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Wenn Ostern sein Frühling findet

Die Hüter des Lichts
von

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Prolog

Die Hüter des Lichts

If the Easter finds its Spring

 

Vorwort

 

Jahre waren vergangen seit die Hüter des Lichts Pitch, der in der Welt der Menschen unter dem Namen Schwarzer Mann bekannt war, besiegt und in sein Reich verbannt hatten. Jamie Bennett und seine Freunde, die eine große Hilfe in diesem Kampf gewesen waren und die Alpträume in gute Träume gewandelt hatten, waren inzwischen erwachsen geworden.

Sie waren die einzigen Erwachsenen die in der Umgebung noch tatsächlich an den Weihnachtsmann, Osterhasen, Zahnfee, Sandmann und Jack Frost glaubten. In Gegensatz zu ihren Altersgenossen huldigten sie die Feste und feierten sie gebührlich. Doch nun war Sophie Bennett, die kleine Schwester von Jamie, die sich durch die Unachtsamkeit der Hüter als Kleinkind in der Welt des Osterhasen wiedergefunden hatte, allein mit dem kostbaren Wissen. Die anderen waren nun auf dem College. Sie dagegen war im letzten Jahr ihrer High School und fürchtete ihren achtzehnten Geburtstag.

Sie glaubte dass das Erwachsensein ihrem Glauben in ihren Grundfesten erschüttern würde, so sehr wie bei ihrem Bruder. Es war nicht so das er seinen Glauben verloren hatte, doch war er so sehr mit seinem Studium, mit seiner Freundin, einfach mit den üblichen Problemchen eines jungen Erwachsenen beschäftigt, das er für die Feste der Hüter keine Zeit mehr fand. Es werden lieblose Karten verschickt die auf die schnelle geschrieben wurden oder auch ein einfacher Schokoladenweihnachtsmann fand den Weg zu ihr durch die Post. Aber es hatte nichts wärmendes mehr. Es war mehr oder minder zu einem Verbündeten des Kommerzes verkommen. So kam es Sophie zumindest vor. Man schenkte nicht mehr aus Liebe, sondern aus Pflichtgefühl. Und wenn alle es taten, konnte es nicht schlecht sein.

 

***

 

Es war eine Woche vor Ostersonntag und Jack Frost war mit seinem Schneeverwehungen gnädig gewesen. Er ließ zu das der Frühling anbrach und Sophie konnte ihre Schneeglöckchen, Veilchen und Primeln aus ihrem kleinen Gewächshaus in ihren Garten pflanzen. An der südlichen Hauswand, wo sie windgeschützt, aber den ganzen Tag Sonne bekamen. Sie liebte den Frühling und liebte ihren Garten. Ihre Mutter selbst kümmerte sich nicht all zu sehr darum und so hatte sie damit begonnen, seit Hase sie das erste Mal wieder vor ein paar Jahren besucht hatte. Sie hatte ihn nur noch aus seichten Erinnerungen, denn damals war sie erst zwei Jahre alt gewesen, zu jung um sich jetzt noch genau daran erinnern zu können. Doch Bilder die sie damals gemalt hatte und die Erzählungen von Jamie hatten ihr dazu verholfen, den Osterhasen und die anderen nicht zu vergessen.

 

Nun saß sie wieder in einem dicken Pullover gekleidet im Garten und buddelte Löcher für die Pflanzen. Die Sonne schien brav hinunter und wärmte ihren Rücken, weswegen sie auf die Jacke verzichtet hatte. Der Schnee hatte sich verflüchtigt und war nur noch ans so manchen Straßenrändern zu finden. Geschäftig schwang sie die Schaufel und beförderter jede Pflanze nach und nach in die Erde. Blonde Strähnen, die sich nicht vom Haargummi zusammenhalten lassen wollten, fielen ihr ins Gesicht, die sie immer wieder zur Seite pustete oder hinter ihre Ohren steckte.

 

Die Büsche raschelten und streiften ihren Arm, was sie jedoch nicht weiter irritierte. Doch als sie ein Schneeglöckchen gerade in die Erde gesetzt hatte hielt sie inne. Die Büsche hatten sich bewegt, doch war kein Wind zu spüren gewesen. Ehe sie reagieren konnte spürte sie einen warmen Atem in ihrem Nacken. Ein breites Lächeln bildete sich auf ihrem Gesicht. Sie drehte sich zu den Büschen und erblickte die grünen Augen zwischen den kleinen Blättern, die ihr zuzwinkerten.

 

„Hey Keule“, sagte sie und lächelte, da sie seine übliche Anrede für alles und jeden geklaut hatte und bot ihm ihre Hand an.

 

Sogleich wurde diese von einer großen grauen Pfote ergriffen und ein monströser Hase, so groß wie ein Mensch, trat aus den Büschen. Er kniete auf seinen kräftigen Hinterbeinen vor ihr und sah zu ihr hinunter.

 

„Schöne Blumen“, sagte er und ließ wie durch Zauberhand noch ein paar weitere aus dem Boden wachsen. „Jetzt sieht es besser aus.“

 

„Ich bin ja noch gar nicht fertig und meine Blumen brauchen Zeit zum Wachsen“, sagte sie, drehte sich wieder herum und ignorierte ihn gekonnt. Sie brauchte sich keinerlei Gedanken über seine Anwesenheit zu machen. Sie befanden sich hinter dem Haus und ihre Eltern konnten ihn als Ungläubige sowieso nicht sehen.

 

„Wie geht es meinem kleinen Fratz?“, fragte Hase und blickte etwas betreten zur Seite.

 

Er ließ sich nicht oft zeigen, da er sich nicht in ihr Leben einmischen wollte, doch beobachtete er das kleine Mädchen das damals in seinen Armen eingeschlafen war des Öfteren. Jedoch war sie nun kein Mädchen mehr, sondern bereits eine junge Frau und mit jedem Jahr spürte er die Kraft der Zeit wenn er sie sah, obgleich ihm die Jahre nicht so zahlreich erschienen. Aber schließlich war er unsterblich und Jahrhunderte alt, da war das Zählen der Jahre nicht so wichtig und auch sonst war er die meiste Zeit des Jahres mit der Vorbereitung auf Ostern und dem Verbreiten des jungen Frühlings beschäftigt.

 

Sophie antwortete nicht sofort, sondern hielt inne und hörte schlussendlich mit dem Bepflanzen auf.

 

„Ist etwas, Kleines?“, fragte Hase und zwang sie mit seiner weichen Pfote ihn anzusehen.

 

„Ich werde bald Achtzehn und bin somit auf den meisten Teilen der Welt volljährig...“

 

„Nicht in meiner Keule. Dort sind die Eier für nächste Woche kaum jünger als du“, scherzte er und sah sie liebevoll an.

 

„Ich weiß das dir das lächerlich erscheinen muss, das ich wegen meines achtzehnten Geburtstag Sorgen habe... aber es geht nicht um das Alter sondern... na ja gut... also eigentlich doch. Aber nicht wie du denkst...“

 

„So, was denke ich denn?“

 

„Das es um das Altwerden an sich geht, um Falten und sterben oder sowas. Aber ich habe angst, das meine Kindheit endgültig vorbei ist und ich … meinen Glauben verliere.“

 

Er begann vor sich hinzu kichern und Sophie blickte leicht beleidigt drein.

 

„Ich mache mir ernsthafte Gedanken“, sagte sie.

 

„Das brauchst du nicht. Der Glaube hat nichts mit deinem physischen Alter zu tun. Wenn du glaubst, dann glaubst du. Und wenn du es willst, auch für immer.“

 

Beruhigt lehnte Sophie sich leicht an ihn. Genoss die Nähe und auch das weiche Fell mit dem süßen blumigen Geruch. Hase blickte überrascht drein und wusste zunächst nicht was er tun sollte. Es war unerwartet und auch wenn sie damals auf seinem Rücken geritten war, war sie doch nun kein kleines Mädchen mehr. Und wollte er sich eigentlich nicht einmischen?

 

„SOPHIE! Sophie Schätzchen, bist du noch nicht fertig? Komm rein, deine Großeltern sind bald da und Brad ebenso. Niemand muss dich so verschmutzt sehen“, rief Sophies Mutter, welche Hase unwissentlich aus seiner verzwickten Lage befreite.

 

„JA MUM!“, rief Sophie und löste sich genervt von Hase.

 

„Brad?“, sah Hase sie fragend an.

 

„Ja er... er geht in meine Klasse und ich find ihn sehr süß“, sagte sie unter halb gesenkten Lidern und ihre Wangen färbten sich rot.

 

„Dann will ich nicht länger stören, ich habe ohnehin einiges zu erledigen. Morgen beginnt das große Eiermalen und wir müssen uns beeilen, wenn wir Millionen fertig stellen wollen. So ist das mit der leicht verderblichen Wahre, du weißt schon. Stress ist da angesagt und... na ja, man sieht sich“, stammelte er.

 

Er wusste nicht warum, doch behagte ihn die Tatsache das ihm sein kleiner Fratz sich einen Freund hielt, nicht wirklich. Er konnte nur für diesen Brad hoffen das er sie gut behandelte, denn sonst würde er es mit dem legendären Osterhasen zu tun bekommen.

 

Eilig sammelte sie ihre noch zu pflanzenden Blumen und ihre Gartengerätschaften zusammen.

 

„Ich geh dann mal“, sagte sie, stand auf und blickte zu ihm hinunter. „Sehe ich dich an Ostersonntag? Ich habe auch etwas für dich.“

 

Hase nickte nur und stand auf. Er überragte sie um einen Kopf und boxte ihr freundschaftlich in die Schulter.

„Pass auf dich auf, Keule!“

 

„Klar“, lächelte sie.

 

Der große Osterhase, der im Garten von Sophie Bennett stand, lächelte sie an, klopfte mit einem seiner Hinterbeinen auf dem Boden, indem ein großes Loch entstand, welches zu einem Tunnel wuchs und ließ sich geschmeidig hinein fallen. Der Boden wuchs sogleich wieder zusammen und gab vor das nichts Ungewöhnliches geschehen war. Nun ja, nicht ganz. Eine einzelne Blume war aus dem Nichts in der Mitte des Loches gewachsen.

 

Kapitel 1 – Die Enttäuschung

 

Seit dem letzten Treffen waren ein paar Jahre vergangen und Osterhase war jedes Jahr an Ostersonntag in Sophies Garten gekommen. Im ersten Jahr erwartete ihm noch wie üblich, die üppigen Blumen und ein Korb voller leckerer Möhren.

Im vorletztem Jahr waren die Blumen schon nicht mehr so üppig und zahlreich. Aber noch immer hatte ihm sein Korb voller Möhren erwartet.

 

Doch nun stand Hase wieder im Garten der Familie Bennetts und was er vorfand, war nichts. Keine Blumen, keine Möhren. Keine Sophie.

Misstrauen bildete sich in seinem Inneren und er sprang hinauf, auf das Vordach um in Sophies Zimmer sehen zu können. Es war leer. Nur die Abdrücke und alte Flecken auf dem Teppich zeugten von ihrem vergangenen Leben. War sie umgezogen? In Jamies Zimmer hatte sich nicht viel verändert. Es war nicht mehr so vollgestopft mit Jamies Sachen, doch diese befanden sich in seiner Wohnung, in der er mit seiner Freundin wohnte, jedoch hatte er die Möbel zurück gelassen. Zumindest glaubte er sich daran zu erinnern das es so war, Jack Frost hatte es ihm erzählt. Dieser stand noch immer im Kontakt mit Jamie.

 

Der große graue Hase sprang auf seinen kräftigen Hinterbeinen neugierig von einem Fenster zum nächsten, hatte das Haus schnell umrundet und stand wieder im Garten. Sie war fort.

Die Erkenntnis stach ihm ins Herz.

Nicht wegen den Blumen oder den Möhren, doch war er einfach … enttäuscht.

Wegen was...?

Sie war ihm in keinster Weise verpflichtet. Alles was sie getan hatte, kam von Herzen … für ihn!

 

Doch nun war sie erwachsen und konnte ihr Leben leben wie sie es wollte. Aber er hätte sich gewünscht wenn sie ihm eine Nachricht hinterlassen hätte. Irgendwie...

 

Kapitel 2 – Das Leben einer Erwachsenen

 

Sophie wurde von dem lautstarken, nervigen Klingelton ihres Handys aus dem Schlaf gerissen und suchte es dösig zwischen den Kissen.

 

„Argh, mach das scheiß Ding aus“, rief der junge Mann neben ihr aus und drückte sein Kissen auf sein Ohr.

 

Sophie fand ihr Handy, schaltete es aus und kuschelte sich noch ein wenig an ihren Freund Brad, der sich keinen Millimeter mehr bewegte. Sophie kraulte ihn zärtlich über dem Arm und drückte sich an seinem Rücken. Noch immer war er der süßeste Mann in ihrer Umgebung, wie früher auf der High School. Schönes braunen mittellanges Haar, warme braune Augen und ein schönen schlanken Körper.

 

„Musst du nicht langsam mal aufstehen?“, fragte Brad nach einer Weile verschlafen.

 

„Ja, ich steh jetzt auf. Denkst du daran auch bald aufzustehen, du wolltest heute wieder zur Arbeit“, erinnerte Sophie ihren Freund an sein Versprechen.

 

„Jaahaa, aber nicht heute. Wir haben ein großes Ding am Laufen. Thomas wollte später vorbeikommen, er hat ein Auto auftreiben können.“

 

„Bist du sicher das es wirklich so leicht verlaufen wird? Nicht das ihr hochge...“

 

„Wir gehen nicht hoch. Er fährt nur auf den Nebenstraßen, da parieren die Bullen nie. Und wenn das überstanden ist und wir das Zeug verkauft haben, glaub mir... dann haben wir wirklich viel Geld. Und dann können wir uns auch mal was gönnen“, schnarrte er und vergrub sich wieder unter der Decke.

 

Das Gespräch war damit beendet.

 

Sophie schluckte es nur hinunter und lief ins Bad um sich fertig zu machen. Sie musste sich beeilen, wenn sie rechtzeitig in der Gärtnerei sein wollte. Ihre Ausbildung hatte sie erfolgreich geschafft und nun arbeitete sie seit zwei Monaten als Angestellte in ihrer Ausbildungsstelle. Es war nichts Besonderes, sie hatte sich gegen das College entschieden, in Gegensatz zu ihrem großen Bruder Jamie, obgleich sie viel gestritten hatte mit ihren Eltern. Aber sie wollte seit Jahren nichts weiter als eine Gärtnerin werden und mit einem Collegeabschluss wäre sie mehr als Überqualifiziert.

 

Aber sie war glücklich mit ihrem Leben.

 

Na ja, es könnte schöner laufen, aber es war ihr Leben.

 

Wenn auch nicht ganz perfekt.

 

Sie wohnte mit Brad in einem kleinen Apartment über einer Bäckerei und er war zwar nicht mehr Arbeitslos, jedoch lief es nicht so wie sie Sophie es sich gewünscht hätte. Er war mehr bemüht damit Gras zu verkaufen und ab und zu illegale chemische Luxusgüter zu schnüffeln als sich um eine Einrichtung zu bemühen. Brad hatte sogleich einen Kredit gemacht, um Schulden abzubauen, aufzubauen - Fernseher und Computer war schließlich ein Muss - und natürlich zum Investieren. Was nicht wirklich so verlief wie erhofft, und so kam mal eben eintausend Dollar mehr Schulden mit auf dem Berg, statt dreitausend drauf.

Er hoffte auf das ganz große Geld, doch war Sophie der Meinung das er über keinerlei Geschäftssinn verfügte. Brad vertraute seinen sogenannten Freunden zu viel und wurde bereits von dem einen oder anderen abgezogen. Entweder waren sie mit der großen Menge Geld verschwunden oder wenn sie etwas gekauft hatten, schworen sie es das nächste Mal zu bezahlen, das Geld wäre gerade knapp.

Sophie aber gab nicht auf und hoffte das er es entweder schaffte und es bald sein lassen würde oder aber das er zu einem gestandenen Mann wurde.

 

Die Toilette erledigt und fertig angezogen, lief Sophie eilig durchs Wohnzimmer, auf der Couch lag ein Freund von Brad. Jacob war sein bester Freund und fühlte sich in seinem, vom Amt bezahlten Loch, indem sich kaum Möbel befanden, nicht wohl und war oft in ihrer Wohnung zu finden. Mit seinem Laptop auf dem Schoß und seinem Headset auf dem Kopf. Onlinespiele waren seine Welt und er fand nur selten in die Realität, da sie für ihn wohl nicht im mindesten so aufregend war. Selbst wenn man ihn ansprach, brauchte es immer mehrere Anläufe ehe er reagierte. Sophie gab sich keine Mühe leise zu sein, denn Jacob schlief immer einen Rausch aus. Sei es Bier oder Gras. Vor allem wenn er tagelang mit Brad gewacht hatte, schliefen sie beide zwei Tage lang um es nachzuholen, doch das war manchmal sehr entspannend. Sie konnte durch die Wohnung rennen wie sie wollte, aufräumen oder lautstark fernsehen gucken.

 

Sie zog ihre große Beuteltasche über die Schulter, griff nach ihrem Schlüssel und schmiss die Tür hinter sich zu. Mit der Straßenbahn, welche sich direkt vor ihrer Tür befand, stieg sie ein und fuhr direkt zum Stadtrand von Burgess, wo sich eine große Gärtnerei für Zierpflanzen befand.

Den gesamten Tag unterliefen ihr immer wieder Fehler und wurde mehrmals gerügt. Immerzu versuchte sie sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren, doch wanderten ihre sorgenvollen Gedanken immer wieder zu Brad, da sie ein mulmiges Gefühl hatte, wegen der Fahrt die ihm bevorstand. Würde er erwischt werden und gar im Gefängnis landen, sie wüsste nicht was sie tun sollte. Neun Stunden später, als sie sich endlich verabschieden konnte, wurde ihr etwas leichter ums Herz, aber dennoch klopfte ihr Herz als sie die Treppen hoch in ihre Wohnung lief.

 

Glücklicherweise erwartete sie Brad, zusammen mit seinem Kumpel Jacob und Thomas. Auf dem Tisch die Beute ausgebreitet, die als finanzielle Spritze dienen sollte.

„Morgen geht’s in den Park, da können wir ordentlich Kohle machen!“, sagte Brad freudestrahlend.

 

Sophie war natürlich nicht begeistert, stimmte aber zu ihn zu begleiten, denn als händchenhaltendes Pärchen fielen sie natürlich nicht so auf. Aber dennoch rechnete es sich für sie, der Abend war wunderschön da sie mal wieder alleine in der Wohnung waren und ihre Toleranz durch Zärtlichkeiten ausgezahlt wurde.

 

***

 

Am nächsten Tag ging es mittags auf in den Park und während Brad geschickt als kurzes freudiges Wiedersehen getarnt seine Drogen vertickte, bemerkte Sophie voller Unmut das viele Kinder mit Körbchen herumliefen.

 

Mit bunten Eiern darin.

 

Easter Eggs Hunt prankte auf einem langen Banner hinter ein paar Bäumen, fiel ihr nun schweren Herzens auf, was die Situation nicht gerade besser machte.

 

Sie huschte ungläubig mit ihrem Blick immer hin und her und bekam ein äußerst schlechtes Gewissen. Es war Ostersonntag. Schon letztes Jahr hatte es ihr leidgetan. Tage vorher hatte sie sich noch vorgenommen das sie ihre Eltern besuchen würde, um Hase zu treffen, doch hatte sie es dann vor lauter Kartons auspacken und Arbeiten – und während dieser stressigen Zeit gab es natürlich Nerven zerreißende Streitereien mit Brad - , glatt vergessen und Tage später war es ihr aus heiterem Himmel eingefallen.

 

Sophie löste sich von Brads kleiner Gruppe, was nicht weiter beachtet wurde und lief über die Wiese. Gerne sah sie den Kindern dabei zu wie sie freudig die Eier fanden und aufgeregt zu ihren Eltern rannten, die auf den Bänken saßen.

 

In ihrer nähe befand sich ein kleiner Junge der eifrig versuchte in einem Busch hinein zu kriechen um an ein besonders schönes Ei heran zu kommen, doch blieb er zwischen den Sträuchern mit seiner Jacke hängen. Sophie ging auf ihn zu und half ihm heraus.

 

„Hey kleiner Mann, so kann es ja nichts werden. Hast du dort ein Ei gefunden?“, fragte sie lächelnd.

 

Der Junge musste drei oder vier sein.

 

„Ja, da!“, sagte er nur und zeigte unter den Büschen.

 

„Ich versuch es einmal“, sagte sie und kroch sogleich hinunter.

 

Auch sie musste damit kämpfen nicht an den Ästen hängen zu bleiben und hatte sich prompt ein paar Kratzer eingefangen, doch bekam sie das Ei zu fassen. Eine plötzliche Bewegung ließ sie aufschauen und sogleich sah sie hinter ein paar Blättern versteckt etwas graues. Weiter den Blick nach oben schweifend, sah sie die großen weißen Zähne, die dunkelrosa Nase und die grünen Augen.

 

„Hase!“, keuchte sie nur und verharrte in ihrer Bewegung als wäre sie durch Jack Frosts Stab zu einer Eisskulptur verzaubert geworden.

 

Zunächst blickte Hase sie nur überrascht an, als verstehe er nicht weshalb sie ihn sehen konnte. Erkannte er sie nicht? Ein Stich erfasste sie mitten ins Herz, bis ihr einfiel das sie ihre Haare nun weit kürzer trug und sie schwarz gefärbt hatte. Ihr unbändiger Ponnie hing ihr noch immer übers rechte Auge, wie schon in ihren Kindheitstagen, doch war die gesamte Länge nur noch bis zum Kinn geblieben, wodurch sie einen jugendlichen, frechen Touch bekam.

 

„SOPHIE!“, schrie plötzlich Brad und die gerufene zuckte sogleich zusammen.

 

Sie sah Hase noch einmal entschuldigend in die Augen und zu ihrer Erleichterung sah sie nun das Erkennen in seinen Augen. Doch ehe einer von beiden etwas sagen konnte, war sie eilig aus den Büschen gekrochen, was ihr noch ein paar weitere Kratzer einhandelte. Der kleine Junge, der noch immer neben ihr stand, sah sie neugierig an und schrie freudig auf als er das Ei in ihrer Hand erblickte. Herzhaft griff er zu und rannte sogleich lachend zu seiner Mutter.

 

Noch einmal sah sie kurz in den Busch hinein, jedoch so schnell das sie im Grunde nichts sehen konnte, doch spürte sie noch immer den Blick von Hase auf ihrem Rücken. Langsam lief sie hinüber zu Brad, der bereits auf sie wartete. Sobald er seine Arbeit getan hatte, überkam ihm ein großer Schwall von Paranoia, da jeder Zivilist ein Polizist sein konnte und wollte so schnell wie möglich nach Hause.

 

Noch einmal sah sie sich um, die meisten Kinder hatten bereits den Platz wieder geräumt, da alle Eier gefunden worden waren. Von weitem glaubte sie ein paar lange graue Ohrspitzen zu erblicken und doch, da bewegte sich etwas. Doch dann zog Brad sie weiter und sie bogen um die Ecke, welche aus großen Büschen und Bäumen bestand und ihr die Sicht nahm. Was sie nicht wusste war, das Hase ihr auf leiser Pfote folgte.

 

Kapitel 3 – Vom Wiedersehen überwältigt

 

Sophie! Er hatte Sophie gesehen.

 

Sein Herz hämmerte noch immer wild in seiner Brust, schneller als es ohnehin schon für einen Hasen üblich war. Zunächst hatte er sie nicht erkannt, aber wie auch. Dieses Gesicht war nicht mehr Sophies Gesicht gewesen. Abgesehen von den kurzen schwarzen Haaren, was ihm nun am meisten irritierte.

Er hatte mitbekommen, obgleich er nicht gerade viel mit Menschen zu tun hatte, das seit einigen Jahrzehnten es zum Alltag gehörte, sich die Haare zu färben, um die vergängliche Jugend weiter aufrecht zu erhalten und die grauen Strähnen überfärbte, war nicht an ihm vorbei gegangen. Auch nicht das sie heutzutage auch die Jugend damit schmückte, immer öfter wechselte sich die Farbe und es konnte nicht bunt genug sein. So manches mal hatte er schmunzeln müssen, da ihn manche Haarprachten an seine Ostereier erinnerten.

Aber Sophie mit ihren hübschen goldenen Längen, die wallend über ihre Schulter gefallen waren. Nun abgeschnitten und mit dieser Finsternis überschmiert.

Jedoch war das nicht sein Problem.

 

Ihre Augen hatten ihren Glanz verloren, das leuchtende Grün erloschen. Ihr Gesicht war so blass, das er glaubte die Adern darunter sehen zu können und das lag nicht an der dunklen Haarfarbe. Auch die dunklen Ringe unter ihren Augen zeugten von einem unglücklichen Leben. Beunruhigender war eher das sie zusammengezuckt war als sie gerufen wurde. Etwas stimmte nicht.

 

Sich hinter Bäumen und Büschen versteckend folgte er ihr. Straßen überquerte er mit Hilfe seiner Tunnels. Erwachsene konnten ihn zwar nicht sehen, doch waren nun viele Kinder unterwegs, die mit ihren Osterkörben nach Hause liefen. Kein leichtes Unterfangen und zusehends schwieriger wurde es als sie in eine Straßenbahn stieg. So sprang er in einem kleinen Hinterhof auf Müllcontainer, sprang auf das Dach einer Garage und warf seinen Bumerang um die Wäscheleine zu durchtrennen um mit dem Seil auf das Wohnhaus zu klettern.

So sprang er von einem Dach zum anderen und folgte so geschickt der Straßenbahn ohne gesehen zu werden.

 

Es dauerte eine Weile, doch dann lief Sophie mit diesem Typen, dem Hase mehr als unsympathisch war, in ein Haus, in dem sie wohl lebte. Scheinbar war sie in das Zentrum von Burgess gezogen, und war somit im Grunde nicht weit weg gewesen, als er im vorigen Jahr enttäuscht in ihrem Garten gestanden hatte.

 

Hase prägte sich das Haus ein und nahm sich vor am späten Abend noch einmal vorbei zu sehen. Er musste sie einfach sprechen.

 

***

 

Kaum war die Sonne untergegangen begann für Hase das grausame abwarten. Geschäftig lief er durch seinen Bau, doch konnte er sich einfach nicht konzentrieren. Letztendlich lief er nur von einer Ecke zur Nächsten und wieder zurück. Unruhig und aufgeregt fieberte er der schwarzen Nacht entgegen und es kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Doch dann war es soweit!

Hase sah hinauf zum Mond, der gemäß seine Bahn zog und konnte an der Koordination erkennen das es spät genug war. Sein alter Freund stand stumm hoch am Himmel und Hase war erstaunt über das Schweigen. Immer schon hatte er Sorgen gehabt das der Mann im Mond ihn tadeln würde, da er Kontakt mit Sophie gehalten hatte, wenn auch erst so richtig in den letzten Jahren. Noch nie war so etwas bisher geschehen, zumindest war darüber nichts bekannt, nicht ihm.

Sie aber nun ganz privat in ihren Räumen zu treffen und sich in ihrem Leben einzumischen, wo sie doch als Erwachsene galt, wenn auch nicht für ihn, das bereitete ihm Sorgen. Sorgen vor der Aussprache des Verbots, welche ihm von MiM auferlegt werden könnte, doch vielleicht machte er sich da zu viele Gedanken. Er wollte sich ja auch schließlich nur vergewissern das es Sophie gut erginge.

 

Es war doch nichts dabei. Oder?

 

Mit zweimaligem Klopfen auf dem Boden öffnete sich ein Tunnel und er machte sich auf dem Weg.

 

***

 

Kurze Zeit später stand Hase vor dem Haus, die Wege Menschenleer. Er wusste nicht in welchem Stockwerk sie wohnte, doch da die Kinder nun schlafen würden und die Erwachsenen ihn nicht sehen konnten, wäre es kein Problem, von einem Stockwerk ins nächste aus seinem Tunnel zu springen.

Etage für Etage durchschnüffelte er die Schlafzimmer, in denen er aus dem Boden kam. Eine empfindliche Hasennase war mehr als praktisch, es brauchte nur einen Atemzug um alle Gerüche nach Sophies Duft zu filtern.

Bisher hatte er nichts gefunden. Die meisten Schlafzimmer - alle in den verschiedensten Geschmäckern eingerichtet - waren leer, außer in dem Einen, da lag eine ältere Dame, doch war er auf sanften Pfoten bei ihr eingefallen und blieb somit unbemerkt.

Sophie musste im obersten Stockwerk wohnen, im Dachgeschoss. Und er hörte bereits jetzt schon viele Geräusche. Eine Diskussion fand wohl über ihm statt, doch lief der Typ trampelnd aus der Zimmer und hatte die Tür hinter sich zugeschlagen.

 

Das war sein Moment. Let's Go!

 

Anders als geplant, war er nicht auf sanften Pfoten bei Sophie eingetroffen. Mehr wurde er von Kleidungsstücken, einer Haarspray-Dose, einer halbvollen Tüte Chips, ein Glätteisen und eine Männer-Boxershort - die eindeutig nicht frisch war - geradezu überfallen. In Gegensatz zu den anderen sauberen Schlafzimmern war Sophies – wohl durch die Dachschrägen – kleiner geschnitten und sehr eng, obgleich sich im Grunde nicht viel darin befand und Ordnung wurde offensichtlich nicht so viel Aufmerksamkeit beigemessen.

 

„AU!“, rief Hase aus, als die Haarspray-Dose sich seinem Kopf vorgestellt hatte und dieser widerliche Testosteron getränkte Lappen fand auch noch Gefallen an seinem langen rechten Ohr.

 

„AAH! HASE?!“, rief Sophie erschrocken, die sich gerade für die Nacht umziehen wollte und nun in Pyjamahose und BH vor ihm stand.

 

Sie war jedoch so verwirrt und gleichzeitig erfreut ihn zu sehen, das sie das nicht weiter registrierte und die Sachen entgegennahm, dir er ihr vom Boden des Tunnels emporstreckte. Als alles achtlos aufs Bett geschmissen war, hielt sie ihm eine Hand hin, welche er ergriff und auf dem Boden hinauf sprang. Sogleich schloss sich der Tunnel wieder und beide knieten zunächst ein wenig befangen voreinander.

Sophie, weil sie sich für das heutige Treffen und ihre Abwesenheit im letztem Jahr schämte. Und Hase, weil der offensichtlich nicht mehr kindliche Körper, der einer wahren Frau gewichen war, was ihn wie ein Schlag ins Gesicht traf. Vor allem da diese Beweise nur von Stofffetzen bedeckt wurden.

 

„Hase, was...?“

 

„Sophie, was schreist du denn hier rum?“, streckte Brad plötzlich seinen Kopf rein.

 

„Ach nichts, ich war nur auf eine Spange getreten“, sagte Sophie und versuchte so normal wie möglich zu wirken.

 

„Ach so“, sagte er nur und schloss wieder die Tür.

 

Erleichtert ausatmend drehte sich Sophie wieder Hase zu, doch dieser war verschwunden.

 

„Hier unten“, sagte Hase, der sich auf die Schnelle in ein kleines Kaninchen geschrumpft war.

 

Er hätte niemals gedacht das er diese leidige Gestalt noch einmal annehmen würde und eigentlich wäre es völlig unnötig, denn Brad als Ungläubiger, konnte ihn ohnehin nicht sehen, doch hatte ihn die Panik des Ertappt werdens, ergriffen. Wobei man die Frage stellen müsste wobei man ihn ertappt hätte, fiel ihm die Größe der Beweise, aus diesem Sichtwinkel monströs auf.

 

Aus großen grünen Augen glotzend starrte er sie an.

 

„Hase, wieso hast du dich verwandelt?“, fragte Sophie verwirrt und erhaschte ihn bei seinen gaffenden Blicken.

 

Mit hochroten Wangen, nahm sie ein T-Shirt vom Bett und hielt es vor ihrem Körper.

 

„Dreh dich um“, bat sie ihn, stand auf um in die andere Ecke zu laufen und zog sich – mit dem Rücken zu ihm gewandt – um.

 

Als das geschehen war, drehte sie sich wieder zu ihm, doch nun war er groß und sein langer Rücken mit seiner beeindruckenden Fellzeichnung, seinem süßen Puschelschwänzchen und seinem Waffengurt, in dem sich seine Bumerangs befanden, präsentierten sich ihr. Nicht zu schweigen von den schönen langen weichen Ohren, von denen sie immer gehofft hatte, sie einmal berühren zu dürfen, doch wusste sie das er Streicheleinheiten nicht besonders schätzte.

Doch nun konnte sie nicht anders.

 

Er war hier.

 

Obwohl sie ihn enttäuscht hatte. Ihr Herz flatterte aufgeregt. Sie ging auf ihn zu, was er natürlich hörte und er wollte sich wieder herumdrehen, doch schlang sie da schon ihre dünnen Arme um seinen Hals und drückte sich an ihn. Das die Bumerangs ihr in die Rippen stießen störte sie nicht sonderlich.

 

Er war hier.

 

Überfordert von der Situation ließ Hase es zu. Er wusste nicht warum, doch als sie ihn als Zweijährige erweicht hatte - ja geradezu weichgekocht hatte - waren ihre Berührungen oder die Tatsache das sie in seinen Armen schlief nicht schlimm gewesen.

 

Nun aber war es aufwühlend, ungewohnt und unbekannt. Vor allem diese Dinger, ihre Beweise der Weiblichkeit an seinen Rücken gedrückt zu spüren, war verwirrend und vor allem überfordernd. Es beförderte alte Empfindungen herauf, die sich aber nur noch schwammig und vernebelt in seinen Erinnerungen befanden und doch war das alles Fremd.

 

„Es tut mir leid“, flüsterte sie und drückte ihr Gesicht in sein Fell.

 

„Hey, schon ok...“, sagte Hase unsicher, stand auf und drehte sich zu ihr, wobei sie sich von ihm lösen musste.

 

„Bist du nicht sauer auf mich?“, fragte sie und sah ihn mit diesen schönen großen grünen Augen an, die zu ihm aufblickten.

 

„Du bist mir nicht verpflichtet Soph. Du bist erwachsen, du kannst tun und lassen was du willst. Ich war nur überrascht dich heute zu sehen und wollte mich davon überzeugen... das es dir gut geht“, flüsterte auch er, wobei er nicht wusste weshalb, da er von den anderen nicht gehört werden konnte.

 

„Ja, natürlich geht es mir gut, wie kommst du darauf?“, fragte Sophie verwirrt.

 

„Wirklich?“

 

„Ja?“

 

„Aber so siehst du nicht aus“, stellte Hase fest und sah ihr tief in die Augen.

 

„Ja, es... war nur stressig in letzter Zeit. Ich bin momentan viel arbeiten und der Umzug davor, also ehe man sich eingerichtet hat, na ja... und manchmal gibt es natürlich Streit mit Brad, aber das ist doch normal... das Übliche eben.“

 

„Das Übliche... pass auf, ich weiß sehr wohl das es mich nichts angeht. Aber dir geht es nicht so gut wie du mir weiß machen willst. Du siehst scheiße aus, Keule. Und dieser Brad tut Dinge die dir schaden.“

 

„Ach was... das... das stimmt doch nicht. Was macht er schon, er geht arbeiten und...“

 

„Drogenhandel ist also nichts schlimmes?“

 

Verwirrt blickte Sophie ihn an. Sie verstand nicht woher er das wusste.

 

„Meine Nase ist feiner als du glaubst, abgesehen von der Wolke die durch ihn herein kam, es haftet auch an dir.“

 

Ungläubig schüttelte Sophie den Kopf, ihr Herz klopfte wild und das Blut begann in ihren Ohren zu rauschen. Ihr Tinnitus, den sie seit geraumer Zeit hatte, wurde zunehmend lauter und sie glaubte nichts anderes mehr hören zu können.

 

„Hör zu, es ist nur für eine Weile, wegen dem Geld. Es wird ja nicht an Kindern verkauft, ehrlich... es ist nur... das Geld, es reicht nicht und sieh, die kleine Wohnung, es... Wir brauchen es eben.“

 

Hase sagte nichts dazu, er sah sie einfach nur an und das machte Sophie nur unsicherer. Sie befürchtete er würde sauer auf sie werden.

Plötzlich packte er sie mit seinen Pranken – eine Mischung aus Hände und Pfoten – und zog sie zu sich. Seine kalte Nase fuhr durch ihre Haare, ihren Hals, ihren Nacken und ehe Sophie es sich versah, hatte er ihr Kinn mit seiner Pfote zu ihm gerückt und er roch an ihrem Mund. Das es fast zu einem Kuss kam, das war ihm erst in dem Moment klar geworden und war peinlich berührt einen Schritt zurück gegangen.

 

„Hase?“, fragte Sophie unsicher, den Tränen nahe. Gänsehaut hatte sich auf ihren Armen ausgebreitet während er sie überprüft hatte.

 

Was ist wenn er auf ewig sauer auf sie ist und verschwindet und nie wieder zu ihr kommt? Allein die Vorstellung versetzte ihr ein Stich ins Herz. Auch wenn sie sich nie oft gesehen hatten, er war ihr sehr wichtig.

 

„Lüg mich nie wieder an! Nie wieder“, sagte er bedrohlich, kam näher und blickte zu ihr hinunter. „Wenn du dich ausprobieren willst, ist es mir recht. Wir alle hatten unsere experimentelle Phase, aber dieser Typ ist nicht gut für dich...“

 

„Was? Was soll das heißen? Brad ist... ist vielleicht nicht perfekt, aber ich liebe ihn. Wir wollen ein gemeinsames Leben aufbauen.“

 

„Ich schätze daraus wird nichts werden, Keule“, sagte er ehrlich, aber auch traurig.

 

Auch wenn Brad ihm zu wider war, er wünschte sich für Sophie ein schönes Leben, doch schien es mehr einer Katastrophenbeziehung zu gleichen. Er maßte sich nicht an ein Experte in Sachen Beziehung zu sein, doch stellte er es sich einfach anders vor. Er würde es nicht zulassen das Sophie so fertig aussehen würde, so abgekämpft und erschöpft.

 

„Du hast nicht das Recht so etwas zu sagen, du kennst ihn nicht.“

 

„Oh doch, ich kenn diese Sorte...“

 

„Woher denn? Du bist die ganze Zeit nur mit deinen Eiern beschäftigt, selbst mit Kindern hast du nicht viel zu tun. Du hast nur näheren Kontakt zu mir, weil ich aus einen dummen Zufall in deinem Bau gelandet war. Woher willst du wissen wie es hier in der Welt läuft?“, fauchte sie wütend, auch wenn es ihr Tränen in die Augen trieb.

 

„Ich habe in all den Jahrhunderten viel gesehen und auch ich hatte ein Leben bevor ich ein Hüter wurde“, murrte er, wobei er ihr tief in die Augen sah.

 

Ihre Nasen berührten sich fast. Hase war ebenfalls sehr aufgebracht und verstand die Gedankengänge seines sonst so klugen Mädchens nicht. Wo war nur seine alte Sophie geblieben? Seine selbstbewusste, freche Sophie, die ihren eigenen Weg ging und sich nicht an andere klammerte.

 

„Es ist mein Leben und es geht dich nichts an“, sagte Sophie, eine Träne rollte über ihre Wange.

 

Ein Leben ohne den Osterhasen konnte sie sich nicht vorstellen, doch wenn er gegen ihre Liebe etwas auszusetzen hatte und sich somit aus ihre Welt drängte, musste sie die Konsequenzen tragen.

 

Hase fiel aus allen Wolken, er glaubte nicht recht zu hören. Traurig die Ohren herunterhängend sah er sie an. Auch seine Augen waren feucht geworden.

 

„Ich hoffe du weißt was du tust“, sagte Hase, klopfte zwei Mal auf den Boden und verschwand in seinem Tunnel, zurück in seinen Bau.

 

Kapitel 4 – Das Leben überfordert

 

Es waren ein paar Wochen vergangen seit Sophie den Osterhasen gesehen hatte, und er fehlte ihr sehr. Nicht das sie ihn jemals oft zu Gesicht bekommen hatte, doch hatte sie das leere Gefühl eines schwarzen Flecks in ihrem Herzen. Sie glaubte die Verbindung zu ihm verloren zu haben, hatte kein Gespür mehr. Fühlte sich nur noch von ihm verlassen.

 

Dafür lief es mit Brad sehr schön, er war immerzu gutgelaunt und ging in die Arbeit, da die Geschäfte gut liefen. Wenigstens das, dachte sie sich, wenn sie wieder an Hase denken musste. In ihrer Arbeit verlief es ebenfalls gut, und ihre Chefin überlegte ob sie nicht mehr Verantwortung übernehmen sollte.

 

Sophie könnte nicht glücklicher sein, doch überkam sie in den letzten Tagen manchmal eine Art Panikattacke. Sie wusste nicht so recht was es war, oder woran es lag. Aber manches Mal hatte sie im Unterleib ein komisches Gefühl, obgleich es so sacht war, das sie sich bereits einredete das sie es sich nur einbildete.

Irgendwann dachte sie sich das es vielleicht etwas anderes war.

 

Vielleicht die Blase?

 

Wie Hase schon richtig erkannt hatte, hatte sie in letzter Zeit nicht gesund ausgesehen, doch hatte es sich inzwischen gelegt, wenn sie auch noch etwas blass wirkte.

 

Eines Abends als sie im Wohnzimmer saß, Brad kochte gerade für sie beide, zappte sie durch die Sender des Fernsehers und blieb an einer Talkshow hängen. Eine Frau war von einem One-Night-Stand schwanger geworden, doch der Kerl glaubte nicht daran, da er doch verhütet hatte. Die üblichen Streitereien, Beschimpfungen und Versöhnungsversuche wie in jeder Sendung. Doch das Thema ließ einen Schalter in Sophies Kopf umschalten.

 

Schwanger.

 

Schwanger?

 

Wieder ergriff sie die Panik und sie suchte nach ihrem Handy, welches unter den Couchkissen lag. Kurz in den Kalender nachgesehen beruhigte sie sich wieder, ihre Periode müsste erst in vier Tagen kommen und auch sonst wüsste sie nicht wie es dazu hätte kommen sollen.

Da sie durch die Geschäfte des Öfteren mehr Geld verloren als einnahmen, waren Geldprobleme an der Tagesordnung und Brad war mit seinem unersättlichen Magen ein kleiner Gourmet und kaufte teurer ein als es klug wäre, und das Schlimme daran war, das er es zwar kaufte, aber oft nicht zubereitete.

Also lagen die Süßkartoffeln, die Muscheln, der Lachs, das Lamm im Kühlschrank herum, bis man es zum Schluss wegwerfen musste. Nicht jedes Mal war das der Fall, aber auch nicht gerade selten.

Durch diesen Geldmangel war es mit der Verhütung so eine Sache. Volljährig wie sie war musste sie die Pille selbst zahlen oder man griff auf Kondome zurück, wobei sich Brad darüber gern beschwerte. Blieb ihnen nichts, so vermied sie es mit ihm Sex zu haben in der errechneten fruchtbaren Zeit oder aber, oder aber er zog ihn vorher heraus, was ihr aber jedes Mal solch eine Angst bescherte, das sie danach aufsprang und sich wusch.

 

Nun aber solche Panikattacken, wo es keine geben brauchte?

 

Hatte sie etwas übersehen oder falsch gemacht?

 

Wann hatten sie Sex gehabt in diesem Zyklus?

 

Noch einmal überprüfte sie ihren Zykluskalender, nicht immer trug sie ein wann sie Geschlechtsverkehr hatte, doch erinnerte sie sich an jedes einzelne Mal.

 

Nein... konnte es... tatsächlich... sein?

 

Sie hatte sich vor lauter Geilheit um Tage geirrt, als Brad sie gefragt hatte ob er seinen vollen Spaß haben durfte.

 

Wieder setzte die Panik ein, baute sich immer mehr auf. Sie hörte die Beschimpfungen der Schwangeren aus der Talkshow, hörte Brad in der Küche herum hantieren, doch wurde es sogleich von dem lauten Rauschen des Blutes in ihren Ohren übertönt. Sophie fühlte sich elend und begann zu zittern.

 

Scheiße. Das darf nicht sein. Das darf nicht sein. Scheiße.

 

„Hey Soph, kommst du probieren?“

 

„JA, ich komme...“ sagte sie und versuchte normal zu wirken.

 

Sie wollte noch nichts sagen, ehe sie nicht sicher war. Das war der schwerste Abend ihres Lebens.

 

***

 

Nervös lief Sophie im Badezimmer auf und ab, den Schwangerschaftsfrühtest in der Hand, welchem sie wie einen Shake schüttelte, als käme das Ergebnis dadurch schneller. Sie hatte sich mit dem nach Hause kommen beeilt, um einige Momente alleine zu haben, bevor Brad ankam.

 

Keine Panik, es wird alles gut. Bestimmt irre ich mich. Und es ist ja nicht einmal so das ich überfällig wäre, ich mach mir viel zu viele Gedanken. Am Ende beklage ich mich darüber, dass das raus geschmissenes Geld war. Hach ja, ob ich heute mal wieder koche? Ach was mach ich mir vor, so viel Glück werde ich nicht haben. Wie wird Brad reagieren? Ob er sich freuen wird? Was denk ich da, ich ende als alleinerziehende Mutter in einem Kabuff und werde fetten Menschen, die ihr Sozialgeld bergeweise für Fast Food ausgeben, Fritten servieren. Wann sind diese verdammten drei Minuten vorbei?

 

Sophie blickte auf die Uhr.

 

3...

 

2...

 

1...

 

Sie warf einen Blick auf den Test und ihr blieb die Luft weg.

 

Schwanger!

 

***

 

„Wie sollen wir das nur hinkriegen“, saß Brad zwei Stunden später auf der Couch und starrte vor sich hin, den Test in der Hand.

 

„Ich weiß es nicht“, sagte Sophie, die ebenso ratlos dasaß.

 

Brad rutschte zu Sophie, nahm ihre Hand und sah ihr tief in die Augen. Diese warmen braunen Augen brannten sich in ihr Herz und ihre Knie wurden weich.

 

Hach, er will es wirklich mit mir durchziehen? Hase hat sich doch geirrt.

 

„Würdest du abtreiben?“

 

„Was?“

 

„Soph, ehrlich. Wie sollen wir das schaffen? Wir haben kaum Geld, die winzige Wohnung, ich... ich bin noch nicht bereit für ein Kind.“

 

„Aber... Wir...“, Sophie kamen die Tränen. „Wir sind doch selbst schuld, ich meine... das Kind kann doch nichts dafür, das... das wäre einfach feige.“

 

„Nein, das ist eine vernünftige Entscheidung. Sollen wir denn hier zu dritt Wohnen mit einem Kind oder gar in einem kleinen Loch am Rande der Stadt, abhängig von Sozielhilfe. Wenn du abtreiben würdest und wir noch zwei Jahre warten, dann könnten wir das Kind in die Welt setzen das du haben willst. In einer schönen großen Wohnung.“

 

„Nein, ich... ich weiß nicht es...“

 

„Komm schon, es wäre doch besser für uns und für das Kind das wir später haben.“

 

„Das kann ich nicht!“

 

Damit war für den Tag das Gespräch beendet.

 

 

***

 

Normalerweise war Brad in seiner Entscheidungskraft sehr anstrengend und dominant. Doch dieses Thema war so empfindlich, das selbst Brad nicht so recht wusste wie er sich verhalten sollte. Eigentlich versuchte er so sanft und lief wie möglich zu sein, was Sophie sehr genoss, doch blieb es nicht immer so schön. Wenn nach den lieben Worten und den sanften Zärtlichkeiten der Satz: Willst du nicht doch lieber Abtreiben?, folgte, dann war der Genuss schnell verflogen.

 

An einem Abend war es besonders schlimm. Brad hatte einen Freund vorgeschickt, der Sophie einreden sollte, das Brad selbst noch ein Kind war und das eine Abtreibung im Moment das Richtige wäre. Sophie lehnte ab und schwor auf das Ungeborene das die Vorstellung auch ohne Brad vonstatten gehen konnte. Sie war wild entschlossen wie noch nie in ihrem Leben.

 

Sie konnte es sich selbst nicht erklären, aber wo sie vorher befürchtete Brad einmal verlieren zu können, war es nun egal. Völlig egal, unwichtig, nichts weiter als reine Nebensache. Es gibt nur noch sie und das kleine Etwas, welches sanft gegen ihre Unterleibswand drückte.

 

Keine Sorge mein Kleines, wir packen das. Mama macht das schon... irgendwie.

 

Sanft strich sie über die kleine Wölbung. Mittlerweile war sie bereits bei ihrer Frauenärztin, die ihre Schwangerschaft bestätigt hatte und auch gleich ein Ultraschallbild gemacht hatte. Mit pochendem Ohr und flatterndem Herzen hatte sie dem Herzschlag dieses kleinen Würmchens gelauscht und später das Ultraschallbild Brad freudestrahlend vor die Nase gehalten.

 

Dieser war in zweierlei Hinsicht überwältigt. Mutig hatte er versucht mit dem Gedanken bald Vater zu werden klarzukommen, doch überfiel ihn immer wieder eine Panikattacke. Wie auch beim Anblick dieses Bildes.

 

„Oh Gott, wir schaffen das nie!“, sagte er und alle Farbe wich aus seinem Gesicht.

 

„Ach was, das kriegen wir hin.“

 

„Bist du sicher das du nicht lieber...?“

 

„WAS?“

 

„Ich mein ja nur....“

 

„ICH BIN IN DER NEUNTEN WOCHE UND DU WILLST DAS ICH MAL EBEN SCHNELL SPONTAN ABTREIBE?“, schrie Sophie aufgebracht, wie sie es öfter in letzter Zeit tat.

 

Die Hormone spielten bei immer wieder verrückt, so das sie manchmal selbst erschrocken von sich war. Wenn sie nicht gerade gutgelaunt hüpfend durch die Wohnung lief, saß sie weinend im Bad auf dem Boden und verfluchte ihr Leben, nur um eine halbe Stunde später wieder singend durch die Wohnung zu rennen und alles um zu dekorieren.

 

Sie wollte sich freuen auf das Baby und auch ihre Familie die sie damit bald haben würde. Doch war es bei Brads Panikattacken schwer das zu genießen. Vor allem mit wem sollte sie darüber reden? Noch immer hatte sie es versäumt ihren Eltern zu sagen, sie wusste das sie Brad inzwischen in keinster Weise mögen, da sie von seinem Lebensstil erfahren haben. Ihre Freundin versteht sie nicht so wirklich da sie selbst noch nie in der Situation war, Brad nicht mochte und an und für sich noch sehr lange mit Kindern warten wollte.

 

In diesen Momenten fehlte ihr Hase ungemein. Ihre Freundschaft war nie sehr intim, denn was hätte sie ihm während ihrer Teenagerzeit erzählen sollen? Wie sehr sie von ihrer Menstruation genervt war, da sie schon so viele Höschen versaut hatten und ihre Mutter sie immer ermahnte ihren Zyklus aufzuschreiben, es wäre für die Frauenärztin wichtig. Kurze Striche, lange Striche, Punkte, sie hatte es sich nie merken können, tat aber auch alles dafür nicht hinzuhören, oder es auch zu vergessen.

 

Was Hase wohl tat?

 

***

 

Tage später war zwischen Brad und ihr irgendwie die Luft raus. Jeder Satz wurde generell falsch verstanden und wenn man nicht gerade herum schrie, dann ignorierte man sich. Brad war bis zum Bersten überfordert und wusste nicht besser damit umzugehen, als zu Streiten.

 

An diesem Abend war es besonders schlimm. Sophie lechzte nach Aufmerksamkeit, Zärtlichkeit, Kuscheleinheiten und Liebe. Aber irgendwie wollte es nicht so recht klappen. Seit zwei Tagen schmerzte es im Unterleib noch mehr als sonst und sie wollte keine Tabletten nehmen, da sie befürchtete, sie könnte dem Kind schaden. Diese sich dehnenden Mutterbänder waren schon eine leidige Sache.

 

Als Sophie schon glaubte es könnte nicht mehr schlimmer kommen, kam es mal wieder anders als gedacht. Brad zog los um „Kohle ran zu schaffen“, wie er es nannte. Er war in den letzten Wochen geradezu besessen davon Geld zu machen, um genug für das Kind zu haben. Sophie fand es entzückend, doch war die Art und Weise des Ranschaffens ihr sehr unangenehm. Was war wenn es einmal schief ginge? Brad drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und sagte sie solle doch zu einer Freundin fahren, um nicht den Abend alleine zu verbringen.

 

Und so tat sie es auch.

 

Sie nahm das Auto von Brad, denn er benutzte sein Auto nie für diese Touren, wenigstens eine Sache die Sophie an der Sache gefiel um zu ihrer Freundin zu fahren. Ihre Freundin hatte sie zwar nicht bescheid gesagt, aber ab einer gewissen Uhrzeit unter der Woche war sie immer zu Haus anzutreffen.

 

Doch dieses Mal sollte sie nicht ankommen.

 

Ein paar Straßen weiter wurde sie von der Polizei angehalten. Unsicher ob eines der hinteren Lichter defekt sei, hielt Sophie standesgemäß an und hielt ihre Papiere bereit. Doch es war nichts, mit keinem der Lichter und auch sonst nicht die üblichen Strapazen mit den lieben Männern in blau. Sie waren von der Drogenfahndung und gewillt das ganze Auto auseinander zu nehmen, da sie ihr nicht glaubten nichts mit derlei Dingen zu tun zu haben. Die Sitze wurden zur Seite geschoben, hochgeklappt, das Handschuhfach durchsucht, der Kofferraum, ja selbst einen Schäferhund hatten sie dabei und es dauerte nicht lange bis er Alarm schlug.

 

***

 

Die Nacht hatte ihren Höhenpunkt gefunden und Sophie saß weinend in ihrem Schlafzimmer. Brad war nach einem Streit wieder hinausgestürmt. Er war wütend da sie einfach das Auto benutzt hatte, denn dieses wurde meist nur von ihm gefahren, da Sophie recht unsicher mit dem Auto fuhr und sie durch die Arbeit sowieso nur mit der Öffentlichen fuhr.

Noch dazu hatte sie ihn in ein Verhör verwickelt da er ihr immer versprochen hatte mit dem eigenen Auto niemals etwas zu transportieren, und dennoch hatte er es getan. Noch dazu war das Auto dem Beamten bekannt gewesen, weswegen sie sie angehalten hatten. Nun wurde sie aber als Tatverdächtige beschuldigt, sie hatte nun bald eine Klage am Hals, sie war schwanger und sie befürchtete das Brad ihr fremdging. Ein eigenartiges Gefühl hatte sie schon die letzten Tage gehabt, doch als die Polizisten ein ihr völlig unbekanntes Höschen aus dem Kofferraum präsentiert hatten – sie hatten geglaubt das es ihrer ist, der beweisen sollte das sie tief drinsteckt, da es mitsamt dem Gras versteckt gewesen war – bestätigte sich ihre Angst.

 

Brad aber behauptete nichts von dem Höschen zu wissen, ein Freund musste es versteckt haben, wegen dem Gras war es nur eine einmalige Sache gewesen, das Auto von Thomas war schon zu bekannt.

 

Je mehr Sophie fragen dazu gestellt hatte, weshalb ein Freund von ihm in seinem Auto herum schäckerte und weshalb sie nicht ein anderes Auto von einem anderen Freund genommen hatte, gerade jetzt wo sie schwanger war, wurde er zunehmend wütender.

 

„WARUM MUSS ICH MICH FÜR ALLES RECHTFERTIGEN?“, schrie er.

 

***

Eine Stunde später saß Sophie weinend in ihrem Schlafzimmer. Schlagartig hatte sich ihr Leben verändert.

 

Sie galt nun als Kriminelle und würde bald vom Gericht eine hohe Geldstrafe auferlegt bekommen.

 

Brad war stinksauer auf sie und hatte durchblicken lassen bald keine Lust mehr zu haben, noch dazu wusste sie nicht ob er nicht schon eine Geliebte hatte.

 

Und zu guter letzt war sie Schwanger und alleine in dieser ganzen Misere. Ihre Arbeit würde sie in zwei Wochen beenden, da sie als Schwangere nicht schwer heben durfte und ohne Brad war sie aufgeschmissen.

 

Was sollte sie nur tun?

 

Alles erschien ihr ungerecht und unfair, wie ein böser Alptraum.

 

Wieder diese Unterleibsschmerzen, wieso hört es nicht auf?

 

Weinend und zitternd, auf wackligen Beinen lief sie ins Bad um auf die Toilette zu gehen. Wenn die Blase einmal leer war würde es ihr vielleicht besser gehen.

 

Doch etwas stimmte nicht. Der Blick in ihrem Schlüpfer strafte sie Lügen, das konnte nicht sein. Mit rasendem Herzen und pochenden Ohren strich sie ihre Finger über ihre Vagina.

 

Das kann nicht sein! Nein, das kann nicht sein. Nein!

 

Doch war es keine Einbildung. Das Blut an ihren Fingern war echt.

 

Kaptiel 5 – Hilfe ist in Sicht

 

 

 

Hase rannte seit einigen Stunden nervös und unruhig durch seinen Bau und glaubte allmählich verrückt zu werden.

 

„Es stimmt etwas nicht“, sagte er immer zu. „Es stimmt etwas nicht!“

 

Von Nord nach Süd, von Ost nach West. Wie ein Wahnsinniger lief er durch seine grüne Oase, in der immerzu Frühling herrschte und fand einfach keinen inneren Frieden.

 

Mit Sophie war etwas geschehen, das spürte er. Aber konnte er so einfach wieder bei ihr auftauchen, wo sie ihn doch klarmachte das er sich aus ihrem Leben heraushalten sollte, was ihr gutes Recht war?

 

Mit einer Pfote strich er sich über den Nacken, drehte sich immer wieder um die eigenen Achse. Mal wollte er sich auf den Weg zu ihr machen, dann entschied er sich doch dazu sie ihr Leben leben zu lassen und nun stand er unsicher da und sah zum Mond hinauf.

 

Er sollte nicht zu ihr gehen. Als Hüter war er verpflichtet sie als Gläubige zu beschützen wenn es gefordert wurde, aber nicht vor ihrem Leben.

 

Hase saugte die Luft in seine Lungen als befürchtete er das sie ihm abgeschnitten wurde. Sein Herz pumpte sein Blut unaufhaltsam durch seine Adern, schneller und schneller. Seine Temperatur stieg an, bis er zu schwitzen begann. Mit seinen Hinterbeinen kratzte er nach und nach seine Ohren, da das Dröhnen in ihnen, ihn verrückt machte.

 

Es war etwas passiert, wenn Sophie nicht sogar in großer Gefahr schwebte.

 

Wieder sah er hinauf zum Mond. Stille begegnete ihn.

 

Hase wollte am liebsten auf der Stelle loslaufen, zu Sophie, doch war er in Sorge das er zu weit ging.

 

Ob der Mann im Mond etwas dagegen sagen würde?

 

Plötzlich hielt er in seinen nervösen Zerwürfnissen inne.

 

„Hast du etwas gesagt, Keule?“, fragte er den Mond und starrte gebannt hinauf, sein Herz kurz vorm Platzen. Würde jetzt sein Dämpfer kommen?

 

„Wie bitte?“, fragte Hase verwirrt, da er sich nicht sicher war, wirklich das gehört zu haben, was er glaubte vernommen zu haben.

 

Lauf!

 

***

 

Nur wenige Minuten später öffnete sich Hases Tunnel im Schlafzimmer von Sophie und sprang heraus. Nur einen Schritt kam er weit, ehe er mal wieder auf dieser vermaledeiten Haarspray-Dose traf, darauf stolperte und zu Boden fiel, während er sich hart am Schminktisch stieß.

 

„AU“, keuchte er, und rieb sich seinen Arm.

 

Plötzlich öffnete sich das Fenster und der Winter persönlich schaute mitten im Sommer herein.

 

„Also Kuschelhäschen, ich hab mich ja schon immer gefragt wie du mit dem Körper eines Hasens klarkommst, aber das du nun an eine Geschlechtsverwirrung leidest...“, kicherte der Weißhaarige.

 

Verwirrt blickte Hase zu ihm auf und wusste nicht so recht was dieser Quälgeist meinte, bis er Sophies BH, dieses Stofffetzen, wie er es nannte auf seiner Brust wieder fand. Es war wohl von der Kommode gefallen.

 

„Halt die Klappe, Keule! Was tust du hier überhaupt?“

 

„Das könnte ich dich auch fragen, Jamie hatte mich gebeten nach Sophie zu sehen. Sie war wohl sehr komisch in letzter Zeit und geht nicht mehr an ihr Handy.“

 

Mit einem Mal erstarrten beide. Dieser stinkende Geruch der hier im Raum lag, übermannte sie völlig, als hätten sie zuvor noch Klammern auf der Nase gehabt. Wo kam er nur her?

 

Im Zimmer selbst war nichts zu sehen.

 

„Wie kann man hier Licht machen?“, fragte Hase, der sich in all den Jahrhunderten so oft in einer menschlichen Behausung befunden hatte, wie man an seiner vier fingrigen Pfote abzählen konnte.

 

Abgesehen von der Zahnsuche vor zwanzig Jahren, als Pitch ein weiteres Mal seit dem Mittelalter versucht hatte an die Macht zu kommen. Doch das waren nur kurze, rasche Besuche gewesen.

 

Jack hüpfte leichtfüßig übers Bett und zur nächsten Wand, wo er auf einen Schalter neben der Tür drückte. Plötzlich ging das Licht an und als Jack sich zu Hase drehte, fiel ihm etwas im Augenwinkel auf.

 

SOPHIE!

 

Da lag sie.

 

„Hase!“, rief er aus und starrte ungläubig zu diesem Häufchen Elend hinunter, welches vor seinen Füßen lag.

 

„Oh nein“, sagte Hase als er sie sah, kniete sich zu ihr und beschnupperte sie.

 

Sie hätte der Tod selbst sein können, so blass war sie. Hase glaubte bereits die Adern unter ihrer Haut sehen zu können, ihre Augen waren rot und geschwollen als hätte sie stundenlang geweint und ihre Haare waren fettig und stähnig und die herausgewachsene schwarze Farbe an ihrem Ansatz ließ ihr goldenes Blond grau erscheinen.

Mit einem leichten Stupser an ihrer Nase mit seiner eigenen, spürte er das sie noch atmete.

 

„Was hat sie nur getan?“, fragte Jack und nahm ihr die Flasche Alkohol aus der Hand. Das hatte hier so gestunken. Die Hälfte war in den Teppich gesickert. Hase drehte sie auf den Rücken, da sie wie eine zusammengerollte Katze auf dem Boden lag. Unter ihr lag noch eine kleine Packung voller Tabletten, einige waren herausgefallen und hatten sich in der Pfütze aus Alkohol zersetzt.

 

Hase öffnete vorsichtig ihre Hand und nahm ihr die Tablettendose aus der Hand. Aus ihrer blutigen Hand.

 

„Hase“, sagte Jack warnend und streckte Sophies angewinkelte Beine. Blut klebte auf ihrem Oberschenkel und es blieb außer Zweifel das es aus ihrer Mitte geflossen war.

 

„Ihre Blutungen sind aber sehr stark“, sagte Jack mit geröteten Wangen. Mit den weiblichen Problemen kannte er sich nicht wirklich aus und obwohl er bereits seit drei Jahrunderten siebzehn war, war das eine der wenigen Themen in dem er sich nicht wirklich weiter entwickelt hatte.

 

Ohne weiter darüber nachzudenken nahm Hase Sophies blutige Hand und roch an ihr, auch roch er an ihrer Hose, was Jack sehr befremdlich fand.

 

„Das sind nicht ihre Blutungen, nicht ihre normalen.“

 

„Was? Woher weißt du das?“

 

„Hey, schluck diese Gedanken gleich mal runter, Keule. Als Hase ist meine Nase sehr fein.“

 

„Schön und gut, aber woher ...“

 

„Spar dir das, Keule“, sagte Hase, er wollte nun keine unsinnigen Diskussionen führen. „Sie hat ihr Kind verloren!“

 

Stille.

 

„Sie war schwanger?“, rief Jack überrascht und fiel nach hinten über, so das er auf seinen vier Buchstaben landete.

 

„Ja“, sagte Hase düster, als wäre ihr damit etwas furchtbares zugestoßen. „Und das auch noch von diesem, diesem.... ich werde ihn umbringen.“

 

„Hase, übertreibst du da nicht? Es ist doch ihre Entscheidung mit wem sie ein Kind haben will, sie ist erwachsen.“

 

„ICH SOLL ALSO ZULASSEN DAS SIE WEITERHIN BEI DIESEM IDIOTEN BLEIBT?“

 

„Du weißt doch gar nicht wie er....“

 

„DU KENNST IHN NICHT! DU HAST IHN NIE GESEHEN, VON IHM GEHÖRT. BEI JAMIE MAG ALLES IN ORDNUNG SEIN, ABER BEI SOPH IST DAS SCHON LANGE NICHT MEHR DER FALL!“

 

„Ok, schrei nicht so. Es ist doch dennoch ihre Entscheidung...“

 

„Wo ist er? Ich werde ihm das Fell über die Ohren ziehen. Er hat sie allein gelassen. Ganz allein liegt sie hier...“, schimpfte Hase vor sich hin und stampfte durch die kleine Wohnung, doch war niemand vorzufinden.

 

Jedoch lagen Utensilien auf dem Couchtisch, welche eindeutig zu Brads Hobby gehörten. Als er sie schon mutwillig zerstören wollte, waren plötzlich Stimmen zu hören und die Wohnungstür ging auf.

 

„Oh man, das war zu geil, Alter“, sagte einer der zwei lachenden Männer die hereinkamen.

 

Ehe Hase etwas tun konnte bemerkten sie ihn merkwürdigerweise bereits und starrten ihn mit großen Augen an.

 

Sie konnten ihn sehen?

 

„Boah geil, Alter. Ein riesiges Karnickel. Hahhahaa ha.“

 

„Ich bin ein Hase“, sagte der Angesprochene bedrohlich und ging auf die beiden Männer zu.

 

„Nicht Hase“, flüsterte Jack, der aus der Schlafzimmer-Tür lugte. Er wollte sich nicht einmischen und Sophie allein lassen.

 

„Ahahhahaa, sprechen kann er auch noch. Ich glaubs ja nicht. Dieses Zeug ist der Wahnsinn, das sollten wir öfter probieren.“

 

„Ja man, letztens hatte ich, als ich auf meine Tochter aufgepasst hatte die Zahnfee gesehen. Das war vielleicht nen geiler Vogel, hahahahaha.“

 

„Was die Zahnfee?“, fragte Brad überrascht. Hase war in dem Augenblick für die beiden in Luft aufgelöst.

 

„Ja, sie hatte Chrissi beim Schlafen zugesehen und ich kam in dem Moment rein und musste erst mal voll lachen. Da hat die Alte sich aufgeregt, Chrissi ist sogar dabei wach geworden, und dann ging die erst mal ab. Kein Humor die Olle, sag ich dir. Erst die Zahnfee letztens und nun dieses Karnickel, ich schmeiß mich weg.“

 

„Ok, das reicht“, sagte Jack der keine faulen Witze über die Zahnfee hören wollte und richtete, noch immer an der Schlafzimmertür seinen Stab, auf die beiden. Doch waren sie durch Hases Körper verdeckt.

 

„Hey Sophie! SOPHIE!“, rief Brad lachend, der ihr unbedingt davon erzählen wollte.

 

„Ach nun rufst du nach ihr? Sonst scheint sie dich doch auch nicht zu interessieren, Keule“, sagte Hase und beugte sich zu Brad hinunter.

 

„Was willst du eigentlich von mir, Häschen?“, fragte Brad verwirrt.

 

„Halt dich von ihr fern....“

 

„Was? Spinnst du jetzt? Warum sollte ich mich von meiner Freundin fernhalten. Hey Jake, ich glaub das Karnickel hat etwas zu viel gechillt.“

 

„HÖR ZU“, brüllte Hase und wollte Brad am Hals packen, doch glitt er hindurch, wie sonst auch bei einem Ungläubigen. Doch wie konnte dieser ihn dann sehen?

 

Anhand dieses würzigen Geruches, welches aus Brads Mund drang und auch sonst an ihm haftete, schien er mal wieder seinem Hobby gefrönt zu haben und war dadurch offensichtlich bewusstseinserweitert.

 

„Ich bin ein Hase, der Osterhase..... mit einer Waffe“, knurrte Hase nur und zückte einen seiner Bumerangs. „Und wenn du ihr noch einmal zu nahe kommst dann....“

 

Plötzlich zuckte sein Ohr. Es hatte etwas vernommen. Sophie regte sich.

 

„Hase“, rief Jack wie zur Bestätigung.

 

Mit wenigen Sprüngen war Hase wieder bei Sophie. Unruhig zuckte ihr Kopf hin und her, sie hatte einen gequälten Ausdruck im Gesicht. Zu dem stinkenden Alkohol mischte sich ein anderer beißender Geruch und sie würgte. Damit sie nicht an ihrem Erbrochenen erstickte, drehte Hase sie sacht zur Seite, damit es aus ihrem Mund lief.

 

„Wir verschieben das“, murmelte Hase vor sich hin, nahm Sophie auf den Arm und verschwand prompt in einem Tunnel.

 

Jack wusste nicht wie ihm geschah als sich ein Tunnel unter ihm öffnete und er hineinfiel. Wie auf einer riesigen Rutsche im Freibad ging es abwärts und die drei rauschten den Tunnel hinunter, Hase Sophie fest dabei in seinem Armen.

 

***

 

Im Bau angekommen achtete Hase nicht mehr auf Jack und rannte mit Sophie in seinen Armen los. Nicht unweit von seiner Höhle befand sich eine kleine Oase, ein Teich, welcher rundherum schön bewachsen und dessen Wasser rein und klar war. Doch war das nicht der Grund weswegen Hase dort hinwollte. Dieses Wasser hatte die Macht Wunden zu heilen, zumindest die körperlichen. Während den harten Kämpfen im Mittelalter gegen den mächtigen Pitch und anderes bösen Wesen war es ihm mehr als einmal eine gute Hilfe gewesen.

 

Wie ein Fisch der seit einigen Minuten an Land war, sprang er sogleich hinein und trieb durch seinen schweren Körper und seinem Fell das sich mehr und mehr vollsog auf den Grund des großen Teiches und umklammerte Sophie.

 

Wie schwarze Tinte löste sich ihre Haarfarbe von ihren Haaren, das Blut löste sich von ihrem Körper. Alles was nicht dort hingehörte wo es sich befand, wurde wie durch Zauberhand weggeschwemmt und selbst die schwarze und rote Farbe wurde vom Wasser absorbiert. Es verschwand einfach.

 

Wild paddelte Hase mit seinen großen Hinterläufen um wieder an die Oberfläche zu kommen. Jack wartete bereits auf ihn und half ihn, Sophie aus dem Wasser zu holen. Kurz war sie zu Bewusstsein zu kommen und spukte Wasser, doch fiel sie sogleich wieder in Ohnmacht. Die Tabletten waren nicht ohne gewesen.

 

„Was tun wir jetzt?“

 

Ich werde sie in meine Höhle bringen. Du musst nicht länger hierbleiben, du kannst gehen.“

 

„Wollen wir sie nicht lieber in ein Krankenhaus bringen, du kannst sie unmöglich....“

 

„ICH KANN SEHR WOHL, KEULE!“, schrie Hase und Funken blitzten aus seinen Augen, wie bei einer Mutter die ihr Junges beschützte.

 

„Tu was du nicht lassen kannst!“

 

Kapitel 6 – Dunkelheit

 

 

 

Es war kalt und hart. Sophie zitterte am ganzen Körper und sie fühlte sich so schwach. Unruhig zuckte sie im Schlaf, ihr Geist war bereits wach, doch war sie nicht im Stande ihre Glieder zu bewegen. Wie eine kalte Schlange lag sie steif auf dem Stein, darauf wartend das die Sonne herauskam und sie zum Leben erweckte.

 

Es war so ruhig und es roch nach Blumen.

 

Lag sie noch immer im Bett?

 

Warum war die Matratze so hart?

 

Warum roch es mitten in der Stadt im fünften Stock nach Blumen?

 

Hatte Brad ihr Blumen gebracht?

 

So langsam regte sich das Leben in ihrem Körper, doch fühlte sie sich mit jeder kleinen Bewegung elender. Es war so kalt, ihr Körper zitterte wie Laub, in ihrem Magen rumorte es und es fühlte sich an als läge ein kalter Stein darin.

 

Sie blinzelte, doch gegen was, die Sonne war nicht da... und auch nicht die Helligkeit.

 

Waren die Fenster zugezogen?

 

Als Sophie ihre Augen öffnete sah sie nur dunkle Bräune vor sich.

 

Wo war sie?

 

Die Wände, die Tapete, ja selbst die Decke.... alles war fort. Es war nicht viel zu sehen. Es war so dämmrig.

 

Brad? Wo war er?

 

Sophie nahm alle Kraft zusammen und richtete sich etwas auf. Sie lag auf eine Art Sack. Ein riesiger Hanfsack gefüllt mit... sie wusste es nicht. Es fühlte sich wie Sand an oder zusammen gepresste harte Erde? Eine dünne Leinendecke aus Hanf lag auf ihrem Körper.

 

Ihrem nackten Körper.

 

Panisch zog sie die dünne Decke um sich und sah sich um. Sie war in einer Höhle. Eine einfache Höhle. Dort war Licht am Ende des Tunnels, war dort der Ausgang? Wo war sie? Hätte sie denn nicht zu Hause in ihrem Bett liegen müssen?

 

Plötzlich schossen ihr die Erinnerungen des letzten Abends durch den Kopf.

 

Die Begegnung mit der Polizei, die Klage die sie nun am Hals hatte.

 

Der Streit mit Brad, er hatte sie angeschrien, war abgehauen.

 

Das Blut an ihren Händen, welches ihre Schenkel hinunter lief.

 

Ihr Herz setzte aus, es rauschte in ihren Ohren, sie versuchte sie zuzudrücken, das laute Piepen war so unerträglich, die Bilder rasten durch ihren Kopf.

 

„Nein, nein... nein“, sagte sie, griff sich mit zittrigen Fingern an ihrem Unterleib. „Nein, Kleines, du bist noch da... du bist noch da“, stammelte sie.

 

Ihre Scham außer acht lassend, zog sie die Decke zur Seite, öffnete ihre Schenkel und griff sich in den Schritt, obgleich es unnötig war. Ein großer roter Fleck hatte sich auf der Matratze gebildet während sie geschlafen hatte.

 

„Nein... nein... NEIN“, schrie sie und wickelte sich weinend in die Decke wie eine Raupe in ihren Kokon.

 

Es dauerte nicht lange bis die Tränen versiegt waren. Nicht das Sophie nicht weinen wollte, doch war sie zu schwach. Sie lag da, mit tränennassen Augen und blickte starr geradeaus. Dunkelheit hatte sich in ihrem Inneren ausgebreitet. Es war ihr egal wo sie sich befand, was mit ihr geschehen würde.

 

Sollten doch wilde Tiere kommen und an ihre Knochen nagen.

 

***

 

Es war noch immer so kalt und hart. Aber da war etwas warmes und weiches, welches unermüdlich über ihre Wange strich.
 

Brad?

 

Sophie öffnete ihre Augen und etwas großes graues saß vor ihr. Ein großes grauweißes Gesicht mit grünen Augen.

 

„Hase?“, krächzte sie.

 

„Hey du kleiner Fratz. Wie geht es dir?“, fragte er und hatte diesen besorgen Gesichtsausdruck im Gesicht, dem Sophie nicht wirklich gefiel.

 

„Wo bin ich?“

 

„Du bist hier bei mir, in meinem Bau.“

 

„WA...S … urgh...“, schrie Sophie laut aus, als sie plötzlich schlucken musste und sie zu husten begann. „Warum hast du mich hierher gebracht?“

 

„Warum? Du lagst betrunken am Boden, hattest Tabletten geschluckt und wärst fast an deiner eigenen Kotze erstickt“, rief Hase wütend aus, was er sogleich bereute. Er machte sich große Sorgen, doch wollte er sie nicht verstimmen, denn wenn sie sich gegen ihn wandte, hatte er keine Chance mehr durch sie durch zu dringen.

 

„Nein, Brad hätte... er hätte sich um mich gekümmert und soviel hab ich nicht getrunken. Ich mag keinen Alkohol es ist widerlich. Es waren nur ein paar Schlücke, ehrlich.“

 

„Und die Tabletten?“

 

„Ich hatte nicht viele genommen, es waren nur zwei oder drei. Es... war nicht so gemeint.“

 

„Was war nicht so gemeint? Es war nicht ernst gemeint das du dich umbringen wolltest?“, fragte er säuerlich. Schon jetzt platzte ihm schon fast der Geduldsfaden.

 

„Es war mir nicht ernst, ich wusste nur nicht... ich wollte nur das Brad... es war dumm ich weiß... aber ich wusste nicht was ich tun sollte...“, ihre Stimme brach ab und sie rollte sich weinend zusammen ihre Hände auf ihrem Unterleib gepresst.

 

Wieder strich Hase ihr über den Kopf und über die Schulter, doch vermochte es ihr keinen Trost zu schenken.

 

„Willst du etwas essen?“

 

„Nein.“

 

„Willst du etwas trinken?“

 

„Nein.“

 

„Was...?“

 

„Lass mich allein.“

 

***

 

Der Schmerz wollte einfach nicht nachlassen, wie sehr sie auch weinte. Früher hatte es Sophie geholfen wenn sie sich tüchtig ausgeweint hatte, wenn sie Kummer hatte. Doch nun, verspürte sie keinerlei Heilung, nicht mal ein wenig. Eher fühlte es sich so an als würde es schlimmer und nie mehr aufhören.

 

Die Wölbung unter ihrer Hand verschwunden, kein Ziehen, kein Leben. Nichts weiter als kaltes Tod bringendes Fleisch. Ihr Kind war gestorben, in ihrem Körper, der es doch hätte nähren und beschützen sollen. War sie schuld gewesen? Hatte sie nicht genug auf sich geachtet? Vielleicht konnte sie auch gar keine Kinder kriegen, so was gab es auch.

 

Das kleine Würmchen würde ihr fehlen, das wusste sie. Bis zu ihrem Lebensende. Sie hatte bereits das Gesicht gesehen. Die dunkelblonden Haare, die warmen braunen Augen, die schmalen Lippen, die zu einem frechen Grinsen verzogen sind.

 

Sophie hatte ihn bereits vor ihrem inneren Auge gesehen. Den kleinen frechen Jungen, der ihr Sohn sein sollte. Sie hatte es Brad nie gesagt, aber zwei Wochen nachdem sie von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte, glaubte sie zu wissen wen sie in sich trug. Als trüge man eine fertige Person in sich, von der man wüsste wer sie einmal sein würde.

 

Doch nun war er fort. Tot. Durch ihre Schuld. Angewidert sah sie auf ihren dünnen, blassen, schwachen Körper hinunter.

 

Sie war schuld.

 

Sie hatte ihr eigenes Kind gemordet!

 

***

 

Am nächsten Tag kam Hase wieder zu ihr, doch vom Essen wollte Sophie nichts hören. Sie lag nur auf diesem großen Leinensack und vergrub sich unter der Decke.

 

Immer wieder bat Hase sie darum etwas zu sich zu nehmen, doch wollte sie nichts davon wissen. Sie hatte keinen Hunger. Sie empfand einfach nichts mehr. Nur den Schmerz dieses schweren Verlusts, war das Einzige was sie fühlen konnte.

 

Was würde Brad nur sagen? Ob er sie hassen würde? Wie lange war sie jetzt schon fort, bestimmt war er stinksauer. Sie konnte ihn ja nicht einmal anrufen. Sie musste zurück, unbedingt, sonst würde sie ihn auch noch verlieren, und das er schien ihr unmöglich. Das käme einem Weltuntergang gleich. Sie konnte nicht beide verlieren.

 

„Hase, bitte bring mich zurück“, sagte sie an diesem Abend zu ihm, als er sie wieder darum bat etwas zu essen.

 

„Sophie...“, schüttelte Hase den Kopf.

 

„Bitte, Hase. Bitte. Du bist mein bester Freund. Wenn ich Brad auch noch verliere, weiß ich nicht wie ich...“

 

„DU WILLST WEGEN IHM ZURÜCK? NEIN! NEIN!“

 

„HASE BITTE!“

 

„DAS KOMMT GAR NICHT IN FRAGE!“

 

„DU KANNST MICH HIER NICHT GEFANGEN HALTEN!“

 

„UND OB ICH DAS KANN!“

 

„DANN WERDE ICH DIR WEGLAUFEN!“

 

„Versuch es nur“, sagte er bedrohlich und musste anhalten sich zu beherrschen.

 

„Ich werde nie wieder etwas essen“, sagte Sophie etwas kleinlaut. Sie traute sich selbst nicht zu das sie das durchhalten konnte, schon in diesem Augenblick glaubte sie fast in Ohnmacht fallen zu müssen, so sehr schwirrte ihr der Kopf. Auch war es eine mehr als dumme Idee, doch in diesem Fall war es nichts weiter als ein jämmerliche Versuch ihren Willen durchzusetzen.

 

„Hase, verstehst du denn nicht...“

 

„Ich verstehe sehr wohl, doch wirst du nicht zu diesem Typen zurückkehren, Keule. Erhole dich erst einmal und wir sehen weiter“, sagte er und hoppelte aus der Höhle. Das Gespräch war beendet.

 

Sophie indes begann wieder zu weinen und ergab sich abermals ihrer Dunkelheit.

 

Kapitel 7 - Hoffnungsschimmer

 

Seit zwei Tagen war Sophie nun schon da und sie wurde immer schwächer und depressiver. Es tat Hase im Herzen weh und ein Besuch bei ihr in der Höhle kostete ihm alle Kraft. Seit sie bei ihm war hatte er nie mehr als ein paar Minuten in seiner eignen Höhle verbracht. Meist lenkte er sich ab und verbrachte die Nächte draußen unter dem Sternenhimmel.

 

Doch nun musste er etwas tun. Denn wenn Sophie so weiter machte würde sie sich tothungern oder so tief in ihrer schwarzen Welt versinken, das sie nie wieder heil heraus kommen würde. So beschloss Hase etwas zu unternehmen. Noch war er nicht soweit das er sie zwangsernähren würde, doch konnte er sie wenigstens animieren.

 

So ließ er durch Willenskraft einige Eier in seinen schönen bunten Brühtblumen reifen, welche sogleich auf flinken kleinen Beinen hinüber zum glitzernden violetten Färbefluss marschierten und hinein sprangen um sich bunt färben zu lassen. Zwar waren sie nur zum Essen gedacht und Ostern war längst vorbei, aber vielleicht regten sie etwas in Sophie und brachten eine schöne Erinnerung hervor. Aber auch lag es daran das er es sich nicht verkneifen konnte. Plumpe weiße Eier, die sogleich gegessen wurden, das brachte er nicht fertig. Er würde ohnehin etwas tun müssen das ihm mehr als unbehaglich war.

Als die Eier buntgefärbt aus dem Fluss liefen und über spiralförmige Zweige marschierten – von denen sie ihre Muster erhielten indem sie von den Zweigen umschlungen wurden und somit etwas Farbe kunstvoll abgewischt wurde - fanden sie sich wieder auf festem Boden und liefen direkt zu Hase, der mit einem Korb auf sie wartete.

Ehe er sie in den Korb legte, nahm er sie nach und nach in die Pfote und hauchte bereits jetzt ihnen das Leben aus. Die Beinchen verschwanden und keine Regung ging mehr von ihnen aus. Normalerweise geschah das erst wenn sie durch die Tunnel hinauf in ihre unzähligen Verstecke gelaufen waren, doch hatte es nun einen anderen Zweck. Das Leben das ihnen genommen wurde, sollten sie an Sophie weitergeben, indem sie sie aß.

Natürlich wurden alle seine Ostereier früher oder später verspeist von all den Kindern und ihren Eltern, doch nicht so schnell.

 

Die sentimentalen Gefühle aus seinen Kopf schüttelnd machte er sich auf den Weg zu seinem Bau, holte noch einmal tief Luft und straffte die Schultern, bevor er eintrat. Je weiter er vortrat, desto mehr roch er den geschwächten, kranken Körper und ihre mangelnde Pflege. Der alte Angstschweiß hüllte sich wie ein stinkender Nebel um ihr Lager.

 

Ihr Anblick nahm ihm die Luft aus seinen Lungen. Die eingefallenen Wangen, die tiefen Schatten in ihrem Gesicht, die fettigen, strähnigen Haare. Sie war so weiß wie eine lebende Tote, doch sah sie so aus als würde sie sich bald zu ihnen gesellen.

 

„Hey kleiner Fratz“, krächzte er, ihr Anblick verschlug ihm regelrecht dem Atem.

 

„Hey“, kam nur der leise Hauch und Hase glaubte zu wissen das er sie ohne seine riesigen Hasenohren niemals gehört hätte.

 

„Ich hab dir was mitgebracht“, sagte er etwas verlegen und setzte ihr den Osterkorb vor ihrem Gesicht ab.

 

Ein Lächeln zauberte es nicht auf ihr Gesicht, doch schwor er in ihren Augen ein kleines Strahlen gesehen zu haben. Mit dünnen Fingern griff sie nach einem Ei und sah es sich genau an.

 

„Es ist sehr schön“, hauchte sie und da, da war es. Ein kleines Zucken ihrer Mundwinkel.

 

„Willst du eines Essen?“

 

„Nein... ich habe keinen Hunger.“

 

„Sophie, hör zu... dein Körper gaukelt es dir nur vor. Bitte, iss eines, wenigstens ein halbes.“

 

„...“

 

„Du wirst sterben, Sophie.“

 

„Wäre es so schlimm?“, sagte sie, doch sah er auch den gefürchteten Blick ihrerseits. Sie fürchtete den Tod, sie wollte nicht sterben. Aber sie hatte keine Kraft mehr.

 

„Willst du mich schon so bald verlassen, Keule?“, fragte er sanft und tat etwas das er noch nie in all den Jahrhunderten getan hatte. Er nahm ihr das Ei ab und pellte mit seinen Krallen geschickt die Schale ab, bis das weiße Innere völlig zum Vorschein kam. Er riss die Spitze ab und hielt es ihr vor den Mund.

 

Zunächst rührte sich Sophie nicht und sah das Stück Ei das er ihr hinhielt zögerlich an. Doch als sie den Geruch wahrnahm, krampfte sich schmerzhaft ihr Magen zusammen und sie verspürte einen unbändigen Hunger. Tränen traten aus ihren Augenwinkeln als sie diese schmerzverzerrt zusammenkniff.

 

„Iss etwas, es wird besser werden.“

 

Hase glaubte das es die längsten fünf Sekunden in seinem Leben waren, doch endeten sie freudig. Sie nahm das Stück vollständig in den Mund und begann zu kauen. Sie war schwach und kaute langsam, aber sie aß endlich etwas.

 

Hase fiel ein Stein vom Herzen und hatte Sophie dazu bringen können das ganze Ei zu essen. Allerdings blieb es dabei, denn mehr konnte ihr Magen im Augenblick nicht verkraften und lag wie ein Stein in ihrem Inneren.

 

„Geht es dir etwas besser?“, fragte Hase nachdem sich ihr Magen etwas beruhigt hatte.

 

„Es bleibt mir wohl nichts anderes übrig“, krächzte sie, und er wusste das es nicht um den Klotz in ihrem Magen ging.

 

„Weißt du wie es dir besser gehen wird?“, fragte er, womit er auch gleich das Thema in etwas angenehmeres lenken konnte.

 

„Wie?“, fragte sie hoffnungsvoll.

 

„Wenn du ein ausgiebiges Bad nimmst.“

 

Leider fiel das Ergebnis nicht so aus wie Hase es gehofft hatte. Geschockt blickte Sophie ihn zunächst an, ehe sich Tränen in ihre Augen bilden.

 

„Sophie was...?“, fragte Hase überfordert.

 

„Ich sehe bestimmt schrecklich aus und oh Gott....“, krächzte sie und vergrub sich unter die Leinendecke. „Ich stinke bestimmt fürchterlich.“

 

„Mach dir keine Sorgen, ich habe schon ganz andere Dinge gerochen“, sagte er ehrlich heraus und machte Anstalten sie hochzuheben.

 

„Was?... Was machst du?“

 

„Wir gehen baden“, lächelte er, wickelte die Decke um sie, da er wusste das sie sich ihm nicht nackt präsentieren wollte, hob sie hoch und trug sie aus der Höhle.

 

Er trug sie zu einem nahegelegenen Fluss, der nicht zu tief war und die Strömung zu stark. Unnatürlicherweise stieg Hase in den Fluss, bis es tief genug war, so das er sich setzen und Sophie stützen konnte, und sie dabei komplett im Wasser liegen konnte. Wasser war nicht gerade sein Lieblingselement, doch fiel es ihm leichter etwas im Wasser zu sitzen als im Schlitten von Nord, dem Weihnachtsmann zu sitzen und in den höchsten Höhen zu fliegen.

 

Das Wasser war angenehm warm, seit dem frühen Morgen von der strahlenden Sonne gewärmt, und noch immer schien sie warm herunter.

Hase hielt Sophies Oberkörper zwischen seinen Beinen fest, ihre Arme hinter seine Beinen ausgestreckt, so war es ihr möglich gemütlich zu liegen, den Kopf an seinem Bauch gelehnt und konnte nicht im Wasser untergehen.

 

Die dünne Leinendecke blieb um ihren Körper geschlungen, natürlich war es im nassen Zustand sehr durchsichtig, doch war es nicht zu ändern. Es war auch beiden im keinem Falle unangenehm, da es im Augenblick nicht wichtig schien. Sophie fühlte sich in seiner Umarmung wohl und geborgen und genoss das warme Wasser.

 

„Hier ist es so schön warm. Im Bau war es immer so kalt. Aber hier, hier ist es schön. Hier könnte ich für immer liegen.“

 

„In einer Höhle ist es immer etwas kühler und du bist jetzt sehr abgemagert, du frierst nun ohnehin schneller.“

 

„Das ist jetzt vielleicht eine blöde Frage, aber hast du etwas was mich wärmen könnte? Eine Art Heizung?“

 

„Ich werde sehen was ich tun kann“, sagte Hase und verstand nicht was mit seinem Magen los war.

 

Ein merkwürdiges Kribbeln hatte sich eingestellt als er kurz mit dem Gedanken gespielt hatte, sich einfach über Nacht zu Sophie zu legen, da seine Körperwärme ihr helfen würde. Es war eigentlich nichts dabei und er verstand auch nicht was an der ältesten Methode der Welt, sich zu wärmen, so ein merkwürdiges Gefühl in ihn auslöste, doch hatte er Bedenken das Sophie lieber allein schlafen wollte.

 

Sie mochte nun etwas zutraulicher sein, doch hieß es nicht das sie rund um die Uhr seine Nähe bevorzugte.

 

Nachdem er ihr die Haare mit dem reinen Wasser gewaschen hatte und ihr mehrmals aus seiner Pfote hat trinken lassen, trug er sie wieder zur Höhle.

 

„Später bringe ich dir einen Kräutersud. Er wird deinem Körper helfen sich zu regenerieren.“

 

Kapitel 8 – Wärme und Trost

 

Sophie hätte ewig im warmen Wasser liegen können, mit dem Rücken an Hase gelehnt. Nachdem er ihre Haare gewaschen und sie genug im Wasser geweicht hatte, hatte er sie für einen Moment zu sich herauf gezogen und sie an seiner Brust angelehnt. Sein weicher flacher Bauch in ihren Rücken und sein überaus kuschliges Brustfell – das nun als das herrlichste Kissen der Welt galt – auf dem ihr Kopf ruhte, gab ihr in diesem Augenblick eine unglaubliche Wärme.

 

Für einen kleinen Moment war alles weit fern und sie war zufrieden.... Bis er sich regte und Anstalten machte sie hochzuheben und sie die Augen wieder öffnete, die sie genießerisch geschlossen hatte.

Die Leinendecke wie ein nasser Sack um ihren Körper geschlungen wurde sie wieder hinüber zum Bau getragen und davor auf einem großen warmen Stein abgesetzt. Unter der wärmenden Sonne würde sie nicht zu frieren beginnen und und keinen Schnupfen bekommen, wie in der kalten Höhle. Hase würde ihr eine trockene Decke bringen und sich um ihre Heizung kümmern.

 

Sophie legte sich auf den Stein und dachte an Brad. Was er wohl tat? Bestimmt machte er sich Sorgen und rief bei ihren Freundinnen an. Ob er auch bei ihren Eltern anrufen würde? Wenn sie davon Wind bekamen, wäre die Hölle los. Sie würden Hals über Kopf die Polizei, das FBI oder CSI einschalten und eine Großfahndung starten. Niemand würde die Geschichte glauben das sie von dem legendären Osterhasen festgehalten wurde. Jamie würde unweigerlich in die nächste Psychiatrie eingeliefert werden, wenn er auch die Wahrheit sagte.

 

Es dauerte einige Augenblicke ehe Hase sich wieder zu ihr gesellte. Er wirkte plötzlich sehr ernst und schien in Gedanken versunken. Eine weitere Leinendecke hatte er in der Hand und auch eine Art übergroßes Kleid aus Hanf. Sie kannte es aus irgendeinem Film, wie hieß es noch... Tunika, Kafta...Kaftar... Kaftan, oder so etwas in der Art. Hase drehte sich sogleich herum als er es ihr in die Hand gedrückt hatte.

 

Sophie setzte sich mühselig auf und schlüpfte in das Kaftan. Es war sehr groß und hing wie ein Sack ihren Körper hinunter, der Ausschnitt war ebenfalls sehr groß, so das es ihr etwas über die eine Schulter hing. Es hatte vorne wie hinten einen V-Ausschnitt und hing ihr bis zu den Knöcheln. Es war grün und hatte einen schönen, herrlich gestickten Saum aus Blumenranken zwischen denen Ostereier lagen.

 

Sophie drehte sich zu Hase und wollte ihm schon sagen das er sich umdrehen konnte, doch bildete sich unverzüglich ein kleines Lächeln auf ihr Gesicht. Seine großen Füße, Beine und auch sein Hintern waren komplett durchnässt, was sie Füße noch um so größer erscheinen ließ als sie ohnehin schon waren und die Beine sehr dünn, wo nun das Fell wie nasse Lumpen an den Muskeln klebte. Sein sonst so buschiges Hasenschwänzchen war ebenfalls betroffen und sah wie ein runder Ball aus, an dem nasse grauweiße Haarbüschel hingen.

 

Sie stand auf, die Decke im Arm und lief auf zittrigen Beinen zu Hase. Die zwei furchtbaren Tage, das schwere Ei in ihrem Magen, das Wasser, das ausgiebige Bad, sie war erschöpft wie noch nie in ihrem Leben und wollte nur noch schlafen. Sie hätte im stehen einschlafen können.

 

„Du kannst dich herumdrehen“, sagte sie leise und ließ sich sogleich in Hases Umarmung fallen, kaum das er sich umgedreht hatte.

 

„Gleich kannst du wieder schlafen, Keule“, sagte er sanft und hob sie auf seine Arme.

 

Kaum lag sie mit ihrem Kopf wieder auf diesen weichen Himmel, schlug sie die Augen zu und versank im Treibsand des Traumsandes.

 

***

 

Plötzlich schrak sie aus ihrem Sekundenschlaf und hatte große Mühe ihre Augen auf zu bekommen. Ihr war nicht klar das es sich nicht nur um wenige Sekunden, sondern Minuten gehandelt hatte.

Hase hatte sie nicht wecken wollen und hatte sie einfach nur beobachtet.

 

Sophie sah sich orientierungslos um und fand sich im Bau des Osterhasen wieder. Noch immer erschöpft lag sie in den Armen von Hase, der sie durch sein Bau trug als wöge sie nicht mehr als eine Feder. Sie befanden sich in eine Höhle, die wie ein großer Raum wirkte, der zwei Ausbuchtungen hatte. Alles was sich an Mobiliar in der Höhle befand, bestand nur aus Erde und Wurzeln.

An sich war es sehr karg möbliert. Ein Tisch mit einem dicken Bein aus Erde mit einer Holzplatte darauf, daneben zwei Stühle aus Wurzeln geformt. Einige Ausbuchtungen, die an ein Regal erinnerten - mit Körben bestückt, in denen Möhren, Salatköpfe und allerlei Hasenfutter lag - worüber Sophie etwas schmunzeln musste. Weiter im Inneren der Höhle um eine Ecke befand sich eine Art Schlafzimmer, die etwas angehoben war und aus Stufen aus Erde zu erreichen war. Die kleine Höhle an sich wirkte sehr leer, da nur ein großer Sack aus Hanf in der Mitte lag, der ihr als Bett gedient hatte und womöglich auch ihm.

Hases Charakter ließ sich mit wenigen Worten beschreiben.

 

Bodenständig, Naturverbunden und cool.

 

Doch wie sehr bodenständig und naturverbunden er war, davon hatte sie bis jetzt keine genaue Vorstellung gehabt. Von dem großen Hanfsack, der einem an ein übergroßes Hundebett erinnerte, ging noch immer ein unangenehmer Geruch aus und erst jetzt wurde ihr schmerzlich bewusst in welchem Zustand sie sich befunden hatte.

 

Kaum das sie eine Entschuldigung aussprechen konnte, veränderte sich die kleine Höhle.

Aus der Wand hinter dem Hundebett wuchsen dicke Wurzeln, die sich darunter und um den Sack schlangen und bald ein Bettkasten formten. Sophie konnte nicht die Augen davon abwenden, es war zu unglaublich und doch geschah es vor ihren Augen.

Das Bett, welches man nun so benennen konnte, bestand aus einem Gerüst aus Wurzeln, die ein schönes Himmelbett bildeten und im Inneren lag nun die Matratze, die nun viel gemütlicher wirkte.

An dem Bettpfosten rankten sich dünne Zweige wie Schlangen um einen Ast und Blätter und Blumen wuchsen daran, und auch ein Netz aus zahlreich dünnen Zweigen und Blättern wuchsen zu einem Himmel zusammen. Die bunten Blumen öffneten sich und begannen in der Mitte zu leuchten. Sah sie etwa richtig? Saßen dort überall kleine Glühwürmchen?

 

Hase legte sie behutsam ins Bett und strich ihr sanft über dem Kopf.

„Hier wird dir nichts geschehen, hier bist du sicher.“

 

„Danke, Hase, wenn ich dich nicht hätte, dann....“

 

„Sag nichts“, sagte er und verbot ihr zu Reden indem er seine Pfote auf ihren Mund gelegt hatte.

 

„Aber Hase, meine Eltern, Jamie und... Brad, niemand weiß wo ich bin und... ich muss sobald wie möglich zurück oder lass mich wenigstens kurz...“

 

„Nein!“, sagte Hase bestimmt. Er wollte nicht hören das sie zu diesem... Kerl zurück wollte. „Jack Frost war dabei als ich dich fand. Jamie hatte ihn gebeten nach dir zu sehen, da du für ihn nicht erreichbar warst. Jamie weiß von dir und wird sich um alles kümmern.“

 

„OK“, war alles was Sophie dazu noch einfiel, fühlte sich aber erleichtert.

 

Plötzlich fiel ihr das Knacken auf, das in der Luft lag, die Wärme, das Licht, welches unmöglich von den Glühwürmchen kommen konnte.

 

„Hase was... oh mein Gott“, sagte sie erstaunt und starrte mit offenem Mund auf den brennenden Busch der an der Höhlenwand, gegenüber des Bettes stand. Er besaß keinerlei Blätter mehr und nachdem sie den Blick von diesen wenden konnte, sah sie den kleinen Tunnel hoch über den Busch, der den Rauch abziehen ließ.

 

„Bist du deswegen so ernst gewesen als du herausgekommen bist?“, fragte Sophie und glaubte zu wissen weswegen.

 

„Ja. Weißt du... seit vielen Jahrhunderten schon sorge ich dafür das der Frühling einsetzt und die ersten Pflanzen wachsen. Doch heute habe ich das erste Mal eine Pflanze geschaffen, damit sie stirbt.“

 

„Und du hast die Eier... du hast eines kaputt gemacht um mir etwas zu Essen zu geben“, sagte Sophie etwas kleinlaut und sah beschämt zur Seite.

 

„Ach Sophie, mach dir keine Gedanken. Die Eier werden ohnehin gegessen und die Wurzeln des Busches werden immer wieder bestehen bleiben, egal wie oft er brennt. Aber nun ruh dich aus, ich werde Kräuter sammeln gehen. Rufe mich wenn du etwas brauchst“, sagte er und erhob sich von der Bettkannte.

 

„Hase?“

 

„Ja?“

 

„Hättest du vielleicht ein Kissen für mich? Ohne schlafe ich nicht so gut“, sagte sie mit rötlichen Wangen. Es war ihr unangenehm noch mehr zu verlangen,

obgleich sie ohnehin schon so viel genommen hatte.

 

Hase lächelte nur und streckte seine Arme etwas aus. Er blickte konzentriert auf seine Pfoten und Sophie glaubte ein glühen in seinen Augen zu sehen. Im ersten Moment glaubte sie das nichts geschehe und er nur dastehe und auf seine Pfoten starre, doch dann sah sie es. Klein fing es an. Faden um Faden. Sie wuchsen aus dem Nichts in die Länge, noch einer und noch einer, sie verflochten sich ineinander, viele grüne, ein paar weiße, sie bildeten ein Netz, welches immer dichter wurde, bis es zu Stoff heranwuchs. Als das Bezug fürs Kissen fertig geschaffen war, ploppte es einige Male, was Sophie erstaunt auflachen ließ. Es wirkte wie eine Popcorntüte in der Mikrowelle, wenn sie Wellen schlug und Beulen bekam und sich wie von Zauberhand zu füllen schien. So verhielt es sich ebenso mit dem Kissen.

 

„Das ist unglaublich“, sagte sie als er es ihr in den Nacken legte.

 

„Es hatte auch lange gedauert ehe ich meine Kräfte voll entdeckt und entwickelt hatte. Aber nun geh ich mal los“, sagte er und verschwand um die Ecke.

 

Jedoch war sein Abgang nicht weniger Spektakulär. Denn plötzlich wuchsen zwischen der Haupthöhle und der Ausbuchtung, die ihr nun als Schlafzimmer diente, wuchsen Zweige aus der Decke heraus.

 

Sie bildeten eine Art Vorhang um sie von der restlichen Höhle abzugrenzen. Wie aus Zauberhand war ein Vorhang aus dünnen Zweigen, die mit einem dichten grünen Laub bewachsen waren entstanden. Es hielt das helle Licht des brennenden Busches davon ab sie immer wieder aus dem Schlaf zu reißen, denn so war in ihrem Schlafzimmer ein angenehmes dämmriges Licht.

 

„Danke Hase“, flüsterte sie, dann drehte sie sich herum und schlief schnell ein.

Kapitel 9 – Der Osterkrankenpfleger

 

Die nächsten Tage kümmerte sich Hase sehr fürsorglich um Sophie. Alle paar Stunden beobachtete er sie scharf dabei wie sie seinen – ekligen, wie sie ihn gerne bezeichnete – Sud trank, in dem alle möglichen Kräuter seiner unterirdischen Oase waren, die eine heilende Wirkung besaßen.

 

Auch gab es immerzu etwas zu Essen, und neben dem Gemüse das er selbst gerne aß, natürlich eine Menge Eier. Denn sie waren das einzige das er in seinem Bau besaß, das sie etwas Fett ansetzen ließ. Doch schon nach drei Tagen klagte Sophie über das fahle Essen, sie wolle einmal etwas schmackhafteres.

 

Er hatte eine Vorstellung davon was sie damit meinte.

 

Fleisch! Gebäck! Einfach etwas deftiges, doch das überstieg seine Kräfte. Getreidefelder waren nicht das Problem, doch konnte er sich nicht erinnern wie viele Leben es her war das er einen Teig in den Händen hatte und seine haarigen Pfoten waren nicht wirklich dafür geschaffen.

Tiere gab es auch in seiner Oase hier unten, denn keine Natur, auch keine magische, konnte ohne den natürlich Kreislauf des Lebens existieren. Zumindest nach seinem Verständnis, auch wenn er den Winter fern hielt, da er Kälte und Nässe verabscheute. Ein Tier zu erlegen kam für ihn nicht in Frage, und auch so würde die Zubereitung anders ausfallen, als es Sophie gewohnt war.

 

So tat er etwas, das ihm bis zu diesem Zeitpunkt niemals in den Sinn gekommen wäre.

 

Er bat Jack Frost um Hilfe.

 

So fand er sich einige Stunden später, als es bereits Abend war, in Burgess, der Heimatstadt von Sophie und auch Jack Frost wieder.

Er musste nicht lange durch die Straßen rennen und nach Jack rufen.

 

„Ah, meine Ohren hören wohl nicht recht. Puschelschwänzchen sehnt sich nach mir“, hörte Hase über sich und tatsächlich, dort oben auf dem Strommast, balancierte Jack Frost.

 

„Ich würde dir ja gerne die Löffel langziehen für diese Frechheit, aber ich habe nicht die Zeit. Sophie wird bald aufwachen.“

 

„Sophie? Ist sie noch immer bei dir?“, fragte Jack erstaunt. „Wie geht es ihr?“ Jack vergaß seine anfängliche Sticheleien und kam herunter.

 

„Es geht wieder bergauf. Aber die ersten zwei Tage waren hart, es hätte nicht viel gefehlt und sie... Egal, hör zu Keule, ich kann ihr ernährungstechnisch nicht das bieten was sie gewöhnt ist und sie muss unbedingt an Gewicht zulegen. Könntest du vielleicht...?“

 

„Dir helfen?“, beendete Jack seinen Satz.

 

„Ja“, knurrte Hase genervt und verschränkte die Arme. „Ich weiß nicht was Menschen inzwischen so alles essen und was ihr schmecken könnte. Könntest du Jamie bitten ihr etwas zu besorgen? Ich weiß nicht wo er wohnt.“

 

„Kein Problem. Ich werde es dir morgen vorbeibringen, halt mir ein Tunnel offen.“

 

„Gut, aber mach so schnell du kannst, gleich morgen früh.“

 

„Keine Sorge, ich werde Jamie bitten mir ein großes Paket mitzugeben“, grinste er und sprang wieder hinauf zum Mast. „Aber jetzt entschuldige mich, ich bin verabredet. Du hattest Glück das du mich noch erwischt hast.“

 

„Eine Verabredung? Doch nicht etwa mit Toothiana?“, grinste Hase überheblich. „Müsste sie nicht bald gelangweilt sein von deinen Zähnen? Du bist nicht der einzige der gesunde Beißer hat.“

 

„Hey, meine Zähne sind weiß wie frisch gefallener Schnee, schon vergessen? Und über meine Zähne sind wir schon hinaus, Meister Lampe. Ich schätze sie steht mehr auf gutaussehende junge Männer und nicht auf alte graue Riesenkaninchen mit Überbiss“, lachte Jack.

 

„Du bewegst dich auf dünnem Eis, Keule. Dann wünsche ich mal viel Spaß mit der Orientprinzessin, ich hoffe für dich, das sie sich nicht schon bald sattgesehen hat an deinen Beißern.“

 

„Wir werden sehen. Ich wünsche dir viel Spaß mit deiner Osterprinzessin.“

 

„Was?... Wie... ich meine, was redest du da? Tse, Osterprinzessin, so ein Unsinn.“

 

„Wenn du das sagst“, grinste Jack und ließ sich vom Wind davon tragen.

 

Hase verschwand in einem Tunnel und rannte zurück in seinen Bau. Immerzu blitzte das Bild seiner alten Sophie vor seinem inneren Auge auf. Wie sie Frühlingsblumen pflanzte, im Gewächshaus Blumen goss oder wie sie ausgeblasene Eier bemalte um sie aufzuhängen. Das Osterkörbchen mit den Möhren, das sie ihm jedes Jahr schenkte.

Plötzlich wechselten die Bilder und er sah sie an seiner Seite, wie sie die Eier in die richtige Richtung dirigierte und überwachte ob sie wirklich vollständig gefärbt wurden. Sie, in einem schönen Gewand, mit Hasenohren, wie sie mit ihm zusammen Ostern feierte. Seine Osterprinzessin.

 

Abrupt blieb er vor seiner Höhle stehen.

 

„Was hat mir dieser vermaledeite Jack ins Ohr gesetzt, so ein Schwachsinn.“

 

Leise lief er in seine Höhle, der Busch war einmal wieder ausgebrannt und glühte nur noch. Es war sehr still und er hörte ihren ruhigen Atem. Hase teilte den Vorhang aus Pflanzenranken und ging hinüber zum Bett. Dort lag sie und schlief. Im Moment sehr ruhig, des Öfteren in den letzten Tagen hatte sie schlechte Träume gehabt. Aber nun schlief sie den Schlaf der Gerechten ohne böse Träume. Eine Zeitlang war es so schlimm gewesen das er Sandy fast zu sich gebeten hätte, doch wollte er nicht das außer Jack jemand davon wusste und hoffte inständig das er sich bei der Zahnfee nicht zu redselig verhielt.

 

Sie sah so friedlich aus und wie so oft hing ihr der Pony über den Augen. Er beugte sich übers Bett und strich ihr die Haare aus den Augen. Im Schlaf begann sie zu lächeln, nahm seine Pfote und drückte sie an ihre Brust, während sie mit ihren Fingern zärtlich über sein Unterarm strich. Wäre Hase dazu in der Lage rot zu werden, wäre er es nun geworden. Er versuchte sich zu lösen, doch hielt sie ihn bestimmt fest.

 

Da er sie nicht aus dem Schlaf reißen wollte, ergab er sich und lag so halb auf dem Bett, während seine Hinterpfoten auf dem Boden standen und ihn stützten.

 

Sie sieht so süß aus.

 

Leider hielt er diese Position nicht lange aus, nicht das er ihre Nähe nicht genoss, doch war es mehr als unangenehm auf Dauer und das sanfte Streicheln ihrerseits verursachte ein lang vergessenes Gefühl in seinen Lenden, welches er auf keinen Fall zulassen wollte. Er kam sich pervers vor, wo sie doch so viel jünger war als er und er in den letzten Jahrhunderten mehr und mehr zu einem wahrhaften Hasen geworden war. Es war nicht wie ein Kostüm das man trug, er lebte es. Zu Anfang war es wahrhaft merkwürdig gewesen, vor allem an sich selbst die merkwürdigen Verhaltensweisen eines echten Hasens zu entdecken.

Natürlich würde er nie vollständig ein normaler Hase sein, aber selbst seine immense Größe, ließ ihn wie eine Bestie erscheinen. Er vermochte keine Reißzähne besitzen, aber seine festen, großen Hasenzähne verfügten über eine starke Beißkraft und seine Krallen waren gegenüber die eines kleinen Kaninchen lange, schwarfe Klingen. Damit umzugehen hatte lange gedauert. Abgesehen davon das er eine Schnauze hatte, völlig behaart war, riesige Hasenohren und einen Schwanz besaß. Gegen Toothiana – die ein eleganter, schöner Vogel war – kam er sich vor wie eine wilde Bestie die in einer Höhle hauste.

 

Osterprinzessin. Was für eine Farce.

 

Vielleicht ein wenig zu grob, löste er sich von Sophie, doch wachte sie glücklicherweise nicht auf, denn sie nuschelte nur etwas und drehte sich weg. Der Gedanke an das Gesagte von diesem Frost verstimmte ihn. Er hatte einen Nerv getroffen, auch wenn es Hase zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar war.

 

Würde er noch weitere Jahrhunderte allein sein?

 

Eigentlich sollte er als Hüter sich über derlei irdische Dinge keine Gedanken machen, schließlich hatte er eine große Aufgabe zu bewältigen, Jahr um Jahr. Und natürlich war es mehr als ungewohnt jemandem über so lange Zeit in seinem Bau willkommen zu heißen, aber nicht auf eine unangenehme Weise. Wenn auch die ersten Tage sehr schwierig waren, aber das lag mehr an Sophies Zustand, als die Tatsache selbst.

 

Hase gab es ungern zu aber Jack Frost hatte recht. Sophie war noch immer hier, obgleich sie kein Recht mehr dazu hatte, und genau genommen, nie besessen hatte. Ihr ging es besser, sie sollte wieder zurück.

Aber an der Tatsache das es aus dem Mund von dieser.... Keule kam, das wurmte ihn und verwarf den Gedanken auf diesen zu hören. Er sollte sich nicht die Laune verderben lassen, nur weil er wusste das Jack in diesem Augenblick schöne Stunden verlebte. Es war nicht die Eifersucht wegen Toothiana, die Liaison mit ihr war viele viele Jahre her, da war Jack Frost noch nicht einmal ein Gedanke, doch beneidete er ihn um die Zweisamkeit. Was er natürlich niemals zugeben würde.

 

Kapitel 10 – Lagerfeuergeschichten

 

Ein stetiges Knistern erfüllte den Raum, es wurde schön warm und Sophie streckte sich wohlig in ihrem Bett. Sie überlegte ob sie sich noch einmal umdrehen wollte, doch war ihr Geist schon zu sehr in die Wirklichkeit gewichen.

 

„Hey kleiner Fratz, gut geschlafen?“, ertönte eine warme Stimme und prompt erschien Hases Kopf durch den Rankenvorhang.

 

„Ja“, lächelte sie und setzte sich auf.

 

„Ich habe eine Überraschung für dich.“

 

„Wirklich?“, fragte sie freudig und wäre schon fast aufgestanden, wenn Hase sie nicht daran gehindert hätte.

 

Plötzlich lugte ein weiterer Besucher durch den Rankenvorhang.

 

„Guten Morgen“, trällerte Jack Frost fröhlich und trug eine Wärmekiste mit sich. „Langohr hat mir zugeflüstert das du sein Essen nicht magst, kann ich gut verstehen. Jamie hat mir etwas für dich zusammen gepackt“, grinste er und setzte es auf ihren Schoß ab.

 

„Wirklich oh vielen Dank.“

 

Sie öffnete die Kiste und sogleich kamen ihr die herrlichsten und leckersten Gerüche entgegen. Ein Bagel, ein Donut, zwei Hamburger, eine 12er-Packung Chickenwings, eine große Tüte Pommes, ein Schälchen Salat, ein Softeis mit Smarties, ein Schokoladenmilchshake, einen Kaffee und zwei Stück Pizza. All ihr Lieblingsfastfood aus ihrem Lieblingsfastfood-Restaurant. Jamie war der Beste.

 

„Oh Jack danke, du bist der Beste. Sag Jamie vielen Dank und liebe Grüße von mir“, rief Sophie begeistert aus.

 

„Mach ich, ich lass dich dann mal in Ruhe essen. 'Nen guten Hunger. Hase, bringst du mich zu den Tunnel?“, verabschiedete sich Jack rasch.

 

Sophie achtete nicht weiter darauf, der Anblick und der Geruch hatten ihren Hunger so sehr angeschührt, das sie glaubte das diese Kiste nur als Vorspeise herhalten konnte.

Sie würde es sich über den Tag hinweg verteilen und hoffte der Tag würde niemals enden. Zuerst, legte sie die Kiste neben sich, während sie den Deckel als Tischersatz auf ihren Schoß legte. Der Kaffee, der Bagel, der Donut, der Milchshake und das Eis würde ihr Frühstück sein. Nach den enthaltsamen Tagen sehnte sie sich nach Zucker und das Shake und das Eis würden ohnehin wegschmelzen, wenn sie sie jetzt nicht anrührte.

 

***

Hase indes brachte Jack zu den Richtigen der sechs Tunnel, der diesen nach Nordamerika bringen würde. Direkt nach Burgess.

 

„Sie sieht wirklich nicht gut aus“, sagte Jack betroffen.

 

„Ich weiß, Keule. Ich weiß. Aber vor drei Tagen war es noch viel schlimmer. Es geht wieder bergauf.“

 

„Jetzt kann ich verstehen das du sie bei dir behälst. Sie sah schrecklich aus als wir sie fanden, aber ich hätte nicht gedacht das es so schlimm um sie steht. Es hat sie wohl sehr mitgenommen?“, fragte Jack vorsichtig nach der Fehlgeburt. Er traute sich nicht so recht es auszusprechen.

 

„Au ja. Es hat sie sehr mitgenommen, Keule. Tut es jetzt noch, auch wenn sie gerade nicht so aussah. Sie versucht es vor mir zu verstecken, aber ich höre ihre Schluchzer, wenn sie glaubt ich wäre zu weit weg um es zu hören.“

 

„Wie lange willst du sie noch hier behalten?“

 

Keine Antwort. Hase konnte darauf nicht antworten. Wie gern würde er offen sagen das er sie ewig dabehalten wollte, aber er wusste das er es nicht aussprechen sollte.

 

„Du weißt das sie so schnell wie möglich zurück muss. So oder so“, sagte Jack eindringlich.

 

„Ich weiß. Tu mir den Gefallen und sag es niemanden, auch nicht Toothiana. Es muss niemand erfahren.“

 

„Logo, kein Ding.“

 

„Du hast es ihr gesagt oder?“

 

„Nein, das hab ich nicht. Ich dachte mir schon das du nicht willst das einer davon erfährt. Tja, ich verzieh mich dann mal wieder“, sagte Jack und lief durch den sich öffnenden Tunnel. „Und noch etwas, es verletzt mich das du so schlecht von mir denkst, Puschelschwänzchen“, grinste er frech und verschwand.

 

Hase ignorierte die Frechheit, doch schenkte er sie Jack. Er hätte ihn aufhalten können, indem er den Tunnel verschloss, er könnte ihm in Windeseile folgen, doch es war ihm egal. Er war nur erleichtert das Jack niemandem etwas sagen würde.

 

***

 

Sophie rieb sich über ihren vollgestopften Magen. Natürlich war es mehr Flüssigkeit die ihren Magen stopfte, doch hatte sie ihren Zuckerbedarf vollständig gedeckt. Sie genoss den süßen Geschmack in ihrem Mund, sie wollte nie wieder Zähne putzen. Immerzu rollte sie die Zunge, fuhr sich über die Zähne, hier und da fand sie noch ein kleines Stück vom Donut oder Bagel.

Sorgfältig hatte sie die Warmhaltekiste verschlossen und erhob sich. Sie wollte sich baden gehen, denn sie fühlte sich schmutzig. Seit Hase sie zu dem Fluss getragen hatte, hatte er es nicht noch einmal getan. Sie war so geschwächt danach, das er sich um sie gesorgt hatte. Sie konnte sich lediglich mit einem nassen Tuch abwischen, welches er ihr gebracht hatte. Doch es war nicht das selbe und auch wenn sie nie geschwitzt hat oder sich groß bewegt hatte, nach drei Tagen ohne eine richtige Dusche fühlte man sich widerlich.

 

Noch immer ihren Kaftan an, marschierte sie auf nackten Sohlen aus der Höhle heraus und lief zu dem nahegelegenen Fluss. Dort fand sie einen großen Steinbrocken mit einer glatten Oberfläche. Er war schön warm und so setzte sie sich darauf und hielt ihre Füße ins Wasser. Sich jetzt einfach auszuziehen, wo Hase jeden Augenblick hinter ihr stehen konnte, war ihr peinlich. Er mochte ein Hase sein, aber dennoch, war er ein Mann und auch sonst, mochte sie ihren dürren, blassen Körper nicht zeigen. Da gab es nichts schönes zu sehen.

 

Irgendwann sah sie sich doch um. Er war nirgends zu sehen, vielleicht war er zusammen mit Jack verschwunden. So hatte sie Zeit in Ruhe zu baden. Ihr Blick schweifte noch einmal durch die Gegend, die Luft war rein. Schnell zog sie ihren Kaftan über ihren Kopf und hüpfte ins Wasser. Für einen Moment zog sich ihr Körper zusammen, denn obgleich das Wasser angenehm warm war, im ersten Augenblick fühlte es sich frisch an.

Es war herrlich. Die tausend Kieselsteine am Grund des Flusses, unter ihren Füßen – eine göttliche Massage -, die weichen, glitschigen Algen die ihre Knöchel und Waden streichelten. Hübsche Seerosen schwammen an der Oberfläche und verbreiteten einen betörenden Duft.

 

Sie schwamm ein paar Züge, dann wieder zum Steinbrocken zurück, sie tauchte unter die Seerosen, wobei sie die Schwimmbewegungen von Meerjungfrauen kopierte um sich nicht mit den langen Wuchsen der Seerosen zu verfangen. Als wäre sie in eine andere Welt abgetaucht strahlte sie das erste mal wieder und lachte leise vor sich hin. Sophie war in eine andere, ihre eigene Welt abgetaucht und setzte sich eine Zeitlang auf dem Steinbrocken um sich auszuruhen.

 

***

 

Sie glaubte inständig allein zu sein, doch das war sie nicht. Schon lange nicht mehr. Sie bemerkte die neugierigen Blicke der grünen Augen nicht, die sich hinter einigen Büschen versteckten. Hase hatte von Weitem gesehen das sie zu dem Fluss gelaufen war und wollte sie nicht stören. Doch war er immer näher gekommen, von einem Strauch zum nächsten hatte er sich geschlichen, wenn sie nicht hinsah.

 

Hase wusste das er sie nicht beobachten sollte, er sollte ihre Privatsphäre akzeptieren, doch konnte er die Augen nicht abwenden von diesem schönen Anblick. Das erste Mal wieder ein richtiges Strahlen in ihren Augen zu sehen und den Hauch eines Lachens zu hören, ließ sein Herz höher schlagen.

 

Plötzlich trat Sophie aus dem Wasser und Hase konnte es sich nicht verkneifen hinzusehen. Das Wasser perlte an ihrem Körper hinunter und sie war so nackt wie Gott sie erschaffen hatte. Ihre blonden Strähnen klebten an ihren Wangen, ihre Brüste waren so fest, ihr Schamhaar seidig. Würde sie nicht so ungesund aussehen, wäre es die reinste Perfektion. Hitze stieg in ihm auf und er hatte mühe dem Drang zu widerstehen aus seinem Versteck zu kommen.

 

Sophie griff nach ihrem Kaftan, doch hing es zum Teil im Wasser und war nass geworden. So tauchte sie es komplett ins Wasser um es etwas auszuwaschen und wickelte es ein wenig um sich. Noch einmal blickte sie sich um und als die Luft rein zu sein schien, rannte sie los. In den Schutz der Höhle.

 

Sicherlich würde sie den Kaftan neben dem brennenden Busch trocknen wollen und sich mit der Leinendecke verdecken. Er gab ihr etwas Zeit, er wollte sie nicht in eine peinliche Situation bringen. Keine die sie bewusst miterlebte.

 

***

 

Sophie indes wickelte ihre dünne Decke geschickt um ihren Körper und warf die übriggebliebene lange Ecke geschickt um ihre rechte Schulter. Sie kam sich vor wie eine Römerin zu Zeiten des großen Julius Ceasar, doch wusste sie nicht was mit ihrer Kleidung geschehen war, mit der sie gekommen war.

Das Trocknen des Kaftans gestaltete sich auch nicht gerade leicht, denn wo sollte sie es aufhängen? Nichts war beweglich, weder der Tisch noch die Stühle die aus dem Boden wuchsen. Sie dachte darüber nach es über das blätterreiche Himmelbett zu legen, doch schienen ihr kein rechter Ort.

 

„Brauchst du Hilfe?“, ertönte plötzlich die Stimme des Osterhasens.

 

„Ich würde das hier gerne neben dem Feuer trocknen, aber... hier findet sich nichts passendes dazu.“

 

Ohne ein weiteres Wort von Hase wuchs eine große Wurzel aus der Wand, unweit des brennenden Busches und mit großen Augen hing sie ihren Kaftan auf.

 

„Sag mal Hase, wo hast du eigentlich die Sachen die ich an hatte als du mich hergebracht hast?“

 

„Entsorgt!“

 

„Was? Aber warum?“

 

„Die Sachen waren mit deinem Blut getränkt. Blut kann man raus waschen, aber nicht die Erinnerungen die darin verwebt sind“, sagte er mit tiefer Stimme.

 

Er hat recht. Hier kannst du dich erholen, weil dich hier nichts an Brad erinnert und diese Welt nichts mit der anderen zu tun hat. Sie sind lediglich durch ein paar Tunnel verknüpft.Und was sind schon ein paar Sachen, nur eine alte Jogginghose und ein T-Shirt.

 

„Hast du Lust auf ein Lagerfeuer heute Abend und ein paar Geschichten von einem alten Langohr?“, fragte Hase und sah sie liebevoll an.

 

„Gern“, lächelte Sophie.

 

***

 

„Was, ihr wolltet mich angreifen?“, fragte Sophie am selben Abend erstaunt.

 

Inzwischen war es Abend geworden, Hase saß mit Sophie am brennenden Busch, Chickenwings an einem Ast aufgespießt um sie ans Feuer zu halten. Er selbst aß nichts davon, er hatte sein Korb voller Möhren neben sich liegen - in diesem Moment eine davon wie eine Zigarre im Mund - während er Sophie ihr eigenes Abenteuer erzählte, welches sie als Zweijährige in seinem Bau erlebt hatte.

 

„Wir hatten gerade erst eine Niederlage verwunden und Ostern war unsere letzte Chance. Kaum waren wir im Bau angekommen, roch ich das etwas nicht stimmte. Du hast natürlich nicht wie die kalten Alpträume gerochen, doch war dein Geruch fremd für mich. Wir hatten uns in Stellung gebracht, die Waffen erhoben, meine Eier kamen mir schon entgegen gerannt. Schrilles Geschrei kam durch den Tunnel, doch plötzlich kamst du heraus gelaufen, einige Eier in deinem Arm und hast uns mit großen Augen angesehen. Sofort hatten wir die Waffen hinter unserem Rücken versteckt, doch du hast dich nicht davon beeindrucken oder erschrecken lassen. Aus deiner Starre erwacht, bist du wieder lachend hinter meinen Eiern hergelaufen, als würdet ihr fangen spielen“, lächelte er.

 

„Du warst bestimmt nicht begeistert davon“, lächelte Sophie, überprüfte den Chickenwing an ihrem Ast, pustete zwei Mal und steckte ihn in ihren Mund.

 

„Oh nein. Ich wusste nicht wie ich mit dir umgehen sollte, bis dahin hatten wir alle noch nie mit Kindern zu tun gehabt. Wir sind zwar das ganze Jahr damit beschäftigt euch eine Freude zu machen, aber ansonsten gab es nie Kontakt zu euch. Toothiana hatte versucht mit dir zu reden, doch hatte sie dich nur erschrocken mit ihren Zähnen, an denen noch Blut und Hautfetzelchen hingen.“

 

„Wie kam es dann das du und ich...“ Sophie konnte den Satz nicht beenden, da sie nicht wusste wie sie ihre Beziehung zu Hase beschreiben sollte.

 

„In dem Fall war Jack eine große Hilfe. Jahrhunderte hatte er sich in der unmittelbaren Nähe von Kindern aufgehalten, auch wenn sie ihn nicht sehen konnten. Auch in deiner.“

 

„Was ist dann geschehen?“

 

„Ich bin über meinen Schatten gesprungen und fragte dich ob du mir beim Eiermalen helfen willst. Natürlich warst du begeistert davon und kaum eine Stunde später warst du auf meinem Rücken und bist auf mir geritten“, lachte er.

 

„Ich bin auf dir geritten? Das hast du zugelassen?“

 

Hase verstand das sie sich nicht erinnern konnte. Sie hatte ihm vor Jahren schon erzählt das sie sich an die eigentlichen Ereignisse nicht erinnern konnte, da sie zu jung gewesen war, sie aber immer dunkle Erinnerungen an etwas hatte, von dem auch viele Bilder aus der damaligen Zeit erinnerten, die sie damals gemalt hatte.

 

„Du hast mich eben um deinen kleinen Finger gewickelt. Ich weiß noch wie du das erste mal vor mir standest. Deine Haare hingen dir strähnig und durcheinander ins Gesicht, einen gepunkteten Schlafanzug hattest du an und du warst barfüßig. Als die letzten Eier fertig waren und sie auf dem Weg durch die Tunnel waren, hast du dich an mich gekuschelt und bist in meinen Armen eingeschlafen.“

 

„Ich hab mich wohl schon als kleines Kind bei dir sehr wohlgefühlt“, lächelte Sophie schüchtern, sie konnte Hase nicht wirklich in die Augen sehen.

 

„Ja“, flüsterte er und sie spürte seinen Blick, weswegen sie ihm begegnen musste.

 

Er hat so schöne grüne Augen. So grün wie der Frühling den er erschafft.

 

Unwissend kam Sophie ihm immer näher und er zuckte nervös mit seiner Nase. Wollte sie ihn küssen? Sollte er sie küssen? Oder sollte hier irgendjemand irgendwen küssen? Ehe er darüber nachdenken konnte, verflog der Moment und Sophie lehnte sich an seine Schulter.

 

„Ich kann mir gar kein Leben ohne den Osterhasen vorstellen. Eigentlich klingt das total verrückt, aber ein Ostersonntag ohne deine farbenfrohen Eier. Das wäre richtig trostlos.“

 

Nervös blickte Hase durch die Gegend. Ihre Nähe machte ihn nervös, auch wenn er es genoss. Er musste sich davon ablenken, sonst würde er verrückt werden.

 

„Als du klein warst und wir Pitch endlich besiegt hatten, schien es dir nicht schwer dich von mir zu verabschieden. Du hattest mich über den Nasenrücken gestreichelt und gesagt, winke winke Hasi.“

 

„Ich war doch noch so klein, wahrscheinlich habe ich gar nicht begriffen was mit mir geschah. Aber war der schwarze Mann wirklich so böse? Ich habe die schrecklichsten Dinge über ihn gehört, vor allem von Jamie. Manchmal hab ich von den Erzählungen Alpträume bekommen. Diese spitzen Zähne, eine hohe dunkle Gestalt, die aschgraue Haut.... Ich bin froh das ihr ihm dem Gar ausgemacht habt.“

 

„Ja, ich auch.“

 

„Warum habt ihr ihn nicht völlig erledigt? Also ich meine... getötet.“

 

„Weißt du, Keule. Manchmal ist es nicht so einfach. Und Geschöpfe wie wir können uns nicht töten und auch nie sterben. Wir mussten ihn aufhalten, doch eine Welt ohne Dunkelheit und Angst, kann nicht existieren. Es muss immer zwei Seiten der Medaille geben. Wenn du niemals traurig bist oder dir schlimme Dinge geschehen, kannst du auch nicht glücklich sein, da du die Zustände niemals voneinander unterscheiden könntest. Verstehst du das?“

 

„Ich muss traurig sein, damit ich auch glücklich sein kann. Und ich muss angst haben, um auch einmal mutig sein zu können.“

 

„Du hast es verstanden“, freute sich Hase.

 

„Aber hasst ihr ihn nicht dafür das er versucht hat euch eure Bestimmung zu berauben?

 

„Nein, Hass ist ein zu großes Wort. Ich bin zwar nicht der Älteste von uns, doch weiß ich das Pitch nicht immer so war. Vor vielen vielen Jahren, noch vor meiner Zeit – unser aller Zeit -, zu den Goldenen Zeiten, gehörte er zu den Guten und war sogar ein Held.“

 

„Wirklich?“, fragte Sophie erstaunt.

 

„Ja, bevor er zum Alptraumkönig Pitch Black wurde, war er Kozmotis Pitchiner. Mit seiner Goldenen Arme hatte er das Böse aufgehalten und auf einen Planeten eingesperrt. Jahrelang hatte er die Gefangenen überwacht und war gezwungen ihr Klagen und Flehen mit anzuhören. Das Einzige das ihm die Kraft gab weiter zu machen, war ein Medaillon mit dem Bild seiner Tochter...“

 

„ER HAT EINE TOCHTER?“, rief Sophie erstaunt aus.

 

„Ja. Ihr Bild war sein einziger Trost. Doch die Gefangenen imitierten eines Tages ihre Stimme und brachten ihn dazu zu glauben das auch sie dort gefangen war. Er öffnete die Tore und... Zehntausende bösartige Kreaturen stürzten sich auf ihn, fraßen sich in ihn, bis sie eins mit ihm wurden. So wurde Pitch Black geboren, dem König der Alpträume.“

 

„Aber was ist mit seiner Tochter?“

 

„Er hat sie vergessen. Für ihn existiert sie nicht mehr. Durch die Verwandlung lebte er in einer verdrehten Realität, er war von Rache besessen und plünderte einen Planeten nach dem anderen, stahl die guten Träume, sogar kleine reine Kinder verwandelte er in dunkle Kreaturen. Aber er hatte ein anderes Schicksal für Lunanoff Prince bestimmt. Dessen Familie wurde noch nie von einem Alptraum geplagt und Lunanoff sollte zu ihm gehören. Seine Eltern setzten Segel zur Erde, doch konnte Pitch sie aufspüren und sie wurden dort getötet. Nightlight, der für Lunanoff verantwortlich war, konnte ihn retten und besiegte Pitch in einer gewaltigen Explosion. Beide verschwanden spurlos und Lunanoff, seither als Mann im Mond bekannt, schwor sich die Kinder auf der Erde zu beschützen und für sie Hüter zu erschaffen.“

 

„Wer war dieser Nightlight?“

 

„Er war einst der Leibwächter vom Mann im Mond. Er ist ein junger Mann mit reinem Herzen. Er brachte Licht in jeder Dunkelheit, wie das Mondlicht. Nightlight hat einen langen Stab mit einem Messer am Ende, er sprach nicht viel und kommunizierte oft mit Bildern über seinem Kopf wie Sandmann. Aber er erinnert einen sehr an Jack Frost, aber das liegt wohl an den weißen Haaren, dem Stab und auch er ist sehr verspielt und neugierig. Aber er ist auch schüchtern und loyal. Später stellte sich heraus das Nightlight Pitch für Jahrhunderte in einer Höhle in der Nähe des kleinen Dorfes Tanglewood mit seinem Messer im Herzen bannen konnte. Beide waren sie Gefangen, doch wurden sie unabsichtlich befreit und so konnte Pitch wieder zurückkehren. Er sinnte wieder auf Rache und eines seiner Ziele war ein Dorf namens Santoff Claussesn. Dort traf er auf Nord, dem Weihnachtsmann. Aber das ist wieder eine andere Geschichte....“

 

„Es ist unglaublich das zu hören. Ich wusste immer das ihr alle sehr alt seit, aber das sind Geschehnisse, die soweit zurück liegen... da kommt man sich klein und unbedeutend vor. Da kriegt man in der Schule eingetrichtert wie die Welt entstand und wie alles im großen Universum läuft, aber es ist nicht so wie uns erzählt wird. Wie alle Wissenschaftler glauben. …“

 

„Mh, ja und nein. Die Menschen versuchen sich bereits seit Jahrhunderten mit Wissenschaft den Lauf der Welt und des Universums zu erklären und doch wollen sie an einen Gott glauben, der alles erschaffen hat und Leben gibt und nimmt, wie es ihm gefällt. Ich glaube das sie ahnen das da mehr ist, aber manche können es sich selbst nicht erklären und andere wollen nicht daran glauben und halten an ihren gesammelten Fakten fest, weil es ihren Vorstellungen völlig übertrifft.“

 

„Darf ich dich etwas fragen?“

 

„Leg los, Keule. Quetsch mich aus“, sagte Hase ganz cool, wieder mit einer Zigarre im Maul.

 

„Habt ihr keine Angst das sich die Tochter von Pitch an euch rächen könnte? Was wenn sie mächtiger ist als er oder... also ich meine“, stotterte Sophie und spürte Furcht in sich aufsteigen.

 

„Nein, du brauchst dir keine Sorgen machen“, lachte er.

 

„Was? Warum nicht? Wie kannst du dir da so sicher sein? Wer weiß was das für eine ist, wenn schon ihr Vater...“

 

„Du kennst sie.“

 

„Was?“

 

„Ja, du kennst sie seit du auf der Welt bist und hast sie bereits in ihren verschiedensten Gemütszuständen erlebt. Selbst hier ist sie, auch wenn du hier nur eine Kopie ihrer selbst siehst.“

 

„Sie ist nicht böse?“, fragte Sophie noch einmal nach und blickte sich angespannt um, während sie sich noch näher an Hase drückte.

 

„Nein. Sie hat ihre eigene Mentalität. Sie ist weder gut noch böse. Ich weiß sehr wohl das sie äußerst hart sein kann, aber sie ist auch sanft. Einmal hat sie sich schon gegen Pitch gestellt und hat Nord das Leben gerettet, doch mischt sie sich nicht wirklich ein. Sie hat ihre eigene Aufgabe und sie hat nichts mit unserer zu tun.“

 

„Wer ist sie?“, fragte Sophie ehrfurchtsvoll.

 

„Mutter Natur!“

 

Kapitel 11 – Eine Bitte

 

Am nächsten Tag war es mit Sophies Stimmungen wieder besonders schlimm. Nachdem er von weitem ihre Schluchzer für eine Stunde als Dauermusik im Hintergrund hatte, lief er in die Höhle um sich der schwierigen Situation zu stellen.

 

„Hey kleiner Fratz, was ist denn los?“, fragte er und setzte sich aufs Bett. Und was für eine dumme Frage, natürlich wusste er was los war, es war kein Geheimnis, doch wusste er einfach nicht was er sonst sagen sollte.

 

Hey Keule, das wird schon wieder....?

 

Na hör doch auf zu weinen, die Zeit heilt alle Wunden...?

 

Brad ist ein Idiot, sei froh das es soweit kam.... ???

 

Beim Mann im Mond, das ging auf keinen Fall. Sie würde ihn verabscheuen, und das zu recht. Aber so bald es zu gefühlsselig wurde, fühlte er sich außerordentlich überfordert. Er war mehr der coole Typ, in jeder Hinsicht, nun plötzlich einem weinenden Mädchen zu trösten ließ ihn die Nackenhaare zu Berge steigen.

 

Sophie weinte weiterhin unaufhaltsam. Sie versuchte zu sprechen, doch war es nur ein unverständliches Wimmern.

 

„Sophie, komm mal her“, sagte er mit seiner tiefen melodiösen Stimme und zog sie zu sich. Noch immer liegend, klammerte sie sich an ihn, umschlang seine Taille, legte ihren Kopf auf einen seiner kräftigen Oberschenkel, während das andere Bein vom Bett hinunter hing.

 

„Es tut so weh Hase, es tut so weh“, schluchzte sie.

 

Immerzu strich sie sich über ihren Unterleib, zog die Beine an ihren Körper, machte sich klein. Beruhigend strich er ihr über das Haar und den Schultern, doch es wollte nicht so recht funktionieren. Unaufhaltsam liefen die Tränen ihre Wangen hinunter und ihr Körper erzitterte. Noch letzte Nacht war sie fröhlich neben ihm gesessen, hatte seinen Geschichten gelauscht und hatte sich immer wieder etwas zu Essen in den Mund geschoben, während sie immer wieder Fragen gestellt hatte. Und heute?

 

Heute gab sie sich wieder ihrer Trauer hin als gäbe es kein Morgen mehr.

 

„Sophie, beruhige dich bitte. Es bringt nichts wenn du dich selbst fertig machst“, redete er verzweifelt auf sie ein. Was sollte er noch tun?

 

„Aber es tut so weh und was ist mit Brad? Ich vermisse ihn.“

 

So ein Haufen Hasenköttel, nun denkt sie wieder an den.

 

Mit viel Überwindung, da er nicht wusste ob sie es gutheißen würde, legte er sich zu ihr ins Bett und zog sie in seine Arme. Dankbar ließ sie es geschehen. Ihr Kopf ruhte an seinem Hals, ihre kleinen Hände krallten sich in sein Brustfell und drückte sich an ihn. Sein Kopf ruhte auf ihrem und weiterhin strich er ihr über den Rücken. Das kleine zierliche Mädchen verschwand förmlich in ihm, in seinem Fell. Hase wusste nicht ob es bewusst geschah, doch sie schob ihr Bein zwischen den seinen, was dem Ganzen zu einem äußerst intimen Moment werden ließ.

 

Es fühlte sich komisch und ungewohnt an, aber auch sehr schön. Ein warmes Gefühl erfüllte seine Brust und verursachte ein sanftes Kribbeln in seiner Magengegend. Hase drückte Sophie noch näher an sich, doch sie beruhigte sich nur langsam, was ihm unerträglich lang vorkam. Als er glaubte nicht länger damit umgehen zu können, kam ihm eine Idee. Er schob Sophie von sich weg, und bat sie kurz zu warten. Hase ging zu den Erdausbuchtungen, die sich im vorderen Teil der Höhle befanden und nahm das große bunte hölzerne Ei, welches viele Löcher besaß und an ein schweizer Käse erinnerte.

Er ließ mit eine Handbewegung den Busch wachsen, welcher für ein warmes Feuer sorgen würde. Die Rankenvorhänge teilten sich und wurden von Wurzeln zusammengehalten, so das Sophie einen guten Blick auf den Busch hatte. Nachdem dieser vollständig gewachsen war, setzte sich Hase wieder zu ihr und legte sich so hin das sie sich an seine Brust legen konnte, aber noch gut den Busch beobachten konnte. Dessen Stamm glühte plötzlich rot und das Glühen zog sich bis zu jeder Spitze der Äste und auch den Blättern und plötzlich begann er lichterloh zu brennen.

 

„Was ist das“, fragte Sophie neugierig als sie das hölzerne Ei in seinen Pfoten sah.

 

„Eine Flöte, aber achte nicht darauf, betrachte das Feuer“, sagte er nur und begann zu spielen.

 

***

Wiegenlied: http://www.youtube.com/watch?v=A6r3qZz8fmU

 

Hase spielte eine einfache schöne Melodie. Es musste ein Wiegenlied sein.

 

Zunächst konnte Sophie nichts im Feuer sehen, doch dann züngelte einige Mal auf und sie glaubte Wesen im Feuer tanzen zu sehen. Die Flammen formten sich zu Hasen, so wie der Osterhase einer war. Sie spielten und tanzten um Kreis, um den Busch herum. Es war lustig ihnen dabei zuzusehen, wie sie mit ihren kräftigen Beinen herum sprangen, Saltos schlugen und ihre Kampfkunst bewiesen.

 

Es war wahrlich sehr beruhigend, und sie musste nicht mehr weinen. Es entspannte sie und auch ihren Körper, der immer schlaffer wurde.

Sophie wusste nicht wie lange sie den vielen Hasen zusah, doch bald wurden ihre Lider immer schwerer und schon bald war sie auf Hases Bauch eingeschlafen.

 

***

 

Hase bemerkte das Sophie eingeschlafen war und legte die Flöte auf die andere Seite des Bettes. Er sah zu ihr nach unten und war froh das keine Tränen mehr liefen. Sie sah friedlich aus, doch waren die Spuren ihres Leidens auf ihrem Gesicht gezeichnet. Die blasse Farbe, die dunklen Augenringe und die rote Nase, mal abgesehen davon das nasse Spuren ihre Wangen zierten. Er strich ihr ihren wilden Pony aus der Stirn, sie hatte schon besondere Haare. Immerzu waren sie durcheinander und wollten nicht so liegenbleiben wie man sie hingekämmt hatte. Das hatte er beobachtet.

 

Zum Glück hat der Heilteich sie von dieser schwarzen Farbe befreit. Sie sah aus wie eine von Pitch's Albträumen, vor allem mit dieser dunklen Gesichtsbemalung, die sie bei ihrer ersten Begegnung nach der Trennung getragen hatte. Aber nun war sie wieder blond, wieder hell. Ein kleiner Engel. Diesmal mutiger zog er Sophie zu sich heran und schlief mit ihr in den Armen ein.

 

***

Es bewegte sich etwas, es stieß ihn und zupfte an seinem Fell.

 

„Wer seid ihr? Verschwindet aus meinem Bau“, nuschelte Hase im schlaf, noch ganz vertieft in seinem Traum.

 

Wieder eine Bewegung, etwas lag bei ihm. Als er mühsam seine Augen öffnete und versuchte den Schlaf aus seinen Augen zu reiben, erblickte er die großen grünen Augen die ihn neugierig musterten.

 

„Du sprichst ja im Schlaf“, sagte sie mit einem leichten Lächeln, doch verschwand es schnell.

 

„Wieso bist du auf? Du solltest doch schlafen“, nuschelte er und begann lauthals zu gehen und blies Sophie seinen Möhren-Geruch ins Gesicht.

 

„Du hast mich zu fest an dich gedrückt, irgendwas genuschelt und dann wurde es plötzlich feucht auf meinem Schopf“, sagte sie und deutete auf ihren Scheitel.

 

Zumindest so etwas ähnliches. Eventuell könnte es einer sein, aber tatsächlich, dort war ein feuchter Fleck und es roch eindeutig nach seinem Speichel.

 

„Oh es... es tut mir leid Keule“, sagte er und versuchte es mit seinen fingerartigen Pfoten wegzuwischen. Doch natürlich waren seine ledrigen Ballen nicht dafür geeignet Feuchtigkeit abzuwischen. Es brachte nur ihre Strähnen mehr durcheinander.

 

Es war nun nicht mehr ganz so schön mit ihr hier im Bett zu liegen, nicht das er es nicht genoss, aber nicht zu wissen wie sie darüber dachte verunsicherte ihn. Weswegen er auch von ihr weg ruschte und seine Gliedmaßen bei sich behielt.

 

„Hase, darf ich dich etwas fragen?“, sagte sie und rutschte wieder auf. Sie sah ihm tief in die Augen und er konnte nichts tun als in dieses herrliche Grün zu starren.

 

„Ja“, war das einzige was er herausbrachte.

 

Sie stützte sich auf ihren Ellenbogen und kam seinem Gesicht immer näher, was seine Schnurrhaare zucken ließ. Alles elektrisierte sich und er glaubte das vor Nervosität sich all seine Haare aufstellten, er musste aussehen wie ein Hase der im Trockner gelandet war. Zumindest fühlte es sich so an.

 

„Lässt du mich gehen wenn ich es will?“, fragte sie und sah ihn bittend an.

 

So bittend, das er schon glaubte Tränen in ihren Augen schimmern zu sehen. Doch war es nichts erwärmendes. Im Gegenteil, es fühlte sich an als würde eine eisige Hand sein Herz umschließen.

 

Kapitel 12 – Schmerzliche Erkenntnis

 

 

 

„Was?“, fragte Hase in der Hoffnung sich verhört zu haben.

 

„Ich will das du mich zurück bringst, bitte.“

 

„Aber du... du bist noch nicht fit genug...“

 

„Hase, ich bin seit einer Woche hier, ich habe noch ein Leben... zumindest hatte ich das“, seufzte Sophie und ihr fielen wieder die Polizisten ein, die sie in ihrer letzten Nacht angehalten hatten. Und was war mit ihrem Job, ob Jamie sie krankgemeldet hatte? Es gab so viel zu klären. Und Brad, sie wollte unbedingt zu Brad. Sie hatte so ein schlechtes Gefühl, sicherlich war er inzwischen stinksauer auf sie weil sie einfach verschwunden war und verrückt vor Sorge. Sie musste ihn sehen, sich ihm erklären und dann wollte sie einfach in seine Arme sinken.

 

„Hase, bitte. Ich will nach Hause, ich kann nicht einfach hier bleiben. Ich vermisse Brad“, flüsterte sie.

 

Hases Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Warum nur wollte sie unbedingt zu diesem Stück Yetischeiße zurück? Er gönnte ihr alles Glück der Welt und würde alles und jeden akzeptieren, doch gab sie sich ernsthaft mit diesem faulen Ei ab.

 

Stumm und mit vereistem Gesichtsausdruck löste er sich von Sophie, stand auf und ging aus der Höhle. Verwirrt sah Sophie ihm nach, lief ihm jedoch sogleich hinter her. Er lehnte am Höhleneingang, seinen Bumerang in der Hand. Immer wieder ließ er ihn seine Runde kreisen, wobei er den Blumen auf der Wiese den Köpfen abschlug.

 

„Hase?“, suchte Sophie verunsichert das Gespräch und legte ihm eine Hand auf seine haarige Schulter.

 

„Ich werde dich gehen lassen...“, seufzte er schwer.

 

„Wirklich?“, lächelte Sophie mit großen Augen.

 

„Ja, aber ich will das du zurückkommst wenn es dir nicht gut gehen sollte. Du musst das nicht alleine durchstehen, ich will das du das weißt.“

 

„Ach was, das wird nicht nötig sein. Brad und ich schaffen das schon“, lachte sie und umarmte ihn.

 

Geschockt hielt Hase inne. Damit hatte er nicht gerechnet und die Gefühle die sich in seinem Inneren bildeten überforderten ihn noch mehr. Kaum das er die Umarmung erwidern wollte, löste sie sich schon von ihm. Wahrscheinlich glaubte sie das es zu viel für ihn war.

 

***

 

Schon eine Stunde später stand Sophie vor ihrem Haus, in Jeans und T-Shirt gekleidet, welches Hase ihr schnell aus ihrem Schlafzimmer gebracht hatte. Brad war natürlich zu Hause und wie sollte sie ihm erklären das sie plötzlich mitten in der Wohnung stand ohne durch die Tür herein gekommen zu sein.

Mit klopfendem Herzen stand sie vor dem Haus und klingelte. Das Haus war schon älter und bisher wurde keine moderne Gegensprechanlage installiert, weswegen man nie wissen konnte wer klingelte. Doch Brad machte bereitwillig auf. So schnell sie konnte lief Sophie die Stufen hinauf, doch gestaltete es sich schwieriger als gedacht. Ihr Körper hatte sich noch nicht ganz erholt, der Hunger und der Stress in letzter Zeit hatten ihre Spuren hinterlassen. Und ihre Muskeln fühlten sich so an als wären sie fast nicht vorhanden.

Die Wohnungstür war nur angelehnt, scheinbar erwartete Brad mal wieder seine gewohnten Kunden.

 

„Hey Süße, bist ja schneller wieder da als erwartet. Hast du die Hähnchenkeule mitge....“, Brad erstarrte als er sah wer zur Tür hineingekommen war. Die Farbe wich ihm regelrecht aus dem Gesicht und er hatte Mühe damit seinen Mund zu verschließen.

 

„Von wem sprichst du?“

 

„Hey, Sophie“, lächelte er. „Natürlich von dir, das mit dem Hähnchen war ein Scherz. Jamie hat mir schon erzählt das du wieder kommst“, lachte er und nahm sie in die Arme.

 

Sophie lehnte sich an ihn, wie lange hatte sie auf diese Berührung warten müssen. Moment, Jamie?

 

„Jamie wusste doch gar nicht das ich heute wieder komme. Was geht hier vor?“

 

„Das würde ich auch gern wissen“, erklang eine Stimme hinter ihr. Dort stand eine rothaarige junge Frau, vielleicht etwas älter als sie, in aufreizender Kleidung und eine Tüte in der Hand, die stark nach Fritten und Hähnchen roch.

 

Eine grausame Vorstellung bildete sich in Sophies Kopf und ihr Herz begann zu rasen, sie spürte wie ihre Hände schwitzten. „Wer ist sie?“

 

„Das ist Lucy, eine gute Freundin von mir“, versuchte Brad sich zu retten und wirkte mehr als nur nervös.

 

„Ah, eine gute Freundin. Gestern war ich noch die tollste Frau als ich unter dir lag“, erzählte Lucy unscheniert.

 

„LUCY“!, schrie Brad wütend. „Sophie, ich muss dir etwas erklären....“

 

„Na jetzt bin ich aber gespannt“, schnarrte Lucy und verschränkte die Arme vor ihrer Brust, die Tüte ungeachtet auf den Boden geschmissen.

 

„Du warst plötzlich verschwunden und ich hatte nur noch eine merkwürdige Erinnerung an einen bewaffneten Hasen, der mir droht. Jake und ich hatten dieses scheiß Spice ausprobiert... und, na ja, ich dachte du wärst bei einer Freundin, aber als ich merkte das dein Handy, dein Schlüssel und deine Handtasche hier war, glaubte ich du hättest mich verlassen. Ich habe bei Jamie angerufen, aber er wollte erst nicht so recht sagen was los ist und dann meinte er nur das es dir nicht gut geht und du bei deiner Großmutter wärst.... Glaub mir doch Sophie, ich wusste nicht was mit dir war, ich bin hier fast durchgedreht und na ja... Lucy hat mich abgelenkt... ich war so verwirrt, bitte glaub mir.“

 

„Ist das wahr?“, fragte Sophie. Sie konnte nicht leugnen das es sie schmerzte, doch warum musste nur alles so schwer und kompliziert sein. Sie wollte doch einfach nur glücklich mit ihm sein.

 

„Wenn du davon ausgehen willst das er bereits ein Monat verwirrt war“, mischte sich Lucy wieder ein. „Und einmal schon vor einem Jahr.“

 

Nun erkannte Sophie sie wieder. Sie war eine Kundin von Brad gewesen, sie wusste das sie sich gut verstanden, hatte sich aber nie dabei was gedacht, da Lucy nur alle paar Monate gekommen war um eine Kleinigkeit zu kaufen und auch nur selten länger blieb.

 

„LUCY, VERDAMMT NOCH MAL!“, schrie Brad und Tränen waren in seinen Augen zu sehen.

 

„Ach komm schon, Brad. Schenk ihr reinen Wein ein, wir wussten beide das der Tag kommen würde.“

 

„Woher willst du das wissen, sie ist schwanger von mir, wir kriegen ein Kind. Und vergiss nicht was ich dir gesagt habe.“

 

„Pff, ich soll mein Maul halten und mir nicht einfallen lassen das du das Liebste verlierst, ja ich hab das hier doch nicht geplant. Das ist doch eindeutig auf deinen Mist gewachsen. … Weiß sie eigentlich das du seit zwei Monaten deine Abende im Casino verbringst?“, schwenkte Lucy weiterhin ihre verbale Keule.

 

„ACH VERPISS DICH LUCY!“, schrie Brad, schubste sie aus der Wohnung und schmiss die Tür zu.

Stumm hatte Lucy alles mit angehört und sie fühlte sich schwindlig. Was war nur aus ihrer heilen Welt geworden? Es war nie perfekt, aber nun entglitt alles ihren Händen.

 

„Brad, was ist hier nur los?“, fragte sie während die heißen Tränen ihre Wangen hinunter liefen.

 

„Schatz, bitte nicht weinen. Ich weiß das ich scheiße gebaut habe, aber ich war so überfordert. Ich meine, das Kind und jetzt die Polizei, die haben mich am Arsch... ich bin am Arsch.“

 

„Aber wieso? Glaubst du etwa das ich nicht auch überfordert war?“, schluchzte sie. Am liebsten hätte sie getobt, hätte geschrien, doch fehlte ihr einfach die Kraft.

 

„Ich weiß, aber ich... ich war auch nur im Casino um Geld zu gewinnen, wegen dem Kind. Ich weiß das es dämlich ist, aber ich wusste mir nicht anders zu helfen. Ich werde mit den Geschäften aufhören bevor das Kind da ist, versprochen.“

 

Noch lange hörte Sophie die Versprechungen, die Bitten ihm zu verzeihen, die Tränen in seinen Augen, doch der Schmerz den die andere Frau verursacht hatte, fraß sie von innen auf. Sie wollte ihn, aber sie spürte das sie nicht mehr konnte und alles bestand nur noch aus Schmerz. Unaufhörlich liefen die Tränen und nichts konnte sie beruhigen.

Wenn sie Pech hatte würde Brad bald ins Gefängnis kommen, denn es hatte sich herausgestellt das die Folie welches das Gras umwickelt hatte, welches im Auto gefunden wurde seine Fingerabdrücke aufwies. Aber deswegen war sie nicht unschuldig, schließlich lebte sie mit ihm zusammen. Hinzukam, das sie einen Brief auf dem Tisch fand, der an sie adressiert war. Von ihrer Arbeitsstätte, eine fristlose Kündigung. Sie war weder mit einer ärztlichen Bescheinigung entschuldigt worden, noch hatte sie sich gemeldet und fadenscheinige Geschichten von ihrem angeblichen Bruder reichten nicht aus. Sie hatte es versaut. Die Ausbildung gerade erst hinter sich, hatte sie eine Chance fest angestellt zu werden in ihrer Lieblingsgärtnerei, doch nun hatte sie die Probezeit nicht überstanden. Dabei hätten nur ein paar Wochen gefehlt bis zum Vertrag.

Ihre Eltern wussten von nichts, wie sollte sie ihnen die Umstände der letzten Wochen erklären?

 

Die Scherben ihres Lebens lagen vor ihren Füßen und der Mann den sie liebte saß weinend neben ihr und klagte wie überfordert er doch mit der Sache wäre.

 

„Ich hab es verloren“, kamen die leisen Worte aus ihrem trockenen Mund, nachdem er wieder begann darüber zu reden. Er hatte versprochen der beste Vater der Welt zu werden, doch sie wusste das es nie dazu kommen würde. Und das nicht nur weil es kein Kind geben würde.

 

„Was?“, war alles was aus Brads Kehle kam. „Aber ist es nicht vielleicht besser so?“, fragte er nach einer langen Pause, in der er sie in den Arm genommen hatte.

Fassungslos sah Sophie ihn an und stieß ihn von sich. Der Schmerz zog sich wie ein kaltes Schwert durch ihren Körper.

„Ich meine, im Moment können wir es uns nicht leisten.... also, die Polizei, das Geld....“

 

„Ich kann dich mir auch nicht leisten“, sagte Sophie nur und stürmte weinend aus der Wohnung. Ihr Herz krampfte sich zusammen, sie hatte das Gefühl das ihr etwas die Luft abschnürte und einmal wäre sie fast die Treppe hinunter gefallen. Sie hörte seine Rufe, sein Flehen zurück zu kommen, doch sie ignorierte es.

 

Auf der Straße angekommen lief sie einfach in irgendeine Richtung, sie wollte einfach nur noch weg, auch wenn sie nicht wusste wie und wohin. Es war früher Abend und die Sonne würde bald untergehen, wo sollte sie jetzt nur hin? Wo konnte sie hin ohne lästige Fragen beantworten zu müssen? Laut schluchzend lief sie den Gehweg entlang und hasste Brad das er ihr das angetan hatte. Immer wenn sie glaubte es könnte nicht mehr schlimmer werden, brachte er den nächsten Clou. Und nun gafften die Leute die ihr entgegenkamen blöd an, dabei wollte sie einfach nur ihre Ruhe.

 

Die Blicke in ihrem Rücken nicht mehr aushaltend, bog sie in eine kleine Nebengasse, in der einige Mülltonnen standen. Kaum war sie für die anderen Fußgänger nicht mehr zu sehen, öffnete sich der Boden unter sie und verschlang sie. Vom Gefühl des Fallens überrascht blieb ihr Herz einen Schlag lang stehen, doch sobald sie die flauschigen Arme spürte die sie an den großen warmen Körper drückten, krallte sie sich an Hase und ließ ihren Gefühlen freien lauf während sich der Tunneleingang über sie schloss.

Kapitel 13 – Untröstlich

 

 

Hase wusste nicht wie lange sie bereits im grünen Tunnel saßen. Sophie war so hysterisch gewesen das es nicht möglich war mit ihr in den Bau zu gehen. Sie hatte sich einfach wie eine Ertrinkende an ihn geklammert und alle Flüssigkeit aus sich heraus geweint. Immer wieder hatte sie geklagt warum ihr so etwas angetan wurde, doch hatte niemand eine Antwort darauf.

Aber nun hatte sie sich beruhigt. Nicht weil sie sich mit ihrem Lebenswandel arrangiert hatte, sondern weil sie erschöpft war. Und Hase war froh um diesen Umstand. Er konnte nicht ihre Tränen sehen, nicht ihre Schreie hören, ihren zittrigen Körper spüren. Jede Sekunde hatte er mit ihr mitgelitten und er musste sich anstrengen das seine feuchten Augen nicht noch feuchter wurden. Nun saßen sie noch immer hier, in dem dämmrigen Tunnel, wo nur abzweigende Tunnel die Sonne hinein schienen ließen. Sie führten nicht wirklich irgendwo hin, doch hatte Hase seine Tunnel so konstruiert um nicht durchs Dunkel laufen zu müssen. Nun saß er am Ende des Tunnels, unter dem Eingang, der sich in der Nähe von Sophies Wohnung befand und lehnte gegen die Wand. Während Sophie auf seinem Schoß saß, ihren Kopf auf seine Brust gelegt und ihre Hände in sein Fell gekrallt hatte. Sie war verstummt, aber noch immer erzitterte ihr Körper ab und zu unter ihren Schluchzern und stille Tränen rannen ihre Wangen hinunter.

Hase hatte sein Kinn auf ihren Kopf gestützt und hielt sie fest. Unaufhörlich strichen seine Pfoten über ihren Rücken. Er war nicht mehr ganz so knochig wie am Anfang, aber dennoch befürchtete er das sie dennoch wieder radikal abnahm, jetzt wo es ihr noch schlechter ging.

 

„Hey kleiner Fratz, wollen wir nicht in den Bau gehen? Hier wird es langsam ungemütlich. Dann zünde ich den Busch an und wir könnten die Chickenwings über dem Feuer rösten“, flüsterte er ihr ins Ohr, streichelte ihren Schopf und hoffte das er sie dazu bewegen könnte wieder mit in den Bau zu kommen. Innerlich befürchtete er das sie ihn bitten könnte sie wieder in die Oberwelt zu lassen. Wieder zu diesem Hasenköttel zurückzukehren oder gar wieder etwas dummes tun in ihrer Verletzlichkeit. Wenn sie erst Mal im Bau sein würde, wäre das erste das er tun würde alle Tore zu verschließen und zu versuchen sie wieder aufzubauen, wieder die alte Sophie zum Vorschein bringen.

 

„Ok“, schluchzte Sophie, machte aber keine Anstalten aufzustehen. Sie sah ihm tief in die Augen und kam seinem Gesicht immer näher. Bis sie nach links auswich und ihn fest umarmte. „Danke, für alles was du für mich tust“, flüsterte sie mit trockener Stimme.

 

Hases Herzschlag beruhigte sich wieder, für einen Moment hatte er geglaubt ihre Lippen gleich auf seinen zu spüren. Vielleicht war es verrückt jedes Mal einen Kuss zu befürchten, oder eher zu hoffen? Aber er war diese Art von Kontakt mit Frauen nicht gewöhnt und Sophie kannte er bereits seit Jahren, schon lange hatte sie einen Besonderen Ort in seinem Herzen. Schwerfällig erhob sich Sophie, nahm aber sogleich wieder die Pfote von Hase während sie dem immergrünen Tunnel entlang gingen. Hase ließ es geschehen, es gefiel ihm.

 

„Ich weiß das es dir jetzt unverständlich ist wenn ich es sage, aber nimm es dir nicht so schwer zu Herzen. Sei froh das es vorbei ist und sieh in die Zukunft. Es wird bessere Zeiten geben.“

 

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber sei mir nicht böse, woher willst du wissen wie es ist sein Kind zu verlieren und von dem liebsten Menschen auf der Welt dem man jahrelang vertraut hat und mit dem man ein Leben aufbauen wollte, so verarscht zu werden.“

 

„Du hast recht, diese Situation kenne ich nicht. Aber eine schlimmere“, sagte Hase plötzlich düster.

 

„Was kann schlimmer sein?“, fragte Sophie mit leiser Neugier.

 

„Tja, ich weiß nicht ob es dir aufgefallen ist, aber ich bin kein gewöhnlicher Hase. Ich bin ein Pooka.“

 

„Pooka? Was...?“

 

„So nennt sich meine Art.“

 

„Und was hat das damit zu tun das du schlimmeres erlebt hast?“, fragte Sophie etwas säuerlich.

 

„Ich bin der letzte meiner Art!“

 

„Was? Oh mein Gott, es … es tut mir leid“, rief Sophie aus und klammerte sich an seinen Arm.

 

„Schon gut, das konntest du nicht wissen. Es liegt schon so lange zurück.“

 

„Wie kam es dazu? Ich meine, was war dafür verantwortlich?“

 

„Nein, Sophie. Heute nicht. Meine Lebensgeschichte erzähle ich dir ein anderes Mal“, wimmelte Hase sie bestimmt ab.

 

Es war nicht das Problem ihr von seinem Los zu erzählen, doch wollte er sich jetzt um sie kümmern. Viele viele Jahrhunderte war es nun her, doch schmerzte es noch immer, wenn er sich den Erinnerungen hingab und er wollte nicht das beide untröstlich herum saßen. Die nächsten Wochen musste er sie erst wieder aufrichten und irgendwann, würde sie für seine Geschichte bereit sein.

 

Ob sie vielleicht auch eines Tages für ihn bereit sein würde?

 

Wohl kaum. Welches Mädchen würde sich mit einen uralten, haarigen Monster mit Krallen aus dem Weltraum verbinden?

 

Im Bau angekommen entzündete er den Busch wie angekündigt, so das dieser lichterloh brannte und erschuf einige Kissen um sie davor zu legen. Aus der Wärmebox holte der die Chickenwings raus die noch vom vorigen Tag übrig geblieben waren. Alle zwei Tage hatte Jamie durch Jack eine Kiste geschickt mit allem möglichen Fast Food, da Hase Sophie nur sein Hasenfutter anbieten konnte.

 

Sogleich setzte Hase sich davor, spießte ein Chickenwing auf und hielt es übers Feuer um es wieder knusprig warm zu machen. Sophie indes lief in die Höhlenausbuchtung, die ihr als Schlafzimmer diente und zog die Rankenvorhänge zu. Hase glaubte das sie sich in ihr Bett verkriechen wollte, doch es dauerte nicht lange bis sie wieder hervor kam. Gehüllt in ihren grünen Kaftan. Sie setzte sich zu ihm und lehnte sich an ihn, was ihn gleich ein Kribbeln einbrachte. Es war schön für ihn das sie seine Hilfe und Gesellschaft nun ungefragt annahm und nicht jeden aus ihrem Leben verbannte, wie noch vor einer Woche.

 

„Hier, der ist fertig, aber Vorsicht, der ist sehr heiß“, sagte Hase und hielt ihr den Stock mit dem aufgespießten Chickenwing hin.

 

„Danke, ich habe kein Hunger“, sagte sie nur, rollte sich zusammen und legte ihren Kopf auf seinen Schoß.

 

„Bitte, wenigstens ein paar“, versuchte es Hase und ihm zu liebe nahm Sophie ihn den Ast ab und knabberte etwas daran.

 

Erleichtert darüber nahm Hase sich vor, noch an dieser Nacht mit Jack zu sprechen. Jamie würde weiterhin etwas zu Essen schicken müssen, doch das war nicht alles. Er konnte von Jamie nicht auf ewig verlangen alle paar Tage Unmengen von Essen für Sophie zu kaufen, er würde einige Felder anlegen, damit sie Brot backen, richtiges Essen kochen und auch Obst essen konnte. Doch dafür würde er die Höhle umgestalten müssen, damit auch sie hier leben konnte. Er musste sie vergrößern, Zimmer erschaffen, eine richtige Küche, und wohl auch eine Art Wohnzimmer. Doch dafür musste sie aus der Höhle draußen sein. Sobald sie sich in einigen Tagen etwas gefasst hatte, würde er sie auf das zukünftige Leben bei ihm vorbereiten müssen. Ihr die Felder zeigen, dafür Sorgen das auch sie sich darum kümmerte, alles über Anbau lernte.

 

„Hase? Bin ich so schrecklich das man mich durch eine andere ersetzen muss?“, fragte Sophie in die Stille hinein und Tränen bildeten sich wieder in ihren Augen.

„Nein, Sophie, niemals. Mach dich nicht fertig, du bist nicht schuld daran.“

„Vielleicht ja doch...“, schluchzte sie.

„Nein, bist du nicht. Er weiß doch gar nicht was er an dir hat.“

„Würdest du mich betrügen?“, fragte Sophie und hatte sich aufgerichtet um ihn in die Augen sehen zu können.

„Niemals“, hauchte Hase, sein Herz begann zu rasen.

„Warum nur verläuft mein Leben so scheiße?“

„Du bist noch jung, es wird auch wieder schönere Zeiten geben. Irgendwann wirst du jemanden finden, der dich liebt und dich auf Händen trägt.“

 

Den ganzen Abend hörte Hase sich die Geschichten von Sophie an. Wie schön doch alles mit Brad gewesen war, wie sehr sie vor ein paar Wochen noch glaubte das sie es schaffen könnten. Sogar von Hochzeit hatte dieser Nichtsnutz gesprochen. Aber offensichtlich änderte sich seine Meinung täglich. Hase glaubte nicht daran das Brad von Grund auf schlecht war und es darauf abgesehen hatte, Sophie Schmerzen zuzufügen, auch wenn die hassenswerten Gefühle in ihm es versuchten. Doch dieser Mensch hatte ein Problem, ein großes Problem mit sich selbst und durch die Erzählungen wurde ihm klar das Brads Kindheit in keinster Weise normal verlaufen war und das dieser nicht wissen konnte wie eine Beziehung verlaufen sollte. Doch das minderte nicht seinen Hass, er verstand es nur bis zu einem gewissen Grad.

 

Vielleicht sollte er diesem sensiblen Weichei einen Besuch abstatten. Das würde allerdings verschieben müssen, jetzt wollte er für Sophie da sein.

Kapitel 14 – Albträume

 

 

Es war alles verschwommen und dunkel. Sie wusste nicht wo sie war. Musste nicht irgendwo ein Schalter sein? Eilig suchte sie nach dem Schalter, immer schneller, als wäre der Leibhaftige hinter ihr her. Angst stieg in ihr auf und sie glaubte das sie jemand beobachtete, das etwas hinter ihr war, sie spürte es. Sie musste ihn finden, wo ging das verdammte Licht an...

 

Gefunden.

 

Nun war alles klar. Sie war in ihrem Schlafzimmer, es war unordentlich wie immer. Eine Bewegung. Brad war bei ihr, doch er sah sie hassenswert an. Er schrie so laut das sie erschrak und einen Schritt zurück weichte, aber er überwand die Entfernung. Alles was er sagte, begann ihr wehzutun, wie Messerstiche die sich in ihren Leib bohrten.

 

Die Umgebung verschwamm und wurde grell. Sie war in einem fremden Raum, in dem nur ein Klappbett stand und eine Toilette. Stangen trennten sie vom restlichen Teil der Etage. Zwei Polizisten standen hinter den Gittern, und auch Brad mit seiner Lucy. Besitzergreifend hatte er den Arm um sie gelegt. Hass und Enttäuschung war in seinem Blick zu finden, er war wütend auf sie. Sie hatte alles kaputt gemacht. Mit Drogen war sie erwischt worden, nun musste sie lebenslänglich in diesem kalten, feuchten Raum bleiben. Brad schwor sie niemals zu besuchen, ging laut lachend davon.

 

Schmerzen breiteten sich in ihrem Körper aus, ihr Herz verkrampfte sich.

 

Brad, geh nicht. Es tut mir leid. ES TUT MIR LEID!

 

Ihr Unterleib zuckte, es bewegte sich etwas in ihr. Doch es fühlte sich fürchterlich an, als hätte das Etwas in ihr, große Klauen, mit denen es sich aus dem Inneren heraus kratzte.

 

Nein, bleib drin. Bleib drin.

 

Es wurde Blutrot unter ihrer Haut, bis selbst diese aufgekratzt wurde. Sie krümmte sich vor schmerzen auf den kalten, schmutzigen Boden, das Blut sickerte aus ihr heraus, niemand achtete auf ihre Schreie. Die anderen Insassen grölten, die Polizisten standen vor ihrer Zelle und schlossen lachend Wetten auf sie ab.

 

Kleine Krallen waren zu erkennen, die sich ihr Loch immer größer schaufelten, Literweise Blut lief aus ihrem Körper und ihr Fleisch hing in Fetzen. Ein unfertiges Baby kroch heraus, kämpfte sich hinaus, doch ehe es seinen ersten Schrei tun konnte, sank es in sich zusammen und starb.

 

Nein. Nein. NEIN!

 

Sie griff nach dem Kind, nahm es in ihre Arme, sie wollte ihm helfen, sie musste es retten. Es öffnete die Augen, sah sie durch tote Augen an, doch da kam ein Beamter, und entriss es ihr lachend aus den Armen.

 

Nein, bitte nicht. Bitte nicht.

 

Sie schrie, sie klagte, sie versuchte es aus den Armen des grausamen Mannes zu greifen, doch schlug er sie nur nieder.

 

Sie wurde schwächer, sie spürte wie der Tod nach ihr griff. Alles wurde verschwommen und dunkel. Bis nur noch der unerträgliche Schmerz und die schwarze Finsternis ihre Gesellschaft war. Doch sie starb einfach nicht. Obwohl sie sich nichts sehnlicher wünschte als dem Tod in die Arme zu sinken, geschah es einfach nicht. Sie lag nur mitten im Nichts, von allen verlassen die sie liebte und war so Einsam wie ein Stern in den weiten des Universums. Nur das sie nicht einmal in der Ferne andere erkennen konnte.

 

„Oh, da liegt sie nun, einsam und allein“, sagte eine einschmeichelnde Stimme, von der sie nicht ausmachen konnte woher sie kam. „Du hast bemerkenswerte Alpträume, Kleines. Ich hätte es nicht besser machen können.“

 

„Wer ist da?“, fragte sie und rollte sich ängstlich zusammen.

 

„Oh ich glaube du kennst mich sehr gut. Ich bin der Schatten und die Dunkelheit. Ich bin bei dir wenn du dich ängstigst und nach Hilfe schreist. Ich bin der Grund für deine Alpträume, seit Beginn deines Lebens und die deiner Ahnen....“

 

„Nein, du bist nicht der Grund für diese Alpträume“, sagte sie Mut vorgaukelnd. Sie konnte nicht ausmachen woher die Stimme kam. Sie schien überall zu sein.

 

„Da gebe ich dir Recht. Ich muss dir dafür danken, denn jedes Schicksalskind wie du es bist, geben mir Kraft mich zu erholen. Euch muss ich keine Alpträume bescheren, sie wachsen in euch heran und entfalten sich wie Einzeller.“

 

„Du bist der schwarze Mann?!“

 

„Schlaues Kind, die Erkenntnis hat nicht lange auf sich warten lassen“, sagte er herablassend.

 

„Aber man hat dich vor Jahren besiegt. Ich hätte nie gedacht das ich noch erlebe das du auftauchst.“

 

„Oh ja, die großen Vier, nein... Fünf haben es vor Jahren geschafft mich zu … mich zu einer Pause zu zwingen, doch glaube nicht, das mich je einer von ihnen ernsthaft töten könnte. Egal wie lange es dauert, irgendwann bin ich wieder da. So oder so.“

 

„Was willst du dann von mir? Dir wieder einen Arschtritt von Hase holen?“, erwiderte sie, deutlich mutiger geworden. Es war nur eine körperlose Stimme, sie wusste das sie träumte, was sollte ihr schon passieren? Schlimmer als bisher konnte es unmöglich werden.

 

„Hase? Bist du etwa mit dem Eier-ausblasenen Riesenfrettchen bekannt?“

 

„Ich gehörte zu den Kindern die dich damals besiegt hatten. Allen voran mein Bruder, wir waren das... „

 

„Das letzte Licht! Ich verstehe.... Verzeih das ich mich nicht an dich erinnert habe, aber ich beachte kleine wertlose Menschen nicht sehr. Ihr lebt euer kurzes, schmachvolles Leben und seit so schnell spurlos von der Bildfläche verschwunden wie ihr gekommen seit, das es für mich nicht mehr als ein Augenzwinkern ist. Aber es soll nichts schlechtes heißen. Mir scheint das immer mehr Kinder unter Alpträumen leiden und ich muss nicht einmal etwas dafür tun. Deine haben mir in den letzten Tagen einen besonderen Dienst erwiesen, vielleicht sollte ich mich bei dir bedanken....“

 

„Ich bin kein Kind mehr!“

 

„Ja, aber du glaubst nach wie vor noch... Glaub ruhig weiter... an mich.“

 

„Das tue ich, aber ich habe keine Angst vor dir“, sagte sie gespielt überheblich, doch spürte sie in ihrem Inneren das sie ihn fürchtete. Sie nährte ihn. Er wurde stärker. Die Träume waren jetzt schon unerträglich, was sollte sie tun wenn er sie davon nie wieder befreien würde?

 

„Ja, nähre mich, das machst du gut. Doch nun verlasse ich dich, aber ich werde wieder kommen. Versuche mich nicht all zu sehr zu vermissen, bis dahin“, lachte er höhnisch.

 

Sie spürte wie die Kälte und Dunkelheit sie verließ, es wurde ein wenig wärmer und sie immer müder. Die Lider zogen sich zusammen und plötzlich . . .

 

***

 

. . . schreckte sie aus dem Schlaf und fand sich mit kalten Schweiß auf dem Rücken in ihrem Bett wieder. In dem Bett, welches Hase ihr aus der Bergwand hat wachsen lassen. Noch zittrig und geschockt, rollte sie sich auf dem Bett zusammen und zog sich die Decke bis zum Kinn.

 

Wo sie nun seit drei Tagen wieder bei Hase eingezogen war, wo sie nur eine Stunde dachte eventuell wieder ihr altes Leben aufnehmen zu können, wurde sie je her jede Nacht durch Alpträume gequält. Das was ihr schon den gesamten Tag über die Nerven zerriss, folgte ihr bis in die Träume und mit jedem Tag fühlte sie sich elender. Der Schlaf war nicht sehr erholend und wurde zunehmend kürzer.

 

Im Augenwinkel sah sie eine Bewegung, und wie jeden Morgen lugte Hases Kopf durch den Rankenvorhang. „Guten Morgen, wie ich rieche hast du wieder Albträume gehabt?“

 

„Ja.“

 

„Ich weiß das du gerade glaubst nicht zu wissen ob die Nächte schlimmer sind als die Tage und umgekehrt, aber es wird besser werden. Mit jeder Nacht verarbeitest du mehr.“

 

„Vielleicht hast du recht. Aber die Träume sind so.... sie sind schon grausamer als die Wirklichkeit... und...“, sie überlegte ob sie erzählen sollte das Pitch in ihrem Traum aufgetaucht war. Aber sie beließ es dabei. Er sollte sich nicht noch mehr Sorgen um sie machen.

 

„Ok, pass auf Keule. Du schnappst dir die Decke, und setzt dich an den Fluss. Die Essenskiste bringe ich dir mit und du schlägst dir so richtig schön den Bauch voll, genießt die Sonne und kannst in Ruhe baden. Ich werde später nachkommen, einverstanden?“

 

Gesagt, getan. Sophie saß auf ihrer Decke auf der grünen Blumenwiese, unweit vom Fluss entfernt und kaute Lustlos an einem Donut, während Hase durch die Höhle trat und versuchte sich einen Grundriss zu überlegen, wie die Höhle nach der Wandlung aussehen sollte. Es würde den Häusern der Menschen ähneln müssen, er wollte das sie sich wohlfühlte. Er ging hinaus und betrachtete sein grünes Werk, welches wie eine der australischen Erhebungen aussah, ein hoher Berg, mitten auf einer flachen Landschaft. Aber nun würde der Berg noch größer und höher sein.

 

Hase schloss einen Moment die Augen und konzentrierte sich. Er spürte die Vibrationen am Boden, hörte das wuchern und wachsen der Wurzeln, das Treiben der Erde. Der Berg wuchs in die Höhe und in die Breite, noch immer von saftigem Grün umwickelt.

 

Nachdem es vollbracht war, hoffte er inständig das es ihr gefallen würde.

 

Kapitel 15 – Ein neues zu Hause

 

Sophie war hinunter zum Fluss gegangen um sich zu waschen. Natürlich konnte sie sich nun nicht ausziehen und einfach sorglos hinein springen wie ein kleines Kind, doch knotete sie den Kaftan etwas hinauf um zunächst einmal die Beine waschen zu können. Sie wollte versuchen den Kaftan einigermaßen trocken zu lassen, um nicht mit nassen, sichtbaren Brüsten vor ihm herum zu schaukeln. Zumal sie hier keinen BH besaß. Sich hinter einen nahen Busch versteckend, hockte sie sich an den Rand des Flusses, das Wasser reichte ihr bis zu den Knöchel, mit einer Hand hob sie den Kaftan und mit der anderen wusch sie sich.

 

Doch plötzlich begann der Boden unter ihren Füßen zu vibrieren, sie verlor das Gleichgewicht und fiel direkt ins Wasser.

 

Na toll.

 

Doch nun war es egal, sie blieb gleich da und schwamm ein paar Runden, schließlich war nun ohnehin alles nass. Aber was hatte dieses Beben verursacht? Natürliche Erbeben konnte es doch hier nicht geben in dieser unterirdischen Oase, über der der Himmel zu sehen war, oder doch?

 

Nein. Sicherlich steckte Hase dahinter. Nur er hatte die Kraft so etwas hervor zu bringen. Aber warum?

 

„Sophie?“, rief Hase und seine Stimme klang nicht mehr so weit weg. Eilig watete Sophie durchs Wasser, was sich mit dem langen Kaftan nicht einfach gestaltete, sie stolperte an den Rand, hechtete zum Busch, schnappte sich ihre Decke und zog sich aus.

 

„Ich komme“, rief sie, wickelte sich in die Decke, griff nach dem Kaftan und kam heraus.

 

Erstaunt blieb sie stehen und ging nur langsam zu Hase, der vor diesem... Berg... Haus? ...stand. Mit offenem Mund lief sie zu Hase und kam noch immer aus dem Staunen nicht mehr raus.

 

Vor ihnen war seine Höhle, aber sie war keine mehr, also nicht so richtig. Sie besaß eine hölzerne Tür und es gab einige große Ausbuchtungen mitten im Berg, in denen Fenster zu sehen waren. Richtige Fenster, wie bei einem normalen Haus.

 

„Wahnsinn. Was hast du getan?“, fragte Sophie, noch immer mit großen Augen.

 

„Nun ja, da du ja länger bleibst, dachte ich das in dem Fall mehr Komfort angebracht wäre.“

 

Hase öffnete ihr die Tür und deutete ihr voran zu gehen. Für Sophie war es angesagt, noch weiter zu staunen. Von der vorherigen, schlichten Höhle wie zuvor war nichts mehr zu erkennen. Direkt auf der rechten Seite befand sich zwar noch immer der Tisch mit den zwei Stühlen aus Wurzeln und Erde. Doch die Ausbuchtungs-Regale befanden sich nun direkt darüber, während sich auf der anderen Seite, sich eine große Küche erstreckte. Diese bestand nun nicht aus Wurzeln aus Erde, jedoch natürlich komplett aus Holz und sie sah sofort das alle Geräte und ebenso die Spüle, sehr altertümlich aussahen. Als wäre sie zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit versetzt worden, als es noch keine Elektrizität gäbe, mit den entsprechenden Küchengeräte, wie man sie heutzutage kannte. Durch zwei Fenster verfügte die Küche über genügend Tageslicht um anständig darin arbeiten zu können.

 

In einer Ecke befand sich ein sogar ein großer Steinofen und ihr wurde es murmelig zu mute. Ob sie so etwas jemals bedienen konnte? Weiter die Höhle entlang, nun nicht mehr ganz so breit, da die Küche klar als Raum abgetrennt war, ging es weiter. Doch dort wo der immerzu brennende Busch gestanden hatte und gegenüber ihr Schlafzimmer war nun nichts vorzufinden, außer auf der linken Seite, wo einst ihr Bett stand, eine Treppe aus Erde mit Geländern aus Wurzeln. Ihre Neugierde noch etwas aus zügelnd, lief sie weiter und fand sich wieder in einem Raum. Es musste das Wohnzimmer sein, denn es befand sich eine Art große Couch in der Mitte. Sie war wie der große Sack, auf dem Hase zuvor geschlafen hatte, nur das sie durch Wurzeln, die aus der Erde gewachsen waren, zu einer Couch geformt wurde. Gegenüber befand sich nun der brennende Busch und rechts, das brachte Sophie am meisten zum Staunen, waren große Glasfenster, oder besser gesagt Türen, die den Ausblick auf einen kleinen Garten vorzuweisen hatten.

 

„Wow... das ist... oh mein Gott...“, sagte sie und wusste nicht so recht was sie sagen sollte.

 

„Sieh dich erst einmal oben um“, sagte Hase verschwörerisch und zog sie mit sich.

 

Am Ende der Treppe gab es nur über einen winzig kleinen Flur nur eine einzige Tür.

 

„Hey“, lachte Sophie, als Hase ihr eine Pfote plötzlich vor die Augen schob.

 

„Öffne deine Augen erst, wenn ich es dir sage“, sagte Hase, öffnete die Tür, führte sie sanft hinein nahm seine Pfote weg.

 

Langsam öffnete Sophie ihre Augen und beinahe waren sie ihr hinausgefallen. Sie konnte nicht glauben was sie sah. Es war unmöglich. Und doch stand sie hier.

 

Ihr Himmelbett, wie sie es schon zuvor gehabt hatte, stand in einer Ecke, am Fußende eine schöne hölzerne Truhe mit schönen Schnitzereien. Sie musste darüber schmunzeln da wieder einmal Ostereier das Hauptthema waren. Im inneren des Bettes, über dem Kopfende, wuchsen links und rechts zwei schöne Blumen aus der Erdwand, welche zu aus der innere der halbgeschlossenen Blühten zu glühen begannen und das Bett in ein warmes Licht tauchten. Daneben war ein schönes großes Fenster und auf der anderen Seite, gegenüber des Bettes stand eine schöne große Kommode und ein Schminktisch mit einem Spiegel und einem passenden Stuhl davor. Alles aus schönstem Holz. Sie tippte auf Mahagoni, aber sie war sich nicht sicher. Grüne Vorhänge hingen links und rechts am großen Fenster und gaben dem Zimmer ein etwas weiblichen Touch. Und natürlich, sie bemerkte es als sie sich einmal um die eigenen Achse gedreht hatte, war wieder ein brennbarer Busch mit dabei.

 

„Es ist unglaublich. Einfach unglaublich.“

 

„Schön wenn es dir gefällt, aber es geht noch weiter“, sagte er und führte sie durch eine Tür, die sie zunächst nicht wahrgenommen hatte. Es war ein kleiner Raum der zunächst völlig im Dunkeln lag, doch als sie einmal hineingegangen war, begann rund herum Pilze an den Wänden zu leuchten. Nun sah sie die schöne warme Quelle die aus einer Ecke entsprudelte und in ein Becken lief, welches nie zu überfluten schien. In einer anderen Ecke stand eine kleine Kommode mit einem Waschkrug und einem Spiegel. Und natürlich gab es noch... die Toilette. Es erinnerte mehr an eine kleine Kurfe eines sehr kleinen Flusses, welches aus einem Loch kam und in ein anderes floss und durch eine Wurzelkonstruktion, ähnlich einer Toilettenbrille konnte man sich darauf setzen. Das er es extra für sie geschaffen hatte, war ihr ein wenig peinlich, denn es war schon die ganze Zeit ein heikles Thema für sie gewesen. Auch wenn er, wie man es sich wohl bei einem Hasen vorstellte, gelassen sah. Doch er, sie war sich aber nicht sicher, schien es wohl, wie für Hasen üblich eine Örtchen im Wald zu besuchen, während er für sie bereits schon einmal eine Art Toilette geschaffen hatte, was aber weder an einem so stillen, privaten Ort war, wie jetzt, noch so eine praktische Konstruktion. Denn sie hatte sich, peinlich berührt, bis jetzt, immer nieder knien müssen, als würde sie an einer Autobahn stehen um sich mal eben im Wald zu erleichtern. Die Blätter die an der Stelle wuchsen, waren jedoch wenigstens zum einen groß genug und glatt genug gewesen um ihren Zweck zu erfüllen.

 

„Hase du bist der Beste“, sagte sie und warf sich ihm an den Hals.

 

„Für dich tue ich alles, kleiner Fratz“, sagte er liebevoll und streichelte ihren unbändigen blonden Schopf.

 

„Aber Hase... meinst du wirklich, das...“

 

„Nein, fang jetzt nicht damit an.“

 

„Ja aber... ich sollte nicht hier sein. Sicherlich störe ich dich die ganze Zeit und die ganzen Sorgen die du dir um mich machst...“

 

„Die werden nicht weniger wenn du fort wärst. Und du behinderst oder störst mich auch nicht bei irgendetwas. Ich werde Hoffnung bringen, wie jedes Jahr.“

 

„Das stimmt“, lächelt sie. „Danke dafür“, sagte sie und küsste ihn auf die Wange und drückte sich wieder an ihn. Es war so ein schönes Gefühl körperliche Nähe zu spüren, in den Arm genommen zu werden, wenn sie es brauchte oder liebe Worte. In dem Fall auch eine Menge Taten.

 

„Es tut mir leid das ich dich enttäuscht habe... du weißt schon, wegen dem Umzug und so.“

 

„Längst vergessen.“

 

„Vielleicht sollte ich mich anziehen. Eine Decke an sich zu pressen ist auf Dauer nicht sehr praktisch“, lächelte Sophie und ging zurück in ihr Zimmer.

 

Das erste ehrliche Lächeln nach Tagen voller Trauer und Verlust. Nun hatte Sophie das Gefühl einen Ort gefunden zu haben an dem ihr nichts und niemand etwas anhaben konnte. Keine Sorgen wegen den Finanzen oder der Polizei, keine Streitereien, keine lästigen Besucher. Nur sie und Hase. In diesem Moment wünschte sie sich das sich das niemals änderte.

Kapitel 16 – Fesselnde Albträume

 

Sophie fühlte sich sehr wohl bei Hase. Das Haus das er für sie geschaffen hatte, erzeugte heimelige Gefühle in ihr und machte ihr die Trennung von ihrem bisherigen Leben leichter. Das Einzige was ihr zu schaffen machte war, das sie keine Ablenkung hatte. Kein Fernseher, kein Handy, keine Freundinnen. Sie hätte vieles dafür gegeben um sich nur für eine Stunde ins Internet einzuloggen um zu Chatten, selbst wenn sie nur die üblichen Sprüche gelesen hätte, die sie oft von jungen und auch älteren Männern erhalten hatte. „Hey wollen wir nicht einmal einen Kaffee trinken gehen?“ „Ich find dich süß.“ „Du bist sehr hübsch!“

 

Kontakte wollte sie, nur ein wenig Kontakte. Und doch gab es einen Teil in ihr, die nichts von ihren Freundinnen, von ihrer Familie hören wollte. Keine Belehrungen, keine lästigen Fragen. Keine Predigten über Verantwortung und das sie sich zusammenreißen solle. Sophie war längst volljährig, und doch kam sie sich vor wie ein naiver Teenager. Brad hatte ihr so übel mitgespielt, sie schwor sich das nie wieder mit sich machen zu lassen. Nie wieder angelogen, betrogen werden. Nie wieder unnütze Streitereien, keine Dealerei. Nie wieder ein Mann!

 

Sie hatte genug.

 

Plötzlich hörte sie etwas und glaubte sogleich zu wissen was es war. Tatsächlich, dachte sie sich, als sie aus ihrem Fenster sah. Hase trainierte wieder fleißig. Er sprang von einem Fleck zum Nächsten. Von einem Felsen sprang er an einen Baumstamm, stieß sich ab, rollte sich über den Boden und warf währenddessen seine Bumerangs um Früchte von einem Baum zu holen oder den Kopf einer besonders schönen Blume vom Stiel zu trennen. Es war erstaunlich wie geschickt, schnell und wendig er sich bewegen konnte, ohne zu Stolpern oder gar zu Stürzen. Sophie beobachtete ihn gerne während er sich verausgabte.

 

Während sie sich gegen die Wand lehnte und ihn beobachtete, blieb Hase mit einem Mal stehen, zuckte mit den Ohren und blickte direkt zu ihr herauf. Grün traf auf Grün und ehe Sophie es sich versah, wurde sie rot und wendete sich schnell vom Fenster ab. Es war unsinnig. Sie hatte nichts schlimmes getan und sie konnte sich auch nicht erklären weshalb sie sich nun so dumm benahm, aber es war ihr irgendwie peinlich das er sie erwischt hatte. Auch wenn es keinen Grund dafür gab.

 

Eilig lief sie die Treppe hinunter, hinüber durchs Wohnzimmer und öffnete die großen Glastüren, die zum Garten führten. Vor zwei Tagen hatte Hase ihr das Haus geschaffen und diese Beete angelegt. Doch nichts wurde bisher in diese fruchtbare Erde bepflanzt. Doch warum verstand sie nicht ganz. Hase konnte alles in sekundenschnelle wachsen lassen. Wozu da überhaupt ein Beet buddeln.....

 

„Willst du mir helfen etwas anzupflanzen?“, fragte plötzlich eine bekannte Stimme hinter Sophie. Erschrocken sprang sie zur Seite und hielt sich das Herz.

 

„Hase! Wie oft habe ich dir gesagt das du dich nicht so anschleichen sollst?“, rief Sophie wütend aus.

 

„Für jemanden der gerne hinter sicheren Mauern heraus beobachtet bist du dem Anschleichen ja sehr argwöhnisch gegenüber“, lachte er.

 

Sophie spürte wie sich ihre Wangen rot färbten, doch wollte sie dem nichts mehr hinzufügen.

 

Eine Stunde später war es geschaft. In jeder Reihe der Beete hatten sie verschiedenes Gemüse angepflanzt. Kartoffeln, Karotten, Sellerie, Kohlrabi, Bohnen, Tomaten und auch Getreide.

 

„Warum lässt du sie nicht einfach wachsen?“, fragte Sophie, nachdem sie ihre beschmutzten Hände in dem nahe gelegenen Fluss gewaschen hatte, an dem sie sich gesetzt hatten um den Sonnenuntergang zu beobachten.

 

„Es gibt eine Zeit für alles, aber alles zu seiner Zeit“, sagte Hase. Sophie schüttelte lächelnd ihren Kopf. Das war sein Motto für alles und auch wenn es stimmte, war es doch manchmal frustrierend.

 

„Ja das mag sein. Aber wieso lässt du es nicht dennoch alles einfach wachsen?“

 

„Das könnte ich, aber es würde dich auf Dauer nicht sättigen und deinen Körper nicht nähren. Nur Gemüse das lange Zeit in der Erde gewachsen und durch Wasser und Sonne genährt wurde ist wirklich reich an Nährstoffen und Vitaminen. Ich habe hier keine Geschäfte in denen du etwas kaufen kannst oder diese merkwürdigen Fast-Food-Restaurants. Wir können von Jamie nicht ewig erwarten das er für dich Unmengen zu Essen kauft, also pflanzen wir für dich an. Ich will das du in der Lage bist dir hier dein Essen zu kochen, dir dein Brot zu backen. Ich habe zwar hier kein Fleisch für dich zur Verfügung...“

 

„Ja, nein... ich meine, ich brauch es nicht. Du musst nich, du weißt schon...“ Das Thema Fleisch war Sophie sehr unangenehm. Natürlich mochte sie Fleisch, sie brauchte es nicht jeden Tag, aber sie aß es sehr gern und wollte nur ungern darauf verzichten. Doch das Hase seine Tiere für sie tötete, die hier in der Unterirdischen Oase lebten um das Gleichgewicht seiner Natur zu unterstützen, würde sie niemals von ihm verlangen.

 

„Ich werde dir zeigen wie man Jagd.“

 

„Hier?“, fragte Sophie erstaunt. „Nein. Hier unten niemals. Aber Oben in der Welt der Menschen, werde ich mit dir Jagen gehen, auch wenn du den tödlichen Schritt allein gehen musst. Aber zu einem späteren Zeitpunkt.“

 

***

 

Alles war schwarz, kalt und klebrig. Blut klebte an ihren Händen, sickerte ihr aus dem Leib und benetzte ihre Oberschenkel. Wieder durchlebte Sophie diesen merkwürdigen Albtraum. Doch wurde es mit keinem Mal leichter. Jeden Morgengrauen erwachte sie schweißgebadet und zitterte.

 

„Wie ergeht es meinem Schicksalskind?“, hallte die einschmeichelnde Stimme wie aus weiter Ferne und doch vom Nahen als stünde er hinter ihr.

 

„Willst du dich wieder an meinem Elend laben?“, fragte Sophie verhasst und schlang die Beine um ihre Knie.

 

„Oh, wer wird denn so schlecht von mir denken?“, lachte die Stimme höhnisch.

 

„Wie wäre es wenn du verschwindest, mir geht es auch ohne dich schon beschissen genug.“

 

„Da magst du recht behalten. Doch ziehen mich deine Träume magisch an. Es ist als würdest du einen Bär mit Honig locken. Oder einen Hasen mit einer Karotte“, lachte er abfällig.

 

„Sind es denn noch immer meine Träume?“, fragte Sophie in die Dunkelheit und hoffte das es nicht die Ihren war.

 

„Ja“, kam die kurze, knappe, unerwünschte Antwort.

 

„Weißt du wann das enden wird?“

 

„Nein. Das hängt ganz von dir ab....“

 

„Und ob du mich gehen lässt“, schloss Sophie die Gedanken ihres nächtlichen Besuchers.

 

„Du bist ein kluges Mädchen.“

 

„Aber du wirst mich niemals gehen lassen....“

 

„Ein sehr kluges Mädchen.“

 

„Tust du mir ein Gefallen?“

 

„Wie ungewöhnlich. Noch niemand hat mir derlei Dinge abverlangt. Um was handelt es sich?“

 

„Bringe einer bestimmten Person die schlimmsten Albträume. Wenn ich schon leiden muss, soll auch er leiden. Er ist der Grund für meine Qualen“, spie Sophie zwischen ihre verzogenen Lippen heraus. Hass war das Einzige das ihr noch Kraft und Mut gab.

 

„Nein... noch nicht. Mir fehlt noch etwas Kraft. Aber bald, mein kleines Schicksalskind. Bald wird er die selben kalten, schwarzen Dinge fühlen und sehen wie du es tust.“

 

„Danke....“

Kapitel 17 – Die Heilung beginnt

 

 

Hase verbrachte die Tage damit Sophie in die Welt des Gemüseanbaus-und Pflege zu unterweisen. Sie schien sich die letzten Wochen zu erholen, doch plagten sie noch immer die blutigen Albträume. Inzwischen hatte es sich eingebürgert das er des Nachts mit ihr im Wohnraum saß und ihr alte Geschichten erzählte bis sich ihre Augenlider von allein schlossen und er sie hinauf in ihr Bett tragen konnte. Sophie traute sich nicht zu schlafen und ihre Nächte wurden immer kürzer. Tagsüber war kaum etwas mit ihr anzufangen, da sie nur übermüdet herum saß und sich kaum konzentrieren konnte.

Hase dachte inzwischen darüber nach ihr nicht ein wenig Hanf unterzujubeln, damit sie einmal richtig ausschlafen konnte, doch fürchtete er das sie es merkte und wieder süchtig würde oder glaubte das sie nur noch damit Schlaf finden würde. Doch an diesem Tag sah sie besonders schlimm aus. Blass wie ein Vampir mit tief schwarzen Augenringen. Glücklicherweise hatte sie etwas zunehmen können, allerdings sah sie noch immer zu dünn aus.

 

Irgendetwas musste er unternehmen.

 

Nachdem Sophie fertig mit dem gießen ihres kleinen Gartens war, rief er sie zu sich.

 

„Setz dich zu mir“, sagte Hase, der unweit vom Bett im grünen Gras saß und die friedliche Landschaft in sich aufnahm.

 

Sophie tat wie ihr geheißen, setzte sich zu ihm und lehnte sich sogleich an ihn. Sie klammerte sich an seinem Arm und rieb ihre Wange an seinem Schulterfell.

 

„Du bist so schön weich und warm, Hase“, sagte sie und schloss genüßlich die Augen. Durch den Schlafmangel fror sie stark und kaum der Brennende Busch konnte sie genügend Wärme abgeben. Hase packte Sophie kurzerhand und setzte sie auf seinen Schoß. Zwischen seinen Schenkeln konnte sie gemütlich sitzen und fand in in seinem Brustfell ein gemütliches Kissen. Sophie seufzte zufrieden, zitterte aber noch immer heftig. Sanft streichelte er sie und mit der Zeit, dank seiner Körperwärme und der Sonne, fand ihr Körper ruhe und tatsächlich war sie schnell eingeschlafen. Allerdings wärte es nicht lange, denn schon schreckte sie aus ihrem Sekundenschlaf.

 

„Schhhh, schlaf Soph. Ich bin hier und pass auf dich auf. Sobald du Albträume hast wecke ich dich, in Ordnung? Aber nun schlaf einfach, ich bin da“, flüsterte er an ihrem Ohr und wiegte sie ein wenig hin und her.

 

„Danke Hase“, nuschelte sie müde, wobei ihr ein wenig Speichel am Mundwinkel herauslief und war sofort wieder im Tiefschlaf. Hase behielt sie lange auf seinem Schoß, doch irgendwann schliefen ihm die Beine ein und so hob er Sophie hoch und trug sie hinauf in ihr Bett. Doch wie versprochen würde er an ihrer Seite bleiben und darauf achten ob sie einen Albtraum hat.

 

Sie sah so friedlich aus, ob sie im Tiefschlaf war oder ob sie etwas Schönes träumte? Er betrachtete sie gerne. Aus ihr war eine schöne, fröhliche und kluge Frau geworden, was ihn in all den Jahren erstaunt hatte. Jedes Jahr ums neue wurde er mit ihrem neuen Ich überrascht. Wenn er sie kurz besucht hatte, stand ein völlig neuer Mensch vor ihr, immer ein Stück weiter verändert, gewachsen, geformt. Ihr helles Lachen klang noch in seinen Ohren nach wenn er sich erinnerte und ihre großen leuchtenden grünen Augen, die immer aufgeblitzt waren wenn sie ihn hinter einem Busch oder Baum entdeckt hatte. Ihr strahlendes Lächeln welches sie ihm immer geschenkt hatte. Es war immer ein ganz bestimmtes Lächeln gewesen, das nur sie ihm geschenkt hatte. Sein Lächeln.

 

Aber nun war es verschwunden. Brad hatte es ihm gestohlen. Und nun war es tief in ihr begraben und es würde lange dauern ehe es wieder zum Vorschein kam. Wenn es das je passieren sollte. Denn er spürte das sie noch immer an Brad festhielt, auch wenn sie nicht mehr oft über ihn redeten. Er sah wie sie sich mit feuchten Augen über den Unterleib strich und ihre Lippen zu zittern begannen. Sophie versuchte nach vorne zu schauen, tapfer zu sein, aber ihr fehlte die Kraft. Ihr fehlte die Hoffnung. Er als Hüter der Hoffnung versuchte ihr zu helfen, doch gab es eine Barriere zwischen ihnen. Es mussten die Albträume sein die sie Nacht für Nacht quälten und die schrecklichen Ereignisse ihr immer wieder vor Augen führten. Die sie nicht vergessen ließen und die Heilung daran gehindert wurde ihre Pflicht zu tun.

 

Zwischenzeitlich musste Hase aufstehen, sich die Beine vertreten und etwas essen, wie es scheint holte sie alles an Schlaf nach, was sie in den letzten Wochen nicht bekommen hatte. Nachdem er sich den Bauch vollgeschlagen hatte mit Salatköpfen und Möhren, legte er sich zu ihr und nahm sie in die Arme, da sie wieder zu frieren begann. Wohlig seufzend drängte sie sich näher zu ihm und vergrub ihre Hände in seinem Brustfell.

 

Nach einigen Stunden begann es zu dämmern und die Nacht brach an. Sophie schlief noch immer ruhig und brabbelte ab und zu etwas vor sich hin, was sich allerdings nicht nach einem Albtraum anhörte. Alsbald wurden auch Hases Augenlider immer schwerer und schon bald hatte es auch ihn niedergestreckt.

 

***

 

Die Sonne schien herein und eine sanfte Brise wehte durchs Fenster als Hase wieder aus dem Traumland zurück fand. Etwas kitzelte seine Schnurrhaare und als er mit zuckender Nase seine Augen öffnete, setzte sein Herz für einen Moment aus. Direkt vor seinem Mund lag Sophie, deren Mund nur zwei Zentimeter von seinem entfernt war und er ihren Atem in seinem Gesicht spüren konnte. Sie sah so friedlich aus und während er sie so ungläubig anstarrte spürte er ihr Bein, welches sie zwischen seine gelegt hatte. Sogar einen Arm hatte sie locker auf seine schmale Taille gelegt, was in ihm ein kribbelndes Gefühl auslöste.

 

Längst vergessene Sehnsüchte traten ans Tageslicht und er konnte kaum glauben das er das fühlte, was er in sich spürte. Er hatte geglaubt das er sie vor vielen, vielen Jahrhunderten in sein tiefstes Inneres gesperrt hatte, in die hinterste Ecke seines Herzens, in einem unzerstörbaren Gefängnis. Doch scheinbar waren sie wieder zum Vorschein getreten. Sollte er die kleine Entfernung überwinden? Nur für einen kurzen Moment? Sie schlief noch, sie würde nichts bemerken. Aber ihr einen Kuss zu stehlen, den sie nicht von sich aus hergab, wollte er nun auch nicht.

 

Während er sich noch so seine Gedanken machte, was er nun tun sollte, regte sich Sophie, streckte sich ausgiebig und drängte sich näher zu ihm. Kaum hatte sie sich bewegt, hatte sie die Entfernung überwunden und ihren Mund an seinen Gedrückt. Sogleich begann sie zu lachen und öffnete ihre Augen. Der Moment zog sich für Hase endlos hin.

 

Ihre weichen Lippen auf seinen, ihr helles Kichern und dann diese leuchtenden Augen, die in den letzten Wochen so traurig und matt gewesen waren. Als sie wacher wurde und ihn wahrnahm, begann sie zu blitzen und ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Sein Lächeln.

 

„Oh. Morgen Hase. Ich dachte im ersten Moment du wärst Abbey“, lächelte sie.

 

„Ha, oh nein Keule, tu das nicht. Verwechsel mich niemals mit diesem Flohzirkus“, sagte Hase gelassen, spürte aber die Enttäuschung in seiner Brust. Abbey war eine große Hündin gewesen, ein Greyhound, der nichts anderes im Sinn hatte, als Hase zu jagen, sobald sie ihn witterte. Sie war der Hund der Familie gewesen, war aber an Altersschwäche gestorben, als Sophie noch ein Teenager gewesen war.

 

„Ich war noch gar nicht richtig wach und diese Schnurrhaare... Abbey hatte mich gerne geweckt früher und nun hab ich mir wohl eingebildet das sie es war“, lachte Sophie und strich mit ihren Fingern über Hases Lippen und zog die Schnurrhaare durch ihre Finger, wobei ihm die Schnute zuckte. Es brachte Soph immer zum Lächeln und ihm erwärmte es das Herz.

 

Im Augenblick sah sie viel frischer aus, nicht mehr so blass und ihre alte Lebensfreude, ihre Ausstrahlung war wieder mehr an die Oberfläche gedrungen. Vielleicht hatte die Heilung nun endlich begonnen? Es wäre Zeit, wo sie nun schon seit drei Monaten bei ihm war. Auch stand die Ernte ihres Gartens vor der Tür und dann würde sie die Küche einweihen können.

 

„Hast du gut geschlafen?“, fragte Hase während er versuchte sein Herz zu beruhigen, als sie sich wieder an ihn kuschelte.

„Ja“, hauchte sie mit belegter Stimme. „Es hat mir geholfen das du bei mir warst, irgendwie. Ich habe noch nicht das Gefühl Bäume ausreißen zu können, aber ich fühl mich viel viel besser. Wie lange habe ich geschlafen?“

„Sechszehn Stunden.“

„Was? So lange?“

„Du warst sehr übermüdet“, lächelte Hase.

„Das stimmt. Ich hoffe das ich jetzt immer so gut schlafen kann. Ab jetzt wirst du wohl immer bei mir schlafen müssen“, lächelte sie.

„Kein Problem“, sagte Hase.

 

Wirklich kein Problem. Vielleicht hätte ich dich schon früher in meinen Armen einschlafen lassen sollen, so wie früher als du einmal hier warst. Aber du bist kein Kind mehr, sondern eine Frau mit gebrochenem Herzen und ich wollte mir keine Gefühle zugestehen. Aber wenn ich das nicht tue, müsste ich dich wegschicken, doch das kann ich nicht.

Kapitel 18 – Intrigen

 

Seit vier Monaten war Sophie nun schon bei Hase und inzwischen glaubte sie an eine tatsächliche zweite Chance. Noch immer quälte sie die Trennung von Brad, obgleich sie ihn leidenschaftlich hasste. Zumindest versuchte sie es, aber manchmal wünschte sie sich das es eine Möglichkeit gab die letzten Monate zu vergessen und einfach wieder versuchen mit ihm ein Leben aufzubauen. Die Fehlgeburt aber machte ihr am meisten zu schaffen und egal wie sehr Hase sich bemühte ihr zu helfen, sie spürte das nur der Vater des Kindes ihr heilbare Trost schenken könnte. Aber das würde sie niemals bekommen.

 

Zeitweise glaubte sie das Hase sich regelrecht vor ihr versteckte. Immer wieder trieb er sich in den entlegensten Winkeln seines Baus herum um zu trainieren oder verschwand auch in der Welt der Menschen um seine Pflichten als Osterhase nach zu kommen. Sophie fühlte sich manchmal von ihm zurück gewiesen, aber sie konnte ja auch nicht erwarten das er vierundzwanzig Stunden an ihrer Seite verbrachte.

 

Träume schlecht mein Schicksalskind. Träume und sieh was er dir angetan hat.

 

Wer?

 

Der Osterhase. Anderen erfreut er mit seinem Frühling, seinen bunten Eiern, doch dich hält er hier fest, wie eines seiner großen Steinwächter.

 

Er will mich nur beschützen.

 

Oh wirklich? Vor was? Vor dem Glücklichsein mit Brad?

 

Sprich nicht so über ihn, er hat sich um mich gekümmert.

 

Sicher? War er es nicht der dich festgehalten hatte, dich hier behalten hatte wie eine Gefangene?

 

.nein?

 

Er hat dich daran gehindert zu Brad zurück zu kehren, hatte er sich nicht für dich entschieden und dem Kind? War er nicht ebenso traurig das es sterben musste?

 

Er hatte diese... andere.

 

Nein, sie war doch nur zum Trösten da. Wärest du niemals weg gewesen hätte sie sich jemand anderen zugewandt und er hätte sie vergessen. War er denn nicht mit dir zusammen gezogen, hatte entschieden mit dir euer Kind groß zu ziehen? Einen Neuanfang zu machen?

 

Ja.

 

Glaubst du er hätte dich gehen lassen wenn du nicht wochenlang verschwunden gewesen wärst und er sich aus Wut und Sorge einer anderen zugewandt hätte?

 

Nein.

 

Das siehst du es. Hase hat sich eingemischt, was ihm nicht erlaubt ist. Er hat sich zwischen dich und deinem Glück gedrängt. So egoistisch ist das Häschen nun einmal. Er will dich ganz für sich, ihm ist es egal wie sehr du leidest wegen ihm. Hauptsache du gehörst zu seinen Trophäen und lebst in seinem Bau, ob glücklich oder nicht.

 

Oh mein Gott.....

 

Er hätte dich niemals mit in den Bau nehmen dürfen, du kennst die Regeln. ER hat sie gebrochen, nur um dich zu besitzen.

 

Du hast recht.

 

Wer weiß, vielleicht wäre das Schicksal anders verlaufen, wenn er sich nicht eingemischt hätte. Vielleicht hätte es dein Kind noch geschafft.

 

Aufgekratzt erwachte Sophie aus ihrem Mittagsschlaf. Gemütlich hatte sie neben ihrem Garten gelegen, auf einer Decke die Hase ihr extra für draußen geschaffen hatte. Pitch Black war ein Ekel, aber er hatte recht. Hase hatte sich eingemischt, und sie nicht nur einmal davon abgehalten ihrem Herzen zu folgen. Sie hätte mit den Umständen die geschehen waren leben müssen, aber sie wäre wieder vereint mit Brad und vielleicht gäbe es ihr Kind noch immer im ihrem Leib. Inzwischen hätte sie eine ordentliche Kugel am Bauch.

 

„Guten Nachmittag, mein süßer Fratz. Gut geschlafen?“, fragte Hase, der gerade ums Haus herum gehoppelt kam.

„Ja“, sagte Sophie knapp, da ihr noch immer der Traum in den Knochen saß.

„Hey, hast du etwas?“, fragte er verwirrt und sah sie sorgend an.

„Nein, mir geht’s gut“, sagte sie nur und lief geradewegs durch die Terrassentür zum Wohnraum, um dann eilig hinauf in ihr Zimmer zu rennen.

 

Die nächsten Tage ließ Sophie kein gutes Haar an Hase. Sie wich ihm aus, sagte nur das nötigste, manches mal schrie sie ihn sogar an. Er wäre schuld an der Trennung, rief sie ihm wütend entgegen. Einmal schrie und weinte sich gleichzeitig und sagte ihm er wäre ein Mörder, der ihr Kind auf dem Gewissen hatte.

 

Nach einigen Tagen hatte sie genug. Sie musste raus aus diesem Reich dieses pelzigen Monsters. Wie so oft in den letzten Tagen lief sie an den großen Tunneln vorbei, welcher jeder von ihnen zu einem der sechs Kontinenten führte. Irgendwie musste sie von hier fliehen können. Sie nahm den rechten Tunnel und lief diesen dunklen, dämmrigen Weg entlang. Es dauerte lange ehe sie ein Licht am Ende des Tunnels entdeckte. Und als sie schon erleichtert seufzte und sich auf die Menschenwelt freute, trat sie heraus und fand sich wieder in Hase's Bau wieder.

Wie konnte das nur sein?

Stundenlang war sie herum gelaufen.

Nun war sie wieder aus dem selben Tunnel getreten, in dem sie hinein gegangen war?

 

Wütend stampfte sie zu dem Berghügel, in dem sich die Höhle von Hase fand. Wie erhofft traf sie ihn dort in der Küche an, als er gerade ein paar Möhren verschlang.

 

„DU!“, fauchte sie und trat auf ihn zu.

„Ich?“, fragte er blickte ihr verwirrt entgegen.

„Du hast die Tunnel manipuliert. Ich komme nicht mehr hinaus. Lass mich endlich gehen, verdammt, du hast mir schon genug Schmerz zugefügt.“

„Bitte? Sophie..... SOPHIE! BLEIB STEHEN! Was soll das, Sophie? Was ist los mit dir in letzter Zeit, warum spinnst du so rum?“, fragte er, nun auch wutentbrannt und hielt sie am Arm fest, damit sie sich nicht wieder in ihrem Zimmer einsperren konnte.

„DU BIST SCHULD! DU BIST AN ALLEM SCHULD! Warum hast du mich nicht bei Brad gelassen?“

„Warum ich dich.... gggggrrrrr ER HAT DICH IM STICH GELASSEN!“

„HAT ER NICHT!“

„Ach nein, wer fand dich denn sterbend am Boden. Er war es jedenfalls nicht. Glaubst du wirklich er hätte sich gebührend um dich gekümmert, wo er doch derjenige war, der die Sache heraufbeschworen hatte?“

„Nein er ist nicht....“

„Sag es mir. Sei ehrlich zu mir, hast du dich umbringen wollen wegen dem Verlust deines Kindes oder weil er nicht für dich da war? Du bist jung, du bist fruchtbar, du kannst ein Dutzend Kinder gebären wenn du es willst. Sehr viele Frauen auf dieser Welt müssen mit so etwas schrecklichem leben. Lag es denn nun daran, weil du das eine so liebtest oder weil er dich im Stich gelassen hat?“

 

„Wie kannst du nur...?“, hauchte sie mit Tränen im Gesicht. Sie wollte die Erinnerungen nicht noch einmal durchleben.

„Leidest du wegen dem Leben das du nicht erhalten konntest oder weil der Vater des Kindes sich aus seiner Verantwortung gezogen hat. Erinnere dich was er dir gesagt hat, als du vor ihm standest und ihm erzählt hast was passiert ist. Vielleicht ist es besser so! Waren das nicht seine Worte gewesen? Ich hätte dir... Jeder andere hätte dir so etwas nicht angetan, schon gar nicht die Schmach und Schande von so einem billigen Flitchen ersetzt worden zu sein. Ich... Jeder Mann wüsste was er an dir hätte...“, rief Hase ihr aufgebracht ins Gesicht, während er sie grob bei den Schultern gepackt hatte.

 

„Hase, ich....“

„Wie kommst du nur auf solche Gedanken? Wer pflanzt dir solchen Unsinn in deinem Kopf?“

 

Eindringlich betrachtete er sie.

„Antworte“, knurrte er gereizt.

„Ich... ich hab doch so schlimme Träume in letzer Zeit und... Pitch hat gesagt...“

„PITCH? DU HÖRST AUF PITCH?“, schrie er nun mit einer lauten donnernden Stimme, die von den Höhlenwänden widerhallte.

„Hase es....“

„Wann hat er sich eingeschlichen? Warum hast du mir nichts gesagt?“, fragte er auf einmal mit einer dünnen, zerbrechlichen Stimme.

Sie hatte ihn sehr tief verletzt, das wusste sie nun und es brach ihr schier das Herz.

 

„Er hat sich nicht direkt eingeschlichen. Er.... er sagte ich wäre ein...“

 

„Schicksalskind!“, beantwortete Hase sich selbst die Frage.

 

„Ja. Es lag nicht an ihm. Eines Tages hatte er begonnen mit mir zu sprechen. Und letztens hatte ich ihn gebeten, sobald er stark genug sei, das er auch Brad diese Albträume schicken möge, die auch mich quälen. Und er erklärte sich dazu bereit. Ich wusste das er mich nicht gehen lassen würde, ich glaubte du könntest es ohnehin nicht verhindern. Dann sagte er das.... nun ja. Es tut mir leid, ich hätte nicht auf ihn hören sollen“, schluchzte Sophie und ihre Beine gaben nach.

 

Hase drückte sie an sich und strich ihr kurz sanft über den Kopf.

 

„Tu das bitte niemals wieder“, sagte er mit düsterer Stimme. „Verliere niemals das Vertrauen oder deinen... Glauben an mich.“

 

Noch nie in ihrem Leben hatte sie ihn so geknickt und verletzt gesehen, die Augen verräterisch feucht und seine Ohren hingen schlaff hinunter. Ohne sie eines Blickes zu würdigen, ließ er von ihr ab, ließ sie stehen und verschwand nach draußen.

Wolken waren aufgezogen, ein kräftiger Wind wehte um den Hügel und ein heftiger Regen setzte ein. Es wurde kalt und dunkel.

Sophie lief, die Arme um sich selbst geschlungen, hinauf in ihr Zimmer und weinte.

Kapitel 19 – Versöhnung

 

Drei Tage und Nächte hatte Sophie Hase nicht mehr zu Gesicht bekommen. Sie fühlte sich mehr als Elend und jeder Tag, jede Minute hatte sich wie Kaugummi gezogen und ihr Leid für sie dadurch ewigwährend spüren lassen. Ziellos war sie durch die Höhle gelaufen, hatte die Wiesen und Wälder abgesucht, doch nie hatte sie ihn finden können. Er wollte nicht gefunden werden, das hatte sie gewusst. Und mit jeder erfolglosen Suche wurde ihr das Herz schwerer und glaubte es müsse bald zerspringen. Sie konnte mit keinem Wort ausdrücken wie sehr es ihr leidtat, und immer wieder durchlebte sie den letzten Augenblick mit ihm. Die feuchten Augen, die hängenden Ohren und dann noch....

 

„Verliere niemals das Vertrauen und deinen.... Glauben an mich“, hatte er gesagt. Sie wusste dass das Erlebnis vor vielen Jahren, als außer Jamie und sie den Glauben an ihn verloren hatten, ihn schwer getroffen hatte. Diesen schmerzreichen Blick, den er ihr bei diesen Worten zugeworfen hatte, musste der gleiche gewesen sein, denn er damals gehabt hatte. Obwohl es nicht die Kinder betraf. Sondern nur sie.

 

Von den Konflikten in ihrem Inneren und der Verausgabung der Suche, lehnte Sophie sich an ihren Fensterrahmen und sah hinaus. Als sich ihre Augen an etwas hefteten, das nicht ins Bild der letzten Tage passte, machte ihr Herz einen riesigen Sprung.

Hase, er war zurück gekehrt.

Dort lag er auf der Wiese, nicht unweit vom Fluss. Friedlich lag er da, die Pfoten unter seinem Körper und die Ohren über seinen Rücken gelegt, wie ein normaler Feldhase sah er aus. Wäre da nicht seine enorme Größe und seine außergewöhnliche Fellzeichnung gewesen.

 

Hastig und mit wild klopfendem Herzen stolperte sie die Treppe hinunter, wobei sie die Kurve auf halben Wege nur schwer überwand und sich dabei die Schulter hart anstieß, doch das war ihr gleich. Hase war wieder da und nur das zählte.

Sie wurde immer schneller und das Adrenalin pumpte durch ihre Adern. Sie wollte wieder bei ihm sein, sein süße Fratz sein, ihn um Verzeihung bitten. Doch je näher sie ihm kam, desto mehr nahm die Angst zu ihn zu verlieren. Als würde er sich von ihr wenden, sobald sie das Wort an ihn richtete, obgleich er derjenige war, der zutiefst verletzt war, durch ihre harten Worte.

 

Einige Meter blieb sie von ihm entfernt stehen und betrachtete ihn. Wie eine Statue lag er da, die Hinterbeine angewinkelt, die Vorderpfoten unter seinem Brustfell. Er war vollkommen still, nicht einmal ein Barthaar zuckte oder sein Puschelschwanz, was sonst immer der Fall gewesen war, wenn sie sich ihm genährt hatte. Dann wusste sie immer das er sie registrierte. Aber nun lag er ruhig da und …. tja, er ignorierte sie.

Kälte und Schmerz breitete sich in Sophies Herz aus und sie drehte sich bereits halb von ihm weg um zu gehen, doch war sie nicht im Stande dazu. Sie musste es versuchen. Sich wieder mit ihm Versöhnen, um Entschuldigung bitten.

 

Ein Schritt tat sie, aber weiter kam sie nicht. Sie musste es tun, mit ihm reden. Egal wie schwer es ihr fiel oder wie sehr ihr seine Kälte zusetzte. Ohne ihn konnte sie den Tag, beim Wachsein nicht bewältigen, nicht leben. Selbst das Schlafen war ihr wieder schwerer gefallen.

Er war doch der Einzige, der ihr noch geblieben war.

Langsam schritt sie auf ihn zu, bis sie nur noch drei Schritte von ihm entfernt stand.

 

„Hase?“, fragte sie mit leiser, erstickter Stimme.

 

Nichts!

 

Sie nahm allen Mut zusammen und überwand den letzten Meter, die sie von ihm trennten. Sophie straffte ihren Rücken, atmete tief ein und kniete sich zu ihm, jedoch mit Abstand. Sie befürchtete, das er von ihr wegrutschen könnte. Diesen Schmerz wollte sie sich ersparen.

 

„Es tut mir leid“, hauchte sie und sogleich stiegen ihr die Tränen in die Augen. „Ich weiß ich hätte Pitch niemals zuhören sollen, aber es hatte sich über mehrere Träume so aufgebaut, ich meine... ich konnte ihn ja nicht aus meinen Träumen fernhalten und... nach diesen schrecklichen Träumen bin ich immer so erschöpft und so unendlich traurig, das ich... ich habe keine Kraft mehr, für nichts und.... Es klang alles so plausibel... NEIN, nicht so, es war...“

 

„Schon gut“, hauchte Hase, öffnete seine Augen und lächelte sie leicht an. „Ich wusste das du es nicht leicht hast und das du zu viel alleine bist hier bei mir....“

„NEIN!“

„Du brauchst etwas das dich ablenkt, einen normalen Alltag.“

„Tu das nicht“, schluchzte sie und umschlang seinen Hals. „Tu mir das nicht an, schick mich bitte nicht weg.“

„Aber....“

„Ich brauch dich“, flüsterte sie und sah ihm tief in die Augen.

„Ich habe nicht das Gefühl das ich dir ein normales Leben bieten kann.“

 

In den schönen grünen Augen von Hase konnte sie sehen wie er mit sich kämpfte, also versuchte sie es weiterhin.

„Ich habe nichts mehr in der Menschenwelt, und niemand der für mich da ist, bitte, ich will bei dir bleiben.“

„ ….“

„Für eine Weile... bitte“

„Gut, für eine Weile... bis es dir besser geht“, sagte er und schloss wieder seine Augen.

 

Glücklich lehnte sich Sophie an ihn und genoss seine Wärme, auf der sie drei Tage, was für sie wie eine Ewigkeit vorkam, verzichten musste. Selbst sein Geruch berauschte sie und es fühlte sich an, als würde der Duft, den sie in ihre Lunge sog, ihr Herz erwärmen.

 

********

 

Hase lag dort auf seinem Lieblingsposten auf der Wiese, auf einem kleinen Hügel, von dem er auf den Fluss hinunter blicken konnte. Er hatte Sophie kommen hören, ihren süßen Geruch in der Nase wahrgenommen, welcher der laue Wind zu ihm getragen hatte. Doch er konnte ihr nicht zeigen das er wusste das sie da war, da er befürchtet hatte, noch mehr solcher verletzenden Anschuldigungen zu hören. Natürlich hatte er gesehen das es ihr sogleich leid getan hatte, als er gegangen war. Doch die Angst wieder diese... Verachtung in ihren Augen zu sehen, diese Wut und Enttäuschung, das konnte er nicht ertragen, auch wenn die Trennung von ihr schmerzhaft gewesen war.

 

Allerdings hatte er es nur drei Tage ohne Sophie ausgehalten. Ohne ihrer hellen Stimme, ohne ihren süßen Duft, ohne ihrem erwärmenden Lächeln... sein Lächeln. Ernsthaft hatte er darüber sinniert sie nach Hause zu schicken, in die Menschenwelt. Zurück zu ihren Eltern, zurück zu Jamie, ja für einen kurzen Moment sogar zurück zu Brad, wie sie es sich die ganzen Wochen immer ersehnt hatte. Allen weltlichen Schmerz hätte er auf sich genommen, wie sehr es ihm auch das Herz zerrissen hätte, nur um ihr ihren Wunsch zu erfüllen.

 

Aber sie würde bleiben, freiwillig und aus freien Stücken. Er hatte sich vorgenommen, sie nicht mehr alleine zu lassen und sie überall hin mitzunehmen, damit sie ihn kennenlernen konnte. Ihn, sein wirkliches Ich.

Nicht der Hase der jeden Frühling die Eier brachte, sondern E. Aster Bunnymund!



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