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Tage der Vergeltung

von

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Chapter IV

Nightwatch Train

Mexico State

23:11 h

23. Mai
 

Mit einem Ruck schreckte Scully aus ihrem Schlaf. Etwas hatte sie geweckt, aber sie wusste nicht recht was es gewesen war. Verwirrt sah sie sich um. Mulder schlief ruhig ihr gegenüber, draußen herrschte noch immer tiefe Nacht und auch der Gang lag menschenleer da.

Scully stockte. Menschenleer? Erneut schaute sie auf den nur spärlich erleuchteten Flur und war von einer Sekunde auf die nächste hellwach. Vor ihrem Abteil stand jemand – etwas. Verstört blinzelte sie, aber die seltsame Erscheinung blieb. Ruhig stand sie da und blickte die Agentin fortwährend aus Augen, die nicht wirklich zu existieren schienen, an. Sie war in einen langen, dunklen Mantel gehüllt und langes, schwarzes Haar umwehte den hageren Kopf in einem Windhauch, dessen Ursprung Scully nicht kannte.

Ihr wurde kalt, eiskalt. Von innen heraus schien ihr Körper sämtliche Wärme zu verlieren und sie fröstelte unsicher. Gleichzeitig schien diese dunkle Gestalt eine Verbindung zu ihr zu schaffen. Sie bewegte die Lippen nicht, aber sie sprach zu ihr, auch wenn sie nicht verstehen konnte was sie sprach.

Gequält verzog Scully das Gesicht und presste sich die Hände auf die Ohren. Sie hatte das Gefühl, als würde ihr Kopf zerplatzen, wenn sie noch weiter auf die Worte dieser Kreatur hörte.

Die Gestalt hob eine Hand und deute zu Mulder hinüber, und obwohl Scully sich mit aller Macht wehrte dieser Geste zu folgen, musste sie ihren Kopf wenden und ihren Partner ansehen. Entsetzt stöhnte sie auf und schloss die Augen, versuchte vergeblich das Bild aus ihrem Geist zu verbannen, wie Mulder rücklings über den Sitzen lag, den Kopf von der Sitzfläche hängend und sein Blut leise tropfend von der Hand auf den grauen Fußboden fallend. Er starrte sie aus gebrochenen Augen an, seine Kehle war aufgerissen und sein Blut sickerte langsam aber stetig über seinen Körper in den Sitz.

Panisch floh sie in die hinterste Ecke ihrer Sitzbank und schlug hektisch um sich, als die Gestalt nun auf sie zukam und die Arme in einer beinah einladenden Geste ausbreitete. Aber sie schlug ins Leere. Fassungslos starrte sie dem Wesen entgegen und schüttelte entsetzt den Kopf, als sie verstand weswegen es gekommen war. Schreiend warf sie sich ihm entgegen und der Mantel schlug über ihr zusammen, hüllte sie in tiefschwarzes Nichts.

Mit einem heiseren Schrei fuhr Scully aus ihrem Sitz hoch und starrte mit weit aufgerissenen Augen um sich. Es dauerte eine Zeit, bis sie begriff, wo sie sich befand und dass sie geträumt hatte. Unsicher lauschte sie und warf einen kurzen Seitenblick zur Abteiltür. Doch es herrschte vollkommene Stille. Lediglich das gleichmäßige Rattern des Zuges durchbrach diese Stille.

Schwer atmend sank sie zurück, schloss die Augen, nur um sie gleich darauf wieder aufzureißen. Nein, sie wollte nicht schon wieder einschlafen. Ihr Puls hämmerte durch ihre Venen und sie spürte kalten Schweiß, der ihr das Hemd an den Rücken klebte. Der Traum war beängstigend real gewesen...

Gegenüber stöhnte Mulder gequält auf und Scullys Blick huschte besorgt zu ihm hinüber. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß und er wälzte sich unruhig hin und her. Sie beschloss ihn zu wecken, doch noch bevor ihre Finger ihn berührten, öffnete er die Augen und starrte sie erschreckt an. Scully zog sich wieder ein Stück von ihm zurück und betrachtete ihn. Er zitterte leicht und war leichenblass. „Mulder, Sie haben geträumt. Es ist in Ordnung, alles ok.“

Verwirrt blinzelte er und fuhr sich dann mit allen zehn Fingern durchs Haar. „Es tut mir leid, wenn ich Sie geweckt habe, Scully.“ murmelte er leise. Verstohlen glitt sein Blick zur Tür.

„Sie haben mich nicht geweckt. Ich bin kurz vor Ihnen aufgewacht.“ Sie zögerte. Ihr war der Blick nicht entgangen und wenn sie ihren Partner so ansah, überkam sie eine böse Ahnung.

„Scully, können Sie sich noch an ihren Traum erinnern?“ fragte er nach einer Weile unvermittelt.

Verwundert sah sie ihn an. Woher wusste er das? Dann verzog sie seufzend die Mundwinkel und rieb sich über die müden Augen. „Mehr als mir lieb ist. Einen solchen Traum habe ich mein ganzes Leben noch nie geträumt. Selbst als Kind nicht. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, als wäre ich wach und würde das alles tatsächlich erleben. - Und es war wirklich grauenvoll.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Wieso fragen Sie?“

Er lächelte humorlos. Ihr Blick verriet ihm, dass auch sie mehr ahnte als sie zugeben mochte. „Weil auch mein Traum äußerst beunruhigend war und ich kaum zu sagen vermag, wo die Grenze zwischen Realität und Traum gelegen hat.“

Scully starrte ihn an und suchte in seinem Gesicht nach einem Hinweis, der ihr verriet, dass er wieder einmal einen seiner Scherze mit ihr trieb. Aber er erwiderte ihren Blick ernst. „Was hat das zu bedeuten?“ Sie schluckte trocken. Mit einem Mal schien sich wieder diese unheimliche Kälte in ihre Glieder zu setzen, gleichzeitig kam ihr das Abteil plötzlich viel zu eng und stickig vor.

Mulder seufzte und ließ seinen Blick nach draußen schweifen. Regen trommelte gegen die Scheibe und lief in langen Schlieren an ihr herab. „Ich weiß es nicht. Vielleicht will dieses Wesen erreichen das wir umkehren, oder zumindest die Hände von dem Fall lassen. Oder aber er wird uns töten.“

Scully sagte nichts. Sie konnte nichts sagen. Rational gesehen war das alles vollkommene Humbug, einfach nicht möglich. Aber der Traum und das Geschehen im Flugzeug zuvor belehrten sie eines Besseren. Sie konnte Mulders Vermutung diesmal nicht einfach von sich weisen. Sie spürte Furcht in sich aufsteigen, aber sie verdrängte sie herrisch. „Und was ... tun wir jetzt?“

„Wir werden weiter machen. Genau so wie wir es geplant haben. Scheinbar ist tatsächlich mehr an der Sache dran als wir alle anfangs gedacht hatten und das können wir nicht einfach unberücksichtigt lassen. Es gibt hier Menschen die unsere Hilfe brauchen und auf sie zählen. Wir können nicht zurück, Scully.“

Schweigend hingen sie daraufhin ihren eigenen Gedanken nach, bis der Zug in den Bahnhof von Chihuahua einlief und sie den Waggon verließen. Es goss noch immer in Strömen und weit und breit war keine Menschenseele zu sehen. Die beiden Agenten waren binnen weniger Augenblicke bis auf die Haut durchnässt. Ein wenig ratlos schauten sie sich um und Mulder brummte unwillig. „Wenn ich es nicht besser wüsste würde ich behaupten, dass wir uns Jahrhunderte vor unserer Zeit befinden.“ Er ging auf ein schäbig ausschauendes Holzgebäude zu, an dem knarrend ein Kneipenschild im Wind schaukelte. Doch die Tür war verschlossen und die Fenster mit Läden verriegelt. „Sieht nicht so aus als würde unser Reiseleiter hier auf uns warten. Ich habe es schon fast befürchtet. Das macht die ganze Sachen nicht einfacher.“

Scully drehte sich einmal um die eigene Achse und ließ ihren Blick über den einsam im nichts verlaufenden Gleis wandern. Irgendwo weit am Horizont konnte sie die Schemen der gewaltigen Bergmassive erkennen. Und davor das Leuchten einer Stadt. „Das muss Chihuahua sein. Scheint noch eine ganze Ecke entfernt zu sein, wenn mich nicht alles täuscht.“

Mulder folgte ihrem Blick und fluchte leise. „Dann werden wir wohl einen kleinen Spaziergang unternehmen müssen.“ Er schulterte seinen Rucksack und stapfte auf die verschlammte Straße zu, die vom Bahnhof weg in tiefste Finsternis führte. Scully seufzte ergeben und folgte ihm schließlich, still hoffend, dass dies der richtige Weg nach Chihuahua sein mochte.



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