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Nach einem Jahrhundert

Elijah x Helena
von

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Zwischen ja und nein

Prolog: Zwischen ja und nein
 


 

„Kommen und Scheiden,

Suchen und Meiden,

Fürchten und Sehnen,

Zweifeln und Wähnen,

Armut und Fülle,

Verödung und Pracht,

Wechseln auf Erden –

Wie Dämmerung und Nacht“ (Schubert)
 

Wie sollte ich mich entscheiden?

Sollte ich es riskieren?

Es tun?

Wie konnte ich mir sicher sein?

Was wenn es anders war?
 

Aber das ja schadet mir, wie auch das nein.

Sollte ich es dann nicht sein lassen?

Einfach aufgeben?

Es auf sich beruhen lassen?

Es nicht zu riskieren brachte die wenigsten Schmerzen.
 

Dann aber würde ich keine Antworten haben.

Aber die Antworten würden mir nicht gefallen.

Wie sie auch aussehen mochten.

Vielleicht waren Geheimnisse gut.

Vielleicht waren sie auch schlecht.
 

Ich stand zwischen den Fronten.

Zwischen ja und nein.

Zwischen dem einen und den anderen.

Ich würde verlieren, ich würde gewinnen.

Beides in einem, wie ich mich auch entschied.
 

Entscheiden war schrecklich, das ist die einzige sich ergebene Wahrheit daraus.

Wahrheit

Kapitel 1: Wahrheit
 


 

„Vergangenheit ist es erst, wenn es nicht mehr weh tut.“ (Autor unbekannt)
 

Elenas Sicht:

Ich saß am Steg und schaute auf das weite Meer hinaus.

An so einem Ort hatte ich mit Elijah sein wollen.

Wir hatten es uns in unserer Fantasie ausgemalt und uns gefragt, ob es so einen Ort tatsächlich gab.

Jetzt war ich hier, genau an diesem Ort aus unseren Träumen, allerdings war Elijah nicht bei mir und deswegen konnte ich auch nicht glücklich sein.

Sowieso war mir das an diesem Tag einfach nicht möglich.

Heute war der Tag, an dem wir zu Vampiren waren, heute war der Tag, an dem ich Elijah verloren hatte.
 

Ich hörte die Schritte meiner Schwester, aber ich kümmerte mich nicht darum.

Ich wollte nicht von ihr hören, dass meine Liebe zu Elijah nur Illusion gewesen war oder zumindest, das er meine Gefühle nicht erwidert hatte.

„Heute ist unser Geburtstag, Elena“, fing sie an.

So in der Art konnte man es auch betrachten oder man könnte es ebenfalls unseren Todestag nennen.

Ich schaute weiter aufs Meer, hoffte nur, dass sie aufgab.

„Zumindest ist es der Tag, an dem wir zu Vampiren wurden.

Es ist jetzt hundert Jahre her“, plapperte sie weiter, als glaubte sie, dass sie mich daran erinnern müsste.

Aber ich sollte nicht solch böse Gedanken haben.

Sie konnte auch nichts dafür, dass es so war, wie es war.

„Wir sollten feiern oder glücklich sein.“

Glücklich sein?

Feiern?

Nichts lag mir ferner.

Ich wollte wenn dann nur weinen oder meinen Schmerz herausschreien, nichts weiter.

„Mir ist heute nicht danach.

Das ist kein Freudentag für mich.“
 

Verstand sie mich denn nicht?

Konnte sie nicht verstehen, dass es unmöglich war, für mich wieder glücklich zu werden?

„Das ist es nie.“

Ihre Worte waren bitter und ich wusste, dass ich nicht die Gesellschaft war, die sie sich erhoffte.

Aber die konnte ich auch nicht sein.

„Bitte, können wir etwas zusammen unternehmen?

Es hilft doch auch nicht, dass du die ganze Zeit aufs Meer hinaus siehst“, versuchte sie mich zu etwas zu bewegen und ich konnte es nicht einmal als guten Versuch auffassen.

Ich konnte einfach nicht glücklich sein.
 

Ich stand auf und drehte mich zu ihr um, sofort trat sie erschrocken einen Schritt zurück.

Wahrscheinlich erkannte sie mich nicht wieder und manchmal, da tat ich das auch selbst nicht.

Manchmal war ich mir selbst fremd.

Außerdem hatte ich geweint, die Tränen waren sicher überall auf meinem Gesicht und ich hielt meinen Blick starr.

„Tut mir leid, Katerina, das ich keine amüsante Gesellschaft für dich bin.

Scheint als müsstest du dir eine andere Beschäftigung suchen“, meinte ich kalt zu ihr.

Ich wollte noch so viel mehr sagen, alle meinen Frust hinauslassen und da war auch noch so viel mehr, einen kleiner Stoß und ich würde, wohl schreien.

„Glaub mir, ich verstehe deine Gefühle.

Aber…“

„NIEMAND KANN VERSTEHEN WAS ICH FÜR GEFÜHLE HABE!“
 

Ich hatte geschrien.

Ich hatte gerade meine Schwester angeschrien.

Vielleicht so wirklich das erste Mal in meinem Leben, in unserer Existenz.

Noch nie hatte ich sowas gesagt, meinen Gefühlen so sehr nachgegeben, dass ich sie an sie ausgelassen hatte.

Ich war zurückhaltend.

Anderen zeigte ich meine Gefühle nicht.

Ich belastete sie nicht mit sowas.

Es war mein Schmerz und anderen mussten darunter nicht auch noch leiden, nur weil ich damit nicht klar kam.
 

Dabei hatte ich das wirklich nicht gewollt.

Nie wollte ich meine Schwester so anschreien, sie so verletzten und das was ich ihr gerade damit angetan hatte war nicht richtig.

Nur weil ich Probleme hatte, konnte ich es noch lange nicht an ihr auslassen, egal wie unverstanden ich mich auch fühlte.

Ich lief an meiner Schwester vorbei, weg, einfach nur weg, denn Schuld fraß mich auf, gesellte sich zu meiner unendlichen Trauer.

Ewigkeit war eines der grausamsten Dinge, wenn man sie nicht mit der Person verbringen konnte, die man liebte.
 

Es dauerte eine Weile bis ich mich wieder beruhigt hatte und bis ich wusste, dass ich mich wieder so weit gefasst hatte, dass ich nicht wieder ausrasten würde.

Meine Schwester nicht mehr verletzten würde.

Die Sonne war untergegangen, als ich zu ihr ging, an den Ort, wo ich sie zurückgelassen hatte, weil ich einfach feige abgehauen war.

Sogleich stand sie auf und drehte sich zu mir um, sah hundertprozentig meinen schuldigen Blick und die Schmerzen, die ich fühlte.

„Es tut mir leid, Katerina“, erzählte ich ihr reuevoll, doch das war noch nicht genug.

Kurz schüttelte ich den Kopf, bevor ich neu ansetzte, meine Worte richtig zu untermauern versuchte.

„Es tut mir so leid.

Das war nicht fair von mir.

Ich hätte das nicht sagen dürfen.

Natürlich verstehst du mich, du hast Klaus ebenso geliebt, wie ich Elijah.

Ich darf meinen Schmerz nicht höher stellen als deinen.“
 

Auch wenn wir Zwillinge waren, wusste ich nicht exakt was sie fühlte und es war anmaßend von mir ihr zu unterstellen, nicht genauso stark gefühlt zu haben.

Meine Schwester lief zu mir und nahm ich in den Arm und ich konnte in diesem Moment fühlen, das sie mir längst vergeben hatte, mir vielleicht gar nicht böse gewesen war.

Nein, wir konnten in den anderen nicht hineinsehen, aber wir wussten was wir füreinander fühlten und wir konnten es erahnen.

„Nein, ich sollte dich trauern lassen.

Ich darf nicht von dir verlangen glücklich zu sein, wenn du Schmerzen hast.

Ich möchte mit dir Spaß haben, aber das ist egoistisch von mir.

Elijah war alles für dich, das ist nun mal etwas, das nicht einfach verschwindet.

Ich werde das akzeptieren.

Wenn du es willst, dann darfst du von mir aus immer um ihn trauern und ich werde an deiner Seite sein und dich dabei unterstützen!“, schwor sie mir.

Nur hatte ich das Gefühl, dass das nie genug sein würde.
 

„Helena?“, forderte sie meine Aufmerksamkeit und benutzte seit langer Zeit wieder meinen richtigen Namen.

Ich schaute in die Ferne, nicht zu ihr. „Hmm?“

Ich schaffte es nicht wirklich, mich auf sie zu konzentrieren, es war so schwer.

„Hasst du mich?

Gibst du mir die Schuld für alles?“

Diese Frage schob sich mir so auf und ich hatte so oft darüber nachgedacht, mir selbst die Antwort aufgedrängt, die richtig war, die nur fair war.

Denn sie konnte nichts dafür, egal wie verkettet die Umstände gekommen waren.

Es war nicht ihre Schuld.

Ein Teil der Schuld lag sogar bei mir.
 

„Nein.“
 

Lüge, strafte mich sofort mein Gewissen und mein Herz.
 

Mein Herz hasste sie manchmal und gab ihr für meinen Schmerz die Schuld, obwohl ich doch genau wusste, dass es nicht so war.

Ich wusste nicht woher diese schrecklichen Gefühle kamen, diese vergifteten Gedanken.

Aber wenn ich ihnen nachgehen würde… vielleicht würde ich daran zerbrechen.

„Helena, ich…“, begann sie, doch dann brach sie ab, schluckte etwas hinunter, als ob es ihr schwer viel zu sprechen.

Etwas neugierig sah ich sie an, fragte mich, was sie mir sagen wollte, denn ich hatte keine Idee.

„Ich hab dich angelogen.“
 

Geschockt sah ich meine Schwester an, denn ich konnte nicht glauben was sie da gerade gesagt hatte und in welchen Zusammenhang ich das sehen sollte.

Wann hatte sie mich angelogen?

Worüber?

Weshalb?

Mein Herz tat weh und ich konnte nicht glauben, dass meine Schwester sowas tun würde.

Ich wusste das Katherine nicht ehrlich war und das sie schrecklich sein konnte, aber sie war doch meine Zwillingsschwester.

Wir waren Zwillinge, wir hielten immer zueinander, es gab keine Geheimnisse bei uns.

Es war sie und ich.
 

Das waren ihre Worte gewesen, wie auch meine, unsere.

Nichts sollte uns zerstören.

„Wegen Elijah.

Er hat dich wirklich geliebt.

Ich hab dich angelogen, das was ich gesagt habe, es stimmte vom Inhalt, aber er wollte das alles tun, weil er dich geliebt hat.

Ich hab es nur so ausgelegt, dass das was euch verbunden hat nicht echt war.“
 

Ihr und mir rannten Tränen übers Gesicht und wir standen uns dann wieder gegenüber.

Doch diesmal wusste ich, dass es nichts gab, was das so einfach reparieren konnte, das es vielleicht nie mehr so sein würde wie früher.

„Wieso hast du das getan?“, fragte ich voller Schmerzen, denn in diesem Augenblick verlor ich meine Schwester.

Ich konnte es fühlen.

„Ich wollte dich nicht verlieren.“

Die Tränen ließen sich nicht verbannen.

„Das hast du gerade.“

Und ich lief weg, vielleicht für immer und doch etwas entgegen, das sie mir genommen hatte und uns jetzt entzweite.

Gegenüberstehen

Kapitel 2: Gegenüberstehen
 


 

„Jede Begierde, die wir ersticken, brütet in unserer Seele und vergiftet uns.“ (Oscar Wilde)
 

Elijahs Sicht:

Mehr als ein Jahrhundert war vergangen und noch immer gab es keinen Tag, keine Stunde in der ich nicht an sie dachte.

Ihr ganzes Wesen hatte vollkommen von mir Besitz ergriffen.

Jeder Moment, den wir zusammen verbracht hatten, war eingebrannt in meinem Kopf und auch in meinem Herzen.

Ich versuchte die Zeit immer nur negativ zu bewerten, doch es gelang mir nicht wirklich diese Augenblicke mit Hass zu überfluten.

Es gab Tage, wo sie immer wieder mein Herz erwärmten.

Wenn ich allein war, dann waren diese Gefühle am stärksten.

Dann war kaum noch Hass übrig, sondern nur noch Sehnsucht und ich verfluchte mich für meine Gefühle.
 

Wie Klaus es gesagt hatte, waren diese Gefühle eine Schwäche.

Das war nicht abzustreiten.

Zumindest wenn man in so einer Lage war.

Damals hatte ich, mit ihr an meiner Seite, das Gefühl gehabt nie mächtiger gewesen zu sein und nie stärker sein zu können.

Klaus Worte waren damals einfach an mir vorbei geflossen, jetzt aber holten sie mich ein und überfluteten mich mit ihrer vollen Wirkungskraft.

Zu leugnen war es wirklich nicht.
 

Das Schiff, das mich nach Frankreich bringen würde legte bald ab.

Dort würde ich meine Suche fortsetzen, da mich meine Obsession dahin leitete, wie sie für jeden meiner Wege verantwortlich war.

Die Probleme der anderen Menschen erschienen mir so banal, obwohl sie wohl mehr lebten in diesem Moment, als ich es in dem letzten Jahrhundert getan hatte.

Alles erschien mir unwichtig gegenüber ihr.

Das war es seit sie in mein Leben getreten war, wenn sich die Gründe heute auch geändert haben mögen.

Wichtig war sie immer noch.
 

„Elijah“, hörte ich eine leise Stimme.

Ihre Stimme!

Ruckartig drehte ich mich um, versuchte sie unter der sich bewegenden Menschenmasse auswendig zu machen.

Doch auf einmal glaubte ich sie überall zu sehen und dann war sie doch wieder nirgends, es war kaum zu beschreiben.

Vielleicht spielte mein Verstand mir jetzt schon Streiche.

Schließlich dachte ich ständig nur an sie, mehr als gut für mich war.

Halluzinationen waren da nicht wirklich ausgeschlossen.
 

„Elijah.“
 

Da war es.

Noch einmal.

Wieder sah ich mich suchend um und als ich aufgab, einfach nur nach vorne sah, da stand sie dort auf einmal.

Sie stand dort, als wäre nie etwas gewesen und sie sah mich an.

Ich hatte sie gesucht und jetzt war sie einfach nur da.

So hatte ich mir das nicht vorgestellt und ich wusste in diesem Augenblick nicht zu reagieren.

Doch sie tat es.
 

Sie kam auf mich zu.

Sie schritt zwischen all den Menschen hindurch.

Ihre Schritte waren offensichtlich vorsichtig und zögernd, dennoch kam sie mir vollkommen elegant vor.

Irgendwie wirkte sie so anmutig wie noch nie.

Sie war zeitgemäß gekleidet, natürlich, sodass sie höchst mit ihrer Schönheit hervorstach.

Höchstens.

Das war eine der schlimmsten Übertreibungen.

Dennoch, ihre Schönheit war eben noch immer präsent.

Noch immer war ihr Gesicht so lieblich und ihre Gestalt so zierlich.
 

Ihr Haar war braun, glänzend und fiel ihr auf den Rücken.

Es war immer noch wenig aufwendig zu Recht gemacht, zum größten Teil offen und es war leicht gewellt, nur einige Strähnen waren geflochten.

So natürlich und dennoch atemberaubend, wie eh und je, zumindest für mich.

Das Mädchen, in das ich mich verliebt hatte, hatte sich bis auf ihre Kleidung, nicht verändert und sie stand vor mir, jetzt, in diesem Augenblich und meine Suche hatte nun ein Ende, obwohl sie selbst es beendet hatte.

„Elijah.“

Wieder sagte sie meinen Namen.

Sie hatte also tatsächlich nach mir gerufen oder zumindest einfach nur meinen Namen genannt.

War sie verrückt geworden?
 

Ihre Hand hob sich an, aber als sie die auf meine Wange legen wollte, griff ich fest nach ihrem Handgelenk.

„Hast du den Verstand verloren?“, fragte ich sie direkt und ich hoffte dass meine Stimme so kalt klang, wie ich es mir immer vorgenommen hatte.

Ihre Meine veränderte sich nicht.

Sie war weiterhin nichtssagend.

Ohne Probleme schaffte sie es sich von mir loszureißen.

Ich machte es ihr da auch nicht sehr schwer.

Aber sie entfernte sich keinen Millimeter von mir.

Würde sie wieder weglaufen?

Auch wenn ihre Haltung das Gegenteil bezeugte, konnte ich mir bei ihr nicht sicher sein.
 

Sie hatte mich bereits einmal getäuscht, sehr schwer.

Ich hatte mich geirrt und dies verfolgte mich seither.

Dennoch blieb sie stehen, erfüllte keine meiner Erwartungen.

Sie holte stattdessen etwas hervor, es war schmal, weiß und dennoch vergilbt, auf jedenfall abgegriffen.

Ein Brief, der offensichtlich oft gelesen wurden war.

Sie sah mir in die Augen und reichte mir den Brief.
 

Zu meinem Bedauern schaffte ich es nur zögernd den Brief entgegen zu nehmen.

Und dann, dann schenkte sie mir ein Lächeln, das mich wie ein Mensch fühlen ließ und das mich tatsächlich beruhigte, wie es mir auch Frieden brachte.

„Keine Sorge, ich werde nicht mehr weglaufen“, versicherte sie mir aufrichtig und sprach damit genau das Thema an, worüber ich mir eben noch Gedanken gemacht hatte.
 

Vorsichtig öffnete ich den Brief und wusste wirklich nicht was ich eigentlich erwartete zu lesen, was darin stand und von wem er überhaupt war.

Er war von ihr.

Doch auf diesen Inhalt hätte ich nicht in eine Million Jahre gewettet.

Ich konnte mir praktisch ihre Stimme und ihren Gesichtsausdruck vorstellen, den sie beim schreiben gehabt hatte und ich wusste um die Tränen, die sie dabei vergossen hatte.

Mehrmals musste ich den Brief lesen, um den gesamten Inhalt überhaupt zu begreifen und ich konnte ihn glauben.

Ich wusste das es wahr war, wieso auch immer.

Einfach nur fassungslos sah ich das Mädchen an, das ich unbestreitbar noch liebte.

Die Welt dreht sich

Kapitel 3: Die Welt dreht sich
 


 

„Wobei mir allmählich dämmerte, dass das Unbekannte nicht immer das ist, vor dem man sich am meisten fürchten muss. Die Menschen, die dich am besten kennen, können viel bedrohlicher sein. Denn das, was sie sagen oder denken, macht einem möglicherweise nicht nur Angst – es kann zu allem Überfluss auch noch der Realität entsprechen.“ (Sarah Dessen)
 

Helenas Sicht:

Ich hoffte dass der Brief ausreichen würde, um ihn davon zu überzeugen, dass ein großes Missverständnis zwischen uns bestand.

Mein Herz war voller Hoffnung seit meine Schwester zugegeben hatte, gelogen zu haben.

Dabei müsste ihre Lüge mich mehr treffen, als die neugewonnene Zuversicht.

Aber so war es nicht.

Ich dachte immer nur an ihn.

Elijah.

Und zum ersten Mal nach einem Jahrhundert konnte ich seinen Namen denken und nennen ohne dabei Schmerz zu empfinden, ohne dabei in tiefste Depressionen zu verfallen.
 

Ich hatte das Gefühl ewig viel Zeit verging, in der wir hier standen, in der ich nur wartete und in der er wohl mehrmals den Brief las.

Den Brief, der eine solche Bedeutung für mich hatte.

Eine Frage. die ich jetzt auch kaum noch beantworten konnte, da mir die Ereignisse so unwirklich erschienen, stellte er mir.

„Was ist mit uns geschehen?“
 

Stimmt.

Was war mit uns geschehen?

Ich konnte das jetzt kaum noch beantworten.

Unsere Liebe schien mir immer so real zu sein und groß.

Er war der einzige, den ich je geliebt hatte und ich wusste, der einzige, den ich ewig nur allein lieben würde, niemand sonst.

„Ich weiß nicht… aber ich musste mich entscheiden, wem ich glauben sollte und… und sie ist meine Schwester.

Meine Zwillingsschwester!

Wir haben uns geschworen uns niemals anzulügen.

Warum sollte ich an ihr zweifeln?

Was würde es aussagen, wenn ich dem Wort meiner Schwester misstraute?

Sie hatte mir nie geschadet, noch würde sie das tun wollen.“

Zumindest hatte ich so gedacht.
 

Es gab wirklich keinen auffallenden Grund warum ich ihr Misstrauen sollte.

Wieso sie lügen sollte.

„Ich hab mich geirrt“, gab ich zu, denn das war eine traurige Tatsache, die ich nun schmerzlich einsehen musste.

Aus Gewohnheit hatte ich zu der falschen Person gehalten.

Natürlich, sie war meine Schwester, aber darüber hatte ich meine Lieben zurückgelassen, dessen Wort völlig zurückgestellt.
 

Dennoch schien es mir grausam zu sein, sich zwischen seiner Familie und seiner Liebe entscheiden zu müssen.

Wieso konnte man nicht beides haben?

Wieso wurde einem immer wieder gesagt, man konnte nicht alles haben, sondern musste sich entscheiden?

Das war auch eine Art von Brutalität.

„Warum hast du dir keine Gewissheit verschafft?“

Ich zuckte mit den Schultern.

Hilflos.

„Ich hatte Angst.“
 

Angst davor das Katherine die Wahrheit gesagt hatte.

Angst davor dass sie log.

Einfach nur Angst.

Angst in jeglicher Form.

Denn egal wie es war, wie man es auch dreht und wendete, einen Menschen, den ich liebte, würde ich verlieren.

Vielleicht hatte ich nie so etwas wie Gewissheit gewollt.
 

„Wieso hast du daran gezweifelt, dass ich dich liebe?“, fragte ich nach.

Dass es so leicht zwischen uns zu Ende gehen konnte, war mir unbegreiflich.

Jetzt, im Nachhinein.

Es war doch so groß, so gut, so schön gewesen.

Dass ich ihn liebte, waren meine letzten Worte zu ihm gewesen, bis jetzt.

Hatte er wirklich an der Aufrichtigkeit meiner Gefühle gezweifelt?

Nie hatte ich jemand anders als ihn geliebt und in keinem Teil meines Lebens, war mir etwas ernster gewesen, als in der Zeit mit ihm.

„Es war vielleicht einfach zu gut, um wahr zu sein.

Zumindest kam es mir so vor.“
 

Überrascht sah ich ihn an, denn wenn ich tiefgründig darüber nachdachte, erschien es mir logisch und vielleicht war das auch der Grund für meine Zweifel gewesen.

Elijah zeigte mir ein gequältes Lächeln.

Ein kurzer Gedanke, ein kleiner Zweifel, hat mich vergiftet und durchzog meinen Körper und mein Herz…“

„…sodass sie lähmten und nicht mehr fähig waren zu leben.

Ich war wie in eine Art Trancezustand“, vollendete ich seinen Satz und wenn ich ihm in die Augen sah, wusste ich das er ganz genauso gefühlt hatte.

Noch immer herrschte zwischen uns dieses Verständnis und das beruhigte mein Herz ungemein.
 

Er griff nach meiner Hand und ich spürte Wärme, Verbundenheit.

Es war mir gerade unbegreiflich wie ich so lange ohne ihn hatte leben können oder hatte ich überhaupt wirklich gelebt?

Es erschien mir jetzt irgendwie wie ein Traum und ich wollte ihn mit aller Kraft verdrängen.

„Helena“, nannte er mich bei den Namen, den ich schon lange nicht mehr gehört hatte und auch nicht verwendet hatte.

Nur vor kurzem… meine Schwester…

Aus seinem Mund klang mein Name wie eine Melodie und mir wurde bewusst, wie schön dieser Name eigentlich war.

Niemand könnte ihn wohl besser aussprechen.
 

Wir kamen uns näher, da dies zu uns gehörte.

Wir gehörten zueinander.

Seine Stirn gegen meine und auch wenn ich meine Augen schloss, konnte ich ihn sehen.

Noch viel besser, fühlen.

Dann waren seine Lippen auf meine, was noch unglaublicher war, als damals, als ich ein Mensch gewesen war.

Meine Gefühle waren noch viel stärker, tiefer, als ich es für möglich gehalten hatte.

Damals war es nicht das größte gewesen.

Das jetzt, das war das größte.
 

Seine Lippen waren warm, spielten und tanzten mit meinen und meine Lippen prickelten, während der Rest meines Körpers in Flammen stand.

Mehr!

Das war noch lange nicht genug.

Ich brauchte noch so viel mehr.

Meine Arme schlangen sich um seinen Hals und in diesem Moment verfolgte mich das Gefühl, das die Welt sich einzig und allein um uns beide drehte.

Vereint

Kapitel 4: Vereint
 


 

„Aus zwei menschlichen Lieben erwächst eine göttliche Liebe.“ (Elizabeth Barrett Browning)
 

Elijahs Sicht:

Ein Kuss in der Öffentlichkeit war vielleicht nicht das optimalste, aber ich konnte mich nicht zusammenreißen.

Meine Beherrschung, die ich über die Jahrhunderte aufgebaut hatte und auf die ich so stolz war, hatte mich vollkommen verlassen.

Nichts anderes zählte, als Helena, wie immer.

Einfach nur das Mädchen in meinen Armen, mein Mädchen.
 

Ich wusste dass die Augen aller auf uns lagen.

Man küsste sich nicht auf der Straße, wo Menschen es sehen konnten.

Man berührte sich nicht einmal, soweit es sich vermeiden ließ.

Wir gaben gerade sicher kein gutes Beispiel für Manieren dieser Zeit ab, aber mich konnte nichts weniger interessieren, als die Meinung dieser Menschen.

Ich hatte die Frau zurückbekommen, deren Gedanken an sie ich nicht einmal vertreiben konnte, wenn ich glaubte aufs schlimmste von ihr verraten wurden zu sein.

Die einzigste, mit der ich meine Ewigkeit verbringen wollte.

Der, der ich all meine Zeit widmete.
 

Als sie sich von mir löste, öffnete ich meine Augen, stellte sicher, dass ich sie weiterhin festhielt.

Immer noch hatte ich Angst, dass das alles ein Traum war, das sie mir vielleicht entrinnen würde, wenn ich nicht aufpasste.

Alles war möglich, so sehr ich das auch verfluchen würde.

„Vielleicht sollten wir uns einen anderen Ort suchen“, schlug sie ein wenig heiser vor und ich mochte ihre Stimme, in dieser Tonart.

Es hatte etwas besonders verführerisches an sich.
 

Es mochte vielleicht komisch wirken, aber ich ließ Helena nicht mehr aus den Augen.

Das ging einfach nicht mehr.

Aber sie störte sich offensichtlich nicht daran und zwischen den Zeiten, in denen wir uns immer wieder liebten, redeten wir.

Wir versuchten einander zu verstehen, das was geschehen war, zu rekonstruieren und es erschien uns beiden so absurd, welche Zufälle uns auseinander gebracht hatten.

Wenn ein Detail ein wenig verschoben gewesen wäre…

Wenn wir etwas ein bisschen anders gemacht hätten…

Wenn…
 

Es war quälend.

Wir liebten uns so sehr und hatten nicht damit aufgehört und während Helena sich in ihre Trauer versinken lassen ließ, hatte ich mich in meine Wut hineingesteigert.

Wir hätten beide nur versuchen müssen klar zu sehen, uns ein wenig zusammenreißen müssen.

Doch wir hatten uns von Zweifeln beeinflussen lassen, die unsere Geschwister in uns geschürt hatten.
 

Während ich sie beobachtete, strich ich ihr immer wieder, durch ihr langes braunes Haar.

Gerade, wo wir nur das Sternenlicht hatten, wirkten ihre Haare eigentlich schon schwarz.

Nur wenn ihre Haare beleuchtet wurden, bemerkte man, dass sie eigentlich braun war.

Nicht oft genug konnte ich ihr sagen, das ich sie liebte und wie oft sie es auch zu mir sagte, es war nicht genug, dennoch jedes Mal schön aufs Neue.

Keine Schwäche, wegen meiner Gefühle war mehr übrig geblieben.

Zumindest fühlte ich nichts mehr, außer Glück, Stärke und Zuversicht.

Klaus Worte waren wieder einmal für mich egal geworden und ich hatte nicht vor, sie je wieder an Bedeutung gewinnen zu lassen.
 

Sie kuschelte sich näher an mich und ließ sie nur zu gern weiter in meine Arme versinken.

Nie konnte sie nah genug sein.

„Du schläfst nicht“, murmelte sie verschlafen.

Lächelnd küsste ich sie auf den Kopf und hörte nicht auf sie zu streicheln.

„Ich will nicht die Augen zu machen.

Wenn ich sie wieder öffne, könntest du nicht mehr da sein.“

Diese Angst bestand noch immer, die ganze Zeit über und ich hasste mich selbst für diese Zweifel, doch ich kam nicht darum herum.

„Ich bin noch da.

Du wirst aufwachen und ich werde in deinen Armen legen.

Ich versprech es.“

Nur leise Worte, doch ich glaubte sie und nach einer gefühlten Ewigkeit, schaffte ich es wohl doch zu schlafen.

Dennoch blieb die Angst.
 

Als ich wieder aufwachte war das erste was ich registrierte Helena, die immer noch in meinen Armen lag und obwohl sie es mir versichert hatte, machte sich Erleichterung in mir breit.

Ich fragte mich ob jemals die Angst verschwinden würde, sie zu verlieren.

Sicher war ich mir deshalb auf keinen Fall.

Würde ich jedes Mal mit Angst einschlafen?

Immer mit Erleichterung aufwachen, wenn ich sie sah?
 

Sanft küsste ich sie auf den Kopf und anscheinend war sie wach, denn sie reagierte auf meine Berührungen.

„Elijah“, murmelte sie und ihre Hand wanderte über meine Brust.

Bevor sie mich damit vollkommen den Verstand vergessen ließ, nahm ich ihre Hand und küsste jede ihrer Fingerspitzen, was sie zum kichern brachte.

„Morgen“, meinte sie gut gelaunt und sie strahlte mich an, mit ihrem Mund, ihren Augen und ihrem Herzen, als sie mich ansah.

Spielerisch stupste sie mit ihrer Nase gegen meine und ihre Lachen steckte mich an.

Sie setzte sich auf mich, aber schnell drehte ich den Spieß um und wir drehten und wälzten uns im Bett herum, wodurch keine Decke oder ein Kissen am Ende noch an seinem richtigen Platz waren.
 

Das Ende unseres Spiels war, als wir beide aus dem Bett zu Boden fielen.

Eine etwas unsanfte Landung, dennoch war unsere einzige Reaktion unser Lachen.

„Noch einmal, guten Morgen“, wünschte sie mir lächelnd und ich konnte dieser Aussage wirklich nur zustimmen.

Es war ein guter Morgen.

Der beste seit langem.

„Guten Morgen, Helena“, erwiderte ich und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

Ihre Haare waren zerzaust und keines saß davon mehr am richtigen Platz.

So hatte ich sie noch nie gesehen, dennoch konnte sie gar nicht bezaubernder aussehen.

„Wollen wir nicht aufstehen?“, fragte ich sie amüsiert, als sie ihren Kopf wieder auf meiner Brust ablegte und nicht den Eindruck machte, sich bald wieder bewegen zu wollen.

Knapp ruckte sie mit ihrem Kopf hin und her, ein Kopfschütteln. „Nein!“, befand sie und ich konnte ihr das nicht einmal verübeln.

Meine einzigen Bedürfnisse richteten sich gerade allein auf sie.
 

Ich streichelte über ihre nackten Arme, ihren Rücken und wenn ich die Augen schloss, dann dachte ich dennoch nur an sie.

Ihr Bild begleitet mich allgegenwertig.

Jetzt hatte ich sie gefunden und eigentlich hatte sich nichts daran geändert, das sie immer noch der Mittelpunkt meines Seins war.

Wahrscheinlich würde sich das einfach nie ändern und das wollte ich auch gar nicht.

„Wollen wir nichts zusammen machen?“

Eine weitere Frage, obwohl ich mir die Antwort bereits denken konnte, stellte ich sie dennoch.

Vielleicht einfach nur, um ihre wunderbare Stimme zu hören.

Das könnte wirklich alles sein.

„Doch“, sagte sie zu meiner Überraschung und strich jetzt ihrerseits über meine Arme. „Ich will hier mit dir blieben“, erzählte sie mir und ich konnte nur grinsen.
 

Helena setzte sich auf und ich sah zu ihr auf, verfolgte jede ihrer Bewegungen, als sie sich wieder zu mir hinunter beugte…

„Ich will dass du mich küsst.“

Sie neckte mich mit ihren Lippen, nur ein wenig, kein wirklicher Druck entstand auf meinen, kein richtiger Kuss.

Es war frustrierend, wie schnell sie sich mir wieder entzog.

„Zu jeder Zeit.“

Sie flüsterte es in mein Ohr.

„An jeder Stelle.“

Ihre Lippen streiften so zärtlich über meine Brust und ich wusste, dass ich das nicht mehr lange aushalten würde.

„Immer und immer wieder.“

Das reichte.

Ich konnte ihre Lippen nicht einfach so weiter wandern lassen, sondern packte sie stattdessen und brachte sie wieder unter mich.
 

Wir saßen zusammen vor dem Kamin und ihr Kopf war gegen meine Brust gelehnt, während sie zwischen meinen Beinen saß.

Wir unterhielten uns über alles Mögliche, vor allem über das, was wir im Leben des anderen verpasst hatten.

„Wo ist Katerina jetzt?“, fragte ich nach.

Auch wenn sie es zu verbergen versuchte, wusste ich dass sie der Streit zwischen ihnen belastete, von dem sie mir erzählt hatte.

Ich konnte sie verstehen, dennoch verspürte ich selbst so eine Wut auf Katerina, das sie mir Helena so lange vorenthalten hatte.

Sie hatte unsere gemeinsame Zeit zerstört.

„Sie läuft weiter weg“, erzählte sie mir dann und mir war klar, dass sie auch nicht wusste, wo ihre Schwester denn war.
 

Vielleicht war das ebenso egoistisch von mir, aber mir reichte es vollkommen, dass Helena bei mir war.

Mehr brauchte ich nicht und Klaus konnte von mir aus selbst weitersuchen, wenn er sie haben wollte.

Ich griff nach Helenas Hand und verschränkte ihre Finger mit meinen.

„Bitte lass uns nie wieder an unserer Liebe zweifeln.

Versprich es!“, forderte Helena mich auf und sah sehr ernst zu mir.

„Ich versprech es“, schwor ich ihr und legte meinen Kopf auf ihrer Schulter ab. „Und falls ich mich wieder an deine Liebe erinnern muss, dann lese ich deinen Brief.“

Ihr Brief war verzweifelt, aber ich liebte ihn.

Ich konnte die Emotionen praktisch davon greifen und es zeigte mir, wie sehr sie mich liebte.

„Kannst du den nicht wegwerfen oder so?“, schmollte Helena, denn immer wenn ich ihn mir durchlesen wollte, versuchte sie ihn mir zu entreißen.

Vielleicht erinnerte er sie an ihren Schmerz, aber für mich war er jetzt auch eine Erinnerung an unsere Wiederzusammenführung und an das, was wir überwunden hatten.

Glück

Kapitel 5: Glück
 


 

„Glück ist das Einzige, was wir anderen geben können, ohne es selbst zu haben.“ (Carmen Sylva)
 

Katerinas Sicht:

Ob es Zufall war oder ein Wink des Schicksals, konnte ich nicht wirklich sagen.

Aber nach einem Jahrhundert, das vergangen war, seit ich mich mit meiner Schwester gestritten hatte, sah ich sie wieder.

Nicht nur sie allein, sie war nicht allein.

Sie war mit Elijah zusammen und die beiden gingen Arm in Arm durch die Straßen und störten sich nicht an den Menschen.

Es war, als befanden sie sich in ihrer eigenen kleinen Welt und wahrscheinlich konnten sie kaum glücklicher sein.
 

Das war gut so.

So sollte es sein.

Wenn ich schon nicht mehr bei meiner Schwester war, mit ihr zusammen sein konnte, dann sollte sie zumindest glücklich sein.

Der Streit, den wir gehabt hatten, sollte einen Sinn haben.

Wie sehr er mich selbst auch schmerzen mochte.
 

Ich konnte gar nicht anders, als die beiden zu beobachten.

Ich entdeckte einen Ring an Elenas Finger, wie auch an Elijahs.

Sie hatten anscheinend geheiratet.

Wirklich verwundern tat mich das nicht.

Meine Schwester gehörte einfach zu den Menschen auf der Welt, die heirateten, auch noch, wenn sie bereits ein Vampir war.

Sie war treu und gab nicht einfach auf, auch wenn es einmal schwierig war.

Die Ehe war einfach etwas, das zu ihr passte und ihr auch stand.

Sie verstand sich wohl auch dabei glücklich zu sein, immer noch, nach all der Zeit, wo anderen schon langweilig geworden wäre, mir zumindest.
 

Es war kein Groll zwischen ihnen zu sehen, keine Wut oder etwas anderes, das sie zeigte, dass sie sich irgendwie nicht hatten vollständig verzeihen können.

Sie hatten es.

Wenn ich so darüber nachdachte, war das eine von Elenas stärksten, schönsten und beeindrucktesten Eigenschaften.

Ihre Fähigkeit anderen vollständig vergeben zu können, wie groß ihre Fehler auch sein mochten.
 

Das war sicher ein großartiger Tag für Elena.

Wahrscheinlich gab es gar keinen Tag mehr, an dem sie unglücklich sein musste.

Aber auch wenn das ihr neuer Freudentag sein sollte, so war es mein Unglückstag, denn meine Schwester war mir so fern wie nie.

Es gab keine Möglichkeit mehr für mich bei ihr zu sein und ich vermisste sie schrecklich.

Die ganze Zeit über dachte ich an sie und wünschte mir, dass wir wieder zusammen sein könnten.

Doch sie war frei und ich musste weglaufen.

Das war etwas, das nicht zu ändern war.
 

Elenas Blick fiel auf mich und mein Herz blieb einen Moment stehen.

Zumindest hatte ich das Gefühl.

Da ich aber ein Vampir war, regte sich wohl sicher nichts in meinem Inneren.

Ich hatte Angst, dass sie vielleicht etwas zu Elijah sagen würde, aber sie tat es natürlich nicht.

Sie war doch Elena.

Wie konnte ich das da nur von ihr erwarten?

Sie würde so etwas nie tun.
 

Vorsichtig hob ich meine Hand und seit langem hab ich für so eine einfache Geste nicht mehr gezögert.

Doch das hier war so schwierig und ich wusste einfach nicht genau damit umzugehen.

Anscheinend ging es ihr aber genauso.

Sie sah mich an und nickte mir dann zu.

Dass sie mich erkannt hatte, das stand außer Frage, schließlich hatten wir dasselbe Gesicht.

Aber ich bildete mir auch ein, dass das eine positive Geste gewesen war.

Sie hatte mir zugenickt.

Das konnte doch nichts Schlechtes bedeuten, oder?
 

Genau beobachtete ich, was sie tat.

Sie ließ sich bei Elijah nichts anmerken und dann, dann sah ich wie sie hinter die Bank, auf der sie mit ihm gesessen hatte, einen Zettel warf.

Einen Zettel für mich?

Konnte das sein?

Ich sah mich um, beäugte noch einmal Elijah genau, aber niemand außer mir schien etwas von dem Zettel mitbekommen zu haben.
 

Die beiden gingen fort und ich sah meine Schwester lange hinterher, hoffte und betete seit langem, sie wieder zu treffen.

Ich ging zu der Bank und hob den Zettel auf.

War er für mich bestimmt?

Bitte, lass es so sein!

Langsam öffnete ich den Zettel und mit einer leichten Angst, begann ich ihn zu lesen.
 

Wir bleiben immer Schwestern, Katerina.

Zwillinge.

Vergiss nie, ich werde immer bei dir sein und dich lieben.
 

Immer und ewig,

Helena
 

Das war nicht wirklich viel.

Aber diese kurze Botschaft, brachte mein Herz dazu, erleichtert aufzuatmen und ich wusste nicht, seit wann diese Schwäche wieder von mir Besitzt ergriffen hatte, doch ich konnte einfach nicht anders, als zu weinen.

Es war mir einfach nicht möglich meine Tränen zurückzuhalten.

Zwar brannten sie in meinen Augen, doch eigentlich offenbarten sie sich nicht aufgrund von Trauer oder Schmerz.

Ich war ehrlich glücklich und erleichtert.

Sie hatte auch mir vergeben.

Sie war noch meine Schwester.
 

Ich konnte selbst kaum glauben, wie diese Worte auf mich wirkten.

Es änderte doch nichts an unserer Situation und doch veränderte sie auf der anderen Seite wieder alles.

Denn jetzt wusste ich, dass meine Schwester mich noch liebte und das machte es leichter.

Nicht sehr viel.

Nicht wirklich.

Aber es war etwas, an dem ich mich festhalten konnte und sowas war wichtig.

Ich hatte die ganze Ewigkeit noch vor mir und zumindest begleitete mich jetzt diese eine Gewissheit und nicht mehr die Schuld wie vorher.

Schuld war grausam.

Sie fraß einen regelrecht auf.

Nichts im Vergleich zu dem, wenn man ein Mensch war.
 

Hoffnung dagegen, wie Elena sie mir gegeben hatte…

Hoffnung erwärmte uns.

Sie gab uns Kraft.

Sie gab mir jetzt Kraft und ich wusste, ich würde durchhalten.

Nur wusste ich nicht für was.

Entscheiden

Epilog: Entscheiden
 


 

„Es ist besser, unvollkommene Entscheidungen durchzuführen, als beständig nach vollkommenen Entscheidungen zu suchen, die es niemals geben wird.“ (Charles de Gaulle)
 

Kann bei dir sein,

aber nicht bei ihr

Kann bei ihr sein,

aber nicht bei dir
 

Das eine oder andere
 

Darum allein geht es nur,

sich entscheiden

Jeder von uns musste das,

auch ich
 

Man bekam nur eines von beiden,

wie ungerecht das auch klang

Eines,

nicht das andere
 

Das eine oder andere
 

Kann bei dir sein,

aber nicht bei ihr

Kann bei ihr sein,

aber nicht bei dir
 

Also…

bei…

dir?



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