Zum Inhalt der Seite

Besondere Momente

Schreibzirkel
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sonnenfinsternis

Seit Tagen sprachen die Menschen über nichts anderes mehr. In den Nachrichten und Zeitungen wurde das Thema heiß geredet. Experten wurden interviewt, die Wirtschaft schob bereits seit Wochen Panik und bereitete sich emsig auf das Jahrhundertereignis vor. Selbst wenn man nicht Radio hörte oder gar die Nachrichten im Fernseher sah, so sprachen die Leute auf den Straßen auch über nichts anderes mehr.

Auch wenn die Aufregung und Vorfreude sich in mir ebenso breit machte, so nervte das Thema doch allmählich. In einer Stunde ist alles vorbei und dann würde endlich wieder Normalität in Tokio einkehren. Genervt schaltete ich meinen Radio aus, die quasselnde Moderatorin konnte ich langsam nicht mehr hören, und stellte mich vor meinen Kleiderschrank um Kleidung herauszusuchen. Dabei blieb ich vor meiner Schranktüre, die verspiegelt war, hängen und betrachtete mich nachdenklich. Meine Figur war nicht dick, nicht dünn. Ich drehte mich einmal um sich selbst, warf mir über die Schulter einen Blick durch den Spiegel zu und betrachtete meine Hinteransicht. „Mein Hintern könnte ein wenig kleiner sein...“

Ich drehte mich weiter und sah meine Vorderseite nochmals genauer an.

„... der Busen dafür ein wenig größer“, murmele ich vor mich hin. Ansonsten hatte ich einen flachen Bauch und konnte auch sonst mit mir mehr als zufrieden sein.

Meine Musterung folgte meinem Spiegelbild hinauf und blieb an meinem Gesicht hängen. Schmal, nicht besonders auffällig. Meine blauen Augen stachen heraus. Es gab eher wenige Japaner mit blauen Augen.

Ein Pickel, mittig auf meiner Stirn, sprang mir in die Augen und ich drückte meine Nase an den Spiegel. „Verdammt nochmal, ich bin 17 Jahre alt und befinde mich immer noch in dieser Pickelphase.“

Sanft strich ich mit meinem Zeigefinger über die kleine Erhebung und überlegte ob es sich lohnte ihn auszudrücken, ließ es aber dann doch bleiben. Er war nicht groß, eigentlich kaum zu sehen und wenn ich ganz ehrlich zu mir war, könnte es mich wirklich schlimmer treffen. Manch einer war regelrecht von Akne geplagt und ich beschwerte mich hier über einen kleinen Pickel? „Alles klar, Aoko, übertreib es mal nicht.“

Nun folgten meine Augen zu meinem Hauptproblem. Mein widerspenstiges und unbezähmbares Haar. Es war furchtbar dick, verstrubbelt, mit einer Haarbürste kam ich fast nicht mehr durch. Meine Augen glitten zu der zerbrochenen Bürste, die ich fünf Minuten zuvor frustriert auf den Boden geworfen hatte nachdem diese in zwei Teile zerbrach.

Nase rümpfend widmete ich mich wieder meinem Spiegelbild und fuhr mit meinen Fingerspitzen durch den verwilderten braunen Schopf. Hier und da blieben sie an kleinen Knoten in meinen Strähnen hängen. Dadurch gab ich es letztendlich auf und raffte meine Schulterlange Mähne zusammen. „Ob mir kurze Haare stehen?“

Ich hielt die Haare zuerst auf Kinnlänge, doch dann schüttelte ich meinen Kopf und ließ meine Haare fallen.

Ich hatte noch nie, seitdem ich mein volles Bewusstsein habe, kurze Haare. Diese Vorstellung ging gar nicht.

Wieder betrachtete ich meine ganze Erscheinung, nicht besonders groß eher normal, wie die meisten Japanerinnen durchschnittlich gewachsen waren. Meine Augen blieben an meiner weißen Unterwäsche hängen, doch dann griff ich nach einer kurzen schwarzen Hose und schlüpfte in diese hinein. Als nächstes nahm ich mein weißes Shirt und überlegte ob ich nicht doch eine andere Farbe nehmen sollte.

„Aoko! Wo bleibst du denn? Wir verpassen noch das ganze Spek-...“, platzte Kaito in mein Zimmer. Vor Schreck hielt ich mir das Shirt vor den Oberkörper und wich mit meinem Rücken an den Spiegel zurück.

Ich betrachtete meinen besten Freund, der mitten in seiner Bewegung innehielt, abrupt verstummte und mich mit großen Augen und offenem Mund anstarrte. Es war nicht das erste Mal, dass er ohne zu klopfen in mein Zimmer platzte, aber es war das erste Mal, dass er mich beim Umziehen überraschte. Und genau diese Tatsache trieb mir die Röte ins Gesicht und mein Herz begann schlagartig einen Sprint dahin zulegen.

Schutzlos ausgeliefert presste ich das Shirt an meine Brust und verbarg somit halbwegs meinen Oberkörper. Langsam fühlte ich mich unter seinem Starren unwohl.

Scheinbar schien er es auch zu bemerken. Er schloss schnell seinen Mund, räusperte sich und wandte nun seinen Blick ab.

„...-takel“, beendete er. „Wir verpassen die Sonnenfinsternis, wenn du nicht bald mal fertig wirst.“ Er betrachtete intensiv die Zeiger seiner Uhr, ehe er hinzufügte: „In zwei Minuten geht’s los. Also wird es bald?“

„Gl...gl... gleich“, stotterte ich, immer noch mit meinem rasenden Herzschlag kämpfend. „Kö... könntest du dich bitte umdrehen?“

Statt meiner Bitte zu folgen, lenkte er seine Aufmerksamkeit wieder auf mich und seine blauen Augen zogen mich regelrecht in einen Bann. Sein intensiver Blick verschlug mir glatt die Sprache und trieb meinen Puls in die Höhe.

„Ich warte unten.“

Keine zwei Sekunden später war er aus meinem Zimmer verschwunden.

Nur langsam beruhigte sich mein Herzschlag wieder und ich nahm zum ersten Mal das starke Zittern meiner Hände wahr. Tief ein- und ausatmend versuchte ich wieder zur Besinnung zu kommen und zog nun endlich mein Shirt über den Kopf.

Mein Blick fiel zum Fenster und mit Erschrecken stellte ich fest, dass sich draußen bereits alles in Dunkelheit hüllte. Beängstigend, wenn man bedachte, dass die Sonne um diese Tageszeit hell und warm erstrahlen sollte. Nun aber schnell raus, ehe ich das Jahrhundertereignis verpasste.
 

So sprintete ich die Treppe hinunter, schlüpfte in meine Schuhe und trat in den Garten hinaus. Es war totenstill, kein Vogel zwitscherte, kein Hund bellte, es war als würde die Zeit still stehen. Meine Augen glitten automatisch in den Himmel, fanden den Standort der sonst so erstrahlenden und blendenden gelben Kugel und fand den schwarzen runden Kreis mit einem Strahlenkranz. Der Mond stand wirklich zwischen Sonne und Erde und diese Situation war atemberaubend, faszinierend und einmalig. Ob ich die nächste in knapp neunzig Jahren erleben würde stand in den Sternen und darum kostete ich diesen Moment voll und ganz aus. Einmal in die Sonne zu blicken, ohne Augenschäden davon zu tragen. Welch ein Erlebnis.

Ich bemerkte wie sich jemand zu mir stellte, aber ich war zu fasziniert von diesen stillstehendem Moment, dass ich demjenigen keine Beachtung schenkte. „Dieser Moment ist ganz besonders. Und ich bin glücklich das mit dir erleben zu dürfen.“ Erst als seine Worte mein Gehirn erreichten, wandte ich mich meinem Kindheitsfreund zu, sah ihn mit großen Augen an. Sein Gesicht meinem so nah.

Kurz versicherte ich mich, ob uns jemand Beachtung schenkte, aber Jii-chan, Chikage und Papa waren ganz mit sich und diesem einmaligen Ereignis beschäftigt, dass sie uns nicht mal registrierten.

Ich spürte plötzlich Kaitos Finger an meinen Wangen. Sachte aber bestimmt dirigierte er meine Aufmerksamkeit wieder auf sich und kaum fand ich seine Augen, spürte ich im nächsten Moment seine warmen weichen Lippen auf meinen. Er begann mich zu küssen. Mein bester Freund küsste mich. In meinem ganzen Körper breitete sich schlagartig ein Kribbeln aus, mein Herz pochte wie verrückt und mein Magen fuhr Achterbahn. Es war eine Gefühlsexplosion vom Feinsten. Mit voller Inbrunst legte ich all meine Gefühle in diesen Kuss, erwiderte den Druck seiner Lippen und zerschmolz regelrecht in diesem Moment. Das war mein besonderes Highlight an diesem besonderen Tag in diesen besonderen Minuten.

„Oh, sieh nur Ginzo! Sind unsere Kinder nicht süß? Ich wusste, dass sie zueinander finden werden“, quietschte plötzlich Chikage.

Unter anderen Umständen hätte ich ihr widersprochen, aber in diesem Fall behielt sie recht. Ich war ihm verfallen, schon länger, und das er meine Gefühle erwiderte war mehr als ich jemals zu Träumen gewagt hätte.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Sonne

Fernseher

Garten

küssen

süß

Albtraum

Um mich herum herrschte Dunkelheit. Aufmerksam blickte ich mich um, aber außer mir war niemand in diesem Stadtpark. Mein Blick richtete sich zu dem sich verdunkelten Vollmond. Schnell zogen die dunklen Wolken am Himmel entlang, verschlangen die Sterne und bedeckten den Mond. Ich zog mich um, für einen Verwandlungskünstler wie mich dauerte das nur einen Wimpernschlag. Als ich den weißen Anzug und den Zylinder verstaut hatte und in meinen dunklen Alltagsklamotten durch den gespenstisch wirkenden Park lief, begann in der Ferne ein Donnergrollen.

Wieder glitten meine Augen in den inzwischen finsteren Nachthimmel. Wetterleuchten nannte man die sich in den Wolken entladenden Blitze. Ein schönes Schauspiel, dennoch konnte dieses Naturphänomen auch beängstigend sein.

Für Aoko wäre es das. Sie hasste Gewitter. Bereits seit unserer Kindheit hatte sie Angst vor Blitz und Donner und seitdem ich das wusste, versuchte ich eine Lösung zu finden. Ich probierte bereits so vieles aus, aber nichts half gegen die Angst.

Ein Blitz fuhr vom Himmel. Es dauerte eine Weile ehe der Schall folgte. Es war noch weit weg, weit genug um noch rechtzeitig nach Hause zu kommen.

Ich beeilte mich dennoch den Park zu verlassen und durch die Straßen nach Hause zu gehen.

Die Luft veränderte sich, die Spannung lag förmlich in der Luft. Bald würde es richtig losgehen.

Ein passender Abschluss für diesen Tag, meinen erfolgreichen Tag.

In der Schule hatte ich die Klausur ohne Probleme gemeistert, meine Vorbereitungen auf den Coup liefen wie am Schnürchen, zwischendurch konnte ich Aoko von ihren traurigen Gedanken ablenken, mein Diebstahl verlief nach Plan und ich konnte erfolgreich dem Kommissar entkommen. Alles in allem ein gelungener Tag.

Ein starker Wind zog auf. Die Wolken am Himmel zogen rasch vorüber. Das Gewitter näherte sich.

Vielleicht sollte ich mit Aoko während einem Gewitter spazieren gehen? Sozusagen eine Schocktherapie. Es brauchte nur ein wenig Planung, ein Treffen im Park kurz vor dem Unwetter. Während dem Gewitter gehen wir dann nach Hause. Wenn sie erst mal merkte, dass ihr wirklich nichts passierte, hätte sie ihre Angst besiegt und ich müsste mir nicht mehr ihr Gejammer anhören.

Aoko konnte einem wirklich den letzten Nerv rauben, so launisch war sie manchmal.

Der Abstand zwischen Blitz und Donner verringerte sich zunehmend. Der Schall dröhnte durch die Häuserschluchten und Wohnsiedlungen. Es klang gefährlicher als es wirklich war.

Der Wind wurde stärker, pfiff mir um die Ohren. Erste Tropfen fielen aus dem dunklen Wolkenhimmel herab und nach und nach verstärkten sich die wenigen Tropfen bis es anfing zu regnen. Das war nun der Moment in dem ich meine Beine in die Hand nahm und nach Hause rannte. Auch wenn es nicht mehr weit war, so kam ich doch klitschnass dort an, denn der Regen verstärkte sich zunehmend und das Gewitter verschlimmerte sich, war nun direkt über Tokio und die schwarzen Wolke entlud sich beinahe schon im Sekundentakt.

Als ich endlich unser Grundstück erreichte, war ich bereits bis auf die Haut nass. Ich zog meinen Schlüssel hervor und hielt plötzlich inne. Vor meiner Haustüre saß jemand.

Ich trat näher heran und meine Augen fielen auf das zitternde Mädchen, das ihren Kopf zwischen ihren Händen und Knien vergraben hatte, das sich ganz fest die Ohren zuhielt und leise schluchzte.

Da sie unter dem Vordach saß, war sie zumindest trocken geblieben. Besorgt trat ich an sie heran, kniete mich zu ihr hinab und löste vorsichtig ihre Hände von ihren Ohren. „Aoko“, flüsterte ich um sie nicht zu erschrecken.

Sie blickte auf. Tränen hingen ihr noch in den Augenwinkeln, die blauen Augen rot unterlaufen. „Kaito?“ Sie löste ihre verkrampfte Haltung, sah mich verwirrt an, doch dann sprang sie so plötzlich auf und keifte: „Du Idiot, wo bist du gewesen? Weißt du überhaupt wie spät es ist? Wo warst du und …“, sie holte kurz Luft, betrachtete mich skeptisch und dann doch sehr besorgt: „... du bist pitschnass. Was hast du dir denn nur dabei gedacht?“

In diesem Moment fuhr ein Blitz zur Erde hinab, begleitet von einem lauten und ohrenbetäubenden Knall.

Aokos Schimpftirade war damit beendet. Dafür warf sie sich mir an die Brust, presste ihren zitternden Körper fest an meinen, während ihre Finger sich in meine Jacke krallten und sie ihren Kopf an meiner Brust verbarg.

Mit rasendem Herzklopfen, ob es von dem Schreck eben oder von Aokos plötzlicher Nähe kam wusste ich nicht, legte ich vorsichtig meine Arme um ihren vor Angst schlotternden zierlichen Körper und strich ihr beruhigend über den Rücken und ihr weiches Haar.

Sie wimmerte leise vor sich hin, reagierte nicht auf das Streicheln.

„Aoko, du bist nicht allein. Ich bin jetzt hier und wir stehen das zusammen durch. Weißt du, ich konnte nicht schlafen. Die drückende Hitze hat mich wachgehalten. Ein Spaziergang sollte mir helfen müde zu werden. Das Unwetter hat mich überrascht“, schwafelte ich vor mich hin, während ich ihr unentwegt über das Haar und den Rücken strich. Es war gelogen, größtenteils zumindest, und das schlechte Gewissen drückte mir auf das Gemüt. Aoko war meine beste Freundin, ein wichtiger Teil in meinem Leben und sie jedes Mal aufs Neue anlügen zu müssen lastete schwer auf mir. „Ich wollte rechtzeitig zurück sein, Aoko“, warum ich ihr das sagte wusste ich nicht. Aber es stimmte, denn innerlich wusste ich wie sie auf Gewitter reagierte und ihr Vater war noch nicht zuhause. Er musste noch seinen Einsatzbericht schreiben und würde vermutlich erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kommen.

„Du bist nicht da gewesen. Mein Vater jagt mal wieder Kid und du bist nicht da gewesen“, schniefte sie verzweifelt. „Ich hatte solche Angst allein und dann bin ich hierher und du bist nicht da gewesen.“

Instinktiv drückte ich ihren Oberkörper fester an meinen, verstärkte den Griff um sie und nun vergrub ich mein Gesicht an ihrer Schulter. Schlagartig erdrückte mich der Vorwurf meiner besten Freundin nicht zur Seite gestanden zu haben. „Es tut mir leid, Aoko.“ Eine Entschuldigung an sie und an mein schlechtes Gewissen.

Das Gewitter zog weiter. Das schlimmste hatten wir überstanden. Ich hielt Aoko weiterhin in meinen Armen. Wir waren uns noch nie zuvor so nahe. Aber ich genoss es sehr. Es fühlte sich richtig und schön an. Langsam beruhigte sie sich wieder. Als ich spürte dass sie sich zu lösen begann, ließ ich sie los und trat einen Schritt zurück. Verlegen wandte ich den Blick ab, als sie ihren hob. Ihr jetzt in die Augen zu sehen brachte ich einfach nicht fertig. Dafür fühlte ich mich zu aufgewühlt.

„Dir ist schon klar, dass du das wieder gut machen musst?“ Sie wischte sich über ihre Augen.

Ich ahnte bereits, dass es mit einer Entschuldigung nicht getan war, aber was das für Konsequenzen haben würde wollte ich überhaupt nicht wissen.

„Wir hatten heute in der Schule drüber gesprochen. Der Tanzabend in der Karaokebar steht an.“

„Aoko“, quengelte ich wie ein kleines Kind. Ich sah sie entsetzt an. Alles würde ich tun, aber nicht gerade das. Wir hatten heute in der Schule drüber geredet und die Hälfte der Klasse würde dorthin gehen. Hauptsächlich die Mädchen. Keiner der Jungs würde freiwillig zu dieser Tanzveranstaltung gehen.

„Du hast einiges wieder gut zu machen“, kniff sie wütend ihre Augen zusammen und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was ist da schon dabei?“

„Einen Tanz, aber nur einen“, stimmte ich widerwillig zu. Ich konnte Walzer. Meine Mutter hat ihn mir beigebracht, weil sie meinte das es wichtig wäre tanzen zu können.

Tango!

„Was?“

„Du hast richtig gehört. Einen Tanz. Das hast du selbst gesagt.“

Ein Seufzer zeigte mein Nachgeben. „Okay.“ Ich suchte wieder ihre Augen. „Und jetzt bring ich dich nach Hause. Das Gewitter ist fast weg.“

Gemeinsam gingen wir zu ihr rüber, denn Aoko wohnte im Haus nebenan. Wir schlenderten zu ihrer Haustüre. „Jetzt kannst du ruhig schlafen“, bemerkte ich.

„Ja, du auch.“ Sie sog tief die frische gereinigte Luft ein. Es regnete zwar immer noch, bei weitem aber nicht mehr so viel.

Die Schwüle ist jetzt weg und es herrschte wieder angenehme Temperatur.

Aoko sperrte ihre Türe auf und lächelte mich nochmal an. „Bis morgen, Kaito.“

„Bis morgen. Gute Nacht!“

Ich wartete bis sie die Türe geschlossen hatte und ging zu mir nach Hause. Es war ein langer Tag und die Nacht würde auch in ein paar Stunden zu Ende gehen.

Als ich die Haustüre schloss, zog ich meine Schuhe aus, hängte meine Jacke auf und ging direkt die Treppe hinauf. Zuerst wollte ich in mein Zimmer um mich umzuziehen, doch dann entschied ich mich erst das Badezimmer aufzusuchen. Nachdem ich dort fertig war, ging ich zu meinem Zimmer und öffnete die Türe.

Meine Hand glitt zum Lichtschalter. Mein Blick zum Fenster raus. In Aokos Zimmer brannte noch Licht. In dem Moment als ich meine Zimmerlampe einschaltete, hörte ich einen gedämpften Schrei. Besorgt eilte ich auf meinen Balkon und blickte hinüber zu Aokos Schlafzimmer. Hatte sie geschrien? In ihrem Zimmer ging das Licht aus. Vielleicht war sie auch einfach nur gestürzt? Oder ich hab mir diesen Schrei nur eingebildet? Ja, das wird es gewesen sein.

Entschlossen gleich ins Bett zu gehen um wenigstens noch ein bisschen Schlaf zu ergattern, kehrte ich in mein Zimmer zurück.

Kaum betrat ich mein Schlafzimmer und griff nach dem Türgriff, kam mir erst der Gedanke.

Meine Balkontüre stand offen.

Ich drehte mich zu meinem Bett um und erstarrte. Mein Herz hingegen begann zu rasen. Panik erfasste meinen gesamten Körper als ich die Wand anstarrte. Ich konnte nicht glauben was da war.

Auf meiner weißen Wand stand mit roter Schrift geschrieben: Ich freue mich auf unseren Tanz!

Die Farbe muss erst vor kurzem angebracht worden sein, denn die einzelnen Buchstaben tropften die Wand herab und hinterließen dort ihre Spuren.

Meine Augen folgten den Spuren hinab auf mein Bett, hinunter zum Boden. Die rote Spur führte über meinen Teppich zu meinen Füßen. Mit rasendem Herzklopfen und einem bangen Gefühl wie einer noch schlimmeren Ahnung löste ich meine Hand von dem Balkontürgriff und betrachtete sie. Rot …

… Es roch nicht nach Farbe, sondern nach Eisen …

… Das war keine Farbe …

… Das war Blut

Mit weit aufgerissenen Augen, stark und schmerzhaft pochendem Herzen und einem ganz schlechten Gefühl drehte ich mich zu Aokos Fenster um. Ihr Zimmer lag in absoluter Dunkelheit.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Blut

Balkon

nass

spazieren

Tango

Der Wochenendausflug - Teil 1

Aufgeregt blickte Aoko zum Fenster hinaus und beobachtete die vorbei ziehende Landschaft. „Bald sind wir da! Freut ihr euch auch schon so sehr?“ Neugierig und mit großen Augen blickte sie zu ihrem Vater, der sich hinter der Tageszeitung vergrub und die gesamte Fahrt über nichts sagte. Nachdem auch jetzt keine Antwort von ihm kam, wanderte ihr Blick weiter zu ihrem besten Freund. Dieser saß gelangweilt neben ihr und spielte die gesamte Zeit mit seinem Handy. Auch von ihm erfolgte keine Antwort.

Wut keimte in ihr auf. Sie nahm sich fest vor sich nicht von diesen beiden Miesmachern den Wochenendausflug verderben zu lassen. „Wie nett von euch mich zu ignorieren“, brummte sie. Dabei schob sie ihre Unterlippe vor und kniff ihre Augen zusammen.

„Wieso seid ihr überhaupt mitgekommen, wenn ihr sowieso keine Lust dazu habt?“

Keine Antwort.

Wieder wich ihr Blick zu ihrem Vater, dann zurück zu dem Jungen, aber nichts – nada.

„Das nächste Mal frage ich euch nicht mehr. Dann fahre ich eben alleine, oder ich frage Hakuba, ob er mich begleitet“, überlegte sie schmollend lautstark weiter. Sie erwartete sowieso keine Antwort, doch dieses Mal täuschte sie sich.

Synchron und wie aus einem Mund erklang von beiden männlichen Begleitern: „Das wirst du nicht!“

Überrascht blickte sie wieder zu ihrem Vater, dann wieder zu ihrem besten Freund. „Wie bitte?“

„Du wirst nicht allein fahren!“ Das kam von Kaito.

„Du wirst nicht mit diesem überheblichen Detektiv das Wochenende verbringen!“ Das kam von ihrem Vater.

Zweimal, dreimal blinzelnd starrte Aoko vor sich hin, ehe sie sich wutschnaubend in ihrem Sitz zurückfallen ließ.

Verehrte Fahrgäste in wenigen Minuten erreichen wir Kamakura Station.

Immerhin hielt der Zug gleich an. Die Wut war sofort wieder verflogen, denn die Vorfreude kehrte umso stärker zurück. Erfreut sprang Aoko von ihrem Platz auf und klatschte begeistert in die Hände. „Ich freue mich schon so sehr auf das Meer. Ich werde gleich nachdem Check-In zum Strand gehen.“

„Das dauert ja noch ein bisschen“, bremste ihr Vater sie in ihrer Vorfreude.

Doch Aoko beschloss sich nicht davon beeinflussen zu lassen. Sie setzte gerade an, etwas trotziges zu erwidern, als der Zug plötzlich scharf abbremste. Durch den starken Ruck, verlor die Oberschülerin ihr Gleichgewicht, fiel nach vorne, konnte sich noch rechtzeitig abfangen, und dann blieb der Zug ganz stehen. Ein erneuter Ruck durchzog den Wagon und riss Aoko endgültig von den Füßen. Sie fiel zurück. Weich landend fand sie sich auf Kaitos Schoß und quetschte ihn zwischen ihrem Rücken und der Sitzlehne ein.

„Man, geh runter von mir! Du bist schwer“, motzte er in ihr Shirt und rang nach Luft.

Seine Worte ließ ihr Blut wieder aufkochen. „Ich bin nicht schwer, Bakaito!“

„Du solltest mehr Sport treiben und weniger Schokolade essen. Du bist schwer wie ein Walross! Und du schnürst mir die Luft ab!“

„Dafür kannst du aber noch ganz schön viel reden“, erwiderte Aoko bissig und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie spürte wie er sich gegen sie stemmte um sie von seinem Schoß zu bekommen, doch sie dachte nicht daran so schnell nachzugeben.

Verehrte Fahrgäste. Unser Gleis ist noch belegt. Daher verzögert sich unsere Weiterfahrt um wenige Minuten.

„Geh runter“, motzte Kaito.

„Entschuldige dich“, widersprach Aoko.

„Nein.“

„Tja, dann...“, sie lehnte sich erneut gegen ihn, während er sie von sich wegzudrücken versuchte.

„Du Aho!“

„Baka!“

Der Erwachsene in dieser Runde betrachtete eine ganze Weile die Streiterei der beiden, nicht so recht wissend, was er von dem Bild vor sich halten sollte. Im nächsten Moment blickte er sich im Wagon um und bemerkte die vielen genervten, aber auch neugierigen Blicke. „Aoko, Kaito, benehmt euch bitte eurem Alter entsprechend.“

Aber die beiden hörten gar nicht zu. Sie waren zu sehr in ihren Streit verwickelt.

„Nimm ab!“

„Ich muss nicht abnehmen!“

„Du sitzt ja auch nicht auf deinen Schoß!“

„Entschuldige dich, dann geh ich runter.“

„Nein!“

„Doch!“

„Wozu sollte ich?!“

„Kaito und Aoko!“ Rot vor Scham stand Ginzo auf. „Ihr benehmt euch wie Kindergartenkinder.“

Auch diese Aussage beeindruckte die Oberschüler nicht. In diesem Moment fuhr der Zug wieder an und zwar so ruckartig, das Aokos Vater auf seinem Sitz landete. Auch Aoko schwankte durch die plötzliche Anfahrt und Kaito nutzte die Chance und schob sie von sich. Mit einem Satz landete sie wieder auf ihrem alten Sitzplatz.

„Willst du mich umbringen?“, keifte Kaito sie an.

„Wenn du weiterhin so beleidigend bist, wäre das eine Überlegung wert“, giftete Aoko zurück.

„Du bist grausam“, tadelte der Oberschüler. Sein Handy vibrierte und sofort richteten sich seine Augen wieder auf das leuchtende Display.

„Du bist gemein“, erwiderte Aoko schmollend. Im nächsten Moment beugte sie sich über das Handy. „Was ist denn überhaupt so interessant?“ Schon zeigte sich auf dem Display ein Foto von dem Mondscheindieb, auch bekannt als Meisterdieb 1412 oder Kaito Kid.

Kaito wischte mit seinem Finger über das Display und verfolgte die aktualisierte Meldung. „Ist das dein Ernst?“ Sie zischte die Luft zwischen den Zähnen heraus. „So fixiert wie du auf diesen idiotischen Dieb bist, könnte man meinen du stehst auf ihn.“

„Falsch, ich bewundere ihn“, konterte Kaito, immer noch in diese neueste Meldung vertieft.

„Du bewunderst ihn?“ Ginzo Nakamori fiel beinahe die Kinnlade herunter.

Kaito sah immer noch nicht auf, aber antwortete: „Natürlich, er ist ein großer Magier! Ich versuche hinter seine Tricks zu kommen, ihn zu durchschauen. Aber es gelingt mir nicht. Er ist ein wahrer Meister.“

„Er ist ein Gauner und tut Unrechtes. Er gehört eingesperrt“, kam es von Aoko wutschnaubend.

Kaito blickte auf und sah sie lange an. „Eingesperrt finde ich etwas übertrieben. Was er tut ist nicht richtig, aber er behält das Diebesgut nicht, sondern bringt es immer zurück.“

„Er verursacht Kosten, die letztendlich der Steuerzahler übernimmt. Auch wenn niemand zu Schaden kommt, so kosten die unnötigen Polizeieinsätze Geld, auch kommt es vor das etwas zu Bruch geht“, mischte sich Ginzo ein. „Eine Strafe muss sein!“

„Bestimmt hat er Gründe für sein Handeln“, mutmaßte Kaito.

„Ach ja? Welche sollten das sein?!“ Aoko blickte ihn von der Seite an. „Langeweile? Kein Privatleben? Hang zur Selbstverliebtheit? Aufmerksamkeitsdefizit? Oder doch chronische Depression, da er sein Leben immer leichtfertig aufs Spiel setzt?“ Sarkasmus schwang in ihrer Aufzählung mit.

Kaito verzog sein Gesicht, antwortete aber nicht.

Dafür mischte sich Aokos Vater ein. Seine Arme vor der Brust verschränkt, die Augen geschlossen und höchst konzentriert. „Was auch immer seine Beweggründe sind, er hat viele Fans, die ihn wie einen Helden feiern und ihn sympathisch finden. Viele identifizieren sich mit ihm, weil er den Menschen vermittelt eine Art Robin Hood zu sein.“

„Er nimmt es von den Reichen und gibt es den Armen? So ein Quatsch. Er ist ein stinkendes Frettchen“, rümpfte Aoko ihre Nase.

„Woher weißt du das er stinkt?“, hakte Kaito neugierig nach.

„Frettchen bedeutet auf lateinisch Dieb und Frettchen, besonders die männlichen stinken! Das wüsstest du wenn du in der Schule mal aufgepasst hättest.“

„Hmm“, grinste Kaito und seine Augen blitzten: „Vielleicht macht es ihm Spaß den Leuten eine Show zu bieten, ihre Begeisterung zu sehen, wenn er Magie anwendet. Vielleicht ist er ein Zauberer mit Leib und Seele und möchte den Menschen etwas bieten, sie eine andere Welt entführen. Ein Moment, in dem alles möglich scheint und selbst das Unfassbare real wird. Vielleicht geht es ihm um die Macht der Magie.“

Schon spürte er einen kräftigen Schlag auf der Schulter. „Macht der Magie? So ein Gesülze kann auch nur von dir kommen.“

„Aua, wie kannst du mich nur schlagen? Das tut weh, Ahoko!“ Wie ein Weichei strich er sich selbst über die lädierte Schulter. Dennoch grinste er heimtückisch. Im nächsten Moment krachte es um ihn herum, Konfetti verteilte sich über Aoko und ihm. Wie aus dem Nichts flog eine weiße Taube durch den Wagon.

Die Passagiere um sie herum, starrten fasziniert der weißen Taube nach, die ihre Runden im Zugabteil drehte. Staunend erklangen „Ah“s und „Oh“s und „Sieh da!“

Kaito kicherte in sich hinein, während Aoko grimmig drein blickte.

„Es ist einfach die Menschen mit Zauberei zu begeistern.“ Sein Grinsen wurde breiter. Die Taube flog zurück zu ihrem Herrchen, drehte ab und landete auf Aokos schokobraunem Haarschopf.

Überrascht spürte sie das kleine Vögelchen auf ihrem Haar und blickte irritiert zu ihrem besten Freund.

Kaito grinste immer noch undurchschaubar, griff nach Aokos linker Hand und hielt diese vor ihre eigene Nase.

Sie spürte ein leichtes Prickeln und die wärmende Haut. Ein Kribbeln durchfuhr ihren Körper. Was passierte hier mit ihr? Lange blieb ihr keine Zeit darüber nachzudenken, denn Kaito schnippte und die Taube flog von ihrem Kopf auf ihre Hand, die immer noch von Kaitos Hand umschlossen war.

Aufmerksam und mit leicht geröteten Wangen starrte Aoko auf die kleine hübsche Taube. Die schwarzen Knopfaugen blickten Aoko direkt an, ganz aufmerksam. Zumindest redete sich die Oberschülerin das ein um sich von ihren Gedanken abzulenken, was das nun für ein seltsames Gefühl in ihr war.

Kaito legte seine andere Hand über die Taube, streichelte diese kurz mit seinem Zeigefinger, ehe er eine kleine Höhle mit seiner Hand bildete und darin den kleinen weißen Vogel einschloss. Er zählte bis drei, dabei bewegte er beide Hände und Aokos Hand, die zwischen seinen lag, schwankte mit.

Aufmerksam und gefesselt starrte sie auf seine Hände, die so groß wirkten, auf die schlanken Finger, die diese prickelnde Wärme auf sie übertrugen. Er hatte sehr schöne Hände... Was dachte sie da überhaupt?! Das musste sofort aufhören.

Im nächsten Moment löste sich Kaito grinsend von ihr, ließ ihre Hand los und sie starrte auf die Handfläche. Die Taube war verschwunden, stattdessen lag in ihrer Handfläche eine weiße Rose. Errötet starrte sie auf die schöne Blume, dann blickte sie schüchtern zu ihrem besten Freund. Das starke Herzklopfen ignorierend. „Danke, Kaito!“, hauchte sie überwältigt.

Plötzlich ertönte Applaus um sie herum. Die Fahrgäste hatten sich um ihren Sitz gedrängt um auch ja nichts von dieser kleinen Show zu verpassen.

Noch röter werdend, registrierte sie die vielen lachenden Gesichter, die glänzenden Augen und die Pfiffe und Jubelrufe. Selbst ihr Vater klatschte begeistert mit. Ihm hatte diese kleine Show auch gefallen.

Kaito genoss die Aufmerksamkeit, grinste in die Menge, doch dann drehte er sich seiner besten Freundin zu und flüsterte: „Das ist die Macht der Magie.“
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Gauner

Frettchen

schlagen

feiern

sympathisch

Der Wochenendausflug - Teil 2

Aoko lag auf dem Bett und starrte die weiße Decke an. Sie hing in ihrer Gedankenwelt fest.

Kaitos kleine Zaubershow hatte die anderen Fahrgäste begeistert, ihnen sogar den Tag versüßt. Aoko erinnerte sich sogar daran ein paar Kinder gesehen zu haben. Es dauerte nicht lange da leerte sich der Zug.Nachdem sie auch den Zug verlassen hatten, gingen sie zum Taxistand und ließen sich von einem der Fahrer zum Hotel bringen. Die Fahrt war nicht mal annähernd so teuer, wie sie erst vermutet hätte.

Das Hotel war wunderschön, an einer eigenen Bucht gelegen, mit einem eigenen Zugang zum Strand und hatte sogar einen Hotelpool. Alles wirkte am Empfang so familiär, liebevoll eingerichtet bis ins Detail, und sie fühlte sich auf Anhieb wohl.

Ihre Augen lösten sich von der weißen Zimmerdecke und blickten sich in ihrem kleinen Hotelzimmer um. Gleich neben der Eingangstür führte eine Türe zu ihrem kleinen Badezimmer. Platz für eine Badewanne war nicht vorhanden, aber die Dusche reichte ihr vollkommen. Ihr Zimmer war nicht sehr groß. Die Wände waren weiß, hatten aber lustige blaue Längsstreifen in verschiedenen Breiten aufgemalt. Und es hingen ganz viele Bilder von der Bucht, dem Strand, das Meer und dem Pool an den Wänden.

An der Wand ihr gegenüber hing ein Flachbildfernseher, zwar ein kleiner, aber immerhin. Mit dem Einzelbett und einem Kleiderschrank, den sie aber noch nicht in Anspruch genommen hatte, war das Zimmer dann auch schon voll. Die große Fensterfront hatte leider keinen Balkon davor, dennoch blickte sie direkt aufs Meer. Ein traumhafter Ausblick, wofür sich die ganze Reise schon gelohnt hatte.

Ihre Augen wanderten nochmals durch das Zimmer und blieben an ihrem Koffer neben der Türe haften. Auspacken sollte sie auch noch, wenn sie sich noch ein wenig umsehen wollte.

Sie raffte sich auf und holte sich ihren Koffer aufs Bett. Während sie ihre Kleidung in den Schrank räumte, schweiften die Gedanken wieder zurück zu Kaito.

Ihr bester Freund packte bestimmt auch seinen Koffer aus. Er tat ihr leid, denn er durfte sich mit ihrem Vater ein Zimmer teilen. Immerhin hatte dieses zwei getrennte Einzelbetten und es war auch größer als ihres. Ein Tisch und zwei Stühle fanden auch noch darin Platz.

Sie zog soeben ein hübsches Sommerkleid hervor, als ihr Blick ihre linke Hand betrachtete. Wieder begann ihr Herz schneller zu klopfen, als sie an die Situation im Zug dachte. Warum reagierte ihr Körper plötzlich so seltsam? Das war doch bisher nie so. Immerhin war sie Kaito nicht zum ersten Mal so nah gekommen. Nachdenklich kaute sie auf ihrer Unterlippe und hing endlich das Kleid weg. Sie versuchte sich auf etwas anderes zu konzentrieren.

Kaum war sie fertig und der Koffer ebenfalls im Schrank verstaut, wurde die Türe aufgerissen. „Hey, Aoko, bist du fertig? Wir wollten uns doch noch ein bisschen umsehen.“ Kaito platzte ungefragt ins Zimmer und sofort bereute Aoko nicht abgeschlossen zu haben. Denn das Hotel verfügte noch nicht über diese modernen Schlüsselkarten, sondern hatte ganz normale Türgriffe und Schlösser.

„Schon mal was von Anklopfen gehört?“

„Stell dich nicht so an. Du bist doch angezogen!“

„Und wenn ich nicht angezogen wäre? Immerhin hätte ich auch duschen können.“

„Hast du aber nicht“, erwiderte Kaito achselzuckend und grinste sie an. „Außerdem hab ich dich früher schon öfter nackt gesehen.“

Aoko schoss die Röte ins Gesicht. „Da war ich maximal sieben Jahre alt und noch weit davon entfernt eine Frau zu sein!“

Kaito musterte sie ernst und aufmerksam. Ganz trocken und ernsthaft hakte er nach: „Wo ist der Unterschied zu jetzt? Du bist immer noch flach wie ein Brett. Hat sich nicht viel zu früher geändert.“

Die Röte in ihrem Gesicht verfärbte sich in einen sehr dunklen Ton, ob aus Scham oder Wut, oder sogar einer Mischung aus beidem könnte Aoko gar nicht sagen. Sie wusste nur noch, das Kaitos letztes Stündlein geschlagen hatte. „Na warte! Dieses Mal bist du fällig, du Baka!“

Kaito begann zu kichern und lief vor ihr weg.

Aoko jagte ihm hinterher. „Lauf um dein Leben, Kuroba! Dein letztes Stündlein hat geschlagen!“

„Du fängst mich ja eh nicht“, provozierte Kaito sie weiter und jagte durch das Treppenhaus hinunter und in den Garten raus. Er folgte einfach dem Fußweg im Eiltempo, Aoko dicht hinter sich, und rannte den etwas steinigen und leicht steilen Weg hinab zum Meer. Am Strand blieb er dann so unverhofft plötzlich stehen.

Aoko, die nicht damit rechnete, kam nicht rechtzeitig zum Stehen und krachte in seinen Rücken. Riss ihn dabei von den Füßen und drückte seine Vorderseite in den weichen hellen Sand. Sie richtete sich etwas auf und staunte über die Schönheit dieser Bucht. Es war niemand zu sehen. Es schien fast so als wären sie beide die einzigen hier. Das Meer brandete in einem leisen stetigen Rhythmus - beruhigend und fast klangvoll.

„Geh runter von mir“, keifte Kaito unter ihrem Gewicht schnaufend.

Aoko, die keine Lust auf einen weiteren Streit hatte, stand widerstandslos auf und ging ein paar Schritte vor. „Traumhaft“, war das einzige Wort, das ihre Lippen verließ.

Auch Kaito stand auf, blickte sich um, und trat letztendlich auf sie zu. „Und wir sind hier die einzigen“, stellte er fest.

Er stand so nah bei ihr, dass ihr Herz wieder zu rasen begann. Sie hoffte so sehr, das er es nicht hören konnte. War ja eigentlich auch gar nicht möglich, aber wenn sie sich vorstellte, er wüsste von ihren aufkommenden Gefühlen, er würde sie hänseln bis an ihr Lebensende. Um sich abzulenken und vielleicht auch um sich bei ihm für diese unverschämten Worte zu rächen, trat Aoko näher ans Meer. „Das Wasser ist so klar und blau. Ich möchte schwimmen gehen.“

Kaito blieb Stirn runzelnd stehen. „Hast du denn Badesachen dabei?“

Aoko warf ihm einen kecken Blick über die Schulter zu, nahm all ihren Mut dazu zusammen und sagte so frei und frech heraus: „Nein, aber man kann ja auch nackt schwimmen.“ Sie zog sich ihre Schuhe aus und trat noch näher ans Meer. Die klare frische Luft atmete sie dabei tief ein.

Nachdem keine Reaktion erfolgte, drehte sie sich nochmals um, versicherte sich das Kaito noch hinter ihr stand. Er schien zur Salzsäule erstarrt. Innerlich bejubelte sie sich zu seiner Sprachlosigkeit und davon beflügelt fügte sie noch hinzu: „Immerhin dürfte dich das ja nicht groß stören. Es hat sich ja zu früher nichts verändert.“

Sie fummelte an ihrem Hosenknopf herum, öffnete diesen, ließ den Reißverschluss aber noch zu. Ganz genau beobachtete sie seine Reaktion, aber er rührte sich immer noch nicht und stand einfach wie erstarrt da. Zum Glück trug sie unter ihrem Shirt noch ein Top, darum konnte sie ihre kleine Rache noch ein wenig genießen. Langsam fuhren ihre Finger zum Saum ihres Oberteils und zogen es leicht hoch, ehe sie es sich über ihren Kopf zog und in den Sand warf. Sie achtete genauestens auf seine Reaktion. Seine Augen klebten förmlich an ihrem Körper und sie wurde verlegen unter seinem aufmerksamen Blick. Zum Glück fühlte sie sich noch durch ihr Top geschützt. Dennoch gab sie noch nicht auf. Diese Rache war besser als alle anderen zuvor. „Was ist denn mit dir Kaito? Traust du dich nicht? Hast du Schiss vor mir oder vor den Fischen, die im Meer schwimmen?“

„Fisch?“, krächzte der verwirrte Oberschüler. Aokos Aktion irritierte ihn, brachte ihn sogar in Verlegenheit.

„Na klar, dachtest du etwa Fische schwimmen nur im Aquarium?“, lachte Aoko nun lautstark auf.

„F...Fisch?!“, wiederholte er und lief grün an, seine Muskeln verkrampften sich.

Im nächsten Moment hörten sie lautes Gelächter. Es erfüllte die von Klippen eingesäumte Bucht und Kaito sowie Aoko drehten sich der kleine Gruppen zu.

Zwei Männer und zwei Frauen näherten sich rasch.

Aoko zog Kaitos Aufmerksamkeit wieder auf sich. „Schade, jetzt wird das nichts mehr mit dem Schwimmen.“ Sofort spürte sie die blauen Augen ihres besten Freundes auf sich. Verlegen wich sie nun doch seinem Blick aus, knöpfte sich ihre Hose zu und bückte sich um ihr Shirt und ihre Schuhe aus dem Sand aufzuheben. Schon bereute sie ihre Worte. Wie sollte sie ihm denn jemals wieder in die Augen sehen? Was hatte sie sich dabei nur gedacht? Wie peinlich konnte man sich überhaupt aufführen? Welcher Teufel hatte sie denn eben geritten? Am liebsten hätte sie sich jetzt an ihm vorbei geschlichen und sich in ihrem Zimmer verkrochen.

„Hallo“, begrüßte die herankommende Gruppe die beiden fröhlich. Sie waren ein wenig älter als Kaito und Aoko.

Eine der beiden Frauen blieb vor Kaito stehen und musterte ihn aufmerksam. „Dich habe ich hier noch gar nicht gesehen. Bist du schon länger hier?“

Der Oberschüler warf Aoko einen undefinierbaren Blick zu und lächelte die Frau an. „Nein, wir sind heute angekommen.“

„Wir?“ Die schlanke Frau trug ihre rote Lockenpracht offen. Sie zog neugierig die Augenbrauen hoch.

„Ja, Aoko und ich“, antwortete Kaito und deutete auf seine beste Freundin. „Ich heiße Kaito.“

Das genannte Mädchen beobachtete nur und wusste nicht was sie davon halten sollte. Sie spürte einen fiesen Stich im Herzen und Wut in sich aufsteigen.

Die Rothaarige drehte ihren Kopf in gedeutete Richtung und rümpfte die Nase. Doch dann grinste sie nur und wandte sich wieder ihrem Gesprächspartner zu.

„Ich bin Hiko. Freut mich sehr. Und wie lange bleibst du hier?“

„Übermorgen fahren wir wieder nach Hause.“

„Oh, schade.“

„Ja, leider.“ Wieder warf Kaito einen kurzen Blick zu Aoko, den sie aber absolut nicht zu deuten wusste.

Nachdem die anderen drei Fremden ihre Handtücher in den Sand gelegt hatten, die Klappstühle und Sonnenschirme aufgestellt hatten, näherten sich diese auch.

„Wohnt ihr auch im Hotel?“, fragte die blondhaarige Frau und musterte Aoko aufmerksam.

„Ja“, antwortete Aoko nickend. „Ihr auch?“

„Ja, wir sind schon ein paar Tage hier und bleiben noch eine Woche“, erklärte diese freundlich und reichte Aoko die Hand. „Ich bin Akemi“, stellte sie sich nun vor. „Das ist...“, sie deutete auf den schwarzhaarigen, groß gewachsenen und breitschultrigen Typen neben sich. „... mein Freund Uyeda und...“, sie zeigte auf den Dunkelblonden, der ein wenig schmächtiger war, dennoch Aoko um eineinhalb Köpfe überragte. „.... und das ist Ryu.“

„Freut mich“, antwortete Aoko und stellte sich selbst noch einmal vor. Dabei reichte sie jedem der Drei die Hand.

Die Rothaarige lächelte Kaito an. „Wie sieht es aus, bleibst du noch ein bisschen?“

Kaito sah wieder zu Aoko. Unschlüssig was er sagen sollte, zögerte er noch mit einer Antwort.

Aoko mischte sich nun ein. Es war ihre Chance ihn von dieser Rothaarigen weg zu bekommen. „Nein, leider nicht. Wir haben keine Schwimmsachen dabei.“Ü

berrascht zog ihr bester Freund seine Augenbrauen hoch. Und als wollte er ihr extra eins rein würgen, sagte er: „Ach jetzt auf einmal ist das ein Problem? Das klang vorhin noch ganz anders.“

Knallrot wurde sie auf diese Aussage und ihre Gesichtsfarbe konnte es locker mit der Haarfarbe von Hiko mithalten. Allerdings missfiel ihr seine Aussage und Aokos Mimik verfinsterte sich. Ein weiterer schneller Blick zu der Schönheit, denn die Rothaarige war wirklich gut gebaut und hatte große Brüste, dagegen kam sich Aoko vor wie ein Mauerblümchen und wirklich so flach wie ein Brett. Die Oberschülerin beschloss ihre Taktik zu ändern, schmiegte sich an Kaitos Arm, der sich sofort versteifte, und zwinkerte ihm mit einem, wie sie hoffte kecken, Augenaufschlag zu und flüsterte verheißend: „Da waren wir auch noch ganz allein.“

Die Rothaarige starrte die beiden ungläubig an, dann jedoch verfinsterte sich ihr Blick.

Akemi mischte sich ein und lächelte freundlich. „Dann sehen wir uns bestimmt beim Abendessen.“

Aoko nickte ihr lächelnd zu. Die Blonde war ihr sofort sympathisch. Sie winkte den Männern noch kurz zu und zog Kaito mit sich mit. „Komm schon, Schatz“, forderte sie ihren besten Freund auf und ließ ihm keine andere Wahl als mitzukommen.

Kaum außer Sicht- und Hörweite grinste Kaito schelmisch und hinterlistig. „Schatz...“, fragte er langgezogen.

„Ja“, antwortete Aoko geistesabwesend. Immer noch behagte ihr nicht, wie Hiko Kaito anflirtete, obwohl sie auch ein Pärchen hätten sein können. Ihr graute es schon die Rothaarige beim Abendessen wieder zu sehen.

„...kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“

Seine Worte holten sie in die Gegenwart zurück. Schnell sah sie sich um, aber sie waren wirklich allein. Erst jetzt blickte sie in seine funkelnden Augen und auch jetzt erst wurde sie sich bewusst, das sie immer noch an seinem Arm hing. Aber warum hat er sich nicht von ihr gelöst?

Nachdem sie ihm nicht antwortete, fügte er überheblich hinzu: „Scheint dich ja mächtig zu ärgern, das Hiko mit mir flirtet.“

„So ein Quatsch, Baka“, widersprach Aoko sofort und unterdrückte die aufkommende Röte. Schon ließ sie ihn auch los und blickte sich neugierig um. Sie konnte ihm jetzt nicht ins Gesicht sehen.

„So, so“, neckte er nun weiter. Er tat als würde er überlegen. „Du würdest mit mir alleine also wirklich nackt baden gehen?!“

Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Die Süße ihrer Rache bekam einen bitteren Nachgeschmack. Sie hatte sich ihr eigenes Grab geschaufelt und könnte sofort vor Scham im Boden versinken. „Das hast du falsch verstanden“, wich sie aus. Sie wollte sich aus dem Staub machen. Bevor sie aber einen Schritt tun konnte, packte Kaito sie an den Schultern und suchte ihre Augen.

Ihr Herz begann schlagartig zu klopfen. Der Puls raste nur so und das Blut schoss unter Adrenalin durch ihre Adern. Ihr Mund wurde ganz trocken und sie wusste nicht was sie machen sollte.

„Was auch immer mit meiner Aoko passiert ist, ich möchte sie wieder“, verlangte er plötzlich.

„Wie?“

„Heute, das bist nicht du! Wo ist die Aoko, die ich kenne?“ Er sah ganz ernst in ihre Augen, versuchte irgendwas darin zu erkennen.

In Aoko brach ein Sturm der Gefühle aus. Verwirrung stand ihr ins Gesicht geschrieben.

„Hier seid ihr“, mischte sich Herr Nakamori ein.

Sofort ließ Kaito seine beste Freundin los.

„Ich habe gleich noch eine Verabredung mit der örtlichen Polizei. Wir wollten den Einsatz für morgen besprechen.“

„Darf ich denn mitkommen?“, fragte Kaito neugierig nach. Dann sehe ich an diesem Wochenende noch etwas anderes als das Hotel.

„Ja, klar kannst du mitkommen“, nickte Aokos Vater zu und wandte sich an seine Tochter. „Kommst du auch mit?“

Aoko immer noch in ihrem Gefühlschaos gefangen, schüttelte ihren Kopf. „Nein, ich gehe nachher lieber noch in den Pool.“

„Okay“, nickte ihr Vater zu. „Zum Abendessen sind wir wieder zurück.“ Er drehte sich um und Kaito folgte ihm nach einem letzten Blick auf Aoko.
 

Den Nachmittag verbrachte Aoko dann tatsächlich im Pool und am Pooldeck. Hier traf sie auf mehrere andere Urlaubsgäste, allerdings nicht auf die Vier vom Strand. Und sie war froh darüber. Sie wusste nicht wie sie sich Hiko gegenüber verhalten sollte. Alle Gedanken an Kaito und was am Strand sonst so passierte wurden rigoros verdrängt. Sie wollte nicht darüber nachdenken. Zu peinlich und zu verwirrend war das alles. Sie wollte nur noch abschalten, diesen Kurztrip so schnell es ging hinter sich bringen und hoffte sehr das in Tokyo der Alltag wieder einkehrte.

Als es Zeit fürs Abendessen wurde, begab sich Aoko in ihr Zimmer zurück, duschte und zog sich fürs Essen um. Dann wartete sie auf die Rückkehr von ihrem Vater und Kaito. Es ärgerte sie, das sie überhaupt erst hierher gekommen sind wegen dieser neuen Ankündigung von Kid. So oft wollte sie schon hierher fahren. Es war nicht weit weg von zuhause und hier war es wunderschön. Sie hatte sich in diesen Urlaubsort verliebt. Aber ihr Vater vertröstete sie immer und immer wieder. Und kaum kündigte sich der Meisterdieb an, kümmerte er sich sofort darum. Es war doch wirklich zum Schreien. Warum konnte er sich nicht einmal um sie, seine einzige Tochter, kümmern? Sie war das einzige Familienmitglied, das er noch hatte und er war fast nie zuhause, verbrachte Tage und Nächte damit Kid zu jagen.

Es klopfte an ihrer Türe. „Aoko?“ Die Stimme ihres Vaters. Sie waren zurück. Jetzt konnten sie Abendessen gehen. Schnell sprang sie auf und öffnete die Türe. „Hallo Papa.“ Sie blickte sich um. „Wo ist Kaito?“

„Er ist schon auf der Terrasse“, antwortete ihr Vater und gemeinsam gingen sie das Treppenhaus hinunter.

Die Terrasse war gut gefüllt. Die Hotelbesucher fanden sich alle pünktlich zum Abendessen ein. Aoko sah sich um und suchte in der Masse nach ihrem besten Freund. Als sie ihn entdeckte spürte sie wie sich ihr Herz zusammen zog. Er saß an einem Tisch und unterhielt sich angeregt. Das nächste was ihr in die Augen stach waren die roten Locken.

Ginzo steuerte auf einen freien Tisch zu und setzte sich.Aoko unterdrückte die aufsteigende Traurigkeit, folgte ihrem Vater und versuchte Kaito zu ignorieren. Langsam wurde sie wütend auf ihn. Sollte er doch machen was er wollte. Sie würde den morgigen Tag schon alleine überstehen und übermorgen ging es sowieso wieder nach Hause.

Herr Nakamori vergrub sich sofort in der Speisekarte und nahm keinerlei Notiz von dem Geschehen um sich herum.

Aoko blätterte lustlos in der Karte. Ihr war der Appetit vergangen.

Wenig später setzte sich Kaito zu ihnen am Tisch und schnappte sich auch eine Karte.

Die Bedienung kam und die drei bestellten.

„Morgen Abend ist ein Jahrmarkt im Ort“, verkündete Kaito und durchbrach die Stille.

Aoko reagierte nicht, war in sich gekehrt.

„Das ist doch schön. Da könnt ihr doch hingehen, während ich auf dem Einsatz bin“, klinkte sich Ginzo ein. „Aoko?“

„Ja, können wir hingehen“, sagte sie lustlos zu.

Während Kaito und Ginzo sich über die Vorgehensweise über den bevorstehenden Diebstahl beratschlagten, verfiel Aoko in Schweigen. Als das Essen kam, breitete sich eine normale Stille aus, aber die Oberschülerin bekam kaum etwas runter. Zu sehr schlug ihr Kaito auf den Magen.

Dieser beobachtete sie die ganze Zeit über und runzelte seine Stirn.

Nach dem Abendessen gingen sie alle früh schlafen. Es war ein anstrengender Tag.
 

Am nächsten Morgen begann der Tag sonnig und mit sommerlichen Temperaturen. Ideal um diesen Tag nach dem Frühstück am Strand zu verbringen. Schon beim Frühstück trafen Aoko und Kaito auf Hiko, Akemi, Uyeda und Ryu. Es stellte sich schnell heraus, das sie alle das gleiche Ziel hatten und so verbrachten sie den Tag zusammen am Meer. Und wider erwarten war es nicht mal halb so schlimm. Auch wenn Hiko an Kaito klebte, so war Aoko doch sehr gut abgelenkt von den anderen drei. Sie lernten sich auch besser kennen und erfuhren, das die vier bereits studierten. Sie kamen aus Osaka und das beruhigte Aoko ungemein. So bestand nicht die Möglichkeit Hiko auch noch zuhause zu treffen.

Der Tag verging zu schnell und der Abend brach an. Es war soweit, denn Ginzo Nakamori musste zum Einsatz.

„Pass auf dich auf, Papa. Es kann gefährlich werden.“

Ginzo nickte, winkte beinahe die Sorge seiner Tochter leichtfertig ab. Dann drückte er ihr ein paar Geldscheine in die Hand. „Habt heute Abend viel Spaß und Kaito...“, er sah den Oberschüler eindringlich an. „... pass gut auf Aoko auf.“

Der Oberschüler nickte.

Wenige Minuten später fuhr Herr Nakamori mit einem Taxi zum Einsatzort.

Gemeinsam zogen die Oberschüler zu Fuß los. Schweigsam gingen sie nebeneinander. Es war nicht so wie sonst, sondern viel bedrückender.

Kaito warf seiner besten Freundin einen traurigen Blick zu. Dann fasste er sich und stopfte seine Hände in die Hosentaschen. „Aoko“, er schluckte. „Es tut mir leid, aber ich bin heute Abend schon mit Hiko verabredet.“

Ihr Herz setzte für einen Moment aus. Tränen stiegen ihr in die Augen, doch sie kämpfte sie tapfer nieder. „Du hast meinem Vater versprochen auf mich aufzupassen“, warf sie ihm vor, aber sie konnte ein Zittern in der Stimme nicht ganz unterdrücken.

Wieder ein sorgenvoller Blick von Kaito, dann erklärte er: „Wir treffen uns mit Akemi und den Jungs. Sie passen auf dich auf. Ich gehe dann mit Hiko alleine weiter.“

Aoko verkrampfte sich, nickte niedergeschlagen und beschloss ihn sich aus dem Kopf zu schlagen. Sie war nun mal einfach nur seine beste Freundin. Nicht mehr und nicht weniger. Eines Tages würde er ihr seine Freundin vorstellen. Darüber sollte sie sich langsam mal klar werden und auch damit auseinander setzen.

Wenig später fanden sie den Jahrmarkt und trafen am Eingang auf die Studenten. Hiko sprang Kaito freudig um den Hals und nach einer kurzen Verabschiedung, verschwanden die beiden in der Masse.

Aoko blickte ihnen verletzt hinterher, aber Akemi hakte sich schon bei ihr unter. „Lasst uns feiern gehen! Ich habe gehört, das um zehn eine Tanzveranstaltung stattfindet. Dort können wir später noch hingehen.“

Uyeda lächelte seine Freundin an. „Du willst nur selbst tanzen.“

„Was dagegen?“, lachte Akemi und ihr Freund legte einen Arm um ihre Schulter. „Meine kleine Tanzmaus“, schmunzelte er.

Ryu ging an Aokos freier Seite und gemeinsam erforschten sie die vielen bunten und beleuchteten Stände, Schießbuden, Süßigkeiten- und Losbuden, fuhren Riesenrad, wilde Karussells und besuchten sogar das Spiegelkabinett, die Geisterbahn und sogar die Bootstour. Die Bezeichnung 'für Verliebte' ignorierte Aoko schlichtweg.

Die Oberschülerin fühlte sich wohl unter den drei Studenten. Diese waren natürlich, witzig und angenehm. Sie lenkten sie von ihrem Kummer ab, auch wenn ihre Gedanken sich die ganze Zeit um Kaito und Hiko drehten.

Die Zeit verging schnell und schon bald würde die Tanzveranstaltung beginnen. Gemeinsam schlenderten sie über den Jahrmarkt zu der großen Bühne.

Ryus Handy brummte. Als Aoko ihn beobachtete, wie er es aus der Tasche zog und aufmerksam über dem Display hing, zog sie skeptisch die Augenbrauen zusammen. „Sag nicht, du hast auch diese komische App und bekommst ständig neue Meldungen rein.“

Er blickte überrascht auf, lächelte sie an und nickte. „Ja, und die Neuigkeit des Abend: Kid konnte mit dem Juwel entkommen. Die Polizei ist mal wieder gescheitert.“

„Kid ist so toll“, schwärmte Akemi plötzlich.

Uyeda schmunzelte und drückte seine Freundin fester an sich. „Ich bin besser als Kid“, stellte er überzeugt fest.

Akemi kicherte verliebt.

Aoko beneidete die beiden. So wollte sie auch einmal so von einem Jungen angesehen werden, wie Uyeda Akemi ansah.

Der Moderator eröffnete die Tanzveranstaltung. Zuerst trat eine Gruppe auf die Square Dance zeigte. Dann folgten noch ein paar Volkstänze, ehe die Tanzfläche für die Besucher eröffnet wurde.

Aoko stand neben Ryu und sah Akemi und Uyeda beim Tanzen zu. Die beiden tanzten wie Profis. Nicht einmal tanzen konnte die junge Nakamori richtig.

„Hey“, erklang eine Stimme direkt neben ihrem Ohr. Sie erkannte diese Stimme, würde sie sofort unter Tausenden heraus hören.

„Kaito?“ Sie blickte überrascht auf. Sie sah in sein hübsches Gesicht, die blauen Augen, die ihr Herz zum Klopfen brachten und betrachtete das verwuschelte Haar, welches sie so sehr an ihm mochte. Doch dann erinnerte sie sich an sein Date mit Hiko und im selben Augenblick suchten ihre Augen nach der Rothaarigen. Diese stand neben Ryu und blickte säuerlich drein. Aoko fragte sich warum sie so wütend war.
 

Kaito folgte dem Blick seiner besten Freundin und ahnte wohin ihre Gedanken wanderten. Wenn sie nur wüsste, dass er Hiko als Ausrede benutzte um ungesehen verschwinden zu können.

Er hatte schließlich als Kid einen Coup angekündigt.

Allerdings stellte es sich als schwieriger heraus den Rotschopf los zu werden. Letztendlich konnte er sie in eines der Liebesboote setzen und bevor es abfuhr, redete er sich mit starker Übelkeit heraus. Er erzählte ihr, das er beim Geisterhaus auf sie warten würde und schon schipperte das Boot langsam davon. Sie schimpfte ihm nach, aber was sie sagte verstand er da schon nicht mehr. Es würde knapp werden, aber wenn er sich beeilte war es zu schaffen. Es war Stress, aber wann war es das mal nicht? Er erinnerte sich an sein Date mit Aoko und selbst da hatte er es geschafft pünktlich zurück zu sein.

Zu schade dass er nicht ehrlich zu ihr sein konnte. Es belastete ihn stark, sie immer wieder anlügen zu müssen und sein Date mit Hiko muss sie wirklich sehr verletzt haben. Er wollte es wieder gut machen, auch wenn er nicht wusste ob das noch möglich war. „Hast du Lust zu tanzen?“

Ihre großen blauen Augen starrten ihn an. Ihr Mund war leicht geöffnet und ihre Lippen, so zart und rosa. Am liebsten hätte er sie geküsst, doch er riss sich zusammen, wollte sie nicht überrumpeln. Sein Herz klopfte die ganze Zeit so stark in seiner Brust.

Seit Hakuba um Aokos Gunst buhlte, wusste Kaito das er Aoko liebte. Zuvor ahnte er es nur, wollte es nicht wahrhaben. Sie war seine beste Freundin. Er kämpfte gegen die Gefühle an, aber jedes Mal wenn sie ihm so nahe kam, brachte sie seine mühsame errichtete Wand wieder zum Einsturz.

Aoko sagte nichts, starrte ihn sprachlos an.

Darum entschied er für sie und zog sie mit sich auf die Tanzfläche. Schnell legte er ihre Arme um seine Schultern und umfasste sie an ihrer Taille. Sie war so schön und seit dem Erlebnis am Strand, hatte sich seine Sicht auf sie komplett gewandelt. Dieses sexy Auftreten, diese Selbstsicherheit, ihre Offenheit, die schönen Augen mit dem verführerischen Augenaufschlag und ihre Hände, die sich an ihrer Hose zu schaffen machten. Ihre Worte allein hätten ihn um den Verstand bringen können, aber als sie dann das Shirt über den Kopf zog, sich für einen kurzen Moment ihr flacher Bauch zeigte, ehe das Top wieder an seinen Platz rutschte, da wurde ihm unsagbar heiß und er spürte das sein gesamtes Blut aus dem Kopf hinab in die Lenden schoss. Für einige Sekunden dachte er wirklich, sie würde sich vor ihm ausziehen.

Aber er war unsagbar erleichtert, das sie nur mit ihm spielte. War das zu glauben? Sie hatte mit ihm gespielt und es gefiel ihm.

Und um jeden Preis wollte er wieder diese heiße Seite an ihr sehen und irgendwann, nicht heute, nicht morgen, aber irgendwann würde er ihr seine Liebe gestehen und bis dahin würde er sie weiterhin provozieren und reizen und neue Seiten an ihr kennen lernen.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Jahrmarkt

Urlaub

tanzen

schwimmen

gefährlich

Winterausflug

Seine Augen betrachteten den großen Weihnachtsbaum inmitten der riesigen Eingangshalle. Gerade gewachsen mit gleichmäßig auslaufenden sattgrünen Ästen. Bunt geschmückt mit Lametta und Weihnachtskugel in verschiedenen Größen. Die elektronischen Kerzen strahlten hell und spiegelten sich in den Glaskugeln wieder. Mittig oben auf der Spitze war ein großer goldener Stern und rundete das Erscheinungsbild des perfekten Weihnachtsbaum ab.

Er sah sich in der großen Halle um. Überall waren Schüler verteilt, die Trainingsanzüge verschiedener Schulen trugen und hier auch ihren Winterausflug verbrachten. Ihre Klasse war dieses Jahr zum zweiten Mal hier. Letztes Jahr waren sie hauptsächlich auf der Skipiste und erhielten für den letzten Abend die Aufgabe einen Pärchen Abschlusslauf zu fahren. Seine Klassenlehrerin hatte immer die seltsamsten Einfälle, daher fragte er sich was ihr für diesen letzten Abend im Kopf herumschwirrte.

Da hörte er schon ihre Stimme und stellte fest, dass sich seine Klasse bereits um sie herum versammelt hatte.

Schnell stellte er sich zu seinem besten Freund und lauschte den Worten seiner Lehrerin. „Die Fackeln zeigen uns den Weg und bieten eine romantische Atmosphäre. Sobald wir zurückkommen erwartet uns noch eine Überraschung. Freut euch schon mal darauf!“

„Worum geht’s?“, hakte er bei seinem Kumpel Kota nach.

„Wir gehen später auf die Loipe zum Skilanglauf. Wird wie eine Art Nachtwanderung ablaufen, nur eben auf Ski.“

„Und wieder mal zu spät“, mischte sich seine beste Freundin ein, die neben Kota stand. „Was war es diesmal, Baka? Hast du verschlafen oder dich verlaufen?“

„Keins von beiden, Aho“, antwortete Kaito, beugte sich leicht in ihre Richtung und zischte: „Für dich sollten wir lieber mal einen Schlitten organisieren. Du gibst immer noch keine gute Figur auf den Brettern ab.“

„Lass das mal meine Sorge sein, Bakaito!“

„Ahoko!“

Frau Kitazumi ignorierte den aufkommenden Streit und sprach laut und deutlich weiter. „Ihr habt eine Stunde Zeit, dann treffen wir uns wieder hier unten und brechen auf.“

Die Schüler zogen sich in ihre Zimmer der Unterkunft zurück. Kaito betrat mit seinen Mitbewohnern Kota, Fujie und Hikoro das Vier-Bett-Zimmer.

Während Fujie die Türe schloss, fragte er: „Musst du immer so gemein zu Aoko sein?“

Kaito drehte sich überrascht um und fixierte seinen dicken Mitschüler. Er wusste nicht was er darauf sagen sollte.

„Hast du noch nie von dem Sprichwort gehört, was sich liebt das neckt sich?“, antwortete Kota grinsend.

„Ich liebe sie nicht“, wies Kaito schlagartig ab.

Fujie sah Kaito ernst entgegen, dann allerdings wandte er schüchtern seinen Blick ab. „Ich finde Aoko immer sehr freundlich und hilfsbereit.“

Zu dir vielleicht“, erwiderte Kaito entnervt und verschränkte seine Arme vor der Brust.

„Zu jedem“, sprach Hikoro für die Jungs im Zimmer. „Bekommst du das echt nicht mit?“

„Was interessiert mich Aoko“, zuckte er mit den Schultern und wechselte seine Hose.

„Dich interessiert sie nicht? Wirklich nicht?“, hakte Hikoro erstaunt nach.

Auch Fujie sah den beliebten Oberschüler zweifelnd an.

Kaito runzelte die Stirn. Was sollte das hier eigentlich werden? „Sie ist brutal, aggressiv und nervig. Zudem sieht sie nicht mal gut aus.“

Die Jungs zogen sich um, aber das Gespräch war noch längst nicht zu Ende. „Du findest wirklich das sie nicht gut aussieht?“, hakte Hikoro ungläubig nach. „Alter, du musst wirklich Tomaten auf den Augen haben.“ Er stockte: „Oder du interessierst dich wirklich nicht für sie.“

„Ich weiß was ich sehe“, brummte Kaito verstimmt und schlüpfte mit einem Arm in die Skijacke.

„Dann stört es dich ja auch nicht, wenn ein anderer sich an sie ran macht?“, versicherte sich Hikoro erneut.

„Das ist aber keine gute Idee“, mischte sich Kota ein. „Ich traue mich zu wetten, das Kaito sehr wohl eifersüchtig wird, auch wenn er leugnet sie zu lieben.“

„Was soll das alles überhaupt?“ Kaito war nun mehr als verstimmt. Er wurde langsam sauer. Erzählten ihm hier seine Klassenkameraden das Aoko beliebt war? Seine Aoko beliebt bei den männlichen Mitschülern? So ein Quatsch.

„Dir ist scheinbar nie aufgefallen, wie die Jungs sie anhimmeln. Aber keiner traut sich einen Schritt vor zu wagen, da du ja das alleinige Anspruchsrecht hast“, erklärte Kota vorsichtig.

Nun entglitten Kaito die Gesichtszüge, während er mit dem zweiten Arm in die Jacke schlüpfte. „Was?!“

„Aber wenn dem nicht so ist, dann stört es dich ja auch nicht, wenn wir das publik machen“, sprach Hikoro wieder und grinste Kaito herausfordernd an.

„Mach was du willst“, verkündete dieser, zog den Reißverschluss seiner Jacke zu und setzte sich seine Mütze auf. Dann verließ er das Zimmer.

Sein Weg führte den Gang entlang und er schnaubte wütend auf. Wenn seine Zimmerkollegen erreichen wollten, das seine gute Laune in den Keller sank, dann haben sie es wirklich geschafft. Er kochte innerlich vor Zorn.

Langsam betrat er die große Eingangshalle und wiedermal blieb sein Blick an dem riesigen Weihnachtsbaum hängen.

Ein Kichern zog seine Aufmerksamkeit

Nicht weit von ihm entfernt stand seine beste Freundin. Sie trug ihren blauen Skianzug, dicke Handschuhe und einen Schal. Braune wirren Haare fielen ihr offen über den Rücken. Auf ihrem Kopf trug sie eine Wollmütze mit einem witzigen bunten Bommel. Aufmerksam und mit großen Augen lauschte sie den Worten Akakos, die sich mit Keiko und ihr in einem scheinbar aufregenden Gespräch befand.

Kaito stopfte seine Hände in die Hosentaschen, wand schmollend den Blick ab und ärgerte sich über die Behauptungen seiner Mitschüler.

Kota stieß zu ihm: „Mensch, warum bist du denn einfach so abgehauen?“

Kaito wollte soeben antworten, als er aber Hikoro und einige weitere Mitschüler in die Halle treten sah. Die Jungs gingen zielstrebig auf Aoko, Keiko und Akako zu. Schnell entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Missmutig beobachtete Kaito, das Aoko immer wieder kicherte.

„Du bist doch wohl nicht eifersüchtig“, stichelte Kota wissend grinsend.

„Halt die Klappe“, brummte Kaito, konnte aber auch nicht seinen Blick lösen.

Da erschien Frau Kitazumi in der Halle und trommelte die Klasse zusammen. „Es geht los“, flötete sie aufgeregt und ging voran. Die Schüler schlossen sich ihr an.

So stapften sie durch den Schnee. Ihr Weg führte an den Sesselliften vorbei hin zum Skiverleih. In diesem gab es für die Schüler Langlaufschuhe, Langlaufski und Langlaufstöcke. Es dauerte bis auch der letzte Schüler ausgestattet war, dann aber konnte es endlich losgehen.

Ein Trainer stieß zu ihnen und stellte sich vor. Er würde die Schulklasse an der Loipe einweisen und auch begleiten.

Inzwischen dämmerte es und nicht mehr lange dann wäre alles in Dunkelheit gehüllt. Alle folgten dem Trainer zu einer Loipe. Dort angekommen wies er die Schulklasse ein und endete seinen Vortrag mit den Worten: „Wir haben zwei Spuren. Das heißt ihr könnt zu zweit nebeneinander fahren.“ Er übergab das Wort an Frau Kitazumi, die förmlich an den Lippen des jungen Trainers hing und jeden Buchstaben wie ein Schwamm in sich sog.

„Wir laufen nach dem Alphabet. Also stellt euch auf.“

Die Schulklasse formierte sich. Kaito fand sich neben Keiko ein, während Hikoro mit Aoko hinter ihm stand.

Das Hikoro, der sowieso schon die gesamte Zeit an seiner besten Freundin klebte, nun auch noch direkt hinter ihm war, besserte nicht gerade seine Laune. So bekam er auch nicht mit, wie die Mitschüler vor ihm in die Loipen stiegen und ihre ersten Versuche im Langlauf starteten.

„Kuroba, wenn du vor hast hier zu übernachten, dann starten Aoko und ich schon mal.“ Hikoro grinste zu seiner Begleiterin und die beiden überholten. Schon stiegen sie in die Loipe und sortierten ihre Füße, wie auch ihre Stöcke.

Kaito durch die freche Bemerkung aus den Gedanken gerissen, funkelte seinen Kontrahenten an. „Komm schon, Keiko!“ Mit diesen Worten stieg er hinter Aoko in die Loipe und Keiko stieg in die Nachbarloipe ein.

Schnell hatte Kaito den Dreh mit Abdruck und Gleiten heraus und rückte Aoko, die sich noch etwas schwerer tat bei der Umsetzung, auf die Pelle. „Soll ich dir einen Schlitten holen?“

„Baka“, knurrte sie und verbissen übte sie weiter. Dann allerdings fand sie den richtigen Rhythmus und glitt schon bald die Loipe entlang. Die vorderen Mitschüler waren verschwunden, die hinteren hatten sie abgehängt. Aber da die Loipe nur in eine Richtung führte, konnten sie nichts falsch machen und sie alle wären am Ende wieder vereint.

„Du machst das echt gut“, schmeichelte Hikoro, wobei sein Blick auf seiner Begleiterin ruhte.

„Danke“, grinste Aoko stolz zurück.

„Noch nicht ganz so elegant, aber für einen Elefant schon ganz gut“, bemerkte Kaito, der die ganze Zeit einen ungehinderten Blick auf Aokos Rückansicht hatte. Auch wenn er es nicht zugeben würde, ihm gefiel das was er sah schon sehr gut.

Keiko runzelte irritiert die Stirn, äußerte sich aber nicht zu dieser ganzen seltsamen Situation.

„Elefant?“, quiekte Aoko entsetzt auf.

Hikoro hingegen blitzte seinen Mitschüler über die Schulter an. „Ein Charmeur bist du schon mal gar nicht.“

„Ich hab's nicht nötig zu schleimen“, erwiderte Kaito ungerührt.

Hikoro zog nun finster seine Augenbrauen zusammen, der unerkannte Teilzeitdieb hingegen blickte siegessicher zurück. Schon wandte Hikoro die Aufmerksamkeit auf die Mitschülerin neben sich. „Hör nicht auf diesen Trottel. Kaito hat keine Ahnung von Mädchen.“

„Du aber schon, was?“, provozierte dieser sofort, was ihm wieder einen finsteren Blick seines Kontrahenten einbrachte.

„Ich bin nicht so unsensibel wie du.“

„Ich sag nur die Wahrheit“, erwiderte Kaito unbeeindruckt.

Keiko seufzte genervt auf, aber da sprach Aoko: „Ist schon gut, Hikoro. Ich kenne Kaito und weiß wie er das meint.“

Es wurde um sie herum immer dunkler. Schon bald würden sie nichts mehr um sich herum wahrnehmen können, doch dann entdeckten sie die erste brennende Fackel. Das hatte wohl Frau Kitazumi gemeint. Eine romantische Stimmung wenn man es denn so sehen wollte.

„Du lässt ihm das durch gehen?“ Hikoro schien beinahe schon entsetzt. „Er beleidigt dich ständig und du lässt dir das einfach so gefallen?“

„Das verstehst du nicht“, erwiderte Aoko und in ihrer Stimme schwang ein wenig Trübsinn mit.

„Das versteh ich wirklich nicht. Wieso darf Kaito so gemein zu dir sein?“

„Ich kenne ihn fast mein ganzes Leben, ich weiß wie er wirklich ist und ich kann auch sehr gut einschätzen wieso er so handelt und warum er sich so benimmt.“

„Kannst du?“, entwich es Kaito überrascht, zeitgleich mit von einem knurrenden Unterton begleitet, der von Hikoro stammte.

Aoko blieb plötzlich stehen: „Wenn ich ihn nicht verstehe, wer soll es dann überhaupt können?!“

Kaito, der überhaupt nicht damit rechnete, krachte direkt in sie hinein. Durch den Aufprall lösten sich ihre Schuhe aus den Skier und Kaito lag keine Sekunde später auf Aoko im Schnee.

Seine Kindheitsfreundin lag unter ihm, drehte sich halb zu ihm und funkelte ihn an. „Geh runter, Bakaito!“

„Bist doch selber Schuld, Ahoko“, erwiderte Kaito sofort, denn er empfand die Situation mehr als verwirrend. Besonders weil es in ihm überall kribbelte. Diese Situation gefiel ihm, aber es sollte ihm doch nicht gefallen.

Keiko blickte sich um und deutete nun in die Richtung hinter sich, aus der mehrere Stimmen erklangen. „Ihr solltet beide aufstehen und dann weiterlaufen. Sonst krachen die anderen auch noch in euch rein.“

„Sie hat gesagt, du sollst von ihr runter gehen, Kuroba“, knurrte Hikoro wütend.

„Ich hab Aoko schon verstanden“, erwiderte Kaito und blickte zu seinem Kontrahenten auf. Dann aber legte sich wieder ein selbstbewusstes Lächeln auf seine Lippen. „Aber vielleicht möchte ich das gar nicht.“

Schockstarre... nicht nur bei Aoko sondern auch bei Keiko und Hikoro. Noch einen Moment genoss Kaito Hikoros Anblick, dann drehte er sich Aoko zu: „Keine Sorge, Aho, ich lass dich schon nicht erfrieren.“ Dann erhob er sich und reichte Aoko seine Hand. Diese ließ sich von ihrem besten Freund aufhelfen.

„Danke“, murmelte sie, schlüpfte mit ihren Schuhen wieder in ihre Ski, schnappte sich ihre Skistöcke und lief ohne weiteres weiter.

Hikoro, Keiko und Kaito starrten ihr überrascht nach. Erst die anderen Mitschüler, die nun aufschlossen, trieben sie zum weiterfahren an. „Was steht ihr hier so rum?! Los, weiter!“

„Ich hab morgen einen Muskelkater. Kein Mensch hat uns gesagt, das wir beim Langlauf jeden Muskel beanspruchen“, keuchte Kota atemlos, der nur wenige Mitschüler hinter Kaito war.

Gemeinsam brachten sie nun auch die letzten Meter der Loipe hinter sich und endeten wieder am Ausgangspunkt, wo der Trainer mit Frau Kitazumi bereits wartete und die Schüler empfing. Erschöpft schleppten sich die Schüler zurück zum Skiverleih, brachten die geliehenen Sachen zurück und schlichen vollkommen erledigt zur Unterkunft zurück.

Bevor sich die Schüler auf ihre Zimmer zurückziehen konnten, verkündete Frau Kitazumi: „Zieht euch um und in zwei Stunden treffen wir uns dann wieder hier unten. Dann werden wir unseren letzten Abend noch etwas feiern.“

Nicht begeistert zogen sich die Schüler auf ihre Zimmer zurück. Einige von ihnen wären nun am liebsten ins Bett gefallen und hätten geschlafen. Hikoro verschwand mit seinen Kumpels schon im Gang, als Kota sich zu Kaito umdrehte, der keinerlei Anstalten machte ihm zu folgen. „Kommst du?“

„Ich muss noch kurz etwas erledigen“, verkündete der Oberschüler und Kota verschwand Schulterzuckend. Ein breites Grinsen zierte Kaito's Lippen.
 

Aoko trocknete sich ihre Haare und betrachtete gedankenversunken ihr Spiegelbild. Keiko kam aus dem Badezimmer heraus und Akako verschwand. Während Keiko sich anzog, ihre Haare in einem Handtuch zum Turban aufgewickelt, fragte sie nach: „Möchtest du mir erklären, was da vorhin passiert ist?“

Über den Spiegel erkannte Aoko ihre beste Freundin und blickte in das leicht gerötete Gesicht. Keiko ohne Brille zu sehen war so selten, das sie nicht umhin kam die Freundin zu betrachten. Sie wusste worauf ihre beste Freundin anspielte, aber erklären konnte sie das auch nicht. „Ich weiß auch nicht.“ Zögernd suchte sie die braunen Augen. „Was glaubst du?“

Ein breites Grinsen überzog das Gesicht der Braunhaarigen und wenn ihre Ohren nicht im Weg wären, würde sich das Lächeln um den ganzen Kopf ausdehnen. „Sah ganz nach einem Hahnenkampf aus.“

„Du bist blöd“, entgegnete Aoko schockiert und widmete sich wieder ihrem wirren Haar. Sie versuchte mit einer Bürste ihre wilde Mähne zu bändigen.

„Du willst mir jetzt nicht erzählen, das dir das nicht aufgefallen ist...“, bohrte Keiko neckend nach. „Hikoro wäre fast auf seiner eigenen Schleimspur ausgerutscht, so dick hat er aufgetragen. Und Kaito ist beinahe vor Eifersucht geplatzt“, ein Kichern unterdrückend, suchte sie die blauen Augen ihrer Freundin. „Was hast du den beiden nur angetan?“

„Nichts“, antwortete Aoko errötend und nachdem die Bürste erneut in ihrem Haar stecken blieb, ließ sie es bleiben. Wütend warf sie diese weg und stand auf. „Ich versteh nicht, wieso die beiden sich so kindisch benehmen.“

„Liebe macht manchmal blind“, sinnierte Keiko spitz und beobachtete wie Aoko im Zimmer auf und ablief.

„Dieser Baka“, schimpfte Aoko plötzlich aufgebracht und überging Keikos Aussage.

„Kaito?“, hakte Keiko irritiert nach.

„Ja, wer denn sonst“, stimmte sie zu und lief weiter im Kreis. „Wie kann er mich nur so beleidigen?“

„Das mit dem Elefanten war auch wirklich gemein“, nickte Keiko, während sie einen Zeigefinger an ihr Kinn legte.

„Das mit dem Schlitten“, bemerkte Aoko und hielt inne. „Das mit dem Elefant war auch nicht fair.“

Eine Weile geschah nichts und man hörte nur durch die geschlossene Badezimmertüre, das Akako unter der Dusche ein Liedchen trällerte.

„Was fällt ihm überhaupt ein?!“, durchbrach Aoko wieder die Stille.

„Manchmal schießt er einfach über das Ziel hinaus, das ist nun mal Kaito“, versuchte Keiko zu schlichten, da ihre beste Freundin sich immer noch nicht beruhigt hatte.

„Kaito?“, hakte Aoko irritiert nach.

„Natürlich, aber glaub mir, er übertreibt nur so, wenn er nicht weiß wie er sich dir gegenüber verhalten soll.“

„Wovon redest du?“ Aoko suchte Keikos Blick.

„Das Kaito mit seinen Gefühlen für dich nicht umzugehen weiß.“ Keiko zog skeptisch ihre Augen zusammen. „Wovon redest du?“

„Von Hikoro und wie er einfach behauptet, das ich meine besten Freund nicht verstehe. Ich kenne Kaito fast so lange wie mich selbst, wenn nicht sogar besser als mich selbst. Er wird es nie verstehen.“

Keiko runzelte die Stirn: „Und das stört dich?“

„Nein“, brauste Aoko auf.

„Wo liegt dann dein Problem? Du und Kaito ihr habt Gefühle füreinander und wisst nicht damit umzugehen. Vielleicht solltest du dich mit ihm und deinen Gefühlen für ihn auseinander setzen, statt dir Gedanken über Hikoro zu machen.“

Schlagartig wurde Aoko blass wie die Wand. „Das stimmt doch nicht.“

„Ich bitte dich, Aoko, keiner versteht euer Verhältnis und wieso du dir alles gefallen lässt. Du hast mir letztes Jahr erzählt, und es war auf den Tag genau, dass du für Kaito Verständnis hast, weil er mit dem Tod seines Vaters nicht klar kommt. Das er aber dich mit seinen Taten und Worten verletzt, darüber siehst du hinweg.“ Sie pausierte, blickte ihre Freundin aufmunternd an, ehe sie aber noch etwas hinzufügen konnte, trat Akako ins Zimmer und das Gespräch war vorerst beendet.

Die Mädchen zogen sich um und gingen dann zur verabredeten Zeit in die Halle hinunter. Bei Frau Kitazumi fanden sich die Schüler dann nach und nach zusammen und gemeinsam setzten sie sich vor den großen Weihnachtsbaum und feierten noch ein bisschen den Abschlussabend ihres Schulausflugs.

Aoko ließ ihre Augen über die vielen Mitschüler gleiten, aber ihren besten Freund hatte sie noch gar nicht entdeckt. Die Stirn runzelnd fragte sie sich, wo er denn steckte, doch dann sah sie ihn bei der Eingangstüre. Sie hatte viel über Keikos Worte nachgedacht und sie wusste, das ihre beste Freundin recht hatte. Natürlich verletzte sie manchmal seine fiese Art, aber sie wollte es ihm nicht noch schwerer in seinem Leben machen. Entschlossen stand sie auf und entfernte sich von ihrer Klasse. Schnell näherte sie sich Kaito, der hinaus blickte. „Kaito...“ ich glaube wir müssen reden, wollte sie soeben sagen, doch schon schnappte er sich ihre Hand und zog sie mit sich nach draußen. Überrascht folgte sie ihm in die kalte Nacht.

„Aoko, es tut mir leid, das ich immer so gemein zu dir bin.“

Überrascht riss sie ihre Augen auf. Es klang fast so, als hätte er ihr Gespräch mit Keiko belauscht. „Du hast es verdient gut behandelt zu werden“, sprach er weiter, ohne auf ihre Sprachlosigkeit einzugehen. „Und ich möchte mich bei dir entschuldigen.“

„Kaito“, blickte sie zu ihm auf und sah direkt in zwei leuchtende Augen. Ein schelmischer Ausdruck legte sich um diese. „Sieh nur hin, sonst verpasst du meine Entschuldigung.“

Im nächsten Moment flog eine Rakete zischend in die Luft und explodierte am nächtlichen Himmel. „Kaito?“, hauchte Aoko überrascht und ein zaghaftes Lächeln legte sich auf ihre Lippen.

Schon folgten die nächsten Raketen und erhellten nach und nach den schwarzen Nachthimmel.

Von dem Feuerwerk angelockt traten ihre Mitschüler heraus und bestaunten das Spiel der bunten und knisternden Lichter.

„Es tut mir leid“, flüsterte er ihr ins Ohr, legte dabei seine Skijacke, die er immer noch trug, über ihre Schultern und umarmte sie von hinten. Dabei drückte er sie an sich und lehnte seinen Kopf an ihren.

Überwältigt von ihren Gefühlen brachte sie nur noch ein Nicken zustande und genoss die Nähe zu ihrem besten Freund und das wundervolle Feuerwerk, welches den Nachthimmel immer wieder erhellte.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Weihnachtsbaum

Schlitten

Schnee

Feuerwerk

feiern

Spiel

Mit weit aufgerissenen Augen starrte Aoko auf den wild flatternden weißen Umhang. Die kalte Abendluft schlug ihr immer wieder ins Gesicht, sorgte dafür das sich Wasser in ihren Augen bildete und ihre Sicht leicht verschwamm. Immer noch nicht ganz verstehend in welch unwirkliche Situation sie hinein gestolpert war. Sie wollte doch nur den schnellsten Weg nach Hause nehmen.

Der spätnachmittags Himmel verdunkelte sich zunehmend. Kein Wunder, denn es war zwar kalendarisch Frühlingsanfang doch der Winter hielt Tokio beharrlich fest. Die düsteren Wolken zogen rasant mit dem aufkommenden Wind auf.

Ein Schneesturm war angekündigt.

Über Nacht sollte es bis zu zwanzig Zentimeter Neuschnee geben. Statt die Ostereier zu suchen würden die Kinder morgen einen Schneemann bauen können. Wer hätte das schon gedacht.

Seit Tagen blühten die Krokusse und Schneeglöckchen. Schon bald sollten diese zarten Blumen unter einer weißen Decke begraben liegen.

Der Wind wurde stärker, die Luft kälter und Aoko entschied sich den kurzen Weg durch den Park zu nehmen. Niemals hätte sie ahnen können, das sie in solch eine surreale Situation stolperte.

Den Blick auf die dicken Wolken am Himmel gerichtet, achtete sie nicht auf den Weg und hielt erst inne, als sie eine dunkle, leicht zischende Stimme hörte.

„Sieh an, wir bekommen Besuch!“

Doch ehe sie den Sprecher wahrnahm, schob sich ein weißer Umhang in ihr Sichtfeld.

Der breite Rücken verdeckte sie komplett und ehe sie etwas sagen konnte, vernahm sie schon eine andere Stimme, nämlich die des Mannes direkt vor ihr. „Halt sie raus!“

„K...Kid?“, entwich ihr fast lautlos und verwirrt über die Erkenntnis. Was suchte Kid an diesem Abend hier in diesem Park? Er hatte doch gar keinen Raubzug angekündigt... oder doch?

Ein gehässiges Lachen erklang. Doch so plötzlich wie es erklang, verstummte es auch wieder. „Typisch für dich! Immer darauf bedacht, das niemand verletzt wird.“ Ein Klicken erklang und Aoko spürte sofort die Anspannung in sich übergehen. Sie sah nichts, wusste nicht was sie nun tun sollte.

Als hätte der Meisterdieb der Nacht ihre Gedanken gelesen, zischte er ihr so leise, das nur sie es hören konnte, zu: „Ich lenke ihn ab, lauf weg so schnell du kannst.“

Unfähig zu antworten nickte sie, aber das konnte er womöglich gar nicht gesehen haben.

„Sollte ich jetzt sagen, typisch für Sie eine Waffe auf mich zu richten?“

Aoko starrte auf den weißen Stoff vor sich. Er klang so selbstbewusst und überhaupt nicht ängstlich. War wirklich der Lauf einer Waffe auf ihn gerichtet? Aber warum und wer war dieser Mann mit der zischenden Stimme? Was hatte Kid mit ihm überhaupt zu schaffen?

„Du weißt, dass ich dich schon seit langer Zeit tot sehen will.“

Wieso wollte dieser Mann Kid umbringen? Unsagbare Angst und Sorge um den Dieb breitete sich in Aoko aus. Kid tat zwar Unrechtes, aber er brachte die gestohlenen Wertgegenstände immer wieder zurück.

„Und Sie wissen, dass ich Ihnen diesen Gefallen nicht tun werde“, antwortete Kid.

„Lauf!“, zischte er eindringlich. Sie spürte, wie ernst es ihm war und … Lebensgefahr. Sie war in Lebensgefahr. Erst jetzt realisierte sie es, drehte sich um und wollte weglaufen, doch es blieb beim Versuch, denn direkt vor ihrem Gesicht schwebte der Lauf einer Waffe. Erschrocken wich sie zurück und stieß gegen Kid. „Du sollst weglaufen“, fauchte er wütend, doch ein weiteres Klicken und Aokos erstickter Aufschrei ließ ihn verstummen.

Die Oberschülerin starrte ängstlich zu der in Schwarz gekleideten Person auf. Durch die Dunkelheit des frühen Abends und dem großen schwarzen Hut, dem hochgestellten Kragen des schwarzen Mantels konnte Aoko kein Gesicht erkennen. Die Statur ließ auf einen Mann schließen.

„Ich würde sagen, Kid, du hast keine gute Ausgangssituation“, zischte der Fremde und es lag eine Gehässigkeit in seiner Stimme, die Aoko erschaudern ließ. Sie spürte Kid direkt hinter sich, drückte sich noch ein wenig näher an ihn. Hoffte das er einen Plan hat.

„Es sieht vielleicht wie Schachmatt aus, aber es gibt noch freie Züge“, verkündete Kid.

„Ach du willst spielen?“

„Ist nicht das ganze Leben ein Spiel?“, konterte der Meisterdieb selbstbewusst.

Aoko schluckte bei seinen Worten. Entweder er hatte wirklich einen Plan, oder diese dunklen Gestalten würde sie jeden Moment ]töten.

„Okay, Kid, lass uns spielen. Schach, nehme ich an. Dann bist du der König, die Kleine ist die Dame... und wer bin ich?“, pausierte der Typ, scheinbar überlegte er.

„Der Springer?“, riet Kid in die Stille, erntete daraufhin aber nur ein gehässiges Auflachen.

„Wie kommst du denn darauf? Nein, viel besser, ich bin der Turm.“

„Der Turm?“, höhnte der Mondscheindieb belustigt. „Ich bitte Sie, aber mit dem Turm haben Sie ja gar nichts gemeinsam.“

Aoko riss ihre Augen auf, blickte über ihre Schulter zu dem Meisterdieb auf und wusste nicht wie er sich in solch einer Situation einen Scherz erlauben konnte. Sie betrachtete seine Statur, spürte sein Selbstbewusstsein und hörte das Lachen in seiner Stimme.

„Ein Turm ist schnell und geht immer nur in eine Richtung geradeaus, während der Springer zwei Felder geradeaus und dann ein Feld links oder rechts geht. Die Besonderheit des Springers liegt darin, als einzige Schachfigur über eigene und gegnerische Figuren und Bauern springen zu können.“ Kid pausierte, der Spott verschwand in seiner Stimme und mit einem Mal wurde er bitterlich ernst. „Wie im realen Leben. Sie bestimmen über alle beteiligten Figuren und gehen auch über Leichen. Aber eine gerade Linie haben Sie bei weitem nicht. Der Turm ist die zweitstärkste Kraft auf dem Schachbrett, kein Wunder das Sie sich für diesen halten, aber es wäre Selbstbetrug sich das einzureden.“

Ein Schuss löste sich in diesem Moment und vor Schreck hielt sich Aoko die Ohren zu. Er hatte es getan. Er hatte diesen Mann mit der Waffe solange provoziert, das er tatsächlich geschossen hat. Und Kid war jetzt... tot? Sie wartete auf den Aufprall des leblosen Körpers hinter sich, aber nichts geschah.

„Ich warne dich, Kid, du befindest dich in einer gefährlichen Lage. Treib es nicht zu bunt.“

„Ach, können Sie die Wahrheit nicht verkraften?“, sprach Kid überhaupt nicht beeindruckt.

Aoko schluckte und fragte sich wie er nur so abgebrüht sein konnte, während ihr Herz wie wild raste.

„Okay“, stimmte der Fremde zischend zu. „Dann bin ich eben der Springer. Was ist mit ihm?“

Kid drehte sich leicht seitlich um. Aoko spürte wie er ihr seine Vorderansicht zudrehte. Sie blickte über die Schulter und stellte fest, das der Meisterdieb fast eineinhalb Köpfe größer war als sie. Er stand seitlich, so dass er beide Männer mit den Schusswaffen im Blick hatte. „Vermutlich sollte ich jetzt sagen, das er der Bauer ist. Ein wahlloses von vielen Opfern im Dienste Ihrer Machenschaften, aber diese Ruhe in der Hand und das sich kein Schuss gelöst hatte, als Sie schossen, lässt mich vermuten, dass ich es hier mit einem Läufer zu tun habe. Er kann sich nicht beliebig bewegen, sondern ist an seine farbigen Felder in der Diagonale gebunden, und kann über niemanden hinweg springen. Er kann zwar schnell sein, ist aber erheblich eingeschränkt. Ein leichtes Opfer für den Gegner.“ Kid schob unauffällig eine seiner Hände an Aokos Hüfte.

„Deine Interpretation ist wirklich beeindruckend“, zischte der andere unbeeindruckt. „Was ist mit deiner Herzdame?“

Aokos Herzklopfen setzte kurz aus. Wie kam dieser Typ auf so einen Vergleich?

„Sie verwechseln da ein Kartenspiel mit einem Brettspiel“, stichelte Kid. „Aber ich werde Sie natürlich gerne darüber aufklären. Die Dame darf auf jedes freie Feld in jeder Richtung linear und diagonal ziehen, ohne jedoch über andere Figuren zu springen und vereint somit die Wirkung sowohl eines Turms als auch eines Läufers in sich. Sie ist die stärkste Spielfigur.“

„Kommen wir nun zu der wichtigsten Figur unseres Spiels.“

„Einer fehlt noch“, stimmte Kid mit dem Kopf nickend zu. „Der König kann jeweils ein Feld in jede Richtung gehen. Damit kann er alle Felder des Schachbretts erreichen. Wegen seiner niedrigen Reichweite benötigt er dazu aber relativ viele Züge. Dennoch ist er die wichtigste Figur, da es Ziel des Spiels ist, den gegnerischen König matt zu setzen – was die Partie natürlich sofort beendet.“

„Dann lass es uns beenden, Kid, aber bevor ich dich erledige, beantworte mir noch eine Frage: Hältst du dich wirklich für den König?“

Aoko entdeckte wie sich die Mundwinkel des Mondscheinzauberers zu einem Schmunzeln verzogen, wusste aber nicht einzuordnen wieso. Sie blickte zu den beiden gefährlichen Männern und spürte, das nun das Ende gekommen war. Gleich würden sie schießen und ihrem Leben ein Ende setzen. Und das obwohl sie Kaito noch nicht die Wahrheit gesagt hatte. Sie wollte ihm doch noch sagen, das sie ihn liebte und auf eine gemeinsame Zukunft mit Kindern hoffte - als Familie.

Sie war doch noch nicht mal 19 Jahre alt und noch viel zu jung zum Sterben. Und ihr Vater, was soll nur aus ihm werden?

Plötzlich begann Kid zu lachen.

Aoko stutzte. Was gab es denn in dieser Situation zu lachen?

„Nein...“

„Nein?“, wiederholte der andere zischend.

Nein?, dachte Aoko überrascht. Er war nicht der König? Was war er denn dann?

„Ich … bin … die … Dame!“ In diesem Moment lösten sich die Schüsse, aber Kid war schneller, packte Aoko unter den Knien und sprang aus dem Schussfeld. Sofort folgten ihnen die Schusswaffen und Kid schlug Haken wie ein Hase, während Aoko sich nur an ihm fest klammerte und ganz fest die Augen zukniff.

Erst als die Schüsse verstummten, traute sie sich zu blinzeln. Überrascht stellte sie fest das sie hoch oben zwischen Blättern versteckt waren. Die zwei fremden Gestalten suchten aufmerksam die Gegend ab, die Waffen immer noch Schussbereit in den Händen. Doch dann segelte eine kleine weiße Karte vom Himmel herab und landete direkt vor den Füßen des zischenden Mannes.

Dieser hob die Karte auf, las sie sich durch und ballte seine Hand zur Faust. „Dieser verdammte.... Na warte, Kid, wir sind noch lange nicht fertig miteinander!“

Es dauerte nicht lange, dann zogen die gefährlichen Männer ab.

Erst als er wirklich sicher war, das keine Bedrohung lauerte, sprang Kid mit Aoko aus ihrem Versteck, welches ihnen ein nahe gelegener Laubbaum bot.

Kaum stand er auf dem Boden, ließ er sie auf ihre eigenen Füße sinken und stützte sie noch kurz.

Sie war ihm dankbar, denn ihre Knie fühlten sich an wie Wackelpudding und sie hätte nicht sagen können, ob sie wirklich sofort festen Halt gehabt hätte.

Endlich konnte sie ihre Gedanken sortieren.

„Du hältst das alles für ein Spiel?!“ Ein Hauch von Entrüstung und Entsetzen schlich sich in ihre Stimme ein.

„In einem Spiel hat man Spielzüge, braucht Strategien, ein paar Spielfiguren und ein Ziel. Es ist wie im Leben, in dem wir selbst die Spielfiguren sind. Durch unsere Strategien und Spielzüge streben wir auf ein Ziel hin, das uns noch unbekannt ist.“

„Das ist nicht witzig! Das war gefährlich und leichtsinnig“, brauste Aoko nun auf und fuhr den Meisterdieb wütend an. „Du kannst ein Menschenleben doch nicht mit einem Spiel vergleichen.“

„Kann ich nicht?“, schmunzelte der Mondscheindieb und verschränkte seine Arme vor der Brust. „Du hast doch gesehen, das unser Schachspiel gut funktionierte.“

„Ach ja?! Wer ist denn dann der König, wenn du die Dame bist?“

„Du bist der König!“, antwortete der Dieb sofort. „Mein Ziel war es dich zu beschützen, du bist der wichtigste Bestandteil in diesem Spiel gewesen. Wenn er dich Schachmatt gesetzt hätte, wäre das Spiel verloren und mein Leben sinnlos geworden.“

Aoko verstand nicht, welche Bedeutung diese Worte wirklich hatten, aber irgendwann würde sie es verstehen, da war sie sich ganz sicher. Und eines wusste sie jetzt schon: Sie sah Kid seit diesem Abend mit anderen Augen.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Hase

Eier

Familie

töten

kalt

Der Ruf nach Freiheit

Sie stand inmitten aller Gäste und sah so atemberaubend schön aus, in ihrem dunkelblauem Cocktailkleid. Sie stahl allen anderen Frauen auf dieser Party die Show, denn sie war bei weitem das schönste Geschöpf hier. Sie erinnerte ihn an eine Rose inmitten von Unkraut. Die Königin der Blumen, welche stolz und schön in ihrer vollen Pracht ihren wundervollen Duft verströmte.

Wenn sie nur wüsste, wie gern er sie in diesem Moment zum Tanz aufgefordert hätte, in ihre wunderschönen glänzenden blauen Augen gesehen hätte und sie dabei mit Komplimenten überhäufen würde, dann wären ihre Wangen zurecht gerötet. Nur in diesem Moment rührte die Verfärbung vom Alkohol, von dem sie sichtlich zu viel hatte.

Wo war überhaupt ihr Vater? Wieso achtete er nicht darauf, was seine noch minderjährige Tochter trank?

Seine Augen klebten an ihren Bewegungen, beobachteten jede kleinste Veränderung und folgten ihr beinahe sehnsüchtig, als sie sich in Bewegung setzte und zur Bar schwankte. Dabei kicherte sie vor sich hin, wankte bedenklich, fiel allerdings nicht hin. Trotz ihres angeheiterten Zustands bewegte sie sich reizvoll auf den hochhackigen Schuhen.

Er konnte sich nicht daran erinnern sie jemals so hübsch angezogen gesehen zu haben. Nur einmal sah sie so verführerisch aus, aber das lag einzig und allein an seinem Talent als Verwandlungskünstler. Denn er hatte sie an diesem einen Abend in wenigen Sekunden herausgeputzt.

Sie kam an der Bar an, stellte ihr Glas auf den Tresen und orderte etwas bei einem Barkeeper, den er auf Anfang zwanzig schätzte. Dieser musterte sie mit Argusaugen, lächelte, erzählte ihr etwas woraufhin sie herzhaft zu lachen begann.

Er wusste was das für ein Gefühl war, das wie tausend Nadelstiche in ihm bohrten. Am liebsten wäre er zu ihr gegangen, hätte ihr seinen Arm umgelegt und sie an sich gezogen. Nach einem gehauchten Kuss auf die Stirn oder auch auf die Wange, hätte er ihr ein „Schatz“, ins Ohr gehaucht und dem Barkeeper mit einem einzigen Blick zu verstehen gegeben, das dieser seine Finger und besonders auch seine Blicke bei sich behalten sollte.

Sie war kein Mädchen für eine Nacht. Sie träumte vom Richtigen, von ihrem Prinzen auf dem weißen Pferd.

Er selbst sah sich nicht in dieser Rolle, auch wenn er es gerne für sie wäre. Denn er selbst wusste es schon lange, das sie das Mädchen war mit dem er sein Leben verbringen wollte. Doch sollte sie sich für einen anderen Mann entscheiden, würde er es akzeptieren müssen. Er sollte sich sowieso glücklich schätzen, das sie ihn immer noch als besten Freund akzeptierte.

Zudem fragte er sich wieso sie ihn immer wieder verteidigte, in Schutz nahm, ihm zur Seite stand, obwohl er sie immer wieder beleidigte und sie auch bloßstellte.

Warum er das tat war klar, denn so bekam er ihre Aufmerksamkeit – immer und für sich allein.

Aber das sie es sich gefallen ließ, verstand er nicht, dennoch schätzte er es sehr, das sie trotz allem zu ihm stand.

Schon reichte der Barkeeper ihr ein Glas mit buntem Inhalt.

Bedenklich beobachtete er wie sie ein paar wenige Schlucke nahm, danach kicherte und sich mit wenigen Worten verabschiedete.

Die Blicke, die dieser Kellner ihr hinterher schickte, sollten verboten werden. Es war als würde er sie allein mit seinen Augen ausziehen.

Er ballte seine Hand zur Faust und konnte gerade noch ein Knurren unterdrücken.

Sie schwankte bereits wieder an ihren Platz zurück, rempelte hier und da jemanden an und entschuldigte sich sofort, als ihr das bewusst wurde. Wenig später saß sie aber wieder sicher auf einem Stuhl an ihrem Tisch und nuckelte begeistert an ihrem Getränk.

Sie sollte wirklich langsam aufhören, sonst würde sie sich bald an nichts mehr erinnern und ein Blackout wäre fatal und sie besonders anfällig für Schmeicheleien.

Ihm widerstrebte es gleich in Aktion treten zu müssen. Zum einen müsste er sie dann komplett aus den Augen lassen und darauf hoffen, das sie keine Dummheiten beging, zum anderen wollte er sie am liebsten einfach weiter beobachten und sich ausmalen, wie es denn sein könnte, wenn sie seine Gefühle erwidert.

Widerwillig wandte er sich nun doch ab, konzentrierte nun seine Gedanken auf das direkt bevorstehende Ereignis und zählte leise, beinahe tonlos runter.

„Drei!“

„Zwei!“

„Eins!“

„It's Showtime!“

Plötzlich lag der ganze Saal in Dunkelheit. Panische Schreie wurden laut, dann aber schaltete sich wie von Geisterhand ein einzelner Scheinwerfer an, schwenkte in eine bestimmte Richtung, während das Licht über die vielen Köpfe hinweg glitt und sich letztendlich auf ihn richtete.

„KID!“, schrie Kommissar Nakamori, der die rund einhundert aufgeregten Gäste locker übertönte.

„Einen wunderschönen guten Abend, Kommissar Nakamori! Ich möchte diese Party gar nicht lange stören.“ Im nächsten Moment hob Kid den Edelstein in die Höhe und grinste unverschämt. „Tritons Perle werde ich aber mitnehmen! Viel Spaß noch beim Feiern.“

Ehe die Polizisten sich auf den Meisterdieb stürzen konnten, ging das Licht aus und erst wenig später erhellte sich der Saal.

Die Polizisten hielten sich gegenseitig fest. Es war ihnen in der Dunkelheit egal, was genau sie zu erwischen bekamen. Aber alle dachten, sie hätten den Meisterdieb gefangen genommen. Doch dieser war und blieb verschwunden.

„Sucht ihn“, befahl der Kommissar und die Beamten strömten aus, verteilten sich auf dem Schiff, durchsuchten die anwesenden Passagiere, konnten aber nichts finden. Bis einer der Polizisten vom Heck des Schiffes rief, das Kid bereits mit seinem Gleiter im Himmel schwebte.

Alle rannten hinzu und sahen den Meisterdieb in der Dunkelheit der Nacht davon fliegen.
 

Ein schlanker Mann im schwarzen Anzug beobachtete alles ganz genau und lächelte spöttisch, als es hieß das Kid davon geflogen sei. Zum Glück funktionierte sein Dummy immer wieder als Ablenkung. Die Aufregung um Kids Auftritt beherrschte die Gesprächsthemen der Nacht. An Feiern war erst mal nicht mehr zu denken.

Nun endlich aber konnte er sich unter die feiernde Masse mischen und wieder ein Auge auf sie werfen, aber sie saß nicht mehr an ihrem Platz. Der Tisch war leer.

Überrascht und auch ein wenig panisch sah er sich um, aber sie war weder auf der Tanzfläche noch an der Bar zu sehen. Sofort beherrschte die Sorge sein Innerstes. Ob dieser Barkeeper mit ihr verschwunden war? Zuerst entdeckte er ihn nicht, aber dann kam doch die Erleichterung. Der junge Mann hinter dem Tresen stand etwas abseits und war in ein Gespräch mit einer rothaarigen Frau vertieft. Vielleicht hatte er gesehen, wohin sie verschwunden war. So beschloss er diesen zu fragen.

„Entschuldigen Sie bitte!“

„Was darf's sein?“, knurrte dieser genervt.

„Die junge Dame, die bei Ihnen immer Nachschub holt, ist verschwunden. Haben Sie gesehen wohin sie gegangen ist?“

„Gehen kann man das ja wirklich nicht mehr nennen. Sie ist raus an die frische Luft. Die Kleine kennt ihre Grenzen nicht.“ Der Barkeeper deutete auf eine Türe.

In ihm schrillten alle Alarmglocken. Wenn sie raus gegangen ist, in ihrem Zustand, wäre es bei ihrer Tollpatschigkeit ein leichtes über die Reeling zu fallen und im Meer zu ertrinken. Sofort nahm er den gleichen Weg und suchte panisch nach seiner Kindheitsfreundin.

Er stand an der Reeling, spürte die frische Nachtluft ins Gesicht peitschen und erkannte erst jetzt, dass diese Yacht ziemlich schnell vorantrieb.

Ein Kichern klang zu ihm, durch den Wind verweht, ziemlich schwach herüber. Dennoch würde er diese Stimme sofort und unter so vielen wieder erkennen. Schnell rannte er den schmalen Gang entlang zum Bug und blieb wie erstarrt stehen.

Dort stand sie, auf der unteren Strebe der Reeling, klammerte sich fest und reckte ihre Nase in die Luft. Ihre Haare flogen im Fahrtwind, das Kleid flackerte und das Seidentuch, welches sie sich um ihren Hals gebunden hatte und perfekt als Accessoire diente, schlackerte ebenso im Wind. Sie kicherte erneut, schwankte kurz, fing sich wieder und begann daraufhin laut zu lachen.

Erst als sie eine Hand von der Reeling löste, gewann er die Kontrolle über seinen Körper zurück und stürzte zu ihr und gerade als sie die zweite Hand löste, bedenklich schwankte und beinahe vornüber gekippt wäre, schlang er seine Arme um ihre Taille und hielt sie fest.

„Hoppla“, kicherte sie erneut, streifte seine Hände, die um ihren Bauch lagen mit ihren eigenen und ließ ihn heiß erschaudern. „Vielen Dank, Fremder“, lachte sie unbeschwert, während ihre Hände wieder zur Reeling glitten und sich dort fest krallten.

„Was machen Sie denn hier? Wollen Sie sich umbringen?“

Erneut lachte sie.

Waren seine Worte etwa so lustig? Oder der Gedanke daran?

„Nein“, kicherte sie. Dann aber atmete sie die frische Luft tief ein und fröstelte so plötzlich, das selbst er ihre Gänsehaut spüren konnte. „Ich möchte mich nur endlich einmal frei fühlen.“

„Sind Sie nicht frei?“, hakte er nach und schluckte, als er spürte, welch Reaktion ihre Nähe in ihm auslöste.

„Nein“, antwortete sie, schien wirklich ernst zu werden und er dachte schon, das sie gar nicht so betrunken war, wie er annahm, aber dann begann sie wieder loszuprusten. „Wie kann man schon frei sein, wenn man der einzigen Person die man liebt, nicht sagen darf das man sie liebt.“ Sie verlor wieder ihr Gleichgewicht, presste ihren Rücken an seine Vorderseite und sofort sog er ihren unverkennbaren Duft tief in sich ein. Selten ist er ihr bisher so nah gekommen wie an diesem Abend.

„Wieso sagen Sie es ihm nicht einfach?“

Wieder kicherte sie. „Wenn es denn so einfach wäre.“ Dann aber drehte sie sich halb zu ihm, versuchte einen Blick zu erhaschen. „Darf ich mich einfach einmal frei fühlen?“

Sie wartete gar nicht eine Antwort ab, richtete sich wieder schwankend nach vorne, löste ihre Arme von der Reeling und streckte beide zu den Seiten aus.

Er hielt sie fest, achtete darauf das sie nicht fällt und genoss ihre intensive Nähe.

Sie reckte ihr Gesicht in die Höhe: „Ich bin frei!“, rief sie da auch schon lachend.

In ihm drinnen brodelte es gewaltig. Seine aufwallenden Gefühle konnte er kaum zurückdrängen und sein gesamter Körper sehnte sich nach noch mehr Nähe. Kurzerhand setzte er einen Fuß neben ihrem auf die untere Strebe, hielt sich nun selbst mit einer Hand an der Reeling fest, während die andere um ihren Bauch geschlungen war. Dann zog er auch den zweiten Fuß nach und presste seinen Körper dicht an ihren. Ihre Nähe brachte ihn beinahe um den Verstand und er versuchte ihr so nahe wie möglich zu kommen.

Nun überragte er sie wieder um einen Kopf und betrachtete ihr glücklich strahlendes Seitenprofil.

„Wie gerne hätte ich jetzt einen Spiegel“, flüsterte sie heiser und er spürte ihren schnellen Herzschlag. Es beruhigte ihn, das es auch an ihr nicht spurlos vorbei ging.

„Was hindert dich wirklich daran es ihm zu sagen?“, hauchte er ihr zärtlich ins Ohr, überwältigt von seinen Gefühlen. Gerade noch so konnte er sich zurückhalten, sonst hätte er ihr einen Kuss auf die Stelle hinter ihrem Ohr gesetzt.

Sie legte ihren Kopf etwas nach hinten, drehte sich ihm zu und blickte ihm in das Gesicht. Schien ihn für einen Augenblick ausdruckslos anzusehen, dann aber leuchtete die Erkenntnis in ihren Augen auf. „Es wäre nicht gut für unsere Freundschaft“, hauchte sie.

Überwältigt von ihren Worten und seinen eigenen Gefühlen, beugte er sich etwas zu ihr vor. Hielt sie in seinem Blick gefangen. „Lass uns nur für einen Moment vergessen“, flüsterte er zurück, beugte sich weiter zu ihr.

Sie schloss die Augen, spitzte die Lippen. Bevor er sie berühren konnte, sackte sie plötzlich in sich zusammen und er verlor das Gleichgewicht, konnte sich und sie nicht mehr halten. Rückwärts plumpste er auf den Boden, landete hart, dennoch fing er sie auf und bewahrte sie vor einer Verletzung.

Überrascht starrte er sie an, wusste nicht was geschehen war, als ihn eine Stimme in die Realität zurück holte. „Was ist geschehen?“

Für einen Moment begann sein Herz zu rasen, dann aber rief er sich in Erinnerung das er die gesamte Zeit über eine Maske trug und ihn niemand erkennen würde. Daher fasste er sich schnell wieder und blickte zu dem Mann auf, der neben ihm stand und sich besorgt auf den Boden kniete.

„Aoko?“

„Sie ist eingeschlafen“, antwortete er, blickte besorgt auf das Mädchen in seinen Armen.

„Was haben Sie mit meiner Tochter hier draußen zu suchen?“

Er schluckte, dann aber entschied er sich zur Wahrheit. „Ich habe sie vor einem Sturz bewahrt. Dann sind wir umgekippt und sie ist eingeschlafen.“

So ganz schien der Kommissar seine Worte nicht zu glauben, dennoch beließ er es dabei. „Ich danke Ihnen.“ Im nächsten Moment hob er seine Tochter auf seine Arme und verschwand mit ihr wieder ins Innere des Schiffes.

Zurück blieb er, ein junger Mann in der Verkleidung eines Geschäftsmannes, verwirrt von seinen Gefühlen, von diesem Abend und diesem intimen Moment mit seiner besten Freundin.

Am nächsten Morgen stand er ausnahmsweise mal pünktlich vor ihrer Türe.

Er konnte nicht schlafen, seine Gedanken und sein stark klopfendes Herz hielten ihn die gesamte Nacht noch wach.

Wie eine Leiche trat sie hervor. Mit tiefen Augenringen und mehr tot als lebendig, schloss sie die Haustüre hinter sich.

„Was ist denn mit dir passiert?“

Sie hielt sich ihre Stirn. „Ich hab gestern zu lange gefeiert und mein Vater sieht es als gerechte Strafe mich heute in die Schule zu schicken.“

Wie war es denn gestern überhaupt?“

„Ich hab ein bisschen was getrunken und ich weiß noch, dass da dieser lustige Barkeeper war, der immer wieder etwas neues ausprobiert hat.“

Das Thema Barkeeper stieß ihm ungut auf, daher lenkte er vom Thema ab. „Ist Kid gekommen?“

Sie überlegte, runzelte die Stirn, schloss im nächsten Moment aber schmerzhaft die Augen. „Ich kann mich nicht mehr dran erinnern. Ich bin heute morgen in meinem Bett aufgewacht, aber wie ich da hingekommen bin? Keine Ahnung...“

Er schmunzelte: „Du hast nur ein bisschen was getrunken?“ Allerdings würde er an diesem Tag doch rücksichtsvoller mit ihr umgehen, denn sie musste schon genug unter den Folgen ihres Alkoholkonsums leiden. Aber morgen würde er sie dann nicht mehr schonen.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Spiegel

Unkraut

Nase

Bug

Seidentuch

Verfolgt - Teil 1

Sie rannten zwischen den engstehenden Bäumen hindurch. Ein Schuss fiel und schlug neben ihnen in einem Baumstamm ein. Aoko und Akako zuckten panisch zusammen.

„Weiter!“ Auch Kaito schluckte, dennoch mussten sie weiter. Er sah kurz zu Hakuba, der wohl die selben Gedanken hatte.

Von irgendwoher dröhnte es plötzlich. Ein Donnerschlag ertönte. Über kurz oder lang würde ein Gewitter aufziehen. Jeder wusste das man bei einem Gewitter nicht in einem Wald ausharren sollte. Nur wohin sollten sie flüchten?

Hinter ihnen näherten sich viele Schritte. Erneut fiel ein Schuss und verfehlte die kleine Gruppe erneut ganz knapp. Die Mädchen rannten voraus, darauf achtend nicht über eine der vielen Baumwurzeln zu stolpern. Die Jungs direkt hinter ihnen. Sie huschten zwischen den verschieden dicken Baumstämmen hindurch. Doch ihre Verfolger blieben hartnäckig und ihnen auf den Fersen.

„Sollten wir uns aufteilen?“ Hakuba blickte Kaito an. „Vielleicht können wir sie so abhängen?“

Kaito überlegte. Er hielt es für keine gute Idee sich komplett zu trennen. „Nimm du die Mädchen mit. Ich lenke sie ab. Sucht euch ein sicheres Versteck!“

„Nein“, Aoko sah zu ihren besten Freund. „Nein, du gehst nicht allein.“

Akako stimmte ihrer Mitschülerin zu. „Wir bleiben zusammen.“

Die ersten Tropfen fielen durch den dicht bewachsenen Wald. Die Abstände zwischen Blitz und Donner verringerten sich zunehmend.

Zwischendurch ertönten die Schüsse, die sie immer wieder knapp verfehlten.

Die erste Erschöpfung trat ein und sie waren sichtlich außer Puste. Dennoch durften sie nicht stehen bleiben. Akako wurde langsamer. Entschieden umfasste Hakuba ihr Handgelenk und zog sie mit sich. Darauf bedacht schneller zu laufen, aber nicht zu schnell um die Mitschülerin zum Stolpern zu bringen. Akako selbst atmete schnell, dennoch ließ der Fluchtinstinkt nicht zu aufzugeben.

Wieder fiel ein Schuss, dieses Mal zeitgleich mit dem Donnerschlag. Aoko schrie kurz auf und im nächsten Moment fiel sie der Länge nach hin.

Kaito blieb ruckartig stehen, sah seine beste Freundin am Boden liegen und nahm war wie ihre Verfolger sich näherten. „Aoko!“ Schon stand er bei ihr, half ihr aufstehen und suchte sie blitzschnell nach Verletzungen ab. Schmerzverzerrt blickte sie ihren Freund an. Konnte nicht auftreten.

Der Regen wurde stärker.

Wieder ein Schuss der Kaitos Kopf haarscharf verfehlte. Schon nahm er seine Freundin Huckepack und beeilte sich davon zu kommen.

Hakuba und Akako waren bereits im Wald verschwunden. Somit schlug Kaito nun Haken wie ein Hase um seine Verfolger abzuschütteln. Eine ganze Weile und mit seinen Kräften am Ende ging das so. Der Regen verstärkte sich und prasselte nur noch vom Himmel herab. Vielleicht kam ihm das sogar zu Hilfe, denn er schaffte es tatsächlich Abstand zu gewinnen.

Aoko hing auf seinem Rücken, klammerte sich fest und atmete schwer. „Wir haben sie abgehängt“, sprach er sich und ihr Mut zu.

Er lief weiter um ganz sicher zu gehen sie abgehängt zu haben und dann ließ er Aoko im Schutz eines Baumstamm hinunter.

Der Regen prasselte unaufhaltsam auf sie nieder und in wenigen Minuten waren sie bis auf die Knochen nass.

Er spürte wie die Müdigkeit ihn überkam. Aber er durfte nicht aufgeben, noch war es nicht vorbei und sie alle noch nicht in Sicherheit. „Wo hast du dir weh getan?“ Dabei umfasste er zaghaft ihren Fuß, da er davon ausging sie hätte sich den Knöchel verstaucht, weil sie über eine Wurzel gestolpert war. Ein schmerzerfülltes Schluchzen erklang bei seiner Berührung und dann sah er die Schusswunde in ihrem rechten Bein. Entsetzt starrte er auf das klaffende Loch in ihrer Wade und konnte seinen Blick nicht von dem vielen Blut abwenden. Sofort überkam ihn das schlechte Gewissen. Er war Schuld. Er war dafür verantwortlich das sie verletzt wurde. Schnell holte er ein Taschentuch hervor, um es auf die Wunde aufzulegen. In der Nähe fand er einen kleinen Stein. Dieser war zwar nicht der sauberste aber er sollte dennoch für den Druckverband ausreichen. Schnell wischte er den Stein an seiner Jeanshose ab und versuchte diesen zu trocknen. Er überlegte wie er den Verband jetzt anlegen sollte, da fiel ihm ein, das er noch die Krawatte von Kid in seiner Hosentasche verstaut hatte. Kommentarlos und wissend das er sich dadurch ihr gegenüber verraten würde zog er diese hervor und verband das verletzte Bein.

„Aber....“ Aoko starrte auf die Krawatte, dann zu ihrem besten Freund und schüttelte plötzlich ihren Kopf. „Aber....“, setzte sie erneut an, wissend was es zu bedeutete aber nicht glauben wollend. „Kid? Du?“ versuchte sie ihre Gedanken in Worte zu fassen. „Aber... die ganze Zeit...“, sie schluckte und sah ihren besten Freund enttäuscht an: „Du...“, sie schüttelte ihren Kopf.

Er zog den Knoten fest, hörte ihr Gestammel und traute sich kaum aufzusehen, dennoch musste er sich ihr stellen. Er atmete tief durch und sah ihr in die Augen. Reuevoll. Entschuldigend..

Aoko sah ihm in die blauen Augen, erkannte die Angst und das schlechte Gewissen darin. „Du hast mich die ganze Zeit belogen“, stellte sie fest. Jegliche Emotion war aus ihrer Stimme verschwunden. Es war eine stumpfe Feststellung.

Und als könnte nichts verletzender sein, war es genau diese Reaktion vor der er so Angst hatte. Mit Trauer oder mit Wut, selbst mit einer Schimpftirade könnte er umgehen, aber nicht mit dieser gefühllosen Feststellung. Zeigte es ihm doch wie sehr er das Mädchen vor sich verletzt und vor den Kopf gestoßen hatte. „Aoko“, hauchte er selbst um Fassung ringend. „Ich werde dir alles erklären.“

Sie senkte den Blick, glaubte ihm nicht mehr. Ein Regentropfen wanderte ihre Wange hinab, oder war es sogar eine Träne?

Er umfasste ihre Hände, verzweifelt suchte er ihren Blick. „Bitte glaub mir, ich werde dir alles, wirklich alles erklären, aber nicht hier. Wir sind noch nicht außer Gefahr.“

Um sie herum raschelte es plötzlich in den Büschen. Nicht unweit von ihnen knackste ein Ast. Beschützend baute er sich vor seiner besten Freundin aus, die mit schreckgeweiteten Augen die dunkle, von Regenschwaden durchzogene Dunkelheit beobachtete. Auch sie stand auf. Langsam zog sie sich am Baumstamm hoch. Waren das jetzt diese bösen Menschen, die auf sie schossen? Würde ihr Leben jetzt und hier ein Ende finden?

Kaito zog seine Kartenpistole bereit sich und Aokos Leben zu verteidigen.

Ein Schatten löste sich aus der Dunkelheit.

Angespannt wartete er auf seinen Gegner, bereit jederzeit zu schießen.

„Hier seid ihr“, hörten sie Hakuba erleichtert aufatmen und in diesem Moment trat hinter dem Mitschüler Akako hervor.

Kaito lockerte seinen Arm und versteckte die Kartenpistole.

„Aoko, Kaito, ihr lebt“, freute sich Akako und fiel Kaito um den Hals. „Ich habe mir solche Sorgen gemacht.“

„Ist alles in Ordnung?“, fragte Hakuba besorgt nach.

„Aoko wurde angeschossen“, klärte Kaito die beiden auf und schob Akako von sich. „Hakuba, Akako, bringt Aoko hier weg und holt Hilfe.“

„Und was hast du vor?“

„Sie sind noch hier. Ich werde sie von euch ablenken.“

„Nein, Kaito“, sprach Aoko. „Du wirst dich nicht allein gegen sie stellen. Komm mit uns und lass die Polizei ihre Arbeit machen.“

Kaito blickte seine beste Freundin an. „Ich bin der Grund warum sie hinter euch her sind. Ich werde dir alles erklären“, fügte er hinzu. „Schau das du in Sicherheit kommst und nicht verblutest.“

Aoko schüttelte ihren Kopf, schob trotzig die Unterlippe vor und schnappte sich seine Hand. „Ich werde dich nicht hier zurück lassen. Wir gehen gemeinsam.“

Es raschelte in weiterer Entfernung. Die Feinde kamen wieder näher.

„Keine Zeit zu diskutieren! Hol Hilfe. Ich werde die Unterstützung deines Papas hier brauchen.“

„Kaito“, Tränen stiegen Aoko in die Augen. „Nein, nein, nein und nochmals nein. Ich lasse dich nicht allein.“

Kaito hatte nur noch Augen für seine beste Freundin. Und so sehr er es liebte mit ihr zu diskutieren oder zu streiten, so war hier nun mal der völlig falsche Ort dafür. Er legte seine freie Hand an ihre Wangen und sah ihr tief in die Augen. „Mir passiert nichts. Ich passe auf mich auf. Versprochen!“ Schon beugte er sich zu ihr, schloss seine Augen und legte im gleichen Moment seine Lippen auf ihre.

Akako und Hakuba starrten die beiden überrascht an.

Aokos Herz raste in diesem Moment als sie seine Lippen spürte. Automatisch fielen ihr die Augen zu und sie fühlte wie Kaitos Zunge über ihren verschlossenen Mund strich und bevor er sich wieder lösen konnte erwiderte sie den sanften Druck seiner Lippen. Langsam lösten sie sich von einander und blickten sich lange an. „Ich liebe dich, Aoko! Wir reden später über alles!“ Und er strotzte geradezu vor Zuversicht und Selbstvertrauen.

In Aoko fuhren ihre Gefühle Achterbahn. Er war doch ihr bester Freund, fast so was wie ihr Bruder und er … liebte sie? Sie wollte ihn nicht gehen lassen, sie wollte bei ihm bleiben, aber er war Kid, der berühmte Meisterdieb und er beherrschte Zaubertricks, wie sonst keiner auf dieser Welt. Wenn es jemand schaffen würde dann er.

Ein erneutes Knacken durchzog den Wald, dieses Mal noch näher.

Kaito strich ihr vorsichtig noch eine Haarsträhne aus dem Gesicht und drehte sich Hakuba zu. „Pass gut auf sie auf. Ich vertraue sie dir an, Saguru!“

Es dauerte eine Sekunde bis der Detektiv sich wieder besann und schließlich nickte. „Geht klar.“

Kaito nickte und nach einem letzten kurzen Blick zu Aoko verschwand er in der Dunkelheit.

Akako trat zu Aoko, stützte diese. „Nun schau nicht so besorgt“, versuchte die Mitschülerin Aoko aufzuheitern. „Kaito hält sein Versprechen.“

Hakuba blickte seinem Mitschüler und Lieblingsgegner nach, flüsternd und von den Mädchen ungehört: „Pass auf dich auf, Kid!“
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Regen

Angst/Furcht oder ein anderes Wort dafür

Bruder

Müdigkeit

Ende

Verfolgt - Teil 2

Kaito rannte von seinen Freunden weg. Er würde sie beschützen und er wusste das er Hakuba vertrauen konnte. Dieser würde auf die Mitschülerinnen aufpassen. Nun musste er nur noch diese Schurken auf sich aufmerksam machen und ihnen eine Falle stellen. Hoffentlich schafften es die anderen in der Zwischenzeit die Polizei zu verständigen. Entschlossen holte er sein Kid-Kostüm hervor und zog sich blitzschnell um. Allerdings ohne die Krawatte, die immer noch um Aokos Bein gebunden war. Ob es richtig war sich ihr zu offenbaren? Schnell verschob er den Gedanken wieder und konzentrierte sich lieber auf die Begegnung mit seinen Feinden. Alles andere stand hinten an und sobald er mit Aoko gesprochen hatte... würde er vermutlich erst mal einen ordentlichen Tritt in den Hintern bekommen.

Ein Blitz erhellte die Gegend. Es wurde kurz taghell. Ein Donnerschlag folgte kurz darauf. Der Regen verstärkte sich erneut und es goss nur noch wie aus Eimern.

So plötzlich wie der Blitz erschien, erklang auch wieder ein Schuss. Sie waren also nicht mehr weit von ihm entfernt. Schnell eilte Kid weiter und wenig später betrat er eine größere Waldlichtung. Wieder fuhr ein Blitz vom Himmel gefolgt von einem lauten donnern.

Die Lichtung war so groß wie ein Fußballfeld und inmitten dieser lag ein kleiner See. Das Wasser war ganz und gar nicht ruhig sondern bewegte sich wild unter den vielen Regentropfen.

Zu gut kannte er dieses Fleckchen. Es war der kleine Waldsee. Letzten Sommer waren sie öfters mit Klassenkameraden hergefahren. Hier waren selten Leute zu sehen. Der See war noch ein Geheimtipp. Die Wiese diente als Liegefläche und in den See führte eine kleine Holzbrücke, die in einer größeren Plattform endete.

Ein Schuss schallte. Schon fuhr ein weiterer Blitz herab und zog seinen eigenen Schall mit sich. Der Donnerschlag dröhnte ebenso wie der Hall der Pistolenkugel.

Kid beobachtete aufmerksam die Umgebung. Es war nur ein Warnschuss, da war er sich hundertprozentig sicher. Schatten lösten sich aus den Baumreihen und die Schwarze Organisation trat hervor.

„Wie schön, das wir uns endlich wieder sehen, Kaito Kid!“ Alle Männer richteten ihre Waffen auf den Magier in Weiß.

Kaito zählte seine Feinde und kam auf elf Männer. Er wusste nicht, ob es schon alle waren oder sich noch welche im Schatten verborgen hielten. „Die Freude kann ich leider nicht teilen“, sprach er betont gelangweilt. In seinem Kopf arbeitete es auf Hochtouren. Wenn er hier lebend herauskommen wollte, musste ihm schleunigst etwas einfallen.

„Auf diesen Moment habe ich so lange gewartet“, sprach Snake, der Anführer. „Eigentlich dachte ich das du schon längst im Jenseits bist, aber scheinbar hast du meinen Anschlag wirklich

überlebt. Nur eines interessiert mich noch: Warum bist du nicht schon eher zurückgekehrt?“

„Es gibt Dinge über die ich ganz sicher nicht mit Ihnen reden werde“, antwortete Kid und bereitete sich auf einen Angriff vor.

Wieder ein Blitz und ein Knall. Kurz wurde es taghell, da entdeckte er eine dunkle Gestalt hinter der Organisation. Für einen kurzen Moment riss er seine Augen auf, doch dann rief er sich wieder sein Pokerface in Erinnerung.
 


 

Das Gewitter wurde stärker und stärker und näherte sich rasch. Irgendwann fanden Akako, Hakuba und Aoko einen Holzunterstand im Wald. Zumindest konnten sie vorerst dem Regen entkommen.

Hakuba kickte einen kleinen Stein weg, der vor Aokos Füßen zum Liegen kam. Seine Gedanken waren bei ihr. Kaito hatte sie geküsst und ihr seine Liebe gestanden. Der Detektiv hatte es sich nicht eingebildet und Aoko liebte Kuroba auch schon seit längerem, das sah sogar ein Blinder. Ein trauriges Schmunzeln schlich sich auf seine Lippen. Er hatte wirklich geglaubt sie für sich gewinnen zu können. Aber sie sah nie mehr als nur einen Freund in ihm.

In der Ferne hallten Schüsse.

„Kaito...“ Aoko saß auf einigen Holzstämmen und blickte sehr besorgt in die Finsternis.

„Ihm geht’s gut“, beruhigte Akako sie. Dennoch wich auch ihr Blick besorgt in den Wald.

Hakuba runzelte die Stirn. Warum überhaupt verfolgten diese Leute sie und warum schoss man auf vier Jugendliche?

Wieder hallten Schüsse, noch weiter weg als zuvor.

Er lehnte an der Seitenwand und machte sich seine Gedanken zu Kaito und seinen Verdacht auf Kid. Diese Fragen würde er vermutlich erst beantwortet bekommen, wenn er Kaito als Kid überführt hätte. Und dann? Was wäre dann?

Er wusste um die zweite Identität seines Mitschülers – schon so lange – ihm fehlte nur noch der Beweis um seinen Kontrahenten zu überführen. Allein Kaitos Mut, ihre Verfolger mit Schusswaffen von ihnen abzulenken, war noch lange kein Beweis dafür das er hinter Kids Maske steckte. Und dennoch war sich der Detektiv sicher nicht mehr lange warten zu müssen.

Dieses Mal dröhnte der Hall eines ganzen Kugelwall durch den Wald. Besorgt blickte auch der Detektiv auf und fragte sich was das zu bedeuten hatte. Die Schüsse waren weit entfernt. Sie brauchten sich hier definitiv keine Sorgen zu machen, aber Kaito... Er schüttelte die Besorgnis ab. Der würde sich schon zu helfen wissen. Sie würden ihm nur im Weg stehen und Aoko nicht in Sicherheit zu wissen, würde ihn nur ablenken. Inzwischen glaubte Hakuba, das Kaito sich nur auf die Situation konzentrieren konnte, wenn er sicher sein konnte, das sie sich alle außer Gefahr befanden. Und Aoko mit ihrer Schusswunde wäre sowieso ein großes Hindernis. Ganz automatisch suchte Saguru nach ihrem rechten Bein. Die Schusswunde mussten sie schnell ärztlich versorgen lassen, ehe Aoko zu viel Blut verlor und noch ohnmächtig wurde. Dann entdeckte er einen Druckverband. Kaito musste diesen angelegt haben, überlegte Hakuba, doch schon stutzte er. Seine Augen verharrten auf dem blauen Tuch. Er grübelte und es fiel ihm wie Schuppen von den Augen.

Da war der Beweis.
 


 

Es blitzte und donnerte immer wieder aber langsam zog das Gewitter wieder ab. Der Regen hingegen würde nicht so schnell stoppen. Kid war durchnässt und fühlte wie der Anzug am Körper festklebte. Dennoch behielt er seine Feinde im Auge. Er lauerte auf das was kommen mag.

„Zu schade, es hätte mich wirklich sehr interessiert wie du meiner Falle damals entkommen konntest“, entgegnete Snake zischend.

Bevor Kid noch etwas sagen konnte, sprach plötzlich jemand anderes: „Ein Magier verrät niemals seine Tricks.“

Überrascht drehten sich die Mitglieder um und diesen Moment der Verwirrung nutzte Kid um seine Angriffe zu starten. Er schoss mit seiner Kartenpistole, holte seine Knallkugeln heraus, warf Rauchbomben und wich nebenbei den dutzenden Schüssen der schwarzen Männer aus.

Eine ganz in schwarz gehüllte Gestalt nutzte den Überraschungsmoment ebenso aus und unterstützte Kid.

Zwischendrin grollte es nur noch am Himmel. Der Regen peitschte weiterhin ohne Rücksicht auf die Erde.

Die Schüsse verstummten wieder und schon stellte sich der schwarz gehüllte Schatten neben Kid.

„Kaito Corbeau“, murmelte Kid.

Beide Diebe, weiß und schwarz, standen nebeneinander vor dem See und die Organisation ihnen gegenüber.

„Was soll das werden?“, höhnte Snake. „Seit wann braucht Kid Hilfe von einem schwarzen Double?“

Kid ballte seine Hände zu Fäuste und knurrte. Eben wollte er Snake sagen das er ganz bestimmt keine Hilfe von Corbeau brauchte, da stellte sich der in schwarz gekleidete vor ihn. Sein schwarzer Umhang verdeckte Kid vor den Blicken seiner Feinde. „Nichts ist so wie es scheint, Snake. Das sollten Sie doch längst wissen“, antwortete dieser, bevor Kid es tun konnte.

Plötzlich dröhnten in der Ferne mehrere Hubschrauber.

Snake und seine Gehilfen blickten sich um. Ein letzter finsterer Blick zu den beiden Dieben und er knurrte: „Wir sind uns nicht zum letzten Mal begegnet.“ Schon verschwanden die Männer in Schwarz in der Dunkelheit.

„Lass dir eines gesagt sein, Kaito Kid, das Spiel ist erst vorbei, wenn die letzte Karte gespielt wurde.“

Kaito riss seine Augen auf. Diese Stimme, dieser Ratschlag... Er hatte bereits einmal den Verdacht, aber konnte es wirklich sein? Konnte es wirklich wahr sein?

Plötzlich spiegelte sich ein Licht im See. Kaito Corbeau war so plötzlich verschwunden, wie er aufgetaucht war. Und Kaito zog sich blitzschnell um und winkte einen Polizeihubschrauber herbei. Als der Suchscheinwerfer den Jungen blendete, verdeckte er seine Augen. Nun galt es seine Schauspielkunst unter Beweis zu stellen und eine glaubwürdige Geschichte zu erzählen.
 

Einer der Hubschrauber landete auf der Lichtung und ein Polizist holten den Jungen zu sich um ihn in Sicherheit zu bringen. Im Hubschrauber erfuhr Kaito, dass mehrere Notrufe in der Polizeizentrale eingegangen waren, von Anrufern die Schüsse in der Nähe des Waldes vernommen hatten. „Aoko Nakamori ist noch im Wald. Sie ist verletzt und wurde angeschossen“, berichtete Kaito besorgt.

Der Polizist gab über Funk Meldung und wenig später erhielt Kaito die Nachricht, das seine Freunde bereits gefunden wurden und Aoko ärztlich versorgt wird.

Der Hubschrauber startete und brachte Kaito zu seinen Mitschülern.

Wenig später lief er zu Hakuba, Akako und Aoko. Auch Kommissar Nakamori stand bei den Schülern und lauschte den Erzählungen.

„Aoko“, erleichtert zu sehen, das es ihr gut ging, stellte Kaito sich neben sie und nahm ihre Hand fest in seine. Sie war in eine Decke eingewickelt und trug einen richtigen Verband um ihre rechte Wade.

„Kaito!“ Überglücklich strahlte Aoko ihren Freund an. „Du bist zurückgekommen“, hauchte sie unendlich froh ihn lebend zu sehen.

„Hab ich dir doch versprochen“, grinste er zurück und drückte ihre Hand ganz fest. Schon verschränkte er ihre Finger mit seinen.

Hakuba beobachtete die beiden, woraufhin sein skeptischer Blick mehr auf Kaito lag als auf Aoko.

Akako senkte die Augen und versuchte dem Pärchen keine Beachtung zu schenken.

Kommissar Nakamori wollte soeben mit seiner Befragung fortfahren, als ein Polizist herantrat. In einer Plastiktüte lag etwas Blaues. „Kommissar Nakamori, ich habe etwas, das dürfte für Sie sehr interessant sein“, sprach der Polizist und überreichte seinem Chef die Tüte. Misstrauisch beäugte der Kommissar den mit Blut und Wasser durchtränkten länglichen blauen Stoff. „Was soll das sein?“

Überrascht blickten alle vier Schüler auf, konnten jedoch nicht erkennen was der Kommissar in seinen Händen hielt, da er ihnen den Rücken zugedreht hatte.

„Erkennen Sie es denn nicht? Das ist Kids Krawatte“, verkündete der Polizist übereifrig.

Kaito stockte der Atem. Unbemerkt verstärkte sich sein Griff um Aokos Hand.

Auch Aoko starrte erschrocken zu ihrem Vater, unsicher was jetzt passieren würde.

Hakuba und Akako blickten ebenso auf, er neugierig und sie überrascht.

„Wo kommt das her?“, hakte der Kommissar nach und untersuchte das Fundstück nun genauer.

„Ihre Tochter hatte dies um ihr Bein gebunden. Die Krawatte diente als Druckverband. Ich habe das Beweismittel von den Sanitätern erhalten.“

Nun war der Kommissar überrascht zog aber sofort misstrauisch seine Augenbrauen zusammen. Schon drehte er sich mit der Tüte um und hielt sie den Schülern vor die Nase. Aufmerksam blickte er in Hakubas neugieriges Gesicht, in Akakos überraschte Miene, in Kaitos ausdrucksloses Gesicht und zuletzt in die ängstlichen Augen seiner Tochter.

Aoko schluckte. Was sollte sie dazu sagen? Sie würde Kaito nicht verraten, aber wie sollte sie ihrem Vater nun glaubhaft versichern, das es nicht Kids Krawatte war, oder das sie diese von Kid hatte, wenn Akako und Hakuba doch ganz sicher wussten, das Kaito ihre Wunde versorgt hatte. Sie wollte ihren besten Freund nicht verraten, an niemanden. Sie wollte erst seine Geschichte hören und seine Hintergründe verstehen. Sie überlegte panisch nach einer Ausrede, die nicht an den Haaren herbeigezogen klang und den Verdacht ihres Vaters erhärtete, das etwas ganz und gar nicht hier stimmte.

„Aoko“, sprach er nun seine Tochter urverwandt an. „Ist das wahr? Ist das Kids Krawatte? Wo hast du die her?“

„Ich...“, sie zögerte. Wusste noch nicht was sie sagen soll. „Die Krawatte...“, startete sie den nächsten Versuch. Sie wollte einen Blick zu Kaito werfen, ihn um Hilfe bitten oder seinen Rat einholen. Allerdings wusste sie auch das ihr Vater sofort seinen alten Verdacht wieder aufrollen und Kaito als Kid bezichtigen würde, wenn sie nur annähernd sich in seine Richtung bewegte. „Die... die... Krawatte, also die ist...“, stammelte sie wieder, immer noch auf der Suche nach einer Ausrede.

„Die Krawatte gehört mir!“

Alle Augen richteten sich plötzlich auf denjenigen, der das gesagt hatte.

„Von dir, Hakuba?“, hakte Nakamori skeptisch nach. Irgendwas stimmte hier ganz und gar nicht.

Der Schülerdetektiv blickte auf und direkt in die Augen des Kommissars. „Das ist meine. Mit dieser hab ich Aoko den Druckverband angelegt. Wenn Sie diese nicht mehr brauchen, hätte ich sie gerne zurück.“

Überaus misstrauisch beäugte Nakamori die Krawatte in der Tüte und dann den Jungen. „Diese sieht aus wie die von Kaito Kid“, stellte er nochmal energisch fest.

„Ich weiß“, antwortete Hakuba erneut. Er überlegte, zögerte und dann fuhr er fort. „Ich habe sie in einem Fanshop gekauft.“

„Du hast was?“ Der Kommissar glaubte ihm nicht.

Nun wich Hakuba leicht verlegen aus: „Nun ja, es klingt seltsam, weil ich den Dieb immer hinter Gitter sehen möchte, dennoch bin ich ein … Fan … von ihm. Und die Krawatte hab ich mir neulich gekauft.“

Hakuba blieb unter Kommissar Nakamoris Blick standhaft und überzeugte letztendlich.

Der Kommissar nickte und überreichte die Krawatte dem Polizisten. „Sie haben es gehört. Es ist nicht die echte Krawatte von Kid. Diese hier gibt es zu tausende in Tokio zu kaufen.“

„Aber Kommissar...“, versuchte der Polizist Einspruch zu erheben, doch Nakamori winkte ab.

„Lassen Sie es gut sein.“ Dann wies er noch an: „Sorgen Sie dafür das man die vier nach Hause bringt, aber vergessen Sie nicht Kaitos Aussage aufzunehmen.“

„Jawohl, Herr Kommissar“, salutierte der Polizist.

Kaito blickte derweil seinen Mitschüler und Rivalen überrascht an. Aoko atmete erleichtert auf und Akako konnte immer noch nicht ganz glauben was sie eben gehört hatte. Als Kommissar Nakamori und der Polizist ihnen den Rücken zu gekehrt hatten, stieß sie dem großgewachsenen Blonden den Ellbogen in die Seite: „So, so, du bist als ein Kid-Fan.“

Hakuba warf ihr einen unfreundlichen Blick zu und richtete seine Augen direkt auf Kaito.

Der junge Magier spürte das Hakuba nun endlich seinen Beweis gefunden hatte, aber das er ihn nicht verriet rechnete er seinem Rivalen hoch an.

Der Polizist näherte sich wieder. Wir haben einen Wagen für Sie, der Sie alle nach Hause bringen wird. Gemeinsam stützten die Jungs Aoko zum Polizeiwagen und setzten sich wenig später alle hinein.

Der Albtraum war vorüber – vorerst...
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Schatten

Baum

Arschtritt (oder weniger vulgäre Umschreibung)

Decke

Brücke

Verfolgt - Teil 3

Kaito ging durch die Straßen. Er spürte die Müdigkeit in den Knochen. Die letzte Nacht hatte ihn strapaziert und schlafen konnte er auch nicht. Immer wieder glitten seine Gedanken zurück. Er konnte immer noch nicht glauben, wie sie ihn und seine Freunde überraschten, verfolgten und auf sie schossen. Auch an Aoko und ihre Schussverletzung musste er denken. Sie war vorerst krankgeschrieben, da sie kaum auftreten konnte. Es war auch besser so, denn zuhause war sie einfach am sichersten. Selbst der Schulweg könnte für sie gefährlich sein. Zumindest solange sie in seiner Nähe war. Diese Schurken kannten den Namen seines Vaters, es würde sicherlich nicht mehr lange dauern, dann würde ihnen bewusst werden das nicht sein Vater den Unfall überlebt sondern das der Sohn in dessen Fußstapfen getreten war. Und Kaito wäre dann verantwortlich wenn Aoko etwas zu stieß. Das durfte er niemals zulassen. Wie sein Vater wohl reagiert hätte?

Papa...

Automatisch glitten seine Gedanken zu Kaito Corbeau. Wieso war er im Wald und warum mischte er sich in den Kampf zwischen Kid und der Schwarzen Organisation ein? Diese Stimme, diese Haltung, seine Worte... Könnte es wirklich sein... durfte er solche Gedanken überhaupt an sich ran lassen? Der Tod seines Vaters hatte ihn sehr mitgenommen. Toichi Kuroba war sein großes Vorbild, sein Held und er ist viel zu früh gestorben. Doch was wäre wenn er nicht gestorben ist, sondern nur untergetaucht? Corbeau behauptete einmal er könne jede Gestalt annehmen die er wollte. Genau das hatte Kaito auch einmal zu Kommissar Nakamori gesagt, um diesen von seinem Verdacht abzulenken.

Doch was wäre wenn das ein Bluff gewesen ist um Kid von derartigen Gedanken abzulenken? Was würde er tun, wenn er seinem Vater bald leibhaftig gegenüber stand?

Er schüttelte seinen Kopf, stopfte eine Hand in die Hosentasche und näherte sich dem Schultor. Keiko stand fröhlich davor und hielt Ausschau nach ihrer Freundin.

Aoko... nun war sie schon wieder in seinem Kopf. Seit dem Kuss gestern schwirrte sie darin herum und er versuchte ständig nicht an sie zu denken. Die besorgten blauen Augen, die glänzenden Lippen, die rosafarbenen Wangen. Sie war die Sünde pur und als er für einen kurzen Moment ihren Mund schmecken durfte, wurde ihm bewusst das dies absolut nicht der richtige Ort dafür war. Die Situation hatte sich ergeben und unter der ganzen Aufregung, der Panik, die Angst sie zu verlieren, gingen die Gefühle mit ihm durch. So viel zum Thema Pokerface...

Behalte immer einen kühlen Kopf, egal in welcher Situation du dich befindest, hörte er die Stimme seines Vaters in seinen Gedanken und sie glich der von Corbeau wie nichts anderes.

„Kaito, guten Morgen“, begrüßte Keiko ihn irritiert. „Wo ist denn Aoko?“

„Sie ist krank und kommt die nächsten Tage nicht“, antwortete Kaito. Schon schob er sich an der Mitschülerin vorbei und folgte dem Weg ins Klassenzimmer.

Dieses Mal kam Hakuba erst kurz vor dem Klingeln in die Klasse. Seine Augen fixierten Kaito. Der blonde Halbjapaner setzte sich auf seinen Platz und konzentrierte sich schließlich auf seine Unterlagen.

Kaito grübelte. Ein anderes Rätsel, auf dessen Lösung der junge Magier noch nicht kam, beinhaltete diesen Detektiv. Hakuba hatte nun endlich die Chance zu beweisen wer Kid in Wirklichkeit ist. Er und Akako hätten bezeugen können, das nur Kaito bei Aoko war und das Kaito sich um die Wunde seiner Freundin kümmerte. Sonst niemand, nur er. Es wäre ein leichtes die Krawatte zu untersuchen und die Fasern seiner Jeans mit den Fasern der Krawatte abzugleichen. In Nullkommanichts wäre Kaito verhaftet worden und da er das Kidkostüm ebenfalls mit sich rum trug, wäre er bei einer Taschen und Leibesvisitation sofort überführt gewesen.

Und dann überraschte Hakuba nicht nur ihn, sondern alle... Er log den Kommissar an, setzte sich über seine Grundsätze hinweg und erfand die lächerliche und unglaubwürdigste Lüge aller Zeiten. Er war Hakuba wirklich etwas schuldig.
 

Es läutete zur ersten Pause und alle Schüler verließen den Klassenraum. Kaito ließ sich Zeit, ebenso wie Hakuba. Erst als sie ganz allein waren und der letzte Schüler die Türe zum Zimmer hinter sich geschlossen hatte, drehte sich der Detektiv dem Dieb zu. „Warum tust du das, Kaito?“

Kaito überlegte. Auch wenn sein Mitschüler nun alles Recht der Welt dazu hätte die Hintergründe zu erfahren, so würde er ihn damit nur in Gefahr bringen. Noch tappte der Detektiv im Dunkeln, für dessen Sicherheit würde er es vorerst so belassen. „Ich weiß nicht wovon du redest.“

„Dieses Spiel ist vorbei, Kid! Ich weiß das du hinter der Maske steckst und ich hab den Beweis dafür gesehen.“

Kaito erwiderte den Blick seines Rivalen. Ernst... doch dann fing er an zu lachen. „Ich bin nicht, Kid. Wann hörst du denn endlich damit auf? Es gibt keinen Beweis dafür.“

„Die Krawatte!“, spie Hakuba wütend aus. Er schien die Faxen dicke zu haben.

Mit selbstsicheren Blick erwiderte Kaito: „Die Krawatte gehört dir. Du hast selbst gesagt, das du ein Kid-Fan bist.“

Hakuba sprang wütend auf, die Hände zu Fäusten geballt: „Du weißt das dem nicht so ist, Kid! Ich habe dir gestern deinen verdammten Arsch gerettet und nun bist du dran mich aufzuklären. Also rede gefälligst!“

Auch Kaito stand auf, langsam und beherrscht. Seine ganze Körperhaltung strotzte vor Selbstbeherrschung und Arroganz. „Ich weiß nicht was du meinst. Mir gehört die Krawatte nicht und solltest du der Polizei was anderes erzählen steht deine Aussage gegen meine. Kommissar Nakamori und noch ein weiterer Polizist haben deine Worte gestern gehört. Ich finde es übrigens ausgesprochen interessant das du diese Krawatte in einem Fanshop gekauft hast. Vielleicht sehe ich dich schon bald an Karneval als Kaito Kid verkleidet.“ Kaito begann zu grinsen, blickte in das Wutverzerrte Gesicht seines Rivalen und verließ den Klassenraum. Auf dem Gang packte ihn dann doch das schlechte Gewissen, denn er war Hakuba für seine Hilfe extrem dankbar und würde ihm seine Notlüge niemals vergessen. Aber nur aus Dankbarkeit ihn einer nicht abzuschätzenden Gefahr auszusetzen, das konnte er nicht. Es widersprach seinem Schwur nie jemanden absichtlich zu gefährden.

„Warte, Kaito!“

Der angesprochene Oberschüler blieb stehen. Hakuba holte ihn ein.

„Wirst du …“, der Detektiv stockte, dennoch sprach er ernsthaft genug um dem Dieb den Ernst seiner Frage zu vermitteln. „Wird Kid sich stellen, wenn sein Ziel erreicht ist?“

Kaito senkte seinen Kopf, dann drehte er sich langsam um. Er suchten den Blickkontakt zu seinem Rivalen. „Ich weiß zwar nicht was du mir damit sagen möchtest, aber...“

„Wird Kid sich der Polizei stellen oder wie vor acht Jahren einfach feige verschwinden“, unterbrach Hakuba ungestüm.

Kaito fühlte sich gekränkt. Sein Vater war nicht feige verschwunden. „Woher soll ich das wissen?!“, fauchte er nun zurück, eine Mischung aus Ratlosigkeit und Wut. „Ich bin nicht, Kid! Das hab ich dir schon tausendmal gesagt“, fügte er verstimmt hinzu, drehte sich um und ging. Dieses Mal folgte Hakuba ihm nicht mehr.
 

Aoko saß zuhause auf ihrem Bett und las in einem Buch. Doch wirklich konzentrieren konnte sie sich nicht. Zu groß waren die Erlebnisse gestern Nacht. Kaito war Kaito Kid. Er hatte sie so lange an der Nase herumgeführt. Viele Situationen aus den vergangenen Monaten kamen ihr in Erinnerung. Er lenkte sie von ihren Verdachtsmomenten ab, war sogar mit ihr auf ein Date gegangen um zu beweisen das er es nicht war. Kid konnte dennoch an diesem Abend erfolgreich stehlen, aber wie hatte Kaito das bloß angestellt? Er war doch die gesamte Zeit über bei ihr im Tropical Land?

Sie löste ihre Augen von den beschriebenen Seiten und lehnte den Kopf zurück. Warum war ihr es nicht früher aufgefallen? War sie so verbohrt und blind das sie es einfach nicht wahrhaben wollte?

Ihre Augen wanderten zu ihrem Handy. Er sollte jetzt in der Schule sein. Ob sie... Sie zögerte, nahm ihr Handy und rief seinen Kontakt auf. Schon tippte sie eine Nachricht ein und löschte diese wieder. Sie konnte ihm doch nicht einfach schreiben, schon gar nicht was er sich dabei dachte Kid zu sein und sie die gesamte Zeit anzulügen. In diesem Moment blinkte ihr Display auf und sie öffnete die eingegangene Nachricht.
 

Hey, Aoko, wie geht’s deinem Bein?
 

Ihr Herz schlug einen Takt schneller. In ihrem Bauch kribbelte es. Konnte er Gedanken lesen? Schnell tippte sie Schmerzt ein wenig ein und drückte auf Senden. Gespannt wartete sie auf die Antwort.
 

Klingt nicht gut. Kannst du trotzdem laufen? Ich wollte heute Abend einen Auflauf kochen und dich zum Essen einladen.
 

Ihr Atem stockte. Kaito wollte kochen? Ungläubig las sie die Nachricht erneut. Konnte Kaito überhaupt kochen? Wie automatisch tippten ihre Finger die Antwort und verschickten diese. Du kochst? Schon plöppte die Antwort auf. Ihre Augen suchten die Uhr und eigentlich hätten sie um diese Uhrzeit überhaupt keine Pause. Würde das bedeuten er schrieb mit ihr während des Unterrichts? Sie las seine Nachricht durch und schmunzelte.
 

Natürlich kann ich kochen. Kommst du?
 

Ganz blöd war sie auch nicht und sie vermutete stark das die Einladung zum Essen in Wirklichkeit eine Einladung zur Aussprache war. Vermutlich würde er dann einfach eine Pizza bestellen. Chikage hatte auch nie erzählt das Kaito wirklich kochen konnte. Nicht umsonst war seine Mutter an die Nakamoris herangetreten und hat darum gebeten Kaito mitzuversorgen. Aber das er mit ihr über Kid sprechen würde, konnte er ja auch schlecht in eine Nachricht schreiben. Wann soll ich da sein?
 

17.00h
 

Gut, dann würde sie um diese Uhrzeit zu ihm rüber gehen. Ihre Augen betrachteten ihre verbundene Wade... Wohl eher humpeln, fügte sie ironisch für sich in Gedanken hinzu. Sie wollte ihr Handy weglegen, da kam noch eine Nachricht.
 

Miss U!
 

Ihr Herz begann zu rasen. So schlug es die gesamte Zeit wohlig in ihrer Brust, spürte das stetige Kribbeln in ihrem Körper und versuchte jede Erinnerung an den Kuss letzte Nacht beiseite zu schieben. Und nun schrieb er ihr so etwas. Was sollte sie denn nur darauf antworten?

Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und dann brachen sie hervor... die Gefühle, die seit dem Kuss nur noch wilder in ihr tobten. Sie spürte diese seltsame Stimmung. Die Wetterlage, den Regen, seinen Atem in ihrem Gesicht, den Druck seiner Lippen auf ihren, seine Zunge, die sanft über ihren Mund strich. Sie erinnerte sich an die stürmischen tiefblauen Augen, die unentwegt in ihre Augen sahen. Sie fühlte ihre Wange prickeln unter seiner Berührung und ihr Herz klopfte wie wild in ihrer Brust. Schon lange war sie heimlich in ihn verliebt, aber seine Liebeserklärung gepaart mit dem Kuss, überrumpelte sie sehr.

Leicht drehte sie ihren Kopf und blickte aus dem Fenster zum Nachbarhaus rüber. Von ihrem Bett konnte sie sein Zimmer gut sehen. Ob er wirklich sein Versprechen hielt und ihr alles erzählen würde? Was wäre wenn es der Situation geschuldet war und er sie nur küsste um die Anspannung, den Stress oder das Adrenalin über ein Ventil entweichen zu lassen? Was wäre wenn er es überhaupt nicht ernst mit ihr meinte? Ehe sie diese Gedanken weiter verfolgen konnte, bemerkte sie einen Schatten. Überrascht richtete sie sich auf und versuchte erneut einen Blick in sein Zimmer zu erhaschen. Etwas oder jemand bewegte sich darin. Ihr Blick fiel auf ihr Handy. War er doch nicht in der Schule? Schon nahm sie es und tippte: Bist du zuhause?
 

Nein, in der Schule. Warum?
 

Sie wusste das Chikage in Las Vegas war und sonst kannte sie niemanden der einen Schlüssel zum Haus hatte. Angst breitete sich in ihr aus. Sie erinnerte sich an diese Monster, die sie gestern verfolgten und auf sie schossen. Um ganz sicher zu gehen, ob sie sich auch wirklich nichts einbildete sah sie zu seinem Fenster hinüber und erstarrte vor Schreck. Ein Schatten stand davor und der stechende Blick bereitete ihr eine Gänsehaut. Sofort rutschte sie tiefer, sah jedoch ein, das es zu spät war. Wer auch immer in Kaitos Zimmer war hatte sie bereits gesehen. Mit zittrigen Fingern tippte sie: Jemand ist in deinem Zimmer und hat mich gesehen!
 

Bleib wo du bist und sperr dich im Zimmer ein. Geh nicht ans Fenster!
 

Aoko zitterte warf einen Blick rüber zu Kaitos Zimmer, aber der Schatten war verschwunden. Ihr Herz raste vor Angst. Würde dieser Jemand nun zu ihr kommen und … ja, und dann … es vielleicht zu Ende bringen?
 

Ist dein Papa zuhause?
 

Diese Nachricht von Kaito beruhigte sie etwas. Sie war nicht allein. Er war bei ihr und wenn er es nur mental war. Nein.
 

Ruf ihn an! Er muss sofort nach Hause kommen!
 

Aoko nickte, obwohl Kaito das nicht sehen konnte und wählte mit zittrigen Fingern die Nummer ihres Vaters. Nach kurzem Klingeln nahm er ab. „Papa, ich bin es! Ich hab so starke Schmerzen im Bein. Du musst kommen. Bitte, Papa, ganz schnell musst du kommen!“

„Aoko“, ihr Vater spürte wohl den Ernst der Lage und stimmte zu: „Ich bin gleich da!“ Er legte auf und sie spürte wie die ersten Tränen der Angst ihre Wange hinunterliefen. Es war gemein ihrem Vater solch einen Schreck einzujagen, aber wenn das wirklich die Leute von letzter Nacht waren, schwebte sie hier in Lebensgefahr. Wie lange sie auf ihrem Bett ausharrte, mit Tränen benetzte Wangen und das Zimmer von Kaito beobachtend, wusste sie nicht mehr. Plötzlich schlug eine Türe auf und etwas rumpelte im Erdgeschoss.

Panisch mit dem Handy in der Hand richtete sie sich in ihrem Bett auf. Sie hielt sich vom Fenster fern, wie Kaito ihr angewiesen hatte. Rührte sich nicht mehr, fühlte sich sowieso wie in einer Schockstarre, nicht fähig sich überhaupt zu bewegen. Und wohin sollte sie auch schon rennen? Mit ihrem Bein käme sie eh nicht weit.

Im nächsten Moment rüttelte es an ihrer Türe und sie hielt die Luft an. Als sie aufging wappnete sie sich dem Feind gegenüber zu stehen, da stürzte schon ihr Vater an ihr Bett heran und betrachtete das verängstigte Mädchen. „Aoko?!“

Eine unendliche Last fiel ihr von den Schultern und sie versteckte sich in den starken Armen ihres Vaters. Die Tränen liefen ihr ungehindert über die Wangen während sie erleichtert schluchzte.

Schon erschien wieder jemand im Zimmer: „Aoko!“

Überrascht über diese Stimme blickte sie auf. „Kaito?“ In der Türe stand ihr bester Freund mit einem sorgenvollen Gesichtsausdruck. Als er sie in den Armen ihres Vaters sah, schien er erleichtert. Dann wich sein Blick zum Fenster und seine Mimik verdunkelte sich. Um sich nichts anmerken zu lassen, blickte er zu Aoko und ihrem Vater. „Bin ich froh zu sehen, das es dir gut geht“, gestand er schließlich.

„Kaito, warum bist du nicht in der Schule?“, hakte Ginzo Nakamori überrascht und misstrauisch nach.

Aoko zog seine Aufmerksamkeit auf sich. „Es ist meine Schuld. Ich hatte plötzlich solche Schmerzen und habe Angst bekommen. Dann erinnerte ich mich an letzte Nacht und bin in Panik geraten.“ Beide Männer sahen das Mädchen an. „Ich habe Kaito eine Nachricht geschickt und er schrieb ich solle dich anrufen.“

Der Kommissar blickte wieder zu Kaito. „Ich danke dir.“

Kaito nickte: „Ich habe mir Sorgen gemacht und ließ mich befreien.“

Wieder nickte der Kommissar. „Ich rufe in der Schule an und erkläre der Direktorin die Umstände.“

Aoko blickte auf. „Danke, Papa! Du bist der Beste.“

Ginzos besorgte Miene hellte etwas auf. „Ich bin froh zu sehen, das es dir schon wieder besser geht. Ich gehe telefonieren.“ Er schob sich an Kaito vorbei aus dem Zimmer und verschwand ins Erdgeschoss.

Kaito trat ein, schloss die Türe hinter sich und setzte sich zu seiner Freundin aufs Bett. Im nächsten Moment lag Aoko in seinen Armen, kuschelte sich eng an seine Brust und klammerte sich an ihm fest. „Ich hatte riesige Angst“, flüsterte sie.

Der junge Magier verstärkte den Druck um ihren Körper, vergrub sein Gesicht in ihrem Haarschopf und hauchte ihr ein Küsschen auf den Scheitel. „Ich auch“, gestand er und war überaus erleichtert Aoko wohl auf zu sehen. Seufzend löste er sich von ihr und blickte ihr in die blauen, von den Tränen gerötete, Augen. „Ich muss drüben nach dem rechten sehen. Ich schick dir eine Nachricht. Wenn alles in Ordnung ist bleibt es bei 17:00?“ Er sprach so fürsorglich und sanft mit ihr, während seine Hände auf ihren Schultern lagen.

„Ja, 17:00. Pass auf dich auf“, flüsterte Aoko im Chaos der Gefühle.

Er lächelte zuversichtlich, beugte sich zu ihr und für einen kurzen Moment, wie ein Hauch, spürte sie seine Lippen auf ihren. „Bis später“, flüsterte er zurück, löste sich ganz von ihr und verließ wenig später das Zimmer.

Aoko blieb auf ihrem Bett sitzen, spürte wie ihre Gefühle durchdrehten und scheinbar einen Jahrmarkt in ihr eröffneten mit Achterbahnen und Karussell.
 

Kaito schloss die Türe, ging zurück ins Erdgeschoss und hörte Herrn Nakamori am Telefon erklären, was die Oberschüler gestern Abend erlebt hatten. Er verließ das Haus der Nakamoris und wappnete sich für das was nun folgen würde.

Als er Aokos Zimmer betrat und sie in den Armen ihres Vater sah, durchflutete unendliche Erleichterung seinen Körper. Aber dann nahm er den Schatten an seinem Zimmerfenster wahr. Das hatte Aoko sicherlich auch gesehen und es musste sie wahnsinnig erschreckt haben.

Ob sie nun Rache nehmen würden?

Der Oberschüler ging zu seinem eigenen Haus, untersuchte die Türe nach Einbruchsspuren und rechnete mit jeder Sekunde, das jemand auf ihn schoss. Er ging stark davon aus, das Snake und seine fiesen Gesellen sich Zutritt verschafft haben.

Ein letztes Mal sah er sich um, konnte weder Nachbarn noch sonst etwas verdächtiges entdecken, dann zog er seine Kartenpistole hervor und öffnete die nicht mehr abgesperrte Haustüre. Schritt für Schritt ging er durch den Flur, jederzeit mit einem Angriff rechnend, aber bisher traf er niemanden. Das Wohnzimmer, wie auch die Küche fand er so vor, wie er sie am Morgen verlassen hatte. Auch im Badezimmer hielt sich niemand auf. Sein Blick ging die Treppe hinauf und er dachte an den Schatten. Plötzlich rumpelte etwas und es klang fast so als wäre jemand in seinem Zimmer. Leise folgte er den Stufen hinauf, jederzeit bereit seine Kartenpistole einzusetzen. Im Schlafzimmer und im Badezimmer war auch hier niemand. Wieder polterte es und das Geräusch kam wirklich aus seinem Zimmer. Tief durchatmend, sich konzentrierend und auf sein Pokerface besinnend stieß er die Türe auf, bereit sich seinen Feinden zu stellen und erstarrte. Sein Blick glitt zu Kids-Geheimraum, der Zugang stand offen, und eine dunkle Gestalt in einem schwarzen Anzug mit schwarzem Zylinder trat hervor.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Kaito Teil

Schurke

Tod

vergessen

schlafen

fröhlich
 

Aoko Teil

Monster

Auflauf

Stimmung

Satire

Hauch

Verfolgt - Teil 4

Er konnte es nicht glauben, wer ihm gegenüber stand. Misstrauisch betrachtete er Kaito Corbeau. Mit ihm hatte er wahrlich nicht gerechnet. Es war nicht Snake, nicht die Schwarze Organisation – das beruhigte ihn ungemein aber was hatte die schwarze Krähe hier zu suchen und woher wusste er von dem Geheimraum? Fragen über Fragen häuften sich in Kaitos Kopf. Die Kartenpistole immer noch auf seinen Kontrahenten gerichtet. Misstrauisch blieb er in Abwehrstellung, jederzeit bereit anzugreifen.

„So schnell sieht man sich wieder, Kaito Kid“, begrüßte der Magier in Schwarz den Oberschüler.

„Was suchen Sie hier?!“

„Ehrlich gesagt, bin ich überrascht dich hier anzutreffen. Eigentlich solltest du um diese Uhrzeit die Schulbank drücken, nicht wahr?“ Corbeau ließ sich nicht in die Karten schauen.

Dennoch schien er mehr über Kid zu wissen, als es Kaito lieb war. Er erinnerte sich an ein Gespräch vor noch nicht allzu langer Zeit. Er war ein Freund von Toichi Kuroba, das zumindest behauptete er. „Sind Sie fündig geworden?“, ignorierte Kaito die Anmerkung und blieb weiterhin misstrauisch.

Der Dieb in Schwarz senkte sein Haupt. „Ich verstehe schon. Nakamoris Tochter muss mich gesehen haben.“

Er hatte seiner Aoko eine Heidenangst eingejagt. Kaito drehte in der Schule fast durch, als sie ihm schrieb das jemand in seinem Zimmer wäre. Panik durchzog seinen Körper, redete sich mit starken Bauchschmerzen aus dem Unterricht raus, eilte ins Sekretariat und ließ sich für den Rest des Tages befreien. Dadurch verlor er wertvolle Minuten. Minuten in denen er Todesangst um Aoko ausstand. Wenn Snake es gewesen wäre … sie hätten mit ihr kurzen Prozess gemacht. Und Kaito dachte ernsthaft das sie zuhause am sichersten wäre. Vermutlich musste er sie außer Landes bringen um sie wirklich in Sicherheit zu wissen. Das einzige was er in dieser Zeit tun konnte, um seine beste Freundin und sich selbst zu beruhigen, war die Bitte ihren Vater sofort zu benachrichtigen. Er rannte derweil so schnell er konnte und kam sich dennoch so unendlich langsam vor. Ihr Vater war Polizist und wenn er einen Notfall zuhause hatte, wäre er am Schnellsten bei ihr. Die nächste Gänsehaut überzog Kaito als er die Haustüre der Nakamoris offen vorfand. Die wildesten Szenarien malte seine Phantasie ihm aus. Stellten ihn auf ein gigantisches Blutbad ein und als er endlich bei ihrem Zimmer ankam und sie sicher beschützt in den Armen ihres Vaters vorfand, fielen ihm schlagartig tausende Steine von der Seele. Er war unendlich erleichtert sie in ihrem Bett lebend vorzufinden.

Kaito spürte die Minuten der Angst und der Sorge allein bei der Erinnerung der letzten Stunde. Und er wurde unsagbar wütend auf die schwarze Krähe. Er spannte sich an. Eigentlich verdiente dieser eine Abreibung. „Sie haben sie zu Tode geängstigt.“

Nun hob der Dieb in Schwarz wieder seinen Kopf. Kaito meinte eine Gesichtsregung erkannt zu haben. Dann hörte er einen besorgten Unterton in den folgenden Worten: „Das lag nicht in meiner Absicht.“

„Wie auch immer, was suchen Sie hier?!“ Mit Nachdruck wiederholte Kaito seine Frage nun erneut. Seine Augen wichen wieder zum Geheimraum. Woher wusste dieser Mann von Kids Geheimraum und wo sich der Zugang dazu befand?

„Möchtest du nicht mal die Kartenpistole wegpacken? Ich bin hier nicht der Feind“, wich der Dieb in Schwarz erneut der Frage aus.

Kaito zog seine Augenbrauen zusammen. Er traute seinem Gegenüber immer noch nicht über den Weg. „Ich frage Sie das jetzt zum letzten Mal: Wonach suchen Sie?!“

Einige Sekunden verstrichen. Beide Kontrahenten warteten ab, musterten sich zurückhaltend. Dann bewegte sich Kaito Corbeau auf Kaito zu. „Wir beide haben die selben Feinde“, sprach die schwarze Krähe. „Daher denke ich sollten wir ehrlich zueinander sein.“

Immer noch hielt Kaito die Kartenpistole auf sein Gegenüber, spannte sich sogar an, als Bewegung in die Sache kam. Doch dann schluckte er und sah mit großen Augen zu, wie Corbeau sich den Zylinder vom Kopf zog und das Monokel vom Auge nahm. Sein Herz klopfte immer stärker, seine Augen weiteten sich. Es konnte nicht wahr sein... Erinnerungen schlugen über Kaito ein. Erinnerungen aus seiner Kindheit, an die Zeit mit seinen Eltern, die Zaubershows seines Vaters, die er auch mit Aoko besuchte, der große Trick und die darauffolgende Explosion, die Tränen seiner Mutter, die bedrückte Zeit bis zur Beerdigung, das Begräbnis und die durchwachten Nächte mit vielen Tränen. Es war plötzlich surreal das er nun vor ihm stand, in voller Größe und bei lebendigem Leib. Auch wenn die Gedanken sich bereits mit dieser Situation befasst hatten, so war es nun etwas ganz anderes ihn wahrhaftig vor sich stehen zu haben.

Kaito war verwirrt, überrollt von den verschiedensten Erinnerungen welche vor seinem geistigen Augen bildlich abliefen. Er spürte die unsagbare Traurigkeit und Einsamkeit der letzten Jahre und auch sein Vorhaben als Kid Rache am Tod seines Vaters zu nehmen musste er nun in Frage stellen. Es dauerte bis er sich innerlich soweit gefasst, die Gedanken halbwegs sortiert hatte.

„Ich weiß das es sehr überraschend kommt, Kaito“, sprach der nicht mehr maskierte Corbeau und hob vorsichtig seine Hände, denn Kaito zielte nach wie vor mit der Kartenpistole auf ihn. „Aber alles hat seinen Grund.“

Der Oberschüler starrte den Mann an, verspannte sich erneut, als dieser seine Hände hob um ihn zu beschwichtigen. „Verdammt, wieso lebst du noch?!“, fluchte der verwirrte Junge und kämpfte stark darum sein Pokerface zu wahren. Absolut im Zwiespalt zielte er weiterhin auf sein Gegenüber. „Sag mir etwas, was nur mein Vater wissen kann“, forderte er dann auch sogleich. Er verstand nicht, wie er den schrecklichen Unfall überlebt haben konnte. Wie er seine Frau und seinen Sohn im Glauben lassen konnte, er wäre gestorben. Es konnte doch einfach nicht sein, das alles eine große Lüge ist.

„Als Baby hast du mir aufmerksam bei meinen Tricks zu gesehen. Als zweijähriger hast du mit den Karten deine erste Tricks probiert, als vierjähriger hast du das erste Schloss geknackt, als sechsjähriger hast du unsere Nachbarstochter Aoko Nakamori vor dem alten Glockenturm kennen gelernt und als achtjähriger hast du mit zugesehen, wie dein Vater bei einem seiner Tricks in einer Explosion ums Leben kam.“

Kaito schluckte und starrte den Mann vor sich an. „Und wieso stehst du mir gegenüber, wenn du doch gestorben bist?“

Der Mann im schwarzen Anzug senkte tief betroffen sein Haupt. Dann blickte er dem Oberschüler entgegen. „Kaito, wir müssen uns ernsthaft unterhalten.“

Immer noch im Gefühlschaos gefangen starrte der Oberschüler seinen totgeglaubten Vater an. Letztendlich ließ er die Waffe sinken und nickte. „Ich koche uns einen Tee und du ziehst dich am Besten um. Wir treffen uns im Wohnzimmer.“ Er verließ sein Zimmer, ging die Treppe hinab und zur Küche. Während er darauf wartete dass das aufgesetzte Wasser zu kochen begann, schickte er Aoko eine Nachricht. Hey, alles gut hier. Wir reden später!

Bevor sein Handy in der Hosentasche verschwinden konnte kam eine Antwort von Aoko. Auch sie schien erleichtert, dennoch würde er nicht drum herum kommen ihr zu erklären, wer die Person in seinem Zimmer war.

Der Tee war fertig und er trug ein kleines Tablett mit Kanne und zwei Tassen ins Wohnzimmer.

Mit großen Augen starrte er auf den breitem Rücken seines lebendigen Vaters. Dieser trug ein weißes Hemd und eine dunkle Hose und stand vor einem Sideboard. Er betrachtete alte Fotos.

Kaito konnte es immer noch nicht glauben. Er ging zum Wohnzimmertisch und stellte das Tablett ab.

Sein Vater rührte sich nicht, daher beschloss Kaito zu ihm zu gehen. Auf dem Sideboard standen ein paar Familienfotos. Kaito war auf diesen noch sehr klein. Eigentlich gab es so gut wie keine Familienfotos mehr, seit sein Vater … gestorben trifft es nun nicht mehr ganz … für tot gehalten wurde. Seine Augen folgten den großen Händen mit den langen Fingern zu einem Foto. Es war viele Jahre her und wurde kurz vor Toichi Kurobas letzten großen Auftritt aufgenommen. Die Familie hatte sich einen Kurzurlaub gegönnt. Vorsichtig nahm sein Vater das [B)Urlaubsfoto in die Hände und betrachtete es ausgiebig. Kaito wusste ohnehin was darauf zu sehen war. Seine Mama, sein Papa und er selbst, zwischen seinen Eltern, lagen bäuchlings im Sand und hatten per Selbstauslöser ein Foto gemacht, mit dem Meer im Hintergrund. Alle drei lachten glücklich und unbeschwert in die Kamera. Kaito liebte dieses Foto, denn es war das einzige das ihm eine perfekte und glückliche Familie zeigte. Danach war plötzlich alles anders. „Wie konntest du dieser Explosion entkommen?“

Toichi Kuroba seufzte und stellte das Bild wieder zu den anderen zurück. „Ich habe gespürt, das etwas bedrohliches in der Luft liegt. Nenn' es siebten Sinn oder Bauchgefühl. Etwas war anders, als bei der letzten Probe. Die Show musste aber beginnen, so ignorierte ich alles um mich herum und saß gefesselt in der Achterbahn. Diese fuhr los, die Zeit lief. Während ich mich befreite, sah ich sie wie sie in der Menge standen. Da wurde es mir sofort klar – ich schwebte in Lebensgefahr. Schneller als in der Probe schaffte ich es die Fesseln zu lösen und im nächsten Moment gab es diese gewaltige Explosion. Gerade rechtzeitig konnte ich aus dem Wagen springen, wurde durch die gewaltige Druckwelle weggeschleudert und landete hart im Gebüsch der Achterbahn. Ich weiß nicht wie es mir gelungen ist mich noch wegzuschleifen, als mir ein älterer Herr plötzlich aufhalf, mich stützte und versteckte.

„Herr Nezu.“

Toichi Kuroba nickte, stellte das Bild zurück und ging zur Couch. Dort setzte er sich hin, schenkte sich eine Tasse Tee ein und trank einen Schluck. „Ich war schwer verletzt. Hatte mir das Schlüsselbein gebrochen und die Schulter ausgerenkt. Auch mein Arm war gebrochen. Mehrere Prellungen an den Rippen und an den Gliedmaßen kamen hinzu und nicht zu vergessen hab ich diese Brandnarben am Rücken. Herr Nezu verarztete mich. Ihm war scheinbar klar, was es mit der Explosion auf sich hatte und das er mich so nicht in ein Krankenhaus bringen könnte. Die Organisation wäre dann sofort auf mich aufmerksam geworden.“ Er sah zu Kaito auf. „In der Presse wurde ich sehr schnell für tot erklärt.“ Seine Augen drückten tiefe Traurigkeit aus. „Ich wollte dir und Chikage nicht solche Schmerzen bereiten. Aber dann hielt ich es für besser abzutauchen. Wenn sie schon herausfanden wer ich wirklich bin, so wärt ihr erst recht in großer Gefahr. Also habe ich mich ruhig verhalten und als ich gesundheitlich flugfähig war, bin ich mit Herrn Nezu nach Amerika gegangen. In Las Vegas fand ich dann sogar ein paar Jahre später auch wieder auf die Bühne.“

„Las Vegas?“ Kaito horchte auf. Seine Mama war in Las Vegas, schon ziemlich lange Zeit.

Toichi nickte.

„Ich habe lange nichts von den Vorgängen hier gewusst und vor ein paar Wochen wurde dann auch plötzlich dort bekannt, das Kaito Kid in Japan aktiv ist und das sogar sehr erfolgreich.“

„Darum bist du zurückgekommen“, vermutete Kaito.

„Ja, ich wollte der Sache auf den Grund gehen, wollte erfahren warum mein Sohn in meine Fußstapfen des Meisterdieb getreten ist. Ich habe dich beobachtet und ich habe dich getestet“, gestand Toichi. Seine blauen Augen ruhten auf seinem Sohn. Dieser erwiderte trotzig den Blick. „Du bist sehr gut, Kaito! Und du hast viel gelernt in den letzten Jahren. Ich bin sehr stolz auf dich, mein Sohn!“

Kaito staunte. „Warum bist du wirklich hier?“ Und seine Augen hingen an dem Mann, der sein totgeglaubter Vater war.
 

Aoko saß in ihrem Bett und las in einem Buch. Seit ihr Vater zuhause war, fühlte sie sich sicher und nach Kaitos Nachricht beruhigten sich ihre flattrigen Nerven. Sie war unendlich erleichtert, dass ihm nichts passiert ist. Es klingelte an der Haustüre, aber da ihr Vater zuhause war blieb sie einfach in ihrem Bett sitzen. Wenig später klopfte es an ihrer Türe und Hakuba steckte seinen Kopf ins Zimmer. Dicht gefolgt von Akako.

„Hallo Saguru, Akako, wie schön euch zu sehen“, freute sich Aoko und klappte ihr Buch zu.

Schon traten die beiden Mitschüler ein und setzten sich zu ihr aufs Bett. „Wie geht es dir?“, fragte Akako und deutete auf ihr eingebundenes Bein.

„Ein bisschen besser“, gestand Aoko. „Aber was macht ihr denn hier?“

„Wir bringen dir die Hausaufgaben“, erklärte Hakuba und reichte ihr die Blätter. „Nachdem du heute nicht in die Schule gekommen bist und Kaito mit starken Bauchkrämpfen nach Hause geschickt wurde, haben wir dir die Aufgaben mitgenommen.“

„Das ist sehr nett, vielen Dank“, antwortete Aoko.

„Hast du Kaito heute schon gesehen?“

Mit großen Augen blickte sie ihren Mitschüler an. Er verdächtigte Kaito seit langem Kid zu sein und zum ersten Mal fragte sie sich was er mit dieser Information eigentlich machen würde. Hakuba war bei weitem nicht dumm und er hatte sofort von der Krawatte auf Kaito geschlossen. Aber dann fragte sie sich, warum er behauptete es wäre sein Krawatte. Hakuba, der Lügen verabscheute, log ihren Vater an um Kaito zu schützen. Warum? „Nein“, antwortete sie, aber sie war noch nie eine gute Lügnerin gewesen. Ganz anders waren da der Detektiv und ihr bester Freund. „Warum fragst du?“

Hakubas Augen durchbohrten Aoko regelrecht und sie wusste das er ihr nicht glaubte. „Er war ziemlich abgelenkt heute, viel mit seinem Handy beschäftigt. Nach Bauchkrämpfen sah das eher nicht aus. Ich dachte du wüsstest vielleicht was mit ihm los ist?“

Aoko senkte die Augen. „Nein.“ Und sie wusste wirklich nichts. Seit dem Vortag herrschte komplettes Chaos in ihrem Kopf. Es war so ein schöner Tag. Sie wollten einfach nur picknicken und verabredeten sich vor dem Wald und dann plötzlich wurde auf sie geschossen. Ihr Bein puckerte wieder. Sie wurde angeschossen. Sie verloren Akako und Hakuba auf der Flucht. Und dann war da noch Kaito, ihr bester Freund, wie er ihr Bein verband, ihr seine Liebe gestand und sich danach in Lebensgefahr begab, nur um diese schießwütigen Monster von ihrer Spur abzubringen. Hatte sie bis dahin noch nicht ganz verarbeitet dass er Kid war, dass ihr bester Freund sie seit so langer Zeit anlog, so hielt ihnen ihr Vater auch noch den Beweis direkt vor Augen. Sie hätte es sagen müssen, eigentlich... Sie hätte ihm die Wahrheit über Kid sagen müssen, aber sie konnte es nicht. Und Hakuba... Ihre Augen richteten sich auf den Mitschüler... hatte es auch nicht gesagt. Ob er es auch nicht konnte? Aber warum hat er es nicht gesagt? Stattdessen erfand er diese haarsträubende Geschichte, die ihr Vater dennoch schluckte.

Akako mischte sich plötzlich in die eingekehrte Ruhe ein. „Wir wollten doch eh noch kurz zu Kaito und nach ihm sehen. Dann kannst du dich gleich selbst davon überzeugen, wie sehr er leidet.“

Nach starken Bauchkrämpfen sah er heute nicht aus, aber er hatte Paps ja erklärt das er sich befreien ließ. Und Aoko kannte den Grund dafür. Er sorgte sich um sie. Ein leichter Rotschimmer zeigte sich auf ihren Wangen, während sie an seine Umarmung dachte, seine liebevollen Worte und seinen Kuss auf ihrer Stirn. „Er kommt nachher zu uns zum Essen, da kann ich sie ihm auch mitgeben“, flunkerte sie erneut.

Akako verzog ihren Mund, aber dann nickte sie und legte nochmal ein paar Blätter dazu. „Gute Besserung“, wünschte die schöne Mitschülerin und stand auf.

„Danke für deinen Besuch, Akako.“

Auch Saguru stand auf. „Gute Besserung, Aoko.“

Auch hier bedankte sie sich und wünschte den beiden einen guten Heimweg.

Sie konnte sich jetzt nicht auf die Hausaufgaben konzentrieren, aber auch nicht mehr auf ihr Buch. Gebannt blickte sie auf die Uhr. In zwei Stunden würde sie zu Kaito gehen und dann würde sie ihm all die Fragen stellen, die sie beschäftigten.
 

Vater und Sohn wechselten vom Wohnzimmer in die Küche. Toichi erklärte seinem Sohn, was es mit der Organisation und Snake auf sich hatte. Es war an der Zeit die letzten Schritte in Angriff zu nehmen und dem ganzen nun endgültig ein Ende zu setzen. Kaito hörte aufmerksam zu, während er sich in dieser surrealen Situation befand. Sein Vater und er kochten zusammen ein Abendessen. Das hätte er niemals für möglich gehalten.

Die Haustüre wurde geöffnet und eine helle Stimme grüßte fröhlich ins Haus. „Kaito! Ich bin wieder zuhause!“

Überrascht hielten beide Männer inne. Toichi schnitt gerade das Gemüse, während Kaito einen Topf mit Wasser auf die Herdplatte stellte.

„Ich nehme an, du hast sie in Las Vegas aufgesucht...“, hakte Kaito nach.

Ehe sein Vater antworten konnte, näherte sich Chikage fröhlich plappernd der Küche. „Mein Junge, ich hab dich so vermisst!“ Schon erschien sie im Türrahmen, blickte von Mann zu Sohn, ungläubig in welch friedlicher Eintracht die beiden in der Küche das Abendessen vorbereiteten. „Dass du Essen kochst, hätte ich gar nicht erwartet. Aber ich wusste Aoko würde einen guten Einfluss auf dich haben.“

„Hi Mom“, begrüßte Kaito sie, dabei hob er die Hand zum Gruß.

„Chikage“, begrüßte Toichi seine Frau ebenso als wäre es das normalste der Welt hier zu sein.

Immer noch wanderten ihre Augen von Vater zu Sohn und zurück.

Eine seltsame angespannte Situation entstand, die keiner der drei Kurobas bereit war zu durchbrechen. Dann aber lehnte sich Chikage gegen den Türrahmen, verschränkte ihre Arme vor ihrer Brust und sprach: „Klärt mich auf, wieso finde ich euch beide so friedlich vor?“

„Was hast du denn erwartet vorzufinden?“, hakte Toichi ungerührt, fast ein wenig belustigt nach.

„Die Wohnung ist ordentlich aufgeräumt, Kaito hat das Haus noch nicht verlassen und ihr beide steht gemeinsam in der Küche und kocht. Ich meine, nach deiner überraschenden Nachricht, dass du am Leben bist, hätte ich zumindest erwartet das unser Sohn durch die Decke geht. Immerhin kommt er nach dir.“

Beinahe entsetzt schüttelte Toichi seinen Kopf. „Ich bitte dich, ich bin doch die Ruhe in Person. Und wie du sicherlich erkennst, hat unser Sohn diese Eigenschaft von mir. Du bist doch diejenige, die mit dem Kopf immer durch die Wand will. Besonnenheit gehört nicht gerade zu deine Stärken.“

„Ach, ist dem so?“, forderte Chikage ihren Mann heraus.

Kaito sah sich in seinem Verdacht bestätigt und nun wusste er, warum seine Mama ihren Las Vegas Aufenthalt ständig verlängerte. „Dass du mir auch das verheimlicht hast, verzeih ich dir nicht so schnell, Mutter!“

„Kaito, wann hätte ich dir das sagen sollen? Während eines unserer kurzen Gespräche? Das hat einfach nicht gepasst“, rechtfertigte Chikage sich.

„Das ein Mann im Spiel war, hab ich mir fast gedacht. Das dieser Mann mein totgeglaubter Vater ist....“

Das Läuten an der Haustüre durchbrach das Familiengespräch. Überrascht blickten Kaitos Eltern auf. „Erwarten wir noch Besuch?“

Kaito ging zu seiner Mutter, die leicht angespannt im Türrahmen stand. „Ja, ich habe Aoko eingeladen.“

Überraschte Gesichter.

Nicht nur seine Eltern hatten Geheimnisse, dachte Kaito sich und eigentlich hätte er es von Anfang an wissen müssen. Diese Familie konnte nicht ohne Geheimnisse existieren. Aber er hatte nun endgültig genug davon. Und das verkündete er auch. „Ich werde das tun, was ich für richtig halte.“ Ein enttäuschter Blick ging zu seiner Mutter und weiter zu seinem Vater. „Denn ich habe genug von der ganzen Heimlichtuerei!“ Schon trat er an seiner Mutter vorbei in den Flur und ging zur Haustüre.

Überrascht über die Erkenntnis aus seinen Worten eilten Toichi und Chikage ebenfalls in den Flur. „Kaito“, wollten beide ihren Sohn zurückhalten, doch der Oberschüler öffnete in diesem Moment die Türe und erblickte Aoko.
 

Nervös und absolut unsicher stand Aoko vor seiner Türe und zögerte den Klingelknopf zu betätigen. Nach einem tiefen Atemzug drückte sie diesen und wartete. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Ihre Wade schmerzte und am liebsten wäre sie davon gerannt.

Es dauerte etwas bis Kaito öffnete, doch schon stand er ihr gegenüber. „Hey, komm rein“, begrüßte er sie freundlich und ließ sie eintreten.

Sie humpelte an ihm vorbei ins Haus, klammerte sich an den Hausaufgabenblättern fest. Sie spürte seinen besorgten Blick, während er die Türe wieder schloss. Dann stand sie ihm etwas verlegen gegenüber, wusste nicht so recht wie sie ihn begrüßen sollten. Im Wald hatte er sie auf den Mund geküsst, heute Vormittag auf die Stirn, aber auch auf die Lippen. Auch wenn dieser zweite Kuss nur ein Hauch von einer Berührung war. Ihr Herz donnerte aufgeregt, während ihre Augen in seine sahen. So blau und tiefgründig und voll Wärme. Sie räusperte sich. „Hier sind die Hausaufgaben. Akako und Saguru haben sie mir vorhin vorbeigebracht und für dich haben sie diese auch mitgenommen.“

Überrascht riss Kaito seinen Blick von ihrem Gesicht auf die Blätter, nahm sie entgegen und lächelte schief. „Hakuba war bei dir zuhause?“

Aoko schluckte, blickte ihm ins Gesicht und hörte die Verunsicherung in seiner Stimme. Sie spürte dass ihm das nicht passte, aber ändern gar verhindern hätte sie es nicht können. Sie wusste ja nicht einmal das ihre Mitschüler ihr einen Krankenbesuch abstatten würden. „Wir müssen wirklich reden“, murmelte sie mehr zu sich als zu ihm und zog sich ihre Schuhe aus.

Im nächsten Moment wurden die beiden Oberschüler aus ihren Gedanken gerissen. „Aoko, Kind, was ist dir denn passiert?!“

Überrascht drehte das angesprochene Mädchen ihren Kopf in die Richtung der Stimme und erstarrte. Sie hatte überhaupt nicht mitbekommen, dass Kaitos Mutter zurück war. „Chikage“, rief sie überrascht aus und stockte als sie den Mann hinter der Frau entdeckte. Sie glaubte einem Trugbild aufzulaufen. Wie erstarrt starrte sie den großgewachsenen dunkelhaarigen Mann mit dem Schnurrbart an und konnte es nicht glauben. Unsicher suchte sie nach Kaito, der sich neben sie stellte, ihren Arm nahm und diesen sich um seine Schulter legte. Den anderen schlang er um ihre Hüfte um sie zu stützen.

„Du siehst richtig, Aoko. Mein Vater lebt.“

Er lebte... Toichi Kuroba lebte. Er war gar nicht tot. Aber die ganzen Erinnerungen an die Beerdigung, das Grab, Kaitos und Chikages Tränen, all die traurigen Wochen, die sie stumm in Kaitos Zimmer verbrachten und Aoko versuchte ihrem besten Freund Halt zu geben. Es hatte ihm damals den Boden unter den Füßen weggerissen. Wie konnte sein Vater diese Explosion nur überlebt haben und wo war er all die Jahre? Warum hat er nie ein Lebenszeichen von sich gegeben?

Kaito stützte Aoko und führte sie zu seinen Eltern.

„Was ist mit deinem Bein?“, fragte Chikage bestürzt nach.

Aoko winkte ab, sah kurz zu Kaito. Er hatte ihnen scheinbar nichts erzählt. „Ein dummer Unfall.“

Kaito blickte von seinem Vater zu seiner Mutter. „Wir sind in meinem Zimmer.“ Schon führte er seine beste Freundin die Treppe hinauf zu seinem Schlafzimmer.

Aoko spürte die Nähe, seine wärmenden Hände. Er war so vorsichtig und darauf bedacht ihr keine Schmerzen mehr zuzufügen. Dennoch spürte sie dass dieses Gespräch wohl das schlimmste in ihrem ganzen Leben würde. Er versprach ihr alles zu erklären. Nun würde sie in wenigen Minuten erfahren, wie groß dieses “alles“ war und wie lange er es schon vor ihr verheimlichte.

Aoko trat in das Zimmer und Kaito führte sie zu seinem Bett. Als sie aber in der Mitte des Zimmers standen, sah sie das seltsam verdrehte Portrait von Kaitos Vater. Sie stoppte und entdeckte einen Raum dahinter.

Kaito blieb jetzt auch stehen und als würde ihm es erst jetzt wieder einfallen, sprach er. „Der Mann, der dir heute so einen Schrecken eingejagt hat, war mein Vater. Toichi Kuroba war Kaito Kid der erste und das ist der Zugang zum Geheimraum“, erklärte er ehrlich.

Unsicher blickte Aoko zu ihrem Freund auf. Den Jungen, den sie bereits so viele Jahre kannte und doch nie wirklich kennengelernt hat. Der ein große Geheimnis vor ihr barg und wer wusste schon wie viel er ihr noch verschwieg.

„Möchtest du erst den Geheimraum ansehen oder sollen wir uns erst aufs Bett setzen und ich erzähl dir erst mal alles?“

Er überließ ihr die Entscheidung. Er würde das tun, was sie verlangte. Und sie spürte, dass es ihm wirklich wichtig war sie in alles einzuführen und sein größtes Geheimnis mit ihr zu teilen. Aoko blickte ihm in die blauen Augen und sah wie wichtig es ihm war mit ihr hier zu sein. „Ich würde ihn gerne sehen. Du kannst ja schon mal anfangen zu erzählen.“

Der Durchgang war zu schmal um gemeinsam in den Raum zu treten, somit löste Aoko sich und humpelte von selbst in den Raum. Überrascht stellte sie fest, das er fast leer war. Eine Jukebox stand an der gegenüberliegenden Wand, ein Stuhl davor. Ein Schrank mit Kids Kostüm, dessen Türen offen standen. Je näher sie dem Stuhl kam, desto mehr erfasste sie in dem Raum. Sie blickte zurück und sah das Kaito im Durchgang stehen blieb und ihr nicht weiter folgte. Neben dem Eingang stand ein großes Regal mit all den Utensilien, die Kid während eines Coups brauchte. Hier plante er seine Raubzüge. Aoko fühlte sich unwohl, sah kurz zu ihrem besten Freund. Sie kannte ihn nicht, wusste nichts von diesem Raum, von dieser Identität, von seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten. War alles ein Farce? Sie wollte nicht an der Freundschaft zweifeln und sie wollte ihm Vertrauen entgegenbringen, nur das war doch etwas schwieriger als erhofft. Wie ehrlich war er all die Jahre ihr gegenüber? Wann hatte ihr bester Freund aufgehört ehrlich zu ihr zu sein? Wann hatte sich all das verändert?

Sie hinkte zum Stuhl, setzte sich hin und entspannte ihr Bein. Jeder Schritt dehnte den Muskel, und jede Dehnung zog an der Wunde. Bald würde es besser werden, das hatten die Sanitäter ihr versprochen. Sie wollte dem glauben und war froh das es nur ein Streifschuss war und nichts schlimmeres.

Kaum das sie saß kam Bewegung in die Jukebox. Eine Platte wurde aufgelegt und abgespielt. Eine tiefe männliche melodiöse Stimme erfüllte den Raum und erzählte etwas über einen Trick. Es war die Stimme von Kaitos Vater, der über diese Platte mit seinem Sohn Kontakt aufnahm, ihn lehrte und in die Verantwortung Kids einbezog.

Sie warf einen Blick zurück zur Türe. Kaito stand unverändert im Durchgang, lehnte an der Wand, die Arme vor der Brust verschränkt und den Kopf gesenkt. Auch er lauschte der Stimme, der Anweisung, den Tipps und dem Trick. Alles Worte von Toichi Kuroba seinem Vater, seinem Lehrmeister.

Die Stimme verstummte. Die Jukebox ging aus. Aoko ließ die Worte auf sich wirken, lauschte in die Stille hinein und wusste nicht so recht mit welcher Frage sie beginnen sollte.

„Ich fand den Geheimraum vor etwa zwei Jahren. Durch einen Zufall bin ich hier hinein gestolpert und saß auf diesem Stuhl und lauschte überrascht den Worten meines Vaters. Ich erfuhr, dass er Kid war und mit gefährlichen Männern aneinander geriet. Um die Wahrheit herauszufinden, fasste ich den Entschluss Kaito Kid wieder zum Leben zu erwecken und in Aktion zu treten. Ich hoffte die Feinde meines Vaters hervorzulocken und es gelang mir auch. Als ich ihnen gegenüber stand, erfuhr ich worauf diese Organisation es abgesehen hatte. Ein Diamant in einem Edelstein, der einem zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt ewiges Leben schenken könnte. Eine Legende, eine Geschichte, dessen Wahrheitsgehalt unklar ist. Um es diesen Männern so schwer wie möglich zu machen und sie aus der Finsternis hervorzulocken, wie auch um die Polizei auf deren Machenschaften aufmerksam zu machen, entschied ich mich die Feinde zu reizen. Ich provozierte sie, in dem ich mich selbst auf die Suche nach diesem berüchtigten Edelstein machte und ich lockte sie stetig mehr hervor. Mit den Edelsteinen selbst konnte ich nicht viel anfangen, darum hab ich diese immer wieder an deinen Vater zurückgegeben. Bei ihm waren die Wertobjekte in guten Händen und kehrten zu ihren Besitzern zurück. Ein Zeitlang tat sich dann überhaupt nichts mehr, aber in letzter Zeit kommen sie wieder aus den Schatten hervor. Sie werden unruhig und auf diesen Moment habe ich lange gewartet. Wer unruhig wird, macht Fehler. Meine Provokationen haben gewirkt.“

„Waren das diese Leute im Wald, die uns verfolgt und auf uns geschossen haben?“ Aoko lauschte den Worten mit gemischten Gefühlen. Vor zwei Jahren … Unfassbar, dass Kaito sich in solch große Gefahr begab und sie war erschüttert darüber wie locker er alles nahm. Entsetzt, dass er sein Leben so leichtfertig aufs Spiel setzte und überrascht, dass er es ihr erzählte als würden sie sich in diesem Moment über das Wetter unterhalten.

„Ja.“

Woher wussten sie von ihm und seinen Freunden?

Kaito hob seine Stimme. „Ich muss es bald beenden. Ihr seid in Gefahr. Es wird Zeit diese Verbrecherorganisation einzusperren.“

„Das ist viel zu gefährlich“, sprang Aoko wütend auf, den Schmerz ignorierend, und drehte sich um. Ihre Augen hingen an seiner Statur. Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte er im Durchgang und blickte sie nun überrascht an. „Du bist kein Polizist und auch nicht vom Geheimdienst. Du bist ein Oberschüler, der bald seinen Abschluss macht und dann in ein Leben eintritt, das noch weit größer als der Horizont ist. Lass die Polizei diese Arbeit machen, bitte, Kaito. Die Polizei ist dafür ausgebildet.“

Kaito betrachtete sie seinerseits, dann wandte er sich ab und ging zu einem Regal seitlich. Gedankenverloren betrachtete er seine ganzen Utensilien und besondere Hilfsmittel. „Ich habe in den letzten zwei Jahren viel gelernt, habe meine Grenzen kennengelernt und viel Risiko auf mich genommen. Ich habe mit jedem einzelnen Coup dazu gelernt und ich habe immer mehrere Pläne in der Tasche, falls etwas schief geht. Wenn überhaupt jemand diese Monster aufhalten kann, dann ist es Kaito Kid.“

„Du redest dummes Zeug“, fauchte Aoko. Ihr ganzer Körper war angespannt. „Du hast meinen Vater die ganze Zeit vorgeführt, du hast ihn und auch mich für deine Raubzüge ausgenutzt. Du hast mich angelogen und du riskierst dein Leben leichtfertig, als wäre es nichts wert.“ Sie holte Luft: „Du hättest von Anfang an zu meinem Vater gehen sollen.“

Kaito zuckte bei jedem Wort zusammen. Dennoch konnte er sich nicht umdrehen und sie ansehen. „Er hätte mir nicht geglaubt. Aoko, bitte, wer würde überhaupt so eine Geschichte glauben?“

Aoko setzte für Widerworte an, als Chikage sie zum Essen rief.

Er drehte sich um und hob leicht den Mundwinkel. „Es gibt Spaghetti a la Kuroba.“ Er trat zu ihr, sah sie an und versprach. „Wir reden später weiter.“

Wenig später saßen sie gemeinsam mit Kaitos Eltern am Esstisch und aßen Spaghetti. Welch unwirkliche Situation für alle Beteiligten.
 


 


 

vorgegebene Wörter:
 

Urlaubsfoto

Schwefelsäure

Lügner

Spagetti

Krankenhaus

Begegnung

Gedankenverloren blickte sie aus dem Fenster. Die vorbeiziehende Landschaft nahm sie gar nicht wahr. Zu sehr beschäftigten sich ihre Gedanken mit dem Geschehenen. Eine einzelne Träne löste sich und rollte langsam ihre Wange hinab. Schnell wischte sie sich diese mit der Handfläche weg. Doch schon löste sich die nächste und noch eine. Leise begann sie zu weinen, als eine Hand in ihr Blickfeld kam und ihr ein Taschentuch entgegenhielt. Wie aus einer eigenen Welt gerissen, starrte sie das weiße Tuch an, folgte den Fingern, die es fest hielten, zur Hand, wanderten den Arm, der in einem Pullover steckte, entlang zur Schulter bis zum Kragen. Dann folgte sie dem schlanken Hals hinauf zu einem Kinn, rosigen Lippen, die ein mitfühlendes Lächeln zeigten, die Nase entlang zu einem einnehmenden Augenpaar. Sie hatte das Gefühl direkt in einen Ozean zu blicken, so tief und blau leuchtete ihr das Augenpaar entgegen. Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals, das Schlucken fiel ihr schwer, während ihre Atmung für einen klitzekleinen Moment aussetzte und ihr Herz einen Takt schneller schlug. Mit geröteten Augen, starrte sie ihr Gegenüber an, nahm zum ersten Mal überhaupt den jungen Mann wahr. Seine braunen Haare wirkten unzähmbar und wirr. Sie stellte sich vor, wie sie ihre Finger in dieser wilden Haarpracht versenkte und hindurchfuhr.

„Nun nehmen Sie es schon“, sprach er in einer sanften und doch erheiternden Tonlage, die ihr schlagartig eine Gänsehaut auf dem Körper beschaffte.

Sie schluckte, hob zögerlich die Hand und umfasste mit ihren Fingerspitzen das Taschentuch. Unbewusst berührte sie dabei seine warmen Finger und allein diese Berührung sendete einen Elektroimpuls tief in ihr Innerstes.

Die blauen Augen blickten sie so intensiv an, als würden sie eines der größten Geheimnisse der Welt lösen wollen.

Unwohl, verlegen und auch etwas beschämt in ihrem Zustand diesem außergewöhnlichen Mann gegenüber zu sitzen, senkte sie ihre blauen Augen, wischte sich mit dem Taschentuch die Tränen von den Wangen und putzte sich die Nase. „Danke“, murmelte sie leise und hielt ihm das Taschentuch hin, als wolle sie es zurückgeben.

Er verzog das Gesicht, starrte auf das benutzte weiße Tuch und sah ihr wieder direkt in die Augen. Ein bezauberndes Lächeln trat auf seine Lippen. „Das dürfen Sie behalten.“

Nicht so recht verstehend, wie er diese Worte meinte, folgte sie seinem Blick und erstarrte regelrecht. „Natürlich“, stotterte sie schamvoll und ließ das Taschentuch in dem kleinen Mülleimer verschwinden. „Entschuldigung, ich bin etwas durch den Wind.“ Sie lächelte kurz und senkte dann peinlich berührt den Blick auf ihre Hände.

Er sah sie lange an, dann nickte er bedächtig. „Eine Frau sollte keine Tränen vergießen. Schon gar nicht wegen einem Mann.“

Überrascht hielt sie inne. Ihre Augen wurden größer und wie gebannt starrte sie ihn an. „Wie kommen Sie darauf, dass ein Mann der Grund ist?“

„Ist das nicht der Fall?“

Seine Stimme ähnelte einem betörenden Singsang. Langsam schüttelte sie den Kopf. „Nein“, hauchte sie. Sie senkte den Blick. „Meine... meine Mutter ist gestorben. Ich bin auf dem Weg zu ihrer Beerdigung.“ Die Augen füllten sich wieder mit Wasser, als sie an die innere Leere in ihrem Herzen dachte.

„Das tut mir sehr leid. Wissen Sie mein Vater ist vor zwölf Jahren verstorben. Die Leere, die im Herzen bleibt, wird sich nie wieder füllen lassen.“ Er sah kurz zum Fenster hinaus, schwelgte scheinbar in Erinnerungen, doch dann richtete er seine blauen Augen, diese faszinierenden tiefblauen Augen, wieder auf sie. „Und doch wird es mit der Zeit leichter zu ertragen.“ Er beugte sich vor. „Es ist kein Trost, aber die Erinnerung bleibt und diese kann uns niemand wegnehmen.“

Sie konnte nicht anders als diesen überaus attraktiven Mann anzustarren. Ihr gesamter Körper fühlte sich an wie in einem Rausch. All ihre Sinne waren auf ihr Gegenüber gerichtet. Ihr Herz schlug aufgeregt in ihrer Brust. So etwas hatte sie noch nie zuvor erlebt und sie wusste nicht, wie er es schaffte sie in solch einen elektrisierenden Bann zu ziehen.

In Kürze erreichen wir den Hauptbahnhof. Dieser Zug endet hier. Wir hoffen Sie schon bald wieder als unseren Fahrgast begrüßen zu dürfen.

Wie aus einer Trance gerissen, richtete sie ihre Augen zum Fenster hinaus und beobachtete die Umgebung. Dann stand sie auf um ihren Koffer aus der Gepäckablage zu holen. Doch ihre Bekanntschaft war schneller und reichte ihr diesen, ehe er seinen selbst hervor holte.

Das Tempo des Zuges wurde verringert und dann entstand ein Gedränge, denn plötzlich sprangen alle Fahrgäste auf und jeder zog seinen Koffer aus einem der Ablagefächer hervor. Zusätzlich bremste der Zug noch stärker ab, um an einem der vielen Bahnsteige anzuhalten.

Durch das Gedränge wurde sie an ihren Mitfahrer gedrückt und hatte keine Bewegungsfreiheit mehr. Als dann auch noch der Zug etwas ruckartig zum Stehen kam, griff sie nach einer Haltemöglichkeit, verfehlte diese aber und drohte in die Passagiere zu fallen.

Aus Reflex umfasste der Braunhaarige mit einer Hand ihre Taille um sie zu halten und instinktiv krallte sie sich in seinen Pullover.

Ein anderer Passagier fand keinen Halt und stieß gegen sie, wodurch sie an den jungen Mann gepresst wurde. Sein Aftershave stieg ihr in die Nase und durch den betörenden Duft, schmiegte sie sich gedankenverloren an die starke Brust.

Ihre Bekanntschaft überragte sie um einen Kopf und sie gab sich für einen kurzen Moment der Illusion hin, dass er der Mann an ihrer Seite wäre, den sie sich so sehr als Stütze wünschte, mit dem sie ihr Leben verbringen würde. Ganz in ihrer Gedankenwelt gefangen, spürte sie in sich hinein, fühlte das wohlige und stetige Kribbeln in ihrem Inneren, ließ sich von ihren Gefühlen, die verwirrender nicht sein konnten, leiten und lauschte dem stetigen, kräftigen Herzschlag in der fremden Brust. Sie hob wie in Trance ihren Kopf, suchte regelrecht nach diesen ausdrucksstarken blauen Augen. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, während ihre Hand in seinen Nacken fuhr, ihn zu sich herunterzog und sie sich zeitgleich auf die Zehenspitzen stellte. Schon drückte sie ihre Lippen auf seine, schloss die Augen und genoss voll und ganz den Moment.

Die Türen öffneten sich und die Leute strömten aus dem Zug.

Zeitgleich löste sie ihre Lippen von denen des faszinierenden Fremden, blickte ein letztes Mal in diese wunderschönen Augen, die sie überrascht anstarrten, dann schnappte sie sich ihr Gepäck und verließ den Zug.

Sie zog ihren Koffer hinter sich her, schämte sich plötzlich für dieses Wagnis und beobachtete den jungen Mann, der Gedankenverloren an ihr vorbei ging und mit der Masse dem Weg folgte. Verlegen und errötet mit starkem Herzklopfen suchten automatisch ihre Fingerspitzen ihre Lippen. Vollkommen in ihren Gedanken versunken bemerkte sie erst nicht, wie sich ein Mann in ihren Weg stellte. „Aoko.“

Aus den Gedanken gerissen, sah sie in das Gesicht ihres Vaters, das von Trauer durchzogen war, und fiel ihm in die Arme. Beide hielten einander ganz fest, ehe sie langsam den Bahnhof verließen.
 

3 Jahre später...
 

Ihre Augen lösten sich von der vorbeiziehenden Landschaft und blickten gedankenverloren auf den leeren Sitz gegenüber. Dieses Mal war es ein fröhlicher Grund, warum sie in diesem Zug saß und nach Hause zurückkehrte. Und dennoch konnte sie die damalige Begegnung nicht mehr vergessen. Sie war diesem fremden Mann, der diese faszinierende Ausstrahlung hatte, nie wieder irgendwo begegnet. Auch wenn sie bis heute nicht wusste, was sie damals geritten hatte, diesem fremden Mann einen Kuss zu rauben, so bereute sie es bis heute nicht. Sie hoffte seither ihm irgendwo durch Zufall wieder zu treffen, aber eine weitere Begegnung war ihnen wohl nicht vorher bestimmt.

Der Zug fuhr in den Bahnhof ein und sie verließ mit allen Fahrgästen wenig später den Bahnhof. Dieses Mal wurde sie nicht abgeholt und sie würde sich ein Taxi nehmen, das sie zu einer bestimmten Adresse bringen sollte.

Vor einer Villa angekommen, hielt das Auto an und sie bezahlte die Fahrt. Wenig später stand sie mit dem Koffer vor dem Grundstück und betrachtete das Anwesen irritiert. Konnte es das wirklich sein? War sie hier wirklich richtig? Sie glich die Anschrift nochmals mit ihrer Notiz ab, aber das Ergebnis blieb das gleiche. Unsicher trat sie durch das offene Tor, die lange Einfahrt hinauf und zog ihren Koffer hinter sich her. Sie folgte der Auffahrt zum Haus. In einem Wendekreis stand mittig ein großer Brunnen, dessen Wasserspiel sie stundenlang hätte zusehen können. Wenn die Sonnenstrahlen auf das spritzende Wasser trafen bildete sich sogar ein kleiner Regenbogen. Aber sie war nicht hier um den Brunnen zu bewundern. Darum drehte sie sich der breiten Treppe zu, die den Weg zur großen doppelflügeligen Haustüre zeigte. Rechts und links ragten jeweils zwei Säulen hinauf und stützten die Überdachung.

Ihre Cousine musste sich wirklich glücklich schätzen hier zu wohnen.

Ein Wagen bog in die Auffahrt und näherte sich schnell. Ein schwarzer Geländewagen mit rund um getönten Scheiben hielt dann hinter ihr und sie drehte sich neugierig um.

Im selben Moment öffnete sich die hintere Türe und das erste was ihr ins Auge stach war ein wilder, unzähmbarer Wuschelkopf.

Sie konnte ihren Blick von dem Mann nicht mehr abwenden, der aus dem Auto stieg und sich zu seiner vollen Körpergröße aufrichtete. Er überragte sie um einen Kopf und warf die Türe zu. Während das Auto dem Wendekreis folgte und davon fuhr, drehte der Mann sich ihr gedankenverloren zu. Seine tiefblauen Augen richteten sich auf sie und überrascht musterte er sie. Ungläubigkeit spiegelte sich in seinem Gesicht.

Ihr Herz begann zu rasen, ihre Augen wurden größer und erschrocken über diese so plötzliche und unerwartete Begegnung wich sie zurück, stieß an ihren Koffer und verlor das Gleichgewicht. Sie spürte wie der Koffer unter ihrem Gewicht nachgab und umfiel und sie ebenso rückwärts fiel.

Blitzschnell reagierte ihr Gegenüber umfasste sie an ihrem rechten Arm und umfing mit dem anderen Arm ihre Taille.

Nah über sie gebeugt starrte er sie wie gebannt an, hielt sie fest und zog sie instinktiv näher an seinen Körper. Die gesamte Zeit musterte er sie eindringlich. „Du bist das Mädchen aus dem Zug“, stellte er fest und seine Stimme trieb ihr sofort einen Schauer über den Rücken.

Sie war nicht fähig zu sprechen, konnte ihn nur stumm anstarren. Er musste sie für vollkommen bescheuert halten.

Der Fremde richtete sich auf und zog sie dabei mit sich. Als er sich sicher war, dass sie fest auf ihren beiden Füßen stand, löste er die Umklammerung und brachte Abstand zwischen sie. „Wo warst du die letzten drei Jahre? Ich habe dich gesucht.“

Mit großen Augen starrte sie ihn an, während ihr Herz wie verrückt klopfte. Er hatte sie gesucht?

Schon wurde die Haustüre geöffnet und eine hübsche junge Frau trat heraus. Ihre dunklen Augen strahlten regelrecht, während die langen schwarzen Haare ihr über den Rücken fielen und knapp über dem Steißbein endeten. „Aoko! Da bist du ja endlich! Wie sehr ich mich freue!“

Immer noch verwirrt über diese unerwartete Begegnung mit ihrer Zugbekanntschaft, drehte sie sich um und sah wie ihre Cousine die Treppe hinunter kam und ihr um den Hals fiel. Schon erwiderte sie die Umarmung. „Akako, wie schön!“

„Ich hab dich so vermisst“, murmelte die schöne Japanerin und löste sich wieder von ihrer Cousine. „Wie ich sehe habt ihr euch schon kennengelernt.“ Sie grinste den Mann an und hielt ihm ihre Hand strahlend entgegen.

Der Fremde konnte seine Augen nicht von seiner Bekannten aus dem Zug abwenden, ergriff dann aber doch die Hand von Akako und blickte mit undurchdringlichen Blick sein immer noch unbekanntes Gegenüber an.

Beide äußerten sich nicht, darum übernahm die schöne junge Frau die offizielle Vorstellung. „Das ist meine wundervolle und über alles geliebte Cousine, Aoko Nakamori.“ Sie drehte sich der Gleichaltrigen zu und ihre Augen leuchteten regelrecht. „Und das ist Kaito Kuroba, mein Verlobter.“ Sie strahlte. „Wir werden heiraten, ich kann es immer noch nicht glauben“, fügte sie kichernd und überglücklich hinzu. Schon hauchte sie ihm einen Kuss auf die Lippen. „Übermorgen heiße ich dann endlich Akako Kuroba.“

Ein schmerzhafter Ausdruck trat in Aokos Augen, während in ihr etwas zerbrach. In diesem Augenblick verfluchte sie die Begegnung vor drei Jahren und bereute es sich ihm damals unüberlegt und von ihren wirren Gefühlen geleitet an den Hals geschmissen zu haben.

Akako riss sie aus ihren Gedanken. „Lasst uns endlich reingehen. Es gibt so viel zu erzählen.“ Sie sah den jungen Mann an. „Schatz, nimmst du bitte Aokos Koffer?“ Schon führte sie ihre Cousine die Treppe hinauf, durch die edle Eingangstüre in den großen Eingangsbereich.

Mit geweiteten Augen sah Aoko sich um und staunte über die edlen Möbel und die gigantischen Ausmaße des Hauses.

Während die beiden Frauen über den glänzenden Marmorboden schritten, folgte ihnen Kaito schweigsam. „Für dich haben wir das schönste Zimmer reserviert“, verkündete Akako. Und schon gingen sie auf eine Treppe zu, die in das Obergeschoss führte. „Du wirst begeistert sein. Es ist hell und freundlich. Für meine liebste Cousine gibt es nur das Beste vom Besten.“ Sie führte Aoko wenig später in einen Gang, der von mehreren Türen gesäumt war. Vor einer dieser vielen Türen blieben sie stehen. „Und das ist dein Domizil“, verkündete Akako, während sie die Türe öffnete.

Aoko trat ein und staunte über das große Zimmer, das gigantische Himmelbett und die großen Fenster. „Wow“, hauchte sie atemlos.

Kaito schob sich an ihr vorbei und stellte den Koffer vor dem Bett ab. Seine Augen fixierten sie, während seine Mimik vollkommen ausdruckslos war.

Unbehaglich wich sie seinem Blick aus. Dann riss sie sich zusammen und sah ihm entgegen. „Danke.“

„Keine Ursache“, sprach er. „Wir sollten dir jetzt Zeit geben auszupacken.“

Akako nickte: „Komm einfach runter, wir warten auf der Terrasse.“ Schon hakte sie sich am Arm ihres Verlobten ein, der Aoko keine Sekunde aus den Augen ließ und gemeinsam verließen sie das Zimmer.

Die Türe fiel zu. Sie war allein. Mit rasendem Herzklopfen ließ Aoko sich auf das weiche Bett fallen. Dabei schlug sie sich verzweifelt ihre Hände über das Gesicht und stöhnte auf: „Scheiße.“ Am liebsten würde sie ihre Sachen schnappen und fluchtartig dieses Haus verlassen. Aber sie durfte nicht egoistisch sein. Sie durfte nicht nur an sich denken. Sie war hier zu Gast, weil ihre liebste Cousine, ihre beste Freundin und wichtigste Verwandte heiratet. Und... sie, Aoko, die Verräterin in Person, hatte Akako betrogen und deren Verlobten geküsst … aus einem Impuls heraus, in einem Moment, in denen ihre Gefühle nicht zurechnungsfähig waren. Ihr Gehirn hat ausgesetzt und sie hat dadurch einen folgenschweren Fehler begangen. Sie löste ihre Hände von ihrem Gesicht. Akako durfte davon niemals etwas erfahren. Und sie hoffte sehr, dass Kaito es seiner Verlobten auch verheimlichen wird. Immerhin liebte er ihre Cousine und würde sie ganz sicher nicht verletzen. Sie richtete sich auf. Wenn nur bloß die Hochzeit schon vorbei wäre. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr ihr Herz, als ihr bewusst wurde, was das alles überhaupt bedeutete.

Sie war eine Idiotin und Närrin. Drei lange Jahre hatte sie sich die Hoffnung auf eine erneute Begegnung gemacht und nun musste sie feststellen, dass der Mann, der sie bei ihrer ersten Begegnung umgeworfen hatte, in den festen Händen ihrer Cousine war.

Sie richtete sich auf und sah sich um. Es half nichts. Akako wartete auf sie. Es gab viel zu erzählen, sie haben sich lange nicht gesehen. Auch wenn sie dadurch Kaito gegenüber treten musste.

Schnell fand sie ein kleines Badezimmer, das an ihrem Zimmer angrenzte, und machte sich noch frisch. Dann wechselte sie noch ihre Kleidung. Ihre Figur umspielte nun ein zitronengelbes Sommerkleid, während ihre braunen Haare offen über die Schulterblätter fielen. Sie verließ ihr Zimmer und sah sich um, blieb an verschiedenen Gemälden und Portraits stehen, betrachtete diese ausführlich und suchte nebenbei den Weg zum Garten. Sie trat durch einen Torbogen in ein großzügig angelegtes Wohnzimmer. Die weiße Designercouch stand in starkem Kontrast zu den in dunkles Holz gehaltenen Möbel. Das ganze Ambiente war schick und sah teuer aus.

Ein fröhliches Lachen schallte in das Wohnzimmer und Aoko folgte dem Weg durch die offenstehende Terrassentüre. Sie trat hinaus auf eine überdimensionale Terrasse auf der sich auch ein großer Pool erstreckte.

Akako saß auf einem Liegestuhl, hielt einen Cocktail in ihrer Hand und lachte herzhaft.

Kaito saß am Poolrand und ließ die Beine im Wasser baumeln, während er sich auf seinen Unterarmen abstützte und eine Sonnenbrille auf der Nase trug.

Im Pool schwamm ein blonder Mann seine Bahnen.

Und eine braunhaarige Frau trat mit einem Sektglas in der Hand heran. Schon setzte sich auf den Liegestuhl neben Akako während sie eine Anekdote erzählte. Die braunen Augen leuchteten hinter den Brillengläsern.

Kaum betrat Aoko den Außenbereich, richtete sich die Aufmerksamkeit auf sie. „Aoko, setz dich zu uns“, begrüßte Akako ihre Cousine und deutete ihr sich zu setzen.

Der aufmerksame Blick der Frau mit der Brille lag ebenso auf Akakos Cousine. „Hi, ich bin Keiko.“

Aoko stellte sich auch vor und setzte sich zu Akakos Füßen auf den Liegestuhl.

Die schöne Japanerin schlürfte an ihrem Cocktail: „Und jetzt erzähl. Was hast du die letzten Jahre erlebt?“

Aoko zögerte. „Nicht viel. Ich habe mich hauptsächlich auf mein Studium konzentriert.“

„Ach bitte, Aoko, erzähl mir doch nichts. Du hast doch ganz bestimmt noch etwas anderes gemacht als zu lernen. Hast du einen Freund?“

„Nein.“

„Aber irgendwas musst du doch erlebt haben“, hakte Akako unerbittlich neugierig nach.

Immer noch zögerte die junge Frau und lenkte von sich ab. „Du bist doch von uns beiden diejenige, die verrückte Sachen macht.“

„Du willst uns ernsthaft erzählen, dass du noch nie etwas verrücktes gemacht hast?“ Ein blonder Haarschopf erschien. Der junge Mann wischte sich die Haare aus dem Gesicht und funkelnde braune Augen musterten sie neugierig. „Ich bin Saguru Hakuba.“

Aoko spürte plötzlich einen durchdringenden Blick und suchte kurz Kaitos Augen, jedoch verbarg die Sonnenbrille diese. Sie sah wieder zu dem Blonden, der am Beckenrand hing und sie aufmerksam musterte, dann erklärte sie: „Akako ist die Verrückte von uns beiden. Sie ist der Bauchmensch! Sie ist spontan und sie macht das wonach ihr der Sinn steht.“

„Und du?“

Überrascht blickte sie zu dem braunhaarigen Wuschelkopf, als seine Stimme erklang. Kaito sah sie direkt an, auch wenn die Sonnenbrille ihm Schutz bot, sie spürte es in diesem Moment zu deutlich. Sie öffnete ihren Mund um zu antworten. „Ich bin der Kopfmensch, die Vernünftige, die...“, sie zögerte, doch dann fügte sie leise hinzu: „...Langweilige.“

Akako richtete sich auf und schlug ihrer Cousine an die Schulter. „Stimmt doch gar nicht. Du bist impulsiv und hast einen starken Gerechtigkeitssinn. Du stehst für das ein, was du für richtig hältst.“

Und genau dieser Gerechtigkeitssinn erdrückte sie in diesem Moment. Das schlechte Gewissen wog schwer in ihr. Sie spürte immer noch Kaitos Blick auf sich und senkte stumm die Augen.

„Komm schon, eine Schandtat wirst du doch erzählen können“, drängte Hakuba und auch Keiko stimmte mit ein. „Nur eine!“

Akako flehte ebenso darum: „Bitte, Aoko, eine kleine Geschichte.“

Es gab nur einen Moment, in all den Jahren, in dem Aoko sich nicht auf ihren Kopf verlassen hat. Sie sah unsicher zu Kaito auf, dann konzentrierte sie sich auf ihre Fingernägel. „Einmal hab ich einen wildfremden Mann geküsst.“

Akako richtete sich ungläubig auf, während Keiko quietschte und Hakuba staunte. Sofort hakte Aokos Cousine neugierig nach. Ein breites Grinsen zierte dabei ihre Lippen. „Aoko, wow! Das wäre eine Aktion die von mir hätte sein können. Ich fasse es nicht... Wann und wo?“

Sie traute sich nicht mehr aufzusehen, spürte zu deutlich dass Kaito sie regelrecht anstarrte, auch wenn es sonst keinem auffiel. „Vor drei Jahren... im Zug... saß dieser unglaublich attraktive Mann mir gegenüber. Ich war ziemlich durch den Wind wegen der Beerdigung und er reichte mir ein Taschentuch und wir unterhielten uns.“ Sie hatte schon zu viel gesagt und starrte beschämt zu Boden.

„Und dann? Wie genau ist es passiert?“

Aoko schüttelte verlegen den Kopf, wollte nicht weiter erzählen, aber auf das Drängen der anderen sprach sie dann doch: „Es gab ein ziemliches Gedränge und ich wurde an ihn gedrückt.“

Während Keiko und Akako die Worte kaum glauben konnte, bemerkte der männliche Blondschopf. „Zu schade, dass mir das noch nie passiert ist.“

„Ich frage mich, wie man überhaupt auf so eine Idee kommt. Immerhin hätte der Mann eine Freundin oder eine Frau und Kinder haben können.“

Seine Stimme bereitete ihr eine Gänsehaut. Vorsichtig sah sie zu ihm. Sein Gesichtsausdruck glich einer starren Maske. Es kostete sie jegliche Überwindung auf diese Frage zu antworten. „Es war wohl der gesamten Situation geschuldet. Die tröstenden Worte, die positive Ausstrahlung, die verständnisvollen Augen, die Nähe wie auch der enge Körperkontakt, die wirren Gefühle...“ sie senkte die Augen, schämte sich dafür, so offen vor ihm gesprochen zu haben. „...Mein Kopf hat sich ausgeschaltet.“

„Zum ersten Mal wie es scheint“, mischte Akako sich fröhlich ein. „Sag mal, hast du dich verliebt?“

„Verliebt?“, spottete der Blonde. „So schnell geht das nicht.“

Akako schüttelte den Kopf, während sie Saguru ansah. „Es gibt sie: die Liebe auf den ersten Blick. Eine Begegnung vom Schicksal vorherbestimmt. Und dann trifft dich der Blitz und ehe du dich versiehst stehst du unter Amors Bann.“

Aoko konnte nicht noch mehr preisgeben, sie hatte hier eh schon alles ausgeplaudert und das ihre Cousine diesen Vorfall auch noch absegnete und gut fand, war sowieso absolut skurril. Sollte Akako jemals die Wahrheit erfahren... Sie mochte es sich nicht einmal ausmalen, welche Konsequenzen das nach sich zog. Sie würde den wichtigsten und liebsten Menschen in ihrem Leben verlieren.

Keiko mischte sich neugierig ein. „Hast du ihn jemals wieder gesehen?“

Entsetzt blickte Aoko auf, dann schüttelte sie schnell ihren Kopf. Eine Lüge, denn er saß am Pool, aber das konnte sie nicht aussprechen.

Kaito schnaubte, stand auf und schlenderte zur Poolbar um sich ein Getränk zu holen.

Aoko beobachtete seine Bewegungen und konnte nicht anders als seinen athletischen Körper zu mustern. Sie hoffte nur, dass sie sich unauffällig verhielt und man ihr nicht an der Nase ansah, welche Gedanken durch ihren Kopf schossen.

„Wenn es die wahre Liebe ist, wirst du ihm wieder begegnen“, tröstete Akako.

Aoko fühlte sich wie in einem Theaterstück oder Film.

Jemand trat auf sie zu und stellte sich in die Sonne. Überrascht blickte sie auf. Ihre Augen hingen an der dunkelblauen Shorts. Folgten dem angedeuteten Sixpack hinauf über den glatten und so starken Brustkorb. Sie erinnerte sich, wie sie sich an ihn schmiegte und er sich unter ihr anfühlte. Sie erinnerte sich an den stetigen und kräftigen Herzschlag. Ihre Augen folgten weiter hinauf, blieben an den warmen rosigen Lippen hängen, folgten der Nase weiter hinauf bis zu den leuchtenden tiefblauen Augen. Ausdrucksstark und doch geheimnisvoll. „Glaubst du an so was?“

Sie hörte die Provokation deutlich heraus. „Nein“, log sie.

Er hielt ihr ein Getränk hin, welches sie überrascht annahm. Schon drehte er sich um und sprang mit einem eleganten Kopfsprung ins Wasser.
 

Aoko saß nachts alleine auf dem Liegestuhl und starrte in die Dunkelheit vor sich. Die Terrasse war nur noch spärlich beleuchtet. Alle waren schon in ihren Zimmern und schliefen. Aber sie selbst fand nicht in den Schlaf. Es war kühl und ihre Arme überzog eine Gänsehaut, trotz der schützenden Strickjacke, die sie sich übergeworfen hatte.

„Du bist noch wach?“

Ein Schauer zog über ihren Rücken. Schnell schlang sie ihre Arme um ihren Oberkörper, während sie versuchte Kaitos Gegenwart zu ignorieren.

Er näherte sich wie eine Raubkatze und setzte sich ungefragt neben sie auf den Liegestuhl. „Ich kann es immer noch nicht glauben, dass du hier bist.“

„Da sind wir schon zwei“, murmelte sie.

„Verdammt“, fluchte er plötzlich und fuhr sich mit seinen Händen durch das eh schon wirre Haar. „Ich habe dich gesucht, aber nicht gefunden. Ich wusste schließlich nichts von dir, außer dass du mit mir in diesem Zug gesessen bist und auf dem Weg zur Beerdigung deiner Mutter warst.“ Er pausierte. „Irgendwann habe ich die Hoffnung aufgegeben dich jemals wiederzusehen.“

„Warum wolltest du mich denn wiedersehen?“ Sie sah neugierig zu ihm.

Kaito erwiderte den Blick. „Weil ich dich nicht vergessen konnte. Diese wunderschönen blauen Augen, voller Schmerz und Trauer und doch das lebensfrohe Funkeln darin. Dieses Lächeln, das mein Herz höher schlagen ließ. Die Lippen, die sich so überraschend auf meine legten und mich vollkommen in ihren Bann gezogen haben.“ Er näherte sich ihrem Gesicht, strich ihr eine Haarsträhne hinter das Ohr und nahm ihre Lippen dieses Mal für sich ein.

Überwältigt wurde sie von seinem Kuss mitgerissen, aber dann wurde ihr bewusst wen sie hier küsste. Er war der Verlobte ihrer Cousine. Das mit ihnen hatte keine Zukunft und glich einem Vertrauensbruch wie auch Verrat. Wieder bei Sinnen drückte sie ihn von sich weg und starrte ihn fassungslos, aber auch tieftraurig an. „Warum sagst du so etwas?!“

Er umfasste ihr Gesicht, suchte ihre Augen und ließ sie nicht mehr entkommen. „Im Gegensatz zu dir, glaube ich an die Liebe auf den ersten Blick. Denn genau das ist mir geschehen. Ich habe mich noch nie zu einer Frau so hingezogen gefühlt, obwohl ich sie nicht kenne.“

Aoko starrte ihn überrascht angesichts seines Geständnis an, spürte wieder seinen Mund auf ihrem und schnell entbrannte ein leidenschaftlicher Kuss.

Wie in Trance drückte er sie auf den Liegestuhl zurück und küsste sie stürmisch. Schon bald gab er ihren Mund frei und küsste sich zu ihrem Hals und diesen hinab.

Sie genoss das Prickeln ihrer Haut, ihr Herz raste regelrecht und dennoch schaltete sich ihre Vernunft ein. „Kaito“, hauchte sie atemlos. „Das dürfen wir nicht“, brachte sie dann doch etwas fester über die Lippen.

Kaito hob seinen Kopf und suchte nach ihren Augen, dabei beugte er sich wieder über sie. „Liebst du mich?“

Aoko schwieg.

Seine Augen musterten sie aufmerksam: „Gib mir eine Antwort, bitte“, forderte er sanft.

„Ich... kann es nicht. Akako liebt dich. Du wirst sie heiraten. Und sie ist mir sehr wichtig.“

„Ich muss es trotzdem wissen, bitte.“

Aoko stockte der Atem, wusste nicht was sie sagen soll. Sie selbst kannte die Antwort, spürte es tief in sich drin. Aber sie konnte ihm nicht antworten. „Ich kenne dich nicht gut genug....“

Er schüttelte seinen Kopf. Schon verlagerte er sein Gewicht etwas und hob eine Hand um ihr seine Fingerspitzen auf die Brust zu legen. Genau an die Stelle unter der ihr Herz aufgeregt schlug. „Keine Ausreden mehr“, bat er eindringlich. „Sei ehrlich.“

Aoko starrte ihn verstummt an, ihre Lippen bewegten sich tonlos. Zu mehr fühlte sie sich nicht im Stande.

„Bitte, Aoko“, flehte er, beugte sich über sie und hauchte ihr einen zarten Kuss auf die Lippen.

Kaum gab er sie wieder frei, sah er sie direkt an und sie glaubte er müsse ihr tief in die Seele blicken können, so intensiv wie er in ihre Augen sah. Das Blau in seinen Augen erinnerte sie an das stürmische Meer. „Ja“, hauchte sie heiser, doch schon biss sie sich auf die Unterlippe und wandte betrübt ihren Kopf ab. Sie bereute es ausgesprochen zu haben, denn das mit ihnen hatte überhaupt keine Zukunft.

Ein Ruck ging durch seinen Körper und im nächsten Moment stand er auf. Seine Augen fixierten sie, während er schweigend vor ihr stand.

Verwirrt folgte sie seinen Bewegungen und richtete sich selbst auch auf. Nervös schlug sie die Strickjacke vor ihrer Brust zu und klammerte sich selbst in den Stoff.

Unangenehme Stille entstand.

Ein kleiner Gedanke kam in ihr auf und nagte an ihrem Herzen. Brauchte er die Bestätigung für sein Ego? Das schlechte Gewissen Akako gegenüber drückte nun noch schwerer.

„Gute Nacht, Aoko“, murmelte Kaito und entfernte sich von ihr. Mit wenigen Schritten trat er ins Haus zurück.

Aoko blieb alleine am Pool zurück und ließ den lautlosen Tränen freien Lauf.
 

Unnatürlich blass und mit tiefen Augenringen trat Aoko in das von Sonnenlicht durchflutete Wohnzimmer. Aber etwas war anders. Es drang kein Lachen durch den Raum. Stattdessen erklang ein herzzerreißendes Schluchzen. Besorgt sah sie zur Couch, auf der Akako saß und ein Kissen an sich drückte. Sie weinte.

Neben der schönen Japanerin saß Keiko, die ihr immer wieder über den Rücken strich.

Saguru stand an der Wand angelehnt, die Augen geschlossen und die Arme vor der Brust verschränkt. Ein ernsthafter Zug lag auf dem Gesicht.

Auf einem der Sessel saß eine fremde Frau mit kurzen rötlichen Haaren. Sie hielt ihre verschränkten Hände vor den Mund, während die Ellbogen auf den Knien gestützt waren.

Aoko kam näher und wusste nicht was allen so früh am Morgen dermaßen die Laune verdorben hatte. „Akako“, sprach sie besorgt. „Was ist denn los?“

Akako von einem weiteren Schluchzen gebeutelt antwortete nicht, dafür sprach die fremde Frau. „Mein Sohn hat die Hochzeit abgesagt.“

Erschrocken hielt Aoko die Luft an und blickte direkt in die tiefblauen, aufmerksamen Augen einer reifen Frau.

„Er ist weggefahren! Er braucht Zeit zum Nachdenken“, erklärte Saguru. Schon löste er die Arme und ballte die Hand zur Faust. „Dieser Idiot. Dieser dämliche Idiot.“

„Vielleicht überlegt er es sich ja doch nochmal. Vielleicht hat er nur Fracksausen bekommen, weil der große Tag schon morgen bevorsteht“, tröstete Keiko.

Aoko konnte nicht glauben, was sie hier hörte. Dann stürzte sie aber zu Akako und kniete sich vor sie hin. „Es tut mir schrecklich leid“, entschuldigte sie sich aufrichtig. Sie war Schuld an allem. Wäre sie doch nur nicht hierher gekommen. Ganz bestimmt war Kaito wegen ihr gegangen. Sie hätte letzte Nacht sofort gehen müssen, als er kam. Stattdessen hat sie sich von ihm küssen lassen. Wie dumm sie doch war. Sie hat das Glück ihrer Cousine zerstört. Sie allein trug die Schuld.

Akako wischte sich tapfer die Tränen aus dem Gesicht, dann rang sie sich ein Lächeln ab. „Da kannst du doch nichts dafür.“

Aoko schüttelte den Kopf. Nur sie allein war für dieses Dilemma zuständig. Sie hat Akakos Hochzeit ruiniert. Niemals konnte sie sich das verzeihen. Sie allein war dafür verantwortlich, dass ihre liebste Cousine unglücklich und verzweifelt war. „Akako“, setzte sie von Schuldgefühlen geplagt an. „Ich muss dir etwas sagen.“

Akako blickte besorgt auf. „Was ist geschehen?“

Auch die anderen richteten ihre Aufmerksamkeit auf die Cousinen.

„Ich bin an allem Schuld und es tut mir so leid. Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schuldig ich mich fühle. Und wenn ich es könnte, würde ich es sofort rückgängig machen. Ich würde die Zeit zurückdrehen und ganz anders reagieren. Wenn ich nur gewusst hätte welche Folgen es nach sich zieht, ich hätte es um jeden Preis der Welt nicht getan.“ Die Verzweiflung legte sich auf die Stimme nieder und die Tränen stiegen ihr in die Augen.

„Was hast du getan?!“, hakte Akako misstrauisch nach.

„Der Fremde im Zug war Kaito“, gestand Aoko leise und verzweifelt. „Bitte, Akako, es tut mir so leid.“

„Kaito?“, wiederholte die schöne Japanerin wispernd.

„Ich wusste es nicht. Ich bin ihm nie wieder begegnet und du weißt gar nicht wie überrascht ich war, als ich ihm plötzlich vor diesem Haus gegenüber stand. Ich wusste wirklich nicht wer er ist. Ich wusste auch bis gestern nicht, dass er dein Verlobter ist. Es tut mir so leid, das musst du mir einfach glauben. Ich habe das nicht gewollt.“

Akako starrte fassungslos ihre Cousine an. Konnte kaum glauben, was sie zu hören bekam. Doch dann verfinsterte sich ihr Gesichtsausdruck und ihr Blick wurde eiskalt. „Bitte geh, Aoko.“

Erschüttert erstarrte Aoko. „Akako.“

„Geh jetzt. Ich brauche Zeit, ich muss nachdenken“, sprach Akako und deutete zur Türe. „Und dich will ich erst mal nicht mehr sehen.“

„Akako“, wiederholte Aoko entsetzt, aber ihre Cousine schüttelte demonstrativ ihren Kopf.

„Geh jetzt!“

Niedergeschlagen stand die Braunhaarige auf und verließ das Zimmer. Sie ging in ihr Zimmer zurück, packte schnell ihren Koffer und trat keine viertel Stunde später in die Eingangshalle.

Aus dem Wohnzimmer drang Keikos Stimme heraus. „Sie hat doch selbst erzählt, wie es passiert ist.“

„Sie ist eine Verräterin“, antwortete Akako wütend. „Sie hat meine Hochzeit ruiniert!“

Aoko senkte betroffen ihr Haupt und schlich zur doppelflügeligen Eingangstüre. Ein letzter Blick zurück, dann verließ sie die Villa und ging die Auffahrt hinab. Ihren Koffer zog sie hinter sich her. Wenig später trat sie auf den Gehsteig. Sie folgte keiner bestimmten Richtung. Sie hatte Akakos Leben zerstört und sie verdiente den Hass und den Zorn ihrer Cousine. Kurz blieb sie stehen, überlegte wo sie nun hin sollte, dann entschied sie, dass sie nicht mehr zurück konnte. Sie würde hier einen Schlussstrich ziehen und einen ganz neuen Weg einschlagen.
 

1 Jahr später...
 

Mit einem flauen Gefühl in ihrem Magen las sie den Namen des Teehaus und atmete tief durch. Dann trat sie ein und sah sich um. Ein gemütlicher kleiner Laden, der absolut überfüllt war. An jedem Tisch saßen Japaner und tranken Tee in geselliger Runde. Unsicher folgte Aoko dem Weg hinein, auf der Suche nach ihrer Verabredung. Und plötzlich entdeckte sie das bekannte Gesicht. Schlagartig kamen die Schuldgefühle hervor, als sie die hübsche schwarzhaarige Japanerin an einem der Tische sitzen sah. Ihre dunklen Augen leuchteten und ein zaghaftes Lächeln lag auf den roten Lippen. Die schöne junge Frau winkte ihr zu und Aoko folgte der Aufforderung mit einem beklemmenden Gefühl.

Sie trat an den Tisch heran, schlüpfte aus ihren Schuhen und setzte sich zu ihrer Cousine. „Hey, Akako.“

„Schön, dass du es einrichten konntest zu kommen.“ Akako musterte aufmerksam ihr Gegenüber und lächelte freundlich. „Es war gar nicht so leicht dich ausfindig zu machen.“

Aoko senkte verlegen den Blick. „Nach damals...“, sie korrigierte sich selbst. „Ich konnte mich selbst nicht mehr ausstehen und bin für eine Weile ins Ausland gegangen. Ich hatte die Hoffnung, alles zu vergessen und mir selbst zu verzeihen.“

Akako legte sanft ihre Hand auf Aokos und schüttelte den Kopf. „Du hast keine Schuld“, beruhigte sie ihre Cousine.

Eine Bedienung kam an ihren Tisch und die Frauen bestellten sich einen Tee.

Aoko starrte auf die Hand, welche immer noch auf ihrer lag und schüttelte ihren Kopf. „Ich allein bin schuld. Das habe ich mir bis heute nicht verziehen. Ich habe deine Hochzeit ruiniert.“

Akako beugte sich weiter vor. „Rede dir nicht solch einen Unsinn ein.“

„Es waren deine Worte“, flüsterte Aoko tieftraurig und so verletzend es war, es stimmte.

„Ich war sauer! Mein Verlobter hat mich einen Tag vor der Hochzeit sitzen lassen und du hast mir gesagt, dass du die Schuld daran trägst.“

„Zu Recht“, gestand Aoko ein. „Es ist unverzeihlich.“

Die Bedienung brachte den Tee und Akako löste ihre Hand von Aokos.

„Ich habe dir nie erzählt wann und wie ich Kaito kennengelernt habe.“

Aoko schluckte. „Ich möchte es auch gar nicht hören.“

Ihre Cousine ließ sich aber nicht von ihrem Vorhaben abbringen und begann zu erzählen. „Es war hier, in diesem Teehaus. Ich saß hier...“, dabei deutete sie auf ihren Platz. „...an diesem Tisch. Keiko hat unsere Verabredung vergessen als Kaito plötzlich an meinem Tisch stand. Er setzte sich zu mir und wir kamen ins Gespräch. Die Sympathie füreinander war sofort da und wir unterhielten uns mehrere Stunden.“ Sie schwelgte in den Erinnerungen. „Wir tauschten Nummern aus und trafen uns regelmäßig. Ein halbes Jahr später kamen wir zusammen. Es war wundervoll und es lief so gut zwischen uns, dass ich kurz darauf zu ihm in die Villa zog. Ein weiteres Jahr später war die Hochzeit … besser gesagt, hätte diese stattfinden sollen.“

Aoko lauschte den Worten, stutzte aber dann plötzlich. „Ihr seid eineinhalb Jahre zusammen gewesen?“

Akako nahm einen Schluck von ihrem Tee und nickte bedächtig. „Ich habe ihn ein Jahr nach eurer Begegnung im Zug kennengelernt. Richtig.“

„Dann hab ich dich zu diesem Zeitpunkt gar nicht betrogen?“

Akako schüttelte ihren Kopf und setzte die Tasse wieder ab.

„Und dennoch ist mein Verhalten verabscheuungswürdig. Denn ich habe dich trotzdem hintergangen und ihn in der Villa geküsst.“ Rumgemacht hätte es besser getroffen, aber sie wollte Akako nicht noch mehr verletzen, als sie es schon getan hatte.

„Ich weiß“, gestand Akako.

Überrascht hob Aoko ihren Kopf. „Woher?“

Akako starrte auf die Tischdecke, doch dann sah sie ihre Cousine aufmerksam an. „Als du gegangen bist, kehrte Kaito am selben Abend zurück. Wir redeten lange und viel, es hätte sicherlich früher ausgesprochen gehört. Er gestand mir alles – von eurer ersten Begegnung bis zu eurer zweiten Begegnung und der Nacht am Pool.“

Aoko sog hörbar die Luft ein. Akako musste sie ja regelrecht hassen, sie selbst konnte sich ja nicht mal mehr im Spiegel ansehen. „Es tut mir so leid“, murmelte sie.

Akako legte ihre Hand wieder auf Aokos und schüttelte ihren Kopf. „Nein, Aoko, mir wurde klar, dass dich keinerlei Schuld trifft. Sein Herz hat nie für mich geschlagen. Es war von Anfang an in deinem Besitz.“

Aoko konnte und wollte diese Worte nicht glauben. Denn wenn sie es zuließ, würden die ganzen Gefühle in ihr Ausbrechen. Sie trank einen Schluck Tee.

Die schwarzhaarige Japanerin seufzte. „Wie ich schon mal sagte, es ist uns vom Schicksal vorherbestimmt und niemand kann sich der wahren Liebe verwehren.“

„Du verzeihst mir? Nach allem was ich dir angetan habe? Ich habe dich betrogen und ich bin schuld, dass deine Hochzeit abgesagt wurde.“

Akako sah sie liebevoll an. „Du bist mir sehr wichtig, Aoko. Ich war dumm und hätte dich nicht wegschicken dürfen. Wir hätten das gleich bereden müssen.“

„Wieso sagst das, Akako? Warum jetzt?“

„Weil ich nicht will, dass du einen großen Fehler machst. Verstehst du es denn nicht?“

„Ich versteh gar nichts“, antwortete Aoko verzweifelt. „Wie kannst du mir verzeihen? Ich habe dich auf das schändlichste hintergangen.“

„Das hast du nicht!“

Aoko schüttelte ungläubig den Kopf. Dann stand sie auf.

„Aoko“, rief Akako ihr nach, stand ebenfalls auf. „Lauf nicht weg!“

Ein letzter Blick zurück und Aoko erstarrte. Ihre Augen fielen auf die schlanke Figur und doch war da eine Wölbung zu erkennen, die normalerweise niemand so ausgeprägt haben konnte. Nur Frauen bekamen diese wenn sie schwanger waren.

Akako folgte dem Blick und führte ihre Hände an ihren sichtbaren runden Bauch. „Du siehst richtig“, lächelte sie aufmunternd. „Ich bin schwanger. In weniger als fünf Monaten bekomme ich ein Kind.“

Aokos Kopf begann zu arbeiten. Hatten sich die beiden versöhnt? Würden sie es doch nochmals miteinander versuchen?

Akako trat näher an ihre Cousine und ergriff ihre Hand. „Ich weiß es ist alles so überraschend. Aber lass es mich erklären.“ Sie suchte die blauen Augen ihrer Verwandten und sprach: „Kaito und ich haben uns getrennt. Vermutlich hast du mich vor einem Fehler bewahrt. Wie hätte ich auch mit einem Mann glücklich, bis an mein Lebensende, zusammen sein können, wenn dieser Mann sein Herz an eine andere Frau verloren hatte?“

Aoko schwieg.

„Jedenfalls ist Saguru für mich da gewesen. Er hat mich aufgefangen und ist mir zur Seite gestanden. Er war mir ein treuer und enger Freund. Und mit der Zeit entstand Zuneigung und Liebe zwischen uns und ein neues Leben“, bei diesen Worten strich sie sich über den Bauch.

Aoko konnte es immer noch nicht glauben. „Kaito ist nicht der Vater?“

„Nein“, antwortete Akako. „Er ist dir vorherbestimmt, nicht mir.“

Erleichterung breitete sich in ihr aus und dennoch überwog die Verzweiflung. Sie würde ihn nie wieder sehen. Wie konnte sie mit dem Ex-Verlobten ihrer Cousine nur glücklich werden? So vieles ist geschehen, dass sie sich immer noch nicht verzeihen konnte.

„Ich bitte dich, gehe zu ihm. Rede mit ihm! Werdet glücklich“, flehte Akako. „Ihr habt es beide verdient.“

Aoko schüttelte den Kopf. „Ich kann nicht“, hauchte sie. Doch schon zog sie ihre Cousine an sich. „Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt!“ Sie löste sich wieder und sah sie traurig an. „Wir sehen uns bald wieder.“

„Aoko!“ Akako beobachtete wie ihre Cousine in die Schuhe schlüpfte. „Bitte geh zu ihm. Die Straße links entlang geht es zur Villa. Er ist zuhause. Bitte! Rede mit ihm!“

Aoko hob den Kopf, lächelte Akako an und verschwand aus dem Teehaus.

Sie ging entschlossen nach rechts und würde Kaito nicht zuhause aufsuchen. Den Blick zum Boden gesenkt ging sie ein paar Schritte als sich ihr jemand in den Weg stellte.

„Zu mir kommst du aber nur wenn du in die andere Richtung läufst.“

Erschrocken über diese allzu bekannte Stimme hob sie ihren Kopf und verfing sich sofort in dem stürmischen Blau seiner Augen. „Wer sagt, dass ich zu dir will?“, konterte sie leicht schnippisch. Was machte er überhaupt hier?

„Ich hatte die Hoffnung, dass du dieses Mal nicht wegläufst“, gestand er melancholisch. Er trat einen Schritt auf sie zu. „Und doch hättest du es wieder getan.“ Seine Hände umfassten ihr Gesicht und er sah sie flehend an. „Bitte lauf nicht wieder weg. Das mit uns ist etwas besonderes und auch wenn wir keinen guten Start hatten, so kann ich mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen.“

Ihre Augen wurden größer.

„Ich kenne dich kaum und doch hab ich dich das Gefühl dich schon ewig zu kennen. Meine schöne Fremde.“ Er lächelte sie liebevoll an und beugte sich zu ihr. Sie verschmolzen in einem liebevollen Kuss, der all die Zuneigung füreinander zeigte und sie wussten in diesem Moment, das ihre erste Begegnung im Zug etwas ganz besonderes war.
 


 


 


 


 

Regenbogen

Wasserspiel

Geständnis

Wagnis

Theaterstück



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück