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Another Love

Another World, another Wesker ~ Sidestory
von

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Kapitel 1: Halt dich nicht zurück


 

»Am nervigsten sind halt echt diese Hunde.« Chris trank den letzten Schluck Bier aus seinem Glas – ein sehr großer Schluck, für den er mehrere Sekunden brauchte – dann erst fuhr er enthusiastisch fort: »Die rennen dauernd herum, sind erst hier, dann da und plötzlich springen sie dir auf den Rücken und beißen in deine Schulter! Echte Mistviecher! Hunde sind scheiße!«

Sein letzter Satz platzte derart laut aus ihm heraus, dass einige der Bargäste in der Nähe ihn mit gerunzelter Stirn ansahen. Albert lächelte entschuldigend in die Runde, konzentrierte sich aber auf Chris: »Dann waren sie schlimmer als die Spinnen im Arklay-Anwesen?«

Er runzelte die Stirn, während er offenbar wirklich darüber nachdachte. »Die Spinnen waren eklig, aber nicht schnell. Weißt du, was da eher schlimm war? Die Haie! Wozu eigentlich? Warum sollte es infizierte Haie brauchen?«

Nach diesem Ausruf bat er die gerade vorbeikommende Cindy um ein weiteres Bier. Ihm lag wohl wirklich viel daran, Albert an diesem Abend auszunehmen, damit sie endlich quitt wären. Aber Albert beschwerte sich nicht; nachdem er Chris so lange nicht geglaubt hatte, und er deswegen sogar von Umbrella geschnappt und für Experimente und Kampfdaten missbraucht worden war, verdiente sein Freund jede Wiedergutmachung, die er wollte. Der positive Nebeneffekt war außerdem, dass er sich endlich über seine Zeit im R&D Center öffnete und mehr darüber erzählte, was ihm geschehen war – auch wenn das hauptsächlich bedeutete, dass er seit einer halben Stunde über die verschiedenen BOWs schimpfte.

»Weißt du«, fuhr er fort, »ich versteh es einfach nicht. Warum forschen Leute an so etwas? Und sind dann auch noch so stolz darauf?«

»Ich nehme an, da geht es um eine Art Gottkomplex.«

»War das bei Alex auch so?«

Die Frage versetzte Albert einen schmerzhaften Stich, der sich wohl auf seinem Gesicht zeigte, denn Chris entschuldigte sich sofort. »Ich wollte ihr nichts vorwerfen, ich war wirklich nur neugierig. Warum war Alex dort?«

Albert hatte Jill alles erzählt, was er über Alex wusste. Eigentlich verdiente Chris ebenfalls die Wahrheit, aber er war sich nach wie vor nicht sicher, wie sein Freund darauf reagieren würde. Und dieser Abend erschien ihm außerdem wie der falsche Zeitpunkt, um darüber zu reden.

»Ich erzähl dir das, wenn du mal wieder nüchtern bist«, sagte Albert.

Das brachte ihm ein empörtes Stirnrunzeln von Chris ein. »Ich bin nicht betrunken. Noch nicht.«

»Richtig nüchtern bist du aber auch nicht. Das Thema ist ein wenig … schwer für mich.«

Chris nickte verstehend. Außerdem kam in diesem Moment auch schon sein nächstes Bier, von dem er auch sofort einen Schluck nahm. »Ah, wunderbar~. Ich kann verstehen, dass Kevin hier dauernd herkommt.«

Alberts Meinung nach schmeckte Bier so ziemlich überall gleich, aber er widersprach Chris nicht. Er war zu zufrieden darüber, dass er seinen Freund wieder beobachten konnte. Inzwischen war es einen Monat her, seit sie ihn aus Umbrellas Klauen gerettet hatte, aber noch immer fiel es Albert schwer zu glauben, dass er wieder hier war, dass er kein Terrorist war. Alles war gut.

Chris stellte das Glas wieder ab. »So, Al, jetzt hab ich genug über mich geredet. Wie sieht es mit Jill aus? Läuft alles gut?«

Allein die Erwähnung ihres Namens erzeugte Wärme in seiner Brust und überdeckte das Stechen von zuvor. »Überraschend gut sogar. Sie wohnt ja gerade bei mir und es ist echt schön, als ob es so sein müsste. Verstehst du? Früher wäre ich misstrauisch geworden, weil es zu gut läuft, aber jetzt ...«

Lächelnd zuckte er mit den Schultern. Nach den Ereignissen des letzten Monats hatte er ein wenig mehr Selbstbewusstsein entwickelt, deswegen hinterfragte er das nicht mehr, sondern freute sich einfach nur noch darüber, dass alles so gut war.

Chris' Blick wirkte plötzlich ein wenig betrübt, aber seine Worte waren das genaue Gegenteil: »Ich freue mich wirklich für dich, Al. Jill scheint dir echt gut zu tun.«

Enrico hatte bereits etwas Ähnliches zu ihm gesagt, also musste es sogar für Außenstehende offensichtlich sein.

»Machst du dir immer noch Sorgen, dass wir keine Zeit mehr für dich haben werden?« Das war für Albert die einzige Erklärung, warum Chris immer so bedrückt wirkte, wenn die Sprache auf seine Beziehung mit Jill kam – außer er wäre doch in Jill verliebt, aber seine Verwunderung, als Albert ihn darauf angesprochen hatte, war echt gewesen, also …

Chris zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Oder vielleicht …«

Er hielt kurz inne, starrte an irgendeinen Punkt an der Wand der Bar. Alles an ihm wirkte plötzlich nachdenklich, verloren, richtig … traurig.

»Kennst du dieses Gefühl«, fragte er, »dass du dir nicht sicher bist, ob du träumst oder wach bist? So fühle ich mich gerade noch. Ich habe immer noch Angst, wieder im R&D Center aufzuwachen und festzustellen, dass meine Befreiung und alles danach nur ein Traum war.«

Chris wirkte so verletzlich wie noch nie zuvor, was Albert mit Bedauern füllte. Er wünschte, es gäbe irgendetwas, das er tun könnte, um seinem Freund zu helfen. Aber ihm fiel nichts ein, außer ihm zu antworten: »Das kenne ich. Mir ging es auch schon so.«

Vor allem in den ersten Tagen, nachdem Jill zu ihm gezogen war. Umso schöner war es immer gewesen, wenn er aufgewacht war und sie sich im Schlaf an ihn geschmiegt hatte. Er glaubte nicht, dass sein Gehirn oder sein Unterbewusstsein ihm so etwas Schönes vorspielen könnte, nur deswegen ging es ihm jetzt nicht mehr so.

Chris nahm einen weiteren großen Schluck. Als er das Glas absetzte, tat er das ein wenig energischer als sonst. »Dann verstehst du hoffentlich, dass wir den Abend nicht enden lassen, bevor ich nicht wirklich betrunken bin. Vielleicht kann ich es dann ja eher glauben.«

Dieser Logik konnte Albert zwar nicht folgen, aber er nickte schmunzelnd. »Halt dich nicht zurück. Du hast es dir verdient.«

Chris verzog die Lippen zu einem halben Grinsen. »Das nehme ich mal als Herausforderung an.«

Um den Worten gleich Taten folgen zu lassen, winkte er Cindy noch einmal zu sich, um neben Bier auch noch härtere Drinks zu bestellen. Albert war sich sicher, dass er viel Geld verlieren würde – aber auch, dass Chris nicht einmal mehr eine Stunde durchhielt.

 

Zu Alberts Erstaunen dauerte es tatsächlich noch fast zwei Stunden, bis Chris einsah, dass es Zeit wurde, nach Hause zu gehen. Da er nicht weit weg von J's Bar wohnte, beschloss Albert, der noch einigermaßen nüchtern war, Chris zu Fuß zu begleiten. Sie liefen dabei hauptsächlich durch einige Hinterstraßen, nur um anderen Leuten zu entgehen.

»Früher«, erzählte sein Freund unterwegs enthusiastisch, »sind Joseph, Forest und ich immer losgezogen, um uns zu betrinken!«

»Ich weiß«, erwiderte Albert. »Ich hab am Ende die Beschwerden bekommen, weil ihr euch mit irgendwem angelegt habt.«

Chris lachte ein wenig zu laut. »Da hab ich glatt vergessen, dass du mal mein Captain warst. Sorry, Mann. Aber jetzt passiert das ja nicht mehr.«

Albert befürchtete kurz, dass Chris traurig werden würde, weil er wieder daran dachte, dass Joseph und Forest tot waren, aber sein Freund meinte es offensichtlich anders: »Jetzt muss Enrico sich darum kümmern, wenn ich Mist baue.«

Und darum beneidete Albert ihn nicht. Da Enrico aber auch nicht so nachsichtig mit Chris wäre, wie er, war es vielleicht ganz gut, dass die anderen beiden nicht mehr dabei waren. Vielleicht drehte Chris dann auch nicht mehr so hoch, wenn er betrunken war, und schlug nicht mehr derart über die Stränge.

Plötzlich legte Chris einen Arm um seine Schulter und zog ihn etwas näher zu sich. »Wir sollten öfter miteinander trinken gehen. Nächstes Mal zahl ich auch für mich selbst.«

»Sicher. Ich werde mir Zeit für dich nehmen.« Das hatte er ihm schließlich versprochen.

Mit einem zufriedenen Seufzen ließ Chris ihn wieder los. »Gut. Das ist echt gut.«

Den Rest des Weges brachten sie schweigend hinter sich. Vor seinem Apartmentgebäude war Chris sicher, dass er allein reingehen könnte, doch Albert bestand darauf, ihn bis zu seiner Wohnungstür zu begleiten. Er wollte nicht hören, dass Chris am Ende doch noch irgendwo in seinem eigenen Zuhause randaliert hatte, nur weil er nicht in der Lage war, sein Apartment zu finden.

Da er schon öfter bei Chris gewesen war, konnte Albert ihn einigermaßen sicher durch die Gänge führen, auch wenn er ihn ein paarmal darauf hinweisen musste, leiser zu sein. Plötzlich schien Chris nämlich erpicht, ihm zu erzählen, wie sehr Claire ihn umsorgt hatte, bis sie vor zwei Wochen wieder abgereist war, um ihr Studium wieder aufzunehmen. »Dann ist sie sogar mitten in der Nacht losgezogen, um mir noch ein paar Donuts zu besorgen! Sie ist die beste Schwester, die ich mir nur wünschen könnte! Meinst du nicht auch?«

Albert wunderte sich eher darüber, dass Chris sie spät nachts hatte rausgehen lassen, aber er nickte einfach nur mild und ermahnte ihn noch einmal, die Stimme ein wenig zu senken.

Vor einer Tür am Ende des Ganges blieben sie schließlich wieder stehen. Chris versuchte sekundenlang erfolglos, das Schlüsselloch zu treffen, so dass Albert irgendwann vorsichtig nach seiner Hand griff und ihm dabei half, die Tür aufzuschließen.

»Danke, Al, echt nett von dir.«

Albert nickte und wich zurück, um nicht im Weg zu stehen. Statt allerdings hineinzugehen, wandte Chris sich ihm komplett zu, mit einem derart intensiven Blick, dass es für einen Moment so wirkte, als sei er wieder nüchtern. Albert wollte ihn fragen, ob alles in Ordnung war, doch bevor er dazu kam, schlang Chris die Arme um ihn – und küsste ihn plötzlich.

Erschrocken riss Albert die Augen auf. Das musste ein Versehen sein, das war nicht möglich! Chris war einfach betrunken und von einer Menge unverarbeiteter Emotionen übermannt, da konnten solche Kurzschlüsse durchaus passieren.

Doch mit jeder Sekunde, in der Chris sich nicht von ihm löste, sondern ihn sogar noch gegen die Wand drückte und ihm dadurch so nahe war, dass seine Hitze auf Albert überging, wurde ihm klarer, dass es kein Versehen war, dass sein bester Freund ihn mit voller Absicht küsste und genau wusste, was er tat.

Er dagegen wusste überhaupt nicht, wie er reagieren sollte. Zum einen wollte er Chris von sich schubsen, ihn um eine Erklärung bitten oder ihn einfach ins Bett schicken und das Gespräch vertagen oder es sogar komplett vergessen. Andererseits könnte er einfach darauf eingehen, damit vielleicht Hoffnungen in Chris wecken, die niemals wahr werden könnten, oder die Situation nur noch mehr verschärften. Und dann gab es auch die Möglichkeit, gar nicht darauf zu reagieren und einfach zu warten, bis Chris sich selbst abwandte.

Doch schlagartig fühlte er sich in jenen Moment zurückversetzt, in dem er Jill geküsst hatte, in jener Nacht, in der sie sein Herz gebrochen hatte, weil von ihr keine Reaktion gleich welcher Art gekommen war. Und diese Erinnerung sorgte dafür, dass sein eigener Körper ihn überraschte und das tat, was er am wenigsten erwartet hatte: er erwiderte den Kuss.

Vielleicht war es auch sein erhöhter Alkoholpegel, aber da war dieses Gefühl, dass es richtig war, das sogar sein schlechtes Gewissen gegenüber Jill gerade beruhigte und jeden weiteren Gedanken an sie weit wegschob. Im Moment war nur Chris wichtig, der ihn weiterhin gegen die Wand drückte, ihn offenbar nicht loslassen wollte und nicht einmal seine Lippen von ihm löste. Fast als fürchtete er, dass sich das nur als Traum herausstellen könnte.

Der Kuss war ungestüm, hitzig, voller unterdrückter Leidenschaft, die Albert mitzureißen versuchte und der es vielleicht gelungen wäre, wenn Chris sich nicht plötzlich doch von ihm gelöst hätte. Während Albert noch schwer atmete, sah Chris ihn müde an, als stünde er kurz davor einzuschlafen. Er lächelte und klopfte ihm auf die Schulter, ehe er ein »Gute Nacht, Al« nuschelte und dann in sein Apartment verschwand.

Albert starrte auf die geschlossene Tür, ratlos, ob das gerade wirklich geschehen war oder ob er es sich vielleicht doch nur eingebildet hatte. Doch Chris' Wärme und sein Geruch hafteten noch an ihm, auch das Gefühl seiner Lippen hing noch auf seinen nach. Etwas in ihm wollte sogar, dass er solange klopfte, bis Chris öffnete, damit sie alles entweder fortsetzen oder er Antworten bekommen würde. Wozu auch immer Chris sich eher imstande fühlte. Aber das war eine wirklich dumme Idee, das sagte ihm der noch nüchterne Teil in sich, deswegen tat er es nicht.

Er stand dennoch gefühlt mehrere Minuten vor Chris' Tür, bevor er endlich das Haus wieder verließ und mit einem Taxi zurück nach Hause fuhr. Während er auf dem Rücksitz saß, kroch die Bedeutung dessen, was geschehen war, in sein Bewusstsein und erfüllte ihn nur noch mit einer Frage: Wie sollte er das Jill erklären?

Es stand völlig außer Frage, ihr nichts davon zu erzählen, sie musste das erfahren, selbst wenn das im Endeffekt vielleicht bedeutete, dass ihre junge Beziehung damit bereits ihr Ende fände. Im letzten Monat hatte er genug Geheimnisse für ein ganzes Leben vor ihr verborgen, so wollte er nicht weitermachen. Vielleicht zeigte Jill sich ja verständnisvoll, schon allein, weil sie beide betrunken gewesen waren. Er musste einfach abwarten. Und hoffen.

Egal, was gerade vorgefallen war, für ihn stand fest, dass er Jill nicht verlassen würde. Er liebte sie, fühlte sich bei ihr endlich zu Hause und wollte nicht mehr auf sie verzichten. Chris war sein bester Freund, der erste, den er überhaupt hatte, er war ihm wichtig, aber war das mit Liebe gleichzusetzen?

Nein, es war sinnlos, darüber überhaupt nachzudenken, wenn er nicht einmal wusste, was Chris dachte oder empfand. Vielleicht war es ja doch nur irgendein seltsamer Kurzschluss in seinem betrunkenen Gehirn gewesen und nichts, worüber er sich mehr Gedanken machen musste. Immerhin hatte er unter Alkoholeinfluss immer zu sehr fragwürdigen Handlungen geneigt. Vielleicht gehörte das auch dazu.

Ihm fiel nicht einmal wirklich auf, dass er die ganze Heimfahrt über immer wieder an seine Lippen griff, wo Chris' Wärme ihn einfach nicht verlassen wollte.

Zu Hause angekommen stellte er fest, dass seine Wohnung dunkel war, Jill war bereits im Bett. Er wusste nicht einmal, wie spät es war, aber er wollte sie auch nicht mehr wecken, nicht wegen dieses Themas. Eigentlich sehnte er sich nur selbst danach, endlich zu schlafen. Vielleicht vergaß er diesen Moment dann ja, und konnte ihr dann nichts mehr davon erzählen. Das war dann keine Lüge, oder?

Er zog sich im Bad um, damit er Jill nicht aus Versehen störte, dann legte er sich möglichst vorsichtig ins Bett. Aber kaum bemerkte sie seine Wärme, schien Jill zumindest ein wenig aufzuwachen, denn sie schmiegte sich direkt an ihn. Sein Herzschlag beschleunigte sich so sehr, dass er noch einmal selbst überzeugt war, sie nie verlassen zu können. Aber darüber wollte er auch nicht mehr nachdenken.

»Wie war's?«, fragte Jill murmelnd.

Sie schien nicht wirklich wach zu sein, aber offenbar war ihr diese Frage dennoch ein Bedürfnis, als wüsste sie, was geschehen war oder als spürte sie Chris' Berührungen.

»Es war gut«, antwortete er ihr leise. »Am Ende ist nur etwas passiert.«

»Was Schlimmes?«

»Es war eher … seltsam.«

Unwillkürlich hielt er den Atem an, wartete darauf, dass sie ihn danach fragte. Doch stattdessen gähnte sie leise. »Erzähl es mir morgen.«

Dann legte sie einen Arm um ihn und war innerhalb kürzester Zeit wieder richtig eingeschlafen, und ließ ihn allein mit seinen verwirrenden Gedanken und Gefühlen, die ihn noch mehrere Stunden lang nicht mehr loslassen wollten.
 

Kapitel 2: Ich kann nie wieder ins Büro


 

Albert erwachte nach einem unruhigen Schlaf, der ihm nicht viel Erholung brachte. Er wusste nicht, wie spät es war, aber Jill war irgendwann aufgestanden, also musste es zumindest nach zehn Uhr sein – vorher wachte sie selten an einem freien Tag auf. Eine Weile wälzte er sich noch herum, immer noch mit den Ereignissen der letzten Nacht beschäftigt. Selbst jetzt glaubte er noch, Chris' Lippen auf seinen zu spüren. Es war seltsam, wie lange dieses Gefühl blieb. Bei Jill war das nicht gewesen. War es sein schlechtes Gewissen, das dazu führte?

Schlussendlich entschied er sich, aufzustehen, weil ihm Jills Wärme fehlte. Er fand sie im Wohnzimmer auf dem Sofa, wo sie gerade einen Kaffee trank und dabei versuchte, Moby Dick zu lesen, einer der Klassiker, der ihm geschenkt worden war. Nicht mal er war darin weit gekommen, deswegen wunderte es ihn nicht, dass Jill die Stirn gerunzelt hatte – und das Buch sofort sinken ließ, als sie ihn bemerkte. »Guten Morgen, Albert. Willst du auch einen Kaffee?«

»Das wäre gut, ja.« Nach letzter Nacht hatte er wirklich das Gefühl, einen zu brauchen.

Jill stand sofort auf, bedeutete ihm, sich zu setzen und verschwand dann in Richtung der Küche. Albert nahm auf dem Sofa Platz und dachte darüber nach, dass er sich vielleicht doch einen Fernseher zulegen sollte, damit Jill sich nicht langweilen musste, wenn er nicht da war. Jedenfalls bezweifelte er, dass sie seine Bücher durchging, wenn sie sich nicht gerade langweilte.

Jill kam mit einer Tasse zurück, die sie ihm reichte. Er bedankte sich, dann setzte sie sich neben ihn und sah ihn erwartungsvoll an. »Okay, du wolltest mir erzählen, was gestern passiert ist?«

Daran erinnerte sie sich? Das war nicht schlecht, er war sich nicht sicher, ob er sich so etwas im Halbschlaf merken könnte.

Zuerst nahm er einen Schluck Kaffee, ehe er ihr einen kurzen Überblick über Chris' Erzählungen gab. »Er hasst diese BOWs wirklich sehr. Aber das wundert mich gar nicht.«

»Mich auch nicht«, sagte Jill. »Ich hoffe, wir werden außerhalb unserer nächsten Missionen nichts mehr von ihnen zu sehen bekommen.«

Sie wollten Umbrella noch aufreiben, sie so sehr fertigmachen, dass sie nicht mal mehr aus der Asche zurückkehren könnten. Aber Enrico wollte, dass ihre Pläne erst absolut wasserdicht waren und alle Eventualitäten berücksichtigt waren. Natürlich war das die vernünftige Herangehensweise, aber für Albert ging es teilweise zu langsam, er hätte schon längst mindestens eine der Anlagen gestürmt – und damit wieder Leute in Gefahr gebracht. Enricos Vorgehensweise war wesentlich sicherer. Außerdem konnte er so eine friedliche Zeit mit Jill und Chris und den anderen S.T.A.R.S.–Mitgliedern verbringen.

»Wir haben auf jeden Fall sehr viel getrunken«, fuhr er fort, »Chris um einiges mehr als ich, und dann habe ich ihn nach Hause gebracht.«

Sie nickte verstehend und lauschte immer noch aufmerksam. Sicher erwartete sie mit Spannung, was er als seltsames Ereignis bezeichnet hatte. Er war sich immer noch nicht sicher, wie er das am besten erklären sollte, also versuchte er es direkt auf den Punkt zu bringen: »Als wir vor seiner Tür standen, hat Chris mich geküsst. Für mehrere Sekunden, vielleicht Minuten, ich bin mir nicht sicher.«

Warum hatte er den letzten Satz hinzugefügt? Das machte alles ja fast noch schlimmer.

Jill gab nicht zu verstehen, was sie dachte. Ihre Miene war neutral, genau wie ihre Stimme, als sie ihm eine Frage stellte: »Was hast du gemacht?«

»Ich hab daran gedacht, wie es war, als du mich hast stehen lassen … und ich wollte nicht, dass er auch so frustriert ist. Außerdem war ich ja auch angetrunken. Deswegen … hab ich den Kuss erwidert.« Allein bei der Erinnerung daran spürte er wieder diese Hitze in seinem Inneren, die von Chris auf ihn übergegangen war und die ihn zu mehr hatte antreiben wollen. Deswegen fuhr er lieber hastig fort: »Aber das war dann auch alles. Chris hat mir eine gute Nacht gewünscht und ist in seine Wohnung, ich bin sofort nach Hause gekommen. Oh Gott, Jill, es tut mir wirklich leid!«

Am Ende war seine Stimme derart panisch geworden, dass er sich selbst ein wenig erschreckte. Offenbar machte er sich doch mehr Sorgen, dass sie ihn deswegen verlassen könnte, als er glauben wollte. Dabei war es ja nicht sein Fehler gewesen. Nicht so wirklich jedenfalls.

Er war sich nicht sicher, welche Reaktion er von Jill erwartet hätte, aber diese war es auf jeden Fall nicht: Sie neigte nachdenklich den Kopf und stieß ein »Huh« aus.

»Was meinst du mit huh?«, fragte er irritiert.

Während sie einen Schluck Kaffee nahm, sah sie ihn unschuldig an. »Ach, weißt du, ich bin eigentlich nur überrascht, dass Chris einen solchen Vorstoß gewagt hat. Damit hab ich nicht gerechnet. Er muss wirklich sehr betrunken gewesen sein.«

Albert zog die Brauen zusammen. »Wovon redest du? Was für ein Vorstoß

Seine Verwirrung schien auch Jill zu irritieren, die nun die Stirn runzelte. »Na ja, du weißt doch sicher, dass Chris in dich verliebt ist, oder? … Oder?«

Ihre Stimme wurde nun selbst ein wenig panisch, als sie erkannte, dass sie gerade etwas ausgeplaudert hatte, was vollkommen neu für Albert war. Er starrte sie an und wartete darauf, dass sie ihm lachend sagte, dass es nur ein Scherz gewesen sei. Aber das kam nicht. Stattdessen senkte sie den Blick schuldbewusst in ihre Kaffeetasse.

Chris konnte nicht in ihn verliebt sein, das war doch lächerlich! Das hätte er doch merken müssen. Ganz zu schweigen davon, dass es keinen Grund für eine solche Liebe geben könnte. Aber wenn er so darüber nachdachte, erklärte das, warum Chris immer so betrübt war, sobald es um Alberts Beziehung zu Jill ging. Und vor allem auch Chris' Worte, nachdem Albert ihn darauf angesprochen hatte: »Du denkst, ich bin in Jill verliebt?«

Damals hatte er sich nichts dabei gedacht, aber im Nachhinein könnte das schon ein halbes Geständnis gewesen sein.

Am liebsten hätte Albert sich in diesem Moment in einem tiefen Loch der Schande vergraben, wenn er an sein Verhalten zurückdachte. Er war so sehr in Jill vernarrt gewesen und hatte nur Augen für sie gehabt, dass ihm Chris' Gefühle nie aufgefallen waren. Im Gegenteil, er hatte sogar gedacht, Chris sei in Jill verliebt und war auf ihn eifersüchtig gewesen. Die ganze Zeit musste Chris gedacht haben, dass Albert seine Gefühle einfach ignorierte und vielleicht sogar unsensibel genug war, vor seinen Augen mit Jill zu turteln oder zumindest über sie zu sprechen.

»Ich hatte keine Ahnung.«

Jill zog ihre Knie an ihren Körper und legte ihre Arme darum. Sie sah ihn zerknirscht an. »Sag Chris bitte nicht, dass du es erst durch mich gehört hast. Obwohl, nein, sag es ihm lieber, damit er endlich weiß, dass du ihn nicht dauernd wortlos abgewiesen hast.«

Allein der Gedanke, wie sehr Chris darunter gelitten haben musste und trotzdem nie etwas gesagt hatte … Albert fühlte sich ziemlich schlecht, weil er nichts gemerkt hatte.

»Wie lange ist das schon so?«, fragte er.

»So genau weiß ich das auch nicht, immerhin sind er und ich auch erst befreundet, seit wir bei S.T.A.R.S. zusammenarbeiten. Barry kann es dir vielleicht eher sagen.«

»Barry weiß es auch?!«

Das erklärte, warum Barry ihn manchmal so seltsam ansah, seit er wusste, dass er mit Jill zusammen war. Und warum er immer wieder einen besorgten Blick zu Chris warf, wenn Albert im Büro zu viel mit Jill sprach oder mit ihr scherzte. Aber das machte die Sache nicht besser.

Jill zog den Kopf ein wenig ein, als sie kleinlaut antwortete: »Jeder im Büro weiß es. Außer Rebecca und Billy vielleicht.«

Dass Jill es wusste, geschenkt, auch mit Barry kam er irgendwie noch zurecht. Aber alle? Sogar Brad und Enrico? Das war einfach zu viel. Wie hatte er derart blind sein können? Und dachten sie alle, er wäre gemein genug, Chris immer hängen zu lassen? Oder vielleicht waren sie der Meinung, er sei zu dumm, um es zu verstehen – nun, das stimmte immerhin auch irgendwie.

»Sogar Kevin?«, fragte er.

»Er war schon vor seiner Zeit bei S.T.A.R.S. ein Bekannter von Chris«, antwortete sie. »Also weiß er es auch schon eine Weile, ja.«

Verzweifelt legte er sich eine Hand auf die Augen. »Oh Gott. Ich kann nie wieder ins Büro.«

Jill tätschelte seine Schulter. »Es ist wirklich nicht so schlimm. Wir dachten immer, du weißt es, willst Chris aber nicht vor den Kopf stoßen. Das haben wir alle verstanden.«

Er wünschte, irgendeiner von ihnen hätte ihm etwas gesagt, statt es zu verstehen. Dann wäre die letzte Nacht nicht so verlaufen. Aber er konnte niemandem einen Vorwurf machen, er war es immerhin, der die ganze Zeit nichts davon geahnt hatte.

»Was soll ich jetzt tun?«, fragte er seufzend.

Außer zu kündigen und sich in einer Nachbarstadt einen Job zu suchen. Oder im nächsten Staat. Irgendwo, wo wirklich niemand davon wusste.

Jill strich ihm vorsichtig über den Kopf. »Am besten wäre es, wenn du mit Chris reden würdest. Er hat es auf jeden Fall verdient, dass du seine Gefühle endlich anerkennst.«

Er ließ die Hand ein wenig sinken, um ihr einen Blick zuzuwerfen. »Aber was soll ich ihm denn sagen? Ich bin mit dir zusammen. Und ich liebe dich.«

»Und Chris nicht?«

Albert runzelte seine Stirn. »Tut das in diesem Fall etwas zur Sache?«

Sie zuckte mit den Schultern. »Ich will nur, dass du ernsthaft darüber nachdenkst. Bislang gab es diese Möglichkeit für dich gar nicht, vielleicht kommen dir jetzt ganz andere Ideen. Oh, komm schon, sieh mich nicht so an. Ich will diese Beziehung auch nicht beenden, aber ich will auch nicht, dass du irgendetwas bereust. Das habe ich schon hinter mir – und eine andere Jill musste alle Probleme danach regeln. Ich will nicht, dass auch noch ein anderer Albert vorbeikommt.«

Vermutlich wäre das ohnehin eine schlechte Sache. Zu gut erinnerte er sich noch an den Wesker, von dem er in seinen Albträumen heimgesucht worden war, nachdem Alex seine Progenitor-Antikörper gesenkt hatte. Er stand dem bösen Wesker aus der Welt der anderen Jill in nichts nach, aber er könnte keine Probleme hier lösen, nur neue erschaffen. Deswegen verzichtete Albert lieber darauf, sich – auch nur vorübergehend – ersetzen zu lassen.

»Ich bin offen für allerlei Lösungsvorschläge«, sagte Jill lächelnd. »Aber dafür musst du mit Chris reden und auch ehrlich zu dir selbst sein. Machst du das?«

Er verstand nicht so recht, was sie mit Lösungsvorschlag meinte, doch er konnte ihr ohnehin nichts abschlagen, also stimmte er seufzend zu. »Aber ich weiß nicht, wer am Ende das bekommt, was er haben will.«

»Oh, ich bin mir ziemlich sicher, dass alles gut ausgehen wird. Da habe ich volles Vertrauen in dich und Chris.«

Wenigstens eine Person, die es hatte. Er selbst vertraute sich da nämlich gerade gar nicht. Wenn man ihn spontan fragte, war da nämlich nur Jill – aber er erinnerte sich auch an diese Hitze und das Gefühl, dass es richtig war, ihn zu küssen. Irgendjemand würde also garantiert verletzt werden, wenn er länger darüber nachdachte, und wenn es am Ende nur er selbst wäre.
 

Kapitel 3: Wir müssen reden


 

Nach dem Gespräch mit Jill hatte Albert geduscht, überlegt, noch etwas zu essen, dann aber beschlossen, dass er damit nur unnötig Zeit hinauszögerte. Also war er zu Chris' Apartment zurückgefahren und stand nun schon einige Sekunden vor dessen Tür und überlegte, was er sagen sollte. Vielleicht erinnerte sich Chris nicht einmal an das, was geschehen war – aber Jill bestand darauf, dass er dennoch mit ihm über alles sprach. Jeder Gesprächsanfang erschien ihm aber bereits wie eine dumme Idee: Also, Chris, ich hab gehört, du bist in mich verliebt war genauso schlecht wie Hey, ich dachte, wir reden mal über unerwiderte Gefühle; ich kenne das immerhin, aber wie sieht es bei dir aus? Letzteres wäre immerhin um einiges neutraler, aber eben nicht … gut.

Schlussendlich wusste Albert aber, dass jeder Einstieg besser wäre als gar keiner. Also sprach er sich selbst Mut zu und klopfte energisch gegen die Tür, hoffend, dass Chris vielleicht auch einfach keine Lust auf Besuch hatte.

Diese Hoffnung wurde allerdings rasch zerstört, als er im Apartment Schritte hörte. Im nächsten Moment öffnete Chris ihm die Tür. Zu Alberts Überraschung sah es nicht so aus, als hätte sein Freund einen Kater. Er war frisch geduscht, trug ein weißes T-Shirt und Jeans, und er lächelte breit, als er seinen Besuch erkannte. »Hey, Al! Wie schön, dass du vorbeikommst. Was verschafft mir die Ehre?«

»Chris«, Albert brachte es kaum über sich, ihn zu begrüßen, »wir müssen reden.«

Schlagartig schwand Chris' gute Laune. »Oh Gott, es war kein Traum!«

Er versuchte, die Tür zuzuwerfen, doch Albert stellte sich direkt dazwischen. Als Chris bemerkte, dass das nichts brachte, schüttelte er rasch mit dem Kopf, dann fuhr er herum und rannte tiefer ins Apartment zurück, während er wiederholt »Wo ist meine Waffe?!« rief.

Albert folgte ihm hastig – dachte aber noch daran, die Tür hinter sich zu schließen – und versuchte dabei, auf ihn einzureden: »Chris, komm schon, beruhig dich erst mal. Ich will nur mit dir reden, mehr nicht. Es ist wirklich nicht so schlimm.«

Chris war bereits damit beschäftigt, die Kissen seines Sofas durch die Gegend zu wirbeln, um nach seiner Dienstwaffe zu suchen. Es sah ihm ähnlich, dass er sie gerade an seinem freien Tag verlegt hatte. Oder er war so sehr in Panik, dass er nicht einmal darüber nachdachte, da zu schauen, wo sie normalerweise lag: auf dem kleinen Regal direkt neben der Wohnzimmertür.

Albert nahm sie an sich und hob sie deutlich sichtbar hoch. »Suchst du die hier?«

Chris hielt inne und starrte auf die Waffe in seiner Hand. Hinter seiner Stirn arbeitete es, doch bevor Albert dazu etwas sagen konnte, kam wieder Leben in Chris. Plötzlich sprang er über das Sofa auf ihn zu und griff nach der Pistole. Albert reagierte jedoch schneller und versteckte sie hinter seinem Rücken. »Du kriegst sie wieder, sobald wir geredet haben. Versprochen.«

Chris war wenige Meter vor ihm wieder stehengeblieben und sah ihn nun finster an. Er war es nicht gewohnt, dass Albert sich derart durchsetzte, besonders nicht in einer derart wichtigen Situation. Albert fragte sich hauptsächlich, ob er sich wirklich erschossen oder es zumindest versucht hätte. Schämte er sich so sehr?

»Wenn es unbedingt sein muss«, murrte Chris, »von mir aus.«

Er setzte sich auf das Sofa, möglichst weit entfernt von Albert, der ebenfalls Platz nahm und dabei darauf achtete, die Pistole hinter sich abzulegen – nur um sicherzugehen. Chris verschränkte die Arme vor der Brust und sah betont woanders hin. Wieso benahm er sich immer so kindisch, sobald es um Gefühle ging? Nachdem er Albert und Jill bei einem Kuss beobachtet hatte, war das genauso gewesen. Das bildete einen starken Kontrast zu dem Mann, der er sonst war. War er in Wirklichkeit doch so unsicher?

»Also, worüber willst du reden?«, fragte Chris. »Football? Kollegen? Umbrella?«

Albert rollte ein wenig mit den Augen. »Du weißt genau, worüber ich reden will. Was war das letzte Nacht, Chris?«

»Eine innige Verabschiedung?« Doch plötzlich stutzte er und deutete anklagend in seine Richtung. »Warte mal! Du hast den Kuss doch erwidert! Ich sollte also eher dich fragen!«

»Ich wollte nur verhindern, dass du so frustriert wirst wie ich es mal war!«

»Da warst du aber sehr übereifrig, Al. Ich glaube kaum, dass Jill das gut findet.«

Bei ihrer Erwähnung wollte Albert ihm etwas scharf erwidern, doch er stoppte sich selbst und atmete noch einmal tief durch. »Chris, hör zu. Ich habe mit Jill darüber geredet-«

»Du erzählst ihr echt alles, was?«

Er wollte darauf hinweisen, dass sie seine Freundin war, aber das wäre vermutlich wieder unsensibel gewesen, deswegen ließ er es bleiben. »Sie hat mir jedenfalls gesagt, dass du … in mich verliebt bist.«

Chris könnte es immer noch abstreiten, ihm sagen, dass Jill spinnte und nichts von dem, was er am Morgen mit ihr besprochen hatte, der Wahrheit entsprach. Albert hätte es zumindest versucht und es durchaus verstanden. Aber Chris ging es überraschend vernünftig an: »Und? Siehst du das als … schlimm an?«

»Warum sollte ich?«

Chris zuckte mit den Schultern, die Arme wieder vor der Brust verschränkt. »Keine Ahnung. Nicht jeder ist so tolerant. Bei der Air Force haben sie mal einen verprügelt, nur weil sie glaubten, er sei schwul und stehe auf einen in der Einheit.«

Unter diesen Umständen musste es Chris erst recht schwer gefallen sein, Albert von seinen Gefühlen zu erzählen. Kein Wunder, dass er wirklich nie etwas gesagt und immer nur gewartet und gehofft hatte, möglicherweise in dem Glauben, dass Albert nicht einmal Verständnis dafür aufbrächte. Wie sehr er gelitten haben musste …

»Es tut mir so leid, Chris. Wenn ich es gewusst hätte ...«

»Was dann?« Er sah ihn an, den Blick ungewohnt ernst und mutlos. »Wärst du dann jetzt mit mir zusammen? Das glaubst du doch selbst nicht.«

Er wirkte noch deprimierter als vorher. Albert senkte den Blick ein wenig. Was hatte Jill gedacht, was dieses Gespräch bringen sollte? Er selbst wäre am liebsten einfach aufgestanden und wieder gegangen, aber er war der Verantwortung zu lange entkommen und er hatte wirklich Angst, dass Chris sich etwas antun könnte. Deswegen dachte er einen Moment darüber nach, ehe er antwortete: »Ich weiß nicht, was dann wäre. Aber vielleicht hätte ich tatsächlich mehr als Freundschaft in Erwägung gezogen.«

Erstaunt hob Chris die Augenbrauen, ließ ihn aber weitersprechen: »Du bist der erste Freund, den ich je hatte. Ich weiß deswegen manchmal nicht, ob das, was ich empfinde, normale Gefühle in einer Freundschaft sind. Aber ich weiß, dass du mir sehr wichtig bist. Die Zeit, in der wir wegen Umbrella gestritten haben, hat mich sehr verletzt. Als wir dann dachten, du seist ein Verräter und du weg warst, hat mich das erst recht getroffen. Du hast mir die ganze Zeit gefehlt.«

Während er am Anfang noch Chris' Aufmerksamkeit hatte, schnaubte er am Ende genervt. »Ich weiß, wie viel Zeit du mit Jill verbracht hast und wie nahe ihr euch gekommen seid. Alex hat mir das alles erzählt.«

Warum hatte sie das getan? War es ein Versuch gewesen, Chris zu brechen oder war sie einfach nur wütend darüber, dass Albert anderen als ihr nahestand? Er konnte sich beides vorstellen. Und immerhin erzielte es einen Effekt, denn Chris war davon noch immer angegriffen.

»Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich mich jede Nacht betrunken hätte? Damit habe ich nämlich angefangen, bis Jill die Gespräche mit mir suchte. Wir brauchten beide eine Stütze in dieser Zeit und wir haben sie ineinander gefunden.«

Chris ließ die Arme sinken. Nachdenklich sah er zur Seite. »Wenn Jill statt mir verschwunden wäre … denkst du, wir wären dann zusammengekommen?«

Gut, er wirkte nicht mehr wütend, nur noch deprimiert, damit konnte Albert arbeiten, das Gefühl kannte er besser. Er schmunzelte unwillkürlich. »Wenn du mich irgendwann so geküsst hättest wie gestern wahrscheinlich schon.«

»Aha!« Chris grinste triumphierend. »Also hat es dir wirklich gefallen!«

»Ich sag doch, dass du nicht chancenlos gewesen wärst.« Albert hob lächelnd eine Hand.

Diese gute Nachricht brachte Chris wieder in eine deutlich bessere Stimmung. »Ich wusste doch, ich hätte weitermachen sollen.«

Albert war immer noch unentschieden, ob er sich das auch wünschte oder ob er ganz froh war, dass Chris sich verabschiedet hatte. Wenn ein Kuss ihm schon ein schlechtes Gewissen gegenüber Jill einbrachte, was wäre dann gewesen, wenn noch mehr passiert wäre?

Doch dann wurde er gleich wieder ernst: »Wahrscheinlich bin ich aber trotzdem zu spät, was? Du hast jetzt immerhin Jill.«

Was Albert nur wieder an ihre Worte erinnerte, die er zuvor nicht verstanden hatte. »Na ja, sie war diejenige, die darauf bestand, dass ich mit dir rede. Und die meinte, sie wäre offen für jeden Lösungsvorschlag.«

Chris runzelte seine Stirn. »Huh.«

»Jetzt fang du nicht auch damit an.« Es kam ihm vor, als hätte jeder in seiner Umgebung plötzlich Wissen, das ihm verborgen geblieben war. »Was meinst du damit?«

»Na ja, du weißt doch, Jill und ich sind auch befreundet. Und vielleicht hatten wir im Krankenhaus, als du nicht da warst, mal ein Gespräch darüber, dass es doch eine Idee wäre, wenn wir einfach beide mit dir zusammen wären.« Er lachte sofort. »Das ist natürlich nur eine wahnwitzige Idee, das kann nicht funktionieren, ich weiß.«

Diese Idee war wirklich verrückt und deswegen fast schon typisch für die beiden – und sie könnte glatt von ihm selbst sein. Da waren sie sich gar nicht so unähnlich. Aber so seltsam diese Idee auch war, sie würde so viel lösen, vor allem Alberts schlechtes Gewissen. Er war sich immer noch nicht sicher, ob er Chris liebte, aber das könnten sie gemeinsam herausfinden. Deswegen lehnte er die Idee auch nicht direkt ab. Allerdings war ihm auch bewusst, dass eine solche Verbindung zu allerlei Probleme führen könnte, besonders wenn die falschen Leute davon erfuhren. Aber es war etwas anderes, das ihn zögern ließ: »Vorher sollte ich dir vielleicht etwas erzählen. Dann änderst du vielleicht deine gesamte Meinung von mir.«

»Glaub ich kaum, aber versuch es ruhig.«

Also tat er für Chris dasselbe, was er auch schon für Jill gemacht hatte und öffnete sich: Er erzählte ihm von dem Opfer, das Alex für ihn gebracht hatte, von seiner Infektion und der stetigen Überwachung Umbrellas seitdem, die auch Chris und Barry irgendwann einbezog. Außerdem die Gründung von S.T.A.R.S. und die Rekrutierung der einzelnen Mitglieder, mit Albert als Kern und seinen Freunden als Trabanten. »Barry, du, Joseph, Forest und Jill seid also nur Mitglieder geworden, weil man wollte, dass ich in Notfällen eine emotionale Reaktion zeige, in der Hoffnung, dass der Progenitor-Virus ebenfalls reagiert. Ohne mich wären Joseph und Forest höchstwahrscheinlich nicht tot – und du wärst nie für die BOW-Entwicklung missbraucht worden. Ihr könntet alle ein komplett anderes Leben führen. Kannst du da immer noch Liebe für mich empfinden?«

Auch wenn Albert selbst sich da keine Vorwürfe mehr machte – immerhin war es Umbrellas Schuld, nicht seine – lag er manchmal nachts wach und stellte sich vor, was besonders die verstorbenen Mitglieder nun täten, wenn sie nicht bei einer Mission für S.T.A.R.S. ums Leben gekommen wären. Ob Joseph und Forest es ihm nachtrugen? Oder vielleicht Edward, Kenneth oder Kevin Dooley, auch wenn deren Rekrutierung nichts mit ihm zu tun hatte? Er konnte einfach nicht anders, als sich das zu fragen. Und er wollte Chris zumindest die Chance geben, sich darüber auch klar zu werden.

Er wurde nicht enttäuscht von seinem besten Freund. Während der ganzen Erzählung hatte Chris ihn mit einer Mischung aus Mitleid und Entsetzen angesehen, vielleicht sogar ein wenig Verständnis (besonders, da ihm nun endgültig aufgehen dürfte, warum Albert unbedingt hatte mit Alex reden müssen, bevor sie so unerwartet aus dem Leben gerissen worden war). Nun rutschte er näher an Albert heran und legte eine Hand auf dessen Schulter. »Das ist alles nicht deine Schuld, Al. Umbrella ist für all das verantwortlich, und wir werden sie dafür fertigmachen, das schwör ich dir.«

Albert lächelte etwas. »Das machen wir auf jeden Fall. Ich wollte nur, dass du dir vollkommen bewusst bist, worauf du dich da einlässt. Mein ganzes Leben ist ein ziemliches Wrack.«

»Ach, Al.« Chris lächelte ihn an. »Ich kenne dich jetzt schon ein paar Jahre, und mir war von Anfang an klar, dass du ein ziemlich schweres Päckchen mit dir trägst. Auch wenn du nie viel von dir persönlich erzählen wolltest, wussten wir alle, dass du furchtbar traurig bist.«

Wenn Albert dem letzten Brief seiner Schwester glauben konnte, war ihm das auch deutlich anzusehen. Deswegen überraschte es ihn gar nicht, dass auch andere es gemerkt hatten. Er wunderte sich eher, dass er nie darauf angesprochen worden war, nicht einmal von Chris. Vielleicht hatte er geduldig gewartet, bis er es von sich aus erzählte – und war nun belohnt werden.

»Es muss echt schwer gewesen sein, das alles zu erzählen«, sagte Chris. »Danke dafür.«

»Nein, nein«, erwiderte Albert. »Weißt du, was wirklich schwer gewesen sein muss? Mich zu küssen, obwohl du dachtest, ich würde dich abweisen.«

Chris' Augen funkelten erwartungsvoll. »Wie ist das jetzt eigentlich? Du hast den Vorschlag mit der Dreierbeziehung nicht abgelehnt.«

»Hauptsächlich, weil ich dir die Entscheidung überlassen wollte. Mein Leben ist schon schwer, ob da jetzt noch ein Faktor dazukommt, ist mir ziemlich gleich. Aber in einer Beziehung mit einem Mann zu sein, der noch dazu auch eine Freundin hat, könnte für dich echt schwer werden. Bist du dir sicher, dass du das willst?«

Von ihnen drei würde Chris wahrscheinlich die schlimmste Position haben, jedenfalls von der Außenwirkung. Albert würde ihn niemals hinten anstellen, das hatte er ihm ja schon ohne Beziehung versprochen: er würde sich immer Zeit für Chris nehmen, schon allein, weil er niemals wieder auf ihn verzichten wollte. Genauso wenig wie auf Jill. Solange die beiden immer an seiner Seite waren, wäre sein Leben perfekt. Vielleicht war das ja schon Liebe.

Chris lachte. »Hey, du solltest wissen, dass ich hart im Nehmen bin. Wenn wir zusammen sind, werde ich stärker als ein Felsbrocken sein.«

Darüber musste Albert schmunzeln. »Du bist echt seltsam manchmal. Aber ich mag das.«

»Nur um nochmal sicherzugehen: Du willst es also wirklich versuchen?«

Albert nickte, worauf Chris aufatmete. »Gut, dann kann ich ja guten Gewissens fortsetzen, was ich gestern angefangen habe.«

Er beugte sich näher zu Albert und küsste ihn wieder. Diesmal konnte er es genießen, denn da war kein Hauch eines schlechten Gewissens, das Gefühl, dass es richtig war, breitete sich ungehindert in seinem Inneren aus, ließ ihn den Kuss erwidern und seine Arme um Chris legen. Davon ermutigt drückte sein Freund ihn vorsichtig auf das Sofa nieder. Sein Gewicht auf sich zu spüren, verbunden mit seinem vertrauten Duft und einer lange verborgenen Leidenschaft, ließ die Hitze der letzten Nacht zurückkehren. In diesem Moment war Albert sich nicht sicher, wie weit Chris gehen wollte – aber er selbst war so ziemlich bereit für alles, was noch käme, denn er vertraute seinem Freund in absolut jeder Hinsicht. Und das zahlte sich auch an diesem Tag aus.
 

Kapitel 4: So fühle ich mich auch


 

Jill zeigte sich tatsächlich zufrieden über die Lösung, die Albert und Chris ihr am Abend präsentierten. Da war nicht mal der kleinste Hauch von Eifersucht, auch nicht, als sie zusammen in das Restaurant kamen, in dem sie sich mit Jill treffen wollten. Nein, sie wirkte eher … stolz. Als Albert sie deswegen unter vier Augen fragte, erklärte sie ihm mit in die Entfernung gehenden Blick, dass sie es auch wegen der Erinnerungen der anderen Jill getan hatte. Chris war so unglücklich und gebrochen darin gewesen, dass sie selbst es kaum ertragen konnte. Das wollte sie nicht in dieser Welt erleben, schon allein, weil sie Chris so sehr mochte. Also war sie entschlossen gewesen, dafür zu sorgen, dass sie alle glücklich werden könnten.

»Außerdem«, fügte sie am Ende noch zwinkernd hinzu, »musst du jetzt wirklich einen Fernseher besorgen, damit ich mich nicht langweile, wenn du dich mit Chris triffst.«

Er ging diesem scherzhaften Wunsch direkt am nächsten Tag nach, da sie beide auch da frei hatten. Sie war sehr zufrieden, als sie abends mit Popcorn vor dem Fernseher sitzen und einen Horrorfilm sehen konnte, was Albert wiederum schmunzeln ließ: Night of the living Dead wäre nach allen Ereignissen der letzten Zeit nicht seine erste Wahl gewesen.

Am Tag danach mussten sie beide wieder arbeiten und waren deswegen gemeinsam auf dem Weg zum RPD. Albert freute sich über jede rote Ampel, die ihre Fahrt verlängerte. Als er bei einer solchen wieder lächelte, hörte er Jill neben sich lachen.

»Man könnte meinen, du wirst zu einer Exekution geführt«, sagte sie.

Er seufzte. »So fühle ich mich auch. Ich meine, ich muss jetzt in dieses Büro, in dem jeder einzelne weiß, dass Chris die ganze Zeit in mich verliebt war.«

»Außer Billy und Rebecca«, warf Jill ein.

Bei Rebecca stimmte er ihr zu, aber bei Billy wäre er sich nicht so sicher. Im letzten Monat war ihm aufgefallen, dass Billy äußerst aufmerksam und in der Lage war, schnelle und korrekte Schlüsse zu ziehen. Sobald S.T.A.R.S. wieder normale Fälle annähme, könnte Billy wichtig sein, um sie so schnell wie möglich zu lösen. Seine Aufnahme war eine gute Idee gewesen.

»Es sind immer noch zu viele Personen«, sagte Albert. »Und jetzt, da ich es weiß, werde ich dauernd das Gefühl haben, dass mich alle anstarren.«

»Aber es ist doch alles gut ausgegangen.«

»Und das weiß dort niemand.«

»Du kannst es ihnen ja sagen.«

Albert sah zu ihr hinüber, sie lächelte unschuldig. Sie sah offenbar kein Problem darin, aber sie war ja auch in einer anderen Position in dieser Dreierbeziehung. Auf sie fiel das Wenigste zurück.

Er fuhr weiter, als die Ampel auf Grün schaltete. »Ich hab Chris die Wahl überlassen, ob er es irgendwem im Büro sagen will.«

Zumindest Barry wüsste es sicher bereits, er und Chris waren immerhin gute Freunde. Außerdem könnte er so endlich Barry Sorgen um ihn lindern, jetzt müsste er Chris nicht immer so besorgt mustern, sobald Albert mit Jill sprach – oder er würde sich erst recht Gedanken machen.

»Es wird schon alles gut gehen«, versicherte Jill ihm. »Hab Vertrauen in die anderen.«

Bei der Arbeit hatte er das auch – aber ob das auch für solche Fälle galt, da war er sich einfach nicht sicher. Wie könnte er auch? Bislang hatte er nie über Privates mit ihnen gesprochen, selbst die Sache mit Alex hatte er Enrico nur sehr knapp erklärt. Eigentlich hatte er sich vorgenommen, mehr über die anderen Mitglieder zu erfahren, er sollte damit wirklich mal anfangen, selbst wenn das bedeutete, dass er auch mehr über sich reden müsste.

Sie erreichten das RPD und begegneten glücklicherweise niemandem in der Garage. Auch im Gebäude selbst kümmerte sich niemand um sie beiden, abgesehen von kurzen Grüßen mancher Kollegen. Dabei fiel Albert vor allem auf, dass Jill sogar von Leon gegrüßt wurde, einem der neuen RPD-Officer, den selbst er nur durch Zufall kennengelernt hatte.

»Woher kennt ihr beiden euch eigentlich?«, fragte er seine Freundin, während sie die Treppe zum Westflügel hinaufgingen.

Sie strahlte ihn regelrecht an. »Tatsächlich durch die andere Jill. In ihrer Welt war Leon einer der wenigen Überlebenden von Raccoon City, auch danach hat er als Special Agent oft mit Bio-Terrorismus zu tun gehabt. Deswegen sind sie gute Bekannte.«

Albert warf einen Blick auf Leon zurück. Er war seit etwas mehr als einem Monat neu bei der Truppe und man merkte es immer noch, besonders bei seinem Umgang mit Zivilisten, wie jener Frau im Moment, die Leon einfach ignorierte und davonging, obwohl er sie darum bat, ihm erst etwas zu unterschreiben. Was mochte in der anderen Welt geschehen sein, dass er es dort sogar zum Special Agent geschafft hatte? Hoffentlich genoss er hier wenigstens sein ruhiges Leben.

Vor der Tür ins Büro wollte Albert eigentlich erst noch einmal durchatmen, aber Jill ging direkt hinein und grüßte alle fröhlich. Da sie die Tür offen ließ, blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenfalls hineinzugehen. Seine Begrüßung war wesentlich ruhiger, dennoch hatte er das Gefühl, dass ihn sofort alle anstarrten. Es wurde nicht besser, als Chris aufstand, auf ihn zukam und ihr vor all ihren Kollegen tatsächlich in einen kurzen Kuss verwickelte. Lang genug, um die Ernsthaftigkeit zu zeigen, kurz genug, damit sich niemand beschweren könnte, dass sie von der Arbeit ablenkten.

Aus dem Augenwinkel bemerkte Albert, wie Billy Rebecca einen vielsagenden Blick zuwarf, sie aber dennoch ratlos die Schultern hob. Wie er sich also dachte, Billy war bereits darauf gekommen. Die Reaktionen der anderen waren auch geteilt. Brad schien sich nach einem milden Lächeln nicht weiter darum zu kümmern, Enrico und Barry tauschten einen Blick miteinander, Kevin nickte anerkennend. Immerhin gab es keine offene Ablehnung, das war schon einmal etwas.

»Also hat Chris echt nicht übertrieben«, stellte Kevin fest.

»Ich übertreibe nie«, erwiderte Chris ihm.

Brad neigte den Kopf ein wenig. »Was war mit dem einen Football-Team, mit dem du es ganz allein aufgenommen hast, als du mal betrunken warst?«

Albert erinnerte sich an diese Geschichte, während er sich an seinen Schreibtisch setzte. Das war Anfang des Jahres gewesen, als er mal wieder mit Forest und Joseph unterwegs gewesen war. Das Football-Team hatte sich als drei Türsteher entpuppt, die das bereits betrunkene Trio daran gehindert hatten, einen Club zu besuchen, worauf es zu einer kleinen Prügelei gekommen war. Am Ende hatten die Türsteher nur deswegen auf eine Anzeige verzichtet, weil die drei S.T.A.R.S. wohl eine geradezu demütigende Niederlage hatten einstecken müssen. Es war dennoch Alberts Pflicht gewesen, mit ihnen zu sprechen und sie zum wiederholten Male darauf hinzuweisen, sich nicht auf Prügeleien einzulassen. Je öfter Chris die Geschichte erzählte, desto mehr und größere Leute wurden es. Hoffentlich müsste Enrico sich mit so etwas nicht mehr herumärgern.

Chris setzte sich wieder auf seinen Platz. »Okay, ich übertreibe fast nie.«

Kevin wandte sich an Jill. »Aber mit dir ist der Boss, also, Albert, auch noch zusammen?«

Sie lächelte. »Wenn das so wichtig für dich ist: Ja.«

»Ich sagte es doch«, bemerkte Chris. »Warum glaubt mir denn keiner?«

»Football-Team«, murmelte Brad, laut genug, dass es gut hörbar war.

Die anderen lachten leise, von Chris kam nur ein grinsendes Schulterzucken.

»Und du warst wirklich damit einverstanden, Albert?«, fragte Kevin weiter. »Bislang hast du immer einen sehr konservativen Eindruck gemacht. Aber das ist doch schon sehr … progressiv.«

Albert kramte bereits die Unterlagen heraus, an denen er aktuell arbeitete. Dennoch warf er einen kurzen Blick in Kevins Richtung. »Du bist wirklich ganz schön neugierig, was?«

»Dafür hast du mich eingestellt«, kam die ungerührte Erwiderung.

Das war nicht mal falsch, deswegen konnte Albert ihm keinen Vorwurf machen und schmunzelte nur. »Aber ja, ich bin damit einverstanden. Es schien die beste Lösung für alle zu sein.«

Chris und Jill nickten zustimmend, auch keiner der anderen im Büro wirkte, als könne er es gar nicht verstehen. Lediglich Barry, der traditionelle Familienmensch, besorgte ihn ein wenig, deswegen sah er unsicher zu diesem hinüber. Barry fing seinen Blick auf und hob die Schultern. »Mein Lebensstil wäre das nicht. Aber solange ihr alle drei glücklich damit seid ...«

Zu hören, dass Barry – sein damals erwählter Vaterersatz, wegen dem er sich überhaupt erst mit Chris angefreundet hatte – ihnen auch seinen Segen gab, war auf eine überraschende Art erleichternd für Albert.

»Wo wir gerade davon sprechen«, mischte Enrico sich ein, »mir ist egal, was ihr in eurer Freizeit macht, wir haben auch keine Regeln diesbezüglich. Aber ich erwarte, dass ihr jegliches Drama, das vielleicht daraus entsteht, unter euch löst. Sobald es auch nur so aussieht, als ob eure Fähigkeiten darunter leiden, werde ich nicht zögern, die Teams komplett zu ändern. Verstanden?«

»Ja, Sir«, sagten Albert, Chris und Jill gleichzeitig.

Enrico nickte zufrieden, sah sie aber dennoch prüfend an. Vor allem Albert wurde das Gefühl nicht los, dass er ihn ganz besonders intensiv dabei anstarrte. Sicher dachte er nur wieder daran, dass Albert viel zu emotional war, wenn es um die anderen beiden ging. Dass Enrico zugelassen hatte, dass er ein Team mit Chris und Jill bildete, war ein großer Akt des Vertrauens und Albert war entschlossen, zu zeigen, dass es nicht umsonst war. Er würde dafür sorgen, dass es den beiden gut ging, auch während der Missionen, ganz besonders jetzt, da sie ihn beide liebten und er sie auf jeden Fall bewahren wollte.

»Okay«, sagte Enrico schließlich, nur um direkt von Kevin unterbrochen zu werden: »Hey, Captain, ich will nur etwas klargestellt haben.«

Mit gerunzelter Stirn sah Enrico ihn an. »Was denn?«

Kevin vollführte eine kreisende Handbewegung, die ihn und Enrico einschloss. »Ich muss jetzt aber nicht auch mit irgendwem aus dem Büro was anfangen? Und schon gar nicht mit Ihnen, Captain, oder? Also, nichts gegen Sie, aber eh, Sie sind nicht mein Typ.«

Barry schlug sich die Hand gegen die Stirn, Billy rollte mit den Augen. Die anderen reagierten nicht wirklich darauf, nicht einmal Enrico, dessen Gesicht vollkommen ungerührt blieb, auch als er antwortete: »Gut, dass du es zur Sprache bringst, Kevin. Ich hatte schon befürchtet, ich müsste dieses peinliche Thema ansprechen. Aber du bist auch nicht mein Typ, also keine Sorge, das erwartet niemand von dir.«

Sogar Albert musste über diese Antwort ein wenig lachen. Kevin verstand das Signal direkt und wandte sich von Enrico ab und seinem eigenen Schreibtisch zu.

Enrico nickte darüber zufrieden. »Wenn das jetzt geklärt ist, lasst uns weiterarbeiten. Alles andere könnt ihr in euren Pausen besprechen. Denkt daran, dass wir große Pläne haben, die erledigen sich nicht von allein.«

»Ja, Sir«, kam es einstimmig, danach vertieften sich alle in ihre Arbeit.

Albert atmete durch, zufrieden darüber, wie diese Enthüllung gelaufen war. Solange seine Kollegen kein größeres Problem mit diesem Lebensentwurf zeigten, dürfte es auch für Chris nicht weiter schwer werden. Und Albert selbst würde ihm natürlich immer beistehen, egal wie groß das Problem wäre. Für Chris und Jill würde er immer stark sein, um ihnen die Sicherheit zu geben, die sie beide verdienten und das solange er lebte – und dank der Progenitor-Infektion dürfte das eine sehr lange Zeit werden.
 



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