch im Speisesaal wiederfinde.“, gab Taja zu bedenken.

Diese Äußerung brachte ihr jedoch nur einen verständnislosen Blick ihrer neuen Freundin ein.

„Wieso denn ‚wiederfinden’? Du kommst doch mit essen.“ Letzteres war noch nicht mal als Frage ausgedrückt.

Taja sah Paula ein wenig erstaunt an. Sie hatten gerade eine gute Stunde zusammen gesessen und die Arbeit erledigt, bei der sie hilfreich sein konnte und Paula wollte sie immer noch in ihrer Nähe?

„Eh, ich hab aber gar keinen Hunger.“, erwiderte Taja zaghaft.

Paula zog fragend die Augenbrauen hoch. Dem Mädchen musste man wohl alles direkt sagen.

„Na so siehst du auch aus.“ Auch wenn das etwas weitere T-Shirt ihre Figur verhüllte, war unverkennbar, dass Taja die Schmalste am Tisch war und sicher nicht auf eine Mahlzeit verzichten sollte, wenn sie nicht als Gerippe herumlaufen wollte.

„Also dann, Sachen zusammenpacken und los geht’s.“ Auch wenn Paulas Ton vielleicht ein wenig zu befehlshaberisch war, hatte kurz vorm Mittag niemand mehr Lust sich mit ihr anzulegen und so packten alle fünf schnell zusammen und brachen Richtung Speisesaal auf. Und damit Taja auch auf keinen Fall stiften gehen konnte, nahm Paula sie erneut an der Hand. Wenn es sein musste, kette sie ihre neue Freundin auch mit Handschellen an sich, nur damit sie regelmäßig etwas aß.
 

Das Mittagessen verlief reibungslos, wenn auch ziemlich langsam, denn Paula plapperte unaufhörlich und Taja musste sich durch einen Berg von Essen kämpfen, bei dem ihr allein vom ersten Anblick schlecht geworden war. Da die fünf Schüler der C-Klasse für die Einführungsveranstaltung zum Pokémonfangen zu einem etwas abseits gelegenen Waldstück mussten, wurde die Suche nach dem letzten Kraut auf den Abend verschoben, denn zeitlich hätten sie es nach dem opulenten Mahl nicht mehr geschafft. So wanderten sie nun gemeinsam über das Akademiegelände und halfen sich gegenseitig mit Informationen zu den einzelnen Gebäuden weiter, da sich anscheinend jeder andere Häuser eingeprägt hatte. Unterwegs kamen auch immer mehr Mitschüler dazu, auch von den anderen Einsteigerklassen, da diese Veranstaltung eh für alle gleich war.

Auf der Wiese vor dem Waldrand hatte sich schon eine Traube Schüler versammelt. Auch wenn sie nicht durch die unterschiedlichen Farben ihrer Schuluniformen gekennzeichnet waren, so ließ sich doch recht gut herausfinden, wer in welche Klasse gehörte. Alles was verachtend auf seine Umwelt nieder blickte, war wohl eindeutig A-Klasse und da die ihnen die Gesichter ihrer Mitschüler langsam bekannt waren, blieb für die anderen, meist etwas Jüngeren nur die B-Klasse. Etwas weiter entfernt entdeckte Paula Luna, ihre Bekanntschaft der Schülerkonferenz, doch die war mit ihren Freundinnen beschäftigt und so begrüßten sich die Beiden nur mit einem fröhlichen Winken. Von Leroy und seinen Kumpanen war zum Glück noch nichts zu sehen. Die hatten es wohl nicht nötig.

Die Schüler brauchten sich nicht lange die Beine in den Bauch zu stehen, denn fast augenblicklich erschienen die drei Klassenleiter und Prof. Weston. Paula lief ein Schauer über den Rücken als ihr Blick auf Lukosch fiel. Es hätte ihr durchaus gereicht den Mann erst in zwei Tagen wiederzusehen. Den Blicken ihrer Freunde zu urteilen, waren diese der selben Meinung. Doch jetzt gab es wichtigeres als sich über ihren unfairen Mathelehrer aufzuregen. Die Lehrer warteten nur einige Minuten bis die letzten Nachzügler eingetroffen waren, dann begann die schon heiß ersehnte Einführung.

„Nun dann Schüler, lauschet meinen Worten und prägt sie euch gut ein.“, schallte Prof. Westons Stimme über die Köpfe hinweg.

„Nicht unwesentlich für das Vorrankommen als Pokémon-Trainer, ist das zu Eigen machen neuer Kampfgefährten. Da wir zunächst euer Grundgeschick im Umgang mit diesen Wesen zu begutachten hatten, war euch dies bisher verwehrt. Nun seid ihr dazu bereit befunden wurden, sodass ihr von nun an, die Möglichkeit bekommt mehr oder weniger uneingeschränkt Pokémon zu fangen.“

Damit schien er mit seinem Teil der Einführungsrede fertig zu sein, denn der Klassenlehrer der B-Klasse trat nach vorn und berichtete weitere Einzelheiten.

„Ich hoffe ihr brennt alle schon darauf, ins Abenteuer zu stürzen und neue Pokémon zu fangen. Auf dieser Insel leben fast alle bekannten Pokémon in den verschiedensten Gebieten. Doch noch nicht für alle Spezies seid ihr bereit, sodass es ein kleines Punktesystem geben wird, dass euch in eurer Ausbildung unterstützen und weitestgehend Unfälle vermeiden soll.“

Als er den misstrauischen Blick einiger Schüler beim Wort „weitestgehend“ bemerkte, zwinkerte der Mann mittleren Alters ihnen aufmunternd zu.

„Also, ihr werdet von nun an jeden Monat ein gewisses Kontingent an Punkten gut geschrieben bekommen. Diese könnt ihr durch gute Noten, Mitarbeit, Zusatzarbeiten, gute Kampfergebnisse und natürlich auch durch das Fangen von Pokémon erhöhen. Diese Punkte spiegeln sozusagen eure Erfahrung wieder. Man kann Punkte auch gegen Items, die ihr zur Versorgung eurer Pokémon benötigt, wie Tränke oder Pokébälle, eintauschen, wenn ihr über kein so reichliches Taschegeld verfügt, um sie euch anderweitig zu besorgen.“

Ein spöttisches Schauben kam von irgendwoher, was wohl ganz zweifelsfrei einem A-Klasse-Schüler zugeordnet werden konnte. Professor Amber sah verärgert in die Richtung, fuhr dann aber mit der Ansprache fort.

„Aber keine Angst, euer Erfahrungslevel sinkt dann dadurch nicht wieder. Die verschiedenen Punkte werden gesondert registriert. Bedeutend für heute, sind die Punkte, die ihr euch nur selbst erarbeiten könnt. Für das Fangen von Pokémon bedeutet das: je mehr ihr sammelt, desto mehr Gebiete dürft ihr im Laufe der Zeit erforschen, wo ihr auf immer seltenere Pokémon treffen werdet. Nach wie vor dürft ihr nicht einfach irgendwo auf dem Inselgelände herumlaufen. Um dies zu gewährleisten wird es noch eine Neuerung für euch geben. Bevor wir euch in die Wildnis entlassen, wird auf eurem Messenger ein Programm installiert, das als Ortungssignal dient. Keine Sorge, ihr werdet nicht auf Schritt und Tritt überwacht. Falls ihr einem euch noch gesperrten Gebiet nähert, wird euch das Gerät warnen. Ignoriert ihr dies und, glaubt mir, das kann man nicht einfach überhören, und übertretet die Grenze, werden wir informiert und es wird schlimme Folgen haben, darauf könnt ihr euch verlassen.“ Der fast fröhliche Ton mit dem sie dies sagte, konnte einem regelrecht Angst machen.

„Ach und denkt ja nicht, dass ihr die Messenger einfach vor der Grenze oder irgendwo anders liegen lassen könnt, um euch unbemerkt davon zu schleichen. Ich verrate euch nicht was dann passiert, aber beherzigt lieber meinen Rat. Es ist zu eurem eigenen Besten.“

Viele machten ein langes Gesicht, da ihnen diese Variante wohl gerade eingefallen war und nun ihre Hoffnungen doch wieder zu Nichte gemacht waren.

Doch die Aufmerksamkeit wurde sogleich auf Prof Lukosch gerichtet, der wohl auch noch ein paar grimmige Worte an sie zu richten hatte: „Obwohl ihr das nicht verdient hat, ist die Akademie so gütig und schenkt jedem von euch...“ er zögerte kurz und schien zu überlegen, welches Wort er benutzen durfte, „...Schülern zehn Pokébälle. Aber vergeudet sie nicht gleich an den ersten nutzlosen Wurm, mehr kriegt ihr nicht von uns. Und nun fangen wir endlich an mit der Demonstration.“

Als er von nutzlosen Würmern sprach, fühlte sich Paula direkt angegriffen und mochte den Lehrer nun noch weniger. Sie würde auf jeden Fall ihren ersten Pokéball dazu verwenden einen Wurm zu fangen, aber einen der total süß war. Einen Moment dachte sie darüber nach, Raupy direkt vor der Nase des Mathelehrers zu fangen, aber das würde wohl unangenehme Fragen zur Herkunft ihres grünen Freundes aufwerfen und das wollte sie nachdem sie gestern so glimpflich davon gekommen war, nicht riskieren.

Außerdem wurde die Aufmerksamkeit der Schüler eh auf den Hauptteil der Veranstaltung gelenkt. Prof. Weston hatte einen kleinen Käfig hervorgeholt, während Prof. Lukosch einen seiner Schüler, man erkannte es am arroganten Grinsen, zu sich gewunken hatte. Der unbekannte Auserwählte ließ sein Larvitar frei und schickte es gegen das eben aus dem Käfig gelassene Zigzachs. Prof. Weston kommentierte den Vorgang mit Erklärungen zum Fangen eines Pokémon, die die meisten aber eh schon kannten, weshalb dem Ganzen nur mit einem oder nur halben Ohr zugehört wurde. Nachdem das Pokémon zum Vorzeigen seinen Platz im Pokéball gefunden hatte, war es zum Glück schon vorbei und wurde interessanter.

„So gleich habt ihrs geschafft. Da das heute euer erster Ausflug in die Wälder ist, möchten wir, dass ihr nicht allein geht. Schließt euch bitte in Vierergruppen zusammen und bleibt das dann auch annähernd. Dann holt ihr euch das Programm und die Bälle von eurem jeweiligen Klassenlehrer ab und dann kann’s auch schon losgehen. Ihr habt 4 Stunden Zeit, dann meldet ihr euch bei uns wieder zurück. Ihr müsst es heute nicht übertreiben, ihr habt schließlich ab jetzt jeden Tag Zeit. Wenn’s Probleme gibt, sagt sofort Bescheid. Na dann mal los und viel Erfolg beim Fangen eurer ersten Pokémon.“

Damit hatte Prof. Amber den offiziellen Teil beendet und wandte sich der Vergabe der Pokébälle zu.

Die Schüler hatten jedoch erst mal noch damit zu tun, sich zu gruppieren. Ziemlich schnell wurde dabei deutlich, dass sich die Trennung der Klassen in den Köpfen schon festgesetzt hatte, denn gemischte Gruppen wurden noch nicht mal in Betracht gezogen.

Für Taja bestand allerdings ein anders Problem. Ihr war die ganze Sache mit den Gruppen gar nicht recht, denn sie wollte allein gehen damit es nicht zu Schwierigkeiten mit Sakura kam. Auch wenn Flemmli gestern recht positiv auf Paula und Glumanda reagiert hatte, hieß das noch lange nicht, dass sie auch andere Pokémon akzeptieren würde und sie wollte sich ja nicht gleich wieder unbeliebt machen. Außerdem waren Paula und ihre Freunde schon zu viert, da war für sie kein Platz.

Also trat sie ein wenig zurück um Abstand zu gewinnen und unbemerkt zu Prof. Amber zu gehen. Doch ihr Plan ging nicht auf.

„Wo willst du denn hin?“ Paula hatte die Flüchtige schneller am Arm gepackt, als sie gucken konnte.

„Naja, Pokébälle holen.“, gab diese verlegen zurück.

„Das machen wir gleich alle zusammen. Ich will nur nicht in der ganzen Masse stehen.“, erklärte Paula ihr Zögern.

„Ehm, na ja ich dachte mir, ich geh vielleicht besser allein. Wegen Flemmli und ihr seid ja auch schon zu viert.“, brachte Taja leicht stockend hervor und wandte betreten den Blick ab.

Doch Paula ließ das nicht durchgehen: „So ein Quatsch, Flemmli wird sich schon zusammenreißen und mit der Gruppenaufteilung kriegen wir das schon hin. Die werden uns schon auch zu fünft gehen lassen. Du kommst jedenfalls mit mir.“

„Aber…“ Doch Paulas Blick ließ Taja schon im Ansatz verstummen.

Ihre neue Freundin schien in mancher Hinsicht wohl keine Widerworte zu dulden.

Das Problem mit der Gruppierung löste sich allerdings auch im nächsten Augenblick von selbst, denn einer ihrer Klassenkameraden kam herüber und fragte Gonni, ob er nicht mit ihnen gehen wollte, da ihrer Jungengruppe noch ein Mitglied fehlte.

Gonni zuckte nur mit den Schultern: „Geht klar.“

Ihm war das auch eigentlich wirklich egal, mit wem er durch den Wald streifte und wenn er nicht vier quatschende Mädels um sich hatte, die alle Pokémon verscheuchten, war ihm das auch ganz recht.

„Also dann wir sehen uns später.“ Mit einem kurzen Wink wandte er sich ab und begleitete den anderen Jungen zu seiner Gruppe.

Taja sah ihm mit einem reichlich schlechten Gewissen nach. Nur wegen ihr hatte er gehen müssen und dabei waren die vier schon länger Freunde und er hätte das Vorrecht gehabt und…

„Nun guck nicht so, für uns ist das völlig in Ordnung. Ich freu mich, dass du mitkommst.“ Paula hatte den schuldbewussten Blick ihrer Kameradin gesehen und versuchte sie zu beruhigen, auch wenn sie sich selbst nie um solche Sachen einen Kopf machte. Klar wäre es gut gewesen, wenn sie alle zusammen hätten gehen können, denn dann hätte man Tifi und Gonni vielleicht gaaaanz unbeabsichtigt allein im Wald stehen lassen können, aber dazu gab es sicher auch noch später genügend Gelegenheit und jetzt war es erstmal wichtiger Taja bei sich zu behalten, damit das Mädchen ihre Scheu verlor.

Nachdem auch Tifi und Manja nickend Paulas Worte bestätigt hatten, fühlte sich Taja nicht mehr ganz so miserabel und fehl am Platz.

„Gut, na dann können wir ja los machen. Die Schlange hat sich auch gelichtet.“ Paula war sichtlich zufrieden mit der Situation.

Die vier Schülerinnen gingen zu ihrer Lehrerin, die sie beim Überspielen des Peilsenderupdates auf ihren Messenger angesichts der Konstellation ihrer Gruppe leicht stirnrunzelnd ansah.

„Na zum Glück könnt ihr ab heute nicht mehr so einfach verloren gehen.“ Dabei sah sie Paula und Taja ganz besonders intensiv an.

Während Paula daraufhin grinste, lief Taja dagegen leicht rot an.

„Hier habt ihr noch eure Pokébälle und dann kann’s los gehen. Ich wünsch euch viel Glück. Aber seid vorsichtig.“ Ihre ernste Miene wurde von einem eher belustigten Zwinkern unglaubwürdig gemacht.

Die Mädchen nickten alle brav, obwohl es nur zwei davon auch ernst nahmen. Die kleine Schachtel mit den zehn Pokébällen und dem Gürtel mit Halterungen zum Befestigen der Fangutensilien nahmen dagegen alle sehr gern an. Nun waren sie wirklich fertig ausgerüstet für die Jagd. Dieser Gedanke zauberte allen einen vorfreudigen Glanz in die Augen.

„Dann mal auf in den Wald.“ Manja stapfte euphorisch los, wurde aber schon nach wenigen Schritten durch Paulas Ruf gestoppt.

„Einen Moment noch, ich hab noch was ganz wichtiges zu erledigen.“ Ohne weitere Erklärung setzte sie in aller Ruhe ihre Rucksack ab und kaum, dass sie ihn öffnete, kam ein runder grüner Kopf neugierig heraus.

„Ah Raupy.“ Tifi verstand was ihre Freundin vorhatte, die eben ihr zugelaufenes Pokémon vorsichtig auf den Boden absetzte und sich davor positionierte.

„So Raupy, nicht erschrecken, ich fang dich jetzt, damit du auch offiziell mein Pokémon bist und nicht irgendwer rummeckern kann.“, sprach sie in der Hoffnung, dass der rot-weiße Ball, den sie nun so sanft wie möglich auf ihren Käferfreund fallen ließ, ihn nicht verschrecken würde.

Doch als das Fangobjekt den grünen Kopf erreichte, machte Raupy keine Anstalten zusammenzuzucken. Als es sich in eine rote Silhouette verwandelte, die aufgesogen wurde, herrschte für einen Moment gespannte Stille, doch es dauerte nur einen Wackler lang, bis endlich das Erfolg verkündende Geräusch ertönte und der Ball ganz still im Gras lag.

„Hey, ich habe ein Raupy gefangen!“, verkündete Paula grinsend und lautstark, wenn auch mehr zum Spaß und nicht um zur Schau zu stellen, dass sie wohl die Erste dieses Jahrgangs war, der dein Pokémonfang geglückt war.

„Herzlichen Glückwunsch. Und bekommt Raupy nun auch einen Namen?“, erkundigte sich Tifi lächelnd.

„Hey, sehr gute Idee!“ Paula verzog grübelnd das Gesicht.

Raupy brauchte einen tollen, imposanten Namen, denn irgendwann, in hoffentlich nicht allzu ferner Zukunft, würde es als prächtiges Smettbo die Lüfte erobern. Laut Pokédex war Raupy männlich, also durfte er auch nicht niedlich sein. Plötzlich ging ein Strahlen über das Gesicht der Trainerin.

„Ha, ich hab den perfekten Namen!“

Keine Sekunde später stand Raupy wieder in voller Größe, insofern man das bei einem 30 cm großen Wurm sagen konnte, vor ihr und strahlte sie ebenso an.

Paula fuhr ihm über den Kopf und ließ stolz verlauten: „So Raupy, nun sind wir wirklich für immer Freunde und weil du was Besonderes bist, bekommst du nun einen Namen. Von heute an sollst du auf den Namen Hermes hören.“

Angesichts der Würdigung wuchs Raupy gleich ein paar Zentimeter und sah nun ebenso stolz aus, wie seine Trainerin.

Nachdem nun auch diese Formalität geklärt war, Raupy nun Träger eines Namens und zur Sicherheit wieder in seinem Pokéball war, immerhin befanden sie sich noch in Sichtweite der Lehrer, konnten sie wirklich starten.

„Na los! Lasst uns den Wald unsicher machen und ganz viele neue Freunde finden!“

Gut gelaunt schulterte Paula ihren Rucksack, winkte ihren Freundinnen auffordernd zu und übernahm die Führung in die unbekannten Gefilde des Waldes in dem hoffentlich viele Pokémon auf sie warten würden.

Wenn zwei sich streiten...

„Und wo wollen wir jetzt lang?“ Kaum waren die vier jungen Trainerinnen in den Schatten der Bäume getreten, machte Paul stopp, um sich bei ihren Fanggefährtinnen zu erkundigen, wo es denn weiter gehen sollte, denn das Gebiet war groß.

„Keine Ahnung. Haben wir ne Karte oder so?“ Wie alle anderen auch, kannte Manja das Areal nicht.

Tifi kramte ihren Pokédex heraus: „Ich glaub hier ist so ein Programm drin.“

Die Anderen folgten ihrem Beispiel und mussten auch nicht lange suchen, um den entsprechenden Menüpunkt zu finden.

„Hm, scheint ziemlich groß zu sein, das Gebiet wo wir hin dürfen.“, stellte Paula beim Blick auf den erleuchteten Bereich fest, „Und wo soll’s nun genau hin gehen?“

„Kommt ja drauf an, was für Pokémon ihr beabsichtigt zu fangen.“ Taja runzelte die Stirn und musterte die Karte genau.

Der erlaubte Bereich war nicht nur ziemlich groß, sondern umfasste auch verschiedene Landschaftsformen in denen wohl unterschiedliche Pokémon lebten.

„Is mir egal, ich hab es auf nichts Spezielles abgesehen. Ich schau einfach mal, was mir über den Weg läuft.“

Auch Tifi und Manja bekundeten, dass sie sich überraschen lassen wollten, welche Pokémon ihnen begegnen würden.

„Gut, also wählen wir wohl ein neutrales Gebiet. Wald ist da sicher angebracht. Wenn wir dem Weg folgen, müssten wir später auch auf ein Feld und eine steinigere Gegend stoßen und auf dem Rückweg würden wir auch an einem See vorbeikommen, also wäre so gut wie alles abgedeckt. Auch zeitlich müsste es zu schaffen sein.“ Taja fuhr mit dem Finger über die vorgeschlagene Route.

„Sieht gut aus, also lasst uns weiter gehen.“ Paula war einverstanden und so brachen die vier Akademieschülerinnen nun wirklich auf, um sich ihre ersten Pokémon in der Wildnis zu schnappen. Es versprach ein interessanter Nachmittag zu werden.

Während sie nun also aufmerksam durch die baumige Landschaft wanderten, kam Paula plötzlich eine Idee.

„Hey, wir sind doch hier allein. Wollen wir nicht unsere Pokémon rausholen, damit sie ein bisschen zusammen spielen können? Außerdem können wir so gleich kämpfen, wenn wir einem wilden Poki begegnen.“ Sie strahlte die Anderen so an, dass diese einfach einverstanden sein mussten. Wobei es Paula aber eigentlich auch egal war, ob die anderen Pokémon mit von der Partie waren, Hauptsache Akarin war bei ihr.

Und so dauerte es keine Sekunde bis Glumanda, Plinfa und Panflam um ihre Beine wuselten. Nur Taja hatte sich nicht getraut ihren Pokéball zu zücken.

„Komm schon Taja, lass Flemmli auch raus, es gewöhnt sich doch sonst nie an Gesellschaft.“, versuchte Paula ihre Kameradin zu ermutigen.

„Ich weiß nicht, ich glaub nicht, dass das eine gute Idee ist. Drei andere Pokémon sind vielleicht gleich etwas viel für den Anfang.“, gab die Trainerin zu bedenken.

„Du hast doch dein Kraut, also wird schon nichts passieren.“ Paula war hartnäckig, wenn sie etwas für richtig hielt.

„Ja, versuchen kannst du es doch. Unsere Pokémon sind auch ganz lieb.“ Auch Tifi wollte die Bedenken ihrer neuen Freundin zerstreuen.

Taja hatte zwar nach wie vor kein gutes Gefühl dabei, holte aber doch zögerlich ihren Pokéball hervor, während sie mit der anderen Hand im Beutel an ihrem Trainergürtel ein wenig der Sedarusblätter zerkleinerte, die daraufhin einen aromatischen Duft aussonderten. „Na schön, ich versuch es. Sakura komm raus.“

Der Ball flog in die Luft, öffnete sich automatisch einen Spalt, sodass die Gestalt im Inneren in rotem Schein nach außen dringen konnte. Kaum war dieser vollständig materialisiert, sträubten sich bereits die Federn im Nacken des kleinen Feuerkükens. Es roch etwas. Da waren mehrere Menschen, aber vor allem auch andere Pokémon. Unwillkürlich stieg blinde Wut in ihm auf. Sakura wollte Kämpfen und das sofort. Doch noch etwas Anderes, nicht ganz Unbekanntes hing in der Luft und legte sich wie ein schwerer Schleier über diesen verzehrenden Trieb, sodass sich ebenso Verwirrung in dem kleinen Pokémon breit machte.

„Hey, Sakura, ganz ruhig. Das hier sind Freunde, also schön lieb sein.“

Langsam kam die Stimme seiner Trainerin durch den dicken Schwall an Aggression, der die Sinne des Pokémons bisher weitgehend eingeschränkt hatten. Nun nahm es auch die anderen Gestalten um sich herum genauer wahr. Zwei der Drei Zweibeiner kannte es nicht, nur der Geruch des einen Mädchens rief eine Erinnerung wach. Und auch das rote Ding mit dem Feuerschwanz, das gerade ansetzte fröhlich auf Flemmli zu zurennen, war damit verknüpft. Moment… es kam auf Sakura zu und das löste in dem Pokémon nicht gerade Begeisterung aus. Automatisch nahm es seine Angriffsposition ein und stieß ein leises warnendes Fauchen aus. Doch leider war Akarin nicht gerade sehr gut darin solche Botschaften zu verstehen und rannte deshalb weiter mit freudig ausgebreiteten Armen auf seine neue Freundin zu. Als es dem anderen Feuerpokémon jedoch um den Hals fallen wollte, wich dieses aus und so ging die Umarmung ins Leere.

„Glu?“, verwundert sah es das Feuerküken an, was in geduckter Haltung plötzlich neben ihm stand. Wollte es etwa spielen?

Auch Plinfa und Panflam interpretierten Flemmlis Verhalten ein wenig falsch und kamen freudig angerannt um beim Fangenspielen „Hallo“ zu sagen.

Flemmli fand es dagegen gar nicht lustig, als plötzlich auch noch zwei andere Pokémon angerast kamen. Im Normalfall hätte es einfach mit einem Angriff reagiert, aber irgendetwas hinderte es daran. Also kam dafür etwas anderes auf. Panik. Etwas was dem Feuerpokémon schon lange nicht mehr untergekommen war. Für einen Moment war Sakura etwas überfordert. Es wurde angegriffen und seine Trainerin machte keine Anstalten ihm einen Angriffsbefehl zu geben.

Taja hatte ihr Pokémon die ganze Zeit über im Auge behalten und es gefiel ihr überhaupt nicht, wie sich Sakura zunehmend verspannte. Vor allem bekam sie langsam ebenso Panik, weil die drei anderen Pokémon sich scheinbar überhaupt nicht von den ziemlich eindeutigen Warnsignalen beeindrucken ließen.

„Sakura,…“ Eigentlich hatte Taja vorgehabt ihr Pokémon noch mal zu beruhigen, aber das reagierte etwas vorschnell.

Als Selena, Kev und Akarin in geballter Ladung auf Sakura zugestürzt kamen, war es dem Pokémon zu viel. Bevor seine Trainerin den Pokéball hochreißen konnte, feuerte Flemmli schon eine Glutattacke auf seine drei vermeintlichen Angreifer ab. Die hatten natürlich überhaupt nicht damit gerechnet und rannten voll in den kleinen Feuerhagel herein.

Dann war Taja schneller und holte ihr Pokémon zurück, bevor es noch weitere Attacken von sich geben konnte. Sie hatte doch gewusst, dass es noch zu früh für ihr Pokémon gewesen war. Auch das Sedaruskraut war gegen drei quirlige und verspielte Pokémon machtlos. Und nun waren sie auch noch durch ihre Schuld verletzt worden.

‚Was bist du nur für eine miese Trainerin. Du hast Sakura gar nicht verdient.’, schollt ihre innere Stimme sie. Mit gesengtem Kopf stand die Schülerin da und brachte nur ein leises, aber verdammt schuldbewusstes: „Es tut mir leid, ich hab doch gesagt, wir sind keine gute Gesellschaft.“

„Ach mach dir keinen Kopf, ist doch nichts passiert.“ Entgegen Tajas Erwartung klang Paula überhaupt nicht sauer.

„Aber eure Pokémon sind verletzt!“, protestierte sie.

„Nicht so schlimm, schau sie dir doch mal an.“, fügte Manja in einem fast lachenden Tonfall hinzu.

Erst jetzt hob Flemmlis Trainerin wieder den Kopf und besah sich das, was ihr Pokémon angerichtet hatte. Die drei Schützlinge ihrer Begleiterinnen hatten zwar leicht verkohlte Stellen im Gesicht, aber anstatt heulend auf dem Boden zu liegen, kugelten sich die Drei vor Lachen, weil die Anderen mit dem Ruß im Gesicht einfach nur furchtbar witzig aussahen. Besonders Kev war große Klasse darin, mit schwarz verschmiertem Gesicht Grimassen zu schneiden. So hatten sie schon längst vergessen, dass es eben etwas weh getan hatte.

„Ihr seid nicht sauer?“, erkundigte sich Taja fassungslos.

„Warum denn? Unsere Pokémon haben ihren Spaß und es ist doch niemand ernsthaft verletzt worden. Außerdem war es doch ihre eigene Schuld, wenn sie gleich so auf dein Pokémon zustürmen.“ Auch Tifi zeigte nicht die geringste Spur von Verärgerung.

Taja hatte es allerdings immer noch nicht richtig verarbeitet, dass alle diesen Zwischenfall so locker nahmen und fand nur schwer zur Sprache zurück: „Ok, aber ich glaub ich lass Sakura trotzdem erstmal drin, damit sie sich erholen kann.“

„Klar, ist doch kein Thema, wir versuchen es später einfach noch mal. Jetzt sollten wir sowieso langsam mal weiter gehen, sonst finden wir überhaupt keine Pokémon mehr.“, merkte Paula lächelnd an.

„Kommt ihr drei Spaßvögel, putzt euch das Gesicht ab und dann geht es weiter.“, forderte Manja die Pokémon, die sich immer noch neckten, auf.

Nachdem sich die Kleinen wieder sauber gemacht hatten, ging es dann endlich mit ihrer Suche weiter. Taja hatte schon fast ein schlechtes Gewissen, dass sie die Anderen so lange aufgehalten hatte, aber das schien ihr niemand übel zu nehmen.

So wanderten sie alle friedlich durch den Wald und machten sich eifrig daran Ausschau nach Pokémon zu halten. Doch so richtig wollte sich Keins zeigen.

„Hm, vielleicht haben die anderen Schüler uns alle Pokémon schon weg geschnappt.“, vermutete Manja, nachdem sie nun schon eine dreiviertel Stunde unterwegs waren, ohne auch nur die kleinste Regung im Wald festzustellen. Nur der Wind ließ den Wald ab und zu säuseln, als wenn er ihnen zuflüstern wöllte, wo sich eines der Tierchen befand. Doch leider waren die Trainerinnen nicht sehr gut in Windisch und so blieben ihre Pokébälle vorerst leer.

„Das glaube ich allerdings kaum, die Populationszahlen der Pokémon im hiesigen Wald sind so hoch, dass wir mit den 300 Pokébällen der sich theoretisch derzeit im Wald befindlichen Trainer nicht weit kommen.“, verkündete Taja ernst, woraufhin sie ihre Klassenkameradinnen seltsam anguckten. Sie hatte wie immer nicht mitbekommen, dass das nur ein Scherz sein sollte.

„Na auch egal, Hauptsache es kommt dann irgendwann mal eins.“ Paula war zwar nicht so scharf auf eine Horde gefangener Pokémon, aber ihr war einfach langsam langweilig.

„Du brauchst dich ja nicht zu beschweren, du hast ja schon dein zweites Pokémon.“, gab Manja grinsend zurück.

„Ja stimmt, aber gegen mehr hätte ich nichts, es gibt da ein paar, die wären…“, wollte sie gerade erklären, als sie von Tajas Stimme unterbrochen wurde.

„Seid mal bitte still!“

Sofort blieben alle stehen und lauschten in die Wildnis.

„Also ich hör nichts. Lasst uns weiter gehen.“ Paula war nicht gerade die Geduldigste.

„Warte doch mal, ich glaub auch da ist was.“ Zumindest Tifi hatte genauer hingehört und auch ihr war das leise Geräusch aufgefallen, das nun scheinbar immer näher kam.

„Klingt es wie ein komisches ‚Ho’?“, wollte Manja nun wissen.

Tifi und Taja nickten beide nur, da sie sich auf den Ton konzentrierten.

„Gut, dann hör ich es auch.“

Nun war es nur noch an Paula die Ohren etwas mehr zu spitzen. Sie konzentrierte sich auf die scheinbar stille Umgebung und tatsächlich, da war etwas was sich sehr ungewöhnlich für einen Wald oder reines Pfeifen des Windes anhörte.

„Also ich glaube es kommt auf uns zu, oder?“

Wieder nickten ihre Klassenkameradinnen nur.

„Und ich glaube es kommt von oben.“, stellte Taja fest.

Automatisch richteten sich alle Blicke gen blauen Himmel. Einige Wölkchen schmückten das Bild. Doch plötzlich durchbrach etwas die blau-weiße Eintönigkeit. Ein schwarzer Fleck wurde sichtbar, sehr gut sichtbar sogar, denn er kam ziemlich schnell näher.

„Was ist das?“ Paula konnte den Punkt nicht identifizieren.

„Keine Ahnung.“, auch Taja sah momentan nicht mehr als einen dunkelbraunen Fleck, der ihr allerdings etwas Sorge bereitete, denn er kam wirklich genau auf die kleine Gruppe zu und wurde verdammt schnell größer, „Aber ich glaube wir sollten…“

Das „rübergehen“ kam schon nicht mehr an, denn plötzlich war das unbekannte Flugobjekt überraschend schnell heran und krachte mit einem lang gezogenen „Hooot“ zu Boden. Oder genauer gesagt zu Tifi, denn die Unglückliche stand genau in der Flugbahn.

„Tifi!“, riefen ihre Freundinnen erschrocken aus, als sie mitbekamen, dass sie getroffen war.

„Autsch.“, kam als Antwort aus der kleinen Staubwolke, die sich durch den Aufprall gebildet hatte.

„Alles ok?“ Die Frage hätten sich die Drei eigentlich sparen können, denn wenn man mit voller Wucht von einem Geschoss aus dem Himmel getroffen und zu Boden gerissen wurde, ging es einem bestimmt nicht besonders gut.

Tifi tat jedenfalls im ersten Moment alles weh. Besonders natürlich der Steiß, der sehr unsanft mit dem Erdboden zusammengestoßen war und ihr Bauch, in den sich das Flugobjekt gebohrte hatte. Mühvoll setzte sich das Mädchen auf und besah sich, das was sie eben von den Beinen geholt hatte. Zuerst war es einfach nur eine braune Kugel, doch nach einigen Sekunden bewegte sich das merkwürdige Ding etwas und schaute sie mit zwei großen, rot glühenden Augen an, die in einer merkwürdigen Gesichtsmaske lagen.

„Was ist das?“, wiederholte Paula ihre Frage, denn auch jetzt ergab dieses Pelzknäul keinen Sinn für sie.

„Das ist ein…“ Doch Taja kam nicht dazu, den Namen auszusprechen, denn das Ding stellte sich lieber selber vor.

„Hoothoot“, flötete es.

„Oh ein Pokémon!“ Erst jetzt erkannte die Trainerin in den pinken Sachen, dass das mysteriöse Flugobjekt kleine Flügel und Füße besaß.

Hoothoot, das Eulenpokémon. Es wechselt sein Standbein so schnell, dass man es nicht sieht. Jeden Tag ruft es zur selben Zeit.“ Manja holte sich gleich mal die nötigen Informationen aus dem Pokédex.

„Alles in Ordnung mit dir?“, erkundigte sich Tifi bei ihrem Fang, immerhin war der Vogel sicher nicht ohne Grund vom Himmel gefallen.

„Hoot. Ho.“, erklärte es ziemlich teilnahmslos und hüpfte dann ohne Umschweife aus Tifis rettender Umarmung.

„Na das ist aber freundlich.“ Paula konnte den Sarkasmus in ihrer Stimme nicht verbergen, denn zumindest ein kleines Dankeschön oder eine Entschuldigung, wenn es Tifi schon niederwalzte, hatte sie schon erwartet, auch wenn es ein Pokémon war.

Manja hatte Tifi inzwischen hoch geholfen. Ihr Rücken tat zwar immer noch ziemlich weh, aber zumindest stehen konnte sie.

„Ist schon gut, Hauptsache es hat sich nichts getan und mir ist ja auch nichts passiert.“ Tifi war nun mal ziemlich gutmütig und so machte sie sich nichts daraus keinen Dank zu erhalten.

Nur einer war die Sache gar nicht egal. Selena fand es überhaupt nicht lustig, dass ein anderes Pokémon seine Trainerin als Auffangkissen missbrauchte und dann einfach so davon spazierte. So eine Unverschämtheit wollte es dem komischen Federvieh nicht durchgehen lassen, also rannte es dem braunen Ding hinterher, stellte sich ihm herausfordernd in den Weg und plusterte sich auf, um seiner Empörung Ausdruck zu verleihen. Doch dem Hoothoot schien das völlig egal zu sein, es marschierte schnurstracks an Plinfa vorbei und tat nicht der gleichen.

„Plin, Plinfa!“ Das blaue Vogelpokémon konnte nicht fassen, dass das andere Pokémon es einfach ignorierte. Da es auch auf heftiges Gezeter nicht im Geringsten reagierte, reichte es dem Wasserpokémon. Selena hüpfte Hoothot hinterher und hackte einmal kräftig in dessen Schwanz. Doch anstatt sich umzudrehen, lief die Eule genauso regungslos weiter wie bisher.

„Also irgendwas ist komisch mit dem Hoothoot, das ist ja ganz apathisch.“ Tifi machte sich ein wenig Sorgen um das kleine Federvieh.

„Du hast recht, irgendwas stimmt nicht.“ Auch Manja kam das Verhalten des Pokémon seltsam vor.

Taja runzelte nachdenklich die Stirn: „Sag mal hatte das Hoothoot irgendwie rotglühende Augen?“

„Ja, sogar ziemlich intensiv rote, die waren ein bisschen unheimlich.“, bestätigte Tifi.

„Aber wenn ich mir das Bild im Pokédex so ansehe, hat es doch normal rote Augen.“ Manja verstand nicht recht worauf ihre Klassenkameradin hinauswollte.

„Ja, aber nicht glühend. Es könnte sein, dass es vielleicht hypnotisiert ist. Bei einer Hypnoseattacke seines anderen Pokémon kann so etwas passieren.“, vermutete Taja.

Die Vier sahen dem seltsamen Vogel hinterher, der immer noch keine Notiz von dem wütend umher springenden Plinfa nahm.

„Dann hat es keine Kontrolle über das, was es tut?“

„Scheint so. Es würde zumindest erklären, warum es überhaupt geflogen ist.“

„Tun das Vögel normalerweise nicht?“ Für Paula ergab das wenig Sinn.

„Das schon, nur hast du dir mal die Flügel angesehen? Sie sind ein wenig kurz und schmal um das Gewicht des Pokémon längere Zeit zu tragen. Vielleicht ist es vor Verwirrung los geflogen, dann haben es die Flügel nicht mehr tragen können und es ist runter gefallen.“ Taja konnte sich nicht vorstellen, wie das Pokémon sonst in die Luft gekommen sein sollte, denn dieser Typ hüpfte normalerweise durch die Gegend und flog eher selten.

„Hört sich logisch an.“ Den drei Anderen war die Theorie eingängig.

„Wenn es schon vom Himmel gefallen ist, was wird es wohl sonst noch für Blödsinn anstellen? Vielleicht tut es sich noch am Ende noch richtig weh.“ Tifi sah ziemlich besorgt aus.

„Stimmt, vielleicht sollten wir hinter ihm her.“, schlug Manja vor.

Doch als sich die Mädchen endlich einig waren, war das Objekt ihres Beschützerinstinktes allerdings bereits verschwunden.

„Verdammt wo ist es hin?“ Langsam ging Paula dieses Pokémon auf den Keks.

„Plin, Plin, Plinfa!“ Aufgeregt wedelte das kleine Wasserpokémon in einiger Entfernung mit den kurzen Ärmchen und deutete in eine Richtung.

Zum Glück war Plinfa dem verwirrten Vogel ein wenig gefolgt, also hatten sie eine Spur. Bevor sie die jedoch wieder verloren, nahmen die jungen Trainerinnen die Beine in die Hand. Hoothoot hatte jetzt anscheinend den Turbogang eingelegt, denn es war ziemlich schwer zu verfolgen. Eigentlich stand es sonst nur auf einem Bein, doch das hatte es nun wohl vergessen.

„Man ist das Teil schnell.“ Paula war es nicht gewohnt so zu sprinten.

„Macht wohl die Hypnose, aber wie halten wir es eigentlich auf, wenn wir es eingeholt haben?“ Manja dachte schon mal daran, wie es weiter ging.

„Fangen würd ich vorschlagen. Dann haben wir es unter Kontrolle und können es notfalls ins Pokémon Center schaffen.“

„Das ist eine gute Idee. Wenn niemand anderes möchte, würd ich es gern fangen.“, verkündete Tifi auf Tajas Vorschlag hin.

„Klar, du hast es ja schließlich auch gerettet.“ Paula hatte zwar nichts gegen Hoothoot, aber Tifi hatte für die seltsame Eule als Stoßdämpfer herhalten müssen, also sollte sie jetzt auch den Lohn bekommen.

Aber dazu mussten sie das Hoothoot erstmal kriegen.

„Na zum Glück rennt es immer nur gerade aus.“

„Naja, Glück würd ich das nicht nennen, da vorne steht ein Baum im Weg und so wie’s aussieht rennt das Teil gerade darauf zu.“, brachte Paula keuchend hervor.

„Dann sollten wir uns beeilen.“

Doch auch einen Zahn zulegen brachte nichts. Hoothoot raste völlig irre genau auf den Baum zu, an dem es wenige Sekunden später mit einem lauten ‚Klatsch’ zum Stehen kam. Oder wohl eher zum Liegen, denn es fiel augenblicklich benommen nach hinten und blieb dort bewegungslos liegen.

„Soweit zu ‚wie stoppen wir es’.“ Manja konnte sich ein leichtes Grinsen nicht verkneifen, denn die Szene hatte irgendwo doch sehr lustig ausgesehen.

„Armes Hoothoot.“ Als sie endlich zu dem Pokémon aufschlossen, kniete sich Tifi neben es und schaute nach Verletzungen. Eine leichte Beule zeichnete sich bereits auf der Stirn ab und es hatte die Augen leicht verdreht, aber ansonsten sah es ganz okay aus.

„Fang es lieber, solang es bewusstlos ist, sonst haut es am Ende noch wieder ab.“ Tifi beherzigte Paulas Rat und holte ihren Pokéball hervor. Nun würde es zumindest nicht mehr so schwer sein, die Eule zu fangen. Mit einem Kampf wäre es wahrscheinlich ohnehin nichts geworden, denn Plinfa kam gerade erst mit Panflam und Glumanda im Schlepptau angekeucht. Für die Pokémon mit ihren kurzen Beinen war der Sprint noch viel anstrengender gewesen und nun mussten sie sich erstmal fallen lassen, um wieder etwas zu Atem zu kommen.

Aber Hoothoot hatte sich ja schon selbst außer Gefecht gesetzt und so stieß der Pokéball auf keinen Widerstand, als es den Körper des Vogels traf. Trotzdem war Tifi ein wenig aufgeregt, als der Ball leicht hin und her wippte, immerhin war das gerade ihr erstes wildes Pokémon. Den kleinen Freudenschrei, als der rote Knopf mit einem ‚Blong’ weiß wurde, konnte sie auch nicht zurückhalten, aber es bestand ja eigentlich auch kein Grund dazu. Sie war stolz und durfte es auch sein, denn immerhin hatte sie für dieses Pokémon einen blauen Hintern, Bauchschmerzen und Muskelkater in Kauf genommen.

„Herzlichen Glückwunsch.“ Auch ihre drei Mitschülerinnen gratulierten ihr zum Fang.
 

Nun, da Hoothoot in Sicherheit war, beschlossen die Mädchen eine kleine Pause zu machen. Auch wenn ihnen die Zeit ein wenig davon lief, ein Pokémon hatten sie ja schon mal gefangen und damit war der Nachmittag bereits als Erfolg zu verbuchen. Da konnten sie sich eine kleine Entspannung gönnen. Ein paar Snacks hatten sie auch eingepackt und so wurde es auch noch ein ungeplantes Picknick.

Während sie so dasaßen, ihre belegten Brote verspeisten und quatschten, spannte sich Manja plötzlich und lauschte angestrengt: „Hört ihr das auch?“

‚Nicht schon wieder.’, schoss es Paula durch den Kopf, doch dieses Mal hörte auch sie das merkwürdige Geräusch gleich am Anfang.

Es war ein ziemlich lautes Rascheln, so als käme etwas ziemlich Großes durch das Gebüsch. Direkt auf sie zu. Die Mädchen verstummten, wechselten angespannte Blicke und hielten ihren immer noch plappernden Lieblingen den Mund zu. Die Blätter der dichten Büsche zu ihrer linken Seite zitterten nun schon leicht. Nervosität breitete sich unter den jungen Trainerinnen aus. Es hatte zwar gehießen, dass in diesem Gebiet alle Pokémon sehr friedliebend waren, aber so wie sich die Geräusche anhörten, kam etwas Gewaltiges auf sie zu. Sie waren zwar zu viert, aber ihre Schützlinge hatten sich noch nicht gänzlich wieder erholt, sodass sich Keine sicher war, es mit einem großen, wütenden Tier aufnehmen zu können.

Auch die Pokémon hatten nun erkannt, dass irgendetwas nicht stimmte. Instinktiv bauten sie sich schützend vor ihren Trainerinnen auf.

Tajas Hand glitt automatisch zu ihrem Pokéball. Wenn sie wirklich gegen ein großes Pokémon kämpfen mussten, so war Sakura wohl am besten dafür geeignet, da sie schon ein wenig Kampferfahrung zu haben schien und sicher auch bis zur völligen Erschöpfung kämpfen würde, egal wie unbesiegbar der Gegner auch aussah. Mit der Hilfe der Anderen gab es dann vielleicht die Chance den scheinbar übermächtigen Gegner zu besiegen, oder zumindest eine Möglichkeit zur Flucht zu schaffen.

Mit jeder Sekund wurde das Rascheln der Zweige immer stärker und ein seltsam krächzendes Geräusch kam hinzu.

Ein wenig sorgenvolle Erwartung zeichnete sich auf den Gesichtern der Trainerinnen ab.

„Vorsicht!“

Unter gefährlich knackenden Ästen und einer Woge aufwirbelten Blättern, brach ein Schatten aus dem Dickicht hervor und senkte sich über die vier Mädchen, die im ersten Moment erschrocken zusammen zuckten.

Doch der plötzlich angestiegene Adrenalinspiegel sank augenblicklich wieder, als sie erkannten, wer ihr vermeintlicher Angreifer war.

„Taubsi!“ Ein kleiner Vogel war mit viel Trara dem Gebüsch entglitten, setzte sich nun gemütlich auf einen Ast über den Schülerinnen und besah sie mit einem neugierigen Blick, als müsste es erst einmal die komischen Gestalten am Boden genau inspizieren.

„Ein Taubsi?!“ Paulas Ausruf war irgendetwas zwischen Erleichterung und Enttäuschung.

Sie fand Taubsis zwar toll, aber nach den ganzen bedrohlichen Vorankündigungen hatte sie schon was anderes erwartet.

„Das hat sich aber ganz schön in Szene gesetzt. Aber bloß gut, dass es doch nichts gefährliches war.“ Bei Tifi überwog die Erleichterung.

„Und nun?“ Nachdem sich die kleine zwischenzeitliche Aufregung gelegt hatte, wollte Manja wissen, wie es weiter gehen sollte.

Aber Paula hatte sich darüber schon Gedanken gemacht und wusste eine prompte Antwort: „Na fangen natürlich!“

Wenn sich Taubsi schon wie auf dem Präsentierteller vor sie hinsetzte, schrie das ja regelrecht nach einem Fang. Ohne Abzuwarten ob jemand anderer vielleicht Interesse an diesem Pokémon hatte, schnappte sich die junge Trainerin einen leeren Pokéball und warf ihn nach dem Vogel. Doch das braune Pokémon machte nur einen kleinen Hüpfer zur Seite und ließ das seltsame Wurfgeschoss ungerührt an sich vorbeiziehen.

„Ach Asche!“

„Paula, du musst Taubsi erst schwächen.“, erinnerte Taja ihre Freundin an den allgemeinen Fangablauf.

„Das weiß ich auch, aber soll ich Akarin etwa auf den Baum setzen?“ Paula wusste von vorn herein, dass es keinen Sinn machen würde Glumanda zu erklären, dass es mal schnell auf den Baum klettern sollte.

Tifi hatte allerdings einen besseren Vorschlag: „Versuch es doch herunter zulocken.“

„Und mit was bitte? Soll ich ‚Putt putt putt, komm doch runter Taubsi, ich will dich fangen’ rufen?“ Paula war inzwischen ein wenig gereizt, denn sie konnte es nicht leiden, dass ihr alle da gerade rein redeten und Taubsi in der Zwischenzeit die Kurve kratzen könnte.

Doch das Flugpokémon schien es sich auf seinem Ast gemütlich gemacht zu haben und beäugte das Spektakel unter sich mit großer Neugier. Besonders etwas zog den Blick des Kleinvogels wie magisch an.

„Sagt mal, hab ich einen Knick in der Optik, oder starrt das Taubsi die ganze Zeit auf Paulas Brötchen?“ Taja war aufgefallen, dass der sonst eher als scheu bekannte Vogel merkwürdig viel Interesse an ihnen zu haben schien.

Paula war die Einzige, die ihren Pausensnack noch nicht aufgegessen hatte, weil sie zwischendrin mehr geredet, als gekaut hatte und so hielt sie die Überreste immer noch in der Hand.

„Hm, kann sein. Na das lässt sich ja herausfinden.“ Wie ein Pendel ließ Paula ihren Arm und damit das Brot von einer Seite zur Anderen schwingen.

Wie hypnotisiert folgten die kleinen braunen Knopfaugen, sowie der Rest des Vogelkörpers der Backware.

„Na komm, kleines Taubsi, wenn du das Brötchen haben willst, muss du schon runter kommen. Komm schön runter, es lohnt sich auch. Das Brötchen ist total lecker“, lockte Paula und ließ ihren Snack in geringer Entfernung vor den Baum fallen.

Gespannt warteten alle auf die Reaktion des Kleinvogels. Einen Moment zögerte er noch, dann flatterte er fröhlich gurrend herunter und machte sich an der Zwischenmahlzeit zu schaffen.

Nun da das Objekt ihrer Begierde am Boden und abgelenkt war, hatte die junge Trainerin eine bessere Chance.

„Los, Akarin! Setz Kratzer gegen Taubsi ein.“, befahl Paula und wies auf den Vogel.

Glumanda sah sie einen Moment etwas fragend an, registrierte dann aber das seltsame Flatterding am Essen seiner Trainerin. Und plötzlich verstand es. Dieses blöde Vieh nahm seiner geliebten Paula ihr Essen weg! Das sie darüber ärgerlich war, war ja kein Wunder. So ging das nun wirklich nicht. Mit aufgeplusterter Brust stolzierte Akarin auf das Taubsi zu, um ihm mal gehörig die Meinung zu sagen. Das mit dem Angriff, war ihm beim Erfassen dieses komplizierten Sachverhalts gleich mal entfallen. Aber Akarin wusste instinktiv, was er zu tun hatte.

Mit einem empörten „Glu!“ packte es die andere Hälfte des Brötchens und begann daran zu ziehen, um es dem frechen Vogel wegzunehmen. Doch Taubsi dachte ja gar nicht daran, seine ihm auch noch angebotene Beute zu teilen, geschweige denn sie herzugeben. Also packte es mit dem Schnabel noch fester zu und wirkte Akarins Ziehen durch kräftiges Flügelschlagen entgegen.

„Nein Akarin, du sollst…“ Doch noch bevor Paula ihren Satz beendet hatte, gab das Backwerk nach. Beide Pokémon wurden in die entgegen gesetzte Richtung katapultiert. Taubsi fing das durch einen schnellen Flügelschlag ab, während Akarin gegen den Baum flog. Jammernd hielt er sich den runden Glumandakopf. Taubsi störte sich jedoch nicht daran und fraß in aller Ruhe weiter.

„Oh Akarin.“ Paula wäre am Liebsten zu ihrem kleinen Liebling gerannt und hätte die wachsende Beule an seinem Kopf weggepustet, doch damit hätte sie sicher auch Taubsi verscheucht und nachdem Akarin nun beim Versuch es zu fangen eine Verletzung davon getragen hatte, wollte sie es erst recht nicht entkommen lassen.

Also schnappte sich die entschlossene Schülerin einen neuen Pokéball und warf ihn, in der Hoffnung Taubsi würde nicht ausweichen, weil es zu sehr mit Futtern beschäftigt war. Tatsächlich bemerkte der kleine Vogel das herannahende Geschoss nicht. Doch kurz bevor der Ball endlich sein Ziel erreichte, prallte er überraschend an etwas Anderem ab. Mit einem lauten Klappern flogen plötzlich zwei Pokébälle davon, weit weg von Taubsi, das sich immer noch hingebungsvoll seinem erbeuteten Snack widmete

„Hey was…?“

„Was fällt dir ein mein Taubsi fangen zu wollen?!“, entrüstete sich eine Stimme ganz in der Nähe.

Die Mädchen sahen sich überrascht um, denn die Stimme war geradezu aus dem Nichts aufgetaucht. Das gefiel Paula gar nicht, besonders, weil sie der mysteriösen Stimme bereits eine Person zuordnen konnte und auf die hatte sie jetzt so gar keine Lust.

Plötzlich begann das Gebüsch zu ihrer Seite erneut heftig zu wackeln und unter Stöhnen, Ächzen und Knacken entblätterte sich die Gestalt eines jungen Mädchens aus dem Gebüsch, die auch den Anderen bekannt vorkam.

„Vivi!?“

„Genau! Und das da ist mein Taubsi, also Pfoten weg!“ Die Schülerin die heute ein rotes T-shirt trug, stemmte eine Hand in die Hüfte und zeigte demonstrativ auf den kleinen Vogel am Boden, der sich scheinbar aber überhaupt nicht angesprochen fühlte.

„Oh entschuldige, das wussten wir ja nicht. Da es frei flog, dachten wir es wäre wild und Paula könnte es fangen.“ Taja setzte lieber mal gleich eine Entschuldigung an, denn Paula hatte ihr Gesicht bereits zu einer mittelgroßen Sturmwolke geballt und würde sicher nicht dazu zu bewegen sein, bei ihrer Stellvertreterin um Vergebung zu bitten, und die friedliebende Schülerin wollte sich den Tag nicht durch einen Streit um die Besitzansprüche eines Pokémon verderben lassen.

„Wenn das dein Taubsi ist, warum hast du es dann eben nicht einfach in seinen Pokéball zurückgerufen, anstatt ihn zu werfen?“ Paula zog misstrauisch die linke Augenbraue nach oben. Etwas stimmte doch hier nicht, oder zumindest wollte sie, dass etwas nicht stimmte, denn sie mochte das kleine verfressene Taubsi jetzt schon und konnte sich einfach nicht vorstellen, es in den Händen ihrer Rivalin zu wissen.

„Ich, äh, das war ein Reflex.“, druckste Vivi ein wenig herum.

Für Paulas Geschmack ein wenig zu viel: „Gib’s zu, das ist nicht dein Taubsi, du gönnst es mir nur nicht. So wie den Posten der Klassensprecherin.“

Volltreffer für Paula! Man konnte deutlich sehen, wie sich Vivis Gesichtszüge verfinsterten. Nur mit Mühe konnte sie die leichte Wut in ihrer Stimme unterdrücken: „Es ist aber meins!“

„Beweis es doch einfach durch deinen Pokédexeintrag.“ Manja war es zu blöd dem aufkeimenden Zank zuzusehen.

Vivi zögerte: „Ich äh…“

„Ha! Du hast Taubsi doch gar nicht gefangen!“ Für Paula war dies eindeutig und so konnte sie nicht umhin ein triumphierendes Lächeln aufzusetzen, das auch einen Hauch von unüberhörbarem Spott beinhaltete, der ihrer Mitschülerin galt.

Die war nun ziemlich sauer und brüllte: „Na und? Aber ich hab es zuerst gesehen! Es ist mir nur weggeflogen.“

„Tja, dein Pech, nun schnapp ich es mir eben, wenn du dazu nicht in der Lage warst.“ Es schien Paula fast ein wenig Spaß zu machen, ihr das unter die Nase zu reiben.

„Aber ich habe es zuerst gesehen, deshalb hab ich auch das Anrecht! Wer zuerst kommt, malt zuerst!“, echauffierte sich das Mädchen mit den halblangen Haaren.

„Und wer’s findet, darf’s behalten!“ Paula war nicht gewillt auch nur einen Millimeter nachzugeben.

„Hey, beruhigt euch mal wieder, ihr verscheucht noch sämtliche Pokémon aus dem Wald und Taubsi ist auch gleich weg, wenn ihr so weiter streitet.“, versuchte Tifi die beiden Hitzköpfe, die sich wütend anblitzen, zu beschwichtigen.

Allerdings mit wenig Erfolg.

„Also ich verzichte nicht auf Taubsi!“, machte Paula noch einmal klar.

„Ich auch nicht!“ Auch Vivi blieb stur.

„Meine Güte, ihr seid ja wie zwei kleine Kinder, die sich um ein Spielzeug streiten. Klärt es doch einfach durch einen Kampf. Dann stehen wir nicht noch drei Stunden hier.“ Manja verdrehte genervt die Augen.

Die beiden jungen Trainerinnen funkelten sich noch einige Augenblicke böse an, dann verschränkte Vivi die Arme und zuckte mit den Schultern: „Von mir aus, dann hol ich es mir eben auf diesem Wege.“

„Das kannst du aber vergessen, ich werd dich platt machen!“ Damit war wohl auch Paula einverstanden.

„Na super, brauchen wir nur noch nen Schiedsrichter und dann ist der Zickenkrieg hoffentlich bald vorbei. Wer will sich zwischen die Beiden stellen?“, fragte Manja leicht grinsend ihre beiden Kameradinnen.

Tifi schaute gleich ganz erschrocken, denn so wie sich Paula und Vivi gerade anknurrten, würde wohl jeder, der sich zwischen sie stellte, zu Hackfleisch verarbeitet werden.

„Naja ich kann es versuchen. Ich kenn zumindest die Regeln, auch wenn ich das noch nie gemacht hab.“, gab Taja ziemlich kleinlaut von sich.

„Gut, dann ist Taja Schieri!“, legte Manja fest, da sie keine Lust hatte, auf eventuelle Einsprüche er beiden Streithähne zu warten, „dann lasst den Kampf beginnen!“
 

Nachdem Taja mit ihrer neuen Freundin und deren Konkurrentin noch die Modalitäten geklärt hatte, stand sie nun in der Mitte zwischen den beiden, sich feindselig anstarrenden Trainerinnen. Obwohl sie kein Interesse an Taubsi hatte, war Taja verdammt nervös, denn immerhin würden im Ernstfall ihre Entscheidungen bedeutend für die Zukunft des Kleinvogels und auch der beiden Mädchen sein. Sie hoffte nur inständig, dass sie sich die Handlungsweisen der Schiedsrichter bei den Pokémonkämpfen, die sie bisher gesehen hatte, gut gemerkt hatte und sie nun auch richtig anwendete.

Und was, wenn sie einen Fehler machte und Paula deswegen Taubsi nicht bekam? Sie würde doch sicher furchtbar sauer sein. Plötzlich schlichen sich mehr als kleine Zweifel, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war sich freiwillig zu melden, in ihr Bewusstsein. Am Liebsten hätte die Trainerin in den lila Sachen einen Rückzieher gemacht, doch alle sahen sie bereits erwartungsvoll an.

Also musste sie sich wohl oder übel zusammen reißen und einfach auf das Beste hoffen.

„Gut, dies ist ein Trainerkampf um Taubsi zwischen Paula und Vivi. Jede Trainerin darf ein Pokémon einsetzen. Diejenige, deren Pokémon nicht mehr weiterkämpfen kann, verliert und entsagt ihrer Fangabsichten bezüglich des Taubsi.“

Mit ernster Miene sah sie zu den beiden Mädchen: „Und, seid ihr bereit?“

Die Kontrahentinnen nickten nur angespannt. Paula war ja sonst ziemlich relaxt was Kämpfen anging und es machte ihr auch nichts aus, mal zu verlieren. Aber dieser Kampf war etwas anderes. Hier ging es um eines ihrer Lieblingspokémon und außerdem war dieser kleine Machtkampf schon fällig, seit sie das erste Mal aneinander geraten waren. Also war Paula wild entschlossen dieses Kräfteringen endlich für sich zu entscheiden.

Doch Vivi sah nicht weniger entschlossen aus. Auch ihr ging es wohl eher darum, diesem vorlauten Mädchen, was ihr nun schon zum wiederholten Male in die Quere gekommen war, einmal in ihre Schranken zu verweisen. Taubsi war ein guter Bonus.

„Gut, dann ist der Kampf hiermit eröffnet!“, ließ Taja verlauten und wünschte insgeheim Paula alles Gute. Auch wenn sie mit Sicherheit versuchte unparteiisch zu sein, sie hoffte doch inständig, dass ihre neue Freundin das Duell für sich entscheiden würde.

In der war inzwischen der Kampfeswillen aufgelodert und wurde zum Flächenbrand, der die Augen der Trainerin aufleuchten ließ, als sie ihr Pokémon auf das Feld schickte: „Akarin! Los geht’s! Zeigen wir es ihnen!“

Glumanda schaute zunächst ein bisschen verwirrt, denn es hatte sich ja gerade erst von seiner Konfrontation mit dem Baum erholt und der braune Vogel machte sich auch immer noch frech über das Essen seiner Trainerin her, nur schien die das gar nicht mehr zu kümmern. Aber was sollte es. Mit treuherzigem Blick dackelte das Feuerpokémon dorthin, wo seine Trainerin wies. Es verstand zwar nicht so richtig was los war, aber Paula würde schon wissen, was das sollte. So stand es da, sah sie mit großen Augen an und harrte der Dinge, die da kommen mögen.

Vivi hatte das Ganze beobachtet und hatte nur ein höhnisches Lächeln für ihre Gegnerin übrig. Taja wusste wieso die Schülersprechervertreterin sich so wenig beeindruckt gab, denn im Gegensatz zu ihren Mitschülerinnen hatte sie alle Kämpfe ihrer Klassenkameraden genaustens beobachtet und wusste, was für ein Gegner Akarin und Paula bevorstand. Ein leichter Kampf würde das sicher nicht werden.

„Melody komm raus!“ Auch Vivi entließ mit einem Lächeln auf den Lippen nun endlich ihren Partner, damit der Kampf beginnen konnte.

Ein roter Strahl ergoss sich aus ihrem Pokéball auf die Duellfläche. Alle hielten gespannt die Luft an, was sich nun daraus materialisieren würde, denn der klangvolle Spitzname verriet noch nichts.

Eigentlich war es Paula ja egal, was da aus Vivis Ball herauskam, es würde sowieso gleich wieder dahin verschwinden, wenn sie und Akarin es in den Boden gestampft hätten, doch als sich aus dem Rot langsam eine gelbliche Kugel heraus kristallisierte, musste sie doch ein klein wenig schlucken. Die Schülerin wusste zwar nicht mehr genau wie es hieß, aber irgendwie sah es aus wie ein fettgefüttertes Pikachu mit kurzen Ohren und Ziegelmuster auf dem Fell. Es war ein Bodentyp, soweit sie sich erinnerte und wenn Paulas Gedächtnis sie nicht ganz im Stich ließ, war Feuer gegen Boden nicht wirklich effektiv.

Mist, wo hatte Vivi nur schon so ein Pokémon her? Sie musste es wohl gerade erst gefangen haben. Vermutlich war ihr Starterpokémon ein Wassertyp und deshalb setze sie lieber das frisch Gefangene ein. Also konnte Paula Glück haben und es war noch nicht sehr fortgeschritten mit seinen Attacken. Akarin allerdings auch nicht, wie ihr mal eben wieder einfiel. Aber alles Grübeln brachte nichts, es war Zeit zu handeln!

„Akarin, los greif dieses Ding an mit Kratzer!“, befahl Paula und hoffte, dass sich Glumanda nicht seine Krallen an dem harten Pokémon abbrechen würde.

„Hey, Melody ist kein Ding! Es ist ein…“, empörte sich Vivi.

Sandan, das Mauspokémon. Es lebt in trockenen Regionen mit wenig Regen. Es rollt sich ein, um sich vor Gegnern zu schützen.“, ertönte es passend von der Seitenlinie.

Tifi hatten inzwischen ihren Pokédex herausgekramt und sich Paulas Gegner mal genauer angesehen. Dass es ein bisschen das Kampfgeschehen störte, merkte sie jetzt erst, errötete leicht und steckte den kleinen Computer wieder in die Tasche.

„Mir egal, los jetzt Akarin, Kratzer!“ Paula wiederholte ihren Befehl lieber noch mal, denn sie hatte manchmal den Eindruck, dass Akarin etwas unter Gedächtnisschwäche litt.

Auf ihren Ruf hin, sah sie Glumanda mit fragendem Blick und einem erstaunten „Glu?“ an, genau wie jedes Mal wenn sie versucht hatte ihn eine Attacke ausführen zu lassen. Innerlich musste Paula den Kopf schütteln. Warum begriff ihr Pokémon eigentlich nicht, was sie von ihm wollte? War sie etwa eine schlechte Trainerin? Doch sie wollte sich ihren innerlichen Seufzer nicht anmerken lassen, hob also entschlossen die Hand um, wie immer, ihrem Schützling noch mal vorzumachen, was sie meinte.

Akarin beobachtete die Verrenkungen seiner Trainerin neugierig, dann hellte sich seine Miene plötzlich auf. Ach so, es sollte dem gelben Ding die Hand zur Begrüßung geben, so wie es die Zweibeiner immer machten! Warum hatte sie das denn nicht gleich gesagt? Also wand sich die Feuerechse fröhlich um, um auf das seltsame Pokémon zuzugehen, doch das war längst nicht mehr an Ort und Stelle, denn es hatte seiner Trainerin Gehorsam geleistet, die den Augenblick des Zögerns für sich genutzt hatte.

Mit ziemlicher Geschwindigkeit war es heran und knallte mit der Schulter gegen Akarin, so heftig, dass sich die Feuerechse mehrmals überschlug und eine Schleifspur im Boden zurück ließ.

Au! Etwas benommen und mit zahlreichen Blessuren rappelte sich Glumanda wieder auf. Das war aber ein unhöflicher Zeitgenosse! Nun war Akarin ernstlich ein wenig verstimmt. Doch eine Sekunde später hellte sich seine Miene trotz Schmerzen wieder auf, denn ihm war noch eine Möglichkeit eingefallen. Vielleicht hatte der Gelbling ja doch nur Kuscheln gewollt, aber seine Kräfte überschätzt? Also verzieh das Feuerpokémon seinem Gegner augenblicklich und öffnete freudig die Arme, als Sandan erneut heran kam.

„Melody, los, Kratzfurie!“, gab Vivi den energischen Befehl. Dieses jämmerliche Glumanda war doch kein Gegner für sie.
 

Den Zuschauern war allerdings etwas anderes aufgefallen.

„Kratzfurie? Lernt Sandan die Attacke nicht erst auf einem höheren Level?“, hakte Manja bei Taja nach, die zwar den Kampf mit äußerster Konzentration verfolgte, dies dennoch mitbekam und mit einem Nicken quittierte.

„Tja, Melody und ich sind eben schon eine ganze Weile zusammen und wir haben reichlich Kampferfahrung. Ich sagte doch, du hast nicht die leiseste Chance.“ Nun war es Vivi, die sich ein spöttisches Lächeln nicht verkneifen konnte. Paula hatte ein bisschen zu große Töne gespuckt, ohne ihren Gegner zu kennen und nun würde sie den Preis für ihre Überheblichkeit zahlen müssen.

Die junge Trainerin wusste, wie schnell ihr Pokémon diese Mehrfachattacke ausführen konnte, da brauchte sie sich um einen Sieg keine Sorgen mehr machen, denn Glumanda war anscheinend nicht nur extrem begriffsstutzig, sondern auch noch ziemlich lahm.

Es ließ Sandan tatsächlich sehr nahe herankommen und strahlte dabei auch noch, als würde das Bodenpokémon Plüsch statt scharfer Krallen an den Pfoten haben.

„Akarin, Ausweichen!“ Paula fiel im Moment nichts Besseres ein, als ihr Pokémon erst einmal in die Defensive gehen zu lassen. So schnell, wie die Klauen näher kamen, hatte sie Glück, wenn Akarin nicht in den nächsten Sekunden wie ein Kratzbaum, der von einer Horde wilder Mauzis heimgesucht wurde, aussah.

Ausweichen? Hatte Akarin das richtig gehört. Hm, erst wollte seine Trainerin, dass es auf den gelben Kloß zu ging und nun plötzlich nicht mehr? Paulas Meinung war wohl so wechselhaft wie das Wetter. Aber gut, Glumanda beschloss seinem Menschen die Freude zu machen. Doch leider einen Moment zu spät, denn Sandas erster Schlag traf die kleine Feuerechse mitten auf die Wange.

Schon wieder Au! Warum musste der gelbe Zwerg denn immer so grob sein? Und was es mit dem ganzen Gefuchtel seiner Arme wollte, verstand Akarin auch nicht. Doch plötzlich traf ihn ein Geistesblitz.

Ja, nun machte alles Sinn! Das andere Pokémon wollte Hascher spielen, deswegen kam es ständig wieder angerannt und versuchte ihn abzuklapsen. Und Paula wollte, dass Akarin sich nicht fangen ließ. Na logisch! Da war Akarin natürlich dabei. Blitzschnell drehte es sich um und jagte fröhlich quietschend im Zickzackkurs davon, während Sandan etwas betröppelt drein schaute, weil seine Attacken ins Leere gingen.

„Hey, was soll das?“ Vivi war auf diese Art des Ausweichmanövers nicht vorbeireitet gewesen.

Das war aber auch eine ziemlich gute Frage, die sich gerade alle Anwesenden stellten, selbst Paula, die wirklich keine Ahnung hatte, was sich ihr Pokémon da gerade dachte. Doch das musste sie ja niemanden auf die Nase binden.

„Na Ausweichen, siehst du doch. Da ist dein Sandingsbums wohl zu langsam.“, erwiderte sie so selbstsicher sie konnte.

Sie hatte zwar keinen Plan was Akarin da gerade tat, aber solang es funktionierte…

„Sandingsbums?“ Nun war Vivi richtig wütend. Melody und sie waren nun schon seid einem Jahren unzertrennlich und niemand beleidigte ihr Pokémon!

„Melody, hinterher und Schlitzer!“ Sie wollte sowohl der frechen Trainerin, als auch ihrem seltsamen Pokémon gehörig die Leviten lesen.
 

Doch ganz so leicht wie gedacht, war das leider nicht, denn Akarin war für seine kurzen Beinchen ziemlich flott unterwegs und rannte jauchzend kreuz und quer über die Wiese, während das behäbigere Sandan ziemlich Probleme hatte mit dem Tempo mitzuhalten.

„Glu?“ Mit einem Male blieb Glumanda jedoch unvermittelt in der Nähe, wo Taubsi trotz des Getöses um es herum völlig vertieft im Zerlegen des Brötchens war, stehen, denn es hatte etwas Interessantes am Erdboden entdeckt und bückte sich, um es näher zu inspizieren.

Doch leider hatte es seinen Boxenstopp nicht angekündigt und ihn auch noch eingelegt, als Melody schon ziemlich nah heran war und so konnte das Bodenpokémon nicht mehr bremsen und knallte gegen Glumandas in die Luft gerecktes Hinterteil. Beide Pokémon wurden durch den Aufprall ein Stück weggeschleudert. Während Sandan auf seinem Allerwertesten landete, pflückte Glumanda ein wenig Gras mit der Schnauze, konnte sich aber ziemlich schnell wieder aufrappeln, denn seine Neugier war stärker als der beißende Schmerz um sein Maul herum.

Vivi wurde dieses Griffeltheater langsam leid. Dieses Pokémon kämpfte nicht, es machte sich und seine Gegner einfach nur lächerlich und das wollte sie Melody nun wirklich ersparen.

„Melody, mach es endlich fertig mit Turbodreher !“ Es sollte Sandans finale Attacke werden.

Ihr Pokémon sprang motiviert wieder auf die Beine und setze zu einem gewaltigen, schrägen Sprung an, um seinen Gegner mit der vollen Power seiner Eigendrehung zu Boden zu schicken. Doch gerade als Sandan am höchsten Punkt war, bückte sich Glumanda. Der Schlag ging nicht nur ins Leere, sondern verringerte ohne Körperkontakt auch nicht Sandans Schwung, sodass das Pokémon über die Feuerechse hinweg segelte und mit einem lauten Rumms frontal gegen den Baum krachte.

„Nein! Melody! Steh wieder auf, ich weiß das kannst du!“ Etwas Panik durchflutete Vivi, als sie zusehen musste, wie ihr Liebling eine unangenehme Kuschelstunde mit der Baumrinde hatte. Sandans leicht benebelter Blick und das Schwanken machten ihr etwas Sorge, doch sie wusste, dass Melody noch nicht an ihre Grenzen gekommen war, also setzte sie zu einem weiteren Befehl an.

Doch die Trainerin kam gar nicht erst dazu ihn auszusprechen. Akarin hatte nur gemerkt, dass ein Schatten plötzlich über ihm gewesen war, als es sich nach dem Stück Brötchen, das es erst beim Tauziehen mit Taubsi abgerissen hatte, gebückt hatte. Nun kam es wieder hoch und drehte sich verwundert um. Und zwar so, dass sein feuriger Schwanz mit viel Schwung genau in Sandans Gesicht landete.

„San! Sandan!“ Ob es die Hitze der Feuerspitze oder einfach nur die Wucht war, die Melody aufschreien ließ, wusste Vivi nicht, doch langsam reichte es ihr.

„Glu?“ Akarin schaute sich verwirrt und mit einer absoluten Unschuldsmiene um.

„Hey, super, Rutenschlag!“ Paula war dagegen sehr glücklich, denn ihr Pokémon hatte endlich mal eine vernünftige Attacke ausgeführt, auch wenn sie gar nicht vorgehabt hatte diese einzusetzen und es die auch eigentlich gar nicht beherrschen sollte. Aber ihr kleiner Liebling war eben immer für eine Überraschung gut. Vielleicht klappte jetzt wenigstens auch der Kratzer.

„Setz Kratzer ein, Akarin!“, befahl Paula optimistisch.

Doch sie hatte ihre Rechnung ohne ihre Gegnerin gemacht.

„Einigler!“ Vivi dachte gar nicht daran, diesem komischen Vieh am Ende noch eine richtige Attacke durchgehen zu lassen.

Melody war zwar nicht ernstlich verletzt, aber doch ein wenig benommen.

Den Befehl verstand es dennoch richtig und kugelte sich sofort zusammen um dem Gegner keine Angriffsfläche zu bieten. Diese Verteidigung konnte niemand durchbrechen.

Niemand, außer vielleicht einem kleinen verspielten Glumanda.

Als Akarin den leuchtend gelben Ball sah, der sich vor seinen Augen zusammenballte, war der Befehl seiner Trainerin völlig vergessen. Es hatte nur noch ein Bedürfnis: Ball spielen!

Mit strahlenden Augen und einem freudigen Quietscher, der den Umstehenden fast das Trommelfell wegpustete, stürzte sich die Feuereidechse auf das runde Etwas und stieß es so kräftig an, dass es durch das Gras rollte. Mit verzückten Lauten rollte Glumanda den lebenden Ball immer weiter vor sich hin.

„Was zum Teufel macht dein beklopptes Pokémon da?“ Vivi war es mittlerweile irgendwo zwischen Heulen und Ausflippen zu Mute. Dieses Feuervieh ging dermaßen respektlos mit ihrem Sandan um, das war echt eine bodenlose Frechheit!

Paula sah allerdings selber ziemlich verblüfft aus. Damit hatte auch sie nicht gerechnet. Aber solange es Akarin Spaß machte und Vivi am Angreifen hinderte, warum sollte ihr Kleiner diese übergroße Murmel nicht eine Weile durch die Gegend schieben?

„Was kann ich denn dafür, dass dein Pokémon aussieht wie eine zu groß geratene Bowlingkugel?“ Paula gab sich gelassen und fand es langsam auch recht amüsant, wie Glumanda den Gegner mit leuchtenden Augen und einer unaussprechlichen Freude vor sich her schubste.

„Bowlingkugel? Nimm das zurück!“ Vivi war nun echt fast am Überschäumen.

Ihre Gegnerin blieb dagegen ruhig, zuckte nur mit den Schultern und bemerkte dann lächelnd: „Na gut, vielleicht doch eher wie eine überreife Wassermelone.“

„DU…!“ Mehr brachte Vivi nicht mehr raus, denn nun hatte sie echt Mühe die Beherrschung nicht zu verlieren.

Doch bevor sich auch noch die beiden Trainerinnen in einen echten Kampf stürzten, schritt Taja lieber ein, zwar mit zaghafter Stimme, dennoch erreichte sie die Aufmerksamkeit der Feindinnen, denn was sie zu verkünden hatte, interessierte beide.

„Ehm, Leute, eure Pokémon sind weg.“

„Was?“, entfuhr es ihnen zeitgleich.

Ein wenig erschrocken fuhr Taja zusammen, da die Beiden diese Frage doch ziemlich heftig und in ihre Richtung gewandt hatten.

„Naja, ich glaub sie sind da hinten. Den Abhang runter.“ Es war schwierig gewesen Pokémon und Trainerinnen im Auge zu behalten.

Da aber Beiden daran gelegen war, ihre Schützlinge wieder zu haben, rissen sie sich einen Moment zusammen und gingen, ohne sich in die Haare zu bekommen, mit den Anderen zu einem leicht steilen Abhang.
 

Am Fuße der Neigung saß Glumanda auf einem ausgestreckt liegenden Sandan mit verdrehten Augen. Akarin machte eine enttäuschte Schnute und stupste die gelbe Sitzgelegenheit immer wieder an. Das Spiel war für seinen Geschmack viel zu schnell vorbei gewesen. Wer hatte denn bitte ahnen können, dass es nach dem lustigen Herunterkullern von dem Hang aufklappen und plötzlich liegen bleiben würde?

„Dein Vieh hat Melody nicht da runter geschubst!?“ Vivi war echt außer sich.

„Sieht ganz so aus.“ Ihre Kontrahentin konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. Es sah einfach zu lustig aus, wie Akarin da unten auf Sandan thronte.

Vivi überhörte das mal ganz bewusst, denn ihre Sorge galt jetzt eher ihrer Freundin.

Taja war schon unten angekommen, hatte Akarin von Sandan heruntergeholt und sich das Pokémon angesehen.

„Ich glaub es ist nichts Ernstes.“, beruhigte sie Vivi, der ein ziemlicher Stein vom Herzen fiel, „Aber es ist verwirrt und kann nicht mehr weiterkämpfen. Paula hat also gewonnen.“

Auch wenn Taja die ganze Zeit den Kampf mit einer Mischung aus Spannung und Unglauben verfolgt hatte, war sie nie wirklich der Meinung gewesen, eingreifen zu müssen. Doch nun war der Kampf ganz offensichtlich beendet und sie musste ihres Amtes walten. Diese Nachricht wurde von Vivi allerdings weniger gut aufgenommen.

„WAS!? Melody komm wieder hoch!“ Vivi kniete niedre und versuchte ihr Pokémon leicht wach zu rütteln, doch es schien von seiner Umwelt nicht mehr viel mitzubekommen, „Aber das darf doch nicht wahr sein! Melody kann doch nicht von so einem Schwächling besiegt worden sein!“

„Von wegen Schwächling! Akarin hat eben seine Stärken auf andere Art und Weise.“ Paula wollte sich die Freude über ihren Sieg nicht nehmen lassen.

„Aber es hat keine einzige offiziell zugelassene Attacke verwendet!“, beschwerte sich die aufgebrachte Verliererin bei Taja.

„Naja, aber das war auch kein richtig offizieller Kampf, Akarin hat gegen keine Regel verstoßen und Sandan ist nicht mehr kampffähig, also ist es wohl eindeutig sein Sieg, wenn auch ein bisschen Ungewöhnlicher.“, versuchte diese ruhig zu erklären.

Vivi war zwar echt sauer über den Verlauf und Ausgang des Kampfes, aber sie wusste, dass ihre Mitschülerin Recht hatte. Paula hatte gewonnen, wenn auch mit unmöglichen Methoden, aber nicht durch unfaire Mittel. Diese Gewissheit war zwar bitter wie Galle und dennoch musste sie sie schlucken. Die Sorge um ihr Pokémon ließ sie das etwas beiseite legen. Vorsichtig streichelte sie über Melodys Kopf und ließ sie sanft wissen: „Das hast du super gemacht.“

Dann holte sie das vom Herumkugeln völlig benebelte Sandan in seinen Pokéball zurück, wo sich Melody ein bisschen erholen konnte.

„Hey, nun mach nicht so ein Gesicht. Ich fand den Kampf lustig.“ Paula freute sich zwar tierisch darüber, Vivi eins ausgewischt zu haben, doch es war genug der Schadenfreude und so hielt sie ihr versöhnlich die Hand hin.

Vivi sah die einen Moment an wie etwas ziemlich Ekliges, wollte dann aber auch nicht einen auf schlechten Verlierer machen. So viel Würde war ihr immerhin noch geblieben. Also schüttelte sie zumindest halbherzig die Hand ihrer Gegnerin, ließ sich aber nicht aufhelfen.
 

„So, dann kann ich ja jetzt endlich Taubsi fangen gehen.“, freudig hüpfte Paula zu Akarin um es eine Runde zu knuddeln, sodass es seine schlechte Laune wegen des unterbrochenen Spiels sofort wieder vergaß. Gemeinsam gingen sie zügigen Schrittes zu ihrem Ursprungsort zurück.

„Ich hoffe es ist überhaupt noch da.“, flüsterte Tifi Manja verschwörerisch zu.

Während des Kampfes hatten die Beiden immer abwechselnd einen Blick auf den gemütlich speisenden Vogel geworfen, doch für ein paar Minuten war er nun unbeobachtet gewesen.

Und wie, als wären ihre Worte ein böses Omen gewesen, schrie Paula, die einen Schritt zügiger gegangen war, um sich Taubsi endlich zu fangen, plötzlich auf.

Natürlich beschleunigten die Anderen nun auch ihre Schritte.

„Was ist denn los?“ Manja vermutete schon Schlimmes.

Paula sah ganz leidvoll auf eine Stelle, die mittlerweile bis auf ein paar Krümel leer war und jammerte: „Taubsi ist weg!“

Ihre Freundinnen sahen sich etwas betreten an, da Keine daran gedacht hatte weiter Taubsiwache zu spielen und genau das hatte das kleine Pokémon genutzt, um sich nach einem reichlichen Mahl wieder auf seine Flügel zu schwingen. Die ganze Aktion mit dem Kampf war also völlig sinnlos gewesen.

„Oh nein, Taubsi!“ Paula war echt enttäuscht.

„Kopf hoch, vielleicht ist es ja noch nicht weit geflogen. Nach dem ganzen Brötchen, muss es sicher bald erstmal verdauen und eine Verschnaufpause einlegen und wenn wir es suchen, holen wir es sicher noch ein.“ Taja versuchte ihre Kameradin aufzumuntern. Zwar glaubte sie selbst nicht wirklich, dass sie in so einem großen Wald die Spur eines kleinen Vogels wieder finden würden, aber Paula sah so unendlich traurig aus, dass sie es gar nicht mit ansehen konnte.

Und es schien zu wirken, denn deren Miene hellte sich tatsächlich wieder etwas auf.

„Ok, suchen wir es. Taubsi! Taubsi, wo bist du?“ Augenblicklich begann Paula nach ihrem verschwundenen Beinahepokémon zu rufen.
 

„Meinst du das hier?“, ertönte plötzlich eine Stimme, die den Mädchen eine eiskalte Gänsehaut über die Haut laufen ließ.

Eine Gestalt schälte sich aus dem Schatten des Waldes, lehnte sich lässig an den großen Baum, der heute schon drei Pokémonköpfe an seiner Rinde hatte ertragen müssen, und setzte ein überhebliches Lächeln auf die schmalen Lippen, während er einen Pokéball mit einer Hand spielend immer wieder in die Höhe warf.

„Leroy!“ Die Aussprache dieses Namens, der ihr in mehr als unangenehmer Erinnerung geblieben war, wurde mehr zum Knurren, als es Paula eigentlich vorgehabt hatte.

„Du kannst auch Besitzer eines Taubsis zu mir sagen, wenn dir mein Name nicht gefällt.“ Der Hohn in seiner Stimme war nicht zu überhören.

„Das heißt, du hast dir Taubsi einfach so gefangen?“, hakte Vivi verärgert nach.

„Ganz genau. Ich konnte euer Kindertheater nicht mehr länger mit ansehen und da habe ich mich erbarmt und dieses Vieh davor bewahrt von einer Stümperin gefangen zu werden.“ Das Lächeln des Jungen mit den silbrig glänzenden Haaren wurde immer bösartiger.

„Das heißt also, du hast uns beobachtet?“ Manja gefiel die Aussage des Schülers der A -Klasse überhaupt nicht.

„Nun ja, nicht freiwillig, glaubt es mir. Aber es war ungefähr so wie bei einem Autounfall, so schrecklich, dass man gar nicht wegsehen konnte.“ Ein spöttisches Lachen folgte.

Am Liebsten hätte Paula ihm an den Kopf geworfen, dass er nur mal in den Spiegel sehen musste, wenn er etwas Schreckliches sehen wollte, doch ihr war jetzt etwas anderes wichtiger: „Gib mir Taubsi wieder!“

Leroy fixierte Paula mit einem eiskalten Blick und stieß sich vom Baum ab, um sich herausfordernd mit verschränkten Armen ihr gegenüber zu stellen: „Warum sollte ich?“

„Weil ich den Kampf um Taubsi gewonnen hab! Ich habe es viel eher gesehen!“ Auch wenn das jetzt nicht gerade die schlagfertigsten Argumente waren, mehr hatte sie gerade nicht auf Lager.

Gespielt amüsiert lachte der Junge auf: „Na und? Ich war schneller. Und auch wenn ich dieses schwächliche Vieh eigentlich nicht gebrauchen kann, sehe ich nicht ein, es dir unfähigen Trainerin zu überlassen.“

„Dann fordere ich dich eben zu einem Kampf heraus!“ Paula sah langsam keine andere Möglichkeit mehr an ihr Taubsi heranzukommen.

„Paula, meinst du wirklich das ist eine gute Idee?“, raunte Taja ihr zu.

Die Trainerin schätzte Akarin mittlerweile als zu verausgabt ein, um noch einen Kampf durchzuhalten und Raupy… nun ja, der Käfer war im Allgemeinen nicht der Stärkste.

Doch der verzweifelte Blick von Paula veranlasste sie ihre Vorbehalte nicht auszusprechen.

„Gegen dich kämpfen? Warum sollte ich mir an solchem Gesindel die Finger schmutzig machen? Ich habe das Federvieh gefangen und es gehört nun rechtmäßig mir.“ Ein gehässiges Grinsen huschte dem Schüler über die Lippen, als er sich einfach umdrehte und ging.

„Warte, du Feigling!“ Paula war so aufgebracht, dass sie diesem miesen Typen sofort hinterher und ihn aufhalten wollte, doch als sie den ersten Schritt nach vorn gemacht hatte, tauchten plötzlich drei weitere Gestalten zwischen den Bäumen auf und die waren zum Großteil von massiger Statur. Natürlich, Leroy durfte wie die Anderen ja nur mit einer Gruppe gehen und er hatte, ebenso logisch, seine schmierigen Kumpanen um sich versammelt. Zwar hatte Paula eigentlich keine Angst davor sich mit ihnen anzulegen, auch wenn zwei davon wirklich wie Bilderbuchschlägertypen aussahen, doch im letzten Moment fiel ihr ein, dass sie nicht allein war. Sicher konnten die anderen Mädchen den Typen auch eine auf die Nase hauen, aber es war zahlenmäßig ausgeglichen und sie wollte ihre Klassenkameradinnen nicht unnötig in Gefahr bringen, also hielt sie ihre Wut im Zaum. Auch die Hände von Taja und Manja, die plötzlich auf ihren Schultern ruhten, um sie notfalls fest zu halten, verdeutlichten dem Mädchen, dass sie es besser nicht auf eine gewaltsame Konfrontation ankommen lassen sollte.

Also entließ sich nur die angehaltene Luft schnaufend und versuchte sich etwas zu entspannen.

Leroy spazierte im Schutze seiner Bodyguards gemütlich davon, blieb allerdings nach einigen Metern stehen und drehte sich noch einmal um: „Ich glaube ich weiß jetzt, wie mir dieses unwürdige Ding doch noch von Nutzen sein kann. Mein Kissen braucht mal wieder eine neue Federfüllung.“

Sein fieses Lachen ging den Mädchen durch Mark und Bein und ließ darauf schließen, dass er seine Bemerkung durchaus ernst gemeint hatte.

Nun war es gut, dass ihre Mitschülerinnen Paula griffbereit hatten, denn die war nach dieser Ungeheuerlichkeit kaum noch zu halten.

„Paula, beruhig dich! Das bringt doch nichts!“ Auch Manja hätte dem Kiefernorthopäden dieses kleinen Rotzlöffels am liebsten eine Menge Arbeit verschafft, aber sie wusste, dass sie unter diesen Umständen weder eine Chance hatten, noch im Recht waren.

„Aber, aber… Taubsi!“ Paula standen mittlerweile Tränen der Verzweiflung in den Augen. Sie war so nah dran gewesen eines ihrer Lieblingspokémon zu fangen und vor allem hatte sie den kleinen Vielfraß schon in ihr Herz geschlossen gehabt, hatte um ihn gekämpft, doch nun war er in den Händen dieses Widerlings, der was wusste sie schon was mit dem armen Vogel anstellen konnte. Das war doch einfach nicht fair!

„Ich weiß, aber Paula, er hat Taubsi auf legalem Wege gefangen. Wir können nichts tun. Wir haben ja auch keine Beweise, dass er ihm etwas antun wird.“ Taja litt angesichts der himmelschreienden Ungerechtigkeit mit Paula und vor allem Taubsi mit. Sie nahm wirklich sehr ungern jemandem die Hoffnung, doch sie war in diesem Fall einfach realistisch.

„Aber…“

„Sie hat Recht, das führt zu nichts.“ Bitterkeit lag auch in Vivis Stimme. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt und musste sich arg beherrschen, aber es war einfach aussichtslos.

Paula sah ihre Mitschülerin, mit der sie sich eben noch um den braunen Vogel gestritten hatte, an und als sich ihre Blicke trafen, wurden beide von einer Erkenntnis übermannt, die ihnen tiefe Trauer ins Herz pflanzte und fast zum Weinen brachte.

Taubsi wäre jetzt nicht einem anderen, skrupellosen Trainer schutzlos ausgeliefert, wenn eine von ihnen verzichtet hätte. Doch so hatten sie mit ihrem Streit und Egoismus das Schicksal dieses kleinen Pokémon besiegelt und das würde vermutlich elend aussehen.



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Von: abgemeldet
2010-07-14T20:00:17+00:00 14.07.2010 22:00
das war mal wieder ein kapitel, echt klasse^^
vorallem der sportunterricht^^ mit voltobal, find ich klasse XD
und dem etwas was die baby-pokis angegriffen hat, möcht ich gerne in den allerwertesten tretten -,-
aber ansonsten, echt toll geschrieben^^
Von: abgemeldet
2010-07-12T17:06:03+00:00 12.07.2010 19:06
uuiiii, cool^^
aber so einen dämlichen lehrer möchte ich nicht haben, der kann ja nur rummuffel... der sollt prof. muffel heißen....
und dan der spannensten stelle hörst du natürlich auf... aber ich hab schon so ne vermutung, was mit glumi sein könnte... na ich lass mich überraschen, ob meine vernutung stimmt...
ich werd mal weiter lesen^^
Von: abgemeldet
2010-07-12T17:00:28+00:00 12.07.2010 19:00
ganz große klasse^^
ich find echt toll wie flemmli zu taja gekommen ist. *feuerpoki's toll find*
und paul bzw. ihr glumi macht den gegner bestimmt platt *glumi toll sein^^*
gut ich werd mal weiter lesen... also bis gleich im 6.Kapitel^^
Von: abgemeldet
2010-07-12T00:12:43+00:00 12.07.2010 02:12
bin doch noch nicht schlafen gegangen und hab dafür das nächte kapi gelesen^^
den lehrer find ich ja mal klasse^^
und der satz: 'unser lehrer der seinen text vergessen hat' find ich zum schreien komisch XD
echt toll geschrieben, aber klein zucca wird jetzt trotzdem ins bett gehen... und diesmal wirklich^^
freu mich schon darauf wie es weiter geht :)
Von: abgemeldet
2010-07-11T23:32:56+00:00 12.07.2010 01:32
und wieder ein sehr schöne kapitel^^
das flemmli find ich cool, hoffe es freundet sich bald mit taja an.
und glumanda hat angst vor spritzen... da hat er was gemeinsam mit mir^^ ich hasse spritzen auch... aber naja, was muss, das muss...
sehr sehr schön geschrieben^^
so, klein zucca geht vielleicht jetzt ins bett... mal schauen, müde bin ich ja noch nicht...
Von: abgemeldet
2010-07-11T22:33:52+00:00 12.07.2010 00:33
toll toll toll^^
echt klasse, wie paula die professorin und den vizedirektor zur schnecke macht^^
hast du echt toll geschrieben^^
werd glei weiter lesen... ist ja noch zu früh um ins bett zugehen^^
Von: abgemeldet
2010-07-10T22:36:35+00:00 11.07.2010 00:36
sehr sehr toll geschrieben^^ (geiles deutsch, was?)
werd glei mal bissl weiter lesen, bis jetzt ist es echt klasse.

PS: hoffe du bist ni böse das mein kommi ni so lang ist wie die anderen^^ ist auch schon spät... oder doch früh??? ^^
Von:  tifi
2009-11-12T19:42:19+00:00 12.11.2009 20:42
Eins vornweg: das ist wirklich nen etram langes kapitel (und hast du schon mal geschaut wie lang die gesci schon ist?? Auf word comi sans ms 10 sind das schon über 200seiten!!!!) aber verdammt gut und interessant!!!!


Sie haben sich endlich kennengelernt, auch wenn es mehr ein versehen der verschlafenen paula war *grins*
Ich kann mir da schon was bildlich vorstellen: paula stolpert immer in etwas rein und taja steht dahinter und erläuter oder hilft mit ihrem wissen *schmunzel*
Sehr gutes zeichen, wenn paulas geplapper taja nicht stört ^^
War iregndwie klar das paula taja was in den mund stopfen würde, wenn sie sagt das sie noch nichts gegessen hat XDDD
Paula ist so süß!!! Ich kann mir richtig das glitzern in den augen vorstellen, wenn nicky das erzählen würde, während sie die zapdos geschichte umdichtet
Was steht jetzt einer poteziellen freundschaft noch entgegen, wenn sich sogar flemmlie knuddel lässt? *total süß vorstell* <33
Das nenn ich doch mal ein wohlig, mühsames erlebnis ^_____^
Für das abhauen und die doofe frage von taja wird man mit dem letzten satz sehr gut entschuldigt – bin gespannt was ihr zwei chaotinnen noch so anstellt *grins*

weiter weiter weiter!!!!! >____<
aber erst arbeit schreiben ;P
Von:  tifi
2009-10-25T17:02:08+00:00 25.10.2009 18:02
Jetzt hat sie das raupy!!!!! *__________________________*

Ich mag diese furie von frau madame bella auch nicht ò.ó

Ich find’s toll und bin gespannt wie’s weiter geht vor allem was der professor sich für paula ausgedacht hat und wie sich der zwist noch weiter entwickelt, was der schulleiter dazu sagt ^^

Und ich find orange viel passender als so ein blödes grün an glumanda ô.o
Gllllllllllluuuuu? ^-^



ps.:
Also stell euch doch mit eurem Begleiter jeweils einzeln auf die Bühne und führt uns eine Attacke vor.
-> stell

Ein knurriges „Na vielen Dank auch.“
-> da nicht auch diese einfachen Anführungszeichen? Weiter oben hattest du für gedanken, ja auch diese einfachen =)

„Hey, was machst du denn hier?“, richtete sie sich flüsternd an das kleine Raupy, dass da kopfüber von der Decke hing.
-> .., welches da … -> das
Von:  -Nicky-
2009-08-17T19:19:40+00:00 17.08.2009 21:19
>> Nach der vierten Seite gab Paula genervt auf.

verständlicherweise ~.~ so viel text...

>> aus ihrem Rucksack und lud Raupy wieder darin ein.

ja *_* der muss doch überall hin mit

>> , die sich über ein freilaufendes Pokémon aufregen konnten.

find das affig -.- glumandas gehören nicht in den pokeball...

>> sie damit massiv gegen die Schulregeln verstieß, war ihr in dem Moment nicht klar.

oh man XD.... hilfe...

>>„Ok, machen wir erst mal eine kleine Pause.“

noch nicht mal angefangen und nach pause schreien oo na das hab ich gern XD

>> Paula war von der Szenerie völlig perplex. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Und die Überraschung nahm noch zu, als sie begriff, dass sie die Person, die sich da unten gegen ein Feuerküken zur Wehr setzte, sogar kannte.

TAMDAM *_* ENDLICH!!!

>> "Alles in Ordnung bei dir?“, erkundigte sich Taja bei der Schülerin, die sich gerade wieder aufrappelte.

is die frage ernst gemeint XDD?

>> „Kannst du vielleicht meinen Rucksack nehmen, ehm...“ Paula ließ den Satz bewusst offen, weil sie hoffte das Mädchen würde merken, dass sie ihren Namen gar nicht kannte.

XD... ja... den trick verwend ich ständig XDD

>> Das kleine Glumanda wuselte vorweg und erkundete pflichtbewusst den Boden, damit seine Trainerin auch ja nicht über etwas stolperte.

Sweet +_+

>>Da Taja damit zu tun hatte, mit Paula das Gleichgewicht nicht zu verlieren, war ihr der selbsternannte Bodeninspektor eine große Hilfe.

akarin der bodeninspektor XDDDDDD....... *bildlich aka mit lupe vorstell* XD

>> „Wow!“ Dem sonst so redseligen Mädchen hatte es die Sprache verschlagen.

asche ist das schön *_*

>> „Von meiner Mutter. Sie ist etwas übervorsichtig und hat mich gleich mal mit einem Jahresvorrat eingedeckt.“, erklärte Taja den Besitz des Mittels.

manchmal ist es gut so ne mutter zu haben XDD

>> „Na ja, ne Eiszeit, nen Hurricane oder ne Alieninvasion würde ich damit sicher nicht überstehen, aber für ein paar Gelegenheiten bin ich schon ausgerüstet.“, versuchte Taja abzuschwächen.

ne sinflut auch nicht XDD

>> Doch sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn Paula hatte ihr mal eben einfach so eine Schnitte in den Mund gestopft. Taja machte darüber so eine verdutze Miene, dass ihr Gegenüber unwillkürlich wieder anfingen musste zu lachen.

schön AAA sagen XDDD hier kommt das tauboss XDD

>> und zum Schluss besiegt das Glurak Zapdos natürlich und ist der Herrscher des Himmels!“, berichtete Paula mit glänzenden Augen.

genau *_* GLURAK!!!! *fahne wedel*

>> Auch wenn es chronologisch kreuz und quer ging, hörte Taja fasziniert zu. Normalerweise hätte sie bei einem solchen Redefluss nach ein paar Sätzen abgeschaltet, aber bei Paula hatte sie das Gefühl auch noch unendliche Stunden weiter zuhören zu können, ohne, dass es langweilig wurde.

XD... arg... irgegendwann weiß paula nix mehr zu erzählen XD dann wird es taja auch langweilig XDD

>>„Asche!“, fluchte sie leise.

MEH ;_; ich hab mein handy nur einmal verloren... das is kein dauerzustand bei mir ><

>> „Ich hab meinen auf dem Schreibtisch liegen gelassen. Kann ich vielleicht deinen mal kurz benutzen?“, erkundigte sich die Vergessliche hoffnungsvoll bei ihrer Kameradin.

XD... okay... gut das teil is doch noch da

>> „Ich versteh nicht, wieso sich so ein nettes und tolles Mädchen wie du, ständig von der Klasse abgrenzt?“

paula ist echt direkt XD.... so schlimm wirklich XD?


>> Das konnte doch auch gar nicht real sein.

man muss taja mal in den hintertreten oder ihre ohren durchpusten damit das auch wirklihc bei ihr ankommt XDD

>> Die sah sie wieder völlig perplex an: „Wie? Jetzt und hier?“

ne erst in einem jahr XDD oder was? na klar hier und jetzt! XD

>> Sakura sprang schnell wieder auf, brachte sich hinter den Beinen seiner Trainerin in Sicherheit und lugte nur argwöhnisch dahinter vor. Dieses Ding mit dem Feuerschwanz war ihr ein wenig zu suspekt.

*lachanfall hat* XDDDDDDDDDDDDDD

>>„Das ist nicht irgendein Golbat, es trägt einen roten Schal und gehört deshalb zum Vermisstensuchtrupp

>< nein sie werden vermisst ><

>> Etwas verdutzt sah Paula Taja an. Das war natürlich auch eine Version und bis auf Kleinigkeiten noch nicht einmal gelogen, aber wesentlich vorteilhafter für sie.

arg XD.... taja bringt sich in schwierigkeiten damit wenn das wer mal rausfinden ><... aber im moment XD war das echt lieb



so und nun ne schlussbemerkung *_* ENDLICH BEI KAPITEL SONSTWIEVIEL TREFFEN SIE ZUSAMMEN *_*
JETZT KANNS RICHTIG LOS GEHEN *_*




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