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Nur eine Nachricht

Vergiss mich nicht
von

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Verletzt

"Harpyie Attacke! Lösche seine restlichen Lebenspunkte aus und hol mir den Sieg!" Mais machtvolle Harpyie überwand trotz einer Falle, da Mai bestens mit Konterfallen ausgestattet war und brachte die Lebenspunkte des Mannes auf 0. In Kombination mit Zauberkarten war ihr Monster fast von niemand aufzuhalten. Allerdings nahm die Frau den Sieg ohne ein Wort ans Publikum an. Unbekümmert warf sie ihre lange blonde Mähne nach hinten, als der Wind ihre Strähnen durcheinander brachte.

"Das kann nicht sein.", hauchte der dickliche Mann mit Vollbart erschöpft und sank trauernd auf die Knie während die hübsche Blondine sich für die ersten Sekunden freute, erneut den ersten Platz gewonnen zu haben. Anhand eines milden Lächelns konnte man es erkennen, dass sie noch über Emotionen verfügte. Für mehr war sie nicht zustande. Innerlich freute sie sich ein wenig mehr, aber es zu zeigen, war ihr egal. Es gab immerhin gutes Preisgeld womit sie ihre Wohnung endlich mehr Möblieren könnte. Jedoch gab es auf dieser Welt nichts, wofür sie sonst kämpfte. Wofür es sich lohnen würde, zu kämpfen. Kein wichtigeres Motiv. Einfach nichts. Die Leere in ihren Augen war sichtbar. Wo einst ein Glanz war, war nun eine Kälte zu erspähen, die genauso erschütternd war wie der Anblick einer Götterkarte.
 

Einsam und alleine fühlte sie sich. Doch wen sollte sie von ihrer Trauer schon erzählen? Ihre achso tollen Freunden, die sich seit mehreren Monaten nicht einmal meldeten? Knurrend schüttelte sie ihren Kopf. Sie war es Leid jeden Menschen hinterher zu rennen. Schon damals als sie dachte, sie hätte Freunde gefunden, meldeten sie sich nie, außer es ging um Geldprobleme. Natürlich, jeder war nur in ihrer Nähe weil ihre Eltern, die sie in stich ließen, Unmengen an Geld besaßen und dies vermutlich immer noch verfügten. Doch am aller meisten hasste sie es, dass sie Joey nicht aus dem Kopf bekam. Mai wusste nicht ob sie ihn anfing zu hassen, zu vermissen oder sonst irgendwelche primitiven Emotionen für ihn besaß. Warum konnte er sich nicht einmal bei ihr melden? Ein Mann sollte Stärke beweisen und sich melden. Jeder Macho denn sie damals in Bars kennenlernte, hätte dies sofort getan, sofern sie ihre richtige Handynummer ihnen gegeben hätte. Aber nein, sie interessierte sich für einen jüngeren Bursche, der sie nicht einmal in ihren Leben je eine einzige verdammte SMS schrieb. Verärgert darüber, zerquetschte sie fast die Hand des Mannes, der ihr das Preisgeld überreichte und die Trophäe.

„Entschuldigung.“, kam es monoton von ihr, senkte ihr Haupt. Erneut dachte sie zurück, an die Tage, wo sie alle noch zusammen gegen das Böse kämpften.
 

"Hier ihre Trophäe.", mit diesen Worten riss der Mann, im schicken Gewand, sie aus ihren alltäglichen deprimierten Gedanken und fuhr mit leicht erschrockenen trübseligen Gesicht empor. "Danke..", mit falschem Lächeln auf ihren Blutroten Lippen nahm sie ihren Preis entgegen sowie die 3000 Euro. Jedoch wie eine Gewinnerin fühlte sie sich nicht. Kaum war sie von der Bühne gestiegen und wollte den Duellturm verlassen, so begann die Leute schon über sie zu reden. Manche haben von ihm bereits ihren Namen vergessen oder behielten ihn falsch in vergänglicher Erinnerung. Ab und zu redeten auch Männer, dass sie die junge Frau lieber flanken wollten als gegen ihr zu kämpfen. "Wow", entkam es ihr genervt, es war immer dasselbe. Tatsächlich als sie in den Schatten wieder hinein tauchte und zum Ausgang langsam schritt, war die einzige Bemerkung die man flüsternd aber doch deutlich vernahm, "Die Miss Valetina würde ich gerne mal im Bett zeigen wo der Haken hängt." Es reichte! Verdammt! Warum konnte sie sich keinen Namen machen wie Yugi, Seto oder sogar Joey? Warum? Lang es daran, dass sie eine Frau war? Stocksauer ging sie zu dem jungen Mann stampfend entgegen, der sichtlich nervös auf ihre Verwandlung hin zu ihr aufsah. "Ich heiße Valentine, falls du diesen einfachen Namen nicht in deinen Schädel hineinbekommst, solltest du erst gar nicht an mich denken! Du solltest vielleicht dein Gedächtnis trainieren und nicht vergebens mit einer Penispumpe spielen!", fauchte die Blondine aufgebracht, sodass auch noch die Menschentrauben weiter weg alles laut und deutlich verstanden.
 

Ohne weitere Worte ließ sich der unbekannte Junge die Beleidigungen um die Ohren sausen. Niemand konnte sagen, dass die junge Frau keinen Mut besaß und auf dem Kopf gefallen war sie schon lange nicht. In dem Rausch bekam sie nicht mal mit, dass sie ihn an seinen zerknitterten Kragen gepackt hatte. Kurz funkelte sie ihn verächtlich an, ehe sie unbekümmert ihn los ließ und schnellen Schritte heraus ging. Mit einer geballten Faust und mit einer Trophäe in der Hand, verließ sie das Gebäude und stieg in ihr blaues Cabrio. Doch der Motor blieb aus. Hände krallten sich wie verbissen in das Lenkrad und drohten es zu entreißen. Mai war sauer. So sehr, dass sie am liebsten gerade jeden Menschen anschreien wollte, sofern sie es konnte. Warum hatte sie das verdient? Wieso durfte sie nie, wirklich niemals glücklich sein?
 


 


 

„Hey Yugi! Was soll der Scheiß alter?!“, meckernd versuchte Joey sein Handy wieder in seinem Besitz zu bekommen, allerdings machten ihn Tristan, Tea und Yugi ihm es nicht leicht. Er wusste nicht wovor er gerade mehr Angst hatte. Entweder würde sein Handy beim hin und her werfen noch zu Bruch gehen weil einer bestimmt das Handy nicht auffing, oder was Yugi Mai versuchte zu schreiben. Zur Krönung; alle anderen machten auch noch mit und spielten quasi mit ihm Schweinchen in der Mitte. Jeder schrieb die Nachricht weiter, jeder grinste bei dem tippen und ehe er sein IPhone an sich nehmen konnte, wurde es willkürlich weiter geworfen. Joey war kurz davor eine Krise zu bekommen. „Hört endlich auf mit dem Kindergarten!“ Ein Befehlston, der eigentlich keine Widersprüche zuließ. „Wir wollen dir nur helfen.“, erklärte Tea sachte aber konnte sich ein schelmisches Grinsen nicht unterdrücken. Mittlerweile liefen sie schon alle schneller, fingen es zum Glück immer wieder auf. Joey war sportlich, aber gegen eine ganze unverschämte Bande konnte er es nicht aufnehmen.
 

„Wo wollt ihr mir helfen? In dem ihr mein Handy zerstört?!“ Joeys Gesicht nahm allmählich aber beständig die Farbe einer roten Tomate an. „Du musst endlich Mai schreiben! Wir alle wissen, dass du auf sie stehst!“, sagte nun Tristan lauthals zu seinem besten Kumpel der plötzlich zu einer Salzsäule erstarrte. „Das ist nicht wahr! Sie..sie.ist halt eine gute Freundin!“ Noch immer stand Joey entrüstet vor seinen Freunden wie bei einem Kleinkind, dem man seinen Lieblings Lutscher nicht kaufte. „Darum beschützt du sie auch mit deinem Leben! Schaust sie ständig an. Wenn es um sie geht bist du bereit alles zu geben. Jetzt wo du sie schon länger nicht mehr gesehen hast, starrst du ständig Löcher in die Decke!“ Yugi sprach für alle. Hart schlucken musste Joey, er war nicht fähig gewesen direkt zu antworten.

„Ich bin bereit für euch ebenfalls alles zu geben und das hab ich auch schon bewiesen!“, nörgelte er im aufgebrachten Ton, da es schlicht weg die Wahrheit war. Für sie tat er ebenfalls alles.

„Oder ist es auch entgangen?“, hinterfragte der junge Bursche weiter, hob seine Augenbraue empor und verschränkte seine Arm streng.

„Als du mich zum ersten mal gesehen hast, wurdest du nicht Rot um die Nase und nanntest mich nicht auch „Heißer Feger“..“, fügte Tea nun siegessicher hinzu. Lachend schauten nun Tristan und Tea auf Joey und grinsten teuflisch. „Sososo, dass höre ich gerade zum ersten mal. Jaja...“, raunte Tristan während er seinen Freund einen Arm um die Schultern legte und ihn spitzbübisch genau musterte.

„Das liegt daran, dass du kein heißer-.. Ich meine, du bist halt eine gute Freundin…“, korrigierte er sich prompt, als er eine geballte Faust sah, die Tea gehörte.
 

„Zurück zu euch! Als wenn ihr noch keine heiße Frau gesehen habt und sowas gedacht habt! Es gibt viele heiße Frauen!“, protestierte dieser weiterhin. Er ließ jede Anklage fallen. „Sie ist also heiß.“, wiederholte Tea seine Worte. Just in moment, reagierte Joey instinktiv schnell und entriss Tea das Handy. „NEIN!“ Jedoch er lief einfach mit dem Handy davon, natürlich in Richtung seiner Klasse, da die Pause eh bald zu Ende war. Was er nicht wusste war, dass seine Freunde nicht aufgeben würden. Sie hofften auf eine weitere Gelegenheit ihn das Handy zu entreißen. Immerhin waren alle in einer Klasse und obendrein, sie saßen auch alle nebeneinander. Wenige Minuten später betrat die Truppe allesamt mit dem Lehrer dicht gefolgt, das Klassenzimmer. Mathematik war dran. Joey war kein großer Freund von Mathe, und er hasste es wenn Mathematik die letzten zwei Stunden waren bevor endlich die Glocke ertönte und sie alle nach Hause gehen konnten. Beziehungsweise meistens trafen sie sich direkt nach der Stunde und unternahmen was oder duellierten sich als Freunde, nichts ernstes. Joey war langsam wieder im Gedanken.
 

//Joey ich mag dich, weißt du.//
 

Das waren die letzten Worte von Mai ehe sie mit ach und krach in ihrem schicken Cabrio davon fuhr. Warum hatte sie sich nie bei ihm gemeldet? Sie hatten doch mal die Nummern ausgetauscht. War er ihr doch nicht von Bedeutung? Sie war doch nicht so schüchtern wie er gegenüber Frauen, bzw gegenüber ihr vor allem. Und warum zum Geier zerbricht er sich überhaupt den Kopf über Mai? Sie waren nur Freunde und nicht mehr. Oder? Als wenn er auf diese Braut in Leder stand! „Niemals!“ Laut polternd fiel sein Stuhl zu Boden und wären seine Reflexe nicht so gut wie der einer Katze, wäre auch sein Tisch mit samt Buch und Getränk umgekippt.
 

Stille. Doch nur von kurzer Dauer, als so gut wie jeder Schüler in ein fröhliches Gelächter ausbrach. Sogar seine Freunde lachten ihn aus, es sah einfach zu urkomisch aus. Beschämt saß er sich wieder auf seinen Platz, nachdem er seinen Stuhl wieder aufstellte. Er ist tatsächlich mit einem ohrenbetäubenden Gebrüll aufgestanden und riss den Stuhl dabei mit voller Wucht nach hinten. Mit verschränkten Armen kam Herr Alister auf Joey zu. Blieb direkt vor seinem Sitzplatz stehen bis er das Wort erhob und gleichzeitig reichte eine schwingende Handbewegung in die Höhe und die Klasse verschloss die Münder. Jeder wusste, dass diese Bewegung nie was gutes bedeutete, denn wenn der Lehrer erstmal sauer war, dann kam immer eine böse Predigt. Und Recht sollten sie alle behalten.
 

„Mister Wheeler, wie alt sind sie nochmal?“

„Ähm..19 Mister Alister.“

„Finden sie nicht, dass man langsam in diesem Alter, gerade wo es auf die Abschlussprüfungen hin geht, lernen und nicht vor sich hin träumen sollte? Oder wollen sie später hier unsere Toiletten reinigen? Wenn sie es möchten, trage ich sie direkt als Reinigungskraft ein.“
 

„Nein. Tut mir leid.“

„Gut. Passiert ihnen das noch einmal, dann werden wir uns auf eine andere Art und Weise Kennenlernen, Herr Wheeler.“
 

Mit diesen drohenden eiskalten Worten kehrte der alte Mann ihm den Rücken und ging elegant wieder zurück zur Tafel und schrieb seine Formeln weiter an die Tafel, als wäre nie etwas vorgefallen. Allerdings blieb die Stille in der Klasse bestehen, kein Geflüster ertönte für die nächste unangenehme Zeit. Joey wusste, er müsste sich mehr anstrengen, sein Studium könnte er sonst gefährden. Obwohl er sich mittlerweile nicht mehr sicher war, was er überhaupt will. Alles was er wollte, war nicht materiell. Niedergeschlagen atmete er schwer aus, nahm die fragenden fürsorglichen Worte seiner Sitznachbarn nicht wahr. Für ihn fühlten sich zwei Stunden gar wie Tage an und als endlich die sehnsüchtige Glocke ertönte, waren in Sekundenschnelle die Bücher verstaut und die Jacken angezogen. Sofort zuckte er sein Handy und lass die Nachricht, die seine Freunde zum Glück nicht vollenden konnten und in Gottes Namen zum Glück nicht abschickten.
 

//Hallo Mai, es tut mir unendlich leid, dass ich mich erst jetzt bei dir melde. Mir ist klar geworden wie wichtig du mir bist und dass ich dich vermisse. Nein ich brauche dich. Was ich dir damit sagen willst ist-//
 

Weiter wurde nicht geschrieben.

Bleib weg von mir

Mai war endlich zuhause angekommen. Müde und erschöpft entkleidete sie sich und zog sich ein gemütliches wärmendes Nachthemd über.
 

Gähnend schlenderte sie in ihr schön eingerichtetes Badezimmer, welches von weiten schon wohlduftend nach Kerzendüften roch. Mango mit Erdbeere gepaart. Mit einem undefinierbaren Blick mustere sie ihr Gesicht und ihr Haar im Spiegel. Wenn sie immer älter werden würde und keinen Kerl finden würde, würde sie vermutlich nie mehr einen bekommen. Irgendwann würden die ersten Falten kommen. Ihre Augenringe konnte sie manchmal nicht mal mehr mit Schminke verbergen, so schlecht schlief sie und dies machte sich auch langsam auf ihrer Haut sichtbar. Mit dem Stress im Schlepptau war ihre einst so weiche Haut langsam trocken und ab und zu vielen ihr mehr Haare aus als ihr lieb war. Sie durfte nicht so weiter machen. Ihr Äußeres war das Einzige, was sie noch einen Halt gab. Genau es war einmal. Immermehr hasste sie es, dass sie als so oberflächlich und billig abgestempelt wurde, nur weil sie selbstbewusst auftrat. Innerlich war sie ein ängstliches zitterndes Mädchen und nicht im ansatzweise mit einer Frau zu vergleichen. Mai schminkte sich komplett ab, kämmte ihre Haare zurecht und putze ihre weißen Zähne. Ihre Haare gingen mittlerweile bis zum Hintern. Dies würde sich diese Nacht ändern. Ohne weitere Gedanken zu verschwenden zog sie eine Schere aus der Schublade unter ihrem Waschbecken heraus und schaute ein letztes Mal auf ihre lockige lange Haarpracht. Schnipp Schnapp und ihre Haare gingen ihr noch bis kurz unter die Brust. Würde sie als Friseuren nicht so schlecht verdienen, hätte sie die Berufung bereits gewählt, da sie einfach ein Profi war in Frisuren zu zaubern. Grob geschätzt mussten mindestens 20 cm leiden. Und ab morgen würde sie ihre Haare glätten und ihre Biker Outfits, sowie ihre Lederhosen würden erstmal eine Weile das Tageslicht nicht mehr erblicken. Alleine in einer Kiste verstauben. Normalerweise machten Frauen eine komplette äußerliche Umwandlung wenn sie sich von ihrem Freund trennten oder einen allgemeinen Neustart wagten. Sie wollte einfach ab sofort unsichtbar sein und ihren Namen nicht mehr von irgendwelchen gemeinen Menschen so schädlich ausgesprochen hören. Vielleicht wenn sie komplett anders auftrat, würden nette Menschen auf sie zu kommen und sie könnte endlich wirkliche richtige warmherzige Freunde finden, die sie dann nie wieder gehen ließ. Es klang so einfach, einen sympathischen Menschen anzusprechen, jedoch für sie ein Horror. Nachdem sie ihre Haare im Bad aufgefegt hatte, begab sie sich auch schon ins Bett. Richtigen Schlaf würde sie vermutlich nicht bekommen, jedoch schlich sich endlich etwas Hoffnung in ihr einsames Leben. Wie jeden Abend schaute sie auf ihr Handy, doch keine Nachricht. Keine Nachricht von Ihm. Typisch. Joey war glücklich mit seinen Freunden und vielleicht hatte er auch Gefühle für Tea oder sonstigen bereits entwickelt und er dachte nicht mal im Geringsten mehr an sie. Vermutlich würde sie es niemals herausfinden, denn sie würde niemanden mehr hinterher laufen. Ab morgen würde sie ein ganz anderer Mensch sein! Zu oft wurde sie enttäuscht und je mehr Zeit verstrich, umso weniger wollte sie ihn in den Arsch kriechen. Nur eines war klar, sie vermisste diese Truppe in ihren tiefsten Herzen auch wenn sie es sich selbst nie laut aussprechen lassen würde. Banal und kindisch waren die Gefühle. Als ob man in solch einer kurzen Zeit, die sie zusammen verbachten, freundschaftliche Gefühle hegte. Doch sobald sie an Joey dachte, wurde ihr schlecht. Was es auch immer bedeutete, dieses ekelhafte Gefühl im Bauch sollte endlich aufhören.
 


 

Am nächsten Tag
 


 

Mai traute ihre eigenen Augen nicht. Sie sah total anders aus, aber im positiven Sinne. Ihr gefiel das Bild im Spiegel. Glatte Haare standen ihr ungemein gut und ohne Schminke sah sie kaum anders aus, nur etwas jünger. Zudem trug sie keine knappen Kleidungsstücke, kein Leder oder ähnliches, sondern sie trug ein sommerliches Kleid, was für den sehr warmen Herbst bestens geeignet war. Es war Schulterfrei und ging bis zu ihrem Knie und in Schneeweiß gehalten. Um ihre Taille band sie sich eine grüne Schleife als ein Gürtelersatz. Ihre voluminöse Haarpracht steckte sie sich hoch, ließ nur paar kleine leicht gelockte Strähnen ihr um tänzeln. Dazu passende Ohrringe und eine schlichte Kette und eine ebenfalls hellgrüne Passende zierliche Handtasche. Ihre Hackenschuhe waren schlicht weiß. Mai würde sich jetzt selbst als unschuldig und unbefleckt bezeichnen, wenn sie es selbst nicht besser wüsste. Sie wirkte wie eine gerademal 20 Jährige. Drei Jahre sah sie mindestens jünger aus. Seit sie Yugi und die anderen verlassen hatte, verlernte sie zu Lächeln und endlich lächelte sie ehrlich. Alles war perfekt, bis auf eine kleine winzige Sache, die sich noch früh genug zum größten Problem entpuppen würde. Wo sollte sie hingehen um Leute kennenzulernen? Wie sprach man fremde Menschen höfflich an, ohne aufdringlich zu wirken?
 

Laut schnaufte sie und stützte sich mit beiden Händen auf ihr Waschbecken Rand ab. „Na toll Mai, was nun?“
 

Es war Wochenende, sonnig und viel los auf den Straßen ihrer City.

Sollte sie sich in einem Park duellieren?

„NEIN! Hör auf an Duellmonsters zu denken! ARGH!“

Auf ihren Absätzen drehte sie sich geschwind und adrett um. Kurz zwickte sie sich im Arm, holte sich in das hier und jetzt zurück, rappelte sich auf und machte sich nochmal das Gesicht frisch, ehe sie ihre Tasche schnappte und mit besserer Laune aus der Tür verschwand. Lautes klacken ertönte, die Tür wurde verschlossen und kurz darauf war auch schon das laute quietschen ihrer Reifen zu hören. Kaum saß sie in ihrem schicken Cabrio, so musste sie sich eingestehen, nicht alles würde sie jemals verändern. Dazu gehörte ihr rasanter Fahrstil, der ihr schon öfters Probleme mit der Polizei einhamsterte. Mit ach und krach fuhr sie drauf los, dies würde sich wohl nie ändern. Mai genoß die Sonnenstrahlen die ihr Gesicht streichelten. Kräftig zog sie die frische Luft des Meeres ein, genoss den Blick der sich ihr bot.
 

„Oh ya, du und ich Baby, ab heute werden wir uns untern den Menschen mischen!“ Mit einem brummen ging ihr Auto an und mit voller Granate schoss es davon, als ihr Fuß mit voller Kraft das Gaspedal traf. Während ihre Haare herum geschleudert wurden und sie ihre Sonnenbrille nebenbei richtete, wurden ihre Finger immer zittriger. Nervosität stieg ihr so rapide schnell in all ihren Venen auf, dass sie sogar einen Gang runter schaltete und langsamer durch die Straßen fuhr. Fast schon so schnell, wie ein normaler Bürger. Angstschweiß trat auf ihrer Stirn. „Ach im Park kann man auch wann anders fahren, oder?“ , sprach die hübsche Blondine zu sich selbst und vollführte eine scharfe rechts Kurve an der Kreuzung, die ihr vieles Hupen einbrachte und hoffentlich keine Punkte.
 

„Dekoration. Dekoration!“ Innerlich hasste sie sich dafür, dass sie direkt kalte Füße bekam und ihre zuvor von Euphorie gepflasterte Idee in den Sand setzte. Wie konnte man sich so sehr vor neue Bekanntschaften fürchten? Klar sie wusste es, hinterfragte es dennoch. So kam es, dann sie ihr Auto an einem Seitenweg kurz parkte. Hastig atmete sie ein und aus, ehe sie versuchte eine Träne zu verbergen, trotz der dunklen Sonnenbrille. Um ihr Leid noch zu ummanteln, traten auf ihrer Netzhaut Erinnerungsfetzten ein, die sie zurückblicken ließen an einem schönen Moment, der zwischen ihr und Joey sich ereignete. Er war ihr wirklich mal hinterher gelaufen, zu ihrem Auto und wollte ihr was mitteilen, was er jedoch nicht über seinen Lippen brachte.
 

HUUUUUUUUUUUUUUUPPPPPPPPPPPPPPPPP
 

Mai erschrak. „HEEEY! Spinnst du? Warum hupst du einfach drauf los?“, brüllte sie ein fremder Fußgänger entgegen, der sichtlich sehr genervt war. In ihrer Wut hat sie einfach mit geballter Faust auf ihre Hupe geschlagen und sämtliche Passanten haben sich ziemlich erschrocken.
 

„Ja ja… ist doch nichts passiert!“, meckerte sie ebenfalls lautstark dem Mann entgegen und wischte sich die Träne unter ihre Brille hinfort. Ohne seine weiteren Worte abzuwarten, startete sie erneut ihren Wagen und fuhr weiter.

„Typisch blond!“, konnte sie noch von weiten schreien hören, was sie dazu trieb, erneut ihr Lenkrad verkrampft zu umfassen. Ungewollt biss sie sich auf ihre Lippe und fuhr durch innerliche Ortschaft mit 80 Sachen und auf schnellstem Wege zum Einkaufszentrum für Wohneinrichtungen.
 

„Ich hasse Männer… ich hasse sie einfach.“, nörgelte sie noch minutenlang stillschweigend in ihrem Geist herum. Mai kam nicht drum herum auf ihren Kiefer zu beißen. Man vermag sein Äußeres zu leicht zu ändern, doch einen Charakter, war schier unmöglich. Frustriert über diesem neuen Bekenntnis, versuchte sie trotzdem weiterhin an sich zu arbeiten. Sie muss ruhiger werden, doch bei solchen Idioten war es wirklich schwierig.
 

Laut wurde ihre Autotür zugeschlagen, anschließend abgeschlossen und warf ihre zerstreute Mähne über ihren Rücken. Wenigsten bekam sie noch einen Platz unter einem Schatten, sodass ihr Lenkrad später nicht ihre Hände verbrennen würde. Mit kleinen Schritten lief sie durch die Menschentrauben, hinein zu ihrer Ablenkung, das Möbelhaus. Ergriff einen Einkaufswagen und betrat den Eingang. Trotz des heißen Wetter waren viele Leute auf der Suche, nach einer passenden Wohneinrichtung. Vor allem erblickte sie sämtliche glückliche Paare, die Hand in Hand durch die Gänge das Einkaufszentrum latschten. Hier würde sie vermutlich auch auf keine Single Menschen treffen, aber es war ihr egal. Vielleicht lag es auch daran, dass ein Mensch irgendwann kälter wird, je mehr er verletzt wird.

Mai strebte nach neuen Dekorationen und einem großen Wandspiegel, den sie im Schlafzimmer aufstellen wollte, direkt neben ihrem Schminktisch. Ganz viel wollte sie verändern, doch dafür müsste sie sich wieder viel mehr duellieren, oder eher einem Beruf nachgehen. Jedoch wenn sie in ihrem Geldbeutel schaute, sah sie bald die aufkommende Leere. Solange das Portmonee noch nicht von Motten zerfressen wurde, sollte es um ihr Gemüt noch nicht allzu schlimm sein.

Wenn Mai jetzt mit dem duellieren kürzer treten wollte, brauchte sie dringend einen Job. Ohne Geld würde sie nicht lange zurechtkommen und auf der Straße landen wollte sie erst recht nicht. Gleichzeitig wusste sie, wenn sie keinen Job finden würde, müsste sie wieder an Turnieren teilnehmen und wieder ihr altes Leben führen. Bloß nicht! Ab heute begann ihr neues Leben, es würde härter werden, als ihre Vergangenheit. Je öfters sie von vorne begann, umso mehr schmerzte ihr Herz und in der Nacht, ertränken sie die bösartigen Träume. Führten sie zurück in ihrer grauenhaften Kindheit, zurück zu ihren falschen Freunden oder auch zu Joey.
 

Nicht lange dauerte es und sie griff, wie ein Kind nach einem lang erwünschten Spielzeug, nach diversen Schmuckstücken. Nur für sie waren es Vasen, Bilderrahmen, Kerzenständer, Lampen und Blumentöpfe, damit sie Kakteen halten könnte. Andere Blumen würden bei ihr nur eingehen, dass wusste sie... Was sie darüber hinaus wusste war, dass ihr Portmonee bereits weinte. Leider würde es definitiv für den Spiegel nicht mehr reichen.
 

»Ach irgendwelche Nieten kann ich schon platt machen und dann habe ich das Geld wieder direkt raus. Hoffe ich doch.«
 

Und da war wieder ein schlechtes Omen. Mai stöhnte, ihre einzige richtige Liebe, das Duellieren, wollte sie eigentlich aufgeben.

Im Gedanken summend ging sie an einer kleinen Männergruppe dabei, die sie direkt aus ihrer farbenfrohen Welt entrissen. Es ging nicht um ihr Namen, um kein Sieg, weder um ihr aussehen, noch um sonstige Frauen, doch sie lauschte wenige Worte, die sie unruhig stimmten. Reich der Seelen. Hinter einer großen Holzkommode blieb sie kurzzeitig stehen. Spähten ihre Ohren und versuchte sich von der Radiomusik, die im gesamten Geschäft laut und deutlich vor sich her trällerte zu ignorieren.

„Der Film war echt genial!“, rief plötzlich eine weitere Stimme hinter der Holzkommode aus. Fehlalarm. Auf leisen Sohlen, schlich sie sich samt Einkaufswagen hinfort. Noch wenige Sekunden blieb sie in der Entfernung stehen, warf einen mutigen Blick hinter sich, doch keine Chance, die Männer zu identifizieren, die sie noch eben belauschte. Sie gingen in einer anderen Richtung.
 

„Entschuldigen sie junge Dame, ich müsste hier durch, bitte.“
 

„Oh, natürlich.“
 

Sofort schob Mai ihren Einkaufswagen beiseite und drehte sich bei der netten Stimme um. Hinter ihr stand ein junger gutaussehender Mann, der von einem weiteren Kerl begleitet wurde. Sofort waren die Spiele der Schatten vergessen. Ob der schwul war? Waren es Brüder? Wie eine Flutwelle wurde ihr Kopf von Fragen ertränkt. Mai wusste es nicht wie es um seine Sexualität stand, jedoch erhoffte sie sich, dass es Brüder oder Freunde waren. Er war vielleicht wenige Jahre älter, war einen Kopf größer als Mai, muskulös und hatte dunkel braunes kurzgeschnittenes Haar. Seine Augen waren hellgrün und sein perfektes Lächeln umschmeichelte sein zartes Gesicht. Auch schien im es nicht an Geld und Modegeschmack zu mangeln. Sein schickes Hemd und seine silberne Armband Uhr, verrieten ihr so einiges. Und so nett wie er sie ansprach, deutete es doch auf vermutlich gute Manieren hin.
 

»So Mai, wage dich an Smalltalk!«
 

„Ist irgendwas in meinem Gesicht?“, befragte der Unbekannte Mai, der sie skeptisch anschaute.
 

„Ähm. Nein… Nein.. “, stotterte sie leicht, bemerkte eine leichte Röte auf ihre Wangen, die sie nicht vertuschen konnte, so sehr sie es auch versuchte. Keine Spur von Smalltalk brach sie über ihren zarten Lippen. Sie war einfach aus der Übung. Je mehr sie vor sich her stammelte, umso mehr glich die Farbe ihre Wangen, die einer Kirsche. Dies blieb den beiden nicht außer Acht, weshalb er begann zu grinsen. Zudem auch das erste Wort an ihr, wäre ihm nicht sein Bruder zuvor gekommen.
 

„Kann ich ihnen helfen?“, mischte sich der andere ein, der vermutlich wirklich sein Bruder war, nachdem Mai ihn heimlich genauer begutachtete. Sie sahen sich ziemlich ähnlich, nur das seine Figur um einiges dürrer war, als die des etwas größerem.
 

„Ach eigentlich nicht, danke. Ich suche nur paar kleine nette Dekorationen für meine Wohnung. Wie man sieht, habe ich auch einiges gefunden.“, lächelte sie mild, winkelte ein Bein an, und kreuzte ihre Arme hinter ihrem Rücken. Versuchte dabei so gut es ging gerade zu stehen, und ihre weißen Zähne zu präsentieren, indem sie versuchte so gut es ging freundlich zu Lächeln.
 

„Ich hoffe sie haben ein Auto oder einen tatkräftigen Begleiter bei sich, ihr Einkauf ist .. nun.. beachtlich.“
 

„Ein Auto ja, das zweite leider nein. Aber ich war schon immer eine selbstständige Frau. Ich heiße übrigens Val…ich meine Mai.“
 

„Mai also. Ein schöner Name für eine schöne Frau. Ich heiße Vincent und mein kleiner Begleiter ist mein Bruder Ron.“
 

Nach diesem Satz schüttelten sie beide abwechselnd Mai’s Hand und sie konnte ihren Scharm nicht im Geringsten verdecken.
 

„Danke… Freut mich sie kennenzulernen. Ich ~“
 

Inmitten ihres Satzes, verschluckte sie sich an ihren eigenen Worten. Blendete alles um sich herum aus, selbst die netten Männer neben ihr, die sie versuchten aus ihren Gedanken zu entreißen. Erfolglos. Ihre Kinnlade war geöffnet, ihre Atmung setzte kurz aus. Ihre weit aufgerissen Iriden visierten eine bestimmte Zielgruppe an, die gerade fröhlich plappernd hinter einem Regal hervorkroch.
 

„Hallo? Mai, geht es ihnen gut?“ Vincent schnipste mit einem Finger vor ihrer Nase herum, doch nichts würde sich an ihrer eingefrorenen Haltung verändern. Bei seiner Berührung an ihrer Schulter zuckte sie extrem zusammen, allerdings war sie jetzt wieder fähig, zu handeln.
 

„Joey…“, flüsterte sie nur für sich selbst hörbar.
 

„Was hast du gesagt?“ Beide Brüder schien besorgt und an ihrem Auftreten interessiert, was ihr gerade ziemlich egal wurde, obwohl der eine Kerl ihrem Geschmack ziemlich traf. Jedoch gab es nur einen einzigen Mann, der sie magisch anzog.

Joey war mit Tristan hier, ohne Yugi und Tea. Warum ausgerechnet heute, um dieser Uhrzeit? Mit gesenktem Blick, ohne jegliche Verabschiedung gegenüber ihrer neuen flüchtigen Bekanntschaft, stürmte sie regelrecht zu der Kasse. Nur noch eins wollte sie, hier auf der Stelle raus!
 

„MAI? WO willst du hin?“, rief Vincent ihr laut hinterher, wofür sie ihn gerade verfluchte. Zudem fragte sie sich, warum flüchtete sie eigentlich wie ein Kleinkind vor Joey? Sie wollte ihn sehen, sehr sogar, doch wo ihr heimlicher Wunsch gerade in Erfüllung ging, suchte sie das Weite. Warum? Hatte sie Angst, das Joey sie nicht erkannte? Er sie eventuell vergessen hatte? Oder das sie erfuhr, dass er eine Freundin besaß? . Flüchtete sie vor der Wahrheit? Mai war sich nicht sicher, ihre Beine zitterten und ihr wurde Speiübel. Ohne jemals die Worte laut auszusprechen, bemerkte sie gerade wie ihr Herz sich nach ihm sehnte. Durch solch eine banale Situation, stellte sie fest, was sie wirklich für ihn fühlte. Joey war weitaus mehr als nur irgendein enger Freund. Insgeheim wusste sie es schon lange, doch stempelte sie es immer als eine Schwärmerei ab, was sie jedoch jetzt sicher wiederlegen müsste. Aber warum? Er war jünger, albern, meldete sich nie, alles was für ihn wichtig war, waren schon immer nur seine Freunde. Nie hatte er sich gemeldet. Für ihn war all das was damals zwischen ihnen passierte, vermutlich nur eine leichte Schwärmerei, während es bei ihr weit mehr war als das. Wie konnte man bitte Joey lieben?
 

„VERDAMMT!“
 

„Alles…alles..in Ordnung?“, völlig verdattert schaute der junge Knabe an der Kasse Mai an, der ihre Vase wie versteinert umfasste, als hätte er gerade einen Geist gesehen. „Es tut mir leid. Bitte fahren sie fort.“ Wie in Slowmotion zog der Kassierer ihre Artikel über das Band. „Geht das nicht schneller?“, nuschelte sie in einem Ton, der nicht für ihr üblich war. Gebrochen und leise. „Oh entschuldige.“ Tatsächlich erfüllte er ihre Bitte und beeilte sich. Lag es daran, dass er sich vor ihr fürchtete oder einfach nur ein netter Mann war, dies würde ein Geheimnis bleiben.
 

„So es macht dann 105 Euro.“, summte er zuletzt ihr entgegen. Jetzt war Mai es, die bleich wie eine Leiche seine Augen fixierte.
 

„Oh okay… ich muss dann mit Karte bezahlen.“ Hastig wühlte sie wie eine Furie in ihr viel zu großes Portmonee herum, und stellte nach schweigenden Minuten fest, dass sie ihre Bankkarte zu Hause auf dem Tisch liegen lassen hatte. Hinter ihr begannen weitere Kunden an zu nuscheln. Jeder von ihnen hatte es am Wochenende eilig, und auch der Kassierer begann langsam mit seinem Fingern auf der Kasse herum zu wippen.
 

„Nun… ich hätte 100….104 Euro dabei… Reicht das nicht? Okay.. es sind nur 102.. Aber.. ICH KANN es morgen doch vorbei bringen… also den Rest?“
 

„Tut mir leid, aber ich darf das nicht machen. Sie müssen einfach was zurücklegen und es morgen holen.“, gestand dieser wahrheitsgemäß.
 

„Ich bezahle die restlichen 3 Euro. Wäre das dann okay?“
 

„Natürlich.“ Dankend nahm der Kassierer das Geld des Mannes entgegen, während sie gerade am liebsten im Boden verschwinden wollte. Mais Brust verengte sich, schleichend drehte sie ihren gesenkten Kopf und erblickte das fröhliche Gesicht von Joey.
 

„Hey Mai, lange nicht gesehen.“

Streit

„Joey… Was… nein also das brauchst du nicht machen… ich leg einfach was weg.“
 

„Bitte bezahlen sie.“
 

„Das ist kein Problem. Die drei Euro machen den Kohl nicht fett. Aber sag mal… Mai warst du beim Friseur?“
 

„Madame, sie müssen zahlen!“
 

„Das ist das erste, was du mich fragst, nach all der Zeit?“
 

„Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“
 

„Komm schon, da sehen wir uns nach so langer Zeit wieder und du wirst direkt zickig? Typisch“, genervt stöhnte Joey zur Seite hin weg und stemmte seine Hände gegen seiner Hüfte.
 

„Sie halten die ganze Schlange auf!“
 

„ICH BIN NICHT ZICKIG! DU bist…. Ach vergiss es.“, enttäuscht schluckte sie schwer.
 

„Gleich schmeiße ich sie hier raus!“
 

„Du bist anscheinend ganz die Alte.“
 

„………………..“
 

„Was soll das bitte heißen?“
 

„Und sonst so dahinten in der Schlange?“
 

„Das du genauso abweisend bist, wie eh und je.“, beschwerte sich Joey vor alle Mann lauthals.
 

„Langsam reicht es mir! Ich bin auch noch da!“
 

„Und du checkst immer noch nichts, wie eh und je!“, zischte die schlanke Frau aus zusammengebissenen Zähne bissig und schneidend scharf hervor. Die Situation schien Feuer zu fangen.
 

„Mam jetzt zicken sie den jungen Mann nicht an, er will doch nur für sie zahlen.“
 

„Was haben sie gesagt? Ich bin eine zicke?!“, knurrend wirbelte sie sich zu dem jungen Verkäufer um. Mit zornigem Blick, verengten Augen und angespannten Schultern stand sie direkt vor dem Kassierer.
 

„Ach jetzt hören sie zu! Sie müssen noch die restlichen 3 Euro bezahlen!“, meckerte der Verkäufer, der keine Angst vor ihr aufwies. Tapfer verlangte er weiterhin das Geld. Weiter hinten in der Schlange kamen schon fiese Drohungen die weit unter der Gürtellinie lagen. Wenn die Kunden es dürften, würden sie mit der Ware nach ihr werfen, doch auch das interessierte die Lady im Moment nicht. All die Flüche ignorierte sie mit einer Glanzleistung.
 

„Ja dann sagen sie es mir doch gleich!“, keifte Mai ihn zurück an, da sie sich von niemand als zicke beleidigen lassen würde und sie es hasste zuhören.
 

„DAS HABE ICH DOCH DIE GANZE ZEIT!“
 

Wie konnte es auch anders laufen, als dass Mai zum Gegenschlag im Wortgefecht ausholte, bis Joey alles beendete und die drei Euro regelrecht auf das Münztablett schlug.
 

„Jetzt sollte das stimmen.“, teilte er mit strengen Ton mit, so wie man es von ihm nicht kannte.
 

„Ähm ja, danke.“ Durch Joeys Worte wurde der nun zufriedengestellte Kassierer glücklich.
 

Knurren und leicht beschämt, verstaute die Blondine ihre Kleinigkeiten so gut es ging in ihre komfortable Tasche, den Rest kramte sie zügig wieder in den Einkaufswagen und machte Platz für den Nächsten. Noch glücklicher als der Kassierer waren die unendlich vielen Kunden in der Schlange, da es nun endlich voran ging.

Joeys Freund musterte die beiden auf sicherer Entfernung, er zog es vor nicht zwischen den beiden keifenden Hunden zu geraten.
 

Nachdem Mais Artikel alle im Einkaufswagen lagen, ging sie ohne einen weiteren Blick an Joey, apathisch in Richtung des Ausgangs. Natürlich hatte aber der blonde Kerl noch einiges mit der Dame zu diskutieren und würde sie nicht ohne eine Entschuldigung und einem Danke einfach so weggehen lassen. Sofort nahm er die Beine in die Hand und sprintete ihr hinterher, packte sie am Handgelenk und zog sie mit Einkaufswagen zur Seite.
 

„Aua, Wheeler du tust mir weh.“
 

„Ach, jetzt sind wir schon bei Wheeler?“ Eine ganze Palette an Gefühlen war deutlich heraus zu hören. Neben Enttäuschung war da noch Wut, Trauer und seine Stimme wirkte verletzt.
 

Mai zögerte, wusste nicht was sie antworten sollte. Alles was sie im Moment fühlte schmerzte so unendlich, dass sie Angst bekam, daran zu ersticken. Ihr Herz wurde ungemein schwer, als würde etwas darauf liegen oder es zerquetschen wollen. Auch bemerkte sie, wie ihre Hitze innerlich anstieg und mehr als unangenehm sich anfühlte.
 

„Warum willst du direkt vor mir flüchten? Habe ich dir was getan?“, verlangte er zu wissen und blieb stur. Noch immer hatte er ihr Handgelenk fest mit seiner Hand umschlossen und vergeudete nicht einen einzigen Gedanken daran, sie los zu lassen. Egal wie lange es dauern würde, er beharrte auf eine aussagekräftige Erklärung.
 

„Wenn du mal dein Gehirn benutzen würdest, wüsstest du warum ich sauer auf dich bin!“
 

„Wieso auf mich? Ich habe dir doch gar nichts getan! Nein der ach so böse Joey hat dir nur deinen Einkauf bezahlt!“
 

„Joey, es waren drei Euro und nicht hundertundfünf.“
 

„Verlangst du etwa, dass ich alles hätte für dich bezahlen müssen?“ Joey sah plötzlich ziemlich blass aus und verlor fast den Halt unter seinen Füßen.
 

„Nein, das meine ich doch gar nicht du Dummkopf! Überlege weiter!“, forderte sie ihn mit einer undefinierbarer Maske auf. Joey war Joey und somit räucherte es bald oben in seinem Kopf. Er war auf dem richtigen Weg, die Antwort zu finden, doch verwarf er schnell eben jenen richtigen Gedankengang, da sie sich selber hätte melden können. Da hatte der junge Mann auch nicht Unrecht, doch Mai war eben eine Frau mit Prinzipien. In Vergangenheit war sie zu oft die Person, die jeden hinterher rannte, nur um festzustellen, dass man sie wieder enttäuschte.
 

„Jetzt sag schon!“, bedrängte er meine und ließ seinen Griff nicht locker, ganz im Gegenteil. Bei seiner Kraft zuckte Mai zusammen, weshalb Joey ebenfalls einen Schritt nach hinten setzten und ungewollt den Griff so weit lockerte, dass sie diese Gelegenheit ausnutzte und ihre Hand befreite. Genauer betrachtet wäre sie liebend gerne sogar in seinen Armen, doch nicht jetzt. Er war vielleicht auch zu jung um all dies zu begreifen. So war er nunmal. Seinen leicht kindlichen Charakter könnte man nie verändern, dass wollte sie auch gar nicht, doch wünschte sie sich sehr, dass er einfach mal mehr Mann sein würde. Ihr einfach schrieb, ihr sagte, was er wirklich von ihr hielt. Auch überdachte sie ihre egoistischen Vorstellungen, doch waren sie beide stolze Starrköpfe.
 

„Wheeler, lass gut sein. Tristan wartet bestimmt schon auf dich.“, flüsterte Mai entrüstet und war den Tränen nah, doch auch ihr gab sie nicht kampflos auf. Siegreich schluckte sie all ihre Traurigkeit hinter einer kühlen Fassade runter. Sie wollte ein neues Leben und Joey… Ja was war mit Joey? Auch er sollte eigentlich die Vergangenheit angehören, wäre da nichts das verflixte eigentlich immer in jeder Verbindung mit ihrem Duellpartner.
 

„Achja Tristan… Er wird kurz warten können… Mai wir haben uns solange nicht gesehen. Freust du dich nicht, mich wieder zu sehen?“
 

Ihr würde übel, es traf sie mitten in ihr gebrochenes Herz. Sein plötzlicher Todtrauriger Blick ließ sie zittern. Nie hatte sie vorgehabt, ihn so sehr zu verletzen. Für diese Situationen gab es keine Vorbereitungen oder Übungen. Mai war überfordert und wusste weder was sie sagen, noch was sie machen sollte. So vieles würde sie ihm am liebsten erklären, doch das konnte sie einfach nicht. Alles in ihr brach zusammen, so wie ihre guten Vorsätze für ihren Neubeginn. Viel lieber hätte sie es gerade, dass er einfach wieder freche Dinge zu ihr sagt.
 

„Mai?“, sprach er weiter nervenschwach. Erschrocken schaute sie hoch.
 

„Tu nicht so als wäre ich dir wichtig…“ Schlagartig wurde der Blonde hellhörig und war wie überrumpelt, wie vor dem Gleis geworfen.
 

„Was redest du da? Natürlich warst und bist du mir wichtig!“
 

Dank diesen einen Satz brach bei ihr die eiserne Mauer.
 

„Dann hättest du dich an dein verdammtes Handy gesetzt und mich mal angerufen! Aber nein, natürlich kam kein einziger Anruf oder eine beschissene SMS!“
 

Plötzlich kam ihr Joey ziemlich nah und wischte mit seinen Daumen ihr eine Träne von der Wange. Merklich erschrocken darüber, dass sie nicht bemerkte, dass sie bereits weinte.
 

„Mai… du hättest dich genauso gut melden können. Es tut mir leid…wirklich.“
 

Aufgewühlt stellte sie fest, dass er sie in seinen Armen zog, vor all den meckernden Kunden, die an ihnen vor dem Ausgang vorbei gingen. Das wurde ihr zu viel, gegen ihren Willen stieß sie in beiseite, wenn auch nicht stark.
 

„Es tut dir leid? Bei jeden meldest du dich, nur nicht bei mir?“
 

„Mai, soll ich dir den Kerl von Hals schaffen?“
 

Beide drehten sich bei der expressiven dunklen Stimme sofort um. Mai schaute ziemlich konfus drein, während Joey dem noch Unbekannten ziemlich giftig beäugte.
 

„Dich geht dies hier nichts an. Zisch ab!“, räusperte sich der Jüngere ziemlich deutlich. Wiederholen wollen würde er sich nicht gerne. Innerlich war der Kessel bereits am Dampfen.
 

„Anscheinend geht es mich was an. Diese hübsche Dame kenne ich zufällig und sie scheint keine Interesse an dir zu haben!“
 

„Achja? Mai wer ist diese Schmalzlocke?“
 

Nachdem die Aufgeforderte ihn nicht antworte, tippte er sie an ihrer Schulter an und stellte die gleiche Frage erneut an der verdutzten Lady, die bei seiner winzigen Berührung direkt zusammen zuckte.
 

„Vincent, ich habe ich vorhin kennengelernt.“, erklärte sie in einer sonderbaren leisen Stimme, die der temperamentvollen Person überhaupt nicht ähnlich war.
 

„Also kennst du ihn eigentlich gar nicht? Dann ist es wohl geklärt. Zieh Leine!“
 

„Wenn du deine Wortwahl und deine keifende Stimme mir gegenüber nicht sofort änderst, knallt es!“
 

„Als ich vor einem aufgeblasenen Möchtegern Macho Angst habe!“
 

„Typen wie dir, haben wohl von Mami nie Manieren gelernt? Sie ist einige Klassen über dein Level, Kleiner.“ Beißend waren seine Worte und genau diese Worte sprengten alles.
 

Von weiten sah man schon, wie Tristan und Ron beide aus ihren Verstecken gekrochen kamen und auf ihnen zu liefen. Beide hatten vor, die angespannte Situation zu schlichten. Deshalb agierten sie beide gleich und versuchten die Streithähne von einander zu ziehen, die drauf und dran waren auf einander los zu gehen. Doch weder Vincent noch Joey schienen sich zu beruhigen. Ihre Wutadern platzten bald auf ihrer Stirnen.
 

„Ich sag es nur einmal noch für dich extra langsam. Verzieh dich!“, wutentbrannt schnaufte Joey bissig.
 

„Sonst was? Willst du kleiner Hosenscheißer mir sagen, was ich zu tun habe?“, fauchte Vincent.
 

„Hey Joey, beruhige dich! Dieser Kerl ist es nicht wert, dass du deine Faust dreckig machst!“, versuchte Tristan seinen besten Kumpel zu beruhigen, doch all seine Versuche gingen ins Leere, genau wie die von Ron.
 

„DU MISTKERL!“ In einem Ruck hatte sich Joeys aus Tristans Händen befreit und schlug Vincent eine beachtliche Faust mitten ins Gesicht. Sein Gesicht trotzte nur von Genugtuung. Blut spritze wie aus einem Springbrunnen und sämtliche Kunden schritten mit ein. Jeder versuchte sie zu stoppen, auf zuhalten und manche wollten einfach nur den Laden verlassen, was jedoch schlicht und einfach nicht mehr möglich war. Schließlich wurden auch die anderen Männer, ziemlich wütend und waren nicht abgeneigt, auch mit ihren Fäusten zu sprechen. Alle waren bereits an der Kasse mehr als gereizt. Es schien in ein völliges Chaos zu enden. Mai fühlte sich elend und schuldig. Panik, pure Panik machte sich in ihren Körper breit und sie bekam keine Luft mehr.
 

„DIR WERDE ICH ES ZEIGEN!!!!!“
 

Mai wurde dies alles zu viel, sie war gerade die Einzige die sah, dass sämtliche Security Leute angerannt kamen und das die beiden Kerle mittlerweile nicht mehr mit einander sprachen, sondern sie schrien quer durch den Laden. In der Zeit, wo die Männer meinten, herum zu pöbeln, nutzte sie die Chance und flüchtete leise und ganz unauffällig. Ohne sich zu verabschieden, verstaute sie in einer beachtlichen Geschwindigkeit ihren Einkauf in ihrem Cabrio und ließ den Einkaufswagen hinter ihrem schicken Wagen stehen. Aus guten Grund, weil sie von weiten schon die Kerle sah, wie sie aus dem Ausgang liefen mit suchendem Blick. Vielleicht auch Heraus befördert wurden, doch das würde sie jetzt nicht mehr erfahren, sie wollte einfach nur noch weg. Sie zitterte wie noch nie in ihrem Leben und der Sauerstoff blieb ihr viel zu lange verwehrt. Ihr ging es überhaupt nicht gut. Mit durchgetretenem Bein fuhr sie mich Vollgas vom Parkplatz herunter und kehrte ihnen den Rücken. Ihre gebrochene Fassade war komplett gebrochen, sie weinte als wäre gerade auf ihrem hübschen Gesicht ein Damm gebrochen. Dies führte schließlich dazu, dass sie nach wenigen Metern langsamer fuhr und eine ruhige Stelle suchte, um sich zu beruhigen.

Zwischenkapitel, die SMS

Mai kam verschwitzt, erschöpft, verheult und komplett daneben zuhause an. Nachdem sie ihren Einkauf in ihrer Wohnung in mehreren Gängen schleppte und in der ersten Ecke hin alles aufeinander stapelte, schniefte sie noch ein letztes Mal. Schuhe und Tasche wurde ziellos in ihrem Flur befördert, das Band nahm sie sich während des Weges zum Schlafzimmer hin ab und warf dies ebenfalls einfach mitten auf dem Boden. Mit dem Gesicht voran ließ die Frau sich auf ihrem Bett plumpsen. Drückte ihr verheultes Gesicht tief ins Kissen und schrie. All ihr Pain schrie sie mit voller Kraft hinein, doch das Kissen erstickte jeden Laut. Diffus rollte sie sich auf ihren Rücken, legte den Arm über ihre Stirn und ließ leider alles was sie heute erlebte, nochmals Revue passieren. Wie konnte ein solch schöner Tag so früh und so katastrophal enden? Sprachlos lag sie stöhnend im Bett. Schaute apathisch auf ihr Handy, als ob sie auf irgendwas Bestimmtes wartete. Im Nachhinein hätte sie einfach ihren stolz beiseite werfen sollen. Nur das würde wiederum bedeuten, dass all ihre neuen Vorsätze für die Katz waren. Thema Joey wollte sie abgehackt haben, doch das war viel schwerer als gehofft. Mai brauchte doch nur einen Schlussstrich ziehen, seine Nummer löschen, alle Erinnerungen wegschließen und sein Bild zerreißen. Doch das konnte sie einfach nicht, so sehr sie es auch wollte.
 

Was sollte sie also nun tun? Mai war sich prompt ihre Ziele für die Zukunft ungewiss. Heute wurde ihr aber auch wieder bewusst, dass Joey nun mal jünger war als sie und nicht immer sein Köpfchen benutzte. Doch fand sie das wirklich schlimm? Irgendwie war es auch ziemlich männlich von ihm, wie er sie vor dem anderen Kerl fernhalten wollte, sie gar beschützen. Jetzt wo sie all die Erinnerungsfetzen wieder aufwühlte, stellte sie positiv überrascht fest, dass Joey ebenfalls sich äußerlich geändert hatte. Seine zerstreute Mähne wurde gezähmt und um einiges gekürzt sowie sogar ausgedünnt. Zudem war sein schwarzes Hemd ziemlich schick und eng anliegen. Joey schien des weiteren Sport zu betreiben, immerhin waren seine Oberarme breiter als sonst. Allein als sie ihn direkt im Geiste vor ihm sah, schlug ihr Herz haltlos wild gegen ihrer Brust und im Bauch kribbelte es ungemein gut. Verdammt. Wie bei einer Kurzschlussreaktion griff sie ohne weiteres nach ihrem Handy. Scheiß auf Vorsätze, scheiß auf ihrem Stolz und scheiß auf andere Kerle. Dieser Mann würde ihr niemals aus ihrem Gedanken verschwinden. Nervös tippte sie seinen Namen in ihrem Mobiltelefon ein, fand seinen Kontakt und klickte auf Nachricht verfassen. Immer wieder verfasste sie die Nachricht an ihm neu. Einen Anfang zu finden war ungeheuerlich schwer. Sie wollte ein Treffen vereinbaren, sich persönlich entschuldigen für heute. Und in erster Linie wollte sie ihn in der Nachricht ein wenig von ihren Gefühlen gestehen. Dies war schwieriger als ihre Theorieprüfung für ihren Lappen.
 

 Hey….ich weiß nicht ob du überhaupt noch meine Nummer hast. Bestimmt bist du auch ziemlich enttäuscht und sauer von mir, dass ich heute vor dir geflüchtet bin. Ich kann dich verstehen, wenn du mir nicht verzeihen willst, ich kann es bei mir selbst noch nicht. Du kannst dir aber auch nicht vorstellen, was in mir alles vor sich ging. Das würde ich dir gerne erklären in einem persönlichen Treffen, falls du mich noch sehen möchtest? Ich würde dich sogar von zuhause aus abholen. Jedenfalls würde ich mich sehr freuen, dich zu sehen.

Mai
 

Wirklich genau in jede Sekunde, als sie vorhatte die Nachricht abzuschicken, ließ sie ihre SMS als einen Entwurf zurück. Sie war völlig von den Socken gehauen, Joey hatte sich wirklich bei ihr gemeldet. Anstatt die Nachricht von ihm zu öffnen, starte sie nur auf seinen Namen. Mai schluckte nervös. Ob er sauer war? Hatte er die gleichen Gedanken wie sie? Hatten ihre Worte ihm erreicht? Gedanken über Gedanken strömten wie einen Monsun über ihr. Schlussendlich kam sie nicht drum herum die Nachricht nicht so öffnen. In einem Schneckentempo öffnete sie die SMS des Blonden fiebrig.
 

Hallo Mai. Du fragst dich sicherlich warum ich mich nicht bei dir gemeldet habe, oder? Heute wurde mir mal wieder erneut bewusst, warum ich dir nicht schrieb. Du bist und bleibst egoistisch. Soll ich dir wie ein Hund hinterher kriechen? Erwartest du das von mir? Als du mich mit diesem Arsch allein zurück gelassen hattest, wurde mir bewusst, wie dumm ich doch bin. Tatsächlich habe ich mich für eine Frau eingesetzt, die mich einfach ohne weiteres zurück lässt. Mir nicht einmal danken kann. Geschweige denn schreiben kann. Alles was du mir gabst war, mich von dir weg zu schubsen. Was ich dir damit eigentlich sagen will ist, für mich war es das. Ein schönes Leben noch und werde mit Vincent glücklich!

Joey
 

Das war es. Dort stand es in schwarz und weiß, wobei sie die letzten Sätze kaum noch richtig lesen konnte. Zu viele Tränen kullerten ihr über ihr blasses brennendes Gesicht. Immer und immer mehr Tränen regneten auf ihr Kissen nieder. Alles wurde nass. Ihr gebrochenes bitteres Schluchzen ging in einem schmerzhaften Husten unter. Wie viel Schmerz konnte ein Herz nur ertragen? Seine Worte waren so schneidend giftig, dies konnte er doch wirklich ernst gemeint haben, oder? Das war nicht er, nicht ihr Joey.
 

Egal was sie auch in der Vergangenheit tat, er war nie sauer mit ihr. Nie. Joey war immer für sie da. Er riskierte sogar sein Leben für ihr und forderte Marek zu einem Duell auf. Fing sie im wahrsten Sinne des Wortes auf, als sie an einem herabstehenden Rohr hing und in die Tiefe drohte zu stürzen. Doch er war zur Stelle. Sie beraubte ihn sogar seiner Seele. Joey hat wirklich alles für ihr getan, mehr ging nicht und sie war echt zu stolz gewesen, sich mal bei ihm zu melden? Sie hasste sich so sehr für ihre Sturheit und ihre schwachsinnigen Prinzipien. Hass war untertrieben. Auch wenn er jeden Grund hatte sie zu meiden, es machte für Mai keinen Sinn. Vorhin gestand er ihr doch erst, dass sie ihm wichtig sei? Sollte es wirklich wegen dieser einmaligen Sache gewesen sein? Noch nie zuvor in ihrem überflüssigen Leben schrie sie ihre an gestauchtem Frust so bitter heraus, dass ihr die Kehle schmerzte. All ihre Schranken brachen und all ihr Zorn brach aus ihr heraus wie ein Tornado. Mit blanker Faust zerschlug sie den Wandspiegel. Riss die Vasen von den Schränken um sie mit einem kräftigen Tritt quer durch die Wohnung zu kicken. Alles was sie in die Hände bekam, zerriss sie in winzige kleine Stücke. Nur als ihre die Puste ausging, ihre blutige Hand bemerkte, sackte sie auf dem Boden und wurde schlagartiger ruhiger. Doch nur für den einen Moment, bis sie wieder abrupt anfing zu heulen. Stunden für Stunden vergingen und Mai saß auf einem dreckigen Scherbenhaufen und ihr Kopf war auf ihren angewinkelten Beinen gelegt.

Auf der Suche nach einem Job

Eine Woche später
 

Aufgeregt saß Mai in ihrem flotten Cabrio auf dem Weg zu einer Job Messe. Dringend brauchte sie einen Job und dies war die perfekte Gelegenheit. Hunderte von Firmen stellen sich vor und einige davon führen bei einem perfekten Bewerber direkt ein Bewerbungsgespräch durch. Soweit die Mundpropaganda. Sehr hoffte sich die schick zurechtgemachte Blondine auf solch einer Gelegenheit. In ihrer Tasche wurden mehrere Dokumente, sowie ihr Lebenslauf, sicher verstaut. Ihre lange Mähne wurde mit einem Fischgrätenzopf nach hinten geflochten. Dazu trug sie eine enganliegende weiße Jeans mit passenden Absatzschuh und einer sommerlichen Bluse in hell rot. Leichtes Make Up sowie einen frischen Lippenstift auf ihren prallen Lippen und das Outfit war perfekt. Mai hoffte sich auf einen Job als eine Verkäuferin in der Automobilbranche. Vermutlich nur ein kleiner Traum, aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
 

Pünktlich zur Eröffnung um 11 Uhr morgens kam sie an und schnappte sich wieder ein schattiges Plätzchen unter einem prachtvollen grünen Baum. Obwohl es noch nicht mal Mittag war, stand die Sonne bereits blendend am Himmelszelt und beschwerte den Menschen eine Hitzewelle. Heute war nicht mal eine kleine winzige Wolke zu erfassen. Nur die quälende Sonne stand strahlend über den Menschen aus Domino City. Mai war froh, dass sie ein gutes Deo unter ihren Achseln auftrug, welches Schweiß für einen ganzen halben Tag verhindert. Kein Schnäppchen, aber für solch einen Tag unbezahlbar. Guter Dinge ging sie zum Eingang der Messe, ließ sich betätscheln, ob sie auch keine Waffe oder ähnliche Artikel mit sich führte und wurde anschließend mit einem Prospekt und sämtlichen Karten ausgestattet. Die sie, wie auch jeder andere normale Mensch, erstmal zerknickt verstaute und sich selbst auf eigener Faust einen Überblick verschaffen wollte. Überall waren Stände. Nicht nur waren sämtliche Großfirmen zu erblicken, sondern diverse Imbissbuden, Getränkebuden und auch mini Cocktailbars. Schick, schick, schick.
 

Natürlich ging sie direkt zu Honda, sowie Audi und Ford, die ihr ziemlich zu sprachen. Nicht nur von der Klasse her, sondern das Gehalt und auch die Personen, die für ihre Firma warben, waren ziemlich freundlich, offen und lustig drauf. Jeder hielt lange ausführliche Reden. Im Hintergrund lief gleichzeitig ein Filmchen in Dauerschleife auf einem großen Monitor. Ein Film, der deren Arbeitstätigkeiten, sprich die verschiedenen Berufe vorführte und nochmals die Worte der Angestellten wiederholten, sogar mit Untertitel.
 

Zwar waren die drei Firmen in der Art ihrer Vorstellungen alle ziemlich ähnlich, doch waren sie auf ihrer eigenen Art ziemlich professionell. Ihr gefiel es, doch keiner schien einen Interessenten oder vielmehr einen potenziellen Bewerber näher in einem Gespräch zu ziehen. Vermutlich falsche Gerüchte. Lediglich stellten sie nur ihre Firma vor und sie alle bekamen Zettel zu gesteckt, wo alle Daten drinnen standen, die man brauchte um sich bei Ihnen zu bewerben. Etwas enttäuscht schaute die Blondine auf diese Papiere. Vermutlich hatte sie umsonst drei Stunden im Badezimmer mit ihren Haaren und Make Up hantiert. Mit einem erfrischenden Pina Colada beobachtete sie diese Stände heimlich weiter, ob nicht doch was Wahres an den frisch aufgeschnappten Gerüchten dran war. Jedoch ein klares nein, niemand wurde besser oder anders behandelt als Mai. Schlürfend schaute sie sich weiterhin um. Genehmigte sich noch ein leckeres belegtes Brötchen mit Käse und blickte neugierig in sämtlichen Berufen hinein. Über die Tatsache, dass sie nur in ihrem Leben sich bisher duelliert hatte, ärgerte sie sich sehr insgeheim. Zwar war ihr Abschluss erste Sahne, doch ohne eine Ausbildung einen gut bezahlten Job zu kriegen, war schwerer als man als Außenstehender denkt.
 

Bei jedem interessanten Stand versuchte sie sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Unangenehm wurde es nur für ihr, wenn die Menschen auf ihrem dicken Verband schauten. Manche Blicke anderer vorbeigehenden Frauen sagten förmlich, „Typisch blonde Göre.“ Als sie in ihrer Wut letzte Woche ihre Bude halbwegs auseinanderriss, hatte sie mit ihrer linken Hand sich so tief in ihrer Hand geschnitten, dass ihre Hand genäht werden musste mit mehreren Stichen. Nur weil sie in den Wandspiegel schlug. Doch dieser Schmerz half ihr, die anderen bösen Gedanken zu vergessen. Auch wenn es nur eine Woche her ist, versuchte sie es in einem abgeschlossenen Kapitel zu stecken. Nach wenigen Minuten war der zweite Cocktail leer und das Brötchen schon aufgefuttert. Mai war sich klar, dass sie noch heute Auto fahren musste, und darüber bewusst, welche Folgen es für haben könnte, wenn sie mit Alkohol im Blut fuhr. Dies war einer der Gründe, warum sie den dritten Cocktail später langsam genießen wollte. Darüber hinaus wollte sie den Tag komplett in dieser City bummeln. Einfach um sich abzulenken und vielleicht auf nette Leute zu stoßen.
 

Im Gedanken versunken, schlenderte sie durch die Menschentrauben und ließ ihre Augen umherwandern. Nach einigen entspannten Minuten überschlugen sich nicht nur ihre Gefühle. Ihre Atmung und ihr Puls veränderten sich aufgeregt. Überrascht ging sie zu einem Stand, der sich DancingFood taufte. Sehr bekannt, sehr beliebt, nur für sie noch unbekannt. Ein Stand der von Farben allein schon her überzeugte. Geniale Beach Musik, viele zufriedene Zuhörer und ein großes Schild wo drauf stand, „Wir suchen tatkräftige junge Frauen.“
 

Ihre Chance, wofür auch immer! Mai konnte sich aus all den bunten Bildern von Tänzerinnen, Gerichten, Sängerinnen und sämtlichen Cocktails nur einen Party Service vorstellen. Wer weiß, was es wirklich war. Flink quetschte sie sich somit vor Euphorie trotzend nach vorne durch und ignoriere gekonnt (wie immer) die meckernden Laute der Menschen. Unbeholfen stolperte sie in die erste Reihe als irgendjemand ihr auf dem Weg nach vorne ein Bein stellte. Für so einen kindischen Streich ließ sie sich nicht außer Fassung bringen und richtete sich ausdrucksvoll mit einem wunderschönen Lächeln auf ihren schwungvollen Lippen, auf. Ein Lächeln von kurzer Dauer als sie direkt in die Augen von Vincent schaute, der gerade dabei war sich als Geschäftsführer vorzustellen. Schwer schluckte sie und ihre Beine wurden unbeholfen, weich wie Butter, sodass sie fast nach hinten kippte, hätten Vincent nicht rasch reagiert und nach ihrer Hand gegriffen. Tief blickte er ihr in ihren violetten Augen, die so außergewöhnlich waren wie die Farbe an sich. Ein Raunen ging durch das Publikum. Mai hörte deutlich heraus, wie Frauen Vincent lobten und dies nicht zu wenig. „Noch ein Bewerber mehr, ja?“, lächelte er sie entgegen und zwinkerte ihr heimlich zu, als er sie los ließ und sich dem gesamten Publikum widmete. Seine Vorstellung war ausgezeichnet, er war sehr sprachgewandt und wirkte professioneller als jeder andere hier auf der Messe. Nur Mai bekam von dem alles nichts mit, in ihr wurden Wunden wieder aufgerissen und sie konnte nicht ganz glauben, wo sie wieder hineingeraten war. Ausgerechnet dieser Kerl leitete das Unternehmen, wo sie kurz davor war, sich dort zu bewerben. Verdammt.
 

Vincent nahm sich für jede Frage Zeit, blieb stets freundlich und arbeite nur mit Fachausdrücken. Er wirkte noch schlauer, als sie bei ihrer ersten Begegnung bereits annahm. Mai wollte verschwinden, doch wurde sie immer wieder daran gehindert, nach hinten auszuweichen. Die Zuhörer waren begeistert und wollten alle den Job, was wiederum bedeutete, dass jeder so nah wie möglich Vincent kommen wollte. Mai fühlte sich ziemlich geplättet, da sie nicht nur zerquetscht wurde Schritt für Schritt, sondern Brüste und Ärsche drückten ihr den restlichen notwendigen Sauerstoff aus ihren Lungen. Genervt stemmte sie die Weiber von sich und knurrte. Doch wurden sie überhört, da just in Moment ein Beifall herrschte und Vincent seine Rede beendete. Für ihr wirke es nicht mehr wie eine seriöse Job Messe, eher wie ein Konzert, wo sämtliche Teenager am liebsten dem Sänger ihr Schlüpfer um den Kopf warfen. Er steckte vielen einen Zettel zu, natürlich auch Mai, den sie unsicher an sich nahm. Als Vincent mit einem breiten Grinsen hinter dem Vorhang seiner kleinen Bühne am Stand verschwand, löste sich die Frauenherde auf. An einem ruhigen Platz, abseits des Geschehens, kramte sie seinen Informationszettel heraus. Allerdings als sie den Zettel aufklappte, flog ihr ein weiter kleiner Zettel entgegen.
 

„Einen schönen guten Tag Miss Valentine. Ich würde Sie gerne in meiner Bar zu einem Vorstellungsgespräch einladen.

Branhill 23, Domino City. Ich erwarte dich um 18 Uhr vor meinem Laden.

Vincent.“
 

Sollte sie sich freuen? Mai war sich nicht sicher. Grundsätzlich sollte man auf seinem Bauchgefühl hören und dies flüsterte zu ihr, sie solle rennen…. Irgendwas stimmte nicht oder stimmte gewaltig gut? Unsicher was sie von seiner Nachricht halten sollte, bestellte sie sich einen Cocktail, doch lieber erstmal alkoholfrei. Ein Gedanke wollte sie nicht los lassen, hatte sie ihm ihren Nachnamen verraten? Oder wusste er wer sie in Wirklichkeit mal war? Hatte er sich auch mal duelliert? Doch wovor sollte sie sich noch fürchten? Im Grunde genommen konnte sie nur gewinnen. Weshalb sollte sie sich fürchten? Dringend brauchte sie Kohle sonst würde man ihr bald den Strom abstellen. Vincent wäre zwar ihr Chef, doch war dies schlimm? Gut Joey und er hassen sich, das war klar, nur war es zwischen ihr und Joey aus…
 

„Also gut Vincent, macht dich auf mich gefasst!“



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