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Double Face

Wenn du deinen Doppelgänger findest
von

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Prolog

Jean drehte sich murrend in ihrem Bett herum, als ihr Wecker sie aus dem Schlaf klingelte. Es war 6:00 Uhr und bald würde ihre Arbeit in der Kindertagesstätte beginnen. Ihre Partnerin schlief noch tief und fest. Ein kleines Lächeln stahl sich auf ihr Gesicht, als sie sie so beobachtete. Ihr anthrazitfarbenes langes Haar war über dem Bett ausgebreitet und vereinzelt hingen ihr einige Haarsträhnen im Gesicht. Sanft strich Jean sie zur Seite und lauschte ein wenig den leisen Atemzügen, ehe sie sich auf dem Weg in die Küche machte. Verschlafen wuselte sie umher, um sich ein kleines Frühstück zuzubereiten. Teller und Gläser wurden schon am Abend bereitgestellt, sodass sie nur noch Butter, Milch und Aufstriche aus dem Kühlschrank holen musste. Das Kakaopulver wurde unter die Milch gemischt, während sie für Galadriel die Kaffeemaschine anschmiss. Mit einem Toast im Mund strich sie über ihr Handy, um die neusten Wettermeldungen zu überprüfen. Anschließend ging es ans anziehen. Die passende Kleidung hatte sie sich bereits herausgelegt. Ein weiter weißer Pullover mit der schwarzen Aufschrift „Tomboy“, eine dunkelblauen Jeans und ein paar ausgelatschter roter Turnschuhe gehörten zu ihrer Garderobe. Die Blonden lockigen Haare wurden zu einem Pferdeschwanz gebunden. - Fertig. Mode hatte Jean noch nie sonderlich interessiert. Hauptsache die Outfits waren bequem. Um 6:30 Uhr verließ sie das Haus. Auf dem Weg zum Zug verkündete ihr Handy mit einem lauten Plington, dass sie eine neue Nachricht hatte. Also zog sie dieses aus ihrer Jackentasche und überprüfte ihre Whatsapp Nachrichten.
 

Nicholas: Guten Morgen, meine liebe Jean. ♥ Ich hoffe doch, du hast gut geschlafen.

Jean: Ich habe es versucht. Ich wünsche dir noch einen schönen Tag.

Nicholas schreibt...
 

Den Rest las sie schon nicht mehr und steckte ihr Handy lieber ein. Das Wetter in New Jersey war heute besonders schön, stellte sie fest. Kein Wölkchen war am Himmel und die Sonne schien aus vollen Rohren. Kaum war sie am Bahnsteig angekommen, da fuhr auch schon der Zug vor, welcher sie nach Gotham bringen sollte. Gemütlich stieg ein und setzte sich in eine Zweier-Sitzreihe ans Fenster. Anschließend kramte ihre Aiports hervor, um Musik zu hören. Ihre Ruhe wurde allerdings durch einen jungen Mann gestört, welcher sich neben sie setzte und sich ebenfalls Kopfhörer in die Ohren steckte. Jean kannte ich bereits, weil sie jeden Tag die gleiche Strecke fuhren und ignorierte ihn geflissentlich. Stattdessen fokussierte sich lieber weiter auf ihre Musik. Nach einer halben Stunde Fahrzeit hatte sie Gotham City erreicht. Der blondhaarige junge Mann drehte sich zu ihr herum, wohl wissend dass aussteigen musste. Wiedermal blickte Jean in diese fantastischen roten Augen, welche sie ernst musterten. „Wir sehen uns dann morgen.“ hörte sie ihn sagen. Anschließend bemühte er sich den Platz für sie zu räumen. Hastig stand sie auf und eilte zur Türe, um diese zu passieren, ehe der Zug weiterfuhr. Draußen angekommen atmete sie einmal tief durch und beschloss die geplante Verabredung mit Dante nach Dienstschluss einfach abzusagen. Das sie dazu keine Gelegenheit mehr haben würde, wusste ich noch nicht. Um zu ihrer Arbeit zu gelangen brauchte sie maximal 15 Minuten, die die zu Fuß zurücklegte. Allerdings war heute etwas anders. Sie hatte das Gefühl verfolgt zu werden. Als sie sich umblickte, entdeckte sie eine schwarze Limousine, welche auf der kleinen Seitenstraße, neben der sie lief, langsam hinterherfuhr. Als sie sie entdeckt hatte, fuhr das Auto auch schon vor und die Seitenschiebetüre ging auf. Schreiend, um sich schlagend und tretend wurde sie von zwei starken Armen in den Wagen gezogen.
 

An einem anderen Ort wachte eine andere Person ebenfalls um 6:00Uhr auf. Liana wurde von selbst wach. Verschlafen setzte sich in ihrem Bett auf und warf einen Blick auf die Uhr. Das Grummeln ihres Magens hatte sie geweckt. Anschließend stellte sie fest, dass die andere Seite ihres Bettes leer war. Jonathan war also schon wach. Immer noch recht Müde strampelte sie sich von ihrem Bettzeug frei, um sich auf dem Weg in die Küche zu machen. Die Brünette stand am Herd und ein köstlicher Duft erfüllte es Raum. Scheinbar bereitete er gerade Toast mit Ei und Speck zu. Doch für sie würde es auch heute nur kalten Toast mit veganer Wurst oder Käse geben. Seufzend holte sie besgten toast und ihre Aufstriche. „Möchtest du keinen Toast mit Ei?“ wurde wie von ihrem Partner und ehemaligen Psychiater gefragt, welcher sich zu ihr hingewandt hatte. Doch Liana schüttelte nur den Kopf. Sie würde es nicht essen können, so sehr sie es auch wollte. „Ich muss heute wieder ins Arham Asylum. Verlasse dieses Haus nicht, ehe ich wieder da bin. Hast du gehört, Liana?“ ernst sah er sie an, während Liana auf ihrem Toast herumkaute, als wäre es Schuhleader. Erst als sie ein gemurmeltes „Hmhmm“ von sich gab, war Jonathan zufrieden und drehte sich wieder herum. Fünf Minuten später saßen sie beide am Essenstisch, jeder mit seinem Frühstück vor der Nase und Jonathan mit der Tageszeitung. Ein Artikel über Scarecrow prangte groß auf der Titelseite. Liana wusste um seine dunkle Seite. Sie selbst steckte da mit drin, als seine Misstress of Fear. Allerdings war diese ein Persönlichkeitsanteil von ihr. Sie, Liana, war eigentlich unschuldig. Um 7:00 Uhr verabschiedete Jonathan sich und sie blieb alleine zurück. Vielleicht sollte sie noch einmal ins Bett gehen? Dann fiel ihr allerdings auf, dass ihr Partner seinen Aktenkoffer, in dem er üblicherweise sein Angstgas für seine Patienten versteckte, hatte im Flur stehen lassen. Schnell packte sie sich den Koffer und beeilte sich noch hinter Jonathan her zu kommen. Doch als sie, immer noch im Nachthemd bekleidet auf die Straße rannte, war Jonathan nicht mehr zu sehen. Sie rannte noch ein wenig die Straße entlang, ehe ein schwarzer Bugatti in die Straße einbog und gerade vor ihr stehen blieb. Die getönte Fensterscheibe wurde heruntergefahren und vor ihr kam ein Mann mittleren Alters mit schneeweißen Haaren und roten Augen zum Vorschein. Er trug einen schwarzen Nadelstreifenhut, passend zu seinem schwarzen Nadelstreifenanzug und Jacke.

„Schön das ich dich hier sehe, Jean. Bist du auf dem Weg zur Arbeit? Ich nehme dich mit und in der Zwischenzeit können wir reden.“ hörte sie ihm sagen, ehe die Beifahrertüre geöffnet wurde und der Unbekannte sie ins Auto zog.

Die rothaarige Hexe und das Rauchopfer

Als die Türe sich hinter ihr schloss, wusste Jean, dass sie ihr zu Hause nicht mehr so schnell wiedersehen würde. Umso überraschter war sie, als sie die anderen Fahrgäste in Augenschein nahm. Neben ihr saß der Typ, der sie in den Wagen gezerrt hatte. Es war ein bulliger Kerl mit Sonnenbrille im schwarzen Anzug. Auf Jean wirkte er wie der typische Leibwächter. Ihr gegenüber saß allerdings eine Frau mit langen roten Haaren, welche ihr lockig über die Schulter fielen. Grüne Augen blickten mit gefühlskalt und feindselig entgegen. Der rote Lippenstift stach bei ihrer hellen Haut ziemlich hervor. Genauso wie er schwarze Blazer, den sie trug. Alles im allen wirkte diese Frau sehr elegant und gepflegt. „Habe ich dich endlich gefunden, Liana. Meinst du wirklich, dass du sich vor mir verstecken kannst? Du wirst diesen Jonathan Crane niemals wiedersehen.“ hörte Jean sie sagen. Unweigerlich fröstelte es sie aufgrund dieser kalten Stimme. Scheinbar hatte diese Dame nichts als Verachtung für sie übrig: „Liana? Ich heiße Jean. Und wer ist bitte Jonathan Crane?“ verwirrt kratzte sie sich am Kopf. Wurde sie vielleicht verwechselt? Schließlich kannte sie diese Frau nicht. Ihr Gegenüber verengte allerdings die Augen und entgegnete: „Tu nicht so, Liana. Ich weiß genau das du es nicht. Deine schmutzigen Kleider können nicht darüber hinwegtäuschen.“

„Ich heiße...NICHT Liana. Mein Name ist Jean Hergraves. Ich kann es Ihnen sogar beweisen.“ eifrig kramte sie in ihrer Tasche, um die braune kleine Mappe hervorzuholen, in der sie ihren Personalausweis und sonstige Papiere aufbewahrte. Mit einem triumphierenden Grinsen zeigte sie ihn der Rothaarigen vor. „Da steht´s. Jean Hergraves. NICHT Liana. JEAN. Sie verstehen?“

Diese nahm ihr den Ausweis ab und entgegnete kühl: „Wie niedlich. Du hast dir sogar deinen Ausweis fälschen lassen. Rufus! Nehme ihr die Tasche ab. Die Sachen wird sie nicht mehr brauchen.“

Jean wehrte sich nach Leibeskräften, als ihr ihre Tasche abgenommen wurde. Doch „Rufus“ war um einiges stärker als sie. „Du dumme alte Schachtel! Was soll das? Gib mir meine Sachen wieder zurück!“

Ein Klatschen ertönte, als die Frau sie ins Gesicht schlug: „Und an deinen Manieren werden wir auch direkt arbeiten. Nicht das du deinem neuen Ehemann noch Schande bringst.“

Wütend wollte Jean sich mit geballten Fäusten auf sie stürzen, wurde aber von Rufus davon abgehalten. Der Hüne zerrte sie aus dem Auto, welches zum Stehen gekommen war. Noch immer wehrte sich das Mädchen nach Leibeskräften, doch vergebens. Ihre Schläge ebbten allerdings ab, als sie erneut überrascht wurde. Sie standen vor einem riesigen gut gepflegten Anwesen, welches einer Villa glich. Sogar einen Pool und einen großflächig angelegten Garten gab es hier. Jean kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. „Kind. Du wirst doch wohl dein eigenes zu Hause wieder erkennen. Oder wie lange willst du dieses Spielchen noch spielen?“ wurde sie durch die nervende Stimme der Frau gestört. „Wie? Kind, zu Hause? Sie sind meine Mutter?“ entsetzt fing Jean sich an mit der noch freien Hand zu bekreuzigen. Sie kannte ihre Mutter. Und die war allemal besser als diese rothaarige Hexe hier. „Dieses Gebet wendest du lieber vor dem Herren an und nicht vor mir. Liana. Und jetzt ab mit dir in dein Zimmer. Dort kannst du über deine Taten nachdenken.“ so langsam ging ihr die arrogante Stimme ihrer angeblichen Mutter wirklich auf die Nerven.

„Ja wohl, Mami. Wo ist denn mein Zimmer, Mami?“

„Rufus wird dich gerne dorthin begleiten. Und morgen fängt dein Benimm-Unterricht an. Es wird Zeit deine Erziehung mal wieder ein wenig aufzufrischen.“

Auf den Benimm-Unterricht mit diesem Drachen von Mutter würde Jean sich sicher freuen. Ironie off. Sie hatte vor über Nacht aus diesem Haus zu flüchten. Vor allem wurde ihr erst jetzt bewusst dass sie ihr Handy noch in ihrer Jackentasche hatte. Damit würde sie Hilfe holen.

Rufus brachte sie, wie ihre Hexenmutter gesagt hatte, auf „ihr“ Zimmer. Dieses war riesig. Ein Himmelbett, ein Schreibtisch und eine Sitzecke befanden sich darum. Zusammen mit einigen Bücherregale und einem gigantischen Kleiderschrank. Doch sie nahm sich nicht die Zeit ausgiebig ihr neues Zimmer zu bewundern. Stattdessen öffnete sie Whatsapp und schrieb Galadriel eine Nachricht.
 

Jean: Hilfe, ich wurde entführt. Frau mittleren Alters, rote lockige Haare, grüne Augen, schwarze Kleidung. Sie scheint reich zu sein. Das Auto, schwarze Limousine. Ort: Villa irgendwo in Gotham. Sie hält mich für eine Liana. Die kennt einen Jonatan Krane.

Galadriel: Was ist los?.. Beschreibe mir die Villa.

Jean: Weiß, großer Garten, Po...
 

Noch schnell schaffte Jean die angefangene Nachricht abzuschicken und ihr Handy in die Schublade ihres Schreibtisches zu stecken, ehe auch schon die rothaarige Hexe mit zwei weiteren Frauen den Raum betrat. „Nehmt ihr diese scheußlichen Klamotten ab und verbrennt sie.“ hörte sie sie die alte Hexe sagen. „Bitte was? Das sind meine Lieblingsklamotten. Die werden Sie NICHT verbrennen.“ schützend schlag die Blondhaarige ihre Arme um sich, als eine der Damen sie am Ärmel packte. „Bitte machen Sie ihrer Mutter keine Umstände, Misses Rosewell. Wir werden Ihnen anschließend passendere Kleidung herauslegen.“ versuchte sie beschwichtigend auf Jean einzureden, doch diese wollte sich weiterhin wehren.

„Wenn du nicht parierst, Liana, schicke ich Rufus zu dir.“ mischte sich die rothaarige Hexe ins Gespräch ein. Auf den Leibwächter hatte Jean nun wirklich keinen Bock, weswegen sie sich ihre Sachen widerwillig abnehmen ließ. Aber nicht ohne ihrer „Mutter“ noch einen vernichtenden Blick zuzuwerfen.
 

Während Jean mit Lianas Mutter zu kämpfen hatte, saß eben diese neben einem ihr unbekannten Mann in einen teuren Wagen, von dem sie nicht wusste wo er hinfuhr. Der fremde Weißhaarige hatte sich eine Zigarette angezündet und trommelte zum Takt der im Autoradio laufenden Musik mit den Fingern auf sein Lenkrad. Er schien entspannt zu sein, im Gegensatz zu seiner Mitfahrerin. Der Rauch stach Liana in die Augen, sodass diese zu tränen anfingen. Die Luft wurde knapp und sie hatte das Gefühl den Tabak förmlich auf ihrer Zungen schmecken zu können. Liana wollte etwas sagen, doch sie traute sich nicht. Zu groß war die Angst vor der Reaktion des Mannes neben ihr. Dieser drehte sich zu ihr herum und legte eine Hand auf ihre Wange: „Jean, Kind. Warum antwortest du nicht mehr auf meine Whatsapp Nachrichten? Ist dir unsere Beziehung unangenehm? Galadriel wird es nicht erfahren. Es sei denn, du erzählst es ihr. Aber mich einfach zu ignorieren ist nicht nett. Dabei bemühe ich mich doch so sehr ein guter Daddy für dich zu sein.“

Anschließend nahm er seine Kippe aus dem Mund und pustete den Rauch mitten in Lianas Gesicht. Diese fing daraufhin wie verrückt zu husten an. Mit einem schelmischen Grinsen wandte der Weißhaarige sich wieder ab: „Ignoriere mich weiter und ich puste dir noch mehr davon ins Gesicht. Mich wundert es übrigens, dass du noch nichts gegen den Rauch gesagt hast. Ansonsten reißt du immer direkt das Fenster auf oder nimmst mir die Zigarette ab. Hast du etwa ein schlechtes Gewissen?“

Liana wusste daraufhin nichts zu sagen. Es verwirrte sie, dass er sie nicht bei ihrem richtigen Namen nannte. Außerdem kannte sie ihn gar nicht und wusste seine Reaktionen nicht einzuschätzen. Also blieb sie lieber still.

„Das werte ich mal als ein Ja.“ hörte sie den Weißhaarigen sagen, ehe dieser das Lenkread herumriss und seinen Wagen auf irgendeinen Bürgersteig parkte, ehe er sich zu ihr herüber lehnte, um ihr tief in die Augen blicken zu können. Feuriges Rot traf auf meerblaue unschuldig dreinblickende Augen. Der fremde Mann seufzte: „Kind. Du brauchst wirklich kein... Oh mein Gott! Jean, was hast du denn da bitte an?“

Entsetzt starrte er auf ihren Ausschnitt und erst jetzt fiel ihr auf, dass sie noch ihr Nachthemd anhatte. Ein Nachthemd, welches...ziemlich durchsichtig war. Am liebsten würde sie vor Scham im Erdboden versinken. Zumal ihr der Weißhaarige ziemlich nahe war. Viel zu nahe für ihren Geschmack. Außerdem bemerkte sie, wie seine Augen vor Verlangen brannten. Augenblicklich kamen ihr die Erfahrungen mit ihren Zwangsehemann wieder in Erinnerung. Automatisch versteifte sich ihr Körper und sie drängte sich, wenn es möglich war, noch mehr in die Ecke des Wagens. Der Weißhaarige musste ihr Unwohlsein bemerkt haben, denn er zog sich zurück.

„So kannst du nicht zur Arbeit geben. Die schicken dich direkt wieder nach Hause. Wir können kurz bei mir vorbeischauen. Dann gebe ich dir ein paar alte Sachen von Galadriel.“ Ohne ihre Antwort abzuwarten, setzte der Weißhaarige seinen Wagen in Gang und fuhr jetzt ziemlich schnell über die Straße. Erleichtert atmete Liana auf. Wer auch immer er war. Er schien ein guter Mann zu sein. Nach ein paar Minuten waren sie auch schon angekommen und der Wagen hielt vor einem gemütlich aussehenden Häuschen mit einem großen Vorgarten mit Pool. Der Mann schien gutes Geld zu verdienen, aber noch lange nicht so reich zu sein wie ihre verhasste Mutter Helena.

„Komm.“ gentlemanlike hielt er ihr die Türe auf, ehe er mit ihr zu dem Haus stapfte und die Türe aufschloss. Von innen sah es genauso gemütlich aus wie von außen. Am liebsten würde Liana hierbleiben. „Nicholas? Bist du nicht bei der Arbeit? Ach! Hallo Jean.... Was hast du denn da an?“ eine Frau mit kurzen brünetten Haaren und blauen Augen kam aus einer der Zimmer in den Flur gelaufen. „Jean ist heute anscheinend mit dem falschen Fuß zuerst aufgestanden.“ scherzte der Mann, der anscheinend auf den Namen Nicholas hörte „Ich wollte ihr ein paar Sachen von Galadriel geben, damit sie nicht so zur Arbeit muss.“

Die Frau nickte nur verstehend, ehe sie den Flur wieder verlief, um anscheinend ihren Pflichten als Hausfrau nachgehen zu können. Nicholas währenddessen stapfte in das Zimmer, auf dessen Türe ein Schuld mir der Aufschrift „Galadriel“ prangte und kam wenig später mit einem Stapel Kleidung wieder. „Du kannst dich gerne im Bad oder in Galadriels Zimmer umziehen wenn du willst.“ mit diesem Worten drückte Nicholas ihr die Kleidung in die Hand. Liana verschwand schnell im Bad.

Schnell zog sie sich ihr Nachthemd aus und schlüpfte in die warme weiche Kleidung. Als sie sich vor dem riesigen Badspiegel betrachtete, fiel ihr auf, dass dies auch Jungskleidung hätte sein können. Sie trug einen weiten roten Pullover mit Kragen und darauf eine braune Hose. An den Füßen trug sie nicht mehr ihre Hauspantoffeln, sondern ebenfalls braune Stiefel. Nicht gerade schick. Aber ihr gefiel es irgendwie. So musste sich ein Junge fühlen, wenn er diese Kleidung trug.

Plötzlich unterbrach ein Klopfen ihren Gedankengang. „Bist du fertig, Jeanie? Wir müssen los. Du kommst sonst viel zu spät zu deiner Arbeit und ich zu meiner.“ hörte sie Nicholas durch die Türe rufen. Schnell beeilte sie sich diese zu öffnen. Draußen standen der Weißhaarige und seine Frau.

„Danke für die Kleidung, Herr Nicholas.“ wollte sie sich bedanken. Doch er und auch seine Frau brachen in schallendes Gelächter aus. „Du bist heute wirklich seltsam, Kleines. Es heißt immer noch Nicholas und nicht Herr Nicholas. Oder Nick, wie du mich so gerne nennst. Wie kommst du plötzlich darauf mich mit Herr anzusprechen?“

Liana wurde daraufhin knallrot und zog es lieber vor zu schweigen. Dies sah Nicholas als Aufforderung zu gehen. Und Abschied winkte er seiner Frau noch zu, ehe die Haustüre ins Schloss fiel. Ohne große Umschweife fuhr er sie zu dem, was er als ihre Arbeit vermutete und setzte sie dort ab. „Wir sehen uns. Und antworte dieses Mal auf meine Whatsapp Nachrichten, wenn ich sie dir schicke.“ hörte sie ihn noch sagen, ehe die Fensterscheibe wieder hochgekurbelt wurde und der schwarze Bugatti vom Hof fuhr. Liana hatte kaum Zeit sich zu orientieren, als eine junge Frau mit zu einem Pferdeschwanz gebundenen Haaren auf sie zukam. „JEAN! Da bist du ja endlich? Wo hast du gesteckt? Du bist viel zu spät, weißt du das?“ hörte sie sie rufen. Scheinbar würde sie hier so schnell nicht mehr wegkommen.

Erste Erkenntnisse

Liana zuckte zusammen, als die Frau sie an der Schulter berührte. „Sei froh, dass unsere Chefin heute nicht da ist. Sonst hättest du echt Ärger bekommen. Hast du verschlafen oder warum bist du erst so spät dran?“ plauderte, scheinbar Jeans Kollegin, munter weiter drauflos.

„Tut mir leid. Ich bin aus Versehen mit dem Nachthemd losgelaufen.“ entschuldigte Liana sich bei ihr. Diese lachte nur „Das ist so typisch du. Dann komm mal mit. Die Kinderchen warten schon auf dich.“ schon wurde Liana in Richtung des großen Gebäudes gezogen. Insgeheim fragte sie sich, warum die Frau, für die sie sie alle hielten, nicht auf der Arbeit erschienen war.

Die Kollegin führte sie zu einer Truppe Kinder, welche abseits des Gebäudes standen und scheinbar auf sie warteten. „JEAN!“ hörte sie es einstimmig rufen, ehe Liana schon von einer ganzen Horde Kinder angefallen wurde. Liana wusste nicht so Recht, was sie jetzt tun sollte. Sie kannte die Namen nicht, also wie sollte sie sie ansprechen? „Kommt. Stellt euch mal wieder vernünftig auf. Schließlich haben wir viel Zeit verloren.“ rief die Brünette sie allerdings wieder zurück. Dankbar atmete sie aus. Als die Kinder sich wieder richtig eingereiht hatten, gingen sie eine Strecke vom 15 Minuten, ehe sie einen kleinen Spielplatz erreichten. Sofort stürmten die Kinder los, um im Sand zu buddeln oder sich an den Spielgeräten auszutoben. Liana saß mit der Kollegin auf einer Bank und ließ sich die Geschichte von ihrem Ex erzählen. Dabei erfuhr sie, dass ihr Name Sascha war. Nach einer halben Stunde wurden die Kinder wieder zusammengerufen und und es ging wieer zurück in die Kindertagesstätte. Doch ehe sie das rote Gebäude passieren konnte, kam eine junge Frau mit anthrazitfarbenem Haar, roten Augen in Jungskleidung auf sie zu. Ihr Gesichtsausdruck war ernst.

„Da bist du ja, Jean. Scheinbar geht es dir ja gut. Also warum schreibst du mir solche Whatsapp Nachrichten?...Moment? Hast du da meinen alten Pullover an?“ wurde sie von ihr begrüßt. Anhand ihrer Reaktion auf Lianas Kleidung, stellte sie fest, dass es sich hierbei um Jeans Partnerin Galadriel handeln musste. Das war also die Tochter von Nicholas, mit welchem Jean scheinbar eine Affäre hatte? Da sie nicht wusste, was sie der Frau antworten sollte, fragte sie einfach nur: „Was meinst du?“

Mit einem wütenden Gesichtsausdruck zückte Galadriel ihr Handy und hielt es ihr vor die Nase. Es war ein Chatverlauf, in dem Jean ihr mitteilte, dass sie entführt worden war und das von keinem geringeren als ihrer Mutter. Augenblick erstarrte sie. Scheinbar war Helena immer noch auf der Suche nach ihr und sie hatte sie gefunden... Nicht Liana selbst, sondern ihr Ebenbild. Die Person auf dem Profilbild des Whatsapp Accounts sah haargenau aus wie sie. Das einzige was sie unterschied war ihre Haarlänge. Liana hatte hüftlanges Haar und Jean gingen ihre Haare gerade mal bis über die Schultern. Sie endeten im mittleren Rückenbereich. Außerdem hatte sie einen anderen Modegeschmack als Liana. Auf dem Bild war wie mit einem blauen Pullover und einer weißen Weste mit Fellkragen zu sehen. Glücklich zwinkerte sie in die Kamera, den Arm um ihre Partnerin gelegt. Helena würde Jean also nicht gehen lassen, ehe sie wusste, dass diese Person wirklich nicht Liana war. Und wenn Jeans Partnerin davon Wind bekam, würde sie sie sicher gegen ihre Freundin eintauschen wollen. Das wäre die beste Möglichkeit ihre Mutter zu überzeugen. Sie konnte nicht wieder zu ihrer Mutter zurück. Auch wenn sie dafür sorgen würde, dass Jean erst mal in der Gewalt von Helena blieb. Wenn sie mit Jonathan Kontakt aufnehmen könnte... Aber erst mal musste sie von hier weg. Liana wusste überhaupt nicht wo sie sich gerade befand und das bereitete ihr arge Bauchschmerzen.

„Es tut mir leid, aber ich habe mein Handy verloren. Wer weiß, wer dir da geschrieben hat.“ ihr schmerzte der Magen aufgrund dieser Lüge. Aber es musste sein. Sie hatte panische Angst, wenn sie nur daran dachte. Ihre Hände schwitzen und am liebsten würde sie losheulen.

„Scheinbar nicht nur dein Handy oder wo ist deine Tasche? Und was ist das da für ein Aktenkoffer?“ vorwurfsvoll deutete Galadriel auf Lianas Gepäckstück. Den Koffer mit Jonathans Angstgas trug sie immer noch bei sich. Zaghaft nickte sie auf die Frage bezüglich ihrer Tasche hin und antwortete: „Ja. Die auch. Und der Koffer gehört einem Freund. Ich bewahre ihn nur ihn auf.“

Prompt bekam sie eine Kopfnuss verpasst „Du hättest mehr auf dein eigenes Gepäck achten sollen oder wie kommst du jetzt an deinen Personalausweis, deine Bankkarte und andere Papiere...?“

Daraufhin brachte die Blonde nur ein schüchternes „Tut mir leid.“ über die Lippen.

Galadriel seufzte: „Na. Dann mach erst mal deine Arbeit und dann komme ich dich anschließend abholen, für dich für neue Papiere fahren.“

Liana nickte und Galadriel gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Mund, ehe sie sich mit den Worten „Mach mir nicht so viele Sorgen, ja? Dann bis heute Abend.“ verabschiedete

Sascha, die bis jetzt schweigend dagestanden und zugesehen hatte, meinte nur: „Die ist echt niedlich, deine Freundin.“

Liana nickte nur, war aber mit den Gedanken ganz woanders. Irgendwie hatte Galadriel sie an Magda erinnert. Diese weichen zarten Lippen, welche sich sanft gegen die ihren pressten....

Ohne es wirklich zu bemerken, fasste sie sich an ihre Lippen. Doch Sascha riss sie wieder aus ihren Gedanken, als sie die Kinder dazu animierte ins Haus zu gehen. Liana beeilte sich um hinter ihr her zu kommen, damit sie nicht den Anschluss verlor.
 

Die Zeit bis zum Abend flog nur so dahin. Liana hatte wirklich viel Spaß daran mit den Kindern zu spielen. Auch kam ihr immer wieder Galadriel in den Sinn. Sie war so liebenswürdig und nett zu ihr gewesen. Sie fragte sich unweigerlich, warum Jean sie betrog. Das war nicht gerecht. Aber es war auch nicht gerecht sie anzulügen, während ihre Freundin in Schwierigkeiten steckte. Liana musste die erstbeste Gelegenheit nutzen, um wieder zurück nach Hause zu Jonathan zu kommen. Dieser würde sich inzwischen auch Sorgen um sie machen. Schließlich war es Abend und er sicher schon Daheim. Vor der Kindertagesstätte erwartete sie bereits Galadriel. „Ich habe meinem Vater Bescheid gesagt, damit er uns fährt. Ansonsten brauchen wir Jahre, um alles zusammen zu sammeln.“ genervt verdrehte sie die Augen, „Ich habe dein Konto bereits sperren lassen. Um einen neuen Personalausweis kümmern wir uns am Wochenende. Das heißt, wir machen erst mal eine Anzeige bei der Polizei und kümmern uns danach um deine Bahnkarte.“

Liana nickte nur. Was sollte sie auch anderes sagen. Daraufhin nahm die Antrazithaarige sie an die Hand und zog sie mit auf den Parkplatz, welcher sich direkt neben dem Gelände der Kita befand. Nicholas lehnte gegen einen ihr fremden Wagen und rauchte eine Zigarette. Scheinbar hatte er auf sie und Galadriel gewartet: „Du hättest heute Morgen etwas sagen können wegen deiner Tasche. Und ich wundere mich, warum du mir nicht mehr auf Whatsapp antwortest. Aber klar, dass deine Tasche weg ist. So konfus wie du heute bist. Es fing ja damit an, dass du im Nachthemd zur Arbeit wolltest.“ wurde sie von dem Weißhaarigen begrüßt. Daraufhin erntete sie einen verwirrten Blick von Galadriel „Seit wann trägst du bitte Nachthemden? Du hast doch nur Pyjamas und ich wüsste nicht, dass du heute Nacht eines angehabt hättest.“

„Tut mir leid, Galadriel. Das habe ich mir neu gekauft und heute dann angezogen, statt meiner richtigen Kleidung.“ versuchte sie sich eine einigermaßen logische Erklärung zusammen zu basteln.

Doch diese betrachtete mit einer gewissen Skepsis „Seit wann redest du mich mit meinem vollen Namen an? Hast du Lack gesoffen? Du stehst da wie ein kleines Mauerblümchen oder ein unartiges Kind. Du bist doch sonst nicht so. Was ist mit dir los, Jeanie?“

„Du bist nicht die Erste. Plötzlich war ich Herr Nicholas, statt Nick.“ scherzte Galadriels Vater und warf anschließend seine Zigarette auf den Boden, um diese dann dort mit dem Fuß auszudrücken.

Anschließend stieg den Bugatti 16c Galibier. Galadriel folgte ihm und setzte sich auf den Beifahrersitz, sodass Liana gezwungen war hinten einzusteigen.

Während der Wagen startete, schaffte Liana es gerade noch sich anzuschnallen. Ihre Laune war im Keller. Anscheinend war Jean um einiges selbstbewusster als sie. Und dies unter die Nase gerieben zu kommen, machte sie wütend. Wieder wanderten ihre Gedanken zu Helena. Ob sie versuchen würde Jean mit diesem George Smith zu verheiraten? Wenn dir Ebenbild so selbstbewusst war wie Liana sie einschätzte, würde Helena mit ihr kein so ein leichtes Spiel haben.
 

Und Liana sollte Recht behalten. Jean sprudelte vor Wut. Lianas Mutter hatte ihren Willen durchgesetzt und jetzt stand sie in einer weißen Bluse und einem schwarzen knielangen Rock vor ihr. Die Haare wurden der Blondhaarigen streng zu einem Knoten nach hinten gebunden und an ihren Füßen hatte sie schwarze hochhackige Schuhe an. Mit diesem Outfit konnte sie gut und gerne als Lehrerin durchgehen. Doch das war nicht das Schlimmste. Denn die Kleidung war ihr zu klein, weswegen sie sich fühlte wie Presswurst.

„Hmm. Anscheinend hat Jonathan dich gut gemästet, in dem Monat wo du weg warst. Du kannst deine alte Kleidung vorerst behalten. Morgen kaufen wir dir neue Sachen und im Anschluss besprechen wir deine Hochzeit mit Georg.“ hörte sie die Rothaarige sagen, welche angewidert das Gesicht verzogen hatte. Am liebsten hätte Jean ihr eine gescheuert. Helena verließ Liana Zimmer und die beiden Dienerinnen mit ihr. Die Türe schloss sich und Jean hörte das Klicken eines Schlosses. Man hatte sie also in ihrem Zimmer eingeschlossen. Panisch rannte sie zur Türe und rüttelte an dieser. Doch sie ließ sich nicht öffnen. Ein Blick zu den Fenstern verriet ihr, dass sie auch durch die Fenster nicht entkommen würde. Es waren Gitter davor angebracht. Schnell rannte sie zu dem Schrank, in dem sie ihr Handy gesteckt hatte. Das Akku war so gut wie leer, deswegen musste sie sich beeilen. Schnell schoss die ein Bild von dem Fenster, um Galadriel mehr Informationen über ihren Aufenthaltsort zu geben. Sie schaffte es noch das Bild abzuschicken, ehe das Akku erlosch. Seufzend setzte sie sich auf´s Bett und verfluchte sich selbst dafür ihr Handy heute nicht aufgeladen zu haben. So saß sie eine Weile da, ehe sie beschloss sich zumindest wieder umzuziehen. Anschließend sah sie sich in dem Zimmer nach Dingen um, die sie benutzen könnte, um die Türe aufzubrechen. Doch sie fand nichts und sie war auch nicht in der Lage eine Schraube aus eine der Schränke zu lösen, um diesen als Dietrich zu verwenden. Frustriert setzte sie sich wieder auf das große Himmelbett. Jean vermisste Galadriel und ihr Eigenheim. In diesem Moment fühlte sie sich mehr als alleine. Um die Zeit ein wenig tot zu schlagen, beschloss sie sich ein wenig in den Zimmer umzusehen. Das Bücherregal war recht langweilig und gab nicht viel her. Jean fand die Bibel, Kirchenlieder und einige alte Schulbücher von Liana. Anschließend fiel ihr der Knigge, verschiedene Lexika und Dokumentarbücher in die Hände. „Die alte Schachtel hat ihr Kind nicht wirklich religiös erzogen, oder? So etwas scheinheiliges.“ murmelte die Blondhaarige vor sich hin und pfefferte anschließend das „Beten mit Jesus“-Buch wieder zurück in den Schrank. Als nächstes war der Kleiderschrank dran. Dieser war prall gefüllt mit alle möglichen Blusen und Röcken oder sehr teuer aussehenden Abendkleidern. „Hauptsache schön frigide.“ mit einer hochgezogenen Augenbraue knallte die Blondhaarige die Türen das Kleiderschranks wieder zu. Anschließend wandte sie sich dem Schreibtischschrank zu, in welchem sie ihr Handy verstaut hatte. Dort fand sie ein Buch über Psychologie und eines über Seelenverwandtschaft, Süßigkeiten, Anleitungen zu ihrem Wecker und Drucker vor. Installations- CDs und einige Blöcke mit Stiften. Die Zeichnungen waren sehr kindlich und bunt. Außerdem zeugten sie von dem Drang nach Freiheit, welchen Liana verständlicherweise zu haben schien. Auf einigen Bildern war Liana als Junge zu sehen, was Jean ein wenig irritierte. Doch diese Kritzeleien schienen das Persönlichste zu sein, was Liana hatte. Bis jetzt war sie noch auf keine privaten Fotografien gestoßen. Die Bilder, die bei ihr an den Wänden hingen, zeigten irgendwelche christliche Darstellungen. Doch dann entdeckte sie tatsächlich ein eingerahmtes Foto auf ihren Schreibtisch stehend. Schnell schnappte sie sich es. Auf dem Bild waren zwei Frauen abgebildet. Die eine hatte orange-rote lange Haare und hellblaue Augen. Sie trug einen dunkelblauen Blazer und blickte schüchtern in die Kamera. Daneben stand... Wenn Jean es nicht besser gewusst hätte, würde sie schwören, sie selbst stünde dort. Die Person, welche ebenfalls scheu in die Kamera blickte und anscheinend eine Schuluniform trug, sah ihr zum verwechseln ähnlich. Nur hatte Liana längere Haare als sie. Und sie war anscheinend dünner, wenn ihre Kleider ihr nicht passten. Irgendwie fühlte Jean sich dadurch ziemlich fett. Zumindest wusste sie jetzt, warum diese Frau sie verwechselt hatte. Jean vermutete, dass Liana immer noch bei ihrem geliebten Jonathan war und so bald auch nicht mehr wiederkommen würde. Also musste sie sich wirklich darauf verlassen, dass Galadriel sie fand und die Situation aufklären konnte. Ihre Chancen von hier wegzukommen gestalteten sich mehr und mehr als hoffnungslos. Doch ihre Gedanken wurden je unterbrochen, als es an der Türe klopfte. „Liana. Kann ich reinkommen? Ich haben dir etwas zu Essen mitgebracht.“ hörte sie es von der anderen Seite aus rufen. Aucf ein „Ja“ von Jean, schloss die Person die Türe auf und betrat das Zimmer. Es war die gleiche rothaarige Frau, wie auf dem Foto.

Slenderman ist der Dieb

Als sie das Tablett vor ihr abgestellt hatte, war Jean mehr als enttäuscht. Sie hatte heute noch keine warme Mahlzeit zu sich genommen und das ungetoastete Stück Brot blickte ihr traurig entgegen. Auf diesem befand sich ein Stück Käse und als sie diesen anhob, stellte sie fest, dass sich noch nicht mal Butter auf dem Toast befand. Daneben stand ein Glas Wasser. „Will diese Hexe mich auf Diät setzen oder warum bekomme ich nur Brot und Wasser zu essen?“ beschwerte sie sich und stemmte frustriert die Hände in die Hüften. Nicht, dass es diesen Touch von Gefängnis, in welchem Jean sich zweifelsfrei befand, noch hervorgehoben hätte. Die rothaarige Frau schenkte ihr daraufhin einen verwirrten Blick. „Du isst doch sonst nur Toast? Und deine Sprachweise kommt mir heute auch ziemlich seltsam vor. Nicht, dass du Miss Helena je gemocht hättest, aber...“ entgegnete diese ihr und setzte sich ungefragt auf Lianas Bett. Jean konnte es nicht leiden, wenn Besuch sich auf ihrem Bett niederließ. Auch wenn es in den Fall nicht ihres war... Trotzdem gehörte es sich nicht. Aber scheinbar standen die Beiden sich Nahe, sonst wäre sie nicht auf dem einzigen Foto im Raum.

Seufzend lief die Blondhaarige sich neben ihr auf dem Bett nieder. „Ich bin ja auch nicht Liana. Wir sehen uns zwar zum Verwechseln ähnlich.... Helena, oder wie sie heißt, hat mir meine Personalien abgenommen, wollte mich in ein viel zu kleines Outfit stecken und hat mich anschließend hier eingeschlossen. Ich heiße übrigens Jean.“ stellte sie sich vor und reichte ihren Gegenüber sie Hand, welche nur zögerlich entgegengenommen wurde.

„Ich nehme mal an, dass du kein Persönlichkeitsanteil von Liana bist... Diese wissen normalerweise, dass sie zu ihr gehören. Außerdem verschwindet eine Essstörung nicht von heute auf morgen. Also bist du eine Art Doppelgänger?“

„Persönlichkeitsanteil? Hat Liana eine Persönlichkeitsstörung? Würde mich bei der Mutter nicht wundern. Wir sehen ziemlich identisch aus. Nur bei mir sind die Haare kürzer und ich bin anscheinend dicker als sie. Zumindest passen mir ihre Kleider nicht. Und wer genau bist du?“

„Ja. Liana hat eine Dissoziative Identitätsstörung. Und tut mir leid, dass ich mich noch nicht vorgestellt habe. Ich heiße Magda, bin Miss Helena Rosewells persönliche Assistentin und eine gute Freundin von Liana. Naja... Eigentlich sind wir ein wenig mehr als Freunde.“

Abwehrend hob Jean die Hände: „Okay. So genau will ich das gar nicht nicht wissen. Ich habe jedenfalls eine Partnerin, mit der ich sehr glücklich bin... Glücklich sein sollte.“

„Beziehungsprobleme?“ fragte sie Magda und rückte dabei ihre Brille zurecht, was wohl einen professionellen Eindruck machen sollte, aber bei Jean eher ziemlich seltsam rüberkam.

>Du bist nicht meine Seelenklempnerin. Lianas vielleicht. Aber nicht meine.“ grummelte die Blondhaarige gedanklich vor sich hin und entgegnete laut: „Sie distanziert sich in letzter Zeit von mir und ich weiß nicht warum.“

Besonders im Bett lief es nicht gerade gut, was Jean dazu veranlasst hatte sich woanders auszutoben. Beide Männer, Dante und Nick, waren ihr dadurch sehr wichtig geworden. Es schmerzte sie sie gehen zu lassen. Aber das schlechte Gewissen plagte sie. Jean liebte Galadriel und sie wollte sie unter keinen Umständen verlieren. Aber das musste sie Magda nicht unbedingt auf die Nase binden. Sie kannte diese Frau schließlich nicht.

„Kannst du mir vielleicht helfen von hier zu fliehen, diesen Jonathan kontaktieren oder mir einen Ladekabel für mein Samsung S6 besorgen? Ich habe Gal schon Bescheid geschrieben, aber bis jetzt hat sich noch nichts getan.“

„Dir zur Flucht verhelfen kann ich nicht. Wenn Miss Helena das erfährt, bekomme ich Ärger. Aber einen Ladekabel besorge ich dir. Die Nummer von Mr. Crane habe ich leider nicht und ich weiß auch nicht wo er sich gerade aufhält.“

„Ein Ladekabel ist schon mal ein Anfang. Wenn sie mein Handy bis dahin nicht entdeckt hat. Jedenfalls... Sei so lieb und bringe mir was warmes zu essen. Ich hatte heute noch nichts. Oder mach mir zwei getoastete Toast, mit Butter und Käse.“

Magda nickte nur und stand auf: „Ich werde Miss Helena gegenüber nochmal ansprechen, dass du nicht Liana sein kannst. Sollte das nicht klappen, besorge ich dir den Kabel. Es müsste eigentlich noch etwas Hähnchen vom Mittag übrig sein. Ich schaue mal in der Küche nach.“

Anschließend verließ sie den Raum und schloss wieder ab, ehe Jean das Klicken des Schlosses erneut hörte. Ein Teller mit Essen wurde hineingeschoben, bevor sie sich wieder schloss. Anscheinend, so vermutete sie, durfte Magda sie nicht länger besuchen. Umso mehr fühlte Jean sich wie im Knast. Seufzend nahm sie den Teller mit dem kalten Hähnchenschenkel und fing diesen an zu essen. Als sie fertig war, stellte sie die Teller und das Glas auf den Schreibtisch und ging zu Bett. Zum Glück musste sie nicht in Unterwäsche schlafen, da Liana wohl eher dazu tendierte Nachthemden zu tragen.
 

Um halb sechs wurde sie von den Dienerinnen geweckt, welche ihr beim Waschen halfen und sie einkleideten. Anscheinend hatte Helena ein frigides Outfit in Jeans Größe auftreiben können. Anschließend wurde sie in den Speisesaal geschickt, in dem Helena bereits auf sie wartete. Die lange Essenstafel war reichlich gedeckt mit Brotkörben und allerlei Aufstrichen. Jean beschloss heute extra viel zu zulangen. Wenn Liana eine Essstörung hatte, würde der Mutter das seltsame Essverhalten ihrer Tochter sicherlich auffallen. Also nahm Jean sich zwei Brötchen, schnitt diese auf, klatsche seeehr viel Butter darauf und leerte fast das ganze Marmeladenglas darüber. Helena warf ihr einen angewiderten Blick zu, äußerte sich aber nicht. Dafür nahm Jean sich seeehr viel Zeit beim Schmieren und planierte die Brötchen mit einem breiten Grinsen schön platt.

„Ich muss zugeben, dass ein Essverhalten, nein dein generelles Verhalten schon ziemlich seltsam ist.“ hörte Jean sie sagen. Helena schien dieselben Essgewohnheiten wie ihre Tochter zu haben. Denn vor ihr lag ein Brot mit einer Scheibe Käse. Ohne Butter, versteht sich.

„Wasch hascht du jesaht, Mami?“ schmatzend kaute sie ihr Brötchen, um Helena nochmal einen zusätzlichen ich-bin-nicht-Liana-Vibe zu geben.

„Aber im Grunde ist es egal. Hauptsache meine Tochter heiratet George und nicht diesen...Jonathan. Ob jetzt Liana oder ein Double von ihr am Altar steht, macht für den Pastor keinen Unterschied.“

Entsetzt spuckte Jean ihr zerkauten Brötchen wieder aus: „Bitte was? Sie wollen wirklich ihrer Tochter diesen Mann aufzwingen? Sind wir hier im Mittelalter? Vor allem... Selbst wenn ich könnte, würde ich Lianas Unterschrift nicht fälschen.“

Wütend kniff Helena ihre Augen zusammen „George Smith stammt aus einer reichen Familie mit guten Geschäftsbeziehungen. Während dieser Jonathan ein abgehalfterter Psychologe aus Gotham ist. Liana wird so einen sicher nicht heiraten.“

Jean im Gegenzug schlug wütend mit ihren Händen auf den Tisch „Wer fängt denn was mit einem Psych-... Egal! Ich kann und werde Lianas Unterschrift nicht fälschen.“

„Doch. Das wirst du. Oder du bleibst für immer hier. Oder ich lasse dich einfach verschwinden. In einer halben Stunde fahren wir los, um uns mit George beim Standesamt zu treffen. Bis dahin musst du aufgegessen haben.“ mit diesen Worten stand Helena auf und verließ den Raum.
 

Stotternd versuchte Liana dem Polizisten zu erklären, wie ihr ihre Tasche gestohlen wurde. Sie hätte sich vorher eine gute Lüge zurechtlegen sollen. Denn das was gerade aus ihrem Mund kam, wirkte mehr als nur unglaubwürdig. Selbst Galadriel warf ihr einen skeptischen Blick zu. Der Polizeibeamte allerdings wirkte eher gelangweilt und kommentierte jeden von Lianas Sätzen mit „Aha.“. Dies brachte sie nur noch mehr aus dem Konzept.

„Also verstehe ich das richtig? Sie haben Ihre Tasche am Straßenrand abgestellt und dann ist jemand gekommen, hat sie sich geschnappt und ist damit weggerannt? Und der Mann sah aus wie Slenderman?“ fasste der junge Mann Lianas Bericht einmal kurz zusammen.

„Slenderman, wirklich? Ich würde nur zu gerne wissen auf welchen Drogen du heute bist.“ fügte Jeans Partnerin mit angezogener Augenbraue hinzu. Liana wollte im Erdboden versinken. Sie nickte nur, woraufhin der Polizeibeamte den Bericht schloss. „Der Kerl scheint ja nicht ganz unauffällig zu sein. Den werden wir hoffentlich schnell gefunden haben. Wenn wir was wissen, melden wir uns.“

Liana nickte erneut und zusammen mit der Anthrazithaarigen stand sie auf, um das Büro zu verlassen. Draußen wartete auch schon Nicholas auf sie. Galadriel seufzte genervt: „Anscheinend hat Slenderman ihre Tasche entführt, wo sie danebenstand. Lass uns schnell die Bahncard besorgen, damit ich endlich ins Bett kann.“

Ihr Vater kicherte daraufhin und warf Liana einen belustigten Blick zu: „Und jetzt teilt er sich die Beute wahrscheinlich mit Jeff the Killer.“

„HA HA.“ entgegnete Liana ein wenig angepisst und stieg direkt ins Auto. Der nächste Halt war am Bahnhof. Dort fragte Galadriel an der Information nach, was sie im Falle einer verlorenen Bahncard machen konnten. Die Dame am Schalter erklärte ihr, dass sie eine neue Karte über die App oder dem Account der Bahnwebseite erhalten konnte. Und damit tat sich auch schon das nächste Problem auf. Liana hatte nicht Jeans Passwörter.

„Da dein Handy auch weg ist, müssen wir das wohl zu Hause über deinen PC machen. Falls der nicht auch entführt wurde.“ stichelte Galadriel und brachte damit das Maß fast zum Überlaufen.

„Nein. Der PC wird wohl keine Beine bekommen haben.“ giftete se zurück und verließ die Bahnhofsinformation, um so schnell wie möglich wieder in den Wagen zu gelangen. Als Liana einfach einstieg ohne etwas zu sagen, war Nicholas ihr einen fragenden Blick zu, welcher aber von ihr ignoriert wurde. Wenig später kam Galadriel hinterher und setzte sich ebenso wortlos auf den Beifahrersitz. Nicholas seufzte „Also sprechen wir heute nicht miteinander? Gut. Dann vielleicht morgen.“

Als keine Antwort von den beiden Damen kam, setzte auch er sich in den Wagen, um sie nach Hause zu fahren. Nachdem sie sich von Nicholas verabschiedet hatten, schloss Galadriel die Türe auf und verschwand direkt in einen Raum, den Liana anschließend als Küche identifizierte. Sie setzte sich an den Küchentisch und schaute ihr dabei zu, wie Galadriel eine Lasagne in die Microwelle schob. Nach sechs Minuten entnahm sie die heiße dampfende Verpackung und stellte sie auf der Küchentheke ab. Anschließend holte sie zwei Teller aus einer der Schränke und tat auf jeden eine Hälfte der Lasagne. Das konnte Liana unmöglich essen. Als Galadriel ihr einen der Teller hinstellte, schob sie diesen nur von sich weg „Es tut mir leid. Aber ich habe heute keinen Hunger.“

„Okay... Du wirst sicher schon in der Kita gegessen haben. Aber ich dachte Lasagne geht immer? Ist doch dein Lieblingsgericht.“ Galadriel hatte sich ihr gegenüber gesetzt und schaute sie gerade an, als käme sie von einer anderen Welt.

„Ja. Aber heute nicht. Mir ist die Sache mit meiner Tasche ziemlich auf den Magen geschlagen. Ich möchte heute Abend nichts essen.“ sobald sie die Lasagne auch schon ansah, wurde ihr schlecht. So viel konnte sie unmöglich essen.

Galadriel seuftze: „Na gut. Dann geh und schmeiß schon mal deinen Rechner an. Ich komme, sobald ich fertig bin mit Essen.“

Das ließ Liana sich nicht zweimal sagen. Sofort stand sie auf und verließ die Küche, um sich nach Jeans Zimmer umzusehen. Zuerst fand sie das Bad und anschließend Galadriels Zimmer. Dieses war ziemlich gemütlich eingerichtet und hatte einen weihnachtlichen Touch. Hinter der nächsten Türe fand sie endlich was sie suchte. Jeans Zimmer war voll behangen mir irgendwelchen Mangapostern und Zeichnungen. Auch Fotografien von ihr, Galadriel und anderen Leuten hingen an der Wand oder standen in Schränken. Zahlreiche Mangas und andere Fantasiebücher reihten sich in Regalen. Jean besaß außer ihrem PC noch eine Playstation 4 und eine Nintendo Switch. In ihrem Kleiderschrank hingen ausnahmslos bequem aussehende Klamotten. Das Zimmer wurde in Türkiestönen gestrichen und vermittelte einen hellen und freundlichen Eindruck. Liana fing an den Schreibtischschrank nach irgendwelchen Informationen abzusuchen, die ihr helfen würde an das Passwort des Computers zu gelangen. Doch Fehlanzeige. Inzwischen ahtte Galadriel wohl ich Abendmahl beendet und stand im Türrahmen des Zimmers, den Blick fragend auf Liana gerichtet.

„Was zum Henker machst du da? Warum durchwühlst du deine Sachen?“ wollte sie von ihr wissen, die Arme vor der Brust verschränkt. Verlegen kratzte Liana sich am Kopf, ehe sie...etwas Kleinlaut antwortete: „Ich habe wohl das Passwort für meinen PC vergessen.“

Galadriel schlug die Hände über den Kopf zusammen: „Das ist doch jetzt nicht wahr? Weißt denn wenigstens das Passwort für einen Bahn-Account noch?“

„Nein.“ gab Liana knapp zur Antwort. Galadriel raufte sich daraufhin die Haare. „Fahr...einfach diesen Rechner hoch. Vielleicht finden wir das Passwort heraus und wir haben Glück, dass du deine Log-In-Daten gespeichert hast.“ wies sie Liana an. Diese drückte schnell den Knopf am dem Rechner, sodass dieser blinkend hochfuhr. Galadriel hatte sich auf dem Schreibtischstuhl niedergelassen, während Liana daneben stand. „Hmm... Soweit ich weiß war das Passwort der Entsperrcode von deinem Handy. Das müsste dann....die 2359 sein.“ geschwind tippte die Anthrazithaarige die Zahlen ein und es funktionierte. Der Rechner ließ sich damit entsperren. „Ein Glück, dass du mir das anvertraut hast. So konfus wie du heute bist, wären wir noch morgen nicht drin.“ schnell klickte Galadriel den Browser an, nachdem sie Discord und Spotyfy geschlossen hatte und gab „Bahn.US“ in die Suchleiste ein. Zum Glück war Jean sogar noch eingeloggt, sodass Galadriel eine neue Karte bestellen konnte. „So. Das wäre geschafft. Ich hätte ja gesagt, lade dir solange die Bahn-App herunter, aber du hast ja kein Handy. Ich gebe dir für Morgen Geld mit, damit du zu deiner Arbeit kommst. Ich hoffe die Karte kommt bald.“ hörte Liana sie sagen, ehe der Stuhl zurückgeschoben wurde und Galadriel sich zu ihr herumdrehte. „Dann bis Morgen. Schlaf gut.“ sie gab Liana einen kurzen Kuss auf den Kopf, ehe sie das Zimmer verließ. Als sie weg war, seufzte diese schwer „Ich hoffe, dass ich Morgen dann hier weg bin.“

Leider würden ihre Hoffnungen nicht erhört werden.



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