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Insomnia

Midnight x Mt. Lady
von

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Sonnenstrahlen tauchten den Raum in ein warmes Licht, während frische Luft durch das offen stehende Fenster ins Innere des Zimmers drang.

Der Fernseher, welcher im Hintergrund lief, wurde größtenteils von dem eintönigen Geräusch des Staubsaugers übertönt, doch die Blondine störte sich nicht daran.

Aktuell gab es sowieso nur eine Werbesendung zu bestaunen, in welcher zwei Personen in einer Studioküche ein Küchengerät anpriesen, welches Gemüse nicht nur in Streifen oder Würfel schneiden konnte, sondern die geschnittenen Lebensmittel gleich noch in die darunter angebrachte, praktische Plastikbox beförderte.

Nichts interessierte die junge Frau aktuell weniger, als die beiden Küchenfeen, welche fleißig allerlei Obst und Gemüse kleinhackten.

Natürlich hätte sie das Programm ganz einfach umschalten können, doch die Fernbedienung lag auf dem Tisch und war von ihrer derzeitigen, sehr bequemen Position auf dem Sofa, praktisch unerreichbar. Nun, sei es drum. Aufgrund des laufenden Staubsaugers würde sie den Fernseher sowieso nicht verstehen.

„Denk dran auch in den Ecken staubzusaugen.“, wies sie ihren Praktikanten an, ohne von der Modezeitschrift, welche sie aktuell in den Händen hielt, aufzublicken.

„Ja, Ma'am.“, kam es etwas gequält von dem fleißigen Helferlein, welches aktuell das Studio saugte, das zwar gemütlich wie ein Wohnzimmer eingerichtet war, ihr allerdings als Büro diente.

Zwar hegte Yu leise Zweifel, dass die UA diese Art von Beschäftigung für das Schülerpraktikum vorgesehen hatte, doch aktuell war es friedlich in der Stadt. Ihr Einsatz wurde folglich nicht gebraucht und selbst wenn, konnte sie auch gut darauf verzichten, ihren derzeitigen Praktikanten zu einem Einsatz mitzunehmen.

Was hatte die renommierte Heldenschule ihr da auch bitte für einen Schüler geschickt?

Auf sie machte der Junge einen reichlich unfähigen Eindruck und würde sie ihn zu einem echten Einsatz mitnehmen, hatte sie Sorge den Zwerg am Ende noch versehentlich zu zertreten, wenn sie im Kampf nicht genaustens auf ihre Umgebung achtete.

Immerhin lernte der kleine Perversling gerade auch etwas fürs Leben, nämlich wie man sich im Haushalt nützlich machte. Später konnte er davon nur profitieren, während die Blondine aktuell vom Einsatz des Praktikanten profitierte, musste sie doch keinen Finger krumm machen, um ihr Büro in Ordnung zu halten.

Die junge Frau konzentrierte sich wieder mehr auf die Modezeitschrift in ihren Händen und blendete das nervige Geräusch des Staubsaugers dabei so gut wie aus.

Die Sommermode dieses Jahr war ein wahrer Hingucker. Wenn sie so durch die Zeitschrift blätterte, bekam sie nicht übel Lust shoppen zu gehen, doch dafür war im Moment wohl eher keine Zeit.

Sie streckte sich gemütlich auf dem bequemen Sofa, schob sich einen Kartoffelchips in den Mund und blätterte die Zeitschrift um.
 

Ganz aus den Gedanken gerissen wurde die Blondine, als es plötzlich an der Tür klopfte.

Eh? Wer war das denn jetzt? Vielleicht ihre Assistentin? Wenn ja, war sie etwas früh dran, doch beschweren würde sie sich nicht.

„Die Tür ist offen!“, rief Yu lediglich gegen den Staubsaugerlärm an, machte sich jedoch nicht die Mühe vom Sofa aufzustehen, da sie lediglich ihre Assistentin erwartete.

Sie blickte in Richtung Tür, als diese sich öffnete und blinzelte schließlich doch etwas überrascht, als die Besucherin ihr Büro schließlich betreten hatte.

„Guten Morgen zusammen!“ Die großgewachsene, dunkelhaarige Frau, welche einen Stapel Unterlagen bei sich hatte, blickte sich kurz im Büro um und stutzte nun ebenfalls.

„Was ist denn hier los?“ Scheinbar hatte die Besucherin nicht damit gerechnet, dass das eigentliche Praktikum bei einer Profiheldin für den UA Schüler zu einem Putz-Praktikum ausarten würde.

„Aktuell ist es eben sehr ruhig in der Stadt.“, gab die Blondine ungerührt Auskunft, setzte sich nun doch wieder auf und zuckte unbekümmert mit den Schultern.

„Was genau machst du überhaupt hier, Midnight?“, wollte sie schließlich wissen.

Die beiden Frauen waren nicht unbedingt dafür bekannt besonders gut miteinander auszukommen, um so mehr verwunderte die Blondine der spontane Besuch der Lehrerin.

„Ich bin ersatzweise für den Praktikumsbesuch eingesprungen.“, erklärte die Dunkelhaarige, trat näher an das Sofa heran und reichte ihrem Gegenüber die Unterlagen, die sie bei sich trug.

„Die UA möchte sicherstellen, dass ihre Schüler während des Praktikums gewisse Dinge lernen, daher haben wir uns dieses Jahr dafür entschieden, eine To-Do Liste zu erstellen, welche abgearbeitet werden muss.“

Yu nahm der Älteren die Papiere ab und überflog die erste Seite der Liste kurz. Ihre Begeisterung sank mit jedem, sich auf der Liste befindenden, Punkt.

„Das ist kein schlechter Grundgedanke, aber sehe ich so aus, als könnte ich mir ein paar Schurken aus den Rippen schneiden?“, hakte sie nach, ehe sie die Papiere vor sich auf den Tisch legte.

„Das nicht, aber die Liste soll vermeiden, dass die Schüler zu Aufgaben herangezogen werden, die rein gar nichts mit dem Beruf des Helden zu tun haben.“

Zeitgleich mit ihren Worten nickte Nemuri in Richtung Mineta, welcher immer noch dabei war das Zimmer zu staubsaugen, allerdings innegehalten hatte, um das Gespräch seiner beiden Idole mitverfolgen zu können. Stumm aber zustimmend nickte der Junge sogleich.

„Als wenn ich ihn den ganzen Tag das Haus putzen lassen würde.“, fauchte die Blondine, welche sich ein wenig ertappt fühlte. „Der Junge hat freiwillig angeboten, kurz zum Staubsauger zu greifen.“, behauptete sie und wandte sich mit einem engelsgleichen Lächeln ihrem Praktikanten zu.

„Ist doch so, oder?“ Kaum, dass Midnight es nicht mehr sehen konnte, verwandelte sich Yus freundliches Lächeln in ein drohendes Funkeln, welches den Schüler kreidebleich werden ließ.

„Äh...j-ja, Ma'am...!“, brachte er spontan heraus, auch wenn er ursprünglich das Gegenteil hatte sagen wollen.

Die gruselige Mimik der Heldin verschwand und wurde nahtlos durch das engelsgleiche Lächeln von zuvor ersetzt, mit welchem sie sich nun der Besucherin zuwandte. „Du hast es gehört.“

Nemuri, die nicht auf den Kopf gefallen war, blickte weiterhin skeptisch drein. „Da bin ich mir nicht so sicher.“

Kaum ausgesprochen, zog die Blondine eine Augenbraue hoch, während ihr Lächeln sich zu einem provokanten Grinsen verwandelte. „Wenn du dir nicht sicher bist, ob du verstanden hast, was der Junge gesagt hat, solltest du vielleicht über ein Hörgerät nachdenken. In deinem Alter ist das immerhin keine Schande.“

„In meinem Alter?!“, schnappte die Dunkelhaarige verärgert und funkelte die Jüngere über die Sofalehne hinweg wütend an. „Ich geb dir gleich in meinem Alter! Im übrigen ist mein Gehör allemal besser als deine Arbeitsmoral!“

Unbeeindruckt blickte die Profiheldin hoch zu der UA Lehrerin, welche hinter dem Sofa stand und zu ihr herabfunkelte.

„Hey, Junge, sieh dir das gut an. Du erlebst hier gerade live einen prähistorischen Wutanfall mit.“, rief sie Mineta zu und provozierte die andere Heldin damit nur noch mehr.

„Jetzt reicht's!“, blaffte Nemuri und packte verärgert eins der hornähnlichen Enden, welche zur Heldenmaske der Blondine gehörten, um diese dazu zu bringen, sich zu ihr umzudrehen. „Du bist doch selbst nicht mehr die Jüngste! Und noch dazu ein faules Stück!“

Das provokante Grinsen der anderen Frau, wich blitzartig einem nun ebenfalls verärgerten Gesichtsausdruck. Während die Ältere das hornähnliche Ende der Dominomaske nach wie vor noch nicht losgelassen hatte, griff die Blondine spontan hoch und zog ihr Gegenüber an den Haaren.

„Das muss ich mir von dir nicht anhören! Wen nennst du hier ein faules Stück, alte Schachtel!?“

Mineta, der im ersten Augenblick eigentlich begeistert darüber gewesen war, seine Idole an einem Ort versammelt zu sehen, packte inzwischen das kalte Grauen. Möglichst unauffällig schob der Schüler sich aus dem Raum, denn der Flur erschien im eindeutig der sicherere Ort zu sein, falls hier gleich das Armageddon losbrechen würde, was er für sehr wahrscheinlich hielt.
 

Wiedererwartend hatten die beiden Heldinnen sich einige Minuten später doch wieder zusammengerauft, sodass ein normales Gespräch möglich war.

Nemuri hatte sich Yu gegenüber auf einen Sessel gesetzt und war noch damit beschäftigt ihre Frisur wieder in Ordnung zu bringen, während auch die Blondine das Chaos auf ihrem Kopf wieder richtete.

„Zurück zum Praktikumsbesuch.“, beschloss Midnight schließlich und räusperte sich kurz.

„Von mir aus. Je schneller wir das besprochen haben, desto schneller sind wir hier fertig.“, stimmte die Jüngere ihr zu.

Da ihre Kaffeetasse, welche auf dem Tisch stand, inzwischen dummerweise leer war, beschloss sie jedoch noch kurz aufzustehen, um sich neuen Kaffee zu holen.

Mit einem neuen Getränk in der Hand und einer weiteren Tasse für die Besucherin, kehrte Yu schließlich wieder zurück und setzte sich.

„Also dann schieß mal los. Wie genau hat die UA sich die Sache mit der To-Do Liste vorgestellt? Bis wann müssen die einzelnen Punkte abgearbeitet sein?“

Nach wie vor hatte sie eigentlich keine rechte Lust sich wirklich um den Praktikanten zu kümmern, doch für Profihelden war es nur von Vorteil Praktikumsplätze anzubieten. Nicht nur, dass besagte Praktikanten dann und wann passable Helferlein abgaben, nein, auch vor der Presse stand man gut da und die Außenwirkung war das, was Yu eigentlich interessierte.

„Die Punkte auf der zweiten Seite, haben kein festes Datum, bis wann sie abgearbeitet werden müssen. Wir wissen immerhin selbst, dass man nicht beeinflussen kann, wann ein echter Einsatz ansteht. Bis zum Ende des Praktikums sollten besagte Punkte allerdings erfahrungsgemäß abgehakt werden können.“

Die Dunkelhaarige genehmigte sich einen Schluck Kaffee, stutzte und kippte lieber noch etwas Milch in ihre Tasse. Das Zeug war dermaßen stark, dass es sie ernsthaft wunderte, warum die Blondine nicht den ganzen Tag über hyperaktiv herumsprang, vor allem, da die Jüngere offensichtlich bereits mehr als einen superstarken Kaffee getrunken hatte.

Schließlich wandte sie sich wieder der Liste zu. „Die Punkte der ersten Seite, sollten sich allerdings recht zeitnah abarbeiten lassen. Den Schülern von Einsätzen und Kämpfen zu berichten, dürfte immerhin kein Problem sein. Und wenn es so ruhig ist wie jetzt, ist es den betreuenden Profihelden auch zuzumuten, sich die Trainingsfortschritte der Praktikanten anzusehen.“

Na wunderbar. Innerlich verdrehte Yu die Augen. Diese Liste beinhaltete eine ganze Menge Arbeit, auf die sie überhaupt keine Lust hatte, doch was tat man nicht alles, um der Außenwelt einen möglichst positiven Eindruck zu vermitteln?

„Ich sehe was sich machen lässt.“, murrte sie daher also widerwillig ihre Zustimmung.

„Aber diese Listen sind ganz eindeutig neu. Krempelt die UA gerade ihre gesamte Herangehensweise um?“, erkundigte Yu sich.

„Nicht alles, aber es stimmt schon, die ein oder anderen Punkte wollen wir zukünftig verbessern, um unseren Schülern eine noch bessere Ausbildung zu gewährleisten.“

Nemuri genehmigte sich noch einen Schluck von dem Herzinfarktkaffee.

„Zu den geplanten Verbesserungen zählt nicht nur die To-Do Liste für den Praktikumseinsatz, wir wollen zukünftig auch mit den Profihelden, die sich unserer Schüler annehmen, enger zusammenarbeiten. Das beinhaltet gemeinsame Workshops und Übungscamps, soweit der Terminkalender es zulässt.“

Die Laune der jüngeren Heldin sank nur noch weiter in den Keller. Bislang war es immer eine recht entspannte Angelegenheit gewesen, Praktikanten aufzunehmen, jetzt steckte auf einmal wirkliche Arbeit dahinter.

„Wie sollen wir Profis wissen, ob unser Terminkalender Übungscamps zulässt? Die Schurken werden sich im Vorfeld wohl kaum jedes Mal brav ankündigen.“ Die Blondine verdrehte die Augen.

„Genau das ist ein Punkt, der noch etwas genauer ausgearbeitet werden muss.“, räumte Midnight ein. „Genau so, wie die Profihelden zukünftig feste Ansprechpartner innerhalb der Lehrerschaft bekommen sollen. Die genauen Listen hierzu sind allerdings auch noch nicht abschließend erstellt.“
 

Eine Weile lang besprachen die beiden Frauen noch die zukünftig eintretenden Änderungen. Auch ließ die UA Lehrerin sich noch eine aktuelle Einschätzung des Praktikanten mit auf den Weg geben, ehe es an der Zeit wurde wieder aufzubrechen.

Schließlich stand Nemuri von ihrem Platz auf, streckte sich und ging zwei Schritte auf die Tür zu.

„Das wären erst einmal alle Neuerungen. Wenn du keine Fragen mehr hast, würde ich mich auf den Weg zum nächsten Praktikumsbesuch machen, Mt. Lady.“

Die Blondine, welche nach dem Gespräch und der Erkenntnis, dass zukünftig nun wirklich echte Arbeit auf sie zukommen würde, schon mehr als bedient war, winkte nur ab.

„Nein, von meiner Seite aus gibt es nichts mehr zu besprechen. Ich gehe davon aus, die Schule wird von allein auf mich zukommen, wenn die Liste mit den Ansprechpartnern erstellt wurde.“

Anstatt das Büro wieder zu verlassen, womit die Blondine eigentlich gerechnet hatte, trat ihre Besucherin von einem Bein aufs andere und blieb ihr wohl oder übel noch einen Moment länger erhalten.

„Eine Frage hätte ich allerdings noch.“, streute die Ältere ein.

Yu zog fragend eine Augenbraue hoch.

„Wo genau ist dein Bad?“, erkundigte die Lehrerin sich schließlich, nachdem sie eben noch eine große Tasse Kaffee getrunken hatte.

Im ersten Moment wollte Yu ihr Gegenüber ganz einfach in Richtung Gäste-WC lotsen, doch nachdem der Praktikant sich als Perversling entpuppt hatte und sie ernsthaft befürchtete, dass er das Bad verwanzt haben könnte, entschied sie sich dagegen.

„Hier, fang!“ Sie warf Nemuri ein Schlüsselbund zu, an welchem sich auch ihr Wohnungsschlüssel befand. Die Wohnung der Blondine lag praktischerweise direkt über ihrem Büro, was ihr täglich unnötige Arbeitswege ersparte.

„Die Treppe im Flur hoch und in der Wohnung gleich die erste Tür links.“

Zwar verstanden die beiden Frauen sich alles andere als gut, doch ging Yu davon aus, dass sie der anderen Heldin zumindest in so weit vertrauen konnte, als dass diese ihre Wohnung nicht erst einmal gründlich auf den Kopf stellen würde.
 

Nachdem Nemuri das Badezimmer ohne Probleme gefunden hatte und sich noch rasch die Hände wusch, fiel ihr Blick ganz automatisch zu dem Spiegelschränkchen über dem Waschbecken.

Sie musterte ihr Spiegelbild und befand es durchaus für sehr passabel. Dann bemerkte sie jedoch, dass die Tür des Schränkchens ein Stück weit offen stand.

Zugegebenermaßen juckte es sie sowieso schon in allen Fingern, rasch einen Blick in die Räume der Wohnung der jüngeren Heldin zu riskieren, wo sie schon einmal hier war, doch wusste sie, dass sie das schlecht tun konnte.

Interessant war der Gedanke jedoch durchaus. Bereits die Diele der Wohnung war stilvoll eingerichtet und auch das Bad war hell und sauber. Bei einer so faulen Person wie der Besitzerin dieser Wohnung, hätte Nemuri ehrlich gesagt nicht damit gerechnet, dass sich hier nirgendwo auch nur ein einziges Staubkorn fand.

Die ganze Wohnung konnte sie kaum auf den Kopf stellen, doch da das Spiegelschränkchen eh schon ein Stück weit offen stand, könnte ein Blick hinein wohl kaum schaden.

Bereits auf dem Badewannenrand waren allerlei Shampoos, Haarpflegeprodukte und Cremes aufgereiht, weshalb sie damit rechnete, im Spiegelschrank lediglich Yus Make-Up Vorräte zu finden.

Sie öffnete mit einem Schmunzeln auf den Lippen das Schränkchen.

//Dann wollen wir doch mal sehen, was du dir täglich so alles ins Gesicht klatschst.//, kommentierte sie in Gedanken.

Wie Midnight es bereits erwartet hatte, fand sich auf der rechten Seite des Schränkchens tatsächlich einiges an Make-Up, wobei es sich ausnahmslos um teure Markenprodukte handelte. Was sie auf der linken Seite des Schränkchens fand, überraschte sie jedoch.

Nemuri blinzelte und griff nach einem der Döschen, um das Schild darauf besser lesen zu können.

Schlaftabletten. Allein schon eine dieser Dosen würde einen beachtlichen Vorrat der Tabletten beinhalten, doch es fanden sich noch weitere Dosen der gleichen Marke im Schrank. So viele Tabletten! Du liebe Zeit! Bei einer Frau Mitte zwanzig hätte sie eigentlich nicht damit gerechnet. Eigentlich hätte sie generell nicht damit gerechnet, dass eine Person einen solchen Vorrat an Schlaftabletten im Badezimmer hortete.
 

Schließlich zog sie die Wohnungstür wieder hinter sich zu, schloss ab und lief die Treppe hinunter, zurück in das Büro der anderen Heldin.

„Hier, der Wohnungsschlüssel.“ Nemuri warf Yu den Schlüssel zu, welche das Schlüsselbund geschickt auffing.

„Sag mal, was genau hast du eigentlich mit den ganzen Schlaftabletten vor? Damit kann man ja eine ganze Herde Büffel ausschalten.“ Ihre Entdeckung schien ihr so absurd, dass sie sie einfach ansprechen musste.

Die Blondine zog eine Augenbraue hoch und wirkte wenig begeistert. „Warum siehst du dir den Inhalt meiner Schränke an, wenn ich schon so nett bin und dich mein privates Bad benutzen lasse?“

„Das Schränkchen stand offen, es war also kaum möglich diesen Vorrat zu übersehen.“ räumte Midnight ein.

Die Jüngere verdrehte genervt die Augen, verzichtete jedoch darauf sich weiter aufzuregen.

„Wie du schon sagst, sind die Tabletten bloß ein Vorrat. Es ist nicht so, als hätte ich vor die alle auf einmal zu nehmen.“

Als sie den skeptischen Blick ihres Gegenübers bemerkte, fügte Yu ein :“In der Steinzeit, in der du die Schule besucht hast, lernt man es vielleicht noch nicht, aber in der Moderne wird man durchaus über Risiken und Nebenwirkungen von Tabletten aufgeklärt, weißt du?“

Das rechte Auge der Dunkelhaarigen begann verärgert zu zucken. „Vielleicht hast du Recht und es sollte mir egal sein, ob du dir die Tabletten händeweise einwirfst, oder nicht. Arbeite einfach die To-Do Liste mit Mineta ab und verabschiede dich von dem Gedanken, unsere Schüler als unbezahlte Putzhilfen umzufunktionieren. Ich würde gerne darauf verzichten, hier all zu bald schon wieder vorbeischauen zu müssen, Zimtzicke.“

„Oh, keine Sorge, Mama Midnight wird schon keine Beschwerden zu hören bekommen. Aufregung ist immerhin nicht gut fürs Herz. Im fortgeschrittenen Alter erst recht nicht.“, konterte Yu gereizt.
 

Schließlich blickte die Blondine der UA Lehrerin nach, als diese das Büro verließ und die Tür hinter sich zuzog. Diese Frau schaffte es jedes Mal wieder sie binnen Sekunden zu provozieren!

Ihr Blick büßte etwas des Ärgers ein und sie seufzte, als sie schließlich wieder allein im Büro war.

Es stimmte schon, dass es der Dunkelhaarigen ein leichtes war sie zu provozieren, dennoch war dies nur ein Teil der Geschichte.

//Ich hoffe, dass ich auch noch so gut aussehe, wenn ich erst mal über 30 bin.//, dachte sie. //Und ich hoffe, dass sie nur mein Badezimmer unter die Lupe genommen, aber das Wohnzimmer ausgelassen hat.// Würde sich herausstellen, dass die andere Heldin auch über das im Wohnzimmer aufgehängte Fan-Poster, welches keine andere Person als die Dunkelhaarigen selbst zeigte, gestolpert war, Yu würde augenblicklich im Erdboden versinken.

„Hey, Junge! Wo bist du jetzt schon wieder hin?! Sieh zu, dass du das Studio fertig staubsaugst und die Fenster müssen auch noch geputzt werden! Wenn du damit fertig bist, sehen wir uns mal die Liste an, die die alte Schachtel gerade vorbeigebracht hat!“, rief Yu schließlich nach ihrem Praktikanten, um das Kribbeln in der Magengegend und die Gedanken an die Ältere zu verdrängen.
 

Etwa zur gleichen Zeit, hatte Midnight draußen ihr Auto erreicht und hatte sich auf den Fahrersitz gesetzt.

Diese kleine, arrogante Zicke. Jedes Mal, wenn sie sich über den Weg liefen, trieb die junge Frau sie zur Weißglut. Immerhin in einem Punkt machte die Blondine ihrem Heldennamen alle Ehre - ihr Ego war mindestens genau so hoch wie ein Berg.

Kopfschüttelnd startete Nemuri den Wagen und fuhr los. Sie war sich ziemlich sicher, dass es Yu ganz und gar nicht passte, dass die UA nun eine Liste eingeführt hatte, welche es innerhalb des Praktikums abzuarbeiten galt. Mineta war ganz bestimmt nicht der erste Schülerpraktikant, der zur billigen Putzkraft umfunktioniert wurde.

Aber zukünftig wäre dem zumindest größtenteils ein Riegel vorgeschoben, würde die UA mit den Profihelden, welche Praktikumsstellen anboten, von nun an um einiges enger zusammenarbeiten.

Das würde dann wohl auch bedeuten, dass sie sich in Zukunft unweigerlich öfter über den Weg laufen würden. Einerseits Gift für ihr Nervenkostüm, anderseits...

//Hoffentlich stellt sie bald irgendetwas dummes an, was einen Anlass zu einem weiteren Besuch gibt. Sie hat zwar ein Ego, dass höher als jeder Berg ist, aber auch wenn ich es nie zugeben würde, amüsieren mich diese Aufeinandertreffen in Wirklichkeit jedes Mal mehr, als sie sollten.//

Ja, diese arrogante, faule...gutaussehende, wahnsinnig niedliche Blondine provozierte sie zwar jedes Mal binnen Sekunden, aber das war eben nur die eine Seite der Medaille...

Etwa eineinhalb Monate waren seit dem Praktikumsbesuch vergangen. Inzwischen waren sämtliche Praktika beendet und die Helden in Spe drückten wieder die Schulbank, während die Profis ihrer eigentlichen Arbeit nachgingen.

Es war Ende August und selbst am späten Nachmittag noch unerträglich heiß.

Mit einer Hand versuchte die junge Frau einige ganz besonders hartnäckige Mücken zu verscheuchen, welche allesamt an dem See, vor dem sie aktuell stand, zu leben schienen.

Die Sonne strahlte erbarmungslos auf die Umgebung herab, die Luft flirrte förmlich und die Mücken kannten ebenso wenig Gnade wie die aktuellen Temperaturen.

Wie sehr die Blondine sich in ihr Büro zurückwünschte, welches mit einer Klimaanlage ausgestattet war. Dort wäre es jetzt sicherlich gut erträglich!

Ganz im Gegensatz zu diesem Ort, mitten in der Pampa, an welchem sie sich gerade befand.

Zudem war der Lärm, welcher rings um den See herrschte, noch zusätzlich zum verzweifeln.

Die UA hatte Wort gehalten und einige Profihelden nun stärker in die Ausbildung der Schüler mit eingebunden.

Das Kamerateam, welches den ganzen Tag schon eifrig um den See schwirrte, war auch das einzig gute an den Veränderungen.

Das letzte Praktikum war dank der To-Do Liste bereits stressig genug gewesen, doch das Trainingscamp, zu welchem auch einige der Profis eingeladen worden waren, toppte die Sache mit dem Praktikum ganz eindeutig.

Allein schon die Fahrt, in dem hoffnungslos überfüllten Bus, voller lärmender Jugendlicher, hatte Yu die Laune gehörig verhagelt. Die Tatsache, dass sie sich nun in dieser Gluthitze, an einem Mückenverseuchten See befand, den Schülern beim Training zusehen sollte und hier und da nützliche Tipps geben musste, reichte ihr. Wofür hatte diese Schule eigentlich Lehrer?!

Na gut, zugegebenermaßen übernahmen die Lehrkräfte den Löwenanteil des Trainings und kümmerten sich hauptsächlich um ihre Schützlinge, doch leider fiel auch für die Profis, welche an der Fahrt teilnahmen, noch genug Arbeit an.

Fokussierte das Kamerateam die Blondine und die kleine Gruppe, welche sie aktuell mehr oder weniger freiwillig betreute, blühte sie förmlich auf, waren Kameramann und Reporterin über alle Berge, wollte auch die Heldin nur noch weg von hier.

„Okay, Zeit für eine Pause!“, entschied sie schließlich, nachdem die Schüler sich eine ganze Zeit lang in der Sonne mit Training gequält hatten.
 

Erneut schlug Yu nach einer Mücke, blickte der kleinen Gruppe von Schülern hinterher und strich sich schließlich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht.

Ihrer Meinung nach war es höchste Zeit etwas mehr Abstand zu dem kleinen See zu suchen, schien doch kein Mückenspray dieser Welt gegen die dreisten Biester zu helfen.

Während sie den Steg entlang in Richtung Ufer lief, gähnte die Profiheldin hinter vorgehaltener Hand.

Sie war unglaublich müde! Einmal mehr, um genau zu sein. Sich zu konzentrieren fiel ihr zunehmend schwerer und das heiße Wetter war da nicht gerade förderlich.

Sie entschied dem Kiosk, welcher für die Badegäste errichtet worden war, einen Besuch abzustatten.

Zwar war es der Blondine unbegreiflich, wie man in diesem dreckigen See freiwillig schwimmen gehen konnte, doch dass es hier einen Kiosk gab, war eine glückliche Fügung des Schicksals.

Den ganzen Tag über hielt sie sich dank dem Kiosk schon mit extrastarkem Kaffee über Wasser.

Erneut gähnte sie. Ja, ein Becher Kaffee wäre jetzt eindeutig das Richtige! Und vielleicht eine weitere Koffeintablette.

Während die junge Frau über den Steg in Richtung Ufer lief, betraten zwei weitere Personen von der Landseite aus die primitive, hölzerne Brücke und gingen ihr entgegen.

„Die Neuerungen an der UA halte ich für durchaus sinnvoll. Auch für die anderen Schulen. Ich denke es war eine gute Idee, ebenfalls an der Veranstaltung teilzunehmen.“

„Das glaube ich auch. Allerdings überrascht es mich, dass unser Projekt für so viel Aufsehen in der Öffentlichkeit gesorgt hat.“

Midnight und Ms. Joke wanderten gemütlich über den Steg und unterhielten sich.

Yu verdrehte insgeheim die Augen. Das die Neuerungen der UA für so einen Wirbel gesorgt hatten, wunderte auch sie. Natürlich war es keine schlechte Idee die Helden von Morgen so gut auszubilden wie möglich, doch das Rad hatte die UA nun auch wieder nicht neu erfunden.

Dass die Medien ein solches Interesse zeigten, war durchaus positiv, um sich den ein oder anderen Auftritt vor der Kamera zu sichern und in der Öffentlichkeit möglichst gut dazustehen, doch dass auch Lehrer aus anderen Schulen an dem Camp teilnahmen, um sich einen Überblick zu verschaffen und später zu entscheiden, ob man die neuen Ideen auch an anderen Schulen übernehmen wollte, ging doch wirklich etwas weit.

Die Blondine wollte sich auf dem schmalen Steg eigentlich an den beiden anderen Frauen vorbeiquetschen, da sie aktuell in die entgegengesetzte Richtung unterwegs war, doch die beiden Anderen hielten kurz an, als sie auf gleicher Höhe waren.

„Du siehst müde aus.“, begrüßte Ms. Joke sie, deren Mundwinkel bereits wieder verdächtig zuckten.

„Na vielen Dank für die Blumen.“, kam es wenig begeistert von der blonden Profiheldin.

„Natürlich sieht sie müde aus, jetzt wo die Zusammenarbeit mit der UA zur Abwechslung mal echte Arbeit für sie bedeutet.“, zog Midnight sie auf. „Stimmts, oder habe ich recht?“

Die Dunkelhaarige beschloss den Bogen noch etwas weiter zu überspannen, indem sie der Kleineren einen kumpelhaften Klaps auf den Rücken gab.

Nun, leider hatte Yu diese Geste nicht kommen sehen und ob beabsichtigt oder nicht, Nemuri hatte sich ein wenig mit der Intensität des Klapses verschätzt. End vom Lied war, dass die Jüngere einen Schritt nach vorne taumelte...was die Katastrophe perfekt machte.

Der Steg war nicht gerade breit und ein unachtsamer Schritt, wenn man eh schon am Rande des hölzernen Übergangs stand, konnte fatale Folgen haben.

Die beiden Lehrerinnen blinzelten überrascht, während es für die Blondine mit einem erschrockenen Laut abwärts ging.

Mit einem Platsch fand sie sich im nächsten Moment vor dem Steg im Teich sitzend wieder.

Einige Libellen stoben erschrocken auseinander, während zwei Frösche von einem Seerosenblatt aus eiligst ins Wasser sprangen.

Nun war es auch an der Heldin zu blinzeln. Sie war wie erstarrt, während sie langsam realisierte, dass sie tatsächlich in dem Mückenverseuchten See gelandet war, von Kopf bis Fuß durchweicht von dieser Drecksbrühe.

„Pffff! Bwahahaha!“, prustete die grünhaarige Lehrerin vom Steg aus schließlich los. „Oh mein Gott, was war denn das für ein Stunt?! Genial! Du siehst aus wie eine nasse Katze, Mt. Lady!“, amüsierte sie sich und hielt sich vor Lachen den Bauch.

Midnight, die neben der anderen Lehrerin stand, hatte für einen Moment überrascht geblinzelt, da sie ursprünglich noch nicht einmal beabsichtigt hatte, die Jüngere ins Wasser zu befördern, doch als Ms. Joke einen Lachanfall erlitt, war es auch um ihre Beherrschung geschehen.

„Wer hätte ahnen können, dass du so leicht ins Straucheln gerätst?!“, brachte sie mühsam hervor und konnte nicht aufhören, über das Missgeschick zu lachen. „Aber vielleicht tut die Erfrischung an so einem heißen Tag ja gut.“, prustete sie weiter.

Die Miene der Blondine wechselte von vollkommen fassungslos bis ungläubig über den Sturz, nun zu ernsthaft verstimmt und sichtlich verärgert.

„Hast du senile alte Schachtel keine Augen im Kopf...?!“, grollte die junge Frau, welche sich weiterhin im See befand, während ihre Gesichtszüge sich immer weiter verfinsterten.

Im nächsten Moment begann der Körper der eigentlich kleinen Frau in beeindruckender Geschwindigkeit zu wachsen, bis sie schließlich als gefühlte Riesin vor dem Steg im Wasser kniete. Der See wirkte nun gleich viel mehr wie ein Planschbecken für kleine Kinder.

Durch das plötzliche Wachstum der Blondine, schwappte eine Welle Seewasser über den Steg hinweg und durchweichte die beiden Lehrerinnen, welche aktuell auf den hölzernen Planken standen.

Ms. Joke geriet ins Straucheln, konnte sich jedoch gerade noch halten, während Nemuri nicht ganz so viel Glück hatte.

Zwar wurde die Dunkelhaarige von der Welle, welche über den Steg schwappte, nicht ins Wasser gespült, doch konnte sie nicht mehr verhindern, dass eine riesige Hand nach ihr griff und sie ganz einfach hochhob.

„Setz mich sofort wieder ab!“, beschwerte sie sich sofort bei der Blondine, kämpfte gegen deren Griff an und versuchte sich zu befreien - mit eher mäßigem Erfolg.

Unbeeindruckt hielt Yu die Ältere in ihrer rechten Hand und beobachtete deren Fluchtversuche.

Zwar achtete sie trotz ihres Ärgers darauf, die UA Lehrerin nicht zu sehr zu quetschen, doch entkommen lassen würde sie sie definitiv nicht.

„So? Eine Erfrischung tut also gut?“, hakte Mt. Lady verstimmt nach, doch langsam wich ihre ärgerliche Miene einem schadenfrohen Grinsen. „Dann solltest du vielleicht gleich mal ausprobieren, wie sich eine Dusche mit Seewasser so anfühlt. Vielleicht hilft die Plörre ja gegen beginnende Altersdemenz?“

Mit diesen Worten, schöpfte die Blondine mit der linken Hand Wasser aus dem See und goss es über die protestierende Heldin in ihrer rechten Hand. Diese begann zu husten und zu fluchen, versuchte gleich noch einmal mit mehr Einsatz sich zu befreien, musste jedoch erkennen, dass sie dem Griff der Jüngeren unmöglich entkommen konnte.

Joke, die auf dem Steg stand und das Schauspiel beobachtete, konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen. Das hier... nein, diese beiden hier, waren besser als jede Comedyshow und das ganz ohne ihr Zutun!

„So müssen sich Polly Pocket oder Barbie fühlen, wenn sie einem Kind in die Fänge geraten sind!“, lachte sie und deutete auf die protestierende Midnight in Mt. Ladys Hand, während sie versuchte zwischen all dem Lachen das Atmen nicht zu vergessen.

Derweil hatten die Schüler, welche am See trainierten oder Pause machten, ihre Aufmerksamkeit dem Steg zugewandt. Die restlichen Lehrer und Profihelden taten es ihnen gleich.

„Was zur Hölle machen die da?“ Kopfschüttelnd blickte Aizawa vom Ufer aus auf die bizarre Szene, die sich ihm bot.

„Sieht aus als würden sie sich prächtig amüsieren.“, stellte Tiger, welcher das Trainingscamp ebenfalls begleitete, schulterzuckend fest.

„Warum sollen nur die Schüler das Recht haben dann und wann herumzualbern? Die drei sind doch selbst noch kaum aus den Kinderschuhen heraus.“, stellte Gran Torino mit Blick zum See fest und schmunzelte.
 

Als der Mond die Sonne ablöste, Sterne sich auf der Wasseroberfläche spiegelten und Zikaden ihre Lieder zirpten, hatten die Gemüter sich wieder beruhigt.

Die Helden von Morgen waren bereits in ihren Unterkünften und schliefen vermutlich. Auch die meisten Erwachsenen hatten sich inzwischen in ihre Zimmer zurückgezogen, schliefen bereits, oder ließen den Tag ausklingen.

„Wir hätten das Zimmer im Vorfeld unter die Lupe nehmen sollen. Hier gibt es so wenig Platz, dass es fast unmöglich ist zwei Futons auszubreiten.“, seufzte Nemuri und blickte sich in dem gemütlichen, aber winzigen Zimmer um.

„Was das Programm für die Schüler betrifft, lässt die UA sich nicht lumpen, aber wenn es um die Unterkünfte für Lehrer und Profis geht, hat sie gehörig geknausert.“

Yu saß in Zivilkleidung auf dem Sofa und betrachtete von ihrem Platz aus Emi und Nemuri, die versuchten jeweils einen Platz für ihre Futons zu finden.

„Ach, kommt schon, ist doch alles halb so wild.“ Selbst in Anbetracht des mangelnden Platzangebotes, wirkte Ms. Joke entspannt und amüsiert. „Hätte man uns allen Einzelzimmer spendiert, könnten wir uns jetzt keinen Mädelsabend machen. Das wird wie früher zu Schulzeiten.“, versuchte sie ihren beiden Zimmernachbarinnen gut zuzureden.

„Das ist wirklich schon ein ganzes Weilchen her, wenn ich so darüber nachdenke.“, sinnierte die UA Lehrerin, die es endlich geschafft hatte, ihren Futon zwischen Wohnzimmertisch und Küchenecke auszubreiten.

„Bei dir sind es wohl Jahrzehnte.“, zog Yu Nemuri mit einem provokanten Grinsen vom Sofa aus auf.

„Bitte wie war das...?!“, ging die Dunkelhaarige auf den Kommentar der Jüngeren ein und warf ein Kissen nach ihr.

Die Blondine fing das Geschoss in der Luft auf und feuerte es zurück. „Hast schon ganz richtig gehört!“, amüsierte sie sich.

„Dir stopfe ich das freche Mundwerk!“ Auch wenn die Ältere in der aktuellen Situation den Ärger viel mehr spielte, bewarf sie die andere Heldin erneut mit dem Kissen.

Als Yu ihrerseits das nächste Kissen warf, kam dieses vom Kurs ab und traf stattdessen Emis Gesicht, welche im ersten Moment perplex blinzelte, dann jedoch einmal mehr anfing zu lachen.

„Kissenschlacht!“, rief die Grünhaarige aus und zumindest für einen Moment erhielten Chaos und allgemeines Gelächter Einzug in das viel zu kleine Zimmer.
 

Nachdem die Lage sich wieder beruhigt hatte und die Grünhaarige aufgrund des Platzmangels ihr Lager genau vor dem Sofa aufgeschlagen hatte, kehrte langsam Ruhe in die ungewöhnliche, temporäre WG ein.

„Dieses Camp fühlt sich wirklich ein wenig so an wie früher.“, streute Midnight ein und suchte nach einer bequemen Liegeposition.

„Nur weil wir erwachsen sind, heißt das nicht, dass wir nicht auch herumalbern dürften.“, stellte Emi gut gelaunt fest, streckte sich und griff schließlich nach ihrer Decke.

„Schon, aber an die große Glocke hängen müssen wir diese Kissenschlacht nun auch wieder nicht.“, befand Yu vom Sofa aus.

Die Blondine streckte sich und griff nach dem Kabel der Stehlampe, an welchem sich auch der Schalter befand. „Ich mache jetzt das Licht aus, okay?“

Da sie die Kleinste des ungleichen Trios war und selbst auf dem kurzen Sofa noch bequem Platz fand, hatte die Profiheldin beschlossen, sich nicht auch noch irgendwo auf einen Futon auf den Boden zu quetschen, sondern ganz einfach auf dem Sofa zu übernachten. Bequemer war dieser Schlafplatz vermutlich allemal.

Langsam kehrte Ruhe ein und müde drehte die junge Frau sich auf die Seite.

Das Emi gute Laune verbreiten würde, damit hatte sie ja gerechnet, doch dass Nemuri und sie es schafften, sich einmal für ein Weilchen nicht an die Gurgel zu gehen, überraschte sie wirklich.

Auf ihre Lippen stahl sich ein Lächeln. Der Abend war wirklich amüsant gewesen und mit den beiden anderen ein wenig herumzualbern, hatte gut getan. Es musste ja niemand erfahren, dass selbst die drei erwachsenen Frauen sich noch eine Kissenschlacht geliefert hatten, als wären sie für einen kurzen Moment wieder alberne Teenager.
 

Wie die beiden anderen auch, versuchte die junge Frau zu schlafen, doch bald schon musste sie erkennen, dass sie auch hier im Trainingscamp die gleichen Probleme hatte, wie daheim.

Zwar war sie müde und konnte die Augen kaum offen halten, doch Schlaf wollte sich nicht einstellen. Einmal mehr.

Yu gähnte und drehte sich auf den Rücken. Vielleicht half eine andere Schlafposition?

Die Blondine schloss die Augen wieder und versuchte zu schlafen, doch wie üblich dachte sie über allerlei Dinge nach, während sie so dalag, glitt jedoch nicht ins Reich der Träume.

Ob sie heute zu viel Kaffee getrunken und ein paar Koffeintabletten zu viel geschluckt hatte? Sie seufzte. Aber wie hätte sie denn sonst den Tag überstehen sollen?

Die vorherige Nacht war keine Ausnahme gewesen. Sie hatte kaum ein Auge zugetan, weshalb der Tag einmal mehr nur mit Koffein zu überstehen gewesen war.

Jetzt, wo sie eigentlich schlafen sollte, gelang ihr dies trotz der enormen Müdigkeit wieder einmal nicht.

Es war zum verzweifeln! Niemand wusste etwas davon, doch bereits seit Monaten litt die Heldin unter heftigen Schlafstörungen. Die Müdigkeit war allgegenwärtig, der Schlaf wollte sich jedoch nie einstellen. Nicht ohne Hilfsmittel zumindest.

Während sie Konzentration und Wachheit tagsüber mit literweise extrastarkem Kaffee und einigen Koffeintabletten aufrecht erhielt, waren es abends die Schlaftabletten, die zumindest ein wenig Linderung verschafften.

Nachdem sie noch eine Viertelstunde versucht hatte erfolglos einzuschlafen, gab Yu es schließlich auf und beschloss nachzuhelfen.

Sie stand vom Sofa auf, wobei sie mehr als vorsichtig sein musste, da Emi ihr Lager genau vor dem Sofa aufgeschlagen hatte und sie nicht versehentlich auf die Grünhaarige treten wollte.

„Was machst du...?“, murmelte die Ältere schlaftrunken, als die Blondine über sie hinwegstieg und in Richtung Küchenecke tappte.

„Ich kann nicht schlafen.“, antwortete Yu der Grünhaarigen lediglich leise, ehe sie den zweiten Futon im Raum erreicht hatte und nun über ihre andere Zimmernachbarin steigen musste, deren Schlafplatz sie noch von der Küchenecke trennte.

„Tritt bloß nicht auf mich.“, murrte Nemuri lediglich und drehte sich.

Nachdem sie eine Schlaftablette mit einem Glas Wasser heruntergespült hatte, ging es von der Küchenecke wieder zurück zum Sofa. Yu schlüpfte zurück unter die Decke. Vielleicht würde sie mit der Tablette ja endlich ein wenig Schlaf finden.

Doch auch eine Dreiviertelstunde später lag sie noch wach, inzwischen deutlich genervt.

Das Sofa hatte sich doch als unbequemer entpuppt als gedacht und sie hatte das Gefühl, die Federn des Sofas überdeutlich im Rücken zu spüren.

Auf der Suche nach einer halbwegs akzeptablen Schlafposition wälzte Yu sich hin und her, was allerdings nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Zimmernachbarinnen verzweifeln ließ.

Selbst die immer muntere Emi murrte inzwischen genervt und drückte sich ihr Kopfkissen auf die Ohren.

Da die Nacht immer weiter voranschritt und die Blondine einmal mehr kein Auge zubekam, beschloss sie das Einzige zu tun, was in dieser Situation noch half. Sie sprach diesbezüglich aus Erfahrung.

Erneut stand sie auf, um zu ihrem Tablettendöschen in der Küche zu gelangen.

„Mit dir kann man ja wahnsinnig werden.“, gähnte Midnight vollkommen übermüdet und setzte sich halb auf, um zu beobachten, wie die Jüngere vorsichtig über die vor dem Sofa liegende Emi stieg, um zur Küchenecke zu gelangen.

„Ich kann auch nichts dafür, dass ich nicht schlafen kann.“, murrte Yu verteidigend. „Aaaah!“

Es ging abwärts, als sie weiter durch die Dunkelheit tappen wollte, Emi jedoch nach ihrem Fußgelenk gegriffen hatte und dieses festhielt.

Das zweite Mal binnen ein paar Stunden, verlor die Blondine das Gleichgewicht, nur das sie diesmal genau auf die UA Lehrerin zufiel.

Nemuri sah das Unglück zwar noch kommen und hatte rasch die Arme ausgestreckt, verhindern konnte sie den Sturz jedoch auch nicht mehr und ging wohl oder übel ebenfalls zu Boden, als die Jüngere genau auf sie fiel.

„Tu uns allen einen Gefallen und versetz diesen Unruhegeist mit deinen Fähigkeiten in einen möglichst tiefen Schlaf.“, murmelte Emi, welche Yus Knöchel nun wieder losließ.
 

Dank des Eingreifens der Grünhaarigen, war Yu gestolpert und hatte Nemuri bei ihrem Sturz gleich noch das letzte Stück mit sich gerissen.

Da die Dunkelhaarige lediglich auf ihrem Futon gesessen hatte, war es für sie nicht wirklich weit abwärts gegangen, zumal die Jüngere noch rasch versucht hatte, sich mit den Armen neben ihr abzustützen.

Für einen Moment blieb Nemuri etwas überrumpelt liegen, dann stützte sie sich auf einen Ellbogen und brachte sich wieder in eine halbwegs sitzende Position.

Kurz sah sie zu der Blondine, welche noch wie erstarrt an ihr lehnte. Ursprünglich hatte sie die Jüngere wegen des unverschuldeten kleinen Unfalls aufziehen wollen, doch obwohl sie in der aktuellen Dunkelheit alles nur schemenhaft erkennen konnte, brachte sie für einen Moment kein Wort heraus. Eine Tatsache, die sie selbst überraschte, denn Midnight war es nicht gewöhnt, dass sie sich selbst mundtot machte.

Der Blick der blauen Augen ruhte auf der anderen Heldin, welche noch reichlich neben der Spur an ihr lehnte und dank des Sturzes halbwegs auf ihr lag.

Zwar war die Blondine in ihrer normalen Form eher klein und zierlich gebaut, dennoch registrierte Nemuri erst jetzt, wie leicht Yu eigentlich war.

Die Jüngere, die bis eben noch auf dem zum Bett umfunktionierten Sofa gelegen hatte, war angenehm warm und schmiegte sich, wenn auch unfreiwillig, fast schon perfekt an sie.

Die Lehrerin konnte sich nicht erinnern, der Profiheldin wissentlich schon einmal so nahe gewesen zu sein. Nicht nur, dass sie den Reflex, ganz einfach die Arme um Yu zu legen, bekämpfen musste, sie stellte fest, dass die andere Heldin zudem ein sehr angenehmes Parfüm trug.

„Als wenn ich, nach dem ganzen Kaffee, den sie den Tag über getrunken hat, in der Lage wäre sie zum einschlafen zu bringen. In ihren Adern fließt vermutlich kein Blut, sondern Koffein.“, ergriff die Dunkelhaarige das Wort, krampfhaft darum bemüht, einige aufkommende, alles andere als jugendfreie Gedanken zur Seite zu schieben.

„Was tust du überhaupt? Trinkst den lieben langen Tag Kaffee und schluckst Wachmacher, als gäbe es kein Morgen und nachts wunderst du dich dann, dass du kein Auge zukriegst.“, wandte sie sich nun direkt an Yu, in der Hoffnung die Jüngere mit dem Kommentar ein wenig zu provozieren und sich selbst davon abzulenken, dass der warme Atem der Anderen, der sanft an ihrer Schulter kitzelte, ihr eine Gänsehaut verursachte.
 

Doch nicht nur Midnight hatte durch den kleinen Unfall arg mit sich zu kämpfen, auch die Blondine hatte die Aktion mehr aus der Bahn geworfen, als sie zugeben wollte.

Im ersten Moment hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als still und leise im Erdboden zu versinken, als sie dank Emi gestolpert und geradewegs auf Nemuri gefallen war.

Ursprünglich hatte Yu sich wie von der Tarantel gestochen aufrappeln wollen, um wieder Abstand zwischen sich und die Ältere zu bringen, doch als die Andere sich wieder halbwegs aufsetzte und sie nun halb gegen sie gelehnt dalag, war sie kurzzeitig vollkommen erstarrt.

Angenehm weich und warm schmiegte der Körper der Dunkelhaarigen sich für den Moment an ihren und warum um Himmels Willen wäre sie am liebsten in dieser Position verharrt, hätte der Älteren ganz einfach gestattet zu probieren, ob es ihr gelang, sie mit ihrer Quirk in Schlaf zu versetzen, auch wenn Midnights Fähigkeiten bei männlichen Wesen bekanntlich besser wirkten.

Fast schon dankbar war Yu ihr, als die Dunkelhaarige schließlich das Wort ergriff und es ihr endlich gelang, ihren Körper wieder dazu zu überreden, sich zu bewegen.

Rasch setzte die Blondine sich auf und brachte wieder mehr Abstand zwischen sich und die UA Lehrerin.

„Ich habe letzte Nacht schon nicht unbedingt gut geschlafen und habe tagsüber versucht mich mit dem Kaffee wachzuhalten.“, antwortete sie ihr schließlich. „Aber was weißt du schon?“

Die Blondine bemühte sich um einen möglichst genervten Blick, als sie wieder aufstand und schließlich in die Küchenecke tappte, welche ihr ursprüngliches Ziel gewesen war.

Nein, sie würde es definitiv nicht darauf ankommen lassen, ob Midnight es schaffen würde sie einschlafen zu lassen, oder nicht. Nicht nur, dass bei dieser Aktion die Gefahr bestanden hätte, dass sie ganz einfach auf dem fremden Futon eingeschlafen wäre, nein, ihre Wangen fühlten sich eh schon wärmer an, als es normal war und ihr Herz hämmerte von innen ungesund schnell gegen ihren Brustkorb. Sie hatte aus der Situation heraus gemusst, das war ihr klar.

„Sicher, dass du die zweite Schlaftablette vorziehst?“, zog Emi die Blondine auf, als diese in die Küche ging und ein Glas mit Wasser befüllte.

Im Zimmer war es dunkel, weshalb alles nur schemenhaft zu erkennen war, doch obwohl die Grünhaarige nicht so oft mit den beiden anderen Frauen zu tun hatte und die drei heute nur in einem Zimmer übernachteten, weil es eben so ausgekommen war, hatte ihr ein Blick gereicht, um die Situation zu erfassen. Eine Tatsache, die ihr ein breites Grinsen auf die Lippen zauberte.
 

Nach Tablette Nummer zwei war es auch der Blondine endlich gelungen einzuschlafen, nachdem sie zurück auf ihrem eigentlichem Schlafplatz, dem Sofa, war.

Zwar hatte Yu es nun endlich geschafft ins Reich der Träume zu gleiten und auch Emi war recht schnell wieder eingeschlafen, dafür lag Nemuri nach diesem Zwischenfall noch eine ganze Zeit lang wach und dachte nach.

Der riesige Vorrat an Schlaftabletten, den sie neulich im Spiegelschränkchen im Bad der anderen Heldin gefunden hatte, die Tatsache, dass diese sich tagsüber mit Kaffee und Koffeintabletten über Wasser zu halten schien, dafür abends jedoch kein Auge zutat und erst die zweite Schlaftablette überhaupt eine Wirkung erzielte... das war doch nicht normal.

Als am nächsten Morgen der Wecker klingelte und Tag Nummer zwei des Trainingscamps auf dem Programm stand, standen Emi und Nemuri einigermaßen frisch und erholt auf, während Yu es geschafft hatte den Wecker zu verschlafen und sich selbst von der Tatsache, dass ihre beiden Zimmernachbarinnen durch den Raum liefen, um sich für den anstehenden Tag fertigzumachen, nicht stören ließ.

Als es schließlich an der Zeit war den Raum zu verlassen und sich runter zum See zu begeben, wo das Training der Schüler heute fortgesetzt werden sollte, trat die Grünhaarige schließlich an das Sofa heran und beugte sich zu der schlafenden Profiheldin hinunter, welche sich auf die Seite gerollt und sich die Decke bis unter Nasenspitze gezogen hatte.

„Hey, wach auf, Schlafmütze. Wir müssen los.“, sprach Emi sie an und wandte sich kurz Nemuri zu.

„Jetzt haben die zwei Schlaftabletten sie doch voll und ganz ausgeschaltet, was?“

Gerade wollte Ms. Joke die Hand auf einen Arm der Jüngeren legen, um diese endlich aufzuwecken, als Nemuri nach Emis Schultern griff und sie ein Stück weit vom Sofa wegzog.

„Lass sie schlafen, Joke. Mt. Lady scheint in letzter Zeit kaum ein Auge zugetan zu haben.“

Angesprochene zog eine Augenbraue hoch und grinste die Dunkelhaarige wissend an. „Oh, und das ausgerechnet von dir, Midnight.“

Angesprochene räusperte sich kurz und deutete dann mit übertriebenem Enthusiasmus in Richtung Zimmertür. „Komm schon, gehen wir! Da draußen wartet eine ganze Schar von Schülern, die im Training an ihre Grenzen gebracht werden wollen, bis sie uns auf Knien um Gnade anflehen!“

Der Tag verging. Die Hitze des Sommertags hielt sich hartnäckig in der Luft, während das Licht des Tages langsam schwand.

Langsam aber sicher neigte sich auch das Trainingscamp dem Ende zu, eine Tatsache, über die Schüler und Lehrer gleichermaßen froh waren.

Die Temperaturen hatten sich als schier unerträglich entpuppt, was das Training nicht unbedingt angenehmer machte. Hinzu kam die Mückeninvasion rund um den See, welche allen das Leben noch einmal zusätzlich schwer machte.

Vollkommen erledigt, waren die Helden von Morgen schließlich heilfroh, am Ende des Tages in den Reisebus schwanken zu dürfen, welcher sie zurück zur UA bringen würde.

Trotz der Hitze des Tages, begann die Luft langsam nach Regen zu riechen, während dunkle Wolken aufzogen. Hitzegewitter waren im Sommer keine Seltenheit und doch gab es angenehmeres.

Nachdem alle Schüler im Bus saßen und zwei Lehrkräfte überprüft hatten, dass niemand zurückgeblieben war, stiegen auch die Erwachsenen in den Reisebus.

Mit einem skeptischen Blick gen Himmel, reihte sich die Blondine hinter Tiger ein, um in den Bus zu klettern.

Im Reisebus konnte ihr das sich anbahnende Gewitter zwar egal sein, doch auch wenn die Erwachsenen die vorderen Sitzplätze belegten, würde ihr das kaum den Lärm ersparen, den eine ganze Gruppe Schüler nun einmal veranstaltete. Wie lebhaft eine solche Fahrt sein konnte, hatte sie bereits auf der Hinfahrt erlebt.

Entsprechend graute es ihr schon vor der Heimfahrt, allerdings überwog letztlich doch die Erleichterung, bald wieder Zuhause zu sein, möglichst weit weg von dem Mückenverseuchten See.

Gerade als Yu in den Bus steigen wollte, legte sich eine Hand auf ihre Schulter.

Nemuri hielt sie zurück und deutete mit einem Nicken an, dass sie ihr zwei Schritte zur Seite folgen sollte.

Etwas widerwillig ließ die Jüngere sich vorerst davon abhalten den Reisebus zu betreten und folgte der UA Lehrerin, ehe die beiden stehen blieben und sie der Dunkelhaarigen einen fragenden Blick zuwarf.

„Es fängt jeden Moment an zu gewittern. Wir sollten hier nicht stehen, sondern in den Bus steigen.“

Auch Midnight sah kurz in Richtung Himmel. Als wollte irgendeine höhere Macht Yus Aussage noch einmal unterstreichen, war just in dem Moment das erste Donnergrollen zu hören.

„Stimmt, wir sollten hier nicht mehr all zu lange herumstehen.“, räumte die Ältere ein. „Allerdings habe ich in der Stadt noch zu tun, wenn wir wieder zurück sind und habe mir deshalb ein Taxi bestellt.“

Fragend legte die Blondine den Kopf schief. „Du fährst also nicht mit? Schön und gut, aber was habe ich damit zu tun?“

„Deine Wohnung liegt auf dem Weg. Wenn du willst, kannst du im Taxi mitfahren, statt im überfüllten Reisebus.“, bot Midnight ihrem Gegenüber an.

Die Jüngere blinzelte überrascht. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet, doch wenn sie die Wahl hatte, in einem ruhigen Taxi mitzufahren, würde sie dies dem überfüllten Reisebus eindeutig vorziehen. Auch wenn natürlich die Gefahr bestand, dass Nemuri und sie sich binnen kürzester Zeit wieder wegen irgendetwas streiten würden.

„Von mir aus.“, stimmte die Profiheldin etwas zögerlich zu. „Aber versuch nicht mir am Ende die Rechnung aufzudrücken.“

Während ihres letzten Einsatzes vor ein paar Tagen, hatte sie versehentlich ein Gebäude beschädigt. Ein Vorfall, der nicht zum ersten Mal vorkam und den die Versicherung gar nicht lustig fand. Auf einem Teil des Schadens war Mt. Lady daher wieder einmal sitzen geblieben, was ihrem Kontostand nicht unbedingt gutgetan hatte.

„Da will ich einmal nett sein und schon kann ich mir so eine Unterstellung anhören.“, murrte Nemuri und warf ihrem Gegenüber einen genervten Blick zu. Die Blondine funkelte zurück und erwiderte: “Bei dir weiß man ja nie.“

Bevor wieder einmal ein Wort das andere geben und sich ein Streit anbahnen konnte, streckte Aizawa den Kopf aus dem Reisebus und blickte in Richtung der beiden Frauen. Der Lehrer machte einen vollkommen genervten und übermüdeten Eindruck, was man ihm in Anbetracht der Tatsache, dass er zwei Tage lang den UA Schülern kaum hatte aus dem Weg gehen können, nicht verübeln konnte.

„Was ist jetzt mit euch? Der Busfahrer will losfahren!“, rief er den beiden zu.

Nemuri wandte sich dem anderen Lehrer zu und winkte ab. „Fahrt ruhig ohne uns los, wir fahren mit dem Taxi zurück in die Stadt.“

Die Aussage brachte ihr einen irritierten Blick ein, doch schließlich zuckte ihr Kollege lediglich mit den Schultern, murrte ein 'Na wenn du meinst.' und verschwand wieder im Bus.

Der Reisebus setzte sich in Bewegung und zurück blieben die beiden Heldinnen.

Ein Blitz zuckte am Himmel entlang, erhellte einen Moment die Umgebung und wich schließlich dem darauffolgenden Donnergrollen.

„Der Donner folgte dem Blitz praktisch sofort. Wir haben die Schlüssel zur Unterkunft schon abgegeben. Ich hoffe, dass wir bereits im Taxi sitzen, wenn das Gewitter gleich richtig losgeht. Hier ist kein Baum und kein Strauch, unter dem man sich unterstellen könnte.“

Zwar hatte auch Nemuri kein Interesse daran, während eines Gewitters am Seeufer zu stehen, doch die offenkundige Skepsis der Jüngeren ließ sie schmunzeln :“Sag mir nicht, dass du Angst vor Gewittern hast.“, neckte sie sie.

Yu zog ein Gesicht. „Nein, natürlich nicht! Trotzdem hätte ich jetzt lieber ein Dach über dem Kopf.“

Ein Dach über dem Kopf und einen starken Kaffee, fügte sie in Gedanken hinzu. Schade, dass der kleine Kiosk bereits vor einer Stunde geschlossen hatte und die Kaffeequelle damit erst einmal versiegt war.
 

Als das erwartete Taxi den Parkplatz am Seeufer erreichte, staunten die beiden Frauen nicht schlecht. Zwar hatten sie Glück und konnten in den Wagen steigen, bevor das Gewitter über sie hereinbrach, doch damit, dass sie von einem selbstfahrenden Taxi abgeholt werden würden, hatten sie nicht gerechnet.

„Fehlt da nicht etwas? Oder besser gesagt jemand. Der Fahrer zum Beispiel?“ Yu betrachtete das Taxi für einen Moment lang skeptisch, ehe sie auf der Rückbank Platz nahm.

„Das nennt man dann wohl neuste Technik. Ich bin zwar auch noch nie in einem selbstfahrenden Auto mitgefahren, aber das Taxiunternehmen wird uns wohl kaum ein Taxi schicken, dass uns geradewegs im See versenkt.“

„Ich hoffe du hast Recht.“

Bis es ihnen gelungen war, der im Wagen eingebauten App begreiflich zu machen, welche Adresse das Taxi ansteuern sollte, vergingen noch einmal drei Minuten, doch schließlich setzte das Fahrzeug sich endlich in Bewegung.

Inzwischen klatschten erste dicke Regentropfen an die Fensterscheiben.

Gerade zu Beginn war es ein höchst merkwürdiges Gefühl, dass das Fahrzeug ganz von allein fuhr und beschleunigte und das Lenkrad sich wie von Geisterhand drehte, doch nachdem der Wagen bereits einige Minuten lang sicher die Straße entlanggefahren war und Kurs auf die Stadt nahm, begannen die beiden Frauen der Technik langsam mehr zuzutrauen und sich ein wenig zu entspannen.
 

Während das Taxi durch den Regen fuhr, herrschte im Inneren des Wagens eine komfortable Stille.

Die Blondine blickte aus dem Fenster, betrachtete das Gewitter und die vorbeiziehende Landschaft und gähnte hinter vorgehaltener Hand.

Das fahrerlose Taxi fuhr ruhig und sicher. Die späte Stunde und das Prasseln des Regens auf dem Autodach sorgten dafür, dass ihre Augenlider schwer wurden, doch wusste die Profiheldin ganz genau, dass ein bisschen Müdigkeit allein nicht reichen würde, um sie wirklich einschlafen zu lassen, mal ganz abgesehen davon, dass sie die Taxifahrt über nicht vor hatte die Augen zu schließen.

„Seit wann hast du diese Schlafstörungen?“, durchbrach Midnight die Stille.

Die Blondine wandte sich nun der anderen Frau zu und musterte diese einen Moment lang schweigend.

„Wer hat denn behauptet, dass ich Schlafstörungen hätte?“, wollte sie schließlich wissen.

„Komm schon, jetzt versuch nicht mir zu erzählen, das wäre normal.“

„Ich weiß nicht was du meinst.“ Die Jüngere wandte den Blick ab.

„Oh doch, das weißt du ganz genau. Deine ständige Müdigkeit, die Unmengen an Kaffee und Koffeintabletten, die du dir tagsüber gönnst und dann noch die Tatsache, dass eine einzelne Schlaftablette bei dir überhaupt keine Wirkung mehr erzielt. Das ist doch nicht mehr normal. Den Tablettenvorrat in deinem Badezimmer mit eingeschlossen.“

Die Dunkelhaarige blickte die jüngere Heldin mit schwer zu deutender Mimik an. Dass sie sich mit keiner ausweichenden Antwort würde abspeisen lassen, war deutlich.

Yu schwieg einen Moment. Langsam aber sicher ging ihr auf, dass Midnight sie nicht einfach so zu dieser Taxifahrt überredet hatte, sondern weil sie sie zur Rede stellen wollte und sie der Dunkelhaarigen hier im Auto schlecht ausweichen konnte. Diese...!

„Das geht seit fast sechs Monaten so.“, räumte die Blondine schließlich ein. „Aber ich komme damit klar.“

Nun war es an der UA Lehrerin überrascht zu blinzeln. „Was, schon so lange? Warst du damit mal beim Arzt?“

Die Kleinere sah sie an und lachte zynisch auf. „Als wenn ein Arzt dagegen etwas unternehmen könnte.“

„Und was macht dich da so sicher?“

Während die blauen Augen der Dunkelhaarigen ihr Gegenüber durchdringend musterten, zog die Jüngere es vor wieder aus dem Fenster zu sehen.

„Weil das keine normalen Schlafstörungen sind.“, rückte sie schließlich zögerlich mit der Wahrheit heraus. „Ich habe vor ungefähr sechs Monaten einen Schurken in der City geschnappt und an die Polizei übergeben. Der Einsatz an sich verlief problemlos, aber kurz bevor ich den alten Knacker an die Beamten übergeben konnte, hat er seine Quirk aktiviert und eine Art blauen Nebel verbreitet, den ich dummerweise eingeatmet habe. Er sagte noch, dass ich dieses Mal zwar gewonnen hätte, er letztlich allerdings am längeren Hebel sitzen würde. Dann haben die Beamten ihn abgeführt.“

Yu suchte nach einer bequemeren Sitzposition und fuhr schließlich mit ihrem Bericht fort. „Weil im ersten Moment rein gar nichts passiert ist, habe ich mir nichts dabei gedacht und erst nicht verstanden, was der Typ mit seinen Worten gemeint haben könnte, doch als ich mehrere Tage am Stück nicht schlafen konnte und erst Schlaftabletten halfen, wurde mir langsam klar, was der Typ gemeint haben musste.“

„Die Wirkung ist also erst verzögert eingetreten.“, schlussfolgerte Nemuri. „Und anfangs hat eine Schlaftablette gereicht? Gestern hast du zwei Tabletten schlucken müssen, um schlafen zu können.“

Yu zuckte mit den Schultern. „Mein Körper scheint sich inzwischen daran gewöhnt zu haben.“

Der Blick der Älteren richtete sich nun intensiver auf sie.

„Dann hast du das Ausmaß deines Problems noch nicht erfasst.“, sagte sie schließlich. „Erst reichte eine Schlaftablette nicht mehr, bald kommst du mit zwei Tabletten nicht mehr aus und so weiter. End vom Lied ist eine Überdosis.“

Die blonde Heldin starrte die UA Lehrerin mit offenem Mund an, für den Moment sprachlos.

So hatte sie die Sache noch gar nicht betrachtet. Legte man die Worte des Schurken so aus, dass es auf eine Überdosis hinauslief, ergab die Aussage, dass er letztlich am längeren Hebel sitzen würde, durchaus Sinn.

„Und was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun?“, wollte sie schließlich ungewohnt kleinlaut wissen. „Ohne Schlaftabletten kriege ich kein Auge zu, aber der Mensch braucht Schlaf.“

Mit erhobenem Finger tadelte die Dunkelhaarige die Jüngere gespielt, ehe sie zu einer Antwort ansetzte.

„Es ist bloß ein Gedanke, von dem ich nicht weiß, ob er funktioniert, aber einen Versuch wäre es wert. Du hättest dir schon viel früher Hilfe von der Person holen sollen, deren Quirk so etwas wie den entgegengesetzten Effekt von den Fähigkeiten dieses Schurken hat. Vielleicht lässt sich der Effekt auf die Art durchbrechen.“

Die Blondine blinzelte. „Die gegenteilige Quirk?“, wiederholte sie.

Anstelle einer Antwort, griff Midnight nach dem Gurt der Jüngeren, mit welchem diese sich für die Autofahrt angeschnallt hatte. Sie löste die Gurtschnalle und zog Yu mit einem Ruck zu sich herüber.

„Wa- hey!!“, beschwerte die Blondine sich überrumpelt, hatte sie doch nicht damit gerechnet, plötzlich über die Rückbank einen Platz weiter gezogen zu werden, sodass sie mit der Seite nun an der anderen Heldin lehnte.

Diese legte ihr einen Arm um die schmalen Schultern, um zu verhindern, dass die Blondine wieder Abstand suchte. Schließlich riss Midnight ein Loch in den Ärmel ihres Heldenkostüms, etwa auf Höhe ihres Handgelenks, ehe sie ihre Hand über Yus Mund und Nase legte.

„Und jetzt tief einatmen.“, verfügte sie, von ihren Fähigkeiten Gebrauch machend.

Da das Taxi selbständig fuhr, bestand nicht die Gefahr den Taxifahrer gleich mit auszuschalten und einen Unfall zu verursachen.

„Hmpf...!“ Die Jüngere zappelte im ersten Moment und versuchte die Hand der Lehrerin von ihrem Gesicht zu entfernen, doch ewig konnte sie nicht die Luft anhalten und schon hatte sie etwas von der blassrosanen Wolke eingeatmet.

Midnight betrachtete die andere Heldin derweil fast wie ein Versuchsobjekt, während sie ihr weiterhin eine Hand auf Mund und Nase drückte.

Ob das überhaupt funktionierte? Ihre Quirk wirkte bei Männern deutlich besser als bei Frauen und hinzu kam, dass selbst Schlaftabletten Yu so schnell nicht mehr aus der Bahn warfen.

Um so überraschter war sie, dass die Gegenwehr der Blondine fast sofort erstarb und ihr binnen Sekunden die Augen zufielen.

Das...hatte dann doch besser funktioniert als ursprünglich gedacht.

Die Heldin war bereits nach nur wenigen Atemzügen eingeschlafen und sackte gegen die Schulter der Älteren, welche ihre Hand nun wieder vom Gesicht der Blondine entfernte.
 

Die Schlafstörungen der Jüngeren waren eine wirklich unschöne Sache und sollte sie recht behalten, konnte der Tablettenkonsum noch ein höchst ungutes Ende nehmen.

Zwar schafften die beiden Heldinnen es ständig sich über Kleinigkeiten zu streiten, dennoch war Nemuri klar, dass sie der Blondine helfen würde. Den ersten Schritt hatte sie gerade bereits getan.

Ihr Blick wanderte zu Yu, welche fast sofort eingeschlafen war, nachdem sie den blassrosanen Nebel eingeatmet hatte.

Das ihre Quirk bei einer anderen Frau so gut funktionierte, noch dazu, wenn diese mehr Koffein als Blut in den Venen haben musste, wunderte sie wirklich.

Doch den Gedanken schob sie recht schnell bei Seite. Die Blondine drehte im Schlaf leicht den Kopf, was dazu führte, dass eins der hornähnlichen Enden ihrer Maske, den Augen der Älteren beunruhigend nahe kam.

Midnight beschloss diesbezüglich besser kein Risiko einzugehen, wollte sie ihre Augen doch ganz gerne noch ein Weilchen behalten. Sie griff nach der Maske der schlafenden Blondine und entfernte diese aus deren Gesicht. Die Dominomaske legte sie neben die Jüngere auf die Rückbank , ehe sie die andere Frau musterte und stutzte.

Die Profiheldin schlafen zu sehen war ein recht ungewohnter Anblick, erst recht, wenn diese sich unbewusst an ihre Seite gekuschelt hatte.

Ruhig und regelmäßig ging der Atem der Anderen, während ihr Körper eine angenehme Wärme ausstrahlte.

Die UA Lehrerin schluckte. Die Blondine konnte so eine Zicke sein, doch gleichzeitig gelang es ihr auch im Schlaf so unglaublich niedlich auszusehen, dass es der Dunkelhaarigen im ersten Moment nicht mehr gelang noch einen klaren Gedanken zu fassen.

Vorsichtig, um die Jüngere nicht zu wecken, strich sie ihr mit einer Hand übers Haar, ehe sie ihr einige verirrte Strähnen aus dem Gesicht sortierte.

Yu schien sich daran nicht zu stören, wachte sie doch nicht auf, sondern kuschelte sich im Schlaf nur noch etwas gemütlicher an die Ältere.

Erneut musste die Dunkelhaarige schlucken und jetzt ganz eindeutig gegen die aufkommenden, alles andere als jugendfreien Gedanken ankämpfen.

Nemuri lehnte letztlich ihr Kinn auf den blonden Schopf der Anderen und zog diese noch etwas näher zu sich, damit beide es während der restlichen Taxifahrt bequem hatten.

Einerseits hatte dieser plötzliche Zuckerschock, welcher recht schnell durch einige nicht unbedingt jugendfreie Gedanken abgelöst worden war, sie ziemlich aus der Bahn geworfen, anderseits auch wieder nicht, war es doch nicht das erste mal, dass sie in ähnliche Tagträume im Bezug auf die jüngere Heldin abdriftete, auch wenn die Blondine es meistens schaffte, sie mit ihrer Art binnen Sekunden zur Weißglut zu treiben.

Mit dem Daumen streichelte sie der Blondine über die Wange, während sie die Nähe der Kleineren genoss, doch ansonsten hatte sie sich unter Kontrolle.

Die andere Heldin schlief immerhin und auch wenn eine leise Stimme in ihrem Kopf ihr anderes zuflüsterte, würde sie einen Teufel tun dies auszunutzen!
 

Während das Taxi auch ohne Fahrer unfallfrei durch die Stadt manövrierte, versuche Midnight ihre Gedanken zu ordnen.

Anstatt sich Tagträumereien hinzugeben, sollte sie sich viel mehr den Kopf darüber zerbrechen, was sie tun konnten, sollte ihre Quirk nicht dauerhaft helfen und sollten die Schlafstörungen der Jüngeren sich folglich nicht bessern.

Inzwischen war das Gewitter vorbei, lediglich leichter Regen fiel nach wie vor vom Nachthimmel und prasselte leise auf Dach und Fenster des Taxis herab.

Schließlich kamen bekanntere Straßen in Sicht, ehe das selbstfahrende Fahrzeug mit erstaunlicher Geschicklichkeit in eine Parklücke manövrierte. Sie hatten das Haus der jüngeren Heldin erreicht.

Midnights Blick fiel auf die schlafende Yu in ihren Armen. Sollte sie sie jetzt wirklich wecken?

Doch über diese Frage musste sie sich nicht mehr den Kopf zerbrechen, denn nach der etwa halbstündigen Taxifahrt, schlug die Blondine von ganz allein wieder die Augen auf.

Noch müde und ganz eindeutig neben der Spur, gähnte die Profihelden und kuschelte sich sogleich wieder an ihr bequemes Kissen. Beinahe hätte sie die Augen wieder geschlossen, als ihr plötzlich auffiel, dass sie sich immer noch in dem Taxi befand.

Von jetzt auf gleich hellwach riss Yu die Augen auf und brauchte einen Moment, um sich zu orientieren.

Wenn sie aus dem Fenster des Taxis blickte, konnte sie ganz eindeutig ihr Haus sehen. Waren sie also schon da? Und dann war da noch die Tatsache, dass ihre aktuelle Position mehr als gemütlich war...

Erst langsam sickerte die Erkenntnis, dass sie sich an eine andere Person geschmiegt hatte, zu ihr durch. Und da in diesem Taxi nicht all zu viele Personen zur Auswahl standen, musste sie sich nicht lange fragen, wen sie da als Kissen umfunktioniert hatte.

„Gut geschlafen?“, neckte die UA Lehrerin sie und nahm die Arme bei Seite, sodass die Blondine sich wieder aufsetzen und auf Abstand gehen konnte, was diese sogleich tat.

Ein wenig bedauerte Nemuri dies.

„W-was zum?! Sag mir nicht ich bin eingeschlafen?“

Yu blinzelte der Anderen entgegen. Sie stolperte dabei eher nicht über die Tatsache, dass sie eingeschlafen war, sondern viel mehr darüber, dass sie sich die ganze Fahrt über an die ältere Heldin geschmiegt haben musste.

Schlagartig fühlten sich die blassen Wangen der Heldin heiß an und sie beeilte sich ihre Maske wieder aufzusetzen, welche sie auf der Rückbank neben sich liegend vorgefunden hatte.

Zwar verdeckte die Maske ihre Augenpartie nur unzureichend, doch aktuell war die Blondine um jeden Millimeter Haut froh, der verdeckt wurde und die Röte auf ihren Wangen verbarg.

„Doch, das bist du wohl.“, amüsierte Nemuri sich derweil. „Du hast die ganze Fahrt über so friedlich wie ein Murmeltier geschlafen.“

Als Yu sie nur anstarrte und versuchte eine passende Antwort zu finden, was gar nicht so leicht war, da sich nach dieser Erkenntnis einfach kein klarer Gedanke einstellen wollte, wurde das Schmunzeln auf den Lippen der Dunkelhaarigen breiter.

„Es wundert mich wirklich, dass meine Fähigkeiten dich so leicht ausgeschaltet haben. Eigentlich wirkt meine Quirk bei anderen Frauen nicht so gut.“

Immer noch verlegen, blickte die Blondine zur Seite. „Ich war eben todmüde. Was erwartest du da auch anderes?“

„Wie viel Kaffee und Koffeintabletten hast du heute noch gleich vernichtet?“, erinnerte Midnight die andere Heldin. Diese murrte als Antwort nur etwas unverständliches.

„Es ist am leichtesten die Personen einschlafen zu lassen, die sich in irgendeiner Art und Weise von mir angezogen fühlen.“ Das Grinsen wurde breiter. „Bedeutet das am Ende also...?“, zog Nemuri die Jüngere breit grinsend auf und konnte beobachten, wie deren Gesichtsfarbe von rot zu neonrot wechselte.

Ihre Frage konnte die UA Lehrerin nicht mehr ganz ausformulieren, da die Profiheldin ihr gegen den Oberarm boxte.

„Sei bloß still!“, blaffte Yu peinlich berührt. „Alte Schachtel...“, nuschelte sie in den nicht vorhandenen Bart hinein, was Nemuri ihr zur Abwechslung einmal nicht verübelte, denn die Verlegenheit im Gesicht der Jüngeren war einfach göttlich.

„Sag mir lieber, ob es funktioniert hat und deine Quirk die Quirk von diesem verdammten Schurken neutralisieren konnte.“

Die Dunkelhaarige blinzelte. Nun, das war eine durchaus berechtigte, gleichzeitig aber auch ziemlich gute Frage.

„Woher soll ich das wissen?“, antwortete sie Yu daher ehrlich. „Ob es funktioniert hat, wird sich wahrscheinlich in den nächsten Tagen zeigen. Falls nicht, solltest du dich mit deinem Problem allerdings auf jeden Fall an einen Experten wenden.“

„Weil es ja auch so viele Experten auf diesem Gebiet gibt?“, hakte Mt. Lady nach und verdrehte die Augen.

Midnight musterte die Blondine einen Moment lang. „Aktuell siehst du nach deinem Power-Napping zumindest erholter aus als heute Morgen.“, befand sie schließlich.

„Ach ja, findest du?“

»Sie haben Ihr Ziel erreicht!«, machte derweil die App des Taxis nachdrücklich auf sich aufmerksam, da der Wagen inzwischen bereits seit mehreren Minuten in der Parkbucht stand.

Yus Blick fiel auf die Preisuhr des Taxis, welche munter weiter lief. Ach du Schreck!

„Das Taxiunternehmen rechnet scheinbar auch fürs Herumstehen ab. Du solltest weiter, wenn du nicht willst, dass die App noch dein ganzes Monatsgehalt frisst.“

Rasch langte sie nach dem Griff der Autotür und öffnete diese, als gerade kein Auto an ihnen vorbei fuhr.

Da die Blondine auf der Straßenseite ausgestiegen war, lief sie nun einmal um das Taxi herum, um zum Bürgersteig zu gelangen.

Ihr Blick fiel noch einmal zum Fenster des Autos. Die andere Heldin winkte ihr zu und trug immer noch dieses schwer zu deutende Grinsen auf den Lippen.

Eigentlich war es ein Wunder, dass sie sich innerhalb der letzten paar Minuten nicht wieder angezickt hatten.

Die Jüngere hob kurz die Hand zum Abschiedsgruß, ehe sie sich auf den Weg zu ihrem Haus machen wollte, doch etwas ließ sie inne halten.

Kurz zögerte sie, dann trat sie doch noch einmal an das Taxi heran, griff nach der Tür und öffnete diese.

Nemuri blickte ihr fragend entgegen. „Hast du was vergessen?“, wollte sie wissen.

Die Blondine gab dem plötzlichen Impuls nach, bevor sie es sich noch einmal anders überlegen konnte.

Rasch beugte sie sich herunter und verschwand mit dem Oberkörper noch einmal im Taxi.

Die Ältere blickte sie überrascht an, doch da hatte die Profiheldin den letzten Abstand zwischen ihnen auch schon überwunden und der Lehrerin geradewegs einen Kuss auf die Lippen gedrückt.

Für einen Moment verharrte Yu in dieser Position und genoss das Gefühl der warmen Lippen der Älteren auf ihren, ehe sie wieder auf Abstand ging und zurück auf den Bürgersteig trat.

„Arigatou und gute Nacht!“, verabschiedete sie sich und schloss die Tür des Taxis wieder, ehe Nemuri noch die Gelegenheit dazu bekam zu reagieren.

Rasch wandte die Blondine sich zum Gehen und legte die letzten Meter bis zu ihrem Haus zurück. Diesmal war sie es, auf deren Lippen ein abwesendes Lächeln ruhte.

Diese Taxifahrt hatte sich gelohnt, in jeder Hinsicht. Nicht nur, dass sie den Effekt dieser elenden Schlafstörungen nun hoffentlich los war, auch der Kuss war es definitiv wert gewesen, erst recht, da die Ältere, nachdem sie die erste Verwirrung überwunden hatte, doch tatsächlich darauf eingegangen war.

Glücklicherweise lag der Haustürschlüssel in ihrer Handtasche diesmal ganz oben, sodass Yu den Schlüsselbund recht schnell gefunden hatte, die Tür aufschließen und ihr Haus betreten konnte.

Derweil hatte Nemuri es endlich geschafft, der Taxi-App begreiflich zu machen, dass die weitere Fahrt geradewegs in Richtung UA gehen sollte.

Eigentlich war die Fahrt zum Haus der Blondine ein Umweg gewesen, doch sie wollte sich nicht beschweren, denn dieser kleine Umweg war sein Geld definitiv wert gewesen.

Eine kappe Woche war seit der Rückkehr vom Trainingscamp vergangen.

An der UA war vorerst wieder Normalität eingekehrt. Schüler und Lehrer gingen dem normalen Schulalltag nach.

Auch für die Profihelden, welche am Trainingscamp teilgenommen hatten, war der Alltag wieder eigekehrt, waren aktuell doch keine Praktikumseinsätze geplant.

Es war Donnerstag Abend. Da die Sonne bereits vor einer Weile untergegangen war und das verbleibende Tageslicht nicht mehr ausreichte, erhellten inzwischen die Straßenlaternen die Umgebung.

Auf den Straßen war es relativ ruhig, ähnlich wie im Schulgebäude.

Beladen mit einem ganzen Stapel Klausuren, lief die Dunkelhaarige die Treppe hinunter und war in Gedanken bereits dabei, mit der Korrektur der Schriftstücke zu beginnen.

Verdammt, hätte sie diese Aufgabe in den letzten Tagen nicht so schleifen lassen, hätte Nemuri jetzt einen ruhigen Abend genießen können, anstatt sich noch mit dem Korrigieren der Klausuren herumärgern zu müssen. Doch in den letzten Tagen hatte sie der Arbeit nach dem Unterricht nicht all zu viel Beachtung geschenkt, was sich nun rächte, da es langsam an der Zeit wurde die Ergebnisse der Klausuren bekanntzugeben.

Genervt verdrehte sie die Augen. Nicht alle Schüler waren perfekt. Alles zu korrigieren würde noch ewig dauern und ihre Lust darauf hielt sich eindeutig in Grenzen!

Sie hatte den Fuß der Treppe erreicht und bog nach links, in den nächsten Flur, nur um im nächsten Moment mit einer Person zusammenzustoßen.

Beide hatten sie Glück im Unglück und konnten sich nach kurzem Straucheln wieder fangen, doch der Zusammenstoß hatte die Dunkelhaarige ganz eindeutig aus ihren Gedanken gerissen.

„Passen Sie doch auf, wo ich hinlaufe!“, blaffte ihr Gegenüber sie an.

Nemuri blinzelte und glaubte sich bei der Wortwahl der anderen Person verhört zu haben. Ihre blauen Augen fixierten die andere Person vor sich und gerade wollte sie zu einer entsprechenden Antwort ansetzen, als sie noch einmal stutzte.

„Huh? Was machst du hier?“, wollte die Lehrerin erstaunt wissen.

Auch ihr Gegenüber, eine gewisse Blondine, hatte inzwischen realisiert, mit wem sie da zusammengestoßen war.

„Oh, du bist das.“, stellte die junge Frau erst einmal fest, ehe sie mit einem kurzen Nicken auf einen Stapel Unterlagen deutete, welchen sie vor sich her trug. „Ich musste doch noch die Unterlagen zu eurer Neuorganisation abholen, da heute die Frist abläuft und ich in den letzten Tagen nicht dazu gekommen bin.“ Das Wort Neuorganisation sprach Yu recht genervt aus, doch dann änderte sich ihre Mimik und ein freches Grinsen stahl sich auf ihre Lippen :“Allerdings wundert es mich jetzt in keinster Weise mehr, dass ausgerechnet du mich halb umgerannt hast. Im Alter sieht man nun einmal nicht mehr so gut.“

An Nemuris Schläfe begann eine Ader zu pulsieren und ihr Blick verfinsterte sich schlagartig, bis ihr auffiel, dass Yu die Aussage diesmal nicht ganz ernst gemeint haben konnte, denn statt dem üblichen hämischen Unterton, klang sie viel mehr amüsiert und blinzelte ihr zwar herausfordernd, aber im Großen und Ganzen freundlich entgegen.

„Du solltest lieber anfangen zu beten, dass ich mich dazu entschließe das zu überhören.“, entgegnete die Ältere gespielt gereizt und trat einen Schritt auf die Blondine zu.

„Oh, muss ich jetzt Angst haben?“, ging diese darauf ein.

„Angebracht wäre es.“ Schließlich wurde Nemuris Blick wieder etwas ernster. „Aber mal etwas ganz anderes: es wundert mich, dass du um diese Uhrzeit noch an der UA vorbeischaust.“

„Wie schon gesagt, ich musste die Unterlagen heute noch abholen.“ Die Kleinere grummelte deutlich genervt über diese unliebsame Aufgabe. „In den letzten Tagen war in der Stadt einiges los, da habe ich beim besten Willen keine Zeit gefunden, aber der Direktor der UA wollte diese dämliche Mappe nicht ganz einfach per Post losschicken.“

„Weil er verhindern wollte, dass die Dokumente am Ende noch abgefangen werden und bei der falschen Person landen, oder aber einfach ungelesen im Altpapier landen.“

Als sie den zweiten Grund ausgesprochen hatte, hatte die Dunkelhaarige herausfordernd Augenkontakt mit ihrem Gegenüber hergestellt, welches ihr genervt entgegenblickte.

„Das ist eine haltlose Unterstellung!“, blaffte Yu, auch wenn sie insgeheim zugeben musste, dass Nemuri recht hatte. Wären die Unterlagen ihr per Post zugesandt worden, hätte sie vermutlich keinen Blick darauf riskiert.

„Ich habe gehört, dass du gestern zwei Schurken aufgehalten hast, die es auf ein Juweliergeschäft abgesehen hatten.“, wechselte Nemuri das Thema. „Du hast es bis in die Nachrichten geschafft.“

Sichtlich zufrieden reckte Yu das Kinn. „Ich sagte doch, dass ich in den letzten Tagen genug zu tun hatte.“

„Eigentlich war ich noch nicht ganz fertig und wollte sagen, dass du es in die Nachrichten geschafft hast, weil du bei dem Einsatz nicht nur die Schurken aufgehalten, sondern auch ein parkendes Auto zertreten und ein Gebäude beschädigt hast.“, ergänzte Nemuri grinsend.

Schlagartig verfinsterte die Mimik der Blondine sich. „Halt bloß die Klappe! Das war keine Absicht!“

Das die entstandenen Schäden nur ein Versehen waren, hatte die junge Frau ihrer Versicherung auch klarzumachen versucht, doch einmal mehr war man dort nicht all zu begeistert über den zu zahlenden Sachschaden gewesen. Ein Glück, dass die umstehenden Schaulustigen die kleine Panne größtenteils übersehen hatten...
 

Schließlich fiel der Blick der Blondine auf den Stapel Klausuren, welchen die Ältere bei sich trug.

„Musst du die heute Abend alle noch korrigieren?“, wollte sie wissen.

Kaum an die anstehende Arbeit erinnert, seufzte Nemuri. „So sieht es wohl aus. Ich war gerade auf dem Weg zur Lehrerbibliothek, um die Klausuren in Angriff zu nehmen.“

„Nimmst du mich mit? Das klingt nach einem guten Ort, um schon einmal einen Blick in die Unterlagen, die ihr mir da aufs Auge gedrückt habt, zu riskieren.“

Etwas überrascht war Nemuri über die Frage der Jüngeren durchaus, doch sie nickte und deutete Yu an, ihr zu folgen.

Gemeinsam machten die beiden Frauen sich auf den Weg zur Bibliothek.

Während sie einen der endlosen Flure entlangliefen, musterte die UA Lehrerin die Profiheldin aus dem Augenwinkel.

Immer wieder sah sie die Taxifahrt von letzter Woche vor ihrem inneren Auge. So war es ihr bereits die gesamte letzte Woche gegangen, doch Yus Anwesenheit machte es nicht gerade besser.

Der Kleineren erging es ganz ähnlich, doch hatten beide es bisher vermieden, das Thema anzusprechen.
 

Schließlich hatten sie den Zielort erreicht. Zwar war der Raum an sich groß, für eine Bibliothek war das Zimmer dann jedoch wieder recht überschaubar.

Einige Tische und Sitzbänke befanden sich direkt vor den Fenstern, während der restliche Raum mit Reihen von Bücherregalen gespickt war. Ein leicht muffiger Geruch nach Büchern und Teppichboden lag in der Luft.

Midnight ließ den Stapel an Klausuren auf einen der Tische fallen und setzte sich auf die Bank davor.

Die Blondine nahm schräg gegenüber von ihr am Tisch Platz, legte die Unterlagen vor sich und sah sich um.

„Die UA hat für die Lehrer also eine eigene Bibliothek?“ Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. „Hier scheint es ja einiges an Material zu geben, aber schaut ihr tatsächlich regelmäßig in die Bücher?“ Während sie sprach, schlug Mt. Lady die Mappe mit den Unterlagen auf und fischte einen Zettel daraus hervor.

„Ja, natürlich schauen wir Lehrer ab und an in die Bücher.“, bestätigte Nemuri, stand von ihrem Platz auf und lief zu einem der Bücherregale, wo sie begann nach etwas zu suchen.

Nun doch interessiert blickte die Blondine sie an, legte die ungelesenen Unterlagen zurück auf den Tisch und stand ebenfalls auf, den Weg zu den Bücherregalen einschlagend.

„Du ähm...brauchst ein Lehrbuch um die Klausuren zu korrigieren?“, schlussfolgerte sie und grinste. „Solltest du als Lehrerin deinen Unterrichtsstoff nicht auch so beherrschen?“

Die Ältere warf der Heldin einen Blick zu und verdrehte die Augen. „Bist du schon mal auf die Idee gekommen, dass ich einfach nur den Unterricht für morgen vorbereiten muss? Hier in den Büchern finden sich hunderte von Übungsaufgaben und Arbeitsaufträgen, die einem das Leben deutlich leichter machen.“

Yu hatte sich inzwischen neben Nemuri gestellt und ließ ihren Blick über die Buchrücken wandern.

„Wenn es hauptsächlich um Übungsaufgaben geht, sind das meiner Meinung nach ganz schön viele Bücher.“

„Der Unterrichtsstoff ist ja auch ziemlich vielfältig.“

„Ach komm schon, wir sind beide Profis. Natürlich gehört schon etwas zu unserem Beruf dazu, aber so viele verschiedene Unterrichtsthemen? Irgendwann wiederholt sich doch alles.“

Herausfordernd und skeptisch zugleich musterte die UA Lehrerin die Jüngere. „Willst du damit sagen, du wärst in der Lage jede Aufgabe, die man dir stellt, mit Bravour zu lösen?“

„So schwer kann das für einen Profi nicht sein. Sind immerhin nur Schulaufgaben.“, ging die Blondine auf die Herausforderung ein.

„Na schön, das probieren wir doch gleich mal aus.“

Kaum ausgesprochen, legte sich ein Schatten über die Mimik der Lehrerin, der die Blondine nichts Gutes ahnend zu der Größeren sehen ließ.

Ein Arm der Dunkelhaarigen schnellte nach vorn und kesselte die Heldin zwischen ihr und dem Bücherregal ein, während sie mit der freien Hand eins der Bücher aus dem Regal griff, ohne genau darauf zu achten, welchen Titel sie da eigentlich erwischt hatte.

Ein fast schon sadistisches Lächeln schlich sich auf ihre Lippen, als Nemuri feststellte: „Da das hier ja 'nur' Schulaufgaben sind und ein Profi die Fragen mit Leichtigkeit beantworten können sollte, erhöhen wir den Einsatz doch ein wenig. „Pro falscher Antwort eine kleine Strafe?“

Entgeistert starrte die Blondine ihr Gegenüber an, überrascht über sich selbst, da sie sich unsicher war, ob sie den Gesichtsausdruck der Älteren nun beunruhigend oder fast schon wieder anziehend finden sollte.

Dann fiel ihr Blick auf den Buchrücken des Buches, aus welchem die UA Lehrerin gedachte ihr Aufgaben zu stellen.

Yu verzog das Gesicht, schnappte sich das Buch und drehte es so um, dass auch Nemuri den Titel lesen konnte.

„Du bist wohl verrückt!“, stellte sie fest. „Kernphysik für Fortgeschrittene - ich bezweifle ernsthaft, dass DAS ein Schulbuch ist.“ Das konnte nur ins Auge gehen.

„Kernphysik?“ Nun war es auch Midnight irritiert zu blinzeln. Sie hatte bis eben nicht einmal gewusst, dass es solche Bücher in der Lehrerbibliothek gab.

Yu, die immer noch zwischen der anderen Heldin und dem Bücherregal eingekesselt war, konnte in ihrer aktuellen Position nicht anders, als zu der Größeren hochzusehen, wenn sie ihr direkt ins Gesicht sehen wollte.

„Wie wäre es, wenn ich stattdessen dir ein paar Aufgaben aus diesem Buch stelle? Als Lehrerin solltest du den Stoff aus den Büchern dieser Bibliothek eigentlich können.“ Sie grinste schadenfroh. „Und falls nicht, bin wohl kaum ich diejenige, die eine Strafe verdient hat.“

Obwohl ihr die Nähe zu ihrem Gegenüber alles andere als unangenehm war, tauchte die Profiheldin flink unter dem Arm der Anderen hindurch und endschwand mit zwei Schritten in die Freiheit, ehe sie sich wieder zu der Dunkelhaarigen umdrehte.

„Ach weißt du, einigen wir uns einfach darauf, dass wir unsere Zeit nicht mit so etwas verschwenden sollten, sondern lieber die Unterlagen in Angriff nehmen, wegen denen wir ursprünglich hergekommen sind.“, lenkte Nemuri schließlich mit einem schiefen Grinsen ein.
 

Als die beiden Frauen wieder am Tisch saßen, blätterte Yu durch die Unterlagen, die die UA ihr ausgehändigt hatte und in denen die zukünftige Zusammenarbeit zwischen Profihelden und Schule noch einmal etwas genauer aufgeführt worden war.

Erst die To-Do Liste des letzten Praktikanten, dann die Mitarbeit im Trainingscamp und jetzt das! Für die Helden von Morgen konnte ein solches Konzept nur von Vorteil sein, für die Profis hingegen bedeuteten die Neuerungen vor allen Dingen eins - Arbeit! Das war ein Punkt, der der Blondine ganz und gar nicht gefiel.

Ein ziemliches Gesicht ziehend, blickte sie auf, um der UA Lehrerin gegenüber zu äußern, dass sie die angedachten Maßnahmen als vollkommen übertrieben ansah, doch dann stutzte sie.

Hatte Yu eben eigentlich noch etwas sagen wollen, zog sie es nun vor zu schweigen und musterte von ihrem Platz aus Nemuri, welche damit begonnen hatte, die Klausuren zu korrigieren.

Ein Schmunzeln stahl sich auf die Lippen der Blondine.

Der Anblick war wirklich göttlich. Man konnte der Lehrerin im Gesicht ansehen, was sie von der jeweils vor ihr liegenden Klausur hielt. Handelte es sich um Fragen, welche größtenteils richtig beantwortet waren und dem Schüler eine hohe Punktzahl einbrachten, war unübersehbar, dass die Dunkelhaarige sich für eben jenen Schüler ehrlich freute, lag jedoch eine Klausur vor ihr, welche miserabel war, verdunkelten sich ihre Gesichtszüge und sie sah aus, als hätte sie nicht übel Lust, den Schüler eigenhändig zu erwürgen.

Eine Weile lang betrachtete die Blondine fasziniert die lebhafte Mimik der Älteren, schließlich hielt sie es auf ihrem Platz nicht mehr aus, legte die eigenen Unterlagen bei Seite und stand auf.

Sie umrundete den Tisch und blieb neben der Dunkelhaarigen stehen, um selbst einen Blick auf die Klausuren werfen zu können.

„Zeig doch mal her, womit die Schüler sich herumplagen mussten. Dein Gesichtsausdruck spricht Bände.“, amüsierte sie sich.
 

Auf ihre Worte hin, wandte sich Midnight halb überrascht der anderen Heldin zu. Interessierte Mt. Lady sich wirklich für den Inhalt der Klausuren? Der Gedanke schien ihr absurd und doch hatte die Jüngere sich neben sie gestellt, sich halb über den Tisch gebeugt und spähte von ihrem Platz aus auf eins der Schriftstücke.

Doch es war nicht die Tatsache, dass die Blondine sich mal für etwas, was mit der Schule zu tun hatte, interessierte, es war viel mehr die plötzliche Nähe zu ihr, die die UA Lehrerin ein wenig aus dem Konzept brachte.

Es war das gleiche Gefühl wie neulich im Taxi, als die Profiheldin an ihre Schulter gelehnt eingeschlafen war. Egal, wie sehr die beiden sich manchmal stritten und was für ein Ego Yu auch besitzen mochte, sie hatte etwas an sich, was die Dunkelhaarige anzog wie ein Magnet, auch wenn sie dies vor anderen nie zugeben würde. Die letzten Begegnungen der beiden hatten es nicht unbedingt besser gemacht.

Da Nemuri keine sehr scheue Person war, gab sie ohne lange zu zögern dem aufkommenden Impuls nach, die Jüngere mit einem Arm zu sich zu ziehen.

Durch diese Aktion aus dem Gleichgewicht gebracht, fand die Blondine sich im nächsten Moment seitlich auf dem Schoß der anderen Frau sitzend wieder.

„Huh? Was zum?“ Fragend und mit einem zarten Rosaschimmer auf den Wangen, wandte Yu sich Nemuri zu, die nicht weiter darauf einging, sondern lediglich gemütlich die Arme um die Blondine legte und in Richtung der Klausuren nickte.

„Wenn du dir einen zweiten Rotstift schnappst und mithilfst, sind wir hier schneller fertig.“, scherzte sie.

Einen Moment lang starrte Yu sie noch entgeistert an, dann klaubte sie eins der Schriftstücke vom Tisch auf und lehnte sich an die Ältere.

Damit, dass diese sie ohne jede Vorwarnung auf ihren Schoß verfrachten würde, hatte sie zwar nicht gerechnet, doch fühlte sie sich alles andere als unwohl in ihrer aktuellen Situation.

„Ich fürchte, entweder würde ich deine Schüler zu streng oder zu wohlwollend bewerten, wobei ich letzteres für unwahrscheinlich halte.“, scherzte sie und begann damit die Klausur zu überfliegen.

„...was hat dein Schüler bitte für eine Sauklaue?“

„Oh, die Schrift ist doch noch harmlos.“, amüsierte Nemuri sich und lachte leise. Sie genoss die aktuelle Situation ebenso wie die Blondine.

Für einen Moment herrschte Schweigen.

Während die Profiheldin so tat, als würde sie tatsächlich die Klausur ansehen, hatte Nemuri das Kinn auf Yus Schulter gelehnt und hatte sich der nächsten, auf dem Tisch liegenden Klausur gewidmet, die sie korrigieren wollte, doch beide hatten sie das gleiche Problem, denn konzentrieren konnte sich keine von beiden.

So ungewohnt die Nähe zu der Blondine auch war, die UA Lehrerin genoss es, die zierliche Heldin im Arm zu halten, während Yu scheinbar nichts dagegen hatte, wäre sie doch sonst schon längst wieder aufgesprungen, oder hätte lautstark protestiert. Doch nichts dergleichen geschah. Eine Tatsache, die Midnight überraschte.

So leicht, wie die beiden Heldinnen sich ständig stritten, hätte sie nicht damit gerechnet, dass die Blondine mit dem berghohen Ego sich wohl in ihrer Nähe fühlen könnte - nun, zumindest hatte sie dies bis vor etwa einer Woche für unmöglich gehalten. Die Tatsache, dass ihre Quirk neulich im Taxi so spielend leicht gewirkt hatte und dann noch die Art und Weise, wie die Jüngere sich an diesem Abend verabschiedet hatte, hatten ihr natürlich zu denken gegeben.

Da Nemuri sich, Yu auf ihrem Schoß sitzend, nicht auf die Klausuren vor ihnen konzentrieren konnte und eine blonde Strähne sie unentwegt an der Wange kitzelte, gab sie es schließlich auf, die Schriftstücke heute noch zu korrigieren.

Sie hob den Blick und sah geradewegs zu der anderen Heldin. Durch deren Maske konnte sie ihre Augenpartie nicht so gut erkennen, doch befand sie, dass die Blondine heute einen ausgeruhteren Eindruck machte als neulich noch.

„Was machen eigentlich deine Schlafstörungen?“, sprach Nemuri schließlich das Thema an, über welches sie sich die ganze Woche schon immer wieder den Kopf zerbrochen hatte und welches sie heute bisher noch nicht hatte anschneiden können.

Yu, die mehr alibimäßig so getan hatte, als würde sie die Klausur ansehen, als dass sie diese wirklich durchgelesen hatte, legte die Papiere wieder auf den Tisch zurück und drehte sich ein wenig, sodass sie ihre Gesprächspartnerin besser ansehen konnte.

„Sie sind noch nicht ganz verschwunden, aber schon deutlich besser geworden.“, berichtete sie. „Ich komme mit viel weniger Kaffee über den Tag und was die Schlaftabletten betrifft, reicht eine Tablette pro Nacht auch wieder aus.“

Das klang zwar besser als neulich, doch die Antwort war nicht ganz so ausgefallen, wie die Dunkelhaarige es sich erhofft hatte.

„Aber verschwunden ist dein Problem dadurch nicht. Eine Tablette pro Nacht ist immer noch eine Tablette zu fiel.“, befand sie.

Yu zuckte mit den Schultern. „Ich bin ja schon froh, dass es überhaupt besser geworden ist.“

„Wenn der Versuch neulich zumindest ein wenig Linderung verschafft hat, sollte man die Aktion wiederholen.“

„Ach ja? Wolltest du in den nächsten Tagen in meinem Büro vorbeischauen und versuchen, ob deine Fähigkeiten mich noch einmal einschlafen lassen?“

Noch ehe Midnight etwas darauf antworten konnte, wurde die Aufmerksamkeit der beiden Frauen nach draußen gelenkt, als ein Blitz für den Bruchteil einer Sekunde die Dunkelheit verdrängte und die Umgebung in ein gleißendes Licht tauchte, ehe ein ohrenbetäubender Donner folgte.

Regentropfen prasselten unerbittlich an die Fensterscheibe.

Yu zog ein Gesicht. „Gewitter? Schon wieder? Warum wird das Wetter jedes Mal unterirdisch, wenn ich dir begegne?“

„Na, das fragst du besser irgendeine höhere Macht.“, kam es amüsiert von Nemuri, ehe sich ein schwer zu deutendes Schmunzeln auf ihre Lippen legte und sie sich zum rechten Ohr der Blondine herüberbeugte.

„Glaubst du, dass ich dich mit meinen Fähigkeiten nochmal so leicht einschlafen lassen kann, wie neulich im Taxi? Ich meine, dass meine Quirk so gut auf dich gewirkt hat, war wirklich bezeichnend.“

Die Blondine war sich nicht ganz sicher, auf welcher Ebene sie diese Frage nun auffassen sollte.

Fragte die Ältere sich lediglich, ob ihre Fähigkeiten noch einmal Wirkung zeigen würden, oder spielte sie gerade viel mehr darauf an, dass ihre Quirk normalerweise wesentlich besser auf Männer wirkte und es daher bezeichnend war, dass es ihr gelungen war, die jüngere Heldin fast augenblicklich damit auszuschalten.

Einige Herzschläge lang starrte Yu Nemuri einfach nur an, da das Thema ihrer Meinung nach in eine nicht ganz unverfängliche Richtung ging. Außerdem vermutete sie, dass die Ältere sich durchaus bereits ihren Teil dachte und sich nun viel mehr einen Spaß daraus machte, sie zu necken.

„Stell dir mal vor, wir könnten unsere Quirks tauschen. Würde es mir dann gelingen dich einschlafen zu lassen?“, konterte die Blondine lieber mit einer Gegenfrage.

Einen Moment dachte die Ältere darüber nach, ehe sie zu einer Antwort ansetzte: "Du weißt genau, dass das nicht möglich ist, also muss ich mir darüber auch nicht den Kopf zerbrechen.“

„Es ist ja auch nur ein Gedankenspiel.“, beharrte die Profiheldin, die ihr Gegenüber so schnell nicht wieder vom Haken lasse wollte. „Also, könnte ich, oder nicht?“

Herausfordernd grinsend schob die Kleinere das Kinn der UA Lehrerin mit einem Finger etwas hoch.

Anstatt sich aus dem Konzept bringen zu lassen, schmunzelte die Ältere ebenfalls.

„Du müsstest es probieren.“, stellte sie schließlich fest.

Die Blicke der beiden Heldinnen trafen sich. Anfangs noch herausfordernd, entfaltete der direkte Blickkontakt nach nur wenigen Augenblicken eine viel mehr magnetische Wirkung.

Yu lehnte sich im gleichen Moment nach vorne wie Nemuri. Sanft trafen ihre Lippen sich.

Die Blondine schaffte es für den Moment die Umgebung komplett auszublenden und genoss die Nähe zu der Älteren, sowie das warme Gefühl in der Magengegend.

Auch die UA Lehrerin genoss den Moment, ließ die Hände langsam über den Rücken der Jüngeren wandern und intensivierte den Kuss nach einigen Augenblicken.

So sehr die beiden Frauen sich teilweise auch streiten mochten, so eine gegenseitige Anziehungskraft übten sie ironischerweise auch aufeinander aus, bloß, dass sie dies normalerweise nicht gerade an die große Glocke hängten.

Über die Erkenntnis, dass es der jeweils Anderen ähnlich gehen musste, würde sich keine von beiden beschweren.

In diesem magischen Moment gefangen, sich dem Kuss voll und ganz hingebend, bemerkten sie erst, dass die Tür sich geöffnet und eine weitere Person den Raum betreten hatte, als besagte Person gegen das hölzerne Bücherregal neben sich klopfte, um auf sich aufmerksam zu machen.

„Ich darf daran erinnern, dass dieser Raum hier die Lehrerbibliothek ist.“, kam es mit monotoner Stimme von Aizawa, der mit einigem Papierkram beladen im Türrahmen stand.

Falls den Lehrer die Situation, in welche er geplatzt war, überrascht hatte, so ließ er sich dies zumindest nicht anmerken.

Während Yu augenblicklich wieder auf Abstand ging, aufsprang und mit Wangen, welche von Sekunde zu Sekunde röter wurden, zu dem UA Lehrer herumwirbelte, schien Nemuri sich kaum bis gar nicht von dem Besucher aus dem Konzept bringen zu lassen.

„Wie wäre es mal mit anklopfen?!“, pampte die peinlich berührte Blondine den Älteren an.

„An einer Tür, hinter der ein für jeden Lehrer zugänglicher Raum liegt?“, hakte Aizawa lediglich nach, nach wie vor mit monotoner Stimme und keine Miene verziehend.

„Ich bin überrascht, dass du um die Uhrzeit noch in der Bibliothek vorbeischaust.“, wandte Nemuri sich an ihren Kollegen. „Hast du auch noch so viel Arbeit zu erledigen?“

„Nein. Ich muss lediglich das Unterrichtsmaterial für Morgen zusammensuchen und kopieren.“, verneinte der Schwarzhaarige die Frage, schritt durch den Raum und begann in einem der Regale gezielt nach einem Buchtitel zu suchen.

„Wie auch immer, lass dich nicht stören.“ Auch Nemuri war von ihrem Platz aufgestanden, zwinkerte dem anderen Lehrer zu und griff nach dem Handgelenk der Blondine. „Wir sind dann auch schon wieder weg!“

Midnight hatte kein Problem damit, Yu, die in ihrer normalen Gestalt ein unübersehbares Stück kleiner als die Dunkelhaarige war, hinter sich herzuschleifen, zumal die Blondine ihr im ersten Moment reichlich überrumpelt hinterherstolperte.

„Los, komm mit, ich zeige dir die Schule!“, entschied Nemuri motiviert.

„Eh? Was interessiert mich die Schule?“, kam es verwirrt und mit äußerst überschaubarer Begeisterung von Mt. Lady.

Kopfschüttelnd blickte Aizawa seiner Kollegin und der jüngeren Profiheldin nach, als die beiden aus dem Raum verschwanden.

So unerwartet die Szene, in welche er da eben geplatzt war, auch gewesen sein mochte, hatte er den Blick fürs Wesentliche nicht verloren, in diesem Fall die zurückgelassenen Klausuren auf dem Tisch.

„Indem sie sie liegen lässt und vergisst, wird sie die Klausuren auch nicht schneller korrigieren.“

Schließlich wandte er sich wieder dem Bücherregal zu und zog wenig später bereits den gesuchten Buchtitel daraus hervor.
 

„Oh Gott, das war peinlich!“, murrte die Blondine, deren Gesichtsfarbe sich nur langsam wieder normalisierte, während sie sich von Nemuri durch die Schulflure schleifen ließ.

„Ach, das war halb so wild. Er wird schon nirgendwo rumerzählen, was er da gesehen hat.“ Unbeeindruckt zuckte die Dunkelhaarige mit den Schultern und fügte hinzu: "Und selbst wenn, was ist dabei?“

Yu bedachte sie mit einem skeptischen Blick. „Was dabei wäre? Der Tratsch würde sich wie im Lauffeuer erst in der Schule und dann in der ganzen Stadt verbreiten.“

Nemuri schloss einen weiteren Klassenraum auf und betrat diesen.

„Ja, vielleicht. Dann würden sich die Leute eben ein paar Tage lang das Maul zerreißen und danach würde es niemanden mehr interessieren. Außerdem dachte ich, du genießt die Aufmerksamkeit der Medien?“ Sie grinste die Kleinere an. „Ach ja, das hier ist übrigens der Klassenraum der 1b.“

„Ich habe nichts dagegen, die Medien wissen zu lassen, wenn ich einmal mehr einem Schurken erfolgreich das Handwerk gelegt habe, aber Privates würde ich lieber für mich behalten.“

Flüchtig ließ die Profiheldin den Blick durch den verlassenen Klassenraum schleifen.

„Und vorher waren wir im Chemieraum und im Klassenraum der 2a. Wirklich, du musst mir die Schule nicht zeigen. Ich weiß wie Klassenräume aussehen und diese hier unterscheiden sich auch nicht sonderlich von den Klassenzimmern, die ich kenne.“

Zwar hatte die Blondine mit der Älteren die Flucht aus der Bibliothek ergriffen, doch auf eine Führung durch die Schule konnte sie auch ganz gut verzichten.

„Wenn du glaubst, dass die UA so aussieht, wie jede andere Schule auch, dann hast du die Trainingshalle noch nicht gesehen.“

Midnight schloss den Klassenraum wieder ab und schlug den Weg in Richtung Treppe ein, welche ins Erdgeschoss führte.

Mt. Lady wirkte alles andere als motiviert, folgte ihr jedoch, was nicht zuletzt daran liegen mochte, dass sie so oder so zurück ins Erdgeschoss musste, wenn sie das Schulgebäude verlassen wollte.

Bereits während sie durchs Treppenhaus liefen und schließlich eine Art Pausenhalle durchquerten, bemerkte die junge Frau jedoch, dass dies nicht der Teil der Schule war, welchen sie vorhin ursprünglich betreten hatte, um die Unterlagen abzuholen.

„Wo sind wir denn hier gelandet? Der Eingang ist das zumindest nicht.“, murrte sie und blieb stehen, als auch Nemuri an einer Tür, welche nach draußen führte, inne hielt.

„Wir sind ja auch durch ein anderes Treppenhaus gelaufen. Wenn man das Gebäude auf dieser Seite verlässt, läuft man direkt auf die Trainingshalle zu.“

Yu riskierte einen Blick nach draußen. Folgte man dem schmalen Kopfsteinpflasterpfad, lief man in der Tat direkt auf eine riesige Halle zu. Von außen war nicht ersichtlich, dass die Schüler in diesem Gebäude trainieren konnten. Viel mehr hätte es sich auch um eine Messehalle, oder ähnliches, handeln können.

Regen prasselte unaufhörlich auf den Weg und die Rasenfläche, welche den Pfad säumte, herab. Hier und da hatten sich bereits Pfützen auf dem Kopfsteinpflaster gebildet.

Es regnete so heftig, dass die Tropfen, wenn sie die Glastür trafen, klangen wie kleine Geschosse.

Wieder zuckte ein Blitz am Himmel entlang.

„Hast du dir mal das Wetter angesehen? Du willst da jetzt nicht wirklich raus?“

„Ich wusste gar nicht, dass du aus Zucker bist.“, zog Nemuri die Jüngere auf.

Yu zog ein Gesicht. „Ich habe mir viel mehr Gedanken um dich gemacht. Alte Leute sind nicht mehr so schnell und wenn du dir da draußen eine Lungenentzündung holst, könnte das für ein in die Jahre gekommenes Immunsystem ein echtes Problem darstellen.“

Auf die Gesichtszüge der Dunkelhaarigen legte sich ein unheimlicher Schatten, als sie die andere Heldin fixierte.

„Ich würde dir raten, dass du so schnell rennst wie du kannst, weil ich nicht dafür garantieren kann, was ich mit dir anstelle, wenn ich dich in die Finger kriege...!“, zischte Nemuri.

Sie machte einen raschen Schritt auf die Blondine zu und griff noch ihr, doch die Jüngere spielte das Spielchen mit, schlüpfte geschickt unter dem Arm der Lehrerin hindurch und rannte hinaus in den Regen, Kurs auf die Trainingshalle nehmend.

„Versuchs ruhig, du kriegst mich doch sowieso nicht!“

Obwohl sie rannte, war die Heldin bereits nach wenigen Metern durchweicht. Bereits nach wenigen Schritten hatte sie gleich doppelte Motivation die Halle so schnell wie möglich zu erreichen.

Einerseits hatte sie nicht vor, sich von der Älteren, welche immer mehr Strecke gut machte, einholen zu lassen, anderseits wollte Yu so schnell wie möglich dem Regen entkommen.

Gerade, als sie die Tür zur Trainingshalle erreicht, nach der Türklinke gegriffen und diese heruntergedrückt hatte, hatte Nemuri, die ihr die ganze Zeit über bereits dicht auf den Fersen gewesen war, sie eingeholt.

Einerseits gelang es der Dunkelhaarigen so schnell nicht mehr anzuhalten, andererseits wollte sie die andere Heldin von einer weiteren Flucht abhalten.

Sie prallte gegen die kleinere Frau, die Tür zur Trainingshalle gab nach und beide Frauen taumelten ins Innere des Gebäudes.

„Wie war das noch gleich mit 'du kriegst mich nicht'?“, hakte Midnight schadenfroh nach, die Jüngere an beiden Handgelenken mit schraubstockartigem Griff fixierend.

„Ich wollte nicht herzlos sein und bin an der Tür stehen geblieben, falls es dir entgangen sein sollte.“, neckte Yu sie und blickte mit einem frechen Schmunzeln nach oben, da die UA Lehrerin sich ein Stück weit über sie gebeugt hatte.
 

Ein Bewegungsmelder sorgte dafür, dass in der Trainingshalle ganz automatisch das Licht anging, was Yu dazu veranlasste, sich erst einmal in dem Gebäude umzusehen, in welchem sie hier gelandet waren.

Sie stutzte. „Du meine Güte, DAS ist eure Trainingshalle? Was ist denn hier passiert? Sieht aus als wäre hier eine Bombe eingeschlagen.“

Hatte Midnight die Jüngere bis eben noch mit dem Blick fixiert, so blinzelte sie auf Mt. Ladys Worte hin irritiert und sah sich nun ebenfalls um. Weiterhin hielt sie die Blondine an den Handgelenken fest, hatte den Griff jedoch gelockert, sodass Yu ihre Arme wieder befreien konnte.

„Das ähm...gute Frage. Heute Morgen sah es hier noch nicht so aus.“, musste Nemuri ehrlicherweise zugeben.

Überall in der Trainingshalle befanden sich riesige Felsen und Betonblöcke. Zumindest war dies der Zustand der Halle gewesen, welchen sie in Erinnerung hatte.

Eine Klasse musste in der Zwischenzeit noch einmal hier trainiert haben, denn viele der Felsbrocken waren gespalten oder zertrümmert, während von dem Beton nur noch Schutt, oder zerbrochene Trümmerteile übrig waren.

In der Mitte der Halle war der Boden verbrannt, Trümmer waren von diesem Punkt aus in alle Richtungen auf und davon geflogen.

Die Jüngere stakste einige Schritte weit durch die Trümmer, sehr darauf bedacht, nirgends hängenzubleiben, oder zu stolpern.

„Eins muss man den Schülern, die hier gewütet haben lassen, sie haben sich Mühe gegeben.“, stellte Yu lediglich fest, den Blick über das Chaos vor sich schweifend, ehe sie damit begann, sich fröstelnd über die Oberarme zu reiben.

Aus dem Regen entkommen waren Nemuri und sie zwar, doch die Trainingshalle schien leider keine Heizung zu besitzen, und falls doch, war diese gerade nicht eingeschaltet.

Die Blondine winkte die Ältere zu sich herüber, gab sich einen Ruck und lehnte sich schließlich ganz einfach mit dem Rücken an sie, in der Hoffnung sich ein wenig aufwärmen zu können.

„Das Schulgebäude bei dem Sauwetter zu verlassen, war eine dumme Idee.“, schmollte Yu. „Wir hätten lieber warten sollen, bis der Regen nachgelassen hat. Jetzt bin ich patschnass und muss in dem Zustand noch durch die Stadt.“

Die Dunkelhaarige blickte auf den blonden Schopf der kleineren Heldin herab, welche scheinbar beschlossen hatte, sie als eine Art Heizkörper umzufunktionieren.

Das die Aussage der Profiheldin einen leicht zickigen Unterton hatte, überraschte Midnight in keinster Weise. Der Schmollmund, den die Jüngere zog, ließen sie das dem Regen geschuldete Missfallen in Yus Stimme jedoch fast schon wieder überhören.

Was die UA Lehrerin jedoch wesentlich mehr überraschte, als der Fakt, dass sie sich insgeheim einmal mehr nicht an der Blondine in ihren Armen sattsehen konnte, war die Tatsache, dass diese erneut ganz direkt ihre Nähe gesucht hatte, selbstbewusst und ohne jede Scheu.

„Ich glaube nicht, dass es so schnell wieder aufhören wird zu regnen. Warum bleibst du nicht ganz einfach heute Nacht hier?“, schlug Nemuri Yu vor, zugegebenermaßen nicht ohne Hintergedanken, hatte sie doch nicht vor, die Blondine, deren vom Regen durchweichtes Heldenkostüm wie eine zweite Haut an ihr klebte, so schnell wieder gehen zu lassen. Umgänglich und anschmiegsam, wie die Jüngere sich heute gab, fielen der Dunkelhaarigen spontan einige Vorzüge ein, die es mit sich bringen würde, die andere Profiheldin zum Bleiben zu bewegen.

Die Blondine drehte sich in der Umarmung, sodass sie sich nun frontal gegenüberstanden und sie nur noch den Blick heben musste, wenn sie ihr Gegenüber direkt ansehen wollte.

Yu warf der Älteren einen zweifelnden Blick zu. „Hier in der Schule? Meinst du in einem der Klassenräume? Vergiss es. Die Holzstühle in den Klassen sehen zum einen unbequem aus, zum anderen hole ich mir noch den Tod, wenn ich mich nicht umziehe.“

„In einem der Klassenzimmer?“ Die Lehrerin blinzelte. „Ich hatte jetzt eher daran gedacht, dich mit zu mir ins Lehrerwohnheim zu nehmen.“

„Ins Lehrerwohnheim?“, wiederholte die Blondine und dachte einen Augenblick über das Angebot nach. „Wie kann ich mir das Lehrerwohnheim vorstellen? Habt ihr jeweils eure eigenen Wohnungen in dem Gebäude, oder lebt ihr in einer großen WG?“ Möglich war schließlich alles, erst recht an dieser Schule.

„Jeder bewohnt dort ein eigenes, kleines Appartement.“, beantwortete Nemuri amüsiert die Frage der anderen Heldin. „Warum willst du das überhaupt wissen? Wolltest du sicher gehen, mit mir allein zu sein?“, scherzte sie und musste den anzüglichen Tonfall in ihrer Stimme dabei noch nicht einmal spielen.

„Das hast du jetzt behauptet.“, stellte Yu mit möglichst neutraler Stimme fest. "Ich könnte mir natürlich auch ein Taxi rufen und mich nachhause fahren lassen.“ Sie tat so, als würde sie ernsthaft über diese Möglichkeit nachdenken.

„Damit die Morgen krank bist, wenn du nicht bald aus den nassen Klamotten raus bist?“, hakte die Ältere nach.

„Deinen Worten entnehme ich, dass es dir lieber wäre, wenn ich hierbleibe.“, schlussfolgerte die Blondine, die dem Angebot ihres Gegenübers einen gewissen Eigennutz unterstellte.

Sie rang mit sich. Einerseits war da diese innere Stimme, die ihr zuflüsterte, dass sie nichts lieber tun würde als heute bei Nemuri zu übernachten, andererseits wollte sie dies nicht so direkt zugeben.

„Warum überzeugst du mich nicht ganz einfach davon, dass es die bessere Idee ist, mich heute Nacht ebenfalls im Lehrerwohnheim einzuquartieren?“ Die Blondine bedachte ihr Gegenüber mit einem herausfordernden Blick und schmunzelte.

„Ich soll dich überzeugen?“ Überrascht über diese Aufforderung blinzelte Nemuri. „Du willst davon überzeugt werden, dieses überaus nette Angebot anzunehmen und dir eine Erkältung zu ersparen?“, hakte sie nach, um einen möglichst harmlosen Gesichtsausdruck bemüht.

„Ich sehe dir die Hintergedanken an der Nasenspitze an.“, stellte Yu ungerührt fest.

„Hintergedanken? Ich weiß nicht wovon du sprichst.“, mimte die Ältere weiterhin die Unschuldige. „Dir bleibt es erspart durch den Regen zu müssen, dir dabei den Tod zu holen und zudem würde es sich anbieten, wenn du bleibst, um noch einmal etwas gegen deine Schlafstörungen zu unternehmen...“

Mit einem Finger piekte die Blondine ihr Gegenüber geradewegs gegen das Schlüsselbein.

„HA! Jetzt fängst du ja doch an, eine Liste an Vorteilen für mich aufzulisten!“, triumphierte sie.

Die UA Lehrerin behielt ihren unschuldigen Gesichtsausdruck noch für einen Moment bei, ehe sie einknickte und sich nun auch auf ihre Lippen ein Grinsen stahl.

„Na gut, zugegeben, wären das nicht die einzigen Vorteile.“, räumte sie schließlich ein. „Das ein oder andere würde mir durchaus noch einfallen, anhänglich wie du heute bist.“

„Anhänglich? Ich? Du hältst mich im Arm und nicht umgekehrt.“, korrigierte Yu gespielt empört.

„Weil du zur Frostbeule mutiert bist und mich darum gebeten hast.“, konterte die Dunkelhaarige.

„Erst nachdem du mich durch den Regen gescheucht hast.“, beharrte die blonde Profiheldin.

Die beiden ungleichen Frauen blickten sich an, schwiegen für einen Moment und mussten schließlich lachen.

Es war durchaus interessant zu sehen, dass sie seit dem Trainingscamp gelernt hatten sich zu necken, ohne dabei gleich anzufangen ernsthaft zu streiten. Und nicht nur das hatte das Trainingscamp ihnen verdeutlicht, sondern auch, dass sie bereits zuvor eine gewisse Sympathie füreinander gehegt hatten, ohne dies je zugegeben zu haben.

„Mh, wie wäre es mit so etwas wie einem kleinen Vorgeschmack auf die weiteren Vorteile, an die du noch so gedacht hast?“ Mit einer gewissen Herausforderung im Blick, sah Yu die Ältere an.

„Einen Vorgeschmack? Den kannst du haben.“, stimmte Midnight ohne jedes Zögern zu, ehe sie sich über die Lippen leckte und ein leichter Schatten sich über ihren Blick legte.

Die ältere Heldin beugte sich zu der Blondine vor sich herab und versiegelte ihre Lippen mit einem Kuss, welchen sie recht bald intensivierte. Auffordernd fuhr sie Yu mit der Zunge über die Lippen, welche darauf einging, die Arme um Nemuris Hals schlang, sie ein Stück weiter zu sich herunter zog und sich noch etwas enger an sie schmiegte.

Ein Rumpeln am Eingang der Trainingshalle ließ die Blondine aufhorchen.

Sie brachte reflexartig etwas mehr Abstand zwischen sich und die UA Lehrerin, musste sich im ersten Moment jedoch dazu zwingen, sich zurück ins Hier und Jetzt zu blinzeln.

Was war das eben bitte für ein Geräusch gewesen? Hatte sich jetzt etwa der nächste Lehrer oder Schüler zu ihnen verirrt? Nicht schon wieder!

Doch anstelle einer Person, entdeckte sie eine Art Roboter, welcher an eine übergroße, fahrende Dose mit Beleuchtung erinnerte.

„Was bitte ist das, Nemuri?“, wollte Yu irritiert wissen und deutete auf das merkwürdige Ding, welches da gerade in die Halle gefahren war und sich zwischen einigen Trümmerteilen festgefahren hatte. Abgelenkt durch den seltsamen Roboter, war Yu gar nicht aufgefallen, dass sie die andere Heldin mit deren Vornamen angesprochen hatte, welcher ihr wie selbstverständlich über die Lippen gegangen war.

„Das?“ Die Ältere musterte den Roboter kurz, frustriert darüber, dass der Haufen Elektroschrott unbedingt jetzt hatte auftauchen müssen. „Das ist eine Art fahrende Überwachungskamera, welche auch nachts die Sicherheit an der Schule garantiert.“

Die Blondine blickte sie entgeistert an.

„Die Kamera reagiert auf Bewegungen und überträgt die Bilder direkt an den Sicherheitsdienst. Wenn du dich gerade schon so sehr an meinem Kollegen gestört hast, sollten wir vielleicht hier raus, so lange der Roboter sich in dem Trümmerhaufen da vorne festgefahren hat.“

„Ihr habt echt ganz schön kranke Erfindungen an dieser Schule!“, stellte Yu entschieden fest und schob Nemuri einige Schritte vor sich her, ehe die Dunkelhaarige wieder die Führung übernahm und hinaus in den Regen lief.

Da der Roboter sich zwischen zwei Steinen festgefressen hatte, gelang es den beiden Frauen, ungesehen an der Kamera vorbeizuschlüpfen.

Auch die Blondine trat hinaus in den Regen, fluchte als die kalten Wassertropfen gnadenlos auf sie niederprasselten und beeilte sich lieber Nemuri zu folgen, hatte diese doch bereits den Weg in Richtung eines anderen Gebäudes eingeschlagen. Höchst vermutlich handelte es sich dabei um besagtes Lehrerwohnheim, vermutete die Profiheldin.

Ein flatterndes Gefühl machte sich in ihrer Magengegend breit, als sie sich vor Augen führte, was es bedeutete, wenn sie der Älteren jetzt in deren Appartement folgte, doch sie schob es bei Seite, denn ihr Bauchgefühl sagte ihr, dass es okay war.
 

Heilfroh darüber, den Regen endlich aussperren zu können, schloss die Blondine die Haustür hinter ihnen und folgte der Älteren durch den Hausflur.

„Ganz schön dunkel hier. Wo ist der Lichtschalter?“ Mit dem Blick suchte sie bereits die Wände nach besagtem Schalter ab.

„Der ist direkt neben der Haustür.“, erklärte Nemuri, lief jedoch bereits weiter in Richtung Treppenflur. „Allerdings ist die Lampe kaputt und muss erst noch ausgetauscht werden.“

Yu verdrehte die Augen und fragte sich, ob irgendetwas auf dem Schulgelände wohl so funktionierte, wie es sollte.

Nachdem ihr Weg sie bis hoch in die zweite Etage geführt hatte, bog die UA Lehrerin schließlich in einen Flur ab.

Hatte Yu die Andere im dunklen Treppenflur nur schemenhaft wahrnehmen können, besserte sich ihre Sicht im Flur schlagartig wieder, verfügte dieser doch über funktionierende Beleuchtung.

Da auf dem Boden Teppich verlegt worden war, wurden die Schritte der beiden Frauen gedämpft. Hier und da war ein laufender Fernseher aus einem der Appartements zu hören, ansonsten lag der Flur ruhig und friedlich da.

Die Blondine musterte die andere Heldin, welche vor ihr den Flur entlangschritt. Ein weißes Heldenkostüm und Regen waren eine gewagte Kombination. Ob Midnight sich der Tatsache bewusst war, dass der Stoff ihres Heldenkostüms dank des Regenschauers einigermaßen durchsichtig geworden war?

Da Yu bereits ahnte, dass die Ältere sie damit aufziehen würde, sollte sie sich plötzlich herumdrehen und ihren Blick bemerken, begutachtete die Profiheldin lieber den Flur.

An sechs Türen waren sie bereits vorbeigelaufen, doch noch hatten sie nicht einmal die Hälfte des Flures erreicht.

Wenn das hier das Lehrerwohnheim war und sie sich auf der zweiten Etage befanden, war dann davon auszugehen, dass das ganze Gebäude aus einzelnen Wohneinheiten bestand? Das konnte doch eigentlich gar nicht sein, oder? Es handelte sich immerhin um ein ziemlich großes Haus und obwohl die UA keine kleine Schule war, bezweifelte Yu stark, dass hier so viele Lehrer angestellt waren. Nein, vermutlich gab es hier nicht nur Wohnungen, entschied sie.

„Uff!“ Dank der Grübelei darüber, ob das ganze riesige Gebäude nun aus Wohnungen für Lehrer bestand oder nicht, hatte die Blondine gar nicht mitbekommen, dass die andere Heldin vor einer Tür stehengeblieben war und war geradewegs gegen die Größere gerannt.

„Bist du jetzt stürmisch, oder einfach nur ungeschickt?“, neckte die Dunkelhaarige Yu und wandte sich der Kleineren amüsiert zu.

„Nichts dergleichen!“, beschwerte diese sich und fügte murrend ein :“Das ältere Herrschaften auch immer die nervige Angewohnheit haben müssen, ohne Vorwarnung mitten im Weg stehen zu bleiben.“, hinzu.

Im nächsten Moment fand die Jüngere sich bereits zwischen der Wohnungstür und einer sie warnend anfunkelnden Nemuri wieder.

„Bitte wie war das?!“, hakte die UA Lehrerin sogleich nach.

Anstatt sofort darauf zu reagieren, scannte Yu lieber erst einmal den Flur sowie die Decke mit dem Blick, ehe sie nachhakte :“Sind hier eigentlich auch irgendwo Überwachungskameras?“

Midnight blinzelte. „Eh? Nein, hier sind keine.“ Schon fixierte sie Yu wieder mit dem Blick, nicht gewillt sie nach dem Kommentar eben so leicht wieder vom Haken zu lassen. „Aber lenk nicht vom Thema ab. Was sagtest du da gerade, mein Alter betreffend?“ Die unterschwellige Drohung in Nemuris Stimme war nicht zu überhören.

Die Blondine ließ sich davon jedoch nicht aus dem Konzept bringen. „Was dein Alter betrifft, frage ich mich gerade, ob du jemandem wie mir denn überhaupt noch gerecht werden kannst.“, zog sie ihr Gegenüber auf, während ein freches Schmunzeln ihre Lippen zierte.

„So? Fragst du dich das? Ich freue mich wirklich schon darauf zu hören, wie du mich gleich um Gnade anflehen wirst.“ Bei ihren Worten kam ganz eindeutig die sadistische Ader der Lehrerin ans Tageslicht.

Während sie mit einer Hand das Kinn der Blondine fixierte und diese in einen Kuss verwickelte, schloss die Ältere mit der anderen Hand die Tür zu ihrem Appartement auf.

Als die Tür in ihrem Rücken sich öffnete, stolperte Yu einige Schritte rückwärts in das Appartement, während die Dunkelhaarige auch weiterhin nicht von ihr abließ.

Zwischen immer leidenschaftlicher werdenden Küssen und wandernden Händen, nuschelte die Blondine ihrem Gegenüber ein :“Kann es sein, dass ich hier geradewegs in 'Fifty Shades of UA' geraten bin?“, zu.

Als die ältere Heldin für einen kurzen Augenblick auf Abstand ging, wurde das Schmunzeln und der Schatten auf ihrem Gesicht breiter. „Nein, Süße. Fifty Shades of Midnight trifft es eher.“

Wie um ihre Aussage noch einmal zu unterstreichen, präsentierte sie der Blondine ein Paar Handschellen, welche dieser bis eben noch gar nicht aufgefallen waren. Langsam aber sicher erinnerte sie sich, dass Nemuris Heldenkostüm wohl als ein mehr als deutlicher Hinweis auf ihre Neigungen angesehen werden konnte.

„Heilige...! Wo hast du die denn so schnell her?“ Die Profiheldin blickte sie entgeistert an, doch anstelle einer Erklärung, verwickelte die Dunkelhaarige sie lediglich in einen neuen, intensiven Kuss und drängte sie weiter in das Appartement hinein.

Yu ging darauf ein, schlang ihre Arme um den Hals der Größeren und zog diese ein Stück weit zu sich herunter, wobei ihre Finger eher zufällig gegen den Reißverschluss des Heldenkostüms der Anderen stießen. Mit einem entschlossenen Ruck zog sie daran.
 

Die junge Frau wurde von dem höchst unmelodischen Tschilpen irgendeines Vogels geweckt, welcher es sich genau im Baum vor dem Fenster bequem gemacht haben musste.

Noch alles andere als wach, versuchte Yu den Vogel zu ignorieren, doch das Tier tschilpte so schief, dass an weiterschlafen nicht zu denken war.

Gähnend schlug sie schließlich die Augen auf, blinzelte und brauchte einen Moment um sich zu orientieren.

Die Sonne schien bereits durch das Fenster und tauchte das Appartement in ein freundliches, goldgelbes Licht. Die Sonne schien? War es denn schon so spät?

Im ersten Moment war die Blondine zu faul um aufzustehen, oder sich nach einer Uhr umzusehen.

Erst, als sie sich strecken wollte und ihr rechtes Handgelenk mit einem unerwarteten Ruck ausgebremst wurde, wurde sie schlagartig wacher.

Stirnrunzelnd riskierte Yu einen Blick auf ihr Handgelenk und stellte überrascht fest, dass dieses in einer Handschelle steckte, während die andere Seite der Handschelle am Kopfteil des Bettes befestigt worden war.

Was zum?! Sie konnte sich noch ganz genau daran erinnern, dass Midnight sie gestern Nacht irgendwann wieder von den Dingern befreit hatte.

Yu setzte sich im Bett auf, so gut es ging und sah sich kurz im Raum um.

Hatte die Ältere sich einen Scherz erlaubt? Leider nur konnte sie die Andere hier nirgendwo entdecken. Der Platz neben ihr im Bett war leer und bereits ausgekühlt, wie sie feststellte, als sie mit einer Hand über das Laken strich. Auch im restlichen Raum war niemand zu sehen.

„Nemuri!“, rief die Blondine nach der älteren Heldin, von der sie vermutete, dass sie vielleicht ins Bad gegangen war. „Komm schon, mach mich sofort los!“

Leider nur erhielt die Blondine keine Antwort. Einen Augenblick lang verharrte sie und lauschte, nur um festzustellen, dass es im Appartement absolut ruhig war.

Sie rückte ein wenig mehr in Richtung des Kopfteils, an welchem sie festgekettet worden war und zerrte erst an einer Seite, dann an der anderen Seite der Handschelle. Nichts.

„Das glaube ich jetzt nicht...“, murrte sie, warf der Handschelle einen vernichtenden Blick zu und sah sich erneut im Raum um, ehe ihr die Wanduhr ins Auge fiel.

Es war bereits 09:34 Uhr und es war Freitag. Das bedeutete dann doch, dass Nemuri bereits ihrem Beruf als Lehrerin nachging und höchst wahrscheinlich schon die Helden von Morgen unterrichtete, während sie hier mit ihrem Handgelenk am Bett festhing.

Fassungslos begann Yus Augenbraue zu zucken. Wenn das hier ein Scherz sein sollte, dann war er eindeutig nicht lustig!

Schließlich bemerkte sie einen zusammengefalteten Zettel auf dem Nachtschränkchen liegen, welchen sie trotz der Handschelle problemlos erreichen konnte.

Die Heldin streckte sich, wobei die Decke ein Stück weit herunterrutschte. Die Sonnenstrahlen, die nun auf ihre nackten Schultern und ihren Rücken schienen, waren angenehm warm.

Yu schnappte sich den Zettel vom Nachtschrank und entdeckte, kaum, dass sie das zusammengefaltete Stück Papier in der Hand hielt, einen kleinen Schlüssel, welcher sich die ganze Zeit über unter dem Papier befunden haben musste.

Zuerst einmal befreite sie mit Hilfe des Schlüssels ihr Handgelenk, dann stand sie auf und streckte sich. Bei dieser Aktion stellte die junge Frau fest, dass sie den Muskelkater ihres Lebens hatte.

„Gott, mir tut alles weh.“, gähnte sie.

Während sie barfuß durch das gemütlich eingerichtete Appartement tappte und den Zettel, welchen sie auf dem Nachtschränkchen gefunden hatte aufklappte, schweiften Yus Gedanken zurück zum vergangenen Abend und ein warmes Gefühl breitete sich in ihr aus.

„Ich werde sie nie, wirklich nie wieder alt nennen.“, schwor die Blondine sich mit einem abwesenden Lächeln auf den Lippen, ehe sie damit begann die handgeschriebenen Zeilen zu überfliegen.

»Ich konnte nicht widerstehen, tut mir leid. ;) Den Schlüssel für die Handschellen hast du aber inzwischen sicherlich entdeckt.

Ich habe es gestern, nachdem wir schließlich schlafen gegangen sind, mit meinen Fähigkeiten wohl etwas übertrieben, oder du hast im geschlossenen Raum einfach eine zu hohe Dosis davon eingeatmet, zumindest habe ich es heute Morgen einfach nicht geschafft dich zu wecken.

Ich musste schon los, meine Klasse mit neuen Unterrichtsthemen quälen, aber wenn du es um 10 Uhr in die Kantine schaffst, können wir zusammen frühstücken.

PS Du hast die Unterlagen gestern in der Bibliothek vergessen. Hol sie heute nach dem Unterricht bei mir ab.

Nemuri <3 «
 

Kopfschüttelnd legte Yu den Zettel auf dem Wohnzimmertisch ab und betrat das Badezimmer der Älteren, in welchem sie auch ihr Heldenkostüm wiederfand, welches die UA Lehrerin hier zwischengelagert haben musste.

Sie strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht und betrachtete einen Funkwecker, welche auf der Ablage im Badezimmer stand. Wenn sie sich beeilte, konnte sie es durchaus noch bis 10 Uhr in die Kantine schaffen.

Allerdings würde das Erscheinen einer bekannten Profiheldin, welche nicht an dieser Schule arbeitete, sicherlich Fragen aufwerfen. Viel zu viele Fragen, denen sie sich noch ungerne stellen wollte.

Erst einmal beschloss die junge Frau unter die Dusche steigen.

Während sie nach dem Duschkopf angelte, welcher eindeutig zuvor von einer deutlich größeren Person an der Armatur in der Dusche angebracht worden war, stellte Yu fest, wie ausgeschlafen sie sich eigentlich fühlte.

Endlich! Wie lange war sie nun nach dem unschönen Zwischenfall damals durchs Leben gewandelt wie ein Kaffeesüchtiger Zombie?

Seit langem konnte sie wieder erholt und ausgeschlafen in den Tag starten. Ob sie den Effekt, den die Quirk des Schurken damals erzielt hatte, nun endgültig los war, konnte sie zwar nicht genau sagen, doch machte sie sich diesbezüglich nun deutlich weniger Gedanken, wusste sie doch nun, dass Nemuris Quirk ihre Schlafstörungen effektiv beseitigen konnte.

Auf die Aussage, dass sie jederzeit wieder ein gern gesehener Gast bei der Älteren wäre, würde die Heldin definitiv zurückkommen, nicht nur wegen dem, was gestern zwischen ihnen passiert war, sondern viel mehr, weil ihr wirklich etwas an der Anderen lag.

Und da ging es wohl nicht nur ihr so.

Das abwesende Lächeln auf ihren Lippen wurde noch eine Spur breiter, als Yu sich an Nemuris Antwort, die sie ihr erst etwas verspätet gegeben hatte, erinnerte.

Als sie sich gestern Nacht bereits gemütlich an die Seite der Älteren gekuschelt hatte und deren Wärme genoss, während Nemuri mit einem Finger Kreise auf der Haut der Blondine zog, hatte die UA Lehrerin sich an die noch unbeantwortete Frage, die Yu ihr zuvor in der Bibliothek gestellt hatte, erinnert.

»Angenommen, wir würden wirklich spontan unsere Quirks tauschen, hast du dich doch gefragt, ob du mich mit meiner eigentlichen Fähigkeit ebenfalls zum einschlafen bringen könntest. Ich fürchte, du würdest mich damit in Narkose versetzen, Yu.«

Genau das hatte die Ältere ihr auf die noch offen stehende Frage geantwortet, ehe sie den Raum mit Hilfe ihrer Quirk in eine blassrosane Wolke gehüllt hatte, welche die Blondine, kaum dass sie einige Atemzüge getan hatte, in einen tiefen Schlaf versetzt hatte.

Yu schob die Erinnerungen an letzte Nacht zur Seite, als sie schließlich wieder in ihr Heldenkostüm schlüpfte und einen Blick auf die Uhr riskierte.

09:55 Uhr. Sie war sich immer noch unschlüssig, ob sie nun in der Kantine vorbeisehen sollte, oder nicht.

Doch ganz gleich, ob sie nun in die Kantine ging, oder aber erst einmal heim, ehe sie ihre Unterlagen heute Abend abholen würde, sie stand vor einem weiteren Problem, für welches sie noch keine Lösung gefunden hatte: Wie bitte sollte sie sich ungesehen durch die Schule bewegen, oder das Schulgelände verlassen, wo es hier vor Schülern und Lehrern um diese Uhrzeit inzwischen wohl nur so wimmelte?!

Sie seufzte. Das war nun wirklich ein Problem, allerdings war sie sich ziemlich sicher, dass einer Profiheldin wie ihr da schon etwas einfallen würde.



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