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Die Kinder des Mondes

der zweite Schatten
von

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Das Mädchen für alles

Nachdem Mirabell das Wasser der Waschschüssel ausgetauscht und den Nachttopf geleert hatte, zog sie das Bettbezug wie jeden Tag ab und fluchte leise vor sich hin, wie man das immer wieder hinbekam so ein Saustall zu hinterlassen. Davon abgesehen wurde sie schon seit den frühen Morgenstunden vom Pech verfolgt.

Es fing mit den ersten Blick zwischen den dunklen Fensterläden in ihrer kleinen Kammer an. Das schwache Licht der Dämmerung wies Mirabell drauf hin, dass sie schon längst wach sein sollte, um den Holzherd an zu heizten, bevor die Köchin anfing das Essen zuzubereiten.

Entsetzt von dieser Tatsache richtete sie sich kerzengerade auf und schwang ihre Beine vom warmen Bett auf den kalten Holzboden. Hastig zog Mirabell mehr schlecht als recht die Tracht an, die ihr Dolores, eine schlanke in Jahre gekommene Frau mit grauen Strähnen im Haar und einem weißem Pony, zu Beginn der Arbeitsstelle als Bedienstete von einem nicht alt so großen Anwesen, ausgehändigt hatte. Diese Arbeitskleidung bekam hier jede Angestellte ausgehändigt.

Ein schlichtes rostrotes, bodenlanges Kleid mit einer grauen Schürze und dazu das passende Häubchen in grau mit roten Versatz, welches sie aufsetzte. Während Mirabell auf den Gang raus und die Treppen runter eilte, band sie sich mit einem schwarzen Band ihre kupferroten Haare zu einem festen Knoten zusammen.

In der Küche angekommen blickten das Mädchen verwirrte Gesichter an und hielten dabei mit ihrer Arbeit inne. Eine stämmige Dame saß am großen Arbeitstisch, in der einen Hand hielt sie eine halb geschälte Kartoffel, in der anderen ein Küchenmesser. Weitere ungeschälte Kartoffeln lagen auf der Arbeitsplatte zu einem kleinen Berg aufgestappelt. Hinter ihr trug die Küchenmagd die schweren Wassereimer, für den übergroßen Topf, von draußen hinein. Das Feuer im Herd loderte schon kräftig.

»Mirabell, was ist los? Fängt dein Dienst nicht erst später an?«, brach Hannae die unangenehme Stille.

Mirabell errötete. Hatte sie die Wochentage tatsächlich verwechselt!?

Mütterlich lächelte Hannae zu ihr rüber, als sie Mirabells Reaktion auf ihre Frage bemerkte. Ihre haselnussbraunen Augen betrachteten das zerstreute Mädchen dabei mitfühlend an. »Wenn du schon mal hier bist, kannst du mir beim Kartoffelschälen helfen.« Dabei zeigte sie mit den kleinen Messer auf den zu bewältigten Kartoffelansammlung.

Da Mirabell schon wach war, konnte sie auch gleich mithelfen, schließlich war sie Hannae zu großem Dank verpflichtet. Hannae war hier in diesem Haushalt die zuständige Köchin. Zu ihr und den anderen Bedientesten war Hannae immer sehr nett gewesen und berücksichtigte, wenn es einem nicht so gut ging. Mirabell nahm ein Messer vom Block und setzte sich neben Hannae hin.

Sie mochte diese Frau mit ihren offenen, runden Gesicht und den hellen braunen Augen, vom ersten Augenblick an. Verträumt dachte Mirabell an die Zeit, wie sie hier angestellt wurde. Als sie verzweifelt auf der Suche nach einer Arbeitsstelle war, begegnete sie auf der Händlerstraße zufällig Hannae, als die Köchin Lebensmittel einkaufen war und weil Mirabell ihr so großherzig half, ohne was dafür zu verlangen, nahm Hannae sie mit auf dieses Anwesen.

Zu Mirabells Überraschung, war in diesem Haushalt der Beruf des Haushofmeisters, dass eigentlich nur das männliche Geschlecht ausübte, von einer Frau besetzt gewesen. Die allerdings nicht weniger streng, als ihre männlichen Mitstreiter war.

Tief in Gedanken versunken rutschte Mirabell bei der letzten Kartoffel mit den Messer aus und schnitt sich tief in den Daumen. Als die Köchin den Schnitt erblickte, befreite sie Mirabell von ihrer Pflicht und schickte sie gleich zum auswaschen der Wunde an eine Schüssel mit frischem Wasser. Währenddessen wurde die Küchenmagd von Hannae angehalten einen Leinenstreifen zu holen, um die stark blutende Wunde ordentlich zu verbinden.
 

Der Schnitt schmerzte selbst nach Stunden immer noch sehr stark, es half aber nichts: Mirabell musste ihre zugetragenen Aufgaben erledigen. Denn dafür wurde sie schließlich bezahlt und die Bezahlung war für eine Frau ungewöhnlich gut. Wo anders würde sie mehr für die Hälfte des Geldes vollbringen müssen.

Auch wenn das Bett des Herren eine Zumutung war. Nicht selten fand sie in dem Schlafgemach des jungen Herren Dinge, zumeist Kleidungsstücke von den Damen, die ihn letzte Nacht besucht hatten. Wo Mirabell sich ständig fragte, wie man das tragen konnte, ohne sich dabei komplett lächerlich zu machen. Der Herr bekam, für einen wohlhabenden Adligen, sehr viele Damenbesuche und am Ende musste sie die Überbleibsel seiner Liebeleien beseitigen. Dabei war es in den höheren Kreisen selbst in der modernen Großstadt Kaily verrucht gewesen, sich mit so vielen Frauen auf einmal einzulassen.

Die Magd warf die gebrauchte Bettwäsche in den großen, mitgebrachten Korb, um sie später in den Wachraum zu bringen. Dort warf Mirabell auch alle vergessende Kleidungsstücke hinein, mit der Hoffnung, dass sich Jannys, die Stubenmagd darum kümmern würde, die Sachen an die Eigentümerinnen weiter zu reichen. Gleichzeitig fiel ihr ernüchternd ein, dass sie heute mit den Wäschewaschen dran war. Vielleicht sollte sie die Dinge auch einfach wegschmeißen oder doch lieber unter die Sachen des Hausherren mischen?

Ein Luftzug wehte durch das große, offene Fenster und brachte kalte Luft mit sich. Der Herbst war auf dem Höhepunkt, nach den tagelangen Regnen und den grauen Wolken, schien die sehnsüchtige Sonne endlich wieder auf Kaily herab.

Mirabell blickte hoch und streckte sich, nach dem sie mit dem beziehen des großen Himmelbettes fertig war. Bevor sie die grüne Tagesdecke gekonnt über die Matraze warf und die anfallenden Falten glatt strich. Die schweren, schwarzen Samtvorhänge, waren immer zu gezogen, wenn sie das Schlafgemach des Herren betrat. Durch den dichten Samt verirrte sich kein Lichtstrahl in das Gemach und Mirabell musste aufpassen, dass sie auf nichts trat oder über etwas stolperte, wenn sie sich in die Richtung der Fenster durcharbeitete.

Mit der Zeit entwickelte Mirabell eine Routine beim aufräumen, an der sie sich stets hielt. Sie entfernte die Kerzenstummel und setzte neue ein. Wischte mit den Staubwedel über die kleinen Nachtschränkchen aus Eichenholz. Legte die Bögen und Schriftrollen auf den Sekräter ordentlich zurecht. Fegte den großen, grünen Teppich. der ebenfalls das Wappentier trug, vor dem Bett und wischte den dunklen, verzierten Boden aus Mosaiksteinchen. Nach dem Mirabell fertig war, schloss sie wieder die Fenster, zündete die mitgebrachten Räucherstäbchen an, der einen angenehmen Duft ausströmte und hob den schwer gewordenen Korb mit beiden Händen an. Sie warf zuletzt einen kurzen Blick in das Zimmer.

Das Gemach war nicht in den üblichen Stil aus Kaily eingerichtet worden, als die übrigen Zimmer. Der Putz wurde von den Wänden entfernt und entblößte glatte, helle Steine. Wo in den anderen Zimmern und sogar im Flur der Fußboden mit teuren, guten Holz und Binsen ausgelegt waren, prunkte hier nur der kalte Steinboden. Die Holzmöbel waren nicht, wie Mirabell es von hier kannte, mit bunten Blumen oder Tieren angemalt. Schlicht waren die dadurch keineswegs. In dem dunklen Holz der Möbel prangten die feinsten Schnitzereien, die Mirabell je gesehen hatte. Fasziniert von dieser meisterlichen Handarbeit, besah Mirabell sich jedes mal die kleinen Kunstwerke, als sie in den ersten Wochen anfing in diesem Haus zu arbeiten.

Das ungewöhnlichste in diesem Gemach waren die Stoffbahnen, die von den beigefarbenen Steinwänden herabhingen, in den Grünton von Tannen, die im langen Bogen über die Decke auf der anderen Seite des Zimmers endeten und mit den Wappen die eine weiße Ratte zeigte zierten. Links und rechts daneben verliefen weitere dünne, schwarze Bahnen, die das satte grün hervorhoben.

Nachdem Mirabell sich vergewissert hatte, dass alles zu ihrer Zufriedenheit war, verließ sie das Gemach wieder. Bis zum nächsten Morgen, wo die ganze Prozedur von neuen begann.

Es war gerade Mittag und die Gerüche der zubereiteten Mahlzeit, schwebte vom Erdgeschoss durch die Korridore in das erste Obergeschoss. Lautes Bauchknurren erklang und erinnerte Mirabell daran, dass sie heute nicht viel zu sich genommen hatte.

Mit einer Hand streichelte sie über den Bauch, um das unangenehme Gefühl in der Magengegend zu lindern, dabei stieß sie leicht mit jemanden zusammen, mit einer leisen Entschuldigung und einer kleinen Verbeugung, hastete sie ohne aufzusehen weiter zu den großen Treppen ins Erdgeschoss.

Der Mann blickte dem Mädchen erstaunt hinterher, die langen, schwarzen Haare glitten dabei in sein Gesicht. Er sah nur noch den roten Haarknoten unter der grauen Haube und den schlanken Rücken. Ein Grinsen huschte über seine Lippen.

Den Rotschopf kannte er noch gar nicht, hatte sie nicht ein paar Sommersprossen im Gesicht!?, dachte er entzückt in sich hinein.

Der schlanke Mann schlenderte auf das Schlafzimmer zu, wo Mirabell gerade heraus trat. Er machte die Tür weit auf und nahm ein tiefen Zug von dem angenehmen Duft, dass aus dem Zimmer ihm entgegen kam.
 

In der Küche saßen schon die Köchin mit den anderen beiden Mägden und dem Kammerherr, Seff und löffelten ausgiebig die warme Suppe. Es fehlte nur noch die Haushofmeisterin, dann wären alle Bedienstete anwesend gewesen, die in der Villa arbeiteten. Da das Anwesend für seine Verhältnisse recht klein war, genügten eine Hand voll Leute, um die Villa beim laufen zu halten.

Dolores saß selten bei ihnen am Tisch, was Mirabell als nicht alt so tragisch empfand. Mirabell genehmigte sich selber eine Schale und setzte sich neben Hannae. Die weiblichen Angestellten waren dabei in einem hitzigen Gespräch verwickelt gewesen. »Ich glaube nicht, dass er da hin geht. Was soll er da, wenn er alle Frauen bekommt, die er will,« warf Hannae ein.

In der Küche gehörte Tratsch zur täglichen Tagesordnung. Seff verleibte sich seine Mahlzeit schweigend ein, er hatte so wie Mirabell dafür nichts übrig.

»Wirklich! Ich kenne jemanden, die mir erzählt hat, ihn dort gesehen zu haben«, bezeugte die Küchenmagd, die auf den Namen Ilianda hörte. Dabei klopfte Ilianda, um ihre Behauptung zu unterstreichen, mit den Holzlöffel auf dem grob gezimmerten Tisch.

»Nein, dafür ist er sich viel zu schade«, konterte das Stubenmädchen mit fester Stimme. Mirabell schätzte sie etwa drei Winter älter ein, als sie selber war.

»Na, sag ich doch«, nahm Hannae wieder das Zepter in die Hand.

Hungrig nahm Mirabell die dampfende Suppe zu sich und hörte nur mit einem halben Ohr den anderen zu. Die Mägde spielten sich immer wieder die Bälle zu, letzten Endes würden sie nicht auf einen Nenner kommen. Das war noch nie passiert. »Was meinst du, Mirabell?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Was für eine Bedeutung haben die farbigen Lampions?« Die Bediensteten sahen Mirabell mit großen Augen an.

»Welche Lampions?«, fragte Ilianda verdutzt zurück.

Mirabell sah sie perplex an. »Na die, die an den Türen hängen. Jedes Haus hat Lampion draußen hängen, in jeweils einer Farbe. Rote, weiße und gelbe. Das sind doch die Farben von unserer Stadt Kaily, oder!?« Keiner gab ihr eine Antwort auf ihre rein geschmissene Frage und es kehrte rasch Stille ein. »Hab ich was falsches gesagt?« Verlegen sah Mirabell die anderen an.

»Warst du schon mal da?«, fragte Hannae besorgt. Sie beute sich zu ihr vor und sah sie mit wissenden Blick an.

»Nein, habt ihr gerade nicht davon geredet?«, fragte Mirabell eingeschüchtert. Sie machte sich so klein wie möglich und löffelte ihre Suppe dabei weiter, ohne auf die anderen zu achten. Es war Mirabell schon immer leidig gewesen im Mittelpunkt zu stehen, die vielen Blicke machten sie stets nervös.

»Nicht wirklich...«, antworte Hannae. »Woher weißt du von den Lampions?«

»Ach, ich hab es wohl von irgendwoher aufgeschnappt«, log Mirabell und starrte weiter auf ihre Suppe hinab. Die drei Frauen sahen dabei zu Mirabell, wie sie mit roten Kopf ihre Mahlzeit zu sich nahm.

»Hast du etwas Milch für mich, Hannae?«, wechselte Seff rasch das Thema, um Mirabell peinliche Lage ein Ende zu setzen.

»Du willst doch nicht wieder dieser streunenden Katze was geben? Dolores sieht es nicht gerne, wenn ich dir unsere Lebensmittel für das Tier gebe. Sie belehrt mich deswegen schon die ganze Zeit. Und sie hat mich mittlerweile so weit gebracht, dass ich dir für die Katze keine Milch mehr geben werde. Also falls du dem Tier was geben willst, weißt du wo die Vorradkammer ist und frag mich nicht ständig, ob du was für die Katze haben kannst.«

Mirabell horchte auf. Sie wusste nicht, dass dieser Haushalt auch eine Katze beinhaltete. In den wenigen Wochen, wo sie hier schon lebte, war ihr der Vierbeiner kein einziges mal zu Gesicht gekommen.

In Seffs sonnengegerbten, faltigen Gesicht bildete sich ein verschwörerisches Grinsen. »Ja, das versucht sie auch ständig bei mir, zum Glück ist sie nicht meine Herrin, somit hat sie mir nichts zu sagen. Wir müssen - bei den Göttern - nicht auf unsere Vorräte achten. Dolores mag nur keine Schmarotzer, das ist alles. Davon abgesehen hat mir Lord Seraphin erlaubt die Katze zu behalten, da kann selbst unsere korrekte Dolores nicht dagegen wettern.«

»So viel ich weiß, ist es den Lord egal, ob die Katze da ist oder nicht. Man hört und sieht eh nichts von ihr«, korrigierte Hannae ihn.
 

Nach dem deftigen Essen fingen Mirabell zwei Stunden Pause an. Sie tauschte die Kleidung gegen ein langes, hochgeschlossenes, schwarzes Kleid, damit die gute Arbeitskleidung draußen kein Schaden erlitt oder schmutzig wurde, darüber warf sie ihren abgetragenen Umhang, ebenso in schwarz, über die schmalen Schultern. Das Häubchen wurde gegen ihr schlichtes, schwarzes Barett ersetzt. Der Haarknoten öffnete sich und die rote Mähne fiel bis zu der Hüfte, wo sie sich am Ende leicht wellten.

Ihre Arbeitsstelle lag mitten in der Hauptstadt Kaily, wo auch der Kaiser seine Residenz besaß. Auf den schönen, weitläufigen Land Edooar. Die Stadt verdankte seinen Reichtum durch den hiesigen Hafen. Der breite Fluss Flioza entsprang aus der nördlichen Gegend von Edooar durchquert das grüne Tal, verbindet sich dort mit drei weiteren Flussläufen, bevor der Fluss schließlich ins Meer gelangt. So war es für die Fuhrleute möglich gewesen ihre Güter mit den Schiff schneller ins Landinnere zu befördern.

Die heutige Großstadt war vor siebenhundert Jahren nicht mehr als ein Landsitz gewesen, die der damalige Kaiser auf einer größeren Halbinsel in der Flioza erbauen ließ. Geschützt von dem fließenden Wasser war die Burg leicht zu verteidigen, nachdem man die schmale Verbindung zum Festland ebenfalls durch eine stabile Mauer gesichert hatte, die mit der Zeit immer höher und dicker wurde.

Durch den großen Fluss, der ins angrenzende Meer führte, wurde bald darauf auf der Halbinsel ein Steg errichtet, um die Vorräte für die Burg schneller und sicherer transportieren zu können. Was auch viele Händler als Zwischenstation nutzen, um Schutz vor Stürmen und hohem Seegang aufzusuchen. In laufe der Jahre siedelten sich um die hohen, dicken Mauern der Festung herum geschäftstüchtige Leute mit ihren Familien an, die Profit darin witterten, den Reisenden Essen, Schlafplätze, Unterhaltung und andere Bedürfnisse anzubieten.

Damals wurde um der kleinen entstandenen Stadt eine Holzpalisade errichtet, um sich von Plünderungen zu schützen, die des Nachts mit Boten auftauchten. Die schäbig wirkte in Gegensatz zu den stabilen Steinmauer der Burg.

Dank der Lage der Halbinsel war ein Angriff aus dem Landinneren auf die Stadt nur von einer schmalen Seite aus möglich gewesen. Und dank der weiten, ebenen Landschaft, war es möglich gewesen, aus einen Höheren Punkt aus, weit in das Land zu blicken. Aus diesem Grunde wurden später neben der schmalen Verbindung zur Halbinsel zwei hohe Wehrtürme erbaut, jeweils einer in Richtung Osten und Westen. Sowie ein Wehrturm, der sich in der Mitte des Flusses befand, auf der Spitze der schmalen Landzunge, die die Insel in die Länge zog und dadurch eine natürliche Bucht bildete, wo der Strom ruhiger war und die Schiffe ankern konnten.

Der letztere wurde dazu genutzt, um die Schiffe beim Nebel, oder schlechtem Wetter in die Bucht führen zu können, damit die nicht gegen die Felsen Schiffsbruch erleiden mussten. Als Vorwartungsmaßnahme, wurden auf jeden der Türme ein Scheiterhaufen aufgestellt, die bei Gefahr entfacht werden und damit die anderen warnen sollte.

Zu Mirabells Lebzeiten war die Großstadt überfüllt und die Straßen waren am Tage voller Menschenmassen. Die dort lebenden Menschen bauten die Halbinsel immer weiter aus, bis sie von den eingerahmten Mauern, der mittlerweile um die Insel herum führte, gestoppt wurden und sich zusammendrängen mussten.

Zielstrebig ging Mirabell zum Taubenweg, denn sie seit vier Wochen fast jeden Tag bewältigte, dabei musste sie gehörig aufpassen, um andere Passanten nicht anzurempeln.

Ebenso wich sie auf den Straßen den Händlern mit den Bauchläden aus, die ihr sinnlosen Krempel andrehen wollten. Andere kamen aus Mirabell zu und wollten ihre Zukunft Prophezeien. Seit einigen Jahren sprießten diese Hellseher aus den Boden, wie Pilze und immer mehr Leute wanden sich an sie, wenn sie nicht weiter wussten.

Doch Mirabell wurde schon in der Kindheit eingeschärft, dass diese Hellseher nur Scharlatane waren und man sich mit ihnen nicht einlassen sollte. Es sei den: man wollte eine Beule am Hinterkopf und weniger Geld in den Taschen haben. Diese Wahrsagerei hatte nichts mit den Sechsen zu tun gehabt und somit waren sie auch nicht göttergefällig gewesen.

Nach einer halben Stunde Fußmarsch hielten ihre Füße vor einem alten Gebäude an, der dringend wieder ein Anstrich benötigte. Auf dem verwitterten Schild über den Eingang konnte man nur die Worte erahnen, die da zu stehen waren. Bevor sie die Stufe erklomm und in das Haus eintrat, holte Mirabell noch einmal tief Luft.

Eine freundliche Frauenstimme begrüßte sie, als Mirabell eintrat. Mirabell grüßte leise zurück und blickte zu Sentie, die hinter ihren Arbeitstisch saß. Ihr Mann war der Doktor dieses kleinen Heilerhauses und leitete es alleine.

»Ich bin gekommen, um mein Bruder zu besuchen.« Sentie winkte sie weiter und richtete ihren Blick erneut auf den Stapel Schriftrollen, die zum Teil ausgebreitet auf dem Schreibtisch lagen. Im ersten Stock, blieb Mirabell an der letzten Tür zur rechten stehen und klopfte an.

Gedämpft hörte Mirabell ein heiseres »Herein.« Sie öffnete die Tür. Das spärlich eingerichtete, enge Zimmer besaß vier Betten, wovon drei besetzt waren. »Ach, die kleine Eileen. Besuchst du wieder dein Bruder?« Ein dürrer, alter Mann strahlte sie freundlich an und richtete sich auf, um sie besser sehen zu können. Er trug ein altes ungefärbtes Nachthemd, was an den Ärmel ausfranste und Flecken aufwies. »Ich würde mich freuen, wenn meine Kinder mich auch so oft besuchen würden, wie du deinen Bruder.«

Mirabell lächelte verlegen zurück. »Sei nicht zu streng mit ihnen, sie haben bestimmt viel zu tun, schließlich arbeiten sie dafür, damit du hier wieder gesund wirst.« Sie ärgerte sich, da sie seinen Namen vergaß. Den er ihr genant hatte, als er wegen seines gebrochen Beines, vor einer Woche, hier hergebracht worden war und sie sich zum ersten mal begegneten. Doch ihre gute Erziehung gestattete nicht, ein zweites mal nach seinen Namen zu fragen.

Bedächtig ging sie, an der schlafenden Frau vorbei, auf der linken Seite, zum Fenster hin. Sie streifte den schweren Umhang ab, legte ihn behutsam auf das Bettende und setzte sich auf den einzigen Besucherstuhl, der dort stand wo sie ihn gestern zu Letzt hingestellt hatte, neben das Krankenbett.

»Hallo Abralin, hast du dich seit meinem letzten Besuch gut ausgeruht? Wie ich sehe, hat Sentie dich heute gewaschen und rasiert? Du strahlst förmlich.« Liebevoll schaute Mirabell auf den Mann herab. Seine kastanienbraune Haare lagen regungslos wie Spinnweben auf dem Kopfkissen, auch die schienen geschnitten worden zu sein.

Sanft strich sie über seinem Kopf und glitt weiter die Wange entlang. Abralin sah aus, als ob er sich nur kurz hingelegt hätte und jeden Moment aufwachen würde. Wären da nicht seine eingefallenen Wangen und die mager gewordenen Arme gewesen. Mit den Tränen kämpfend holte das Mädchen ein Buch hervor, das in der kleinen Holztruhe neben dem Bett lag und schlug die Seite auf wo ein Stück Stoff dazwischen geklemmte.

»Liest du wieder aus dem Märchenbuch?« Interessiert blickte der alte Mann zu ihr hinüber. Seit dem Mirabell den Raum betrat, hatte er sie sorgsam beobachtet.

»Ja, als ich noch klein war, hat er mir immer vor dem Schafen gehen, was daraus vorgelesen.« Die Buchstaben fingen an zu verschwimmen und ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Doch Mirabell zwang die Trauer herunter, sie wollte stark bleiben und für Arbalin sorgen, so lang er das nicht für sich tun konnte. Die viel zu kurzen Momente mit ihm, wollte sie nicht heulend vor seinem Bett verbringen. Später, wenn sie niemand sah, war dafür noch genug Zeit.

Nach einem kurzem räuspern, fing sie an vorzulesen. Darauf lehnte sich der alte Mann gegen das Bettgestell aus Holz und schloss die Augen, um von der sanften, Leserstimme vorgetragen zu werden.

Die Geschichte handelte von zwei verbrüderten Füchsen, die Kleidung trugen und gemeinsam das Abenteuer gegen den alten, grimmigen Bären bestanden. Die Geschichte endete gut, alle Geschichten in diesem Buch hatten ein gutes Ende. Und sie betete zu Istaa, dass ihre Geschichte auch ein gutes Ende haben würde.

Als Mirabell die Kurzgeschichte beendete, schlief der Mann bereits tief und fest, mit einem Kuss auf Abralins Stirn verließ sie den Raum, ihr blieb nicht mehr viel Zeit bis die Pause beende war.

Auf den engen Flur im Obergeschoss begegnete Mirabell noch Doktor Lemar, der sie um ein kurzes Gespräch bat. »Deinem Bruder geht es unverändert. Es scheint nicht, dass er bald aus seinem Komma aufwacht...« Mirabell schaute mit ihren grünen Augen den Doktor verzweifelt an, was ihn kurz zum stocken brachte. »Ich kann leider nichts mehr für dein Bruder tun. Es liegt ganz an deinem Bruder und den Sechsen, ob er wieder aufwachen sollte. Du kannst gerne auch die Meinung eines anderen Heilers beziehen, aber der wird dir nicht mehr sagen können, als ich schon getan habe. Davon abgesehen, dass du dir das nicht leisten könntest. Du kannst dir kaum die Unterkunft hier bezahlen.« Verlegen schaute der Doktor zu Boden, als ob es ihn leid tat, was er gerade von sich gegeben hatte.

Mirabell wollte es nicht wahrhaben, dass Abralin nie mehr aufwachen würde. Abralin war ein Kämpfer, das war er schon immer gewesen, wieso sollte er gerade jetzt aufgeben?Reflexartig fasste Mirabell an ihr Dekolleté, griff ins lehre und senkte bedrückt wieder die Hand.

»Danke Doktor Lemar, Ihr habt mehr als genug für uns getan.« Sie kramte in einen keinen Beutel herum, die sie an ihren Gürtel trug, holte ein paar Kupfer Münzen hervor und überreichte die dem Doktor. »Hier das Geld für diese Woche.« Darauf ging er verlegen über sein schütteres Haar. »Ich muss leider los, sonst komm ich zu spät zu meiner Arbeitsstelle. Ich wünsche Euch ein schönen Tag und grüßt Eure Frau von mir, Freey sei mit Euch.« Mit diesen Worten eilte Mirabell die Treppen her runter und winkte den Doktor noch herzlich zum Abschied zu.

Es war später als Mirabell annahm, da sie noch nicht so lange auf dem Anwesend arbeitete, wollte sie ihre Pause nicht unnötig verlängern und damit riskieren, dass sie die erbettelte Mittagspause verboten bekam. Mirabell rannte den ganzen, langen Weg zurück, während die aufkommenden Seitenstiche das Laufen zur Qual machten.

Die erste Nacht

Bei der Zubereitung des Abendessens, wo Mirabell zugetragen wurde Wassereimer zu tragen, bekam sie Gesprächsfetzen, der beiden Mägde mit, die vor sich hin kicherten und glucksten, als sie das Gemüse putzen und schälten. »Der Herr ist mir heute am Gang begegnet und schaute mir tief in die Augen.«

Ein seufzen erklang. »Ach, in seinen blauen Augen könnte ich mich verlieren.«

Wieder ein Kichern.

»Ihn würde ich nicht von der Bettkante schubsen,« hauchte das Stubenmädchen verträumt und umklammerte dabei das Küchenmesser, als ob es eine zarte Rose wäre, die Lord Seraphin ihr persönlich überreicht hatte.

»Na, sag das lieber nicht zu laut, sonst vernascht er dich wirklich«, neckte Ilianda sie. Weiteres Gekicher war zu hören.

Mirabell störte es gewaltig, solche Gespräche vernahm sie unaufhörlich. Sie konnte sich nicht erklären, wieso die Weiber so ein Aufruhr um den Lord machten. Als sie hier anfing, hatte sie den Herren, beim Fensterputzen im zweiten Obergeschoss zufällig erblickt, wie er auf den breiten, Kies gestreuten Weg, das Platz für zwei Gestelle nebeneinander bot, auf das Gutshaus zuging. Eine schlanke Gestalt mit schwarzen Haaren, die etwa eine Elle Lang waren und den Grafen bis zur Brust reichten, auf den ein dunkles Barett ruhte.

Das was sie sonst noch erkannte war, dass der Herr ein hübsches, feminines Gesicht besaß, dafür sich aber so in Aufruhr zu versetzen, das verstand Mirabell beim besten Willen nicht. Deswegen hielt sie sich von solchen Gesprächen fern. Sie bettete nur noch zu den Göttern, dass dieser schreckliche Tag ein baldiges Ende fand.

Am späten Abend schleppte das Mädchen sich müde zu ihren Zimmer. »Mirabell!?«, schalte es scharf hinter ihr. Sie zuckte zusammen und drehte sich lustlos um, mit der Erwartung Dolores hinter sich zu sehen. Die ältere Frau mit den weißen Pony im dunkelgrauen Haar ging mit schnellen, kurzen Schritten auf Mirabell zu. Erst nachdem sie neben Mirabell zu stehen kam, äußerte sie ihr Anliegen. »Du sollst noch heute Abend das Schafgemach des Herren herrichten.«

Entsetzt blickte Mirabell sie an. »Muss das sein? Kann ich das nicht Morgen früh erledigen?« Ihre Stimme klang schroffer, als sie beabsichtigte.

Die Nasenflügel von Dolores zuckten unmerklich. Das Kind war kaum ein Monat hier und sie erlaubte es sich, ihrer Vorgesetzten schon Wiederworte zu geben. Dolores war hier die Haushofmeisterin, verwaltete und organisierte die Angestellten auf der Villa, damit alles in glatten Bahnen lief. »Der Herr scheint heute Abend noch ein Gast zu erwarten, da will er sein Gemach sauber vorfinden. Erledige das!«, wies Dolores sie schroff an.

Mitleiderregend ließ Mirabell den Kopf hängen und massierte ihren steif gewordenen Nacken. Sie wollte sich nach dem anstrengenden Tag ausruhen und ihn endlich hinter sich lassen. Nun, aufgeschoben war nicht aufgehoben. »Ich erledige das sofort«, sagte sie untergeben. Mirabell hob die Hände, um sich zum strecken, so schlenderte sie gemütlich in die andere Richtung, fort von ihrer kleinen Pritsche.

Dort angekommen kam ihr die wohlbekannte, stickige Luft entgegen. Eine Mischung aus Rauch meist Tabak und anderen, stickigen Gerüchen, die sie nicht zuordnen konnte. Das Zimmer hatte sich leicht abgekühlt, die Glut im Kamin war fast aus. Ausgemergelt von diesem Tag legte Mirabell erschöpft ein Holzscheit in die Glut und entfachte die Öllampen, die an den Wänden befestigt waren. Zu ihrer Erleichterung, war nicht viel zu erledigen.

Mirabell zog den Vorhang hinter dem Doppelbett beiseite, wo dahinter der Auslucht zum Vorschein kam und riss zwei von den hohen, schmalen Fenster im Auslucht weit auf. Das machte sie mit den großen Fenster ebenso, um frische Luft rein zu lassen. Ein dicker Tropfen fiel dabei auf ihren Handrücken, es fing wieder an zu regnen. Erschöpft beugte sich das Mädchen nach vorne auf die ungepolsterte Sitznische und stütze sich dabei mit beiden Händen ab, um in die Ferne zu blicken. Gedankenverloren dachte die Magd an Abralin, der regungslos in seinem dunklen Zimmer lag und nichts von dem Regen mitbekam. So verträumt hörte sie die Schritte nicht, die aus dem Flur kamen.
 

Plötzlich breitete sich ein ungutes Gefühl in Mirabell aus, als ob sich etwas Böses hinter sich ausbreitete, sie verkrampfte sich zu erst und drehte sich schließlich schlagartig um, bevor der Graf mit seinen Fingerspitzen den Stoff berührten konnte, der ihren Hintern umhüllte.

Blankes entsetzen stand in Ihrem Gesicht geschrieben. »Verzeiht mir aufrichtig. Ich habe nicht vernommen, dass Ihr Euer Gemach betreten habt«, kam es aus ihr eilig heraus, knickste hastig zur Entschuldigung und sah dabei mit weit aufgerissenen Augen in die blau getönte, runde Brille. Den eleganten, blauen Mantel, ließ den Grafen sehr schlank und hochgewachsen wirken, obwohl er nicht viel größer als Mirabell war.

Zögernd löste sich die Magd vom Fensterrahmen, begann die Fensterläden für die Nacht und den Flügel, an den sie sich gerade eben angelehnt hatte, zu schließen. Da der Hausherr am anderen Fensterflügel stand traute sich Mirabell nicht, diesen ebenfalls zu schließen und eilte mit einem übertriebenen, weiten Bogen um Seraphin herum an den großen Himmelbett vorbei in den Standerker zu den kleineren Fenstern, um die ebenfalls zu verriegeln und den schwarzen Vorhang zu zuziehen.

»Es kommt nie wieder vor...« Der Graf dachte, an ihren Hintern »...dass ich so nachsichtig werde, Herr«, entschuldigte sich Mirabell immer wieder, um den Grafen nicht noch mehr zu verärgern. Hastig wechselte sie die abgebrannten Kerzen aus und mied sorgfältig in Seraphins Richtung zu blicken. Ihr Kopf lief vor Scham purpur an und machte ihren kupferroten Haaren starke Konkurrenz.

Und obwohl Mirabell bemüht war den Herren nicht anzusehen, damit der Graf nicht ihr heißes Gesicht auffiel, spürte sie dennoch seine stechenden Augen deutlich in ihren Rücken. Die Schamesröte stieg in ihr weiter hoch, dass sie sich noch am Ende dieses grässlichen Tages, wo alles schief ging, sich auch noch vor ihren Herrn, einen Fehler erlauben musste, war der krönende Abschluss gewesen.

»Wie alt bist du, Mädchen?«, fragte Seraphin die eifrige Magd, als er sie bei der Arbeit beobachtete.

»Siebzehn, Herr«, murmelte die Bedienstete mit den roten Haaren, während sie sein Zimmer weiter aufräumte. Mirabell antwortete so, wie sie immer auf diese Frage geantwortet hatte. Ohne sich groß Gedanken darüber zu machen, wieso er wissen wollte, wie alt sie war.

Seraphin schmunzelte und legte seine Brille behutsam auf den Schreibtisch. »Das willst du vielleicht sein! Du solltest wissen, dass man sein Herrn nicht anlügt. Also noch ein mal, wie alt bist du wirklich?«, forderte Seraphin und setzte dabei ein verschämtes Grinsen auf.

Augenblicklich hörte Mirabell auf das Zimmer herzurichten. Durch ihr fuhr ein kurzes, unkontrollierte Zittern und sie warf einen verstohlenen Blick auf den Grafen, um sein Gemüt zu erfahren. »Drei Wochen nach dem Jahresanfang, werde ich Sechzehn, Herr«, gestand sie schließlich ihr richtiges Alter.

Mirabell war von Gesetzeswegen noch minderjährig gewesen, deswegen hatte sie sich zur Gewohnheit gemacht, ihr alter hochzuschrauben, um vorbereitete Problemen aus den Weg zu gehen. Doch nach dem das Mädchen es ausgesprochen hatte, fing der Graf an laut zu lachen. Was Mirabell prompt verärgerte und sich erneut umdrehte, um ihre aufkommenden Zorn zu dämpfen. Dabei wischte sie einen kleinen Tisch ab, damit sie beschäftigt aussah.

Das Lachen verklang. »Entweder ist das die dreisteste Lüge die ich je gehört habe oder die Göttin Istaa war dir gegenüber wirklich geizig gewesen.«

Seine Aussage kränkte Mirabell um so mehr. Sie war kein Kind mehr, sondern eine junge, verantwortungsvolle Frau, auch wenn man es ihr nicht sofort ansah. Was konnte Mirabell dafür, viel jünger auszusehen als sie in Wirklichkeit war.

Mit hastigen Schritten ging Seraphin auf das rothaarige Mädchen zu, ergriff ihr Handgelenk, wirbelte sie zu sich. Mirabell roch den schweren Alkohol, der aus dem Mund von ihren Herren heraustrat und spürte seine wärme durch den Stoff. Erbost über sein Verhalten schaute Mirabell direkt in die ausdrucksstarken Augen, die so blau und klar wie der Himmel in einem lauen Sommertag waren. Dabei schienen diese Augen einen zu durch bohren, bis in die Seele hinein. Der Graf starrte Mirabell eine weile an, bis er sie ohne ersichtlichen Grund wieder losließ.

Am liebsten würde sie auf der Stelle das Zimmer verlassen, wo der Graf mit seinen seltsamen Verhalten sich ebenfalls aufhielt. Wohl möglich war der Herr betrunken und konnte sich deswegen nicht mehr kontrollieren. Doch konnte sie sich nicht rühren. Außer mit ihren großen Augen den Grafen zu fixierten.»Ich hoffe nicht, dass Euer Besuch bald erscheint, Herr?« Es wäre Mirabell unangenehm gewesen, noch hier zu hantieren, während seine Bettgespielin vor der Türe stehen würde.

»Nein, heute kommt niemand mehr«, sein Grinsen verblasste kurz, bevor es wieder zum Vorschein kam.

Diesmal war Mirabell über seine Aussage verblüfft gewesen. Hatte Dolores sie auf den Arm genommen? Dolores ist andererseits niemand, die sich solche Scherze erlauben würde. Die Haushofmeisterin Scherz eigentlich nicht. Nie... Dann wurde da wohl was missverstanden. Ihre Gedanken rasten, während Mirabell sich abmühte ein ruhiges Erscheinungsbild zu wahren. »Wurde ich dafür nicht noch zu so später Stunde hier her gebeten, Herr?«

»Ich wollte wissen, wer heute morgen der Rotschopf war, der mich so entzückt angerempelt hat«, gab der junge Mann von sich und Mirabell verstand nicht worauf er mit der Anspielung hinaus wollte.

»Willst du nicht hier bleiben und mit mir die Nacht verbringen?« der Graf befeuchtete seine Lippen und kam ihr noch näher, dabei ließen seine klaren Augen nicht mehr von ihr ab.

Entsetzt von seiner dreisten Frage, verschlug Mirabell die Sprache. Sie war aufgewühlt. Am liebsten wollte die Magd ihn ohrfeigen, doch sie musste zu ihren Herren, der sie bezahlte, nett bleiben, damit sie die Stelle behielt, sonst könnte sie die Heilerkosten für Abralin nicht mehr bezahlen und Miriabell müsste ihn aufnehmen, ohne Wohnung und ohne Arbeit.

Und doch faszinierte sie sein Aussehen, seine Gesichtszüge schien perfekt. Die hohe Stirn, sowie die großen Augen, in den sie versinken wollte, die von seinen Augenbrauen grazil umrahmt wurden. Die gerade, schlanke Nase und das weiche, bartlose Kinn. Keine störende Falte zerstörte sein Erscheinungsbild.

Wie gebannt schaute sie in seine Augen, die in Schein der Lampen zu leuchten schienen und alles zuvor gedachte wirkte nicht mehr so wichtig. Ihre Hand wurde allmählich umschlossen, doch Mirabell empfand seine Nähe keineswegs mehr als unangenehm. Sie sehnte sich förmlich danach, sein wunderschönes Äußeres zu berühren, traute sich aber nicht und begnügte sich damit ihn nur anzusehen.

Wage bekam das Mädchen mit, dass eine Hand hinter ihr griff und das Haarband, was ihre Haare hielt, sich löste. Die rote Haarpracht fiel darauf auf ihren Rücken herab und umschmeichelten ihre blassen, runden Züge. Was sie nicht mehr interessierte, für Mirabell waren nur noch die blauen Augen wichtig. Sie spürte darauf eine zärtliche Berührung auf ihrer Wange. Dann den Geruch von Tabakrauch, Frauenparfüm und Schweiß, die sich mischten und somit noch betörender erschien. Sacht strich Seraphin eine störende Strähne aus ihrem Gesicht, die sich verirrt hatte und ging mit seinen Fingern durch ihre seidigen Haare. Eine sanfte, warme Berührung auf ihren Nacken, ließen ihre kleinen Härchen aufrichten und bescherte ihr ein angenehmes Kribbeln. Darauf schloss sie, überflutet von dieser Empfindung, die Augen.

Abralins Antlitz erschien vor Mirabells inneren. Aus lauter Panik, was sie hier anstellte, stieß sie den Mann vor sich so hart weg, das beide fast das Gleichgewicht verloren. Eine sehr lange, peinliche Minute entstand. »Es... es tut mir leid... ich sollte besser gehen, Herr«, piepste Mirabell stockend hervor. Sie verbeugte sich tief und war bestrebt den Ausgang zu nehmen. Das ihr Herr glaubte, sie sei leicht zu haben, empörte Mirabell mindestens so sehr, wie die Tatsache, dass sie sich zu erst auf ihn eingelassen wollte.

»Du musst dich nicht entschuldigen.« schalte es hinter ihr und er fing dabei zu lachen an. »Sei hinterher aber nicht verärgert, weil du diese einmalige Gelegenheit verstrichen hast.« Er lachte unverhohlen auf, was sie prompt wieder ärgerte. »Ich würde dir heute sogar Geld dafür geben, dass du bei mir bleibst.«

Mirabell hielt inne und horchte auf. »Wie viel?« Hörte sie sich zu ihrem eigenen Erstaunen sagen.

Sein schallendes Lachen veränderte sich zu einem überlegenden Grinsen. Nach einer kurzen Pause, in dem der Graf über sein eigenes Angebot nachdachte, sagte er zu Mirabell. »Nun... eine Edeldirne bekommt ungefähr drei Silberstücke die Nacht.« Seraphin lies die Worte auf sie wirken. »Ich denke, so eine junge, bezaubernde Dame, wie du es bist, verdient drei Goldstücke.«

Wie in Zeitlupe drehte sich Mirabell um und wog dabei das verlockende Angebot ab. Mit dem Geld könnte sie, alles zurück bezahlen und das Zimmer im Heilerhaus wäre mindestens für ein Jahr sicher. Vielleicht könnte Mirabell damit bessere Medizin für Abralin erbitten. Aber sich dafür zu erniedrigen und sich darauf hin wie eine Dirne auszahlen zulassen, war das alles wirklich wehrt? Noch dazu war sie jungfräulich. Sie wollte sich einen Mann hingeben, denn sie liebte und der Mann vor ihr kannte nicht mal ihren Namen, geschweige dem sie selbst. »Be...« Sie räusperte sich. »Bekomme ich die Münzen sofort?«

Der Graf verlor dabei nicht sein Grinsen, als er zum Sekretär ging. Dort holte Seraphin eine kleine Holztruhe hervor, nahm drei gelbe Münzen heraus und drückte ihr die Scheiben in die hole Hand. Für einen Adligen waren, die drei gelben Scheiben leicht einzuholen. Für Mirabell hingegen war es schon lange her, als sie das letzte mal eine Goldmünze anfassen dürfe. Behutsam ließ sie das Geld in ihren kleinen, schäbigen Geldbeutel sinken, während der Graf sie dabei triumphierend beobachtete, ohne sein hochmütiges Grinsen zu verlieren. Nun stand das Mädchen da, wie eine Puppe und so fühlte sie sich auch, eine Puppe ohne Gefühle, oder Regungen.

Mirabell fühlte wie eine Hand in Leder gehüllt ihre Wange streichelte. »Ich geh kurz in die Waschstube, wenn ich Glück hab, ist noch der Ofen an und das Wasser warm. Ich will ja schließlich für die Dame meiner Wahl, gut duften.« Währenddessen verbeugte sich der Graf knapp, deutete dabei galant einen Handkuss auf ihren Handrücken an und eilte aus dem Zimmer davon.

Rasch kam der Gedanke in Mirabell auf, mit den Geld zu verschwinden, doch wäre sie erneut ohne Arbeit und die Goldstücke reichten nicht ewig. Für eine alleinstehende junge Frau, war es dazu sehr schwer, gute Arbeit zu finden, wo sie genug verdiente, um sich und Abralin ausreichend zu versorgen. Kraftlos ging Mirabell auf das Bett zu und sang in die viel zu weiche Matratze ein, was kein Vergleich zu ihrer kleinen, harten Pritsche war. Mirabell hatte sich dafür entschieden und so wollte sie auch zu ihrer Tat stehen.
 

Seraphin ging gut gelaunt den Korridor zur Waschkammer entlang, er war heute erst spät aufgestanden, trotz diesen Umstandes spürte er immer noch die Müdigkeit in seinen Gliedern. Die letzten Tage hatte Seraphin nicht besonders viel Schlaf erhalten und diese Nacht wird ebenfalls dürftig ausfallen. Doch der Sieg über die Magd überflügelte ihn so sehr, dass er dabei sogar die Schatten übersah, die sich über dem Gesicht des Mädchen gelegt hatten.

Die Magd mit Geld zu kaufen zu wollen, sagte Seraphin aus einer Laune heraus, aber da die junge Dame es als eine einmalige Gelegenheit auffasste, viel Geld mit wenig Aufwand zu bekommen, hatte er auch nicht vorgehabt sie zu enttäuschen. Der Preis war wirklich übertrieben hoch gewesen, das wusste Seraphin, doch konnte er sich den kleinen Spaß erlauben. Er war eigentlich nur neugierig, wie das junge Mädchen auf diese Summe reagierte.

Es war eine ganze Weile her, als sich Seraphin geschworen hatte, seine Bediensteten nicht anzufassen. Angucken ja, aber nicht anfassen, um mögliche Probleme vorzubeugen. Doch als Seraphin sie oder besser gesagt ihren Hintern erblickte, hatte er vor eine kleine Ausnahme zu machen.

Eigentlich konnte Seraphin sich keinen Reim daraus machen, wieso er die Magd mit ins Bett nehmen wollte. Es war nicht ihr kindliches äußeres, was Seraphin so reizend an sie fand. Vielleicht war es ihre stolze Art gewesen, was ihn den Grund gab, doch da der Graf sie jetzt bekommen sollte, verschwand der Reiz ihren jungen Körper zu berühren. Oder lag es daran, dass die Magd ungewöhnlich gepflegt wirkte. Wo Seraphin zuvor sich in zwielichtigen Gegenden umher streifte, wo ein sauberes Erscheinungsbild nur unnötig aufgefallen wäre.

Vielleicht lag es auch nur an ihren reizenden Hinterteil, den Seraphin erblicken durfte, als er in sein Gemach eingetreten war. Den er so gerne berührt hätte, wenn sich nur die Magd nicht umgedreht hätte.

Die Magd hielt sich bis zum Schluss zurück, was Seraphin nicht wunderte. Der Graf fühlte sich selber in seiner eigenen Haut nicht mehr wohl. Der Schweiß von Tagen klebte, wie eine zweite, unsichtbare Schicht, an ihm. Da mag so ein gepflegtes Ding, sich auch von ihm distanzieren.

Endlich betrat Seraphin die Waschkammer. Es war Stunden her, als der Graf die Haushofmeisterin angefordert hatte den Zuber mit heißen Wasser zu fühlen. Seitdem war Seraphin nicht dazu gekommen sich zu reinigen und endlich den Schmutz von der Straße ab zu spülen. Selbst wenn er darauf wieder schweißgebadet wäre, würde Seraphin sich tausend mal sauberer fühlen.

Eilig schlüpfte Seraphin aus seinen Alltagssachen, um sich abzuschrubben und tauchte in den Zuber ein. Mittlerweile war das Wasser knapp unter der Körpertemperatur. Es war aber nicht der Grund, wieso sich Seraphin hastig mit dem abgekühlten Wasser wusch. Das Mädchen mit den Sommersprossen im Gesicht, wollte ihm nicht mehr aus seinen Sinn und er hatte nicht vor ihr unnötig Zeit zu bescherten, es sich anders zu überlegen. Obwohl die Magd ihn nicht mehr sonderlich Reizte, wollte Seraphin sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen, einen sauberen, duftenden Körper anfassen zu können.

Hastig streifte Seraphin sich die Sachen über, die Dolores ihn vor Stunden zurecht gelegt hatte und ging wieder in sein Gemach. Die langen, schwarzen Haare hingen noch nass auf seinen Schultern herab und durchnässten allmählich das weiße Hemd. Als er die Türe zum Schlafgemach aufschlug, kam ihn ein kalter Windzug entgegen und brachte ihn eine Gänsehaut ein. Das weit aufgerissene Fenster stand immer noch offen. Kurzer Hand schwang Seraphin den Flügel zu. »Willst du dir den Tod holen, Kleine? Es ist hier eiskalt geworden.« Das Zimmer hatte sich stark abgekühlt, doch schien es dem Mädchen, die mittlerweile auf seinem Bett saß, nicht sonderlich zu stören.

Der Graf verfolgte ihren Blick, als sie in eine Ecke des Zimmer sah und erblickte die Glut im Karmin. Er gab ihr einen Augenblick Zeit sich zu rühren und ihre Aufgabe wahrzunehmen, doch saß sie nur wie eine Statur aus hellen Marmor da. Ihre aufrechte Haltung blieb Stolz, auch wenn die Magd längst wo anders schien. Schließlich blieb Seraphin nichts anderes Übrig, als die Sache selber in die Hand zu nehmen. Er stocherte in der heißen Glut herum und warf drei Holzscheite auf das Gitter. Kurz darauf leckte eine Flamme an den Hölzern und es fing an leise zu knistern.

Ein Blick auf die junge Dame reichte ihn, um zu erkennen, dass sie nicht hier sein wollte und dennoch saß sie auf seiner Matratze. Jeder vernünftige Mensch mit etwas Verstand würde mit dieser Summe in der Tasche ausreisen, bevor sie sich zu etwas zwingen müssten, was sie nicht wollten. Die Gelegenheit hatte Seraphin ihr schließlich gegeben. Ehrlichkeit und Edelmut konnten sich nur die Hohen Herrschaften leisten, die Hunger und Leid nur von anderen kannten.

Wohl wäre Seraphin ihr erster Mann und darüber ekelte sie sich so sehr, dass sie in eine andere Welt geflohen war, wo Seraphin sie nicht haben konnte. Es war nicht wirklich das, was Seraphin sich von ihr erhofft hatte. Mit leisen Schritten ließ er sie kurz alleine und suchte ein einfaches Nachthemd heraus. Es war schon alt und etwas abgetragen, doch konnte Seraphin sich davon wie von vielen anderen unnötigen Dingen nicht lösen. Schließlich warf er das Nachtgewand ihr entgegen.

Als Seraphin auf die andere Seite des Bettes ging, beobachtete er interessiert ihr Verhalten. Wie das Mädchen aus ihren Tagtraum langsam erwachte, wo sie hin geflüchtet war und das Kleidungsstück nicht minder langsam ausbreitete, um es in Augenschein zu nehmen. Eine Ganze weile rührte sie sich keine Handbreit.

Seraphin seufzte ermattetet. Müde stand er auf und legte zwei größere, abgerundete Steine unter die Bettdecke. Als sie sich immer noch nicht rührte beugte Seraphin sich zu der Magd vor, die hinter ihrer stolzen Fassade eben doch nur ein verletztes Kind war, das vergeblich nach Halt suchte. Doch damit wollte Seraphin sich nicht beschäftigen, dafür hatte er genug andere Sorgen.

»Willst du dich nicht langsam umziehen?«, fragte Seraphin entnervt und stopfte seine lange, rote Pfeife. Ihm wurde es Leid, das starre Mädchen zu beobachten. Wenigstens könnte sie Weinen, um ihre Situation zum Ausdruck zu bringen. Stattdessen tat sie überhaupt nichts. Der Rauch zog durch seine Lungen und ließ ihn darauf entspannen. Wenigstens hatte Seraphin noch seine Glücklichmacher, um die letzten Tage abklingen zu lassen.

Plötzlich richtete sich die Magd auf und legte das Gewand auf einem Stuhl ab, der zum Waschtisch gehörte. Warf das Häubchen auf den gleichen Stuhl, band die graue Schürze auf und fing an, sich aus ihrem Kleid zu schälen.

Überrascht bemerkte Seraphin, dass sie ihre Kleidung vor ihm zögerlich auszog. Es störte ihn nicht, die Magd nur von Hinten sehen zu können, ganz im Gegenteil, das machte die Sache nur noch reizbarer.

Zwischen den auffälligen, roten Haaren blitze ihr schmaler Rücken auf, der ebenfalls mit Sommersprossen gesprenkelt war. Von hinten sah sie mehr denn je aus wie ein junger Knabe aus, währen da nicht die langen, roten Haare gewesen.

Gemächlich lehnte sich Seraphin ohne die Augen von ihr zu nehmen zur Seite in die großen Kissen, von da aus konnte er ihren kleinen Busen erhaschen, bis das Schauspiel zu ende war und Mirabell das Nachtgewand überstreifte.

Ob es ihr klar war, was sie vor ihn tat, bezweifelte Seraphin. Besser wäre es das Mädchen aus ihrer Pflicht zu entlassen, aber dafür müsste er auch das Gold wieder zurückverlangen.

Als das Mädchen sich umgezogen hatte, drehte sie sich zu ihn um. Das Gewand ging bis zu den Knien und hatte kurze Ärmel, mit einem Rundkragen, an den Spitze befestigt war. Es war ein hübsches Stück, dafür nicht besonders reizvoll.

Sie war eine Frau im Körper eines Kindes. Die Oberweite fehlte und ihre Hüfte war sehr schmal. Dennoch hatte sie etwas reizbares an sich. Schlank und grazil, wie ein Reh, was sich bereit machte zu fliehen, stand sie vor ihm.

Der Graf wandte seinen Blick von ihren Körper und sah ihren zornigen und zu gleich verklärten Blick. Seraphin verstand sofort. »Bei Naruu, guck mich nicht so an! Beim nächsten mal kannst du dich gerne auch hinter dem Paravent umkleiden, wenn es dir zu unangenehm ist, dich vor mir auszukleiden«, sagte Seraphin, der das halb aus Scherz, halb ernst meinte und zeigte in die Ecke wo der große, kunstvoll verzierte Paravent aus Holz stand. »Ich verführe Frauen, ich vergewaltige sie nicht! Wenn du dich außer Stande siehst, mit mir zu schlafen, werde ich dich nicht dazu zwingen. Auch wenn das am Anfang ganz anders wirkte.« Seraphin verschränkte gelassen die Arme hinter seinen Kopf und schloss die Augen. Was sollte er schon mit jemanden anfangen, der ihn dafür noch vermutlich auf ewig verabscheuen würde. Das wollte er gerne anderen überlassen.

Seraphin hatte die richtige Wortwahl getroffen, den ihr geklärter Blick lichtete sich und sie wachte langsam aus ihrem selbst geschaffenen Albtraum. »Was!? Aber Ihr habt mich doch dafür bezahlt, Herr!«, beklagte sich die Dame, als ob sie sich wirklich darauf eingelassen wollte.

Ein Lächeln bildete sich, ihrer Dummheit wegen, auf seinen Zügen. Ganz ruhig, wie zu einem kleinem Kind, fing er an auf sie einzureden, »ich hab dich bezahlt, damit du eine Nacht bei mir bleibst, der Inhalt, also was wir zusammen unternehmen,« er seufzte, »oder nicht unternehmen, weiß nur Naruu.« Rauchschwaden schwebten darauf in der Luft und verteilten sich.

Seraphin musterte die Züge des Mädchens sorgfältig, sie hatte tatsächlich ganz feine, blasse Sommersprossen im Gesicht, wie er es vermutet hatte. Das Lampenlicht fälschte zwar ihre Augenfarbe, doch er erkannte deutlich ein Grünstich darin.

Er dachte daran, wie ihre Begegnung angefangen und war enttäuscht darüber, was sich daraus entwickelt hatte. Dazu kam noch, dass Seraphins Sicht leicht verschwamm und vor ihn wage menschliche Schemen auftauchten, die nicht da waren und ihn wie ruhelose Geister umherschwirrten. Unruhig nagte er an den silbernen Ende seiner Pfeife.

Zu erst machte Mirabell Andeutungen ihn zu Umarmen, doch sie zögerte im gleichen Moment und schenkte ihn doch nur ein Klein-Mädchen-Lächeln. Bis ihr klar wurde was sie gerade vor ihrem Herren getan hatte und blickte ihn darauf wieder böse an.

Nachdem Seraphin beobachtet hatte, wie sich ihr Gemüt von einen Augenblick zum nächsten gewandelt hatte, nahm er das Glas mit den gerade eingeschenkten Met in die Hand, um die Schemen zu verscheuchen. »Ich hab dich nicht darum gebeten, dass du dich vor mir umkleidest. Das war deine eigene Entscheidung. Wieso hätte ich dich daran hindern sollen?« Er nahm die kleine, versteckte Tablette mit einem tiefen Schluck ein, um sich damit zu betäuben. »Es kommt bestimmt nicht alle Tage vor, dass ein Mann deinen Körper bewundern durfte und um ehrlich zu sein, fand ich das sehr reizbar.« Seraphin sah auf und traf wie gewollt in ihre Augen, die vor ihn wie grünes Feuer schwebten und ihn damit wieder etwas näher er Realität brachte.

Die Magd strafte ihn mit einem vernichtenden Blick, um darauf eingeschnappt wegzusehen. Wenn sie wüsste, wie eingeschränkt Seraphin gerade war, könnte sie seine Situation schamlos ausnutzen.

Seraphin fand das Gespräch mit ihr sehr anstrengend. Da sie ihre Meinung für sich behielt, auch wenn Seraphin ihr Gemüt nur allzu leicht erraten konnte. Wieso konnte sie zu ihn nicht einfach ehrlich sein? Das würde einiges erleichtern. Seraphin konnte während seinem Anfall nicht die Geduld aufbringen, die er sich gewünscht hätte. »Du kannst deine Meinung unter uns kund tun. Es ist mühselig wenn die Leute meinen, dass ich Gedankenlesen kann. Außerdem trägst du deine Gefühle offen vor dich her, da muss ich kein Medium sein, um zu erraten was dich gerade beschäftigt. Keine Angst! So lang du mich nicht beleidigst, werde ich nichts was du sagst gegen dich verwenden.« Um sich zu betäuben trank Seraphin den starken Met und spürte erleichtert die Flüssigkeit seine Kehle herunter laufen. Er sollte das Kind aus seinem Zimmer verweisen und nach Dolores rufen lassen, doch etwas hielt ihn davon ab.

»Und wie würde ich bemerken, wenn ich unhöflich werde?«, hörte Seraphin schwach, durch eine Nebelwolke. Seine Sinne täuschten ihn immer mehr. War sie etwa der Grund dafür?

Er machte das Glas leer. »Ich gebe dir rechtzeitig Bescheid, falls dies geschehen sollte.« Die goldene Substanz floss erneut aus einer Flasche ins Glas. Trotz seiner Bemühungen es zu betäuben überschwemmte ihn eine Woge an Erinnerungen, die er nicht wissen wollte. Es fiel ihn immer schwerer die Schemen nicht zu beachten und das Gespräch fortzuführen.

Sie öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Anschneiden wollte sie ihre Wortwal überdenken. »Vielen Dank für Eure Offenheit, Herr. Dennoch kann ich nichts an Euch aussetzten«, antwortete sie höflich und gleichzeitig abweisend.

Seraphin gab es auf, sich mit ihr vernünftig zu unterhalten. Sie sprach viel zu leise und ging deswegen unter den Gemurmel fast unter, der sich vermutlich nur in seinen Kopf festgesetzt hatte. Denn ihr schienen die Geräusche nicht zu stören. Er griff in die Decke, die sich so unwirklich anfühlte, wie das Glas in seiner Hand. Das nächste Glas leerte sich, als der Graf die Decke aufschlug. »Setzt dich besser ins Bett und deck dich zu. Du frierst am ganzen Leib.« Woher er wusste, dass sie fror wusste er selber nicht genau. Als Seraphin sich konzentrierte, erkannte er ihre Gänsehaus, die sie überzogen hatte.

Zu seiner Erleichterung gehorchte sie wenigstens jetzt und kletterte in das viel zu weiche Bett. Die Matratze bewegte sich dabei und Seraphin bemühte sich nicht zu übergeben. Es kam für ihn so vor, als ob er wieder auf Seegang wäre und mit den Wellen hin und her schwang.

Als Mirabell unter die warme Decke kroch, bemerkte sie die abgerundeten Steine am Kopfende, die zuvor auf den Kaminsims lagen. Die Steine waren nur lauwarm, doch das reichte, um ihre verfrorenen Füße aufzuwärmen.

Dankbar strahlte Mirabell ihn an, um dann wieder niedergeschlagen weg zu gucken. Seraphin war klar, was ihr durch den Kopf ging. Sie lag im Bett eines Mannes, noch dazu bei einem Mann, der bekannt dafür war, Damen zu umwerben. Die anderen Mägde würden sich den Mund zerreißen, wenn sie von diesem kleinen Abenteuer erfuhren.

»Hab keine Bedenken. Es bleibt unser kleines Geheimnis, wenn du nicht möchtest, dass die andern was davon erfahren sollten. Darin bin ich gut.« Es wurde ein weiteres Glas geleert.

Seraphin glaube zu wissen, was er gesagt hatte, doch er konnte sich selber nicht Reden hören. Er konzentrierte sich dabei ruhig zu atmen und überflüssige Gedanken auszusperren, die alles nur verschlimmern könnten. Endlich fingen die Drogen an zu wirken und die Bilder und Stimmen wurden leiser und hinterließen nur den wohl bekannten beißenden Schmerz hinter seinen Augen. Erleichtert legte sich Seraphin nach hinten und dankte Naruu, dass sie ihn vor schlimmeren bewahrt hatte.

Mirabell beobachtete ihn währenddessen unauffällig von der Seite. Sein Gesicht war glatt, keine störenden Stoppeln trübten die weichen Züge, wie er so verträumt ins Glas sah, wirkte der Herr eher wie eine Frau als ein Mann, was seine langen Haare zusätzlich unterstrichen.

Hat der Graf nicht gerade das Wort Medium benutzt? Ja, stimmt. Hannae hatte vor kurzem mal erzählt, dass unser Herr einer von den wenigen, richtigen Hellseher ist, die es in der Stadt Kaily gibt, selbst der Kaiser griff einst auf seine Dienste zurück, deswegen war der Graf auch hoch gefragt. Sein Reichtum wuchs dadurch mindestens um das doppelte. Doch seit einigen Jahren nahm er nur noch selten Aufträge an.

Ein Medium sah in die Zukunft oder lasen Gedanken!? Die Leute, die sich selber als Medium bezeichneten, sind doch nur Spinner, die Lügen, mit Tricks arbeiten, um nach den Geldbörsen der anderen strebten.

Ungewollt lachte Seraphin laut auf, legte die Hand auf ihre Schulter und drückte Mirabell kurz an sich. Sie war wirklich ein naives, dummes Kind, das nicht wusste wie die Wirklichkeit aussah.

Was er nicht ahnte war, dass diese Umarmung für Mirabell, eine für sie gut vertraute Geste war. Abralin hatte sie früher oft so an sich gedrückt.

»Ich bin ziemlich müde, wenn du nichts dagegen hast leg ich mich auch ins Bett, ansonsten mach ich es mir auf dem Sofa gemütlich.« Er hatte keine Kraft mehr noch länger wach zu bleiben, der Anfall hatte ihn alles geraubt.

»nein... nein, es ist Euer Bett, Herr«, sagte sie in Gedanken versunken.

Da die Kerzen brannten, gab Seraphin sich einen Ruck und stand auf, um sie zu löschen. Erschöpft und leicht schwankend, was bestimmt von dem Genuss des Alkohols kam, stand der Graf auf, löschte alle Kerzen und Lampen aus. Alles um ihn bewegte sich, als er sich wieder ins Bett setzte und sah zu der Magd hinüber, ob ihr etwas aufgefallen war? Doch sie hing weiter ihren eigenen Gedanken nach und merkte seinen Zustand nicht mal. Als er merkte, dass Mirabell ihn ebenfalls neugierig musterte, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. Mit einem »gute Nacht!« wandte er ihr den Rücken zu und schlief rasch ein.

In Gegensatz zu Mirabell, lag der Graf nicht unter den zweiten, dünnen Lacken, sondern obendrauf, was er nicht nur aus Rücksicht ihr gegenüber bewerkstelligt hatte. Seraphin wusste am nächsten Tag nicht mehr über was sie noch geredet haben, oder ob sie überhaupt miteinander sprachen.

Der Meister

Spät in der Nacht und in einem anderen Teil der Stadt sah niemand die dunkel gewandete Gestalt, die sich auf der Handwerker-Straße herum drückte. Leisen Schrittes ging derjenige von Alten Marktplatz in eine verwaiste Gasse hinein. An einen der Eckhäuser war ein Schild aus massiven Stein befestigt gewesen, worauf die Aufschrift: Am Holzweg, eingemeißelt war. Bis auf zwei angetrunkenen Nachtwächtern gab es keinen, der das Geschöpf aufhalten hätte können. Doch gingen die uniformierten Männer nichtsahnend an den unverdächtigen Holzbeschlag vorbei, wo sich dahinter jemand versteckt hielt, um unentdeckt zu bleiben.

Mit klopfenden Herzen hielt der Schatten die Luft an, um keine verräterischen Wölkchen zu verursachen. Es war mittlerweile so kalt geworden, dass sich der Atem in weißen Dampf verwandelte. Als man die Schritte der Wächter nur noch gedämpft vernahm, verließ ein Teil des Schatten den Holzhaufen. Dunstschwaden hatten sich in den Gassen gebildet und umhüllten die Gestalt. Jeder Schritt wurde sorgfältig überdacht. Die Stadt erlag den Minustemperaturen und die eins nassen Pflaster, wurden zur rutschigen Falle, wenn man nicht gut genug aufpasste. Das Ziel stand fest. Es sollte noch diese Nacht geschehen.

In einer kleinen Gasse, wurde ein angerosteter Schlüssel herausgeholt. Ein hämisches Grinsen huschte über das vermummte Gesicht, als die Gestalt sich zu einer Hintertüre hin bewegte. Mit einem kaum hörbaren „Klick“ schwang die Hintertüre lautlos auf und der Schatten verschmolz erneut mit der Dunkelheit des Zimmers.

Es war ein Abstellraum. In denen Möbel und verarbeitetes Holz in unterschiedlichen Variationen ordentlich aufgestapelt waren. Holzstaub wirbelte durch den aufkommenden Windzug hoch, der hinter der Gestalt mit ins Zimmer flüchtete und die Nase sog gierig den Geruch des Holzes ein.

Nach einem kurzen Blick im inneren, schnappte die Hintertür leise ins Schloss, damit keine unerwünschten Besucher von der offenstehenden Tür angelockt wurden. Wie die Motten beim Licht.

Zwischen der schmalen Pforte aus Holzstapeln, wurde nach Seilen gesucht, die verstreut herum lagen. Hier benötigte man sie, um die losen Holzbalken miteinander zu verbinden. Damit sich keines aus versehen lösen konnte. Der Schatten ging weiter durch die nächste Türe in den Fensterlosen Flur zur Ttreppe, die in das Obergeschoss führte. Die alte Holztreppe knarre etwas unter dem leichten Gewicht. Doch das sollte den Bewohnern diese Nacht nicht sonderlich stören.

Im Obergeschoss angekommen strich ein schwarzer Handschuh an der Wand und den drei geschlossenen Türen entlang, bis zur letzten Tür. Aus denen ein geräuschvolles Schnarchen zu vernehmen war.

Lautlos schwang der Beschlag auf. Schwaches Mondlicht beleuchteten die dunklen, abgetragenen Stiefeln und tauchte das Zimmer in ein schummriges, kaltes weiß. Ein Anblick für die Götter, wurde da geboten, wäre das störende Geräusch nicht gewesen, was die Harmonie zunichte machte. Doch bald würde es der Schönheit erliegen.

Auf leisen Sohlen schlich die maskierte Person, um das schmale Bett herum und betrachtete überlegen den Mann bei seinem Schlaf. Sein Kopf mit den angegrauten Haaren lag er mit offenen Mund auf den Kissen. Speichel rang aus dem Mundwinkel. In Schlaf war jeder verwundbar. Was nutzten schon seine stählernen Muskeln, wenn er von der nahen Bedrohung nichts ahnte?

Die mitgenommenen Seilstücke wurden entwirrt. Ein Aufschnarchen ertönte, als ob der Schlafende jeden Moment erwachen würde. Die Hände hielten in der Bewegung inne und die kalten Augen starrten, ohne zu Blinzeln, zu seinen Opfer herüber. Doch es geschah nichts weiter und die flinken Finger knoteten in den Seil weitere Schlingen ein. Es nahm mehr Zeit in Anspruch als zuvor einkalkuliert war, die Handschuhe behinderten einen dabei mehr als erwartet.

Nach der getanen Arbeit, legte die Gestalt den breit gebauten Mann eine Schlinge um das eine Handgelenk, dann ums andere. Darauf wurden die beiden Enden an dem Bettkasten sorgfältig verknotet. Die Füße und der Kopf erhielten ebenfalls eine Schlinge, die am stabilen Bettrahmen fixiert wurden, ohne dass der gefesselte Mann aufwachte. Die zuvor eingenommene Droge in seinem Essen war ausreichend gewesen, damit er nicht frühzeitig erwachte.

Vorfreude, in Form eines Kribbeln, breitete sich in den Körper des Maskierten aus. Bedächtig, fast liebevoll wurde eine kurze Klinge aus der Scheide gezogen und ein Dolch spiegelte das schwache Licht des Mondes leicht wieder zurück.

Mal sehen wie gut die Dosierung wirklich war.

Eine Hand wurde in die Höhe gerissen. Mit einem klatschenden Geräusch, wurde der liegende Mann unsanft aus seinem Schlaf gerissen. Seine Wange brannte vor Schmerz. Noch bevor er realisieren konnte was geschehen war, spürte der Mann was scharfes unter seinem Kinn, was langsam anfing seine Haut zu zerschneiden. Außerstande zu reden, gar zu Atmen blickte er zu der verfremdeten Person auf, die auf seinem Bauch saß.

Die Menge der Schlafdroge war gut abgewogen worden. »So sieht man sich wieder, nicht war?«, begrüßte die Gestalt ihn zischend an, der Stoff vor dem Mund dämpfte dabei seine Stimme.

Der Bewohner des Hauses schätzte den schmächtigen Menschen ein, der dreister weise auf ihm gemütlich gemacht hatte. Mit so einem Fliegengewichte würde er spielend fertig werden, ob mit oder ohne Messer am Hals. Nach einem kurzen, heftigen Ruck, bemerkte der Mann viel zu spät, dass seine Arme und Beine gefesselt waren. Durch sein hastiges Aufbegehren erlitt er eine weitere leichte Wunde an der Kehle. Warmes Blut trat daraus hervor. »Wer bist du, bei den Sechsen? Ich kenne dich nicht!«, brachte er keuchend heraus. Seine Augen waren vor Zorn blutrot unterlaufen und sein Kopf lief ebenso purpur an. Seine Gedanken schweiften darauf zu seiner einzigen Tochter hinüber, die im Zimmer nebenan schlief.

»Bemühe dich nicht laut zu werden, damit deine Tochter dich hört. Sie liegt gefesselt in ihrem Zimmer«, merkte der Schatten an und verlieh dem, mit der Klinge, den nötigen Nachdruck.

»Was hast du scheiß Kerl mit meiner Tochter gemacht!?«, brachte der Mann zwischen seinen Zähnen hervor und spannte erneut mit ganzer Kraft die Seile an.

»Noch nichts«, antwortete der scheiß Kerl gespielt unschuldig.

»Was willst du von mir?« Der gefesselte Mann versuchte sich zu beruhigen, um die Lage besser einzuschätzen zu können. Ein klarer Kopf war gefragt, nur so kam er noch lebend aus der Misere raus.

Ein leises Lachen war zu vernehmen. »Erkennst du meine Stimme nicht?« Tatenlos sah der ältere Mann zu, wie die Stoffmaske ganz gemächlich von Nase und Mund heruntergezogen wurde. Das Mondlicht beleuchtete die weichen Züge und lies die blasse Haut fast leuchten. Die schön geschwungenen Lippen lächelten ihn dabei kaltblütig an.

Dem Hausbesitzer stand vor lauter entsetzten der Mund offen. »Aber das kann nicht sein! Du bist...«, stotterte er vor sich hin, als er seine Stimme wiedergefunden hatte. Angstschweiß bildete sich auf seiner Stirn und rang seine Schläfen herunter.

Der filigrane Einbrecher beugte sich über ihn, bis sich ihre Wangen berührten und flüsterte seinem Opfer zu, »Saamu hatte keine Verwendung für mich und schickte mich wieder zurück zu euch.« In seiner Stimme konnte man die offensichtliche Freude deutlich heraus hören. Gemächlich richtete er sich wieder auf.

»Bist du gekommen, um mich mit in die Unterwelt zu nehmen?«, fragte der Gefesselte trocken. Er hatte sich viel schneller vom Schock erholt, als angenommen.

»So leicht mache ich es dir nicht! Zuerst wirst du miterleben, wie ich deine Tochter vor deinen Augen immer wieder schände und ihr dabei jedes einzelne Glied nach und nach abschneide. Mit ihren zarten Fingerchen beginne ich als erstes. Und zum Schluss, wird sie, wie ein Stück Vieh, von oben bis unten gehäutet. Und erst nachdem du diese Pein miterlebt hast, wirst du zu leiden haben«, versprach die schmächtige Gestalt, die immer noch auf ihm ruhte. In seinen Augen glitzerte ein Irrer Blick.

»Nein, nicht! Bitte verschone meine Tochter! Sie hat nichts damit zu tun! Du weißt doch, dass sie mein ein und alles ist«, flehte der Mann ihn, um seine Tochter willen, an.

»Wer hat dir dabei geholfen? Ich will Namen hören! Meine Geduld ist beschränkt«, keifte der Messerhalter ihn an und bleckte die weißen Zähne, dabei fielen Spucketropfen auf das Gesicht des Liegenden.

Verzweifelt und aus Sorge um seiner Tochter nannte der Mann ein paar Namen. Zufrieden nickte die Gestalt. »Danke für die Auskunft und jetzt hol ich deine Tochter, um es ihr zu besorgen«, sagte er hämisch. Sein Grinsen wurde breiter.

»Nein, du hast mir das geschworen!«, bestand der Mann auf seinen Anspruch. In den Augen spiegelte sich die nackte Angst und das unfassbare Entsetzten wieder.

»Ich hab gar nichts!«, kam es von dem Schatten. Mit einer schnellen Bewegung bohrte sich ein Kurzschwert von unten durch den Bauch und schließlich unter die schützenden Rippen des Mannes. Schlagartig verharrte sich sein Ausdruck im Gesicht. Für ihm kam es zu schnell und zu unerwartet.

Der Mann starb mit den Gewissen, seine Tochter mit ins Verderben gezogen zu haben. Mehr wollte der Schatten auch nicht. Er sah sich wie ein Henker, der das körperliche Leiden nicht unnötig lange hinauszögern wollte. Rache war nicht süß, wie immer behauptet wurde. Es war ein schmutziges Geschäft.

Er ging von den toten Körper herunter. Danach wurden die strammgezogenen Seile von den Gliedmaßen gelöst und Lustlos in die Ecke neben der Tür geworfen. Er wollte sie wieder nach unten verstauen, damit es nicht zu offensichtlich war, dass der Mann gefesselt im Bett lag. Nachdem er dies vollbrachte, zog er langsam das Schwer aus dem Leichtnahm. Blut quoll aus der entstandenen Wunde und färbte sein weises Nachthemd und die Lacken dunkel.

Am Bettende wische der Fremde die Klinge an dem sauberen Stoff ab und verbarg auch dieses Stück. Ein kleiner Zettel wurde herausgeholt. Der Mörder faltete das kleines Stück Papyrus auseinander, wo der Name Elber zu stehen war. Sein Zeigefinger tauchte in das Blut des Toten und strich damit das Wort ab. Gemütlich schlenderte der dunkel gekleidete Mörder zur Waschschale und säuberte darin seine blutgetränkten Lederhandschuhe und das schweißgebadete Gesicht. Das Wasser färbte sich sofort rosa. Er nahm die Feder, die auf den Tisch lag und schrieb auf den Zettel drei weitere Namen untereinander auf. Seine Aufgabe war vollbracht, nun hielt ihn hier nichts mehr auf und so packte er nach den Seilen und verließ das angerichtete Blutbad.

Wie von einer unsichtbaren Hand geführt blieb er neben der nächsten Tür stehen und starrte auf den Beschlag, als ob er vermutete, jeden Moment hindurch sehen zu können. Ein innerer Trieb lies die Seile vorsichtig vor der Türe auf den Fußboden legen. Ohne ein Geräusch zu machen, öffnete er die Türe und trat hinein.

Die junge Frau, im heiratsfähigen alter, lag friedlich unter ihrer Decke. Unerwartet öffnete sie die Augen. »Wer ist da?«, fragte sie auffordernd. Niemand antwortete. Sie sah sich flüchtig in ihrem Zimmer um. Durch die zu gezogenen Vorhänge war es dunkel in den Raum gewesen. »Ach, Du siehst schon Gespenster. Du bist kein kleines Kind mehr«, beruhigte sie sich selber. Hundemüde legte sie sich wieder schlafen und drehte dabei der Türe den Rücken zu.

Hätte die junge Frau sich die Türe genauer angesehen, wäre ihr aufgefallen, dass sie nur angelehnt war. Und der Blick über die Schulter, hätte ihr den Beweis erbracht, dass es kein Gespenst war, was sie vernommen hatte. Und so hörte sie nicht mehr die Tür, die in das Schloss leise einrastete.



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